Feste dritte Zähne an einem Tag? Dr. Stefan Hümmeke (OCOS) über die Sofortversorgung von Zahnimplantaten Zahnärzte werben heutzutage mit Slogans wie „Feste dritte Zähne an einem Tag“ für eine schnelle und unkomplizierte Implantatbehandlung. – Ein Thema, das in den Medien und speziell im Bereich der Oralchirurgie zurzeit großen Anklang findet. Der Facharzt Dr. Stefan Hümmeke (OCOS) stand zu diesem Thema Frage und Antwort. Larissa Wocken: Aktuell sind im Osnabrücker Raum Werbepostkarten im Umlauf, die „feste dritte Zähne an einem Tag“ versprechen – ist das überhaupt möglich? Dr. Stefan Hümmeke: Mit solch einer Sofortversorgung ist in aller Regel der provisorische und nicht der endgültig Zahnersatz gemeint, welcher erst nach einer mehrwöchigen Heilungsphase eingegliedert werden kann. Aufgrund der aufwändigen Verbreitung der Postkarten an prominenter Stelle, u. a. auf der Titelseite einer Osnabrücker Tageszeitung mit entsprechend hoher Reichweite, ist also davon auszugehen, dass solche Werbebotschaften viele Patienten unnötig verunsichern und unrealistische Erwartungshaltungen wecken können. Larissa Wocken: Was sind die Voraussetzungen für eine sofortige Versorgungsmöglichkeit? Dr. Stefan Hümmeke: Die Sofortversorgungsmöglichkeit von Implantaten ist seit langem bekannt und wird von uns seit etwa zwölf Jahren erfolgreich durchgeführt. Wichtig ist hierbei, dass im vorderen Kieferbereich noch ausreichend Knochen vorhanden sein sollte. Während der Heilungsphase darf der Kiefer auch nicht zu stark belastet werden – dies könnte sonst nämlich zu einem Bruch des Aufbaus, der Schrauben oder schlimmstenfalls des Implantats führen. Larissa Wocken: Welches Behandlungskonzept ist bei einem zahnlosen Ober- oder Unterkiefer am besten geeignet? Dr. Stefan Hümmeke: Das All-on-4®-Konzept von Paulo Malo hat sich seit vielen Jahren bewährt. Wie der Name bereits vermuten lässt, sind bei diesem Verfahren nur vier Implantate (pro Kiefer) notwendig, um eine festsitzende Prothese sicher anzubringen. Larissa Wocken: Wie verläuft eine solche Implantation? Dr. Stefan Hümmeke: Um eine festsitzende Prothese zu ermöglichen, werden vier Implantate ohne zusätzlichen Knochenaufbau möglichst optimal im vorderen und hinteren Kieferknochen eingesetzt – zwei Implantate vorne und zwei Implantate im hinteren Bereich des Kieferknochens. Dies sorgt für eine ausreichende Stabilität. Im Anschluss daran werden die Implantate durch eine Zahnbrücke miteinander verbunden und festgeschraubt. Im Gespräch: Interview mit Dr. Stefan Hümmeke, Fachzahnarzt für Oralchirurgie, Master of Oral Medicine in Implantology, OCOS Oralchirurgisches Centrum Osnabrück In der Regel sind die vier Implantate so fest, dass sie sogar sofort mit einer provisorischen Brücke versorgt werden können. Ein herausnehmbarer Zahnersatz ist dann nicht mehr nötig. Larissa Wocken: Sie sagten, das Sofortversorgungskonzept sei zunächst nur provisorisch. Was sind die Gründe hierfür? Dr. Stefan Hümmeke: Die Gründe hierfür sind vielfältig. Nach dem Einsetzen der Implantate sind diese im Kieferknochen lediglich rein mechanisch stabil und somit nicht voll belastbar. Daher sollte auf die Implantate während der Heilungsphase so wenig wie möglich eingewirkt werden. Mehrfache Anproben oder Arbeitsschritte können somit zu Komplikationen führen. Des Weiteren ist die Kontur der Weichge-webe nach Abheilung nur bedingt vorhersehbar, sodass Fehlpassungen nach Abschwellen mitunter nicht vermeidbar sind. Larissa Wocken: Mit nur vier Implantaten zum festsitzenden Zahnersatz: Sie können diese Behandlungsmethode Patienten mit einem unbezahnten Kiefer also nur empfehlen? Dr. Stefan Hümmeke: Bei den eben genannten Voraussetzungen stellt diese Art der Behandlung eine äußerst interessante Alternative für den Patienten dar, da die Phase der Versorgung mit herausnehmbarem Zahnersatz deutlich verkürzt wird und in Kombination mit Sofortimplantationen ganz auf eine herausnehmbare Übergangslösung verzichtet werden kann. Durch die provisorische Brücke ist außerdem eineTestphase in Hinsicht auf Ästhetik, Funktion und Handhabung mit einer festsitzenden Prothese gegeben. Der Patient kann somit sofort von seinen Implantaten profitieren. Larissa Wocken: Wie stehen Ihre Patienten zu der All-on-4®-Methode? Dr. Stefan Hümmeke: Aufgrund der erwiesenermaßen hohen patientenseitigen Akzeptanz, hat die Sofortversorgung bei uns zwischenzeitlich einen hohen Stellenwert erreicht. Einen zusätzlichen Impuls hat die Einführung des NobelActive®-Implantates vor ca. sieben Jahren bewirkt, das durch das Schraubendesign eine hohe Stabilität selbst in ungünstigen Knochenverhältnissen aufweist. Des Weiteren führt es zu einer zusätzlichen Knochengewinnung – und schafft damit eine ideale klinische Ausgangslage. Larissa Wocken: Welches Implantat halten Sie für besonders empfehlenswert? Dr. Stefan Hümmeke: Besonders empfehlenswert ist das neue Implantat NobelActive® von Nobel Biocare, dem Weltmarktführer im Bereich zahnärztlicher Implantate. Neuartig ist das spezielle Implantatdesign, das es besonders bei fehlenden Zähnen im Seitenzahnbereich ermöglicht, minimalinvasiv unter optimaler Nutzung des vorhandenen Knochens – und ohne Knochenaufbau des Kiefers – ästhetische Implantatkronen zu zu schaffen. Deutschland- und europaweit wurden wir mit ca. acht anderen „Zentren“, darunter Abteilungen von Universitätskliniken und führenden Praxen, ausgewählt, um sogar Erfahrungen mit einer neuen Version des Implantates mit einem vergrößerten Durchmesser zu sammeln und hierüber zu berichten, noch bevor das Implantat Anfang 2015 auf der IDS (Internationale Dentalschau in Köln) offiziell vorgestellt wurde und seitdem auch allgemein erhältlich ist. Larissa Wocken: Was raten Sie jungen Menschen bei Zahnverlust oder einer Zahnlücke? Dr. Stefan Hümmeke: Bei jungen Menschen entstehen Zahnlücken oft nicht erst nach einem Zahnverlust. Sind Zahnlücken vorhanden, liegt es häufig daran, dass sich die bleibenden Zähne erst gar nicht entwickelt haben. In diesen Fällen sind Implantate die mit Abstand beste Lösung, da so durch eine künstliche Zahnwurzel, also ein Implantat mit Implantatkrone, der fehlende Zahn ersetzt werden kann, ohne dass gesunde Nachbarzähne durch Überkronung in Mitleidenschaft gezogen werden müssen. Da in diesen Fällen häufig auch der vorhandene Knochen sehr schmal ist, kommt es neben der Erfahrung des Implantologen auch auf den Einsatz der richtigen Implantate an. Larissa Wocken: Für das interessante Interview bedanke ich mich recht herzlich bei Herrn Dr. Stefan Hümmeke vom Oralchirurgischen Centrum Osnabrück.
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