Sehr geehrte Damen und Herren, „Für eine liebevolle Pflege…“ lautet das Motto des Pflegetrucks, der seit dem Frühjahr durch ganz Bayern fährt, auf die Situation in der Pflege aufmerksam macht und den wir heute in Pfarrkirchen begrüßen, gleichsam als Auftakt für drei Aufenthalte in Niederbayern: Zuerst in Pfarrkirchen, nächste Woche in Passau und die Woche drauf in Grafenau. Ich bin sehr froh, dass ich heute neben Vertretern der Politik den Dekan der evangelischen Kirche Herrn Dr. Wolfgang Bub Seite an Seite weiß. Denn die beiden großen Kirchen in Bayern und deren Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie haben diese Pflegekampagne geplant und organisiert. Eine liebevolle Pflege, wer wünscht sich das nicht? Jeder hat sich sicherlich schon einmal gefragt, wie er denn selbst im Alter leben möchte und wie er – im Falle einer Pflegebedürftigkeit – selbst behandelt werden möchte. Im Minutentakt, gespickt mit Bürokratie und Dokumentation, mit Personalmangel - oder mit Zeit für die Verlangsamung und das Brauchen von Zeit im Alter, mit Zeit für Zuwendung und das Wesentliche: nämlich die liebevolle Pflege! Ein durchaus denkbarer Ansatz: Von sich selbst und seinen eigenen Bedürfnissen auf andere zu schließen, gleichsam nach der goldenen Regel: Was Du nicht willst, dass man Dir tut, dass füg auch keinem anderen zu. Ein humanistischer Ansatz, der zu einem ethischen Handeln führen könnte. Gerade die beiden Kirchen stellen jedoch von ihrem christlichen Menschenbild her einen anderen Ansatz in den Mittelpunkt: Die Würde des Menschen, die unveräußerlich ist, die jeden Menschen letztlich unverwechselbar und einzigartig wertvoll macht, je in seiner eigenen Persönlichkeit und Innerlichkeit, mit seiner Biografie. Und gerade in Lebenssituationen alter Menschen, gleichgültig ob dementiell erkrankt oder nicht, erleben wir, wie sich Menschen nicht nur biologisch und physisch verändern, sondern wir als Kirchen glauben gerade daran, dass wir Menschen uns auf ein Ziel hinbewegen, das viel größer ist als wir selbst und das wir als gläubige Menschen als unseren Gott begreifen, letztlich ein Geheimnis unseres Lebens, das jeder in sich spürt, der eine mehr, der andere weniger. Eine Erfahrung, die so unglaublich sich verdichtet, wenn Menschen sich dem eigenen Lebensende nähern und dies auch spüren. Passen solche Lebenssituationen, egal ob religiös gedeutet oder nicht, in funktionale Abläufe und Sach- und Personalzwänge, wie wir sie sich verschärfend in der Pflege beobachten? Man kann Menschen in dieser Lebensphase nicht in solche Rahmenbedingungen und gesetzliche Vorgaben zwängen, wie wir sie seit vielen Jahren erleben. Diese Logik passt nicht zu einer liebe- und würdevollen Pflege! Wir brauchen eine Sichtweise, die die Logik der Menschenwürde in der Pflege wieder in den Mittelpunkt stellt. Mit uns tun das viele andere Akteure in der Pflege, auf politischer Ebene. Und für die Unterstützung und das offene Ohr, das wir hier und da finden, sind wir dankbar. Wir haben jedoch auch bemerkt, dass das reine politische Agieren alleine nicht hilft. Deswegen machen wir, die beiden großen Kirchen und mit ihnen die beiden Wohlfahrtsverbände, neben der politischen Diskussion auch auf diesem Wege auf die Lage der Pflege, der darin arbeitenden Menschen und vor allem auf die Lage der dort betreuten Menschen aufmerksam, ohne Skandalisierung, aber mit allem Nachdruck. Liebevolle Pflege heißt also: Rahmenbedingungen für eine Pflege, die die Würde des Menschen nicht nur sieht, sondern in den Mittelpunkt stellt. Und das heißt auch: Rahmenbedingungen für die in der Pflege Arbeitenden, die es ihnen ermöglichen, die eigene Motivation für diesen Beruf umzusetzen und nicht nach einige Jahren frustriert durch Mangel an Kolleginnen und Kollegen, Zeit und an Geld diesem Feld den Rücken zu kehren. Der Frust ist – so glaube ich – am größten, wenn so motivierte Menschen realisieren müssen, dass die Dokumentation der Pflege mitunter einen höheren Stellenwert hat als die Pflege selber. Ehrlich gesagt: Kein gutes Feedback! Deswegen ist es mir an dieser Stelle ein besonderes Anliegen, all denjenigen ein herzliches Verglt’s Gott auszusprechen, die in der Pflege arbeiten, für ihr Engagement und ihre Zuwendung, die Sie trotz aller Sachzwänge aufscheinen lassen. Neben der Zeit und dem Geld an wichtigen Ressourcen für die Pflege lautet eine weitere zentrale Forderung der Pflegekampagne: Pflege braucht Mitarbeit! Erst kürzlich ist von einer führenden Fachzeitschrift ein Verglich der Tariflöhne in der Sozialbranche angestellt worden. Ich darf sagen, dass die beiden kirchlichen Verbände im Vergleich zu anderen Anbietern sich in der Gehaltsstruktur nicht verstecken müssen. Pflege braucht nicht nur die Anerkennung der Mitarbeitenden durch die Träger und braucht nicht nur die gesellschaftliche Anerkennung. Pflege braucht in der Refinanzierung die Anerkennung aller, die in der Politik und in der Gesetzgebung letztlich Mitverantwortung tragen für die Refinanzierung der Pflege. Und da ist unser Personal, sind unsere Fach- und Hilfskräfte, das wichtigste Gut und unsere wichtigste Ressource. Deswegen muss Schluss sein mit einem ruinösen Preis- und Lohndumping, wie wir ihn landauf landab immer wieder beobachten können. Wir brauchen nicht nur eine flächendeckende Anerkennung der tariflichen Entgelte für unsere Mitarbeiter in den Pflegesätzen, sondern auch träger- und verbandsübergreifende verbindliche Spielregeln, die einerseits diesen letztlich auf dem Rückend der Pflegebedürftigen ausgetragenen und damit am Ende menschenverachtenden Wettbewerb unterbinden, und andererseits eine Finanzierung der Pflege und damit eine Entlohnung der Mitarbeitenden sichern, die eine liebevolle – will heißen:- würdevolle Pflege ermöglicht. Ob solche Spielregeln „Sozialtarif“ heißen oder anders, ist dabei letztlich zweitrangig. Die beiden kirchlichen Verbände arbeiten hier im Hintergrund aktiv und konstruktiv mit. Setzen wir uns ein für eine liebevolle Pflege, die an der Aufgabe gemessen die Mittel zur Verfügung hat, die sie braucht. Setzen wir uns ein für eine liebevolle Pflege, die Zeit hat, für die Würde des Menschen da zu sein. Setzen wir uns ein für eine liebevolle Pflege, die so attraktiv ist, dass sie Menschen einlädt, in ihr zu arbeiten. Dr. Wolfgang Kues, Diözesan-Caritasdirektor, Vorstand
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