Feuilleton regional 28 Philosophy Slam im Foyer des Großen Hauses Dieses Mal wird es ernst beim Philosophy Slam: Spiel(en) ist das Thema. Wie viel Faszination in dem Begriff steckt, merkt man, wenn man für einen Moment darüber nachdenkt, was spielen ist. Denn obwohl das Spielen allgegenwärtig ist, ist es nicht leicht zu sagen, was wir da machen. Kinder spielen meistens, Erwachsene spielen manchmal, Fußball oder im Orchester, oder schauen anderen beim Spielen zu. Aber warum spielen wir? Welche Funktion hat das Spiel? Worauf erstreckt es sich? Welche Rolle spielt es im Leben und in der Gesellschaft? Vier Slammer treten an, um diese Fragen zu berühren und vielleicht auch zu beantworten. Kommentiert werden die Beiträge von der Fachjury, die sich aus Juliane Votteler, Intendantin des Theaters Augsburg, Karl Boromäus Murr, Leiter des Textil- und Industriemuseums, und Gerhard Hofweber, Leiter des Dr. Hofweber Instituts, zusammensetzt. Der Slam findet am Dienstag, 27. Oktober, um 20 Uhr im Foyer des Großen Hauses statt. (AZ) NEUERSCHEINUNG Zweite Heimatlieder-CD nun erhältlich Die zweite CD des Berliner Erfolgsprojekts „Heimatlieder aus Deutschland“ mit 16 neuen eingewanderten Heimatliedern aus vier Kontinenten ist erschienen. Ende 2014 haben sich Berliner und Augsburger Künstler an zwei aufeinander folgenden Wochenenden in einem Studio in der Augsburger Altstadt getroffen und das Material aufgenommen. Portugiesischer Fado, Klapa Gesang, marokkanische Gnawa und kubanischer Son (alle Lieder mit Berliner Wurzeln) treffen auf bulgarische Volkslieder, siebenbürgisches Liedgut, kamerunische Bamileke und alevitische Volksmusik mit Augsburger Einfluss. Die zweite CD ist in Augsburg in der Buchhandlung am Obstmarkt, im Weltladen Augsburg, im Taschenbuchladen und im Space 2b erhältlich. (AZ) SYMPOSIUM Ehrung für Wolfgang Frühwald Im Rahmen eines Stipendiatentreffens der Humboldt-Stiftung an der Universität Augsburg wird für Wolfgang Frühwald am Donnerstag, 29. Oktober, von 15 bis 17 Uhr ein Symposium veranstaltet. Vier kurze Vorträge sind in Hörsaal 1010 der juristischen Fakultät zu hören. Die Humboldt-Stiftung würdigt damit ihren Ehrenpräsidenten, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag gefeiert hat. (AZ) MONTAG, 26. OKTOBER 2015 Die bösen Jungs sind los Feuilleton kompakt THEATER AUGSBURG NUMMER 246 Theater Augsburg Aus der Kinderliteratur lassen sich „Max und Moritz“ nicht wegdenken. Knapp 40 Schüler spielen, singen und tanzen den Stoff nun unter dem Titel „Bad Boys“. Die sieben Streiche geraten ganz schön fies VON RICHARD MAYR Was sind das für Figuren: Max und Moritz. Mit ihren sieben Streichen kann man sie wirklich die „Bad Boys“ der Kinderliteratur nennen. Die Hühner von Witwe Bolte auf dem Gewissen, den Schneider Böck fast ertränkt, den Lehrer Lämpel in die Luft gejagt, bis der Bauer Mecke die Jungs fängt und zum Meister Müller bringt: „Rickeracke! Rickeracke! Geht die Mühle mit Geknacke.“ Als Futter fürs Federvieh enden Max und Moritz. Und die Moral von der Geschicht’? Naja, so einfach hat es Wilhelm Busch seinen Lesern nicht gemacht. Und so einfach will es die Theaterproduktion „Bad Boys – Max & Moritz“ ihrem Publikum auch nicht machen. Als Albtraum wird diese Geschichte erzählt. Die zwei Schauspieler Helene Blechinger und Florian Innerebner (später Witwe Bolte, Lehrer Lämpel, Schneider Böck und Meister Müller) liegen auf der Bühne und träumen schlecht. Sehr schlecht. Sie träumen von Jungs (ihren Jungs?), die ihnen zusetzen. So einfach ist es mit dem Nachwuchs ja nie trotz der inflationär wachsenden Ratgeberliteratur. In gewisser Weise haben die beiden einen perfekten Albtraum. Die Schreck-Phasen greifen nahtlos ineinander („Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich“) – auf der Bühne ist das eine Mischung aus Schauspiel, Tanz und Musik, stark choreografiert (Veronika Schell, Luka Marie Fritsch). Erst einmal durch den ständigen Wechsel ein Fest fürs Auge, aber auch fürs Ohr. Neben den Schauspielern des Theaters stehen 37 Jugendliche auf der Brechtbühne, sprechen, spielen, tanzen und rappen ein bisschen län- Max und Moritz in dreifacher Ausfertigung (von links): Abdalla Daoud, Dennis-Marko Mijatović, Lea Schuler, David Beier, Sara Oswald, Emre Amman und Ayse Etci auf der Brechtbühne des Theaters Augsburg. Foto: Nik Schölzel. Theater Augsburg ger als 60 Minuten. In dieser Zeit gibt es kein einziges Mal Stillstand. Wenn umgebaut wird, wird gesungen, es passiert so viel gleichzeitig, dass einen hinterher das Gefühl beschleicht, den Abend locker auch ein zweites Mal sehen zu können. Was das Theater Augsburg da macht, ist Neuland (wir berichteten). „Bad Boys“ ist als Mitmach-Projekt mit Schülern aus der Region angelegt. Und: Es läuft im regulären Abo-Betrieb und ist bislang mit 15 Terminen im Spielplan angesetzt. Dass hier ein Querschnitt der jungen Bevölkerung auf der Bühne steht (Kinder mit und ohne Migrati- onshintergrund, dazu auch unbegleitete Flüchtlingskinder), davon wird kein großes Aufheben gemacht. Es wird nicht als interkulturelles Vorzeigeprojekt ausgeflaggt. Wahrscheinlich drängt sich genau deshalb der Eindruck auf, dass hier nicht mühsam etwas beschworen, sondern gelebt wird, ganz selbstverständlich. Die Idee der Macher (Robin Haefs von Rapucation und Sigrun Fritsch von PAN.OPTIKUM) ist, das Publikum durch die Qualität des Dargebotenen zu überzeugen und nicht durch sozialpolitische Beweggründe. Diese Rechnung geht tatsächlich auf. Man merkt, dass das Schüler ohne jahrelangen Schauspielunterricht auf der Bühne sind, dass die einen mehr und die anderen etwas weniger Talent haben, man merkt, dass die einen besser tanzen können, die anderen besser rappen – aber darauf kommt es in dieser Produktion nicht an. Eine eingeschworene Gruppe steht nach acht Probenmonaten auf der Bühne. Und gespielt wird voller Leidenschaft, so als ob es nur diese eine Rolle und dieses eine Stück für alle gibt. Dieser Einsatz reißt mit. Wer hinhört, entdeckt in diesem Albtraum auch mehr als Wilhelm Buschs „Max und Moritz“. Arthur Schopenhauer, ein Vorbild Buschs wird zitiert, die Bibel kommt zu Wort. Und natürlich die Jugendlichen selbst, etwa in einem Song, in dem alles, was sie von ihren Eltern schon einmal zu hören bekommen haben, verarbeitet wird: „Fang endlich an zu denken, du saudummes Kind“ und „Ich frag mich, wieso ich dich geboren hab“. Gut und böse? Alles nicht so einfach in Erziehungsfragen … O Weitere Termine am 29., 30. Oktober, 13., 15., 20. November und 17., 18. Dezember in der Brechtbühne des Theaters Klangvoll durch die Musikepochen Konzert Die Philharmonie Aichach feiert ihr 20-Jähriges mit Händel, Haydn und Dvořák VON MANFRED ENGELHARDT Unterhaltung auf hohem Niveau schrieben auch die Großen – sie mussten davon leben. Georg Friedrich Händel, Joseph Haydn, Antonín Dvořák konnten das hervorragend. Solche Musik lockte viel Publikum ins Deutschherren-Gymnasium, wo die Philharmonie Aichach ihr 20-jähriges Bestehen feierte. Es wurde ein Jubiläumskonzert, das bestens ankam. Man konnte es auch erwarten, denn dieses Orchester – tüchtige Liebhaber im Verein mit prächtigen Profi-Bläsern sowie einigen integrierten Mitgliedern der Münchner Philharmoniker – steht seit Jahren für erstaunliche Qualität. Das Konzert war auch das Debüt des neuen Leiters Ekkard Wohlgemuth, Schulmusiker und Orchesterprofi, der die Bratsche mit dem Dirigentenstab tauschte. Drei Genies repräsentierten über 150 Jahre Musikgeschichte. Sie verkörpern Epochen, deren Unterschiedlichkeit die Aichacher stets pflegten: der barocke Händel, der Wiener Klassiker Haydn, Dvořák, die Inkarnation slawisch-bewegter Töne. Kontrabassistin Sandra Staigers prägnante Moderation lockerte mit amüsant vielsagenden Anekdo- ten zu Werken und Meistern die Programmfolge auf. Es sprach für die Vielseitigkeit des Orchesters, dass es aus den Klängen die jeweilige charakteristische Handschrift herausarbeiten konnte. Wohlgemuths Vorgänger, der Münchner Philharmoniker Alexander Möck, hinterließ ein wohlbestelltes musikalisches Erbe. Wohlgemuth konnte es gut nutzen, brachte zuverlässig führend eigene Impulse ein. Ein prachtvolles Stück barocker Pomp-Entfaltung ist Händels Feuerwerksmusik. Sie wurde in schöner Balance der satten Bläser und des Streicher-Kerns geboten: von der vielgestaltigen Ouvertüre, über tänzerische und pastorale Sätze bis zum wuchtigen Dreiertakt des Menuetts. Alle Streicher spielen mit engagiertem Ausdruck, die tiefen Bereiche bieten ein abgerundetes Klangbild, die Violinen, mit einigen Neuzugängen, sollten teils noch an schlanker Präzision zulegen. Haydns Sinfonia concertante unterhält geistvoll mit lebhaften Wechseln: das Heraustreten des Solistenquartetts, die Verzahnung mit dem Orchester. Die vier Münchner Philharmoniker – Clement Courtin (Violine), Joachim Wohlgemuth (Cello), Kai Rapsch und Johannes Hofbauer (Oboe, Fagott) – spielten sich hinreißend die Bälle zu: Bewegt im ersten Satz, beseelt im Andante und vergnüglich im Finale, wo in Opernmanier besonders die kapriziöse Violine durch Rezitativ-Einschübe das Heft in die Hand nimmt. Zum Schluss gab es böhmisches Temperament: Dvořáks Suite begann, geschmeidig gespielt, mit den sanften Wellen des Präludiums; tänzerisch-elegische Stimmungen gab es in den folgenden Sätzen. Sie wären gestisch vielleicht noch etwas pointiert-feiner in den Taktwechseln denkbar gewesen. Doch zu Recht gab es herzlichen Beifall. Für den Mann am Pult ist es Zeit zu gehen Porträt 40 Jahre sorgte Hans Oebels für reibungslose Theaterabende. Sogar auf der Bühne stand er schon. Jetzt nimmt der Inspizient Abschied VON NICOLE PRESTLE Nein, eine exakte Rechnung gibt es nicht, aber Hans Oebels hat es grob überschlagen: Er kam auf 3800. So viele Vorstellungen hat er in 40 Jahren als Inspizient am Theater Augsburg betreut. Er stand hinter den Kulissen, unbemerkt vom Publikum, leger in Jeans und Pulli – aber stets konzentriert und mit einem Auge für jedes technische Detail. Am Freitag, nach knapp drei Stunden Macbeth, musste Oebels dann doch noch auf die Bühne. Es gibt eben kein leises Servus für einen wie ihn. Für einen, der Intendanten kommen und gehen und der Sanierungspläne entstehen und wieder in Schubladen verschwinden sah. Für einen, der laut Intendantin Juliane Votteler oft der Letzte war, der das Licht ausmachte im Theater. Und nun? Geht Hans Oebels selbst – in den Ruhestand. „Und das ist auch in Ordnung so“, sagt er. Oebels Schwerpunkt war das Musiktheater, „er konnte fast jede Oper mitsingen“, attestiert ihm die Intendantin. Manchmal spielte er sogar selbst auf der Bühne – den Briefträger in „Frau Luna“ oder den Inspizienten Mitch in „Kugeln überm Broadway“. „Ich habe hier fast schon alles gemacht. Nur am Dirigentenpult stand ich nie“, sagt Oebels augenzwinkernd. Trotz dieser Vielseitigkeit verstand er sich vor al- lem als eins: die Schnittstelle zwischen Kunst und Technik. Begonnen hat alles 1975 – damals fing Oebels im Theater an. Rudolf Stromberg war Intendant in Augs- 40 Jahre lang war dieses Pult der Arbeitsplatz von Hans Oebels. Als Inspizient hat er den technischen Ablauf von rund 3800 Theatervorstellungen betreut. Jetzt geht er in den Ruhestand. Foto: Richard Mayr burg und der angehende Inspizient heiß auf Arbeit. Stromberg ließ ihn auflaufen: „Ich will erst, dass du ans Pult gehst, wenn du das ganze Haus kennst“, sagte er dem jungen Mitarbeiter und schickte ihn durch alle Abteilungen. Eine Neigung fürs Theater, erinnert sich Oebels, hatte er von Anfang an. „Diese Neigung wurde von den Kollegen professionell und kompromisslos geschult.“ Hans Oebels ist am Freitag nicht anzumerken, dass es einer seiner letzten Tage am Inspizientenpult ist. Ruhig aber bestimmt fordert er nach der Vorstellung die Unterschriften aller ein, die an der Inszenierung beteiligt waren. Dennoch sieht dieser Bericht diesmal anders aus: „Heute ist die letzte offizielle Vorstellung eines der Menschen, der mich am Theater am meisten inspiriert hat“, schreibt Dirigent Samuele Sgambaro über seine Signatur. Als er das liest, ist Oebels doch ein wenig gerührt. Die Kollegen des Musiktheaters bereiteten dem „Mann am Pult mit der Engelsgeduld“ nach der Inszenierung einen herzlichen Abschied. Auch ein besonderes Geschenk gaben sie „ihrem Hans“ mit in den Ruhestand: den hölzernen Hocker, auf dem er so viele Jahre, Abend für Abend, Vorstellung für Vorstellung gesessen hat und der schon da war, als Hans Oebels ans Theater kam. Um den Ruhestand bequemer zu machen, haben die Werkstätten dem Hocker ein „Ruhepolster“ verpasst. Sehr zur Freude von Hans Oebels, denn: „Bequem war dieser Stuhl nicht immer.“ Und was wird nun aus Oebels? Sein erster Weg führte ihn am Sonntagabend... – genau, ins Theater. Dort sprang er in der Oper „Der König Kandaules“ als Inspizient ein. Auch die Endproben für „Hamlet“ wird er noch betreuen, bevor dann endgültig Schluss ist mit der Arbeit. Hans Oebels hing all die Jahre am Theater, doch schweren Herzens geht er nicht: „Sonst würde ich das Theater mit nach Hause nehmen, aber das will ich nicht.“
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