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Lösungsvorschläge
55
M2
Die Großstadt mit den Augen eines Expressionisten sehen
1 George Grosz: Friedrichstraße (1918): Auffällig
• Anonymität und Beziehungslosigkeit in der
an der Lithographie ist die Zersplitterung in eine
Großstadt
• Entindividualisierung in der Massengesellschaft
Vielzahl von Perspektiven. Durch die Überschneidung zahlreicher Linien entsteht eine Verschachte2 Beide Bilder präsentieren eine wenig einladende
lung des Bildraumes, ein undurchschaubares Geflecht
Großstadt. Während Meidner allerdings eine bedrohvon Figuren und Hausfassaden. Trotz der Fülle der
liche, apokalyptische Szenerie heraufbeschwört und
dargestellten Menschen wirken die einzelnen Figuren
die individuellen Eigenheiten der Personen vernachisoliert und voneinander abgegrenzt. Dieser Effekt
lässigt, zeigt Grosz das verwirrende Gewimmel von
entsteht u. a. durch die Linien, die das Bild zerschneiStädtern, Anonymität, Vermassung sowie Reizüberden. Die Beziehungslosigkeit untereinander zeigt
flutung. Beide Bilder brechen mit formalen Konvensich ferner darin, dass Grosz Vertreter verschiedener
tionen, indem sie die Stadt dynamisieren und die
sozialer Gruppen unverbunden nebeneinander präklassische Perspektive aufgeben. Aufgrund dieser Versentiert: Neben Uniformierten finden sich Straßenfremdungen lässt sich jeweils kein konkretes Vorbild
verkäufer, Prostituierte, Bettler, ein Jude, Arbeiter
wiedererkennen; es ging den Künstlern offenbar um
usw. Das Prinzip der Desintegration wiederholt sich
die Darstellung des Phänomens Stadt an sich.
in der Architektur. Dem Auge bietet sich kein Ruhepunkt, die Fassaden stürzen gewissermaßen halt- 3 ► Da auf die Hypothesen der Schüler bezüglich der
los auf den Betrachter zu. Das Bild transportiert zenGestaltung expressionistischer Lyrik später noch eintrale Themen, die auch die Lyriker beschäftigt haben:
mal zurückgegriffen werden soll, empfiehlt es sich, die
• Gleichzeitigkeit disparater Eindrücke
Ideen der Schüler in einem Tafelbild festzuhalten. ◄
Lösung
Mögliches Tafelbild:
Hypothesen zu Form und Inhalt expressionistischer Lyrik
Themen/Motive
Künstlerische Mittel
• Großstadt und ihre Probleme, z. B. Anonymität,
• Sprengung tradierter Formen: Verzicht auf Metrum, Reim,
Vermassung, Technisierung
• Apokalypse
• Krieg
• Ich-Zerfall
•
•
•
•
stattdessen freie Rhythmen
Auflösung syntaktischer und grammatikalischer Regeln
Radikalisierung der Sprache
Neologismen, Übertreibungen
Häufung von Metaphern
M3
Einsam in der Masse: Großstadtlyrik um 1900
Lösung
1/2 Mögliches Tafelbild:
Inhalt: Nähe – Distanz
Sprachliche Gestaltung
Strophe 1
Fenster, Häuser und Straßen ergeben ein Bild bedrängender, fast bedrohlicher Enge, nirgends scheint mehr
Platz zu sein.
Vergleich: Fenster = Löcher eines Siebes; Personifizierung: drängend fassen Häuser sich so dicht an;
Vergleich: Straßen = Gewürgte; Alliteration: Grau
geschwollen wie Gewürgte sehn
Strophe 2
Ohne jede Distanz drängen sich die Menschen in der Stra- Metapher: Ineinander dicht hineingehakt / Sitzen
ßenbahn. Sie begaffen sich wechselseitig, ohne etwas von in den Trams die zwei Fassaden; Metapher: Und
sich selbst preiszugeben.
Begierde ineinander ragt
Strophe 3
Die bedrängende Enge moderner Wohnverhältnisse führt Vergleich: Wände = Haut
zum Verlust jeder Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeit. Vergleich: Flüstern = Gegröhle
Man kann sich der ungewollten Teilhabe nicht entziehen.
Strophe 4
Radikale Antithese: Trotz all der Enge und Distanzlosigkeit Vergleich: Und wie stumm in abgeschlossner Höhbleibt der Einzelne einsam. Es finden zwar hautnahe Begeg- le; Ellipse: alleine; antithetische Gestaltung: erstes
nungen statt, dennoch herrscht untereinander Fremdheit. Wort des Gedichtes „Nah“, letztes Wort „alleine“
Auswertung Das Gedicht entwirft ein eindrückliches Porträt von der
Personalisierung der Dingwelt
(Hypothese) Anonymität in der modernen Großstadt: Der tausendfach Verdinglichung der Menschen
in der Menge berührte und begaffte Mensch bleibt in
seinem Wesen unerkannt, also einsam und alleine.