Advertising Verkehrte Agenturwelt

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April_2009
U
ff!“, stöhnt Mariusz Jan Demner.
widerspricht. Und viele haben es ihm
Younited (siehe HORIZONT 14/09) oder
Der Chef und Miteigentümer der
gleich gemacht: Dirnberger de Felice Grü-
Gustav Souceks Freie Kreative beweisen
größten österreichischen Werbe-
ber, gantnerundenzi, Blink, NitscheHag-
einen anhaltenden Gründergeist in der
agentur kann sich diesen freudig-erleich-
mann sind Beispiele dafür, dass die eigen-
Agenturszene und, dass ihre Proponenten,
terten Seufzer nicht verkneifen, wenn er
tümergeführte Werbeagentur mit großem
was innovative Modelle betrifft, noch
daran denkt, wie oft Demner, Merlicek &
Schwerpunkt auf kreativen Output in den
nicht am Ende ihres Lateins sind. Fest
Bergmann in den ­vergangenen Jahrzehn-
vergangenen Jahren eine kleine Renais-
steht auch, dass Weitere folgen werden,
ten ein Zielobjekt der expansionsgierigen
sance erlebt. Einer von ihnen, Blink-Chef
denn so schlimm kann keine Krise anmu-
internationalen
war.
Emanuel Brandis, bringt die Stärke dieses
ten, dass sich nicht noch ein paar Vollblut-
existieren
neuen Agenturmodells auf den Punkt:
profis den Kick einer eigenen Agentur-
heute nicht einmal mehr“, resümiert Dem-
„Um wirksame Kampagnen mit Schlag-
gründung geben.
ner. Davon, dass es immer die richtige
kraft und Relevanz zu entwickeln, ist es
Entscheidung gewesen sei, Verkaufsange-
nicht notwendig, Teil eines internationa-
Verkehrte Agenturwelt
bote von Networks abzuschlagen und ei-
len Networks zu sein. Dazu braucht man
Noch vor wenigen Jahren war der „Com-
genständig als klar auf österreichische
nicht viele Leute, sondern gute. Gute
mon Sense“, was das zukunftsträchtige
Auftraggeber ausgerichtete Agentur zu
Leute mit Erfahrung. Wer keine Network-
­Modell einer Werbeagentur betrifft, jener,
arbeiten, davon spricht er gar nicht erst –
Fees abführen muss, kann stattdessen in
dass Agenturen, die nicht über eine interna-
diesen Wissensstand setzt er voraus. Es
sein Team investieren. Davon profitieren
tionale Netzwerkanbindung verfügen, nie-
wird heute in der österreichischen Werbe-
die Agentur und der Auftraggeber.“ Auch
mals eine übergeordnete Rolle am heimi-
branche kaum jemanden geben, der ihm
Alois Grills neuartiges Agenturprojekt
schen Markt spielen werden können.
„Manche
36_BESTSELLER
dieser
Agenturnetworks
Networks
foto iStockphoto
Balance
akte
Agenturmodelle auf dem Prüfstand – jahrzehntelang
galten lokale Werbeagenturen ohne inter­nationale
Anbindung als dem Untergang geweiht – heute, denken
viele, ist es gerade umgekehrt. BESTSELLER sprach mit
Agenturchefs über das ideale Agenturmodell, über
sinnvolle Wege bei Sparmaßnahmen (Seite 46) und über
neue Geschäftsfelder (Seite 50). text sebastian loudon
BESTSELLER_37
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April_2009
Mariusz Jan Demner, DM&B
„Manche der ­Networks,
die uns kaufen wollten, existieren
heute nicht einmal mehr.“
Erleichterter ­Nachsatz: „Uff!“
Nur der Vollständigkeit halber: Die Wiener
chischen Kunden Mobilkom Austria war
Österreich ist es fatal darauf zu warten,
Agentur Demner, Merlicek & Bergmann ist
zu wenig Substanz da, um die Agentur wei-
dass internationales Geschäft automa-
inzwischen allen Unkenrufen zum Trotz
terzuführen, zumindest aus Sicht der Con-
tisch hereinkommt. Und beim Kampf um
von Wien aus in 15 Ländern tätig. Und was
troller im Headquarter. Zweifellos eine
nationale Etats ist die internationale An-
Demner im Großen schafft, gelingt auch
Ausnahmesituation, aber sie illustriert
bindung weniger wichtig als die wahrge-
mittelständischen Agenturen wie der Lin-
sehr gut, was das Um und Auf einer Net-
nommene Leistung am Markt.“ Dass das
zer Createam, die ebenfalls für so manchen
work-Agentur ist, um auf einem kleinen
grundsätzlich nichts Neues ist, beweist
ihrer Kunden international tätig ist. In so
Markt wie Österreich bestehen zu können:
Jürgen Columbini. Der Geschäftsführer
einem Fall braucht Createam-Chef Hans
lokales Geschäft. Warum das so ist? Zum
und Gesellschafter der Agentur Unique
Reifetzhammer kein internationales Netz-
einen, weil eine Österreich-Filiale durch
machte seine „Lehrzeit“ bei Dr. Puttner &
werk, sondern er arbeitet lieber mit Free-
die
internationalen
Bates vor rund 20 Jahren und erinnert
lancern an Ort und Stelle zusammen. Wenn
Kunden zwar eine Menge Aufwand, aber
sich: „Schon damals war es so, dass die
überhaupt, denn sein Credo lautet: „Alle
kaum mehr Einnahmen hat. Zum anderen:
Unzufriedenheit mit dem international ge-
Kompetenzen an unserem Standort Linz zu
Je weniger Honorarumsatz aus dem loka-
nerierten Business sehr hoch war, da die
bündeln.“ Nachsatz: „Eine Gruppe von Top-
len Markt erwirtschaftet wird, desto ge-
Agentur hauptsächlich durch die natio-
Kreativen an einem Standort zusammenzu-
ringer die Handlungsfreiheit, die einem
nale Performance Incomes erwirtschaf-
halten, ist schwierig genug und der Face-to-
aus der jeweiligen Europazentrale des
tete.“ Columbini ist auch einer der weni-
Face-Kontakt mit den Kunden ist immer
Netzwerkes gewährt wird. Rudi Kobza,
gen Agenturchefs, die sich eindeutig für
noch der wesentlichste Faktor in unserer
der oberste Repräsentant der Interpublic
ein Modell deklarieren. Zwar habe er „ho-
Branche.“ Österreichische Agenturen ar-
Group of Companies (IPG) mit den Agen-
rizonterweiternde internationale Semi-
beiten erfolgreich im Ausland und interna-
turen Draftfcb Kobza und Lowe GGK,
nare“ in Erinnerung, dennoch war schnell
tionale Top-Agenturmarken wie zuletzt
nimmt für sich in Anspruch, dass er genau
für ihn klar, „dass das Modell einer unab-
Saatchi & Saatchi verschwinden vom öster-
dieses Problem nicht hat: „Ich werde im
hängigen, flexibel und rasch am Markt
reichischen Markt. Das war in den Progno-
IPG-Network als Unternehmer gesehen
agierenden
sen der Neunzigerjahre beileibe nicht vor-
und genieße mit 95 Prozent lokalem Ge-
eindeutig zu präferieren ist“. Heute, im
gesehen, wie konnte das also passieren?
schäftsanteil absolute Entscheidungsfrei-
Frühling 2009, sehen sich alle Werbeagen-
heit.“ Fred Koblinger, Chef von PKP pro-
turen – egal ob Teil eines Netzwerkes oder
All Business is local
ximity und oberster Repräsentant des
Einzelkämpfer – umfangreichen Heraus-
Nun, bei Saatchi ist es schnell erklärt:
BBDO-Networks in Österreich, formu-
forderungen gegenüber (siehe Fred Kob-
Nach dem Verlust des größten österrei-
liert es so: „In einem kleinen Markt wie
lingers Thesen über eine „zeitgemäße
eines
inhabergeführten
Rudi Kobza, Draftfcb Kobza und Lowe GGK
„CEE und SEE sind immer noch die
größte Chance für die österreichische
Kommunikationsbranche.“
38_BESTSELLER
Agentur
fotos DM&B, Draftfcb Kobza
Abwicklung
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Werbeagentur“ auf Seite 42). Der Hono-
auf Kundenseite widerspiegelt“, sagt
brochen: „Die Funktion der Network-
rardruck der Kunden nimmt mitunter
­Michael Nitsche. Er kennt beide Welten,
Agenturen für die optimale Betreuung
existenzbedrohende Ausmaße an, die Wer-
war jahrelang Geschäftsführer der Net-
internationaler Etats steht außer Zwei-
bebudgets werden zurückgefahren oder
workDependance Saatchi & Saatchi und
fel.“ Wie auch immer, damals in den Acht-
eingefroren und das Geschäft mit der
machte sich gemeinsam mit seinem Pa­
zigern gab es noch kein grenzenloses
Kommunikation ist komplexer geworden
radekunden Mobilkom Austria und dem
­Europa und der österreichische Markt
– längst reicht es nicht mehr, eine lustige
Top-Kreativen Wolfgang Hagmann An-
wurde von fast allen internationalen Kon-
Idee auf Plakaten, Anzeigen und im Fern-
fang dieses Jahres selbstständig. Und
zernen als eigenständiger gesehen. Wenn
sehen umzusetzen. Reinhard Haslinger,
Fred Koblinger ergänzt: „In der rapiden
internationale Agenturnetworks den ös-
Chef der Linzer Traditionsagentur, formu-
Globalisierung der vergangenen 15 Jahre
terreichischen Markt betraten, ist damit
liert es deutlich: „Die klassische Werbung,
machte das Modell von Agenturnetworks
eigentlich gemeint, dass „sie sich den
wie wir sie aus den vergangenen 50 Jah-
viel Sinn. Heute zeigt sich eine Tendenz,
Markt einfach gekauft haben, schließlich
ren kennen, ist eindeutig am absteigenden
den Bogen zu überspannen, wobei das
war das Geschäft damals äußerst profita-
Ast.“ Welche Struktur und Ausrichtung
mehr auf Druck der Auftraggeber als auf
bel“, wie es Herbert Rohrmair-Lewis von
braucht eine Agentur also, um in diesem
Druck der Agenturen passiert. Die gna-
Silberball formuliert. Und zwar, indem
neuen Umfeld Erfolg zu haben?
denlose Uniformisierung ruft eine Re-
sie meistens starke lokale Agenturen
naissance nationaler Identitäten und Kul-
übernahmen und in ihr Netzwerk ein­
Geld scheffeln in den Achtzigern
turen hervor.“ Rudi Kobza relativiert die
gliederten. So wurde aus der Sieber Saat-
Grundsätzlich gilt: Eine Agentur folgt
Bedeutung der internationalen Werbe-
chi & Saatchi, aus der Team die BBDO,
immer dem Geschäft ihres Kunden. In
agenturen für die Abwicklung weltweiter
aus der Eggert die Grey, aus der Austria 3
der Hochzeit der Expansionslust interna-
Etats: „Mediaagenturen haben die Rolle
und der Tell die TBWA und so weiter.
tionaler Konzerne in den Achtziger- und
der
von
Aber nicht nur der genuin österreichi-
Neunzigerjahren strömten die Saatchis,
Kampagnen bereits längst übernommen.“
sche Markt lockte die großen Agentur-
BBDOs und Greys dieser Welt auch auf
Christoph
Ge-
marken nach Wien, sehr stark war
den österreichischen Markt, um ihre
schäftsführer der eigentümergeführten
­natürlich auch die Phantasie, Wien als
Kunden auch hier optimal betreuen zu
Agentur Wirz, die aber auch das Wien-
Basislager, neudeutsch Hub, für die Ex-
können. „Network-Agenturen haben sich
Büro der internationalen Agenturmarke
pansion in die ehemaligen Ostblocklän-
in der Regel um große globale Kunden
Leo Burnett betreibt, sieht die Bedeutung
der zu nutzen, die in den Neunzigern ei-
aufgebaut, wobei auch die Stärke der ein-
der Werbeagentur-Netzwerke für die Ab-
nen enormen Nachholbedarf in Sachen
zelnen Agenturfilialen die Organisation
wicklung internationaler Etats als unge-
Werbung aufwiesen.
internationalen
Bösenkopf
Distribution
wiederum,
Jörg Spreitzer, JWT
„Der vieldiskutierte ­Aufwand
beim Reporting kann mit guten
­Strukturen und straffen Meetings
leicht ­minimiert werden.“
40_BESTSELLER
fotos Blink, JWT
Emanuel Brandis, Blink
„Um wirksame Kam­pagnen mit
Schlagkraft und Relevanz zu
­entwickeln, ist es nicht notwendig,
Teil eines Networks zu sein.“
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Jürgen Columbini, Unique
„Schon vor zwanzig Jahren
war die Unzufriedenheit mit
dem international generierten
Agenturbusiness sehr groß.“
Das Ende von Wien als Hub?
schaftsromantischer
von
heimischen Werbeszene genießen. Agen-
Gerade in diesen Tagen stellt sich Zentral-
Wien als Hub für den CEE-Raum. Im Prin-
turmarken mit einer ungeheuren Strahl-
und Osteuropa beziehungsweise das ra-
zip trifft das aber nur mehr für österrei-
kraft sind heute lang nicht mehr so be-
sche Wachstum der vergangenen fünf-
chische Marken zu, und auch da nur mit
liebte Arbeitgeber für Jungwerber wie
zehn Jahre in diesen Ländern als sehr
Einschränkungen. Die Entscheidung für
noch vor fünf bis zehn Jahren. Auch der
widersprüchlich dar. Der Großteil der ös-
die Umsetzung internationaler Marken
Aspekt „Knowledge Transfer“, also unter
terreichischen Agenturchefs sieht nach
wird zunehmend in ein Land dieses Kul-
anderem die Möglichkeit der individuellen
wie vor eine große Chance in diesem
turkreises übertragen, denn die Agentu-
Weiterbildung auf internationalem Niveau,
Raum, etwa Christoph Bösenkopf von der
ren dort haben sowohl strategisch als auch
wird in Zeiten, in denen ein rigoroser Spar-
Agentur Wirz: „Ich halte überhaupt nichts
kreativ einen enormen Aufholprozess hin-
stift regiert, nicht gerade an Bedeutung
von der Trübsal, was diese Märkte be-
ter sich gebracht.“ Ist es also vorbei mit
gewinnen. Zwar haben die Österreich-De-
trifft, der Konsum wird auch in den nächs-
der Mär von Wien als Tor in den Osten?
pendancen der Networks nach wie vor den
ten Jahren dort steigen.“ Ähnlich Rudi
Jörg Spreitzer, Chef von JWT Wien, kann
Zugriff auf die jeweiligen Datenbanken
­Kobza: „Krise hin, Krise her. Der CEE-
und will es nicht glauben und sagt: „JWT
mit Showcases, Markenstudien oder prop-
und SEE-Raum ist immer noch die größte
Wien ist ein Musterbeispiel für einen funk-
rietäre Werkzeuge zur Markenpositionie-
Chance für die österreichische Kommuni-
tionierenden Hub nach CEE. Wir betreuen
rung – wie etwa den Brand Asset Evaluator
kationsbranche. Allein in Wien sitzen un-
einige
Nokia,
von Young & Rubicam, dessen Ergebnisse
zählige CEE-Headquarters, was Wiener
Mazda, OMV Viva in bis zu sechzehn Län-
für Österreich Ende April vorgestellt wer-
Büros zu logischen Hubs macht“, sagt Ko-
dern von Wien aus sehr erfolgreich.“
den – aber auch dieser Vorsprung wird in
namhafte
Vorstellung
Kunden
wie
einer zunehmend vernetzten Welt eher
bza und verweist etwa auf die Zusammenarbeit des Markenartikelriesen Johnson &
Schlechtes Image der Großen
Johnson mit der Lowe GGK über das von
Es ist kein Geheimnis, dass die großen
ihr eigenständig aufgebaute Osteuropa-
­Networks mit ihren Hundertschaften an
Reporting: Schutz oder Geißel?
Netzwerk. Heftiger Einspruch von Fred
Controllern und aufwändigen Reporting-
Bereits früher haben die komplexen
Koblinger: „Noch hält sich ein Rest wirt-
systemen einen zwiespältigen Ruf in der
­Reportingstrukturen und -systeme
kleiner als größer.
Überlegungen zu einer zeitgemäßen Werbeagentur
„Eine zeitgemäße Agentur schafft es trotzdem!“
Eine zeitgemäße Agentur hat sich seit Langem auf die sich rapid verändernden
Kommunikationsanforderungen eingestellt, insbesondere auf die eklatante
­Veränderung im Medienverhalten der Zielgruppen. Sie denkt und agiert nicht in
tradierten Dimensionen und trennt schon lange nicht mehr zwischen Below-theLine und Above-the-Line, weil diese Geisteshaltung an den Bedürfnissen der
­Auftraggeber vorbeigeht – selbst wenn diese selbst meist so organisiert sind.
Eine zeitgemäße Agentur braucht mehr denn je gesamtheitliches Verständnis
für Markenführung, allerdings bei viel stärkerem Verständnis für Kaufmotive
und Entscheidungsprozesse der Konsumenten. Neuromarketing wird eine immer
wichtigere Grundlage, auf der ein nachvollziehbares Markenversprechen basiert,
das auf allen Touchpoints erlebbar sein muss. Getragen von einer ­stringenten
Kommunikationsstrategie und relevanten, faszinierenden kreativen Umsetzungen.
Eine zeitgemäße Agentur muss als Generalist Raum schaffen für Spezialisten, die
sich der Philosophie unterordnen, den Menschen in die Kommunikation aktiv miteinzubinden, ihn vom Objekt zum Subjekt der Kommunikation zu machen, durch
42_BESTSELLER
emotional ­involvierende Kreativität, um neben Image auch ein Verhalten
a­ uszulösen.
Eine zeitgemäße Agentur braucht nach wie vor querdenkende Geister, die Kreativität nicht als Selbstzweck, sondern als faszinierenden Weg zur Zielerreichung in
diesem komplexen Gefüge sehen.
Eine zeitgemäße Agentur erkennt globale Entwicklungen und bringt sie im lokalen
Kontext auf den Boden, ohne dabei aber jedem Trend nachzulaufen.
Eine zeitgemäße Agentur muss es schaffen, für seine Kunden Komplexität aus
den Prozessen rauszunehmen und klare Empfehlungen abzugeben.
Eine zeitgemäße Agentur hat
­also ein enorm herausforderndes Anforderungsprofil im
­Verhältnis zu den „zeitge­
mäßen“ Honorarvorstellungen
vieler Auftraggeber.
Eine zeitgemäße Agentur
schafft es aber trotzdem.
fotos Unique, PKP proximity
Fred Koblinger (PKP proximity und BBDO Austria) kam über unsere
Fragen zur struktrellen Ausrichtung einer zeitgemäßen Werbeagentur
ins Grübeln und verfasste nachstehende Thesen zu diesem Thema,
die wir der geneigten Leserschaft nicht vorenthalten möchten.
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Michael Nitsche, NitscheHagmann
„Der Konzern verlangt vom lokalen
Management unternehmerisches
Denken, macht es aber unmöglich.“
kleinen
der Shareholder Value muss gesichert
stellen rechtzeitig auf.“ Auch Fred Kob-
Märkten überfordert“, weiß Michael Nit-
werden und den strengen US-Börsegeset-
linger bricht eine Lanze für das oft ge-
sche und erklärt auch, warum das so ist:
zen muss nachgekommen werden. Noch
schmähte Reporting in Networks: „Der
„Prozesse, die in den Zentralen für Agen-
einmal Rohrmair-Lewis: „Vor zehn Jahren
immer gegen Netzwerke vorgebrachte
turen mit mehreren Hundert Mitarbei-
war es noch ausreichend, jährlich zu re-
,Reporting-Wahnsinn‘ ist mir unverständ-
tern entwickelt werden, können die nötige
porten, dann kamen quartalsweise Be-
lich. Das Reporting ist ja nur die Kommu-
Flexibilität für kleinere Märkte stark
richte und heute muss monatlich berich-
nikation eines immens notwendigen Cont-
­einschränken. Vom lokalen Management
tet werden. Die Netzwerke sind daher in
rollings, das wir vorher in fast identer
wird zwar regelmäßig unternehmerisches
einem immer höheren Grad mit sich
Weise auch schon hatten, und das in wirt-
Denken eingefordert, aber die Konzern-
selbst beschäftigt.“ Auch Christoph Bö-
schaftlich schwierigen Zeiten überlebens-
prozesse machen genau das unmöglich.“
senkopf erkennt hier „genau den Schwach-
wichtig ist.“ Koblinger weiter: „Mit Um-
Nun, da die Gürtel gleich um ein paar
punkt der Networks“. Denn: „Heute ist
sätzen jenseits von 50 Millionen Euro ist
­Löcher enger geschnallt werden müssen,
leider mehr Engagement in Administra-
eine Agentur ein Wirtschaftsbetrieb und
wird der Spardruck aus den Zentralen na-
tion als in Kreativität gefragt. Das ist
keine Kreativschmiede, auch wenn das
türlich noch heftiger. Jede kleinste Per­
schade, gefährlich, schreckt viele Men-
immer noch die Grundlage unseres Ge-
sonalentscheidung muss so aufwändig er-
schen ab und zieht Buchhalter an. Leider
schäftes ist. Ohne Controlling und dem da-
kämpft werden, dass so mancher es lieber
wird das in Zukunft noch viel schlimmer
raus abgeleiteten Wissen, ob kostende-
gleich bleiben lässt. Es sieht so aus, als
werden.“ Nachdenklicher und ehrlicher
ckend gearbeitet wird, ist eine Agentur
hätten gerade die internationalen Kom-
Nachsatz: „Fragen Sie mich aber bitte
besonders in einem kleinen Markt latent
munikationsspezialisten
nicht, wie ein Network besser zu führen
gefährdet und damit auch die uns anver-
wäre – ich weiß es nicht.“
trauten Gelder und Menschen.“
­Österreich gebracht haben, sind geldgie-
„Überlebenswichtiges Controlling“
Die ideale Agentur
rige Netzwerke geworden“, konkretisiert
Keineswegs so dramatisch sieht das Jörg
BESTSELLER wollte von einigen heimi-
Rohrmair-Lewis. Besonders der Umstand,
Spreitzer: „Der vieldiskutierte Reporting-
schen Agenturchefs also wissen, was eine
dass die meisten internationalen Agentur-
aufwand kann mit guten Strukturen und
zeitgemäße Werbeagentur auszeichnet,
marken über die großen Holdings wie
straffen Meetings minimiert werden und
um allenfalls Rückschlüsse auf struktu-
Omnicom, WPP oder IPG verbunden und
stellt für mich keinen unnötigen Aufwand
relle Fragen vornehmen zu können. Die
an der Börse notiert sind, verstärkt den
dar, im Gegenteil: Diese Reportings ­zeigen
Antworten fielen denkbar unterschiedlich
Druck auf regionale Dependancen. Denn
durch kluge Frühwarnsysteme Schwach-
aus. Für Jörg Spreitzer stellt sich die
­„Agenturniederlassungen
in
ein
veritables
Imageproblem. „Aus diesen einstigen
Reinhard Haslinger, Haslinger, Keck
„Die klassische Werbung, wie wir
sie aus den vergangenen 50 Jahren
kennen, ist am absteigenden Ast.“
44_BESTSELLER
fotos Karl Michalski, Haslinger, Keck, Silberball
­Pionieren, die auch viel Know-how nach
Herbert Rohrmair-Lewis, Silberball
„Aus den einstigen Pionieren,
die viel Know-how nach Österreich
gebracht haben, sind geld­gierige
Netzwerke geworden.“
Frage auf vielen Ebenen: „In der Kunden-
für Wissensplattformen oder Weiterbil-
Bürokratie, viel Verständnis für die Prob-
struktur ist eine gute Ausgewogenheit
dungsprogramme.“ Für Reinhard Haslin-
leme der Auftraggeber und jede Menge
zwischen internationalen und nationalen,
ger von Haslinger, Keck ist vor allem
Spaß an der Gestaltung der Werbung
großen und kleinen Kunden wichtig. Man
„Multichannel-Intelligenz die Vorausset-
selbst“. Auch Rudi Kobza sieht die Leiden-
sagt: auf jeden großen Kunden fünf bis
zung für Kommunikationslösungen, die
schaft und die Exzellenz der Mitarbeiter
zehn kleine. Bei den Mitarbeitern ist ein
Kunden für ihre zukünftigen Markensteu-
immer noch als wichtigste Bestandteile
Mix aus Erfahrung und Jugend gefragt.
erung benötigen“. Mariusz Jan Demner
einer Werbeagentur, völlig unabhängig
Im Management ist eine klare Struktur
antwortet gewohnt lapidar: „Eine zeitge-
von der Frage, wie sie strukturell aufge-
entscheidend. Eine zeitgemäße Agentur
mäße Werbeagentur konzentriert sich da-
baut ist. Und er bringt es folgendermaßen
muss alle Medien beherrschen und nicht
rauf, das Geschäft ihrer Kunden weiterzu-
auf den Punkt: „Das beste Geschäftsmo-
nur vorgeben, dies zu tun. Darüber hinaus
bringen. Das bringt dann auch die Agentur
dell sind immer noch Kampagnen, die kre-
hat sie Kompetenzen in anderen Ländern
weiter.“ Für Christoph Bösenkopf sind es
ativ sind und dem Kunden helfen, mehr zu
und verfügt über Informationssysteme
Aspekte wie „Lean Management, wenig
verkaufen.“
Besser einfach.
Agentur für Neue Medien und Kommunikation www.fonda.at