Fragen und Antworten zum Investorenschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren (Stand: Mai 2015) Außenwirtschaft 1. Warum müssen Investitionen im Ausland geschützt werden? In einer globalisierten Welt stehen Unternehmen in einem permanenten Wettbewerb um Arbeitskräfte und Produktionsbedingungen. Auch die Industriestandorte müssen die besten Rahmenbedingungen für Firmen bieten. Die Investitionsbestände im Ausland sind in den letzten Jahren stetig gewachsen. Kapital als Treibstoff für Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung muss daher ausreichend geschützt werden. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen sind die Summen bei einer Auslandsinvestition oft erheblich. Eine Auslandsinvestition ist für diese Unternehmen mit hohen Risiken verbunden. Denn der „Verlust“ seiner Investition könnte das mittelständische Unternehmen in eine existenzielle Krise bringen. Ein Mittelständler ist daher auf den Schutz seiner Investitionen im Ausland angewiesen und er muss die Möglichkeit haben, seine Rechte sichern zu können. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel in einem Gaststaat eine Fabrikhalle aufbaut um vor Ort produzieren zu können, muss das Unternehmen gegen willkürliche Eingriffe geschützt werden. 2. Wie viele Investitionsschutzabkommen hat die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen? Wie viele die anderen EU-Mitgliedstaaten? Deutschland hat 129 Investitionsschutzabkommen (darunter 14 Abkommen mit EUMitgliedstaaten) und 1959 den weltweit ersten Investitionsvertrag mit Pakistan abgeschlossen. Die Bundesrepublik verfügt weltweit über die größte Anzahl dieser Verträge. Die EU-Mitgliedstaaten haben insgesamt ca. 1400 bilaterale Investitionsschutzabkommen abgeschlossen. 3. Was bedeutet Investorenschutz? Investorenschutzverträge schützen ausländische Investoren vor Diskriminierung. So darf er nicht schlechter behandelt werden als ein inländischer Investor. Wenn der Gaststaat eine Maßnahme ergreift, die den Investor möglicherweise benachteiligt, ist sie aber unter gewissen Voraussetzungen erlaubt. So muss die Maßnahme in angemessenem Verhältnis zum öffentlichen Interesse stehen, nicht-diskriminierend und der Investor zügig und angemessen entschädigt worden sein. Investorenschutzverträge beinhalten auch die Garantie des freien Kapitalverkehrs und den Schutz vor ungerechter Behandlung. Letzteres ist allenfalls dann der Fall, wenn zum Beispiel der Investor politisch unter Druck gesetzt wird oder Regierungsentscheidungen willkürlich und intransparent sind. 4. Kann ein Investor die Rücknahme einer staatlichen Maßnahme erwirken? Nein. Investitionsschutzverträge schützen Investoren vor Diskriminierung, ungerechter und unbilliger Behandlung und kompensationsloser Enteignung. Die Verträge schützen Investoren aber nicht vor einem Rückgang der Rentabilität ihrer Investitionen. Somit kann Verband Deutscher Maschinenund Anlagenbau e.V. Präsident: Dr. Reinhold Festge Hauptgeschäftsführer: Thilo Brodtmann Abteilung Außenwirtschaft Lyoner Straße 18 60528 Frankfurt am Main, Germany Telefon +49 69 66 03-14 42 Telefax +49 69 66 03-24 42 E-Mail [email protected] Internet www.vdma.org VDMA Technik für Menschen auch der Investor keine Rückgängigmachung der staatlichen Maßnahme einklagen. Ob er Recht auf Schadenersatz hat, muss im konkreten Fall geprüft werden. 5. Was sind Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS)? Wenn die in dem Abkommen festgelegten Schutzstandards verletzt worden sind, kann der Investor vor einem internationalen Schiedsgericht gegen den Gaststaat klagen, ohne den Umweg über gerichtliche Instanzen im Zielland zu nehmen. Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist bindend. In dem jeweiligen Handelsabkommen wird das zuständige Schiedsgericht festgelegt, welches für das Verfahren zuständig ist. Dies ist zum Beispiel das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID). Es gehört zur Weltbankgruppe und hat seinen Sitz in Washington. Von den 129 geltenden Investitionsschutzabkommen Deutschlands sehen 86 Investor-StaatSchiedsverfahren vor.1 6. Warum wird ISDS kritisiert? Kritiker der Investor-Staat-Schiedsverfahren fürchten, dass die Verfahren Unternehmen ermöglichen, Regierungen zu verklagen, wenn ihre Gewinne durch neue Gesetze sinken. Außerdem wird behauptet, dass ausländische Investoren Regierungen zwingen können, Gesetze rückgängig zu machen. Dies ist aber nicht der Fall. Der ausländische Investor kann lediglich Schadenersatz einklagen (s. Frage 4). Ferner fürchten Kritiker den sogenannten „Regulatory Chill“, dass also Regierungen nicht mehr regulierend tätig werden, weil sie mögliche Klagen von Investoren befürchten. Hierfür gibt es aber kaum empirische Belege. Staaten erlassen auch mit Investitionsschutzverträgen Gesetze und Regulierungen. Neuere Verträge beinhalten oft Bestimmungen, die das Recht eines Staates, regulierend tätig zu werden („Right to Regulate“), ausdrücklich schützen. 7. Wie viele ISDS-Fälle gibt es weltweit? Basierend auf Daten der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) gibt es weltweit 608 ISDS-Fälle. 356 Fälle davon waren Ende 2014 bereits abgeschlossen. Investoren aus den EU-Mitgliedstaaten haben mit 327 Fällen die meisten Verfahren eingeleitet. In den Jahren 2014 und 2013 wurden 42 respektive 59 neue Fälle eingeleitet.2 8. Zu wessen Gunsten fallen die Schiedsverfahren meist aus? Einige Studien von UNCTAD und ICSID kommen zu dem Schluss, dass Staaten im Durchschnitt erfolgreicher als Investoren sind. Von den 356 abgeschlossenen Verfahren fielen 132 Fälle (37%) zugunsten der Staaten aus, 101 Fälle (28%) wurden beigelegt und 87 Fälle (25%) fielen zugunsten des Investors aus. Die verbleibenden Fälle wurden eingestellt oder fielen zugunsten des Investors aus, aber ohne eine Kompensation an den Investor.3 1 BMWi (2015), Gabriel: Mauritius-Konvention ist Meilenstein für mehr Transparenz bei Schiedsverfahren, http://bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=696962.html (Zugriff am 14.04.2015) 2 European Commission (2015), Investor-to-State Dispute Settlement (ISDS), Some facts and figures, http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/january/tradoc_153046.pdf, S. 5-6 3 European Commission (2015), Investor-to-State Dispute Settlement (ISDS), Some facts and figures, http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/january/tradoc_153046.pdf, S. 7 -2- 9. Wurden ISDS-Reformen bereits in dem EU-Kanada Abkommen (CETA) umgesetzt? Das Abkommen enthält bereits mehrere Neuerungen, die den Spielraum für Investoren einschränken. So wird zum Beispiel die Möglichkeit von Mehrfachklagen über den nationalen Rechtsweg und gleichzeitig über Schiedsverfahren ausgeschlossen, der Begriff „indirekte Enteignung“ definiert, auf die UNCITRAL-Transparenzregeln verwiesen und ein verbindlicher Verhaltenskodex für die Schiedsrichter festgelegt. Darüber hinaus wird die Regulierungsautonomie u.a. in der Präambel erwähnt und die Möglichkeit einer Berufungsinstanz geschaffen. Somit kann CETA Vorbild für ein zweistufiges Verfahren sein. In der geplanten TTIP könnten weitergehende Reformen des ISDS-Systems umgesetzt werden. Die EU-Kommission hat zum Beispiel vorgeschlagen, eine Liste mit staatlich ernannten Schiedsrichtern zu erstellen. 10. Welche Meinung hat der VDMA zum Investorenschutz? Der VDMA spricht sich für einen umfassenden Investorenschutz in Freihandelsabkommen und auch in der geplanten Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) aus. Für deutsche Maschinenbauer sind die USA das wichtigste Zielland für Investitionen außerhalb Deutschlands. Investoren sind auf Rechtssicherheit angewiesen, wenn sie in einem anderen Staat Investitionen tätigen. TTIP kann Vorbild für andere Freihandelsabkommen sein. Wenn man den Investorenschutz aus dem Abkommen nehmen würde, würde sich die Gefahr erhöhen, dass ein Investorenschutz in Handelsabkommen mit anderen Partnern schwierig durchzusetzen wäre. Darüber hinaus kann nach Ansicht des VDMA der Investorenschutz am besten in TTIP reformiert werden. Die dringend erforderliche Reform der Investor-Staat-Schiedsverfahren kann am ehesten mit einem Partnerland wie den USA gelingen. Als Reformen schlägt der VDMA die Garantie der Regulierungshoheit der Staaten, eine erhöhte Transparenz der Verfahren, die Einführung eines Berufungsmechanismus, die Präzisierung der Rechtsbegriffe, die Verhinderung der Interessenkonflikte der Schiedsrichter sowie die Etablierung eines ständigen Investitionsgerichtshofs vor. 11. Brauchen Maschinenbauunternehmen ein Investitionsschutzabkommen mit einem demokratischen Land wie den USA? Ausländische Investitionen müssen auch in einem demokratischen Land wie den USA abgesichert sein. Es gibt kein Gesetz in den USA, das die Diskriminierung von ausländischen Investoren verbietet. Investitionsbestimmungen in dem Abkommen würden diese Lücke schließen, aber nur, wenn diese Verpflichtungen auch durchsetzbar sind. Wenn TTIP keine Bestimmungen zum Investorenschutz enthalten würde, wäre es auch schwer, diese in Abkommen mit anderen Ländern durchzusetzen. Zwischen den USA und neun EU-Mitgliedstaaten gibt es bereits bilaterale Investitionsschutzabkommen.4 Damit einheitliche Regeln zwischen den USA und allen EU-Mitgliedstaaten bestehen, sollte TTIP einen weitreichenden Investorenschutz beinhalten. TTIP könnte zu einer Reform des bestehenden Systems der Investor-Staat-Schiedsverfahren beitragen. Die neuen Regelungen könnten wiederum Impulse für Verhandlungen zum Investorenschutz auf multilateraler Ebene geben. 4 Bulgarien, Tschechische Republik, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Slowakei -3-
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