peter marino

Nr. 07
PIONIERARBEIT
Künstlerinnen um 1900
PABLO ATCHUGARRY
Magischer Marmor
BLACK STAR
Mercedes-Benz 300 S
AUS DER ZUKUNFT
Oliver Irschitz
SAMMLUNGS-BAU
Gil Bronner
PETER
M A RI NO
my Dorotheum: Inter view
Stiegenaufgang im
Palais Dorotheum
VIEW
E D I T OR I A L
Wie kann Kunst ideal mit dem Interieur verbunden werden?
Die Antworten sind so vielfältig wie die Menschen.
Peter Marino, gefeierter Architekt und Titelheld des
vorliegenden Dorotheum myART MAGAZINE, überlässt in
dieser Frage nichts dem Zufall. Er propagiert das Gesamtkunstwerk , um – wie es ihm am liebsten wäre – alles gestalten zu können … und schwärmt für die Wiener Werkstätte
und Josef Hoffmann. Über dessen Secession führt ein
Magazinbeitrag zu einem von Kolo Moser geschaffenen
Geschenk Gustav Klimts an seine Freundin Emilie Flöge.
Der Düsseldorfer Sammler Gil Bronner wiederum kreiert
das Interieur für seine Gegenwartskunst selbst – indem
er gleich ein eigenes Gebäude zum Museum umbaut.
V i e l Ve r g n ü g e n b e i d e r L e k t ü r e
und auf Wiedersehen im Dorotheum
oder auf dorotheum.com!
MARTIN BÖHM
Geschäftsführender Gesellschafter
PA L A I S
DOROTHEUM
Nr. 07
Dorotheergasse 17, 1010 Wien, Österreich
Tel. +43-1-515 60-570
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CLIENT ADVISORY SERVICES
Constanze Werner
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PIONIERARBEIT
Künstlerinnen um 1900
PABLO ATCHUGARRY
Magischer Marmor
AUKTIONSKATALOGE & ABONNEMENTS
Tel. +43-1-515 60-200
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www.dorotheum.com
BLACK STAR
Mercedes-Benz 300 S
AUS DER ZUKUNFT
Oliver Irschitz
SAMMLUNGS-BAU
Gil Bronner
PETER
M A RI NO
my Dorotheum: Inter view
IMPRESSUM
Dorotheum myART MAGAZINE, März 2016. Siebente Ausgabe. Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
© Dorotheum GmbH & Co KG, DVR Nr. 0105104, FN 213974 v / Handelsgericht Wien, UID: AT U 52613505
Erscheinungsweise: 2x jährlich
Konzept, Redaktion: Michaela Strebl-Pühringer, Doris Krumpl, Theresa Pichler, Marie-Sophie Engel
Grafik: Studio Corsaro, Creative Director Miriam Wanzenböck, Art Direction Bernd Ganser-Lion
Lektorat: scriptophil. die textagentur
Fotografen: Jason Schmidt, Manolo Yllera, Tibor Rauch, Ivo Faber, Christian Sarramon, elwoods, Ingrid Sontacchi, Christopher Reumiller
Druck: Gutenberg Druck
Anzeigenkontakt: Annika Hahn, Tel. +43-664-500 93 10, [email protected]
Druckfehler und Irrtümer vorbehalten. Kurzfristige Änderungen vorbehalten. Bitte entnehmen Sie aktuellste Informationen
zu unseren Auktionen und Veranstaltungen unserer Webseite: www.dorotheum.com. Alle Angaben ohne Gewähr.
Coverfoto
Peter Marino
© Jason Schmidt , Trunk Archive
INHALT
AUCTION
CITY
06 M E I S T E R H A F T E S M A L E N
Hans Memlings Werkstatt
10 G I A C O M O M A N Z Ù
Majestät der Form
12 PA B L O A T C H U G A R R Y
Magischer Marmor
14 O S C A R M U R I L L O
Anomalies from a Candy Factory
16 B L A C K S T A R
Mercedes-Benz 300 S Roadster
18
RICHARD POUSETTEDART
Kosmische Kraft
20 K L E I N O D D E S F I N
DE SIÈCLE
Gustav Klimt und Emilie Flöge
24
EIN BLICK AUS DEM
FRAUENZIMMER
Künstlerinnen um 1900
28 J A M E S E N S O R
Meister der Masken
30 O L I V E R I R S C H I T Z
Design der Zukunft
34CHANEL
Im Geiste Coco Chanels
35 MARY VETSERA
Jugendbekenntnisse
DOROTHEUM
36 P E T E R M A R I N O
B l i c k ü b e r d e n Te l l e r r a n d
AUCTION HOUSE
42 E N T D E C K U N G
Experten im Gespräch
CHOICE
46 M Y C H O I C E
Lieblingsobjekte der Experten
60 N E A P E L
Heimliche Hauptstadt
COLLECTION
64 F E R N A N D H U T S
Der moderne Prometheus
68 G I L B R O N N E R
Projekt Sammeln
73 J E A N - P I E R R E R I B E R
Der perfekte Makel
PASSION
76 T I P P S
Dorotheum-Kooperationen
EVENTS
78 V I E N N A A R T W E E K
Im Zeichen der Kunst
STORY
80 K A R L H O H E N L O H E
Worte von Welt
CONTACTS
82 D O R O T H E U M
A d r e s s e n & Te r m i n e
AUCTION
6
Hans Memling (1430/40–1494)
Werkstatt
Die Geburt Christi
Öl auf Holz, 99,2 x 72,5 cm
Schätzwert € 1.200.000 – 1.800.000
Auktion Alte Meister, 19. April 2016
M
M
AUCTION
7
EISTER
HAFTES
MALEN
Die im April im Dorotheum offerierte
„Geburt Christi“ ist eine der
Entdeckungen der altniederländischen
Ta f e l m a l e r e i . D a s B i l d a u s d e m A t e l i e r
von Hans Memling hebt sich vom
Kollektivstil einer spätmittelalterlichen Malerwerkstatt ab und weist
den Weg für die künftige Erforschung
der Memling-Werkstatt.
Erstmals wurde die „Geburt Christi“ im Zusammenhang mit der Memling-Ausstellung, die das Brügger
Groeningemuseum anlässlich des 500. Todestages
des Künstlers 1994 organisierte, einer breiten
Öffentlichkeit vorgestellt. Es gehört zu den bedeutenden
Entdeckungen
der
altniederländischen
Tafelmalerei des ausgehenden 15. Jahrhunderts in
jüngerer Zeit.
Die in erstaunlich gutem Zustand bewahrte Tafel
variiert eine von Hans Memling bedachte Bilderfindung der Geburt Christi, die das Jesuskind in einer
romanischen Sakralruine situiert. Ihr liegt eine im
Spätmittelalter äußerst populäre Vision der Heiligen
Brigitta von Schweden zugrunde. Das gegen 1500
unstrittig in Brügge entstandene Tafelbild wandelt
die Bilderfindung Memlings ab, der das Thema
mehreren Phasen aufgebracht und sowohl in der
der Geburt Christi seinerseits in Anlehnung an Vor-
Unterzeichnung als auch während des eigentlichen
lagen seines Brüsseler Lehrmeisters Rogier van der
Malvorganges kontinuierlich verändert wurden. Die
Weyden gestaltet hatte.
zahlreichen Pentimenti (Spuren der Änderungen)
lassen die Unterzeichungen Memlings mitunter
Die älteste überlieferte Geburtsszene aus der Werk-
chaotisch und unlesbar erscheinen; sie erforderten
statt Memlings findet sich auf dem linken Flügel des
schon zu Lebzeiten des Künstlers mitunter klärende
um 1470/75 vollendeten Triptychons „Anbetung der
Konturen, welche die Grundelemente der jeweiligen
Könige“, das im Museo del Prado in Madrid bewahrt
Komposition unterstrichen.
wird und der hier vorgestellten Tafel sowohl hinsichtlich des Formats als auch der verwendeten
Ansatzweise ist die besonders lockere und scheinbar
Bildmotive gleicht. Bedeutend kleiner gestaltete
spontane Art des Unterzeichnens ein Merkmal der
Memling die Geburtsszene auf dem Flügel des mit
„Geburt Christi“. Der Maler berief sich unzweifel-
1479 datierten Triptychons von Jan Floreins, das zu
haft auf eine Musterzeichnung Memlings, die ihm
den Hauptwerken im Gemäldebestand des Brügger
zur Verfügung stand. Die Vorlage setzte er dann in
Sint-Janshospitaals zählt.
der Unterzeichnung freilich in einer Weise um, die
jener der beglaubigten Werke Memlings erstaunlich
Der enge Zusammenhang der Komposition mit den
nahe steht. Der Maler der „Geburt Christi“ war nicht
beiden bekannten Werken Memlings scheint auf
allein mit den Motiven Memlings, sondern auch mit
den ersten Blick dafür zu sprechen, die Tafel als das
der in dessen Werkstatt gepflegten Arbeitsweise der-
Werk eines Nachfolgers zu klassifizieren; doch die
art vertraut, dass zwingend davon auszugehen ist,
Befunde jüngst erfolgter gemäldetechnologischer
dass er zu den engen Mitarbeitern Memlings zählte.
Untersuchungen legen eine andere Schlussfolgerung
Damit nimmt die „Geburt Christi“ eine Schlüssel-
nahe. Denn die unter der Malschicht liegende Unter-
stellung im Bezug auf die künftige Erforschung der
zeichnung, mit welcher der Maler die Komposition
Memling-Werkstatt ein.
auf die Grundierung übertrug, gleicht hinsichtlich
ihres grafischen Vokabulars den stilistisch überaus
Dass Memling in Brügge erfolgreich eine effizi-
charakteristischen
Memlings
ent organisierte Werkstatt betrieb, in der mehrere
in seinen reifen Werken. Typischerweise wurde in
Unterzeichnungen
Gehilfen gleichzeitig an der Ausführung der vielen
der Memling-Werkstatt ein trockenes Malmaterial
Aufträge des Meisters beteiligt waren, legen nicht
wie Kreide zum Unterzeichnen der Konturen, Dra-
allein die zahlreich erhaltenen Gemälde Memlings
pierungen und weiten Schraffen verwendet, die in
nahe, die auf eine umfassende Produktion von
AUCTION
9
Altarretabeln, Andachtsbildern und Porträts verweisen. Auch die Tatsache, dass er 1480 und 1483 zwei
Lehrlinge in seiner Werkstatt ausbildete, spricht
für die Existenz eines blühenden Ateliers. Gehilfen
und Mitarbeiter einer spätmittelalterlichen Malerwerkstatt pflegten einen Kollektivstil und waren vor
allem darin geschickt, den Stil und die Malweise des
Meisters perfekt nachzuahmen. In den seltensten
Fällen ist es daher möglich, die Hand eines Gehilfen
in mehreren Gemälden einer Werkstatt zu erkennen, und jene Memlings ist hierin keine Ausnahme.
Dass sich die „Geburt Christi“ trotz allem hinsichtTriptychon der Anbetung der
Könige, Hans Memling, 1470/75
© Museo Nacional del Prado
lich der Malweise und der Oberflächengestaltung
subtil von Memling absetzt, hängt womöglich damit
zusammen, dass er bereits verstorben war, als das
Gemälde entstand. Denkbar wäre, dass ein Mitarbeiter der Werkstatt entweder einen unvollendet
hinterlassenen Auftrag nach dem Tod des Meisters vollendete oder dass er nach dessen Tod einen
eigenen Auftrag erhielt und sich mit seiner Malerei
einen Namen machen wollte.
Information:
A l e x a n d e r S t ra s o l d o u n d D a m i a n B re n n i n k m e y e r,
Experten für Alte Meister
Triptychon von Jan Floreins
Hans Memling, 1479
Musea Brugge
© www.lukasweb.be – Art in Flanders vzw,
Foto: Dominique Provost
AUCTION
10
Eine strenge, reglose Masse, die dennoch von Geistigkeit vibriert: So sah der
italienische Künstler Giacomo Manzù – unter anderem prägende Gestalt der
Salzburger Sommerakademie – geradezu archetypisch die Figur des
„ K a r d i n a l s “, d i e e r z e i t s e i n e s L e b e n s i n u n t e r s c h i e d l i c h e n V a r i a n t e n s c h u f .
Ein über drei Meter großer „Kardinal“ wird im Dorotheum angeboten.
VON ALESSANDRO RIZZI UND LUDOVICA LA MONICA
Würde- und geheimnisvoll zeichnet sich in der Ein-
Keine religiöse Eingebung, keine spirituelle Bot-
gangshalle des Palais Dorotheum die Figur eines
schaft: nur eine enorme Bewunderung für jene
Kardinals ab, der in ein einfaches Pluviale gehüllt ist.
Figuren, deren voluminöse Formen auf den Künst-
Sein kleines, lediglich angedeutetes Gesicht überragt
ler einen großen Eindruck machten, als er bei einem
eine strenge Mitra, die zum Eindruck eines koni-
Aufenthalt in Rom 1934 den damaligen Papst Pius
schen, stark stilisierten Bildnisses beiträgt. Hier fin-
XI. zwischen zwei Bischöfen in der Peterskirche
det sich kein Prunk, kein Dekorativismus, wie er für
sitzen sah. Wie er selbst betonte, war das, was ihn
die Gewänder klerikaler Würdenträger typisch ist.
anzog, nicht die Majestät der Kirche, sondern die
Was zählt, ist die Suche nach der Form. Das Pluviale,
Majestät der Form:
das die gesamte Figur bedeckt, lässt nur eine zaghafte Hand durchscheinen, die es festhält und leicht
„Sie beeindruckten mich durch ihre starre
emporzieht. Sie erzeugt jene leichte Bewegung,
Masse, reglos und dennoch von komprimier-
welche die Komposition dynamisch bereichert.
ter Geistigkeit vibrierend. Ich sah sie wie
Statuen, eine Reihe aufgereihter Blöcke an –
„In Manzùs Händen wurden die Kardinäle in kom-
u n d d e r I m p u l s , e i n e s k u l p t u r e l l e Ve r s i o n d i e -
pakte, ehrfurchtgebietende Skulpturen umge-
ser unfassbaren Wirklichkeit zu erschaffen,
wandelt , die durch extrem zartes Modellieren
w a r u n w i d e r s t e h l i c h .“
und großzügig drapierte Falten belebt werden.
Der massive Charakter der Skulptur wird durch
Die erste dieser Skulpturen entstand 1938, sie wur-
die Sparsamkeit der Linien und die Einfachheit
de bei der Quadriennale in Rom ausgestellt. Von
der plastischen Mittel betont . Den Körperkon-
diesem Zeitpunkt an schuf Manzù zahlreiche Vari-
turen folgend, schwingen die Falten mitunter,
anten desselben Sujets, die einander niemals glei-
als wären sie scharf geät zt , manchmal sanf t
chen und die sich durch stets neue ikonografische
gerundet , und ihre Schatten ordnen stets die
Eigenschaften auszeichnen. Im Laufe der Jahre
Teile, welche dem Licht ausgesetzt sind. Die-
stilisierte Manzù zunehmend sowohl die Maße als
se
Flächen
auch die Details der Skulpturen zu einem auf das
und die erstaunliche Freiheit der Konzeption
Wesentliche reduzierten Bild, das immer weniger
trugen dem Künstler den Respekt vieler Bild-
realistisch konnotiert und immer radikaler verein-
hauer ein, deren eigene Pfade sie in Richtung
facht wird.
subtile
Belebung
gleichförmiger
Abstraktion geleitet hatten. Mehr als die Feinfühligkeit der Ausführung bewunderten sie die
In eine die skulpturelle Feierlichkeit hervorhebende
Kühnheit des Entwurfs, welcher innerhalb des
architektonische Szenografie im Inneren des Palais
Rahmens naturgetreuer Abbildung die Form all
Dorotheum eingebettet, wirkt die aus einer bedeu-
jener Dinge entledig t , die unwesentlich sind.“
tenden Privatsammlung stammende Skulptur impo-
(J. Rewald, Giacomo Manzù, London 1967)
sant und majestätisch. Sie zeigt sich als das elegante
und bedeutende Werk einer der wichtigsten Persön-
Die 324 Zentimeter hohe Figur des Kardinals ist eine
von rund 300 Versionen dieses Sujets, die Giacomo
Manzù – einer der Hauptvertreter der italienischen
Bildhauerkunst des 20. Jahrhunderts – von 1938
bis zu seinem Tode im Jahre 1991 ausgeführt hat.
lichkeiten der italienischen Bildhauerkunst.
Alessandro Rizzi ist Experte für Zeitgenössische
Kunst und Klassische Moderne im Dorotheum,
Ludovica La Monica ist Assistentin für Zeitgenössische Kunst und Klassische Moderne.
AUCTION
MAJESTÄT
DER FORM
11
Giacomo Manzù (1908–1991)
Grande Cardinale in piedi, 1982
Bronze, 324 x 77 x 96 cm
AUCTION
12
MAG I S C HER
M AR MOR
Marmor ist das Material, dem Pablo Atchugarry Seele einhaucht.
Streng und sensibel zugleich, verströmen die Skulpturen des
uruguayischen Bildhauers zeitlose Eleganz. Zwei seiner Werke
offeriert das Dorotheum in seiner Frühjahrsauktion.
VON ALESSANDRO RIZZI UND
LUDOVICA LA MONICA
Eine magische Mischung aus Seele, Kultur, archetypischen
aus, um das Material dann mit größter Sorgfalt durch
Symbolen und lateinamerikanischer Empfindsamkeit:
Entfernung jener dreidimensionalen geometrischen
Das sind die Merkmale der Kunst des 1954 in Montevideo
Masse zu bearbeiten, welche die Seele seines Werks
geborenen uruguayischen Künstlers Pablo Atchugarry, den
eingesperrt hat. Durch diesen Prozess tut Atchugarry
sein Vater Pedro von klein auf in die Welt der Malerei ein-
nichts anderes als jenen Seelen Leben und Gestalt
führte. Bald jedoch verspürte er das Bedürfnis, sich auch in
zurückzugeben, indem er Zug um Zug immer klarere,
anderen Formen und mit anderen Materialien auszudrü-
reinere und zeitlosere Strukturen schafft.
cken, und so setzte er ab 1975 großformatige Hochreliefs in
Zement, Eisen und Marmor um. Atchugarrys Hochreliefs
Michelangelo betrachtete die Bildhauerei als Kunst
sind von Schlichtheit und neo-plastischer Strenge geprägt,
des Wegnehmens, um zum Vorschein zu bringen, was
wenngleich diese von jener Sensibilität, die im Kern ein-
im Material bereits angelegt ist. Während aber der
deutig lateinamerikanisch ist und sein Werk stets kenn-
große Meister das Leben in den Marmorblöcken pul-
zeichnet, gedämpft wird.
sieren fühlte und der verborgenen Gestalt nachspürte, folgt der uruguayische Künstler dem ausdrucks-
Im Jahr 1979 entdeckte Atchugarry, was zu dem Mate-
starken musikalischen Rhythmus der Masse ohne
rial schlechthin für ihn werden sollte: Carrara-Marmor.
bestimmtes Ziel. Am Ende steht Überraschendes, das
Damit begann seine Reise quer durch die Geschichte der
aus dem magischen Gleichgewicht zwischen Fülle und
Skulptur, von augusteischer Zeit bis heute.
Leere, zwischen Materie und Geist, Handwerk und
Poesie geschaffen wurde: Bilder, rückgeführt auf ihre
Atchugarry – 1982 verließ er Uruguay, um sich im italie-
innere Essenz.
nischen Lecco niederzulassen – bietet der Marmor eine
Möglichkeit, zum Ursprung des Schöpferischen zurückzu-
Die eindeutig kubistische Fokussierung auf die Bezie-
kehren, zu einem klassischen Konzept der Bildhauerei, das
hung zwischen Masse und Raum zieht sich wie ein
durch die Meisterwerke von Bernini, Canova, Rodin, Arp,
roter Faden durch Atchugarrys Werk. Haben viele
Moore, Brancusi, Picasso, Hepworth, Bloc etc. immer wie-
Kubisten den allmählichen Übergang von der geraden
der aktualisiert und gefiltert wurde.
Linie, der die charakteristische prismatische Zerlegung entsprang, hin zu einer gebogenen Linie voll-
Seit den frühen 1980er-Jahren verwendet der Künstler
zogen, die immer freier von geometrischer Theoreti-
beinahe ausschließlich Marmor: Er besucht die Steinbrü-
sierung wurde, so ist auch im Werk Atchugarrys eine
che, in denen der Abbau stattfindet, und wählt die Blöcke
Entwicklung hin zu formaler Eleganz und raffinierter
AUCTION
13
Pablo Atchugarry
Musica interiore, 2013
Carrara-Marmor
148,5 x 45,5 x 42,5 cm
(mit Sockel)
Erzielter Preis € 125.000
Auktion Zeitgenössische Kunst,
November 2014
Empfindsamkeit erkennbar, die zum stilistischen
Kennzeichen des Künstlers werden sollten.
Aufsteigende Spannung und Vertikalität sind weitere
Konstanten in Atchugarrys Skulpturen. Das Streben
nach formaler Reinheit und Unbeschwertheit findet
in fließenden Formen Ausdruck, die schwerlich eine
Entsprechung in der Realität finden.
Das Dorotheum kann nun bei der Auktion Zeitgenös-
Pablo Atchugarry
Ohne Titel, 2008
Carrara-Marmor
122 x 36 x 26 cm (mit Sockel)
Schätzwert € 60.000 – 80.000
Auktion Zeitgenössische Kunst
1. Juni 2016
sische Kunst im Juni 2016 zwei wunderbare Werke
dieses großen Künstlers präsentieren, der zunehmend
die ihm gebührende internationale Anerkennung
erfährt: eine Skulptur aus weißem Carrara-Marmor
von 2008 und eine aus schwarzem belgischen Marmor aus dem Jahr 2006.
Die geheimnisvolle Eleganz des tiefschwarz leuch­
tenden Marmors und die Makellosigkeit und Lichtdurchlässigkeit des weißen Marmors aus Carrara –
gepaart mit der schlanken, aufstrebenden Linie und
der Unfassbarkeit der Materie, welche klassische Faltenwürfe in Erinnerung ruft – verleihen den beiden
Skulpturen einen kostbaren, zeitlosen Charakter. So
werden sie laut Paolo Levi zu „Kathedralen, vor denen
sich unsere Seele in Andacht verneigen kann, um das
trügerische visuelle Echo zu überwinden“.
Alessandro Rizzi ist Experte für Zeitgenössische
Kunst und Klassische Moderne im Dorotheum,
Ludovica La Monica ist Assistentin für Zeitgenössische Kunst und Klassische Moderne.
Pablo Atchugarry
Ohne Titel, 2006
Schwarzer Marmor aus Belgien,
219,5 x 50,5 x 50,5 cm (mit Sockel)
Schätzwert € 80.000 – 120.000
Auktion Zeitgenössische Kunst
1. Juni 2016
AUCTION
ANOMALIES
FROM A
CANDY
FA C T O RY
14
Jung, konzeptuell, widersprüchlich –
das Werk Oscar Murillos entzieht sich
eindeutigen Zuschreibungen. Angesiedelt
z w i s c h e n M a l e r e i , S k u l p t u r, I n s t a l l a t i o n
und Performance, verwirrt und verführt
e s d i e B e t r a c h t e r g l e i c h e r m a ß e n . VON JONAS SCHMIT T
Die Skulptur „Untitled 1 (anomalies from a candy facto­
ry)“, entstanden 2013/2014, besteht aus einer Reihe gesta­
pelter Fruchtkisten, wie sie weltweit in Markthallen und
Lebensmittelgeschäften benutzt werden, hier allerdings
aus poliertem Edelstahl. Einer der Stapel steht auf einem
jener hölzernen Podeste, die Oscar Murillo in seinem
Studio benutzt, um darauf an Bildern zu arbeiten. Teil
der Skulptur sind Betonkugeln, die Fragmente aus dem
Künstleratelier, Überbleibsel des kontinuierlichen Schaf­
fensprozesses, enthalten. Unglasierte Keramikabgüsse,
die entfernt an Kokosnüsse erinnern, wecken zusammen
mit den Obstkisten und der Holzpalette Assoziationen
an alltäglichen Handel und verstärken den Installations­
charakter der Arbeit. Ebenso wie in seinen Bildern, Video­
arbeiten und Performances verwendet Murillo auch in den
Skulpturen häufig global gebräuchliche und verständliche
Symbole und Zeichen. Themen wie Distanz, Verschiebung
und Migration sind Schwerpunkte von Murillos künst­
lerischer Aussage und damit gesellschaftlich relevanter
und aktueller denn je. Die zur Versteigerung gelangende
Skulptur ist ein schönes Beispiel dafür. Oscar Murillo wird
seit 2013 von David Zwirner, einer der wohl wichtigsten
zeitgenössischen Galerien weltweit, vertreten. Auf Ein­
ladung von Hans Ulrich Obrist hielt Murillo bereits eine
Live-Performance in der Serpentine Gallery in London ab
und hatte erste museale Einzelausstellungen in der Rubell
Family Collection in Miami und der South London Gallery.
Jonas Schmitt ist Junior-Experte für Zeitgenössische
Kunst der Dorotheum-Repräsentanz Düsseldorf.
Oscar Murillo
Untitled 1 (anomalies from a candy factory), 2013/2014
122,5 x 146 x 90 cm
Schätzwert € 80.000 – 120.000
Auktion Zeitgenössische Kunst
1. Juni 2016
Information:
P e t ra S c h ä p e r s , E x p e r t i n f ü r Ze i t g e n ö s s i s c h e
K u n s t u n d K l a s s i s c h e M o d e r n e , L e i te r i n d e r
D o ro t h e u m - R e p rä s e n t a n z i n D ü s s e l d o r f
AUCTION
15
AUCTION
16
Cary Grant hatte einen, Bing Crosby ebenso wie Gary Cooper, und
Clark Gable nannte ihn gar seinen liebsten: den Mercedes-Benz 300 S,
Der Mercedes-Benz 300 S ist und bleibt
d e r I n b e g r i f f v o n E l e g a n z . A l s „Wa g e n f ü r
d i e W e l t e l i t e “, e t w a f ü r H o l l y w o o d - S t a r s ,
kostete er in den Fünfzigern das Doppelte
des teuersten Cadillac. Ein Streifzug durch
die faszinierende Geschichte dieses
Klassikers, eines Highlights der kommenden
Oldtimer-Auktion im Dorotheum.
jenen Wagen, mit dem man sich in Stuttgart anschickte, den Glanz
vergangener Tage zu beschwören und der Welt zu zeigen, dass man
immer noch die besten Autos bauen konnte. Es war im Oktober 1951,
auf dem Salon de l’Automobile in Paris, wo Mercedes-Benz sein
neues Flaggschiff erstmals der Öffentlichkeit zeigte und die Fachwelt
in kollektives Staunen versetzte. Gezeichnet von Hermann Ahrens,
gebaut von Hand auf dem verkürzten Fahrgestell der zuvor in Frankfurt vorgestellten 300 Limousine, angetrieben von 150 Pferdestärken
aus drei Litern und sechs Zylindern, ausgestattet mit unerreichter
VON WOLFGANG HUMER
Eleganz und aller Opulenz dieser Welt, war er mehr als nur eine
surprise inattendue, er war ein Ausrufezeichen. Man konnte!
In der Neuen Welt vermochte dem Mercedes-Benz 300 S ohnehin
niemand das Wasser zu reichen. Es gab dort gewiss größere, vielleicht auch stärkere, aber keiner hatte diese Klasse und auch keiner
diesen Preis. Er kostete knapp das Doppelte des teuersten Cadillac. Ob als Coupé, als Cabriolet A mit gefüttertem Verdeck oder
AUCTION
17
BLACK
S TA R
1953 Mercedes-Benz 300 S Roadster
Schätzwert € 520.000 – 680.000
Auktion Klassische Fahrzeuge und Automobilia
18. Juni 2016
cken in den Straßenverkehr entließ. Damit reduzierten
sich die ohnedies homöopathischen Absatzzahlen um gut
die Hälfte, und nach nochmals drei Jahren war dann 1958
Schluss mit dem 300 S.
Der in der kommenden Dorotheum-Auktion Klassische
Fahrzeuge angebotene 300 S Roadster wurde 1953 an
einen Stahlindustriellen in Nordrhein-Westfalen geliefert. Schon in den 1970er-Jahren erwarb den Wagen ein
Hamburger Kaufmann, um mit ihm zahlreiche schöne
als Roadster mit voll versenkbarem Dach, der Preis war immer der
Sommer auf seinem Anwesen in Frankreich zu verbrin-
gleiche: 34.500 Deutsche Mark. Damit blieb er das, als was ihn die
gen. Nach 20 Jahren ließ er ihn in Deutschland wieder in
Presse beschrieben hatte, ein „Wagen für die Weltelite“, mit einem
Schuss bringen, und heute, wiederum 20 Jahre später, ist
Wort: unerreichbar.
die Zeit gekommen, seinen Roadster an neue liebevolle
Hände weiterzureichen.
In der Alten Welt, die gerade aus Schutt und Asche auferstand,
konnten viele selbst von einem Volkswagen, dessen Preis sich um
In den 65 Jahren seit seiner Vorstellung ist die Welt eine
eine Null unterschied, nur träumen. Hier muss der 300 S wie von
andere geworden, eines hat sich jedoch nicht verändert:
einem anderen Stern gewirkt haben. Doch dank des ins Land ziehen-
Noch heute versetzt der Wagen Menschen ins Staunen,
den Lüftchens von einem Wirtschaftswunder fand er auch hier seine
zieht die Blicke auf sich. Er ist der Inbegriff von Ele-
Abnehmer, weniger Filmstars als so manchen Industriellen.
ganz, war es immer und wird es immer bleiben. Treffend bemerkte schon seinerzeit, 1953, das amerikanische
560 Stück verließen in drei Jahren die Werkshallen, die wenigsten
„Road & Track“-Magazin: „Wherever the Mercedes-Benz
davon, nämlich 141, als schicke Roadster. 1955 verpasste man dem
300 S has been seen, since its first appearance at the
300 S eine Einspritzanlage, Trockensumpfschmierung, etwas mehr
Paris Salon in the autumn of 1951, it has caused a quiet
Chrom und eine neue Eingelenk-Pendel-Hinterachse. Der Preis
riot of enthusiasm, with its low, sleek lines and its atti-
wurde nochmals um einen halben Käfer angehoben, womit er auch
tude of ,going‘ even when standing still.“
zwei Käfer teurer war als sein heute berühmter Stallgefährte mit
den Flügeltüren, den Mercedes zwischenzeitlich von den Rennstre-
Wolfgang Humer ist Oldtimer-Experte im Dorotheum.
AUCTION
18
AUCTION
19
KOS M I S C H E K R A F T
Richard Pousette-Dart zählt zu einem Mitbegründer des
A b s t r a k t e n E x p r e s s i o n i s m u s i m N e w Yo r k d e r 1 9 4 0 e r - J a h r e u n d d a n a c h .
E i n e r B e w e g u n g , d i e d i e Vo r h e r r s c h a f t d e r e u ro p ä i s c h e n M a l e re i
e n d g ü l t i g b e e n d e t e . „ S u s p e n d e d L i g h t “, a n g e b o t e n i m D o r o t h e u m , g i b t
Z e u g n i s v o n d e s K ü n s t l e r s l e b e n s l a n g e m S t r e b e n n a c h Tr a n s z e n d e n z .
V O N A L E S S A N D R O R I Z Z I U N D PA T R I C I A P Á L F F Y
Punktartiges Auftragen der Farbe, dicke Schichten über vielen
In seinem vielseitigen, von 1930 bis 1990 reichenden Schaf-
Aufträgen: All das ergibt vibrierende, komplexe Oberflächen
fen, das auch Skulpturen und Grafiken umfasste, verarbei-
und erzeugt auch – besonders in Schwarz-Weiß – den Ein-
tete der Künstler in seinen frühen Arbeiten unter anderem
druck von Lichtquellen. Diese Charakteristiken von Gemälden
Einflüsse der Kubisten, Pointilisten, Surrealisten, der Kunst
des amerikanischen Künstlers Richard Pousette-Dart haben
der Aborigines und anderer alter Kulturen. Bereits 1948
insofern auch musikalische Qualitäten – wie das Großformat
stellte er bei der Biennale Venedig aus, wieder 1982. 1959
„Suspended light“, ein Höhepunkt der Dorotheum-Auktion
nahm Richard Pousette-Dart an der documenta II teil.
„Zeitgenössische Kunst“ vom 1. Juni 2016.
Die gewundenen, surrealen Formen der früheren Jahre wanDer spirituelle Ansatz des in Massachusetts geborenen
deln sich ab den 1960er-Jahren in scheinbar schimmernde,
Pousette-Dart, einem der Mitbegründer des amerikanischen
lichtpulsierende Bilder, in eine Form von transzendenter
Abstrakten Expressionismus, offenbarte sich unter anderem
Op-Art. „Stellar Light“, „Space Continuum“ oder „Radiance“
in seiner Liebe zu geometrischen Grundformen. Im Kreis
heißen solche Bilder. Auch „Suspended Light“ von 1978/80
und dem Rechteck sah er universelle Symbole kosmischer
wirkt fast lebendig durch seine Textur. Die zentrale Figur,
Kräfte. Wie auch Mark Rothko, Ad Reinhard oder Clifford
ein strahlender Lichtpunkt ähnlich der Sonne, zieht das
Still glaubte Pousette-Dart, dass abstrakter Malerei die
Auge des Betrachters auf sich.
Kraft innewohnt Transzendenz heraufzubeschwören.
Richard Pousette-Dart
Suspended light, 1978–80
Acryl auf Leinen, 183 x 137 cm
Schätzwert € 200.000 – 300.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 1. Juni 2016
Alessandro Rizzi und Patricia Pálffy sind Experten für
Zeitgenössische Kunst und Klassische Moderne im Dorotheum.
AUCTION
20
KLEINOD
DES FIN
DE SIÈCLE
Gustav Klimt und Emilie Flöge, ein schillerndes Paar der
Wiener Gesellschaft des Fin de Siècle. Im Juli 1905 schenkt der
K ü n s t l e r s e i n e r Ve r t ra u te n e i n e vo n Ko l o m a n M o s e r e n t w o r fe n e
Muffkette, die demnächst im Dorotheum zur Auktion gelangt.
VON THERESA PICHLER
Wien um die Jahrhundertwende: Die Stadt bietet einen beson-
Anfangszeit der Wiener Werkstätte von klaren geometrischen
deren Nährboden für künstlerische und wissenschaftliche Glanz-
Formen geprägt. Die Schmuckwerkstätte ist eine der Ersten,
leistungen. Neue Theorien und Erkenntnisse werden entwickelt,
die noch im Jahr der Gründung die Produktion aufnimmt; bis
neue Institutionen geschaffen. Protagonisten wie Sigmund
zum Ende der Wiener Werkstätte in den 1930er-Jahren soll-
Freud, Ludwig Wittgenstein, Ernst Mach, Otto Wagner, Arnold
te Schmuck eine der bevorzugten Sparten bleiben. Koloman
Schönberg, Arthur Schnitzler revolutionieren das Denken ihrer
Moser und Josef Hoffmann sind in den ersten Jahren für die
Zeit und nachfolgender Generationen. Im Bereich der bildenden
Entwürfe verantwortlich, ab 1905 kommen andere Künstler
Kunst steht Gustav Klimt an der Spitze jener jungen Künstlerbe-
hinzu. Insbesondere Koloman Mosers Schmuckkreationen
wegung, die sich von ihrer Vätergeneration lossagt und 1897 eine
aus getriebenem, geprägtem, patiniertem Silber sind von zahl-
neue Künstlervereinigung gründet: die Secession. Ein Jahr spä-
reichen Fotos bekannt, auf denen Emilie Flöge sie zu ihren
ter wird das Ausstellungsgebäude der Secession mit der berühm-
Gesellschaftskleidern trägt.
ten goldenen Kuppel nach Entwürfen von Joseph Maria Olbrich
erbaut. An der Fassade prangt der Leitspruch der Secessionisten:
Als
„Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“.
Lebenspartnerin von Gustav Klimt steht Emilie Flöge in
Modeschöpferin
und
Unternehmerin
sowie
als
einem besonderen Naheverhältnis zur Wiener Werkstätte. In
In diesem Umfeld wird 1903 die Wiener Werkstätte von Josef
ihrer Biografie manifestiert sich der Aufbruch in die Moderne
Hoffmann und Koloman Moser mit der kaufmännischen Unter-
– sowohl in künstlerisch-ästhetischer als auch in lebensprak-
stützung des Bankiers Fritz Waerndorfer gegründet und ins Han-
tisch-emanzipatorischer Hinsicht. 1874 als Tochter des Meer-
delsregister eingetragen. Hohe Qualität, Entwürfe von höchstem
schaumpfeifenfabrikanten Hermann Flöge in Wien geboren,
künstlerischen Anspruch und handwerkliche Einzelfertigung
erlernt sie das Schneiderhandwerk und eröffnet 1904 gemein-
sind ihre wichtigsten Merkmale. Stilistisch ist insbesondere die
sam mit ihren beiden Schwestern den Modesalon „Schwestern
Foto: © ÖNB
AUCTION
21
Emilie Flöge mit Muffkette,
Fotografie Atelier d’Ora, 1909
AUCTION
22
Flöge“. Der Salon im „Casa Piccola“-Haus in der Mariahilfer Straße
Foto: © Wien Museum
avanciert bald zum Treffpunkt der großbürgerlichen Gesellschaft;
in den Hochzeiten des Betriebs sind bis zu 80 Näherinnen und drei
Zuschneiderinnen beschäftigt. Für die Ausstattung zeichnen keine
Geringeren als Josef Hoffmann und Koloman Moser verantwortlich, das Logo entstammt der Feder Gustav Klimts. Der Salon ist
ganz im Stil der Wiener Werkstätte gestaltet und gilt als eines der
frühesten Beispiele für ein Interieur im Sinne des Gesamtkunstwerkes. Auch was den Salon füllt, entspricht den revolutionären
Ideen einer Gesellschaft im Umbruch. Die hier angebotenen Entwürfe liegen am Puls der Zeit – zweimal jährlich reist die umtriebige Unternehmerin in die Modemetropolen London und Paris, um
sich über aktuelle Trends und Tendenzen zu informieren. Emilie
Flöge setzt sich zudem für die Propagierung des Reformkleides
ein, für das Gustav Klimt und Mitglieder der Wiener Werkstätte
Entwürfe liefern. Die Mehrheit der Kundinnen wagt sich allerdings nicht so weit, sodass Flöge ihren Umsatz hauptsächlich mit
konventionelleren Gewändern macht. Dass die Frau, die sich in
der Mode für die Befreiung des weiblichen Körpers aus dem Korsett gesellschaftlicher Zwänge einsetzt, zeit ihres Lebens unverheiratet bleibt, ist wenig verwunderlich. Auch Flöges Beziehung zu
Gustav Klimt entzieht sich allen bürgerlichen Normen.
Die beiden lernen einander vermutlich bei der Hochzeit ihrer
Geschwister 1891 kennen. Von da an verbindet sie eine lebenslange Beziehung; welcher Art diese Beziehung tatsächlich ist – ob
Emilie Flöge (mit Muffkette) und Gustav Klimt
im Ruderboot am Attersee, 1909
Freundschaft, Liebe oder Seelenverwandtschaft –, bleibt bis heute
letztlich ungeklärt. Schon früh malt Klimt ein Porträt von Flöge,
Trägerin von Schmuck der Wiener Werkstätte. Sie bewirbt ihn
das der Abgebildeten jedoch missfällt und schließlich vom Nieder-
nicht nur auf Fotos, sondern bietet ihn auch in ihrem Salon
österreichischen Landesmuseum angekauft wird. Durch zahlreiche
zum Verkauf an. Wie Elisabeth Schmuttermeier schreibt,
Fotos dokumentiert sind die legendären Sommeraufenthalte der
kann sie sowohl als „Beschenkte und Sammlerin“ als auch
beiden am Attersee. Dort entsteht auch die für die Zeit gänzlich
als „Verkäuferin und Modell“ gelten. Zehn Schmuckstücke
untypische Fotoserie in der freien Natur, die 1907 in der Zeitschrift
schenkt Gustav Klimt seiner Gefährtin nachweislich zwischen
„Deutsche Kunst und Dekoration“ erscheint. Emilie Flöge ist darin
1903 und 1906. Eines davon gelangt nun im Dorotheum zur
mit Ketten und Broschen der Wiener Werkstätte zu den in ihrem
Auktion. Es handelt sich um eine Muffkette nach einem Ent-
Salon angebotenen Kleidern abgebildet. Flöge ist eine begeisterte
wurf von Koloman Moser: Die 70 Zentimeter lange, zweireihige Halskette aus Silber wird durch geometrische und von
Quadraten durchbrochene Elemente zusammengehalten und
gegliedert. Sie ist nicht nur Beleg einer außergewöhnlichen
Beziehung, sondern gleichzeitig Vermächtnis einer der einflussreichsten künstlerischen und gesellschaftlichen Bewegungen im Wien des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Theresa Pichler ist Literaturwissenschaftlerin und
Grafikerin im Dorotheum.
Information:
Julia Blaha, Expertin für Jugendstil und Art Déco
Foto: © MAK
AUCTION
23
„Wo e s a n g e h t , w e r d e n w i r z u s c h m ü c k e n
suchen, ohne Zwang und nicht um jeden Preis.
Wir benützen viele Halbedelsteine, besonders
bei unserem Geschmeide; sie ersetzen uns durch
ihre Farbenschönheit und unendliche, fast nie
w i e d e r k e h r e n d e M a n n i g f a l t i g k e i t d e n We r t d e r
Brillanten. Wir lieben das Silber des Silbers, das
Gold des Goldglanzes wegen; uns ist das Kupfer
in künstlerischer Beziehung ebenso wertvoll wie
die edlen Metalle. Wir müssen gestehen, dass ein
Schmuck aus Silber an sich ebenso wertvoll sein
kann wie ein solcher aus Gold und Edelsteinen.
D e r We r t d e r k ü n s t l e r i s c h e n A r b e i t u n d d i e I d e e
s o l l e n w i e d e r e r k a n n t u n d g e s c h ä t z t w e r d e n .“
( „ D a s A r b e i t s p r o g r a m m d e r W i e n e r We r k s t ä t t e“,
1 9 0 4 /1 9 0 5 )
Kolo Moser (1868–1918)
Muffkette, Geschenk von Gustav Klimt
an Emilie Flöge
Entwurf 1905, Ausführung Wiener Werkstätte,
Silber, Länge 70 cm
Schätzwert € 60.000 – 80.000
Auktion Jugendstil und angewandte Kunst
des 20. Jahrhunderts, 13. Juni 2016
EIN BLICK
F R AU E N
Marie Egner
Vorgarten mit blühenden Stockrosen
Öl auf Malkarton, 38,5 x 42,5 cm
Schätzwert € 20.000 – 28.000
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts,
21. April 2016
AUCTION
25
AU S D E M Z I M ME R
Im Grunde könnte man, wollte man allgemein über
die Frau in der Kunst sprechen, bei Plinius dem
Älteren anfangen, erwähnt dieser doch in seiner
Abhandlung über die Erfindung der Malerei ein
zeichnendes Mädchen. Auch in der Zeit des Mittelalters würde man sich künstlerisch betätigende
Frauen finden, nicht zu vergessen die großen Ausnahmekünstlerinnen des 16. und 17. Jahrhunderts
in Italien und in den Niederlanden. Künstlerinnen
Foto: Josef Löwy ÖNB
setzten sich im 18. Jahrhundert mehr oder weniger
erfolgreich für die Aufnahme von Frauen an Akademien ein. Der Weg ins 19. Jahrhundert, in das
Jahrhundert der Umbrüche, der Emanzipation, der
sozialen Revolution, war bereitet.
Die Kunst des 19. Jahrhunderts ist von zwei großen
Tendenzen bestimmt: Einerseits von einem Festhalten, einer Rückbesinnung; große Meister, der Duktus
ganzer Epochen wurden kopiert, der Stil des Historismus prägte unter anderem auch Städte wie Wien.
Andererseits sind aber gerade am Anfang dieses Jahr-
Marie Egner
hunderts die Wurzeln der Moderne zu finden.
Österreichische Künstlerinnen wie Tina Blau-Lang
(1845–1916), Marie Egner (1850–1940) oder Olga
Sommerstimmung bringt die
Kunst österreichischer Stimmungs­
impressionistinnen auch ins
Dorotheum. Immer wieder finden
sich ihre Werke in Ausstellungen
und auf dem Kunstmarkt.
VON MARIE-SOPHIE ENGEL
Wisinger-Florian (1844–1926) gehören zu dieser
Moderne, sind gute Beispiele nicht nur für die neue
Kunstströmung
des
Stimmungsimpressionismus,
sondern auch für die Neupositionierung der Frau, die
schon zu Lebzeiten geehrt, deren Kunst ausgestellt
und gehandelt wurde.
So schrieb Adalbert Franz Seligmann in seinem
Nachruf auf Tina Blau in der „Neuen Freien Presse“
am 31. Oktober 1916: „In der Modernen Galerie [heute Belvedere] befindet sich ihre ‚Krieau‘ und auch
unser Kaiser hat in seinem Privatbesitz mehrere
AUCTION
26
Gemälde Tina Blaus.“ Und über ihre künstlerische
Werke von Künstlerinnen erreichten im Dorothe-
Bedeutung: „Neben Schindler und Robert Ruß [sic]
um gute Ergebnisse: so Wisinger-Florians „Blü-
etwa wird sie einzureihen sein. Was ihre Kunst vor
hender Bauerngarten“ 290.000 Euro, Tina Blaus
allem auszeichnet, ist der männliche, energische Zug,
„Beim Atelier der Künstlerin, Prater 1907“ 97.900
der gerade den Wiener Künstlern häufig fehlt. Es
Euro und Marie Egners „In der Blütenlaube“
ist so gar nichts Frauenzimmerhaftes, so gar nichts
165.500 Euro.
Weibliches oder Süßliches darin zu finden […].“
Heute finden sich ihre Arbeiten regelmäßig in AukFolgt man nun Seligmanns Beispiel und setzt Tina
tionen. Der „Blick auf den Arco de Tito Vespasiano“
Blau neben Emil Jakob Schindler und Robert Russ,
von Tina Blau zum Beispiel wird am 21. April zum
zweifellos legitime Vergleiche, so wird die Qualität
Verkauf angeboten. Das Bild ist, wohl im Zuge
ihrer Kunst deutlich aufgezeigt. Sie ist, neben Emil
ihrer Italienreise, 1879 entstanden. Detailreich ist
Jakob Schindler, Carl Moll, Theodor von Hörmann,
der „Arco de Tito Vespasiano“ dargestellt, im Hin-
Hugo Darnaut, Marie Egner und Olga Wisinger-
tergrund deutlich das Forum Romanum; bewölkt
Florian, eine bedeutende Vertreterin des österreichi-
und schwer liegt der Himmel über den italieni-
schen Stimmungsimpressionismus; flirrend, schwer,
schen Ruinen, alles ist impressionistisch unscharf,
frisch und strahlend sind ihre Landschaften. Männ-
stimmungsvoll von der kargen Landschaft der Via
lich? Oder weiblich? Gibt es einen Unterschied?
Sacra umfangen.
Schindler und Russ erzielen Toppreise; so wur-
1880 wurde dieses Gemälde erstmals in einer Wiener
de Emil Jakob Schindlers „Blick auf Ragusa“ um
Ausstellung, im Künstlerhaus, gezeigt, 1971 in der
317.500 Euro im Dorotheum verkauft, ein Gemälde
Österreichischen Galerie Belvedere und 1996 im Jüdi-
von Robert Russ, „Gardone am Gardasee“, wechselte
schen Museum. Es steht musterhaft für ihre Kunst im
für etwa 1,2 Millionen Schilling, heute rund 87.500
österreichischen Kulturbetrieb, Tina Blau für die neu-
Euro, den Besitzer. In derselben Auktion erzielte
erlangte selbstbestimmte Position der Frau, für eine
aber dann das Gemälde einer Künstlerin den höchs-
Frau mit dem Beruf Künstlerin.
ten Preis: Olga Wisinger-Florians „Blühende Wiese“ wurde um 1,3 Millionen Schilling (umgerechnet
So erhielt sie ihre Ausbildung in Wien und Mün-
rund 95.000 Euro) verkauft.
chen, unternahm Studienreisen, ganz im Sinn der
Tina Blau, Blick auf den
„Arco de Tito Vespasiano“ , 1879
Öl auf Holz, 28 x 40,5 cm
Schätzwert € 40.000 – 80.000
Auktion Gemälde des
19. Jahrhunderts
21. April 2016
Foto: Albert Meyer ÖNB
Olga Wisinger-Florian
tischen Vorstellungen der Bevölkerung, sondern
auch zu sozialer Umstrukturierung. Die Frau
erkannte ihre Rechte, begann für sie zu kämpfen und sich neu zu positionieren. Vermehrt, nicht
Zeit, nach Italien und Holland, teilte sich das Ate-
mehr nur im Privaten, sondern auch im Beruf,
lier mit Emil Jakob Schindler, heiratete den Künst-
konnte sich eine Frau als Künstlerin etablieren.
lerkollegen Heinrich Lang, unterrichtete und war
Mädchen hatten mehr Möglichkeit einer Ausbildung,
schließlich auch Gründungsmitglied der „Kunst-
Vereinigungen formierten sich, der Beruf der Künstle-
schule für Frauen und Mädchen“ in Wien. Ihre
rin war keine Seltenheit, kein Kuriosum mehr. Frau-
Arbeiten waren regelmäßig in Ausstellungen zu
en unterrichteten, arbeiteten und reisten, bespielhaft
sehen, wurden immer schon ge- und verkauft, so hat
dafür auch: Marie Egner.
ja auch der Kaiser mehrere davon besessen.
Die Malerin Marie Egner wurde, wie ihre fünf Jahre
Die Umbrüche des 19. Jahrhunderts führten
ältere Kollegin Tina Blau, in Österreich und Deutsch-
also nicht nur zu einem Umdenken in den poli-
land ausgebildet und gehörte dem Kreis um Emil
Foto: Atelier D‘Ora-Benda, 1915 ÖNB
Tina Blau
Jakob Schindler an. Studienaufenthalte ließen sie
reisen und brachten sie unter anderem nach Italien
und England – Fahrten, die sie sich selbst verdient
finanzierte. Auch Egner führte eine eigene Malschule.
„Sie beteiligt sich sehr viel an Ausstellungen sowohl in
Wien als auch im Auslande, überall Erfolge erntend.“
(Karoline Murau, „Wiener Malerinnen“, 1895)
Das Gemälde „Vorgarten mit blühenden Stockrosen“, welches auch in der April-Auktion zu finden
ist, zeigt die Üppigkeit des Sommers, saftig grün
im strahlenden Sonnenlicht. Zusätzlich zu ihren
bekannten stimmungsimpressionistischen Landschaftsbildern, die sie besonders gerne direkt im
Freien malte, fertigte Marie Egner, sozusagen als
Schlechtwetterprogramm, Blumenstillleben.
Nun sind also Tina Blau, Marie Egner und Olga
Wisinger-Florian beeindruckende, starke Beispiele
Ausstellungstipp im Herbst
MEISTERWERKE IM FOKUS: TINA BLAU
4. November 2016 – 15. Jänner 2017
im Belvedere Wien
Information:
D i m i t r a R e i m ü l l e r, E x p e r t i n f ü r G e m ä l d e
d e s 1 9. J a h r h u n d e r t s i m D o r o t h e u m
dafür, dass Frauen in der Kunst des 19. Jahrhunderts
präsent und akzeptiert waren, dass ihre qualitätsvolle
Kunst in der Kunstgeschichte, im Kunstgeschehen und
auf dem Kunstmarkt einen wichtigen Platz einnimmt.
Marie-Sophie Engel ist Kunsthistorikerin
im Dorotheum.
Olga Wisinger-Florian
Blühender Bauerngarten
Öl auf Holz, 106 x 160 cm
erzielter Preis € 290.000
AUCTION
28
James Ensor widmete sein Werk motivischen
Spielereien zwischen Sein und Schein.
Beliebtes Sujet dabei: die Maske, symbolisches
Ve r s t e c k u n d t r ü g e r i s c h e Ta t s a c h e .
V O N PA T R I C I A P Á L F F Y
Visionär, geheimnisumwittert, manchmal angriffs-
der Familie Rousseau. Diese ursprünglich fotogra-
lustig und oft humorvoll hat James Ensor (1860–
fierte Szene ist also keine Erfindung, sondern eine
1949) die Malerei des 20. Jahrhunderts stark
Darstellung der maskierten Freunde des Künstlers.
beeinflusst und in seinen Arbeiten auf das Schelmi-
Ensor selbst ist in der Mitte des Werkes zu sehen,
sche und Lächerliche in der Natur des Menschen
er trägt eine Husarenmütze und ist von Ernest
hingewiesen.
Rousseau junior und Mitgliedern der Familie
Nahrath umgeben.
Seine originellen und eigenwilligen Bildinhalte,
in denen einander Masken, Totenschädel, Skelette
Das Motiv lag Ensor offenbar am Herzen, hatte
und verschiedene „Unwesen“ begegnen, zeigen die
er doch schon 1891 eine zweite Version mit dem
Absurdität der menschlichen Existenz. Sie inspi-
Titel „Réunion de masques (Mascarade)“ erstellt.
rierten zahlreiche Künstler wie Alfred Kubin, Paul
Von „Baptême des masques“ existieren zwei späte-
Klee, Emil Nolde oder Ernst Ludwig Kirchner
re Ausführungen, von denen nur eine verzeichnet
ebenso wie die Surrealisten, die sich als Kinder
und mit „um 1937“ datiert ist – das im Dorotheum
Ensors empfanden. Der Belgier hatte eine Vorliebe
angebotene Werk (um 1925–1930) stellt hingegen
dafür, autobiografische Motive in der Darstellung
eine Neuentdeckung dar.
einer Maskerade zu verarbeiten und die Gesellschaft abseits moralischer Zwänge bis hin zur gro-
2009 widmete das New Yorker Museum of Modern
tesken Persiflage wiederzugeben.
Art James Ensor eine große Retrospektive, die im
Anschluss im Musée d’Orsay in Paris gezeigt wur-
Beispielhaft dafür steht nicht zuletzt das in der
de. Diese Ausstellungen haben James Ensor und
Dorotheum-Auktion Klassische Moderne im Mai
seinen Werken international einen hohen Bekannt-
angebotene Werk. Es handelt sich um eine von zwei
heitsgrad verschafft.
Varianten einer Komposition von 1891, „Baptême
des masques“, inspiriert von einem Kostümfest
Patricia Pálffy ist Expertin für Zeitgenössische Kunst
und Klassische Moderne im Dorotheum.
MEISTER
AUCTION
29
James Ensor, Baptême des masques
um 1925–1930
Öl auf Leinwand, 60 x 70 cm
Schätzwert € 300.000 – 500.000
Auktion Klassische Moderne
31. Mai 2016
DE R
M A S K E N AUS
©peyote
D E R
Z U K U N
VON ASTRID FIALKA-HERICS
AUCTION
31
Halluzinogene Wirkung – im übertragenen Sinn
und gänzlich legal – versprechen die Produkte von
Peyote, der Firma des österreichischen Medien­
designers und Architekten Oliver Irschitz.
M i t s e i n e m l a n g e v o r A p p l e e n t w i c k e l t e n i Tu b e ,
dem iFrame und dem iPoint – allesamt auch in
der kommenden Dorotheum Design-Auktion am
15. Juni angeboten – bringt er Benutzer­
schnittstellen zwischen Mensch und Gerät
auf neue Ebenen. Ein Porträt.
VON GERTI DRAXLER
Nichts ist eindeutig und eindimensional bei ihm, weder in seinem
Beruf, noch wenn es um seine Produkte geht: „Ich bin ein Hybrid“,
meint Oliver Irschitz denn auch – eine Zwischenform zwischen
Architekt und Mediendesigner. Vom Entwurf bis hin zu techni­
schen Details arbeitet er interdisziplinär mit Sound und Film und
©Astrid Bartl
bringt dabei auch so unterschiedliche Dinge wie Programmieren,
Tischlerarbeit und Kunststoffverarbeitung unter einen Hut.
Das Arbeitsfeld des 43-jährigen Tiroler Weltbürgers liegt an der
Schnittstelle von Mensch und Maschine, dem User Interface.
Und dort bewegt er sich von den Pionierzeiten dieser Entwicklungen an auf hohem Niveau. Auch der Name von Irschitz’ Firma
verweist auf Zwischen- oder Parallelwelten: Peyote ist ein Kaktus
mit halluzinogener Wirkung.
Science Fiction
Oliver Irschitz hat unter anderem den iTube, den iFrame und
den iPoint erfunden – lange, bevor Apple sein iPad präsentierte.
Wobei der iFrame dank um den Bildschirm installierter Infrarotsensoren ganz ohne Berührung auskommt: Sobald nämlich die
Hände die unsichtbaren elektronischen Schranken durchbre-
F T
chen, überträgt sich jede Bewegung, die innerhalb dieses Rahmens abläuft, auf den Schirm – ideal für Präsentationen, aber
auch für medizinische Anwendungen wie etwa Therapiespiele.
Den runden, fast durchsichtigen iPoint-Tisch wiederum kann
man sich als riesiges iPad vorstellen.
Die spektakulärste Innovation des Mediendesigners ist aber eine
transportable begehbare Röhre namens iTube. Menschen, die
sich durch die Röhre bewegen, werden dank deren multimedialen
Innenlebens zu Akteuren, wandeln und navigieren durch virtuelle Illusionswelten. Bereits um die Jahrtausendwende erfunden,
wurde iTube 2003 vom „Time Magazine“ als „Beste Erfindung des
©momo
©peyote
Jahres 2003“ nominiert (gewonnen hat damals der iTunes Music
Store von Apple). Das iTube-Prinzip wandte der unter anderem
am renommierten MIT, Massachusetts Institute of Technology,
Geschulte etwa in den Swarovski Kristallwelten in Wattens an.
Oder auch bei der Weltausstellung in Shanghai 2010, bei der er
den österreichischen Pavillon im Fluss der Elektronen sozusagen
hybrid machte.
„Austria be touched“ war dort durchaus wörtlich zu nehmen: Vor
einer Lichtschranke angebrachte Module, die Infrarotlicht aussandten und empfingen, schickten bei händischem Durchbrechen
dieser Schranke Befehle an den Rechner. Dieser konnte dann aus
einem Repertoire von Videoclips entsprechende Szenen abspielen.
Start-Ups & -Downs
Auf die Frage, ob angesichts der Erfolge ähnlicher Erfindungen
nicht Frust aufkomme, meint Oliver Irschitz, er schätze es, sein
eigener Herr zu sein: „Ich bin seit Abschluss meines Architektur-
©Swarovski Kristallwelten
Für diese Arbeit erhielt Irschitz den Staatspreis Multimedia 2011.
studiums Unternehmer. Von der ersten Stunde an, seit 1998. Ich
habe nichts ausgelassen. Aus einem Start-up im Silicon Valley
wurde nichts, es gab viele Ups und Downs.“
Der Mann hinter Peyote bleibt weiterhin hybrid, wenn man so
will: Nun überlegt er, ob er nicht einmal als Ausgleich zu virtuellen
Welten tief in die konkrete Materie eintauchen soll … als Biobauer!
©peyote
Gerti Draxler ist Design-Expertin im Dorotheum.
Denk KUNST ist
eine LEIDENSCHAFT,
die gerne teilen.
© Sabine Klimpt
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Für Informationen wenden Sie sich bitte an:
Mag. Ulrike Seppele
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„„
AUCTION
34
IM GEISTE
COCO
CHANELS
1883 als Gabrielle Chasnel geboren und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, wurde Coco Chanel zunächst
zur Näherin ausgebildet. Nach einem kurzen Abstecher
in die Welt des Varietés eröffnete sie 1906 ein Hutatelier
und 1913 im Seebad Deauville ihre erste Modeboutique
„Chanel Modes“ – dies gilt auch offiziell als Gründungsdatum von Chanels Modeimperium. Innerhalb kürzester Zeit wuchs die Modelinie von Coco Chanel zu einer
international etablierten Marke heran. Parfum, Schmuck
und Accessoires rundeten die Kollektionen ab. Das kleine
Schwarze aus den 1920er-Jahren gehört ebenso zu ihren
Erfindungen wie das klassische Chanel-Kostüm aus den
Kostüm aus
der Autumn
Collection 2006
Chanel
Rufpreis € 500
Auktion Chanel
14. Juni 2016
1950er-Jahren. Zahlreiche Prominente aus Film, Fernsehen und Politik trugen Coco Chanels Mode, unter ihnen
klingende Namen wie Marlene Dietrich, Brigitte Bardot,
Grace Kelly, Romy Schneider, Elizabeth Taylor und Lady
Diana. Coco Chanel starb 1971 in ihrem Atelier in Paris im
Alter von 87 Jahren. Ihr Modehaus wurde mehr schlecht
als recht weitergeführt, ehe Karl Lagerfeld 1983 die Entwürfe für das Haus Chanel übernahm. Seine zahlreichen
Kreationen in den vergangenen mehr als 30 Jahren bei
Chanel zeugen nicht nur von einer ungeheuren schöpferischen Vielfalt. Es gelingt ihm auch immer wieder, den
Geist von Coco Chanels Inspirationen lebendig zu halten,
ohne dabei altmodisch oder rückständig zu wirken. Eine
handwerklich vollendete Verarbeitung, feinste Materialien und ein bestechendes Design, das auch die Jahrzehnte überdauert, tragen das Ihre dazu bei, sich nicht selbst
zu überdauern. Das Dorotheum freut sich, einen kleinen
Einblick in das Modedesign von Karl Lagerfeld für Chanel
geben zu können. Angeboten werden Kostüme, Kleider,
Hosenanzüge, Blusen, Twinsets, Accessoires, Handtaschen, Ketten, Gürtel, Broschen und Schuhe von 1989 bis
2009 aus den verschiedensten Kollektionen.
Sonja Höpp und Regina Herbst sind Expertinnen für
Vintage und Historische Textilien im Dorotheum.
Chanel 2009, A Faux Pearl Necklace
Rufpreis € 400
Auktion Chanel, 14. Juni 2016
Chanel 2005/2006, Black Jumbo Caviar Kelly Classic Bag
Seriennr. 10934471
Rufpreis € 1.000
Auktion Chanel, 14. Juni 2016
Chanel Ballerinas
Rufpreis € 140
Auktion Chanel, 14. Juni 2016
AUCTION
35
LIEBE UND TOD:
DIE JUGENDBEKENNTNISSE
DER MARY VETSERA
*Your favourite
qualities in man.
Wien 1884: Die 17-jährige Gräfin Marie
Mittrowsky bittet ihre Freundinnen, sich
in ein ganz spezielles Buch einzutragen. In
Ta p f e r
London gedruckt, trägt das Einschreibbuch
den Titel „Confessions“ („Bekenntnisse“)
Makart, der Superstar der Ringstraßen­
und enthält einen Katalog von 24 Fragen.
ära, sowie Ludwig van Beethoven. Weitere
Aus deren Beantwortung ergibt sich ein
Favoriten: Bertrand du Guesclin, franzö-
aussagekräftiges Persönlichkeitsprofil, das
sischer Heerführer im Hundertjährigen
einem Facebook-Profil von heute nicht
Krieg, Maria Stuart, enthauptet 1587,
unähnlich ist.
Charlotte Corday, die 1793 guillotinierte
*Your favourite virtue.
Mörderin Jean-Paul Marats, Siegfried,
der meuchlings ermordete Held der Nibelungensage, sowie Medea, leidenschaftlich-düstere Zauberin und antike Killerin
Grosmuth
Unter den befreundeten Aristokratinnen
ist auch Mary Vetsera. Die Antworten der
erst 13-jährigen Baronesse lassen Bildung,
Individualität, Fantasie, aber auch eine
unterschwellige Morbidität erkennen, die
aus der Argonautensage. Als meistgehasste
MARY VETSERA
historische Gestalt gibt Vetsera an: Königin
Freiin Mary v. Vetsera (1871–1889)
Porträtfotografie, O. Türk, Wien
22 x 13,5 cm, um 1888
Erzielter Preis € 3.000
Elisabeth I. von England, die ihre Rivalin
vor allem in der Auswahl der von ihr favo­
Sherry und Likör. Tolerierbarer Fehler:
risierten historischen Persönlichkeiten zum
Faulheit. Present state of mind: Ungeduld.
Ausdruck kommt.
Lieblingsschriftsteller: Alexander Petöfi,
ungarischer Revolutionsheld, gefallen 1849.
Die Frage nach ihrer Vorstellung von Glück
quittiert Mary Vetsera mit sechs Fragezeichen. Auf die Frage „If not yourself, who
would you be?“ antwortet Mary: „Ein Geist
oder ein Hirsch“. Ihre Lieblingsgetränke:
Lieblingsmaler und -komponist: Hans
*Your favourite
occupation.
Lesen
Maria Stuart hinrichten ließ.
Einen
versöhnlichen
Abschluss
bildet
Marys Motto, ein Zitat der hochmittelalterlichen französischen Königin Blanka von
Kastilien, das noch heute in zahlreichen
französischen Facebook-Profilen zu finden
ist: „J’aime qu’on m’aime comme j’aime
quand j’aime“. So scheinen in Mary Vetseras
Jugendbekenntnissen Liebe und Tod eng
beieinander zu liegen – was fünf Jahre
später nicht anders ist, als sie mit dem
österreichischen Kronprinzen Rudolf den
gemeinsamen Liebestod wählt.
Andreas Löbbecke ist Experte für
Autographen im Dorotheum.
Freiin Mary v. Vetsera (1871–1889) „Bekenntnisse“
Einzelblatt mit autobiographischen Eintragungen
u. U. aus dem Album „Confession“, London, 30. 3. 1884
aus dem Besitz der Gräfin Marie Mittrowsky
(vereh. Gräfin Bombelles) (1867–1917)
Rufpreis € 2.000
Auktion Autographen, 22. Juni 2016
Das Album wird in der Auktion zusätzlich als eigenes Lot
mit einem Rufpreis von 800 Euro versteigert.
Foto: Manolo Yllera
DOROTHEUM
36
P E T E R
MARINO
BLICK ÜBER
DEN
TELLERRAND
DOROTHEUM
38
P e t e r M a r i n o s o r g t d a f ü r, d a s s d i e
Leute ein Produkt lieben. Der Darling
der Luxusmodebranche gestaltet
weltweit Geschäfte für mehr als
4 0 To p m a r k e n . O b e r n u n R e g a l e f ü r
Chanel-Handtaschen entwirft oder
P r i v a t h ä u s e r, ö f f e n t l i c h e G e b ä u d e u n d
Hotels einrichtet: Kunst gehört für
ihn beruflich wie privat immer dazu.
D e r N e w Yo r k e r A r c h i t e k t ü b e r d i e
Faszination von Gesamtkunstwerken,
antizyklisches Sammeln, die magis c h e n S i e b z i g e r j a h r e u n d d a r ü b e r,
was er von Andy Warhol gelernt hat.
Dior Boutique, Seoul
Foto: Kyungsub Shin
VON DORIS KRUMPL
Eines der Top-Hotels von Paris. Peter Marino sticht
mit seinem typischen Look sofort aus der Menge
elegant gekleideter Frauen und Männer hervor:
schwarzes Leder von Kopf bis Fuß, dazu eine dunkle
Sonnenbrille und klotzige Ringe. Er trinkt Tee aus
feinem Porzellan und spricht in jenem New Yorker
Singsang, der ein wenig an seinen berühmten ersten
Mentor erinnert – Andy Warhol.
„I like things
that make
me smile …
and happy!“
Chanel Boutique, Wien Boon The Shop, Seoul
Foto: Olivier Saillant
Foto: Yunsuk Shim
„Y o u a l w a y s h a v e t o l o o k w i t h
your own eyes. That‘s another
Warhol trait: Don‘t like what
everybody likes!“
Dorotheu m myART MAGA ZIN E:
Eines Ihrer Liebling sgebä u de ist d as vo n J o s ef
Hof fma nn entwor fene Pa la is Sto c l e t i n B r üs s e l .
Was macht den Reiz der Wiener Werkstätte aus?
Ist es der Geda nke des Ges a mt kun s twe r k s , d e r
sich ja a u ch in Ihrem Wer k f ind e t?
Peter Marino: Absolut … wenn Architektur und
Design eins sind. Ich kann es nicht leiden, Leute
wenig peinlich, dass ihre Sammlungen alle gleich
über „pure Architektur“ oder „pure Innenarchitektur“
aussehen. Vielleicht ist das mit ein Grund dafür,
reden zu hören; mir geht es ums Ganze. Josef
dass ich neben Gegenwartskunst auch Porzellan
Hoffmann ist für mich eine Ikone, weil er das Haus,
und Bronzeskulpturen aus der Renaissance samm-
die Einrichtung, die Sessel, das Tafelsilber und die
le. Das würde man nicht glauben, wenn man mich
Lampen entworfen hat. Das ist genau das, was ich
sieht, oder? (Lacht.)
immer tun wollte.
Boon The Shop, Seoul
Foto: Judith Turner
Sie wurden bekannt , als Sie für Andy Warhol
H a t t e n S i e b e i m U m b a u vo n Wa r h o l s
u nd seine Fa c tor y a r beiteten – d i e war ja
F a c t o r y - Lo f t f r e i e H a n d ?
gewisser ma ßen a u ch ein Ges a m tkun s twe r k .
Ich war damals sehr jung, um die 25, und es war einer
Ich lernte Andy 1970 kennen. Er war ein Pionier.
meiner ersten Aufträge. Andy wollte es einfach und
Damals drehte sich alles um abstrakten Expres-
zweckmäßig haben. Die Presse interessierte sich nur
sionismus. Was Andy und die Pop-Art-Künstler
dafür, weil er es war, für den ich arbeitete. Die „Vogue“
machten, galt als Müll. Er sammelte amerikanische
schrieb über den jungen Typen, der Andys Loft
und französische Möbel aus dem 18. Jahrhundert
umbaute, und das hat mir bei meiner Karriere natür-
sowie Art-déco-Möbel. Das hat mich ermutigt zu
lich geholfen. Durch ihn lernte ich auch all die Pop-
tun, woran ich glaube. Menschen mit Schubladen-
Art-Künstler kennen: Claes Oldenburg und Robert
denken interessieren mich nicht. Geschäftsleute
Rauschenberg – es war wirklich cool! Andy führte
neigen dazu, zeitgenössische Kunst zu sammeln,
mich in die europäische Szene ein, machte mich mit
zumindest bei uns in Amerika. Ich finde es ein
Yves Saint Laurent bekannt, mit den Rothschilds …
Dior Boutique, Seoul
Foto: Kyungsub Shin
O f f e n b a r h a b e n S i e e i n e Vo r l i e b e f ü r D i n g e ,
die gerade aus der Mode sind.
Man muss sich auf seinen eigenen Blick verlassen.
Warhol hat immer gesagt: Steh nicht auf Dinge, auf
H e i ßt d a s , d a s s d i e K l u f t z w i s c h e n „ N o r m a l “
und Berühmt, zwischen Arm und Reich in den
S i e bz i ge r j a h r e n n i c h t s o g r o ß wa r ?
Es waren magische Jahre. Die Kluft zwischen den
verschiedenen Gesellschaftsschichten gab es in die-
die alle stehen! Das kommt mir entgegen. Ich trage
nicht, was alle tragen. Ich stehe immer ein wenig
abseits. Ein Künstler sieht mehr, wenn er von
außen auf die Welt blickt, als wenn er mitten drin
steht und sich umsieht.
ser Zeitspanne nicht. Dann kamen die Achtziger-
We n n e s u m d i e Ku n s t f ü r I h r e P r o j e k t e
jahre, und alles war wieder wie zuvor. Es war nie
u n d S a m m l u n g e n g e h t : Wa s i n s p i r i e r t S i e ?
mehr wie in den Siebzigern. Jetzt bleiben alle unter
Seit ich 20 bin, gehe ich jeden Samstag in eine
sich, selbst die Armen.
Galerie. Ich bin allein unterwegs und besuche
S i e ge s t a l te n S h o p s , a l s wä r e n s i e M u s e e n .
W ü r d e n S i e t a t s ä c h l i c h a u c h ge r n e M u s e e n
wöchentlich bestimmt fünf bis zehn Galerien, um
mir Kunst anzusehen.
g e s t a l te n ?
We l c h e Ku n s t w e r ke k a u f e n S i e f ü r s i c h ,
Ich habe weltweit Wettbewerbe gewonnen – die
u n d w e l c h e w e r d e n Te i l I h r e r P r o j e k t e ?
Museen wurden jedoch nie gebaut. Aber es gab diese
Manchmal frage ich einen Künstler, ob er mir bei
schöne Geschichte in Dresden, als ich die Innenein-
einem Projekt hilft. Künstler sind großartig, sie bli-
richtung für die berühmte Porzellansammlung im
cken immer über den Tellerrand hinaus. Oder ich
Zwinger gestaltete. Der Direktor sagte: „Wir haben
sehe ein Kunstwerk, das mich zu etwas inspiriert.
Porzellanhändler auf der ganzen Welt gefragt, wer
Alles, was ich tue, hat mit Kunst und ihrer Präsenta-
der perfekte Architekt für die Neugestaltung wäre,
tion zu tun. Ich vergrößere ständig meine Sammlung.
und neun von zehn haben Ihren Namen genannt!“
Manchmal verkaufe ich Stücke, um etwas Besseres zu
Ich sollte das Porzellan genauso begehrenswert
kaufen. Die Qualität eines Bildes, eines Möbelstücks
machen wie eine Chanel-Handtasche im Regal. Und
oder einer Skulptur lässt sich am besten beurteilen,
das tat ich. Porzellan ist etwas Wunderbares. Ich
wenn man zwei oder drei Jahre damit lebt und dann
sammle französisches Porzellan aus dem 19. Jahr-
abwägt, ob man davon noch inspiriert wird.
hundert von Keramikern wie Auguste Delaherche
und Pierre-Adrien Dalpayrat. Das ist wahre Kunst!
We l c h e r M ö b e l s t i l s p r i c h t S i e m o m e n t a n
am meisten an?
S i e h a b e n a u c h e i n e r i e s i ge S a m m l u n g
Französische Möbel aus dem 18. Jahrhundert. Nun
vo n B r o n z e s k u l p t u r e n a u s d e r Re n a i s s a n c e
kommen gerade Möbel des 20. Jahrhunderts in
und dem Hochbarock.
Mode: Royère, französische Möbel aus den Vierziger-
Ich bin sehr stolz auf diese Sammlung und immer
und Fünfzigerjahren, Mid-Century-Design … All das
wieder traurig, wenn die Skulpturen im Ausland
ist derzeit angesagt! Vor zehn Jahren waren alle ver-
gezeigt werden. Ich habe ein großes Musikzimmer,
rückt nach Art déco. Außer mir sammelt im Moment
in dem alle 36 Skulpturen ausgestellt sind. Jedes
niemand französische Möbel aus dem 18. Jahrhun-
Mal, wenn sie weg waren, fühlte ich mich, als wäre
dert. Man bekommt da wundervolle Stücke. Es ist
ich gestorben; als würde ich in einem Sarg liegen. Ich
nicht billig – man muss schon zwei, drei Millionen
dachte mir: So wird es also sein, wenn ich einmal tot
Euro in die Hand nehmen. Aber ein Bild von Rothko
bin. Sie werden alles forttragen. (Lacht laut.) Es war
kostet 40 Millionen. Ein zeitgenössisches Bild ist da
sehr deprimierend.
noch einmal etwas ganz anderes als ein Möbelstück.
DOROTHEUM
41
Peter Marino
laut Eigendefinition „Architekt /
K ü n s t l e r “, i s t e i n e r d e r g e f r a g t e s t e n
I n t e r i o r D e s i g n e r. D e r N e w Yo r k e r
entwarf rund 300 Shops weltweit für
ü b e r 4 0 To p - M o d e l a b e l s . S e i t s e i n e r
U m g e s t a l t u n g d e s N e w Yo r k e r K a u f hauses Barneys in den 1970er-Jahren
spielt Kunst eine wesentliche Rolle
in Peter Marinos Arbeit – auch beim
Design von Eigenheimen, Hotels und
öffentlichen Gebäuden. Der Opernund Motorradfan sammelt neben
Porzellan, französischen Möbeln
und Designobjekten Barock- und
Renaissancebronzen, die laufend in
internationalen Museumsausstellungen präsentiert werden, sowie
Gegenwartskunst.
A n d y Warh o l h at S ie mit seinen Bilder n
bezahlt – als hätte er gewusst, dass seine Werke
ei n m a l v ie l me h r we r t sein wü rden! Da nk Ihrer
S a m ml un g vo n Warh ol- Bilder n mü ssten Sie
t h e o re tisc h al so n ie wieder a r beiten.
Ich arbeite wirklich sehr hart für meine Aufträge. Ich
durfte für Chanel und Dior Projekte machen, von
denen ich nicht einmal zu träumen gewagt hätte,
als ich noch jung war. Ich mache genau das, was ich
machen will, und liebe meine Arbeit. Ich bin gerade
in Bestform, ich glaube, ich bin heute besser als je
zuvor – und das macht Spaß!
Foto: Manolo Yllera
Doris Krumpl ist ehemalige Kunstjournalistin und
nun Pressesprecherin des Dorotheum.
E N T
D E C KU N G
AUCTION HOUSE
42
Foto: Tibor Rauch
AUCTION HOUSE
PETRA SCHÄPERS
MARIA CRISTINA CORSINI
PATRICIA PÁLFFY
Expertin für moderne und zeitgenössische Kunst,
Leiterin der Dorotheum-Repräsentanz in Düsseldorf
Expertin für moderne und zeitgenössische Kunst
im Dorotheum Rom
Expertin für moderne und zeitgenössische Kunst
im Dorotheum Wien
The Mirror Handbag by CuteCircuit © photo courtesy
of CuteCircuit, photographer Theodoros Chliapas
*Künstler/Künstlertreff/Kunstprojekt
Futurismus – keine neue Entdeckung,
aber meiner Meinung nach eine der
interessantesten und innovativsten
italienischen Kunstströmungen des
vergangenen Jahrhunderts
MD cologne © Lars Heller
*Künstler/Künstlertreff/Kunstprojekt
MD in Köln – David Ostrowski und
Michail Pirgelis haben eine Bar in Köln
eröffnet: ein hipper Künstlertreff,
von Künstlern gegründet.
* M u s e u m /Au s s te l l u n g
„Sturm-Frauen“ in der Schirn, Frankfurt –
die Ausstellung widmet sich den Malerinnen
der 20er-Jahre. Da gibt es wirklich etwas
zu entdecken. Schlimm genug, dass die
Künstlerinnen so lange eine untergeordnete
Rolle gespielt haben. Im K21 in Düsseldorf
werden Agnes Martin, in Köln Joan Mitchell
gezeigt – die Künstlerinnen sind gerade
ganz stark vertreten. Endlich!!!
*Mode
Frauke Gembalies – der Stil der Designerin
ist so eigen und besonders. My favorite!
*Restaurant /Bar
Das neue Phoenix im Dreischeibenhaus, the place to be in Düsseldorf ...
Außerdem: Monkey Bar im
Bikini House, Berlin
*Reiseziel
Wenn nicht Italien, dann Südafrika: dieses
Licht, riesenweite Landschaft und Strände.
* M u s e u m /Au s s te l l u n g
Paul Gauguin in der
Beyeler Fondation bei Basel (2015)
*Design
Bruno Munari – einer der besten und
vielfältigsten Künstler/Designer des
20. Jahrhunderts
*Mode
CuteCircuit – das junge Londoner Label
von Ryan Genz und Francesca Rosella
arbeitet mit „Smart Textiles“ und
tragbarer Technologie.
* R e s t a u r a n t / B a r Churrasqueira Povoense
in Mafra, Portugal
* M u s i k / D r i n k „La Bohème“ von Giacomo Puccini
* R e i s e z i e l Ushuaia, Argentinien, wo die Anden
auf den Antarktischen Ozean treffen
Long Bar at the Waldorf Astoria Shanghai © Waldorf
Astoria Shanghai on the Bund
*Künstler/Künstlertreff/Kunstprojekt
Peter Doig in der Fondazione Bevilacqua
La Masa in Venedig; Ai Weiweis Gedenken
an die 5.000 Kinder, die beim Erdbeben in
Sichuan 2008 ums Leben kamen, in der
Royal Academy London; Alexander Calder
in der Tate Modern und Wifredo Lam im
Centre Pompidou in Paris
* M u s e u m /Au s s te l l u n g
Centro de Arte Contemporânea Inhotim in
Brasilien – rund 500 Werke zeitgenössischer
Kunst sind im 1.200 Hektar großen Park mitten im Dschungel ausgestellt; Dia:Beacon –
die außergewöhnliche Sammlung im 2003
gegründeten Museum am Ufer des Hudson
River mit Arbeiten von Donald Judd,
Bruce Nauman, Richard Serra …
*Design
Jean-Michel Frank – seine minimalistischen
Interieurs, geprägt von klaren Linien
und luxuriösen Materialen
*Mode
Dries Van Notens Sinn für Farben und
traditionelle Stoffe (Jacquard, Brokat, Seide)
*Restaurant /Bar
Long Bar des Waldorf Astoria Shanghai
on the Bund – die 33 Meter lange Bar
aus Mahagoniholz von 1910
*Musik/Drink
Der Musiker und Komponist Anouar Brahem;
Corton-Charlemagne – mein LieblingsWeißwein aus dem Burgund
*Reiseziel
Kyoto
Die Dorotheum-Expertinnen
für zeitgenössische Kunst
v e r ­r a t e n u n s i h r e
*Entdeckungen.
V. l. n. r.:
Petra Schäpers, Maria Cristina Corsini, Patricia Pálffy
ELKE KÖNIGSEDER
ELISABETH
AUCTION HOUSE
HIRSCHMANN-HUEMER
EVA KÖNIGSEDER
Expertin für moderne und zeitgenössische Kunst
im Dorotheum Wien
Expertin für moderne und
44 zeitgenössische
Druckgrafik im Dorotheum Wien
Expertin für Fotografie
im Dorotheum Wien
© Dolce e Gabbana
* Künstler/Künstlertreff/Kunstprojekt
Rosemarie Trockel – bekannt geworden
mit ihren „Strickbildern“ und von einem
feministischen Impuls ausgehend, arbeitet
sie in verschiedensten Medien wie Skulptur,
Installation, auf Papier oder mit Wolle,
Collagen oder Digitaldrucken.
KLEINOD die bar © Raphael Skrepek
* M u s e u m /Au s s te l l u n g
Berlin Museum Berggruen, auch
Kunsthistorisches Museum Wien,
Kunstkammer
*Restaurant /Bar
Wer gerne Innereien isst:
Gasthaus Stern in der Braunhubergasse 6
im 11. Wiener Bezirk, dann auf in die
Bar „Kleinod“, Singerstraße 7,
in der Innenstadt
* M u s e u m /Au s s te l l u n g
Ein Klassiker und jedes Mal ein Erlebnis für
sich: das Kunsthistorische Museum in Wien, der
mächtige Treppenaufgang, die hohen Räume,
die großformatigen Italiener und Holländer …
*Design
Bei einer Reise nach Kopenhagen entdeckte
ich mein Faible für skandinavisches Design.
Gekennzeichnet durch simple Formen in
gut kombinierbaren Farben, ist es zeitlos
elegant und sehr praktisch.
*Mode
Die diesjährige Sommerkampagne von
Dolce & Gabbana: bunte, wunderschöne
Stoffe mit ornamentalen Mustern, die Lust
auf die Leichtigkeit des Sommers machen.
*Restaurant /Bar
In Wien das Restaurant „Zum Finsteren
Stern“ mit seinem gemütlichen Gewölbe –
sehr gutes, variantenreiches Essen
Bayeux Tapestry © Bayeux Museum
* Künstler/Künstlertreff/Kunstprojekt
Diane Arbus – „A photograph is a
secret about a secret.
The more it tells you the less you know.“
(D.A.)
* M u s e u m /Au s s te l l u n g
Centre Guillaume le Conquérant in
der Normandie, weil dort der Teppich
von Bayeux zu sehen ist – jene Stickerei
auf Leinen, die die Eroberung Englands
durch Wilhelm den Eroberer zeigt
*Restaurant /Bar
Cafe Jelinek im 6. Bezirk in Wien
*Musik/Drink
Mojito
*Reiseziel
Ich war noch immer nicht in Lissabon.
*Musik/Drink
Ich liebe Kaffee. Für mich eine Notwendigkeit für
den Start in den Tag! Einen der besten Espressi
hier in Wien gibt es im Restaurant „Procacci“.
*Reiseziel
Eine Fahrt entlang des Pacific Coast Highway in
Kalifornien von San Francisco nach Los Angeles
V. l. n. r.:
Elke Königseder, Elisabeth Hirschmann-Huemer, Eva Königseder
AUCTION HOUSE
45
CHOICE
46
CHOICE
MY
CHOICE
Dorotheum-Experten über
ihre Lieblingsobjekte
aus kommenden Auktionen
MAGIE
DES LICHTS
„Das Licht ist die erste Bedingung aller Sichtbarkeit. Das Licht ist
die Sphäre der Farbe. Das Licht ist das Lebenselement des Menschen und des Bildes. Jede Farbe gewinnt ihre Qualität durch den
Anteil an Licht, der ihr beschieden ist. Das Licht macht die Kraft
und den Zauber des Bildes, seinen Reichtum, seine Beredtheit, seine Sinnlichkeit, seine Schönheit aus.“ (Otto Piene, „Über die Reinheit des Lichts“, 1958)
Die Werke der Gruppe ZERO sind von einer Begeisterung für
Technik im Allgemeinen und für die technischen Materialien im
Besonderen geprägt. Von Otto Piene werden Licht und Farbe als
Einheit verstanden. „Weißer Lichtgeist“ gehört in Pienes Werk
zu der Gruppe der elektrifizierten Glasplastiken, die das Licht in
spezifischer Weise ins Zentrum rücken. 1966 entstand der erste
„Weiße Lichtgeist“. Die opake Glasform besteht aus vier einzelnen,
nach oben sich verjüngenden und horizontal aneinandergefügten
an- und abschwellenden Glaskörpern. Die in dem zylindrischen
Sockel verborgene Glühbirne sendet in von Piene vorgegebenen
Zeitabständen einen Lichtimpuls in die Glasform hinauf, wodurch
die mundgeblasenen Glaskörper in unterschiedlichsten Graden
die Farbe Weiß vermitteln. Die Glasplastik bekommt ein Eigen­
leben – etwas Geisterhaftes, was ihr auch den Namen verleiht.
Petra Schäpers, Expertin für Zeitgenössische Kunst
und Klassische Moderne
CHOICE
47
Otto Piene Weißer Lichtgeist, 1966/2012
Einer aus einer Serie von sechs
Höhe: 220 cm, Ø 60 cm
Schätzwert € 230.000 – 280.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 1. Juni 2016
Agostino Bonalumi
Grigio, 1987
130 x 162 cm
Schätzwert € 150.000 – 200.000
Auktion Zeitgenössische Kunst
1. Juni 2016
BLICK
RICHTUNG
Markus Lüpertz
David, 1/6
138 x 31 x 33 cm
Schätzwert € 40.000 – 60.000
Auktion Zeitgenössische Kunst
1. Juni 2016
Max Bill
Doppelfarben (im Kreuz 1:2:3:4), 1968
120 x 120 cm
Schätzwert € 50.000 – 80.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 1. Juni 2016
CHOICE
49
Tom Wesselmann
Nancy Scribble, 1983
Öl auf Leinwand, 152,4 x 101,6 cm
Schätzwert € 260.000 – 360.000
Auktion Zeitgenössische Kunst
1. Juni 2016
CHOICE
50
SCHAUKASTEN
Adolf Luther, Sphärisches Hohlspiegelobjekt
rückseitig die Stempel „energetische Plastik“
und „sehen ist schön“, 93 x 159 x 9 cm
Schätzwert € 60.000 – 80.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 1. Juni 2016
Giulio Paolini, Più vero del vero, 1995, Graphitstift, Plexiglas-Box, weiß grundierte Leinwand
9 Blätter Papier (zum Teil mit Graphitlinie) auf Wand collagiert, Plexiglas, 100 x 130 cm; Leinwand
50 x 65 cm, Rechteck aus Graphit auf Wand, 150 x 200 cm + 9 Blatt, Papier (variable Maße)
Schätzwert € 180.000 – 220.000, Auktion Zeitgenössische Kunst, 1. Juni 2016
„Im Zentrum eines Schaukastens aus Plexiglas, der eine grundierte
Leinwand enthält, nähert sich ein schwarzer Bleistift der Leinwand,
ohne jedoch ihre Oberfläche zu berühren – als wolle er in jenem
Moment innehalten, der dem Kontakt vorausgeht. Der Schaukasten ist
von einem größeren Rahmen umgeben, der mit Bleistift an die Wand
gezeichnet ist. Je nach verfügbarem Platz beinhaltet das Werk einige
Zeichenblätter; manche davon weisen Bleistiftspuren anderer mutm a ß l i c h e r V i e r e c k e a u f , d i e i n a l l m ä h l i c h w a c h s e n d e m A b s t a n d z u ­e i nander vom Inneren der Vitrine nach außen hin verstreut sind.
,Wa h re r a l s d i e Wa h r h e i t ‘ b ez i e h u n g s w e i s e d e r M o m e n t d e r Wa h r h e i t ,
der weniger von den Spuren, die der Bleistift noch auf der Oberfläche
der Leinwand hinterlassen wird, als vom Umstand getragen ist, dass
der Bleistift direkt auf das Ziel hin ausgerichtet ist, um die reine Mögl i c h k e i t d i e s e s k ü n f t i g e n E r e i g n i s s e s z u e r f a s s e n .“
Giulio Paolini im Gespräch mit Maddalena Disch,
Dezember 2005
CHOICE
52
Heinz Mack, Untitled, 1962–1964
Doppelseitiges Aluminium-Relief, 50 x 50 x 1,5 cm
Schätzwert € 70.000 – 90.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 1. Juni 2016
Robert Rauschenberg Untitled (Ägyptische Serie), 1974
170 x 102,8 cm
Schätzwert € 100.000 – 120.000
Auktion Zeitgenössische Kunst
1. Juni 2016
VIELSEITIG
Franz West
6 „Kodu“-Stühle, 1999
Schätzwert € 60.000 – 80.000
Auktion Design, 15. Juni 2016
Peter Behrens
Seltene 118-teilige Besteckgarnitur Nr. 4800
Entwurf um 1900/01 für das Haus Behrens
Ausführung M. J. Rückert, Silber
Schätzwert € 30.000 – 50.000
Auktion Jugendstil, 13. Juni 2016
Cartier Diamantring 3,01 ct
Brillanten zus. ca. 0,40 ct
Schätzwert € 80.000 – 150.000
Auktion Juwelen, 21. April 2016
Russische Teedose aus dem Besitz
der Zarin Elisabeth
St. Petersburg, um 1750
Höhe 14,5 cm
Schätzwert € 50.000 – 90.000
Auktion Antiquitäten, 20. April 2016
CHOICE
54
Josef Manes
Bildnis der Franziska und Seraphine
Comtessen Kolowrat-Krakowsky, 1841
44,5 x 35,5 cm
Schätzwert € 45.000 – 55.000
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts
21. April 2016
Johann Baptist Drechsler
Großes Blumenstillleben mit Schmetterlingen,
Glasschale und Weintrauben
70 x 92 cm
Schätzwert € 40.000 – 60.000
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts
21. April 2016
CHOICE
55
GRAND TOUR
NACH VENEDIG
Ippolito Caffi
Venedig, Nachtfest auf der Via Eugenia, 52 x 66 cm
Schätzwert € 40.000 – 60.000
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts, 21. April 2016
Venedig verdankte seine Beliebtheit im 19. Jahrhundert
Museums für moderne Kunst, des Städtischen Museums von
einem Phänomen, das bereits mehr als 100 Jahre vorher sei-
Belluno und des Städtischen Museums Revoltella in Triest.
nen Ausgang genommen hatte: Wohlhabende junge Männer
aus Nordeuropa setzten ihrer klassischen humanistischen
Auch Guglielmo Ciardi (1842–1917) war zeit seines Lebens
Erziehung einen krönenden Abschluss und begaben sich auf
von der Architektur Venedigs und seiner Bewohner fasziniert.
Grand Tour – auf eine Reise nach Italien.
Mehrfach porträtierte er die Stadt im Laufe seiner künstlerischen Laufbahn. Das zur Auktion gelangende Gemälde offen-
Hatten im 18. Jahrhundert so berühmte Maler wie Canaletto
bart Ciardis Gabe, Licht in seltener Perfektion festzuhalten.
und Guardi die große Nachfrage nach Venedig-Veduten
Seine Pinselstriche geben das Wasser in geradezu modernisti-
gestillt, wurde die Tradition der Vedutenmalerei im frühen
scher Manier wieder. Beim Anblick des Lichts, das sich auf der
und mittleren 19. Jahrhundert von Ippolito Caffi (1809–1866)
Wasseroberfläche spiegelt, zieht uns die Lagune augenblicklich
hoch gehalten. In seiner Ansicht von Venedig im Mondlicht
in den Bann. Die Masten mit den bunten Segeln scheinen sich
wird die Stadt zum geheimnisvollen Objekt der Beobachtung.
im Rhythmus des Wassers zu wiegen; rechter Hand steht eine
Dass Caffi das Sujet immer wieder aufgriff, verwundert ange-
Mutter mit ihren zwei Kindern, im Hintergrund Venedig …
sichts seiner Beliebtheit wenig. So finden sich drei weitere
Versionen dieser Arbeit in den Sammlungen des Ca’ Pesaro
Guglielmo Ciardi
Lagune, 35 x 64 cm
Schätzwert € 50.000 – 70.000
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts, 21. April 2016
Gautier Gendebien, Experte für Gemälde des 19. Jahrhunderts
Hendrik van Balen I.
und Jan Brueghel I.
Minerva zu Besuch bei
den neun Musen
50 x 66 cm
Schätzwert € 300.000 – 500.000
Auktion Alte Meister, 19. April 2016
DIE
W E LT
SEHEN
Jacopo del Sellaio
Heilige Familie mit Johannesknaben
Ø 68 cm
Schätzwert € 180.000 – 220.000
Auktion Alte Meister, 19. April 2016
Pieter Brueghel II.
Die Vogelfalle
45,5 x 58,3 cm
Schätzwert € 700.000 – 900.000
Auktion Alte Meister, 19. April 2016
Einer der Höhepunkte der bevorstehenden Auktion Alte Meister im
April ist „Die Vogelfalle“ von Pieter Brueghel dem Jüngeren. Von diesem
Motiv existieren mindestens 127 Versionen, von denen aber nur 46 – darunter das hier vorgestellte – dem Künstler zugeschrieben werden. Die
übrigen Gemälde wurden von Brueghels Assistenten oder von Nachahmern angefertigt. Die hohe Zahl unterschiedlicher Versionen spricht für
die große Beliebtheit der Komposition, die heute zu den bekanntesten
Arbeiten im Œuvre der Malerfamilie Brueghel zählt. Die Urversion des
Gemäldes mit dem Titel „Jäger im Schnee“ stammt von Pieter Brueghel
dem Älteren, dem Vater Pieter Brueghels des Jüngeren, und befindet sich
im Wiener Kunsthistorischen Museum.
Auf den ersten Blick erschließt sich eine harmonische Winterlandschaft mit Eisläufern und buntem Treiben auf der Eisfläche. Der Titel
des Bildes aber lässt auf eine tiefere Aussage schließen: Rechts unten
wird angedeutet, dass das Eis wie eine Vogelfalle, die zuschnappt,
jederzeit einbrechen und dem Idyll ein verhängnisvolles Ende bereiten
könnte. Damit würde die Vergänglichkeit des Lebens zum zentralen
Thema dieses vermeintlich beschaulichen Landschaftsbildes.
Damian Brenninkmeyer und Alexander Strasoldo,
Experten für Alte Meister
Luca Giordano
Der Heilige Petrus heilt
die Heilige Agatha im Gefängnis
181 x 129 cm
Schätzwert € 120.000 – 150.000
Auktion Alte Meister
19. April 2016
Dieses bislang unbekannte Gemälde stellt
einen bedeutenden Neuzugang zum Gesamtwerk des berühmten neapolitanischen Malers
Luca Giordano (1634–1705) dar.
Die Komposition entspricht der Beschreibung
eines Bildes, die sich im Inventar der Sammlung von Giovan Donato Correggio (1608–
1674) im Palazzo San Cassiano am Canale
Grande in Venedig findet. Giovan Donato,
Spross einer Kaufmannsfamilie aus Bergamo,
widmete sein Leben dem Sammeln von Kunst.
In seiner quadreria – der privaten Bildergalerie – befanden sich Arbeiten von Tintoretto,
Salvator Rosa, Carlo Dolci und Mattia Preti
sowie Bernardo Strozzis „Porträt von Giovan
Donato Correggio als Perseus“, das sich heute
im Musée Magnin in Dijon befindet.
Im Jahr 1670 erwarb Giovan Donato Correggio das Gemälde laut Inventarliste neben zwei
anderen Giordano-Arbeiten, die das Paradies
ERLEUCHTET
und den Heiligen Johannes Chrysostomos darstellen, um insgesamt 120 Dukaten von seinem
Bruder Agostino.
Die Signatur wurde mit Unterschriften auf
Dokumenten verglichen (siehe Vergleichsabbildung). Das Gemälde weist Ähnlichkeiten
mit anderen frühen Arbeiten Giordanos aus
seiner Zeit in Venedig auf – etwa mit „Mariä
Himmelfahrt“, das er 1667 für die Kirche Santa
Maria della Salute anfertigte.
Mark MacDonnell und Maria Cristina Paoluzzi,
Experten für Alte Meister
Vergleichssignatur Luca Giordano
Foto ©Archivio Storico del Banco di Napoli
CHOICE
59
Giuseppe Bernardino Bison
Regatta auf dem Canal Grande
in Venedig
58,5 x 78 cm
Schätzwert € 100.000 – 150.000
Auktion Alte Meister, 19. April 2016
Giuseppe Bernardino Bison
Blick auf San Marco in Venedig
58,5 x 78 cm
Schätzwert € 100.000 – 150.000
Auktion Alte Meister, 19. April 2016
Giovanni Francesco Barbieri, il Guercino
Heiliger Hieronymus
118 x 102 cm
Schätzwert € 100.000 – 150.000
Auktion Alte Meister, 19. April 2016
CITY
VIVA
Auf Kurzaufenthalt in Neapel? Dorotheum-Repräsentant
G i u s e p p e I m p a r a t o e n t f ü h r t u n s a u f e i n e M i n i -To u r d u r c h d i e S t a d t
mit dem unwiderstehlichen Charme: Auf der „Straße der Museen“
geht es zu Antikem und Zeitgenössischem, ehe als Belohnung
Pizza und Eis warten. Außerdem verrät Imparato, warum
es sich lohnt, in Neapels Untergrund hinabzusteigen.
V O N G I U S E P P E I M PA R A T O
CITY
61
N AP OL I
Oben: Tommaso Ruiz, Veduta
di Napoli da Chiaia, ca. 1730
Museo Gaetano Filangieri
Foto: Pina Della Rossa
Unten: U-Bahn-Station Università
(Gestaltung: Karim Rashid)
Foto: Peppe Avallone
CITY
62
150 Jahre ist’s nun her, dass Neapel Haupt-
Kunst-Stationen von Neapels U-Bahn zu
heiligen Blutes des Januarius und der
stadt war. Ob seiner Größe und seiner stra-
besuchen, die sich die Via del Duomo ent-
vielen gestifteten Juwelen bestellt, haben
tegisch bedeutsamen Lage am atemberau-
lang bis hinunter zum Hafen reihen.
sie deren Plünderung immer wieder ver-
benden Golf im Herzen des Mittelmeers
hindert. Renommierte Gemmologen zei-
wird es aber noch heute dem Ruf einer
Die Via del Duomo verdankt ihren Bei­
gen sich einig, dass der Wert der Juwelen
„wahren“ Hauptstadt gerecht.
namen „Straße der Museen“ der Tatsache,
jenen der Britischen Kronjuwelen bei Wei-
dass sie von der Kathedrale von Neapel
tem übersteigt.
Die Inseln Capri und Ischia machen den
(Duomo), dem Museo del Tesoro di San
Golf von Neapel ebenso wie die Küste mit
Gennaro, dem Museo Gaetano Filangieri,
den wenige Kilometer entfernten Orten
dem MADRE Museum und der Pinaco-
Pompeji, Sorrent, Positano und Ravella
teca dei Girolamini gesäumt ist und unweit
zum beliebten Ziel von Sommertouristen
des Museums Pio Monte della Misericor-
aus aller Welt. Aber auch in den verschie-
dia verläuft. Besonders sehenswert sind
denen Kunstsparten – Musik, Theater,
das Museo del Tesoro di San Gennaro
Kino und Malerei – gelten Neapolitaner als
und das Museo Gaetano Filangieri: DAS
fixe Größe. Hiesige Kunstschätze wie das
MUSEO DEL TESORO DI SAN GENNARO,
Opernhaus Teatro di San Carlo, das Museo
zur Rechten der Kathedrale entlang der
1
2
3
Archeologico, der Palazzo Reggia di Capodi-
Via del Duomo gelegen, zeigt einige atem-
DAS MUSEO GAETANO FILANGIERI (Via del
monte und das Museo d’Arte Contempora-
beraubende Silberbüsten in Lebensgröße
Duomo 288) ist ein Schrein der Kunst. Es
nea (MADRE) seien dem Besucher wärms-
von Meistern des neapolitanischen Barock
enthält eine Sammlung von Pretiosen, mit
tens ans Herz gelegt!
sowie die vielen berühmten Juwelen,
denen der Fürst von Satriano im Palazzo
mit denen Könige und Königinnen aus
Como seine Kunstaffinität zur Schau stel-
Selbst wenn man nur ein paar Stunden zur
ganz Europa über die Jahrhunderte dem
len wollte. Das Museum und sein präch-
Verfügung hat, ehe es zu den erwähnten
dem Heiligen Januarius (San Gennaro)
tiger, nach der Gemahlin des Fürsten
Perlen am Golf weitergeht, ist ein Kurzbe-
gehuldigt haben – ein Schatz, der bis vor
benannter Agata-Saal wurden vor Kurzem
such der wichtigsten antiken und modernen
wenigen Jahren im Tresorraum der Bank
wiedereröffnet. Die edle Sammlung von
Kunststätten Neapels die Mühe Wert: Im
von Neapel gelagert war. Dass er noch
antiken Majolika und Porzellangegenstän-
besten Fall genügen drei bis vier Stunden
existiert, ist den Bemühungen neapoli-
den, meisterhaft in Szene gesetzt von der
im Stadtzentrum, um die zahlreichen klei-
tanischer Adelsfamilien zu verdanken:
Expertin Angela Carola Perrotti, wird den
nen, aber einzigartigen Museen und die
Von einem Komitee als Eigentümer des
Besucher in ehrfürchtiges Staunen ver-
CITY
63
Sala Agata,
Museo Gaetano Filangieri
1
setzen. Zu bewundern gibt es weiters eine
Sammlung seltener Blankwaffen sowie
Foto: Pina Della Rossa
Luini, José de Ribera, Guido Reni und
Collana di San Gennaro,
Museo del Tesoro
di San Gennaro
anderen Meistern.
3
2
eine Galerie mit Gemälden von Bernardino
Foto: M3 Studio Matteo
José de Ribera, Sainte Marie
l‘Égyptienne,
Museo Gaetano Filangieri
ALLE „STATIONEN DER KUNST“ VON NEAPELS
Foto: Pina Della Rossa
U-Bahn-Station Garibaldi
(Gestaltung: Michelangelo Pistoletto)
4
U-BAHN liegen im Stadtzentrum. Gestaltet
von führenden internationalen Architek-
Foto: Peppe Avallone
U-Bahn-Station Toledo
(Gestaltung: Oscar Tusquets Blanca)
5
ten wie Gae Aulenti, Alessandro Mendini,
Karim Rashid und Dominique Perrault,
Foto: Peppe Avallone
zählen sie nicht nur zu den faszinierendsten und gewagtesten architektonischen
Projekten der Gegenwart, sondern präsentieren auch zeitgenössische Kunst der Sonderklasse: Im „unterirdischen Museum“
finden sich Werke von Künstlern wie Wil-
4
liam Kentridge, Joseph Kosuth, Michelangelo Pistoletto, Jannis Kounellis, Oliviero
Toscani, Mimmo Iodice, Sol Lewitt und
Heimliche
Hauptstadt
Mimmo Paladino. Die Kunst-Stationen
befinden sich an den Haltestellen TOLEDO,
UNIVERSITÀ, PIAZZA GARIBALDI, PIAZZA
DANTE, PIAZZA MUNICIPIO, SALVATOR ROSA
UND MATERDEI. Rating-Agenturen und
Medien wie der britische „Daily Telegraph“
haben die U-Bahn-Station Toledo einstimmig zur schönsten Europas gekürt.
Wie wär’s mit einem kleinen Imbiss nach
dieser hochklassigen, dicht mit Kunst
gefüllten Mini-Tour?
* S PA G H E T T I O D E R P I Z Z A?
D A S T E L L A – P I Z Z A R E S TA U R A N T
5
2, Via Partenope
*KAFFEE UND KUCHEN?
BAR CIMMINO
Soweit ein paar Tipps für den Kurzaufenthalt. Sollten Sie in den Genuss eines
Via Filangieri – Piazza Rodinò
längeren, ein- bis zweiwöchigen Besuchs
* E I N I TA L I E N I S C H E S
G E L ATO ?
kommen, dann nehmen Sie sich vor Nea-
G E L AT E R I A M E N N E L L A
45, Via Carducci
pels unwiderstehlichem Charme in Acht!
Sie könnten sich in die Stadt verlieben und
den Rest Ihres Lebens hierbleiben wollen.
Giuseppe Imparato ist DorotheumRepräsentant in Neapel.
COLLECTION
64
1
FERNAND HUTS VON
K ATO E N N AT I E O D E R
DER
MOD E R N E
PROMETHEUS
1+2:
Franz Pourbus ll.
(1569–1622) Werkstatt,
Bildnisse Philip lll. von
Spanien und seiner
Gemahlin Margarete
von Österreich
Öl auf Holz, je 67 x 51 cm
Auktion Alte Meister
Oktober 2015
2
Jan Brueghel I. (1568–1625)
Die Rast an der Windmühle
Öl auf Holz, 36,2 x 48,9 cm
Auktion Alte Meister, April 2015
Foto: Henk van Cauwenbergh
COLLECTION
65
COLLECTION
Charismatisch, sympathisch, intelligent und
äußerst faszinierend, ist Fernand Huts einer der
erfolgreichsten Belgier und Liebkind der Presse.
Dabei nimmt er sich nie ein Blatt vor den Mund.
Ganz nebenbei ist er auch einer der größten
K u n s t l i e b h a b e r u n d M ä z e n e F l a n d e r n s . Vo r K u r z e m
hat Huts angekündigt, jedes Jahr Fördermittel
in der Höhe des gesamten Museumsbudgets
der flämischen Regierung für eigene
K u l t u r p ro j e k te z u r Ve r f ü g u n g z u s te l l e n .
V O N W I L F R I E D VA N G A V E R
UND HONORINE D´URSEL
Auf die Frage, wie alles begonnen habe, hat uns
der Selfmade-Mann bereitwillig seine unglaubliche
Lebensgeschichte erzählt:
Bereits sehr früh, in den 1970er-Jahren, gründete ich mit
all meinen Ersparnissen und jenen meiner Frau einen
Gemüse- und Lebensmittelhandel. Ich setzte mich jahrelang intensiv mit diesem Wachstumsmarkt auseinander,
verkaufte das – inzwischen florierende – Unternehmen und
wurde Teilhaber des Hafenlogistik-Unternehmens Katoen
Natie, einer mittelgroßen Genossenschaft mit 60 Angestellten. Durch Modernisierungsmaßnahmen, Innovationen
und eine kluge Nischenstrategie haben wir daraus einen
Weltkonzern mit 13.000 Mitarbeitern gemacht.
Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für Kunst. Kunst ist für
mich die Seele eines Volkes, der Nährboden individueller und
unternehmerischer Kreativität, der Inbegriff des Spielerischen.
COLLECTION
66
Wie alle halbwegs gut situierten Mittelstandsunternehmer
len zeitgenössischen Skulpturen, allen voran eine monu-
begann ich irgendwann, völlig unbefangen, im großen Stil
mentale Variante des Brabo-Brunnens von Wim Delvoye.
prächtige Landschaftsbilder zu sammeln, wie sie etwa die flämische Laethemer Schule hervorgebracht hat. Ich besuchte Kunstgeschichte-Vorlesungen und lernte einen Experten für koptische
und antike Textilien kennen. Der große Erfolg von Katoen
Natie erlaubte es meiner Frau und mir, mit dem Spiel ernst zu
machen und eine der weltweit herausragenden Sammlungen in
diesem Bereich aufzubauen; am Hauptsitz des Unternehmens
in Antwerpen ist mittlerweile eine Dauerausstellung zu sehen.
Mir wurde klar, dass die – man kann es nicht anders sagen –
ruhmvolle Geschichte Flanderns und sämtliche Formen der
Kunst, die sie hervorgebracht hat, sowohl in Belgien als auch
international stark unterschätzt sind. Dadurch war mein
Interesse an Alten Meistern geweckt. Sie zu sammeln bietet einen großen Vorteil: Man hat kaum ernst zu nehmende
Konkurrenz und kommt immer wieder an grandiose Werke
von großen Meistern, die zum Schnäppchenpreis zu haben
Nachdem Katoen Natie nun auch international tätig war,
sind. Nachdem ich immer schon ein Faible für Nischen hatte,
verbrachten wir stets einen Teil des Jahres im Ausland –
schritt ich also zur Tat. 2014 ersteigerten wir im Dorotheum
genauer gesagt in Lateinamerika, wo die dortige Kunst-
ein herrliches Gemälde, das in der demnächst stattfindenden
landschaft unsere Umgebung beeinflusste. Damit war der
Ausstellung „Golden Times“ einen zentralen Platz einnehmen
Grundstein für eine weitere Sammlung gelegt: Jahrelang
wird, stellt es doch, wie ich finde, eine gute psychologische
erwarben wir lateinamerikanische Kunst des 20. Jahrhun-
Landkarte meines Gehirns dar: „Der Narrenhandel“ von Frans
derts, lernten bedeutende lateinamerikanische Künstler
Verbeeck ist einfallsreich, komplex, vielfältig, unverfroren und
kennen und freundeten uns sogar mit einigen von ihnen
voller überraschender Details. Kein wahrer Kunstliebhaber
an. So kamen wir an einzigartige Stücke und entwickelten
könnte je daran vorbeigehen, ohne überwältigt zu sein.
in der Auseinandersetzung damit ein tiefes Verständnis für
den wechselseitigen Einfluss unser beider Kulturen. Dank
dieser erfolgreichen Begegnung von Nord und Süd gibt es
in unserem Unternehmensgelände im Hafen von Antwerpen etliche beeindruckende Werke von Künstlern wie dem
Bildhauer Pablo Atchugarry zu bestaunen, mit dem uns eine
enge Freundschaft verbindet.
Beim Kunstsammeln ging es uns nie um das Besitzen. Vielmehr eröffnete sich uns damit eine fantastische Spielwiese, und schon das Spielen allein bereicherte unsere Projekte
ungemein. Überhaupt geht es immer und überall ums Spiel:
Es ist die Mutter der Kreativität, und die Kreativität ist die
Mutter der Innovation. Im geschäftlichen Kontext fiel uns
irgendwann auf, dass Menschen äußerst positiv reagieren,
Wir interessierten uns für lateinamerikanische Kunst des
wenn sie bei der Arbeit von Kunst umgeben sind. Wir haben
20. Jahrhunderts, aber auch für belgische und westeuropäische
diese Erkenntnis bei der Planung unserer Geschäftsflächen,
Nachkriegskunst. Das war die Geburtsstunde einer großen
Verbindungsgänge und Büros berücksichtigt, die vor Kunst
Sammlung von COBRA-Werken und äußerst eindrucksvol-
nur so strotzen. Das zieht kreative Menschen an und beflü-
Foto: Marc Gysens
Buchcover: Katharina Van Cauteren
Politics as Painting, Lannoo 2016
Frans Verbeeck
Der Narrenhandel
Öl auf Leinwand, 135 x 188 cm
Auktion Alte Meister, Oktober 2014
gelt ihren Einfallsreichtum. Ein Gebäude auf diese Weise zu
errichten und auszustatten, kostet rund 30 Prozent mehr als
in herkömmlicher Bauweise … Doch jeder im Unternehmen
findet, dass das eine Investition ist, die sich lohnt.
Neulich habe ich zwei wichtige Entscheidungen getroffen: Die
erste bestand darin, unsere Sammlungen in eine Stiftung mit
dem treffenden Namen Phoebus einzubringen. Dort sollen sie
für alle Zeit bestehen – unabhängig von meinem Schicksal und
jenem meiner Frau, meiner Kinder und Katoen Naties.
Zum Zweiten beschloss ich, etwas gegen die chronische
Unterfinanzierung der Kunstwelt und ihrer Akteure zu tun.
Zu jammern und mit dem Finger auf andere zu zeigen liegt
mir nicht, also habe ich die Entscheidung getroffen, jedes
Jahr rund acht Millionen Euro in Kunstprojekte zu investieren, die mich begeistern.
GOLDEN AGE – DRIVEN BY
ENTREPRENEURSHIP
1 7. J u n i 2 0 1 6 – 2 2 . J a n u a r 2 0 1 7
Provincial Cultural Centre, Gent, Belgien
Caermersklooster
w w w. c a e r m e r s k l o o s t e r. b e
Die Kunstwelt steckt voller kreativer Köpfe mit tollen Ideen,
die aber förmlich in den Einrichtungen ersticken, für die sie
gelangen: Er sollte hochrangige Entscheidungsträger mithilfe
arbeiten. Man nimmt ihnen dort jegliche Möglichkeit, Bedeu-
von Kitsch dazu bringen, sie auf den Thron zu hieven. Parallel
tendes zu schaffen. Sollen sie doch mit ihren Ideen zu mir
zur Publikation zeigt das M – Museum Leuven eine Ausstel-
kommen – nur her mit ihnen!
lung zum Thema. Besagter Hofmaler, Hendrick De Clerck, ist
Allerdings haben die Projekte, die wir im Auge haben, fünf Voraussetzungen zu erfüllen: Sie müssen wissenschaftlich fundiert
mittlerweile vom Radar der Kunstwelt verschwunden; mit dem
Buch und der Ausstellung wird sich das ändern.
sein, sich modernster Methoden bedienen, kreativ, bereichernd
Ein anderes Projekt ist die bereits erwähnte Ausstellung „Golden­
und von einem gesunden Unternehmensgeist geprägt sein, wie
Times“. Sie handelt vom Aufstieg Flanderns und Antwerpens
wir ihn selbst natürlich auch mitbringen, und einen direkten
im 15. und 16. Jahrhundert zu einer globalen, kosmopolitischen
Bezug zur Geschichte und Identität Flanderns aufweisen. Ich
Wirtschaftsmacht und vom plötzlichen Ende dieser Blütezeit.
weiß nicht, wie oft ich im Ausland in Buchhandlungen war,
Im Zentrum der Schau wird Verbeecks im Dorotheum erwor-
deren Regale sich unter der Fülle historischer und kunsthis-
benes Gemälde „Der Narrenhandel“ stehen. Die Ausstellung
torischer Bücher über unsere geografischen Nachbarn bogen,
wird voraussichtlich im Juni 2016 in Gent eröffnet.
„Das Spiel ist die Mutter
der Kreativität und
Kreativität ist die Mutter
v o n I n n o v a t i o n .“
aber nur drei oder vier schmale Bände über Flandern enthielten. In Anbetracht unserer reichen Kulturgeschichte muss sich
das ändern. Gleichzeitig sollten neue Projekte auch innovativ
sein und unseren aktuellen Wissensstand erweitern.
Eines unserer Projekte ist ein geistreiches und sehr erfrischendes Buch von Katharina Van Cauteren. Darin geht es um den
gescheiterten Versuch zweier Habsburger Statthalter der Süd­
lichen Niederlande – nämlich der spanischen Infantin Isabella
Clara Eugenis und ihres österreichischen Gemahls Erzherzog
Albrecht VII. –, über ihren Hofmaler an die Kaiserkrone zu
So spricht ein Mann, der eine Nische gefunden und
mit eiserner Beharrlichkeit, verspielter Kreativität
und konsequentem Innovationsdrang ein riesiges
Firmenimperium aus dem Boden gestampft hat.
Kunst und Kultur liefern ihm Inspirationen und Ideen
für geschäftliche Aktivitäten und das Engagement
für seine Kultur und sein Land. Dafür scheut er
keine Mühen und ist bereit, große Opfer zu bringen.
Wilfried Van Gaver ist Sales Officer für Alte Meister
in der Brüsseler Repräsentanz des Dorotheum.
Honorine d’Ursel leitet die Brüsseler Repräsentanz
des Dorotheum.
COLLECTION
68
SAMME
Foto: Ivo Faber, Düsseldorf
A L S K U LT I V I E R T E R
GEN-DEFEKT
COLLECTION
69
M i t G e o r g e G ro s z u n d Lyo n e l
D o r o t h e u m m y A R T M AG A Z I N E : G i l , d u b i s t i n
eine Sammlerfamilie geboren worden. Deine
Feininger ist Gil Bronner auf-
E l t e r n s i n d n a c h w i e vo r a k t i v i n d e r Ku n s t -
gewachsen. Sein Metier sind
welt unterwegs. Inspiriert wurdest du sicher
durch dein Elternhaus, aber wie bist du zum
Immobilien, seine Leiden-
S a m m e l n ge ko m m e n ?
schaft gehört der Gegenwarts-
Gil Bronner: Im Prinzip – und das meine ich jetzt
nicht als Witz – ist Sammeln eine Art genetischer
kunst. Im Juni eröffnet er das
Defekt, und der ist bei manchen Leuten stark aus­
1.700-Quadratmeter-Museum
geprägt und bei manchen Leuten nicht so stark, die
sind davongekommen. Meine Sammelleidenschaft
S a m m l u n g P h i l a r a i n D ü s s e l d o r f.
ist kein batteriebetriebener Motor, sie ist langsam
Ein persönliches Gespräch über
gewachsen. Es war damals vielleicht schwieriger
als heute, als junger Mensch mit dem Sammeln zu
Freiheitsliebe, Intuition und
beginnen. Damit meine ich, dass der Fokus eher
über Ideen, wie man die Schnel-
auf die Klassische Moderne ausgerichtet war als
auf die Zeitgenossen, die heute einen Großteil des
ligkeit aus dem Kunstgenuss
Marktes ausmachen.
herausnehmen kann.
A u f d e m Au k t i o n s m a r k t i s t e s j a g e n a u s o .
VON PETRA SCHÄPERS
W i e k a u f s t d u Ku n s t ? Wa s m u s s e i n Ku n s t w e r k
haben, damit es dich anspringt? Kaufst du
impulsiv oder eher kalkuliert?
Ich schaue mir die Auktionsmagazine an, gucke mir
auch von diesem Amerikaner – Wie heißt der wieder?
LN
Stefan Simchowitz – die Tipps an, dann schätze ich
ein, was auf dem Markt am meisten im Wert steigen
wird, und das kaufe ich dann. Unabhängig davon, ob
es mir gefällt. Nein, Quatsch! (Lacht.)
Jetzt im Ernst: Ich bin nach wie vor vollkommen
impulsiv. Allerdings ist es tatsächlich so, dass ich
eben sehr viel sehe. Das heißt, die Wahrschein­
lichkeit, dass ich auch etwas im Auktionskatalog
gesehen und da einen Namen zum ersten Mal gele­
sen habe, ist durchaus gegeben. Ich sehe natürlich
auch, was andere Sammlerfreunde haben, haupt­
sächlich aber gehe ich in Galerien und auf Messen
und kaufe dort. Ich war jetzt zum Beispiel in Turin
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
auf der Messe und habe dort bei einer Galerie, von
der ich vorher nichts gehört hatte, eine Arbeit von
einem mir bis dahin unbekannten Künstler – Oscar
Santillan – gekauft, weil mir das einfach gut gefal­
len hat. Ich habe aber auch Listen von Künstlern
im Kopf, die ich gern noch in der Sammlung hätte.
COLLECTION
70
G i b t e s i n e u r e r S a m m l u n g e i n e n r o te n F a d e n ?
wickelt, für mich relativ weit weg vom Zentrum.
Der rote Faden ist einfach nur die Gegenwarts­
Zwei Jahre, nachdem ich angefangen hatte, an
kunst. Am Anfang habe ich natürlich vor allen
der Walzwerkstraße Ausstellungen zu machen,
Dingen Malerei gesammelt, in der Zwischenzeit
habe ich dieses Gelände auf der Birkenstraße
kaufe ich eher Kunstwerke, die mich intellektuell
gekauft, um zunächst den hinteren Teil der Halle
reizen, wobei ich es blöd finde, wenn eine Arbeit
als Ausstellungsfläche zu nutzen und im vorderen
erst erklärt werden muss. Wenn ein Galerist einer
Bereich Wohnhäuser zu bauen. Und dann dach­
Arbeit eine suggerierte Intelligenz zuschreibt, die
te ich irgendwann: totaler Schwachsinn. Wenn
er dann erklärt und die im Grunde wenig Tiefe
du es machst, dann mach es richtig, dann nimm
und Inhalt hat, sträuben sich bei mir die Nacken­
das ganze Gebäude. Und so entwickelte sich die
haare. Ich finde, Intelligenz zeigt sich intuitiv. Man
Idee. Am Anfang war ich noch unsicher, ob unse­
erkennt gute Kunst, sie spricht für sich. Und man
re Sammlung für die Ansprüche eines derart gro­
entwickelt natürlich über die Zeit ein Empfinden
ßen Hauses vielleicht nicht ausreichte. Inzwischen
für Qualitätsmerkmale.
bin ich relativ zuversichtlich, dass wir in der Lage
sein werden, interessante Ausstellungen aus der
M e s s e , G a l e r i e , A u k t i o n , Ate l i e r, Ru n d g a n g :
Sammlung zu zeigen.
Wo k a u f s t d u a m m e i s te n , a m l i e b s te n ?
Ich kaufe am liebsten auf Messen, bei Galerien,
E s w i r d a l s o We c h s e l a u s s t e l l u n g e n u n d e i n e
auch Auktionen. Letzteres bedingt häufig leider,
Dauerausstellung geben?
dass man die Kunstwerke nicht direkt zu Gesicht
Ja, genau. Die erste Wechselausstellung wird Fried­
bekommt, sondern nur über die Kataloge. Deshalb
rich Kunath gewidmet sein.
kaufe ich am liebsten bei Galerien.
Wo w. S u p e r ! U n d d a n a c h ?
I n e u r e r S a m m l u n g s i n d v i e l e Kü n s t l e r i n n e n
Soll ich das jetzt schon verraten? Gregor Schneider,
ve r t r e te n . B e s te h t d a e i n e b e s o n d e r e Af f i n i -
Absalon und Bruce Nauman. Für diese Ausstellun­
tät oder ist es Zufall?
gen werden die beiden Bereiche ständige Sammlung
Ich mag Frauen lieber als Männer.
und Wechselausstellung wohl ineinander überge­
hen. Wir sind ja dynamisch! Das ist das Schöne an
I c h w u s s te , d a s s d u d a s s a ge n w ü r d e s t .
diesem Museum: Wenn man es selbst macht, ist
Ernsthaft, ich habe da noch nie differenziert. Nach
man von allen Restriktionen und Normen befreit. Es
meinem Dafürhalten ist das eine ziemlich anachro­
gibt keine Instanz außer Feuerschutz – also brand­
nistische Sichtweise der Dinge, denn inzwischen
polizeiliche Vorschriften, die uns einengen.
haben Frauen eine gleichwertige Position in der
Kunstwelt. Das Thema ist einfach durch. Mir ist es
Und du kannst dein eigenes Geld ausgeben, so
völlig egal, ob ein Werk von einem Mann oder einer
viel, wie du Lust hast.
Frau ist – es geht ja um die Arbeit an sich. Und ich
Ja, solange es reicht … Wir überlegen, Künstlerle­
würde auch nicht, nachdem ich drei Männeraus­
sungen zu veranstalten, aber nicht über Kunst, son­
stellungen gemacht habe, deswegen eine Ausstel­
dern über etwas, was einen Künstler interessiert:
lung mit einer Künstlerin machen. Das ist totaler
sein Lieblingssänger oder sein Lieblingsfußballver­
Quatsch, es geht um das Programm.
ein oder sein Hund oder was weiß ich, ein Cross­over
halt. Eine weitere Idee ist ein veritables Spot-on:
Ko m m e n w i r d o c h e n d l i c h z u e u r e m n e u e n
Man beschränkt das Licht auf ein einziges Kunst­
M u s e u m S a m m l u n g P h i l a ra ! 1 . 7 0 0 Q u a d ra t -
werk, alle sitzen im Dunkeln an einem Tisch um das
m e t e r A u s s te l l u n g s f l ä c h e i n d e r D ü s s e l d o r f e r
Kunstwerk herum oder in der Nähe des Kunstwerks,
B i r ke n s t r a ß e . W i e k a m e s z u d e r I d e e , e i n
und man konzentriert sich zwei Stunden lang mit 15
eigenes Museum zu bauen?
Leuten nur auf dieses eine Kunstwerk und darauf,
Da muss man weiter ausholen. Ich habe ein Ate­
was einen daran bewegt. Denn wer konzentriert sich
lierhaus an der Walzwerkstraße in Reisholz ent­
schon intensiv auf ein einziges Werk?
D u m ö c h te s t d i e S c h n e l l i g ke i t ra u s n e h m e n ?
Genau. Man ist gewohnt, schnell zu konsumie­
ren, und dem ist auch der Kunstgenuss zum Opfer
gefallen. Mir ist wichtig, dass das, was wir machen
wollen, nicht festgelegt ist und wir jedes Programm
sofort verändern können.
J a , d u m u s s t n i c h t a u f G e l d e r wa r te n , z u m
B e i s p i e l , u n d s i e s c h o n g a r n i c h t b e a n t ra ge n .
Es wäre schön, wenn ich auf Gelder warten könn­
te, dann würde ich ja fremde Gelder bekommen.
Mann! Was würde ich alles dafür geben, auf Gelder
warten zu können!
A b e r d a n n h ä t te s t d u n i c h t d i e s e F r e i h e i te n !
Die Tatsache, dass wir frei von Einschränkungen
sind, ist der Kerngedanke. Immer mehr Gesetze,
„ D i e Ta t s a c h e ,
dass wir frei von
Einschränkungen
sind, ist der
K e r n g e d a n k e .“
gen. Damit spreche ich bewusst dieses abstruse
Kulturschutzgesetz in Deutschland an, demzufolge
es – je nach Entscheidung der Länder – eine Aus­
fuhrgenehmigung für Kunstwerke gibt, die älter
als 70 Jahre sind und deren Wert 300.000 Euro
Foto: Ivo Faber, Düsseldorf
die die Regierung erlässt, bedeuten Einschränkun­
übersteigt. Nur wenige Werke seien davon betrof­
fen, hat Kulturministerin Monika Grütters erklärt.
Aber woher weiß ich, welche Arbeiten betroffen
sein könnten und welche nicht? Deswegen habe ich
Frau Grütters geschrieben und ihr vorgeschlagen,
sie solle doch so eine Art Laissez-passer einrichten,
damit man dies überprüfen kann. Das könnte dazu
führen, dass viele qualitativ gute Arbeiten tatsäch­
lich in Deutschland bleiben. Wenn jedoch Samm­
ler nicht mehr frei über ihre Werke entscheiden
können, werden die meisten dafür sorgen, dass ihr
Besitz dem Zugriff des Staates entzogen wird. Das
Resultat wäre das Gegenteil dessen, was geplant
war, nämlich der Ausverkauf – und unter Umstän­
den ein Aderlass für die Kultur in Deutschland.
Ich bin sehr gespannt auf das Museum!
Z u m 8 5 . G e b u r t s t a g d e i n e s Va t e r s i m M a i
wird es die Einweihung geben, die offizielle
Eröffnung findet dann Ende Juni statt.
Petra Schäpers ist Expertin für Zeitgenössische Kunst
sowie Leiterin der
Dorotheum-Repräsentanz Düsseldorf.
Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf
Lieber Gil, ich danke dir für das Gespräch.
COLLECTION
„WIENER PHILHARMONIKER“
72
SO KLINGT
EINE SCHÖNE
ZUKUNFT!
Vieles wird an Gold gemessen, und der Maßstab für Anlagemünzen ist der „Wiener Philharmoniker“: seine Wertbeständigkeit und Verlässlichkeit, seine Eleganz. Für jeden das Passende dabei. Den „Wiener Philharmoniker“ in
Gold gibt es in fünf verschiedenen Größen; den „Wiener Philharmoniker“ in Silber mit einem Gewicht von 1 Unze.
Nun hat das Wertanlagen-Orchester ein neues Mitglied bekommen, noch dazu ein sehr attraktives: den 1 Unze
„Wiener Philharmoniker“ in Platin. MÜNZE ÖSTERREICH – ANLEGEN. SAMMELN. SCHENKEN.
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D E R P E RF EK T E
MAKEL
J e a n - P i e r r e R i b e r, S c h r i f t s t e l l e r, S p i t z e n k o c h
und Quiche-Lorraine-Spezialist, hat uns
im charmanten elsässischen Dörfchen
Meyenheim empfangen. In seinem uralten
Familienhof aus dem Jahre 1556 erzählt er
uns von seiner erstaunlichen Leidenschaft
für Münzen mit Fehlprägung.
D o r o t h e u m m y A R T M AG A Z I N E :
M o n s i e u r R i b e r, w a s i s t e i n e M ü n z e
mit Fehlprägung?
Jean-Pierre Riber: Das ist ganz einfach
eine Münze, die eine fehlerhafte Inschrift
aufweist.
Wie haben Sie Ihre Sammlung begonnen? Ich nehme an, Sie waren nicht
schon immer von der Numismatik und
ihren Irrtümern begeistert?
Ich habe mit sechs Jahren damit begonnen.
In der Küche unseres Familienhofes gab
Fotos: Christian Sarramon
VON JOËLLE THOMAS
COLLECTION
74
es eine metallene Schachtel, die einen für
Mathematik und viele andere Lebensbe-
nichts sagte. Ich habe sofort erkannt, dass
mich magischen Klang erzeugte. Diese
reiche hinein …
es sich um eine „Thaler-Klippe“ handelte
Schachtel enthielt Geldstücke, die mein
[Stücke, die nicht rund, sondern vier- oder
Großvater im Verlauf des Ersten Welt-
W i e e r we i t e r n S i e I h r e S a m m l u n g ?
mehreckig sind und deren Schrötlinge,
krieges aus verschiedenen Ländern mitge-
Ich kaufe ausschließlich aus Freude und
also die noch ungeprägten Münzplättchen,
bracht hatte. Darunter befanden sich ins-
um ein Buch zu beenden, an dem ich seit
mithilfe einer Klippschere hergestellt wur-
besondere alte 10-Centesimi-Münzen aus
über 20 Jahren schreibe und das mein
den, Anm.], die in einem Werk von Arthur
dem 19. Jahrhundert, der Zeit der italieni­
Lebenswerk sein wird: ein Verzeichnis der
Engel aus dem Jahre 1876 erwähnt worden
schen Könige Emmanuel II. und Umberto I.
Münzen mit Fehlprägung von 1515 (König
war; es war ein seltenes Exemplar, das aus
Als mein Großvater mir die Schachtel
François Ier) bis heute.
der Sammlung Rencker stammte, und ich
schenkte, fesselte mich der Gedanke an die
habe es natürlich sofort gekauft. Ich hat-
lange Geschichte, die hinter diesen Mün-
Sammler tauschen ihre Stücke selten. Ich
te auch das Glück, ein besonderes Buch
zen stand. Ich besitze sie heute noch, sie
entdecke meine Schätze bei speziellen
in meinen Besitz zu bringen, das bei einer
sind das Herzstück meiner Sammlung, und
Händlern, bei Privatpersonen, in Antiquari-
Auktion in Lyon übrig geblieben war. Es
ich werde mich nie davon trennen.
aten, die auf Numismatik spezialisiert sind,
heißt „Traité de la cour des Monnoyes et
und in Katalogen von Auktionshäusern.
de l’estendue de sa juridiction“ und ist von
Meine Begeisterung für die Numismatik
Im Dorotheum habe ich Ende Mai 2015
einem gewissen Maître Germain Constant,
hat sich definitiv in meinem zehnten Le­
zwei Münzen gekauft: einen „Ferdinand II.
Advokat am Parlament von Toulouse, der
bensjahr festgesetzt. Damals begleitete ich
Taler o. J., Klagenfurt, mit dem Kaiser und
das Werk 1658 herausgebracht hat. Es
meinen Vater beim Ausliefern von Getrei-
Königstitel“, auf dem das Wort Avstriae mit
wiegt sechs Kilogramm und umfasst mehr
de, und dabei trafen wir regelmäßig einen
einem zusätzlichen A und V geschrieben
als 1.000 Seiten. Eine wahre Enzyklopädie
vornehmen Herrn, dem es Spaß machte,
steht; und einen „Sachsen, Alberti­nische
für Numismatiker!
mich Knaben nach meinen Kenntnissen
Linie, August 1553–1586, Taler 1557,
in französischer Geschichte zu befragen.
Dresden“, auf dem ROIMA statt ROMA
Erstaunt über mein Wissen, zeigte er mir
eingeprägt ist.
eine kleine Louis-Silbermünze, die 1720
in Straßburg geprägt worden war, und
Im April 2003 ersteigerte ich bei der
schenkte sie mir. Ich war fasziniert, spür-
berühmten Auktion des Nachlasses von
te eine Berufung und ließ meine ande-
André Breton eine antike Goldmünze aus
ren Sammlungen von Briefmarken, alten
der Zeit der Ambiani und Atrebates, kelti-
Postkarten und Fossilien liegen, um mich
scher Stämme aus dem gallischen Belgien.
fortan ausschließlich der Numismatik zu
Diese über 2.000 Jahre alte Münze weist
widmen.
ein ganz zeitgenössisches Design auf und
hätte den Surrealisten gefallen.
Wie hat sich Ihre Sammlung
e n t w i c ke l t ?
Ich besitze auch eine sehr seltene Mün-
Nach 40 Jahren des leidenschaftlichen
ze mit Fehlprägung, die für Ludwig XVI.
Sammelns besteht sie heute aus über
hergestellt wurde und auf der das V fehlt,
1.000
damit,
wodurch sie Ludwig dem XI. gewidmet
auf Flohmärkten zu suchen, Magazine
zu sein scheint. Es gibt nur noch sieben
zum Thema zu lesen, Kataloge von Auk-
Exemplare dieser Münze auf der Welt,
tionshäusern zu studieren und andere
und eines davon besitze ich!
Stücken!
Man
beginnt
Sammler kennenzulernen, um sich dann
mit der Zeit zu spezialisieren. Ich bin von
Haben Sie besondere
Natur aus neugierig und würde mehr-
E n td e c k u n g e n g e m a c h t ?
ere Leben brauchen, ehe ich behaupten
Ich bin ein wahrer Münzjäger und spüre
könnte, die numismatische Wissenschaft
manchmal Dinge auf, die andere nicht
vollständig zu beherrschen – denn sie
sehen. Einmal traf ich einen Sammler, und
reicht in die Geschichte, die Geografie, die
der zeigte mir ein Stück, das ihm selbst gar
Jean-Pierre Riber gibt zu, dass
das Interesse für Münzen mit
Fehlprägung ein ziemlich elitäres
Hobby ist. Er hofft dennoch,
Sammer zu finden, denen er sein
Wissen weitergeben und mit denen
er jene „ Jagd nach Wissen“ teilen
kann, die Michel de Montaigne so
schätzte und die Zeit und Raum
z u m Ve r s c h w i n d e n b r i n g t .
Joëlle Thomas ist Repräsentantin
des Dorotheum in Paris.
1
Sachsen, Taler 1833
Legendenfehler: SACHSFN statt SACHSEN
2
Louis XV. Ecu au bandeau fauté 1765 Montpellier
Legendenfehler: LUD VX statt LUD XV
3
Nördliche Kelten, Ambiani/ Atrebates
Goldstater 2./ 1. Jh. v. Chr., aus der
Sammlung des Surrealisten André Breton.
4
Louis XIV. Ecu aux insignes überprägt
auf einen Ecu aux palmes
5
Louis XVI. dezentrierte Doppelprägung
auf einem 12 Denier-Stück
aus der Münzstätte Orléans.
COLLECTION
75
1 2
3
4
5
PASSION
76
PASSION
DOROTHEUM ALS
KUNSTFÖRDERER
Max Kurzweil, Mira Bauer, 1907,
Öl auf Leinwand, 66,3 x 52,5 cm
© Belvedere, Wien
Mit Viktor Matejka und Werner Hofmann
widmet sich das mumok zwei bedeutenden Persönlichkeiten des Wiener Kunst- und
Kulturlebens nach 1945. Werner Hofmann,
Gründungsdirektor des ehemaligen Museums des 20. Jahrhunderts, war einer der konsequentesten Förderer der Moderne. Der von
ihm aufgebaute Basisbestand des mumok
mit den wichtigsten Avantgarden des frühen
20. Jahrhunderts ist in dieser Ausstellung ebenso zu sehen wie das von Peter Matejka begründete Medienarchiv zur bildenden Kunst sowie
Werke der wichtigsten künstlerischen Gruppierungen nach 1945: unter anderem von
Herbert Boeckl, Albert Paris Gütersloh und
Fritz Wotruba, den Abstrakten um die Galerie (nächst) St. Stephan, den Phantastischen
Realisten, Maria Lassnig, Kiki Kogelnik, der
Wiener Gruppe und den Wiener Aktionisten.
www.mumok.at
BELVEDERE
MEISTERWERKE
IM FOKUS:
MAX KURZWEIL
11. Mai – 4. September 2016
Im Rahmen der vom Dorotheum unterstützten Reihe „Meisterwerke im Fokus“ legt das
Belvedere von 11. Mai bis 4. September 2016
einen Schwerpunkt auf den Wiener Seces­
sions-Künstler Max Kurzweil.
Finanziell gut situiert, konnte Kurzweil ein
sorgloses Künstlerdasein pflegen. So brachten ihn Studien in Wien und Paris mit unterschiedlichsten Kunstströmungen in Kontakt,
und auch sein Œuvre umfasst Werke, die
beispielhaft für alle avantgardistischen Strömungen der Zeit stehen – von Naturalismus
und Impressionismus über symbolistische
Arbeiten bis hin zu einer bemerkenswert
frühen Beschäftigung mit dem Expressionismus. Dieser besonderen Offenheit für neue
künstlerische Impulse steht eine eingehende Auseinandersetzung mit den Tiefen der
menschlichen Psyche gegenüber. Vor allem in
den zahlreichen Aktbildern und Frauenporträts wird Kurzweils problematische, zwischen
Depression und Leidenschaft schwankende
Persönlichkeit sichtbar.
www.belvedere.at
MUMOK
WIR WEGBEREITER
Pioniere der Nachkriegsmoderne
12. Mai 2016 – 5. März 2017
Wolfgang Herzig, Große Gesellschaft, 1970–1971, Öl auf Leinwand
249 x 312 cm, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
Leihgabe aus Privatbesitz seit 1981 © Wolfgang Herzig, Foto: mumok
KUNSTHISTORISCHES MUSEUM WIEN
A LT E M E I S T E R
IM GESPRÄCH
11. April & 6. Juni 2016
2016 laden das KHM und das Dorotheum
wieder zur Vortragsreihe „Alte Meister im
Gespräch“. Am 11. April wird Maureen Cassidy-Geiger über „Festliche Tafelkultur“ sprechen.
Die amerikanische Kunsthistorikerin, Kuratorin
und Forscherin ist auf europäische dekorative
Kunst und Muster, auf Reisegeschichte sowie
Kultur und Essen aus dem 17. und 18. Jahrhundert spezialisiert. Feierlich geht es am 6. Juni
weiter: Barbara Vinken, die unter anderem für
„Die Zeit“, „NZZ“ und „Cicero“ schreibt, widmet
sich dem Thema „Festkultur“. So steht das
Jubiläumsjahr ganz im Zeichen des Feierns!
11. April 2016, 19.00 Uhr,
Maureen Cassidy-Geiger, „The Arts of
the Table: Edible and Inedible Aspects of
Court Dining“, Vortrag in englischer Sprache
6. Juni 2016, 19.00 Uhr,
Prof. Barbara Vinken über Festkultur
Anmeldung unter: [email protected]
KHM, Treffpunkt: Kuppelhalle
www.khm.at
Francisco de Goya (1746–1828), Das Blindekuhspiel (La gallina ciega), 1788
Öl auf Leinwand, 269 x 350 cm
© Photographic Archive, Museo Nacional del Prado, Madrid
ÖSTERREICHISCHE NATIONALBIBLIOTHEK
DER EWIGE KAISER
FR ANZ JOSEPH I. 1830 –1916
11. März – 27. November 2016
2016 jährt sich der Todestag von Kaiser Franz Joseph I. zum
100. Mal. Die Österreichische Nationalbibliothek nimmt
dieses Jubiläum zum Anlass, bisher unveröffentlichtes
Material, Abbildungen und Fotografien zu zeigen und damit
den Kaiser auch „privat“ darzustellen. Am 12. Mai lädt das
Dorotheum bei freiem Eintritt in die Museen der ÖNB.
Do, 12. Mai 2016, 18.00 – 21.00 Uhr
www.onb.ac.at
Kinderbildnis Erzherzog Franz Josephs, Farblichtdruck (1908)
eines Gemäldes von Friedrich von Amerling, 1838 © ÖNB
MONOGRAFIE UND
WERKVERZEICHNIS
MARC
ADRIAN
Sprungperspektive
1953, Acryl auf Holz
Privatbesitz Niederösterreich
© Cornelia Cabuk / Belvedere Wien /
für Adrian: Bildrecht Wien 2016
Das Belvedere publiziert im Frühjahr 2016 mit Unterstützung des Dorotheum den fünften Band der Reihe
„Belvedere Werkverzeichnisse“, gewidmet dem österreichischen Künstler Marc Adrian (1930–2008).
Marc Adrian zählte zu den herausragenden Künstlern
einer protestierenden, internationalen Neoavantgarde
nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Multitalent war er
Marc Adrian. Film / Kunst / Medien
Monografie und Werkverzeichnis
Hardcover
Belvedere Werkverzeichnisse, Bd. 5
Ca. 480 Seiten, 23,5 × 31 cm
1.300 Abbildungen
(894 Werkverzeichnisnummern)
Deutsch & Englisch in einem Band
ISBN 978-3-902805-98-0
Ritter Verlag
Erfinder neuer Bildwelten und arbeitete als Bildhauer,
Maler, Grafiker, Filmemacher, Fotograf und Schriftsteller
in Österreich und international. Durch das Ausloten von
Grenzbereichen des Darstellbaren leistete er einen Beitrag
zu den internationalen Bewegungen ZERO, Neue Tendenzen und arte programmata, der zu seiner Teilnahme als
einziger Österreicher an der großen Op-Art-Ausstellung „The
Responsive Eye“ 1965 im MoMA in New York führte. Adrian
verwirklichte sein Weltbild des Kinetismus intermedial in
neuen Gattungen, Genres und Technologien und arbeitete auch
auf dem Gebiet des Experimentalfilms. Seine Werkdokumentation umfasst 894 Positionen, medienübergreifend in allen
Gattungen und zu einem erheblichen Teil erstmals publiziert.
Zusätzlich dazu lässt sich ein guter Einblick in die konstruktive, konkrete Kunst der Nachkriegszeit mit ihren radikalen
Ideen des Aufbruchs in die Moderne in der Gruppenausstellung „Abstract Loop Austria“ im 21er Haus gewinnen.
O4, 1962, Hinterglasmontage
© Belvedere Wien
ABSTRACT LOOP AUSTRIA
Marc Adrian, Richard Kriesche,
Helga Philipp,
Gerwald Rockenschaub
28. Jänner – 29. Mai 2016
21er Haus
w w w. b e l v e d e r e . a t / 2 1 h _ d e
EVENTS
© eSeL.at – Joanna Pianka
78
Auftakt im Palais
Dorotheum
© eSeL.at – Joanna Pianka
© eSeL.at – Lorenz Seidler
Ein Fest für die Kunst
© eSeL.at – Lorenz Seidler
„Creating
Common Good“
Ausstellung im
KUNST HAUS WIEN
© eSeL.at – Lorenz Seidler
Family
Art Day im
Architekturzentrum
Wien
EVENTS
79
© eSeL.at – Joanna Pianka
V. l. n. r.: Alexander Horwath
Elisabeth Noever-Ginthör
Christoph Thun-Hohenstein
Agnes Husslein-Arco
Andreas Mailath-Pokorny
Eva Blimlinger, Peter Bogner
Rainer Nowak
Robert Punkenhofer
Bettina Leidl, Martin Böhm
Nach einem fulminanten Festivalauftakt im Palais
Dorotheum lockte die elfte Ausgabe der VIENNA ART
WEEK im November 2015 wieder Kunstliebhaber
und Kulturinteressierte von nah und fern nach Wien.
35.000 Gäste besuchten die rund 200 Veranstaltungen.
Unter dem Motto „Creating Common Good“ gingen
die teilnehmenden Institutionen der Frage nach dem
Gemeinwohl der Kunst nach. Highlights der Woche
waren unter anderem die von Robert Punkenhofer
und Ursula Maria Probst kuratierte Ausstellung
„Creating Common Good“ im KUNST HAUS WIEN,
WIEN
IM ZEICHEN
DER KUNST
Francesca Habsburg-Lothringen,
Agnes Husslein-Arco und Carola Kraus
© eSeL.at – Joanna Pianka
der Vortrag der international bekannten Stadtforscherin Saskia Sassen sowie die Ausstellungseröffnungen
von Vija Celmins in der Secession und Olafur Eliasson
in der TBA21–Augarten und im Winter­palais. Der
Open Studio Day mit 72 offenen Ateliers und der
erstmals stattfindende Family Art Day erfreuten
sich ebenfalls großer Beliebtheit.
EVENTS
Podiumsdiskussion im Dorotheum
mit Rose-Maria Gropp, Christiane Meixner,
Sabine B. Vogel, Susanne Schreiber
und Olga Kronsteiner
STORY
80
Foto: ORF
Worte von Welt
VON KARL HOHENLOHE
Hans Prenner hatte ein kantiges Gesicht, eine etwas grö-
Mann lächelte, wollte wissen, ob er für ein paar Tage ein
ßere Nase, und er war dankbar. Dankbar für den kleinen
Zimmer mieten könne, und Hans Prenner verneinte,
Hof, den er vom Vater geerbt hatte, dankbar für die vier
meinte aber, als Gast sei er ihm sehr willkommen. Der
Kinder und dankbar für die elf Jahre mit seiner Frau, die
Fremde war eine angenehme Abwechslung, tagsüber
bei der Geburt des Jüngsten gestorben war. Der Hof lag
erzählte er und in der Nacht schrieb er unentwegt in
auf halber Höhe zwischen dem Tal und dem Berg, und
sein Notizbüchlein. Als der Fremde nicht mehr fremd
Hans Prenner konnte sich auch im hohen Alter nicht
war, ging er wieder ins Tal und von dort nach Hause.
erinnern, wann er einmal einen Tag nicht gearbeitet hat-
Zuvor hatte er Hans Prenner aber noch ein vollgeschrie-
te. Als die Kinder aus dem Haus waren, schenkten sie ihm
benes Notizbüchlein geschenkt. Es lag, 60 Jahre später,
einen Fernseher. Ein kleines Gerät, das Hans Prenner
immer noch in der untersten Lade der Kredenz. Irgend-
mit der ganzen Welt verband. Erstaunt betrachtete
wann fuhr Hans Prenner nach Wien in das Auktions-
Hans Prenner die Bauern in den Kolchosen, er lächel-
haus, schüttelte ungläubig den Kopf, als er vom Wert des
te den Fischern in der Südsee zu, fror mit den Lappen
Notizbüchleins erfuhr, und fuhr gleich wieder nach Hau-
und bedauerte die Afrikaner, denen er Wasser wünschte.
se, weil er in der großen Stadt nicht übernachten wollte.
Nur wenn die Beiträge aus der Hauptstadt kamen, Bil-
Das Büchlein landete nach dem Tod Hans Prenners beim
der von den verstopften Straßen, den Rauchfängen, dem
Herrn Pfarrer, und noch heute kann man in der kleinen
Nebel und den hastenden Menschen, dann drehte er ab.
Kirche im Tal ein Schild sehen: „Gedankt sei dem Mäzen
Einmal sah er einen Bericht über einen berühmten ame-
Hans Prenner, der die Restaurierung des Altars, des Glo-
rikanischen Schriftsteller, der freiwillig aus dem Leben
ckenturmes und die Neuanschaffung der Orgel allein
geschieden war. Der alte, bärtige Mann erschien ihm
gestemmt hat“. Den Ortsbewohnern ist es nicht bekannt,
plötzlich bekannt, und als man ein Foto aus jüngeren
nur wir wissen, dass es Hans Prenner nicht alleine, son-
Jahren zeigte, war er sich vollkommen sicher. Es musste
dern Hans Prenner und ein Notizbüchlein waren.
im November 1925 gewesen sein, als dieser Mann plötzlich vor seinem verschneiten Hof gestanden war. Der
STORY
Karl Hohenlohe ist Moderator, TV-Gestalter, Kolumnist
und Herausgeber des Restaurantführers „Gault Millau“.
Für ORF III moderiert Hohenlohe unter anderem
die Sendung „Was schätzen Sie?“.
STORY
# grandelegance
81
B E GN A DE T
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Aquarelle und Miniaturen
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Fächersammlung, Fayencen, Skulpturen, Volkskunst
Historische wissenschaftliche Instrumente,
Modelle und Globen; Fotoapparate
Alte Meister
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Do, 31. März 2016
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Do, 9. Juni 2016
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Mo, 13. Juni 2016
Jugendstil und angewandte Kunst
Do, 31. März 2016
Di, 19. April 2016
Antiquitäten – Möbel, Skulpturen, Glas, Porzellan Mi, 20. April 2016
des 20. Jahrhunderts
Mo, 13. Juni 2016
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Moderne und Zeitgenössiche Druckgrafik
Di, 14. Juni 2016
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Mi, 15. Juni 2016
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Do, 21. April 2016
Klassische Fahrzeuge und Automobilia
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Do, 21. April 2016
Kaiserhaus und Historika
Mo, 20. Juni 2016
Briefmarken
Di, 3. Mai 2016
Glas und Porzellan
Di, 21. Juni 2016
Jagd-, Sport- und Sammlerwaffen
Sa, 14. Mai 2016
Autographen
Mi, 22. Juni 2016
Münzen und Medaillen
Mi/Do, 18./19. Mai 2016
Ölgemälde und Aquarelle des 19. Jahrhunderts
Mi, 22. Juni 2016
Orden und Auszeichnungen
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Historische Waffen, Uniformen, Militaria
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Silber und Russisches Silber
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Klassische Moderne
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Moderne und Zeitgenössische Kunst
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Termine nach Vereinbarung: Michaela Motz
Tel. +49-89-244 434 73-0, [email protected]
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Turi Simeti, Nero, 1984, Auktion Zeitgenössische Kunst, 1. Juni 2016
chmara.rosinke, daybed for Hermès, Auktion Design, 15. Juni 2016
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Gino Severini, Danseuse, 1960, Auktion Klassische Moderne, 31. Mai 2016
1
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CONTACTS
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Dorotheergasse 17, 1010 Wien, Österreich
Tel. +43-1-515 60-570, [email protected]
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P R I VA T E S A L E S
Mag. Constanze Werner
Tel. +43-1-515 60-366, [email protected]
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Dr. Petra Schäpers
Südstraße 5, 40213 Düsseldorf, Deutschland
Tel. +49-211-210 77-47
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Martina Batovic
11 St. James’s Place, London SW1A 1NP, Großbritannien
Tel. +44-0-20 7009 1049
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Franz Freiherr von Rassler
Galeriestraße 2, 80539 München, Deutschland
Tel. +49-89-244 434 73-0
[email protected]
Comtesse Honorine d’Ursel
13, rue aux Laines, 1000 Brüssel, Belgien
Tel. +32-2-514 00 34
[email protected]
MAILAND
BUDAPEST
Angelica Cicogna Mozzoni
Palazzo Amman, via Boito, 8, 20121 Mailand, Italien
Tel. +39-02-303 52 41
[email protected]
Réka Kovács
OREX Palais, Andrássy ùt 64, 1062 Budapest, Ungarn
Tel. +36-1-413 3742
Mobil +36-20-545 9856
[email protected]
ROM
Dott.ssa Maria Cristina Paoluzzi
Palazzo Colonna, Piazza SS. Apostoli, 66, 00187 Rom, Italien
Tel. +39-06-699 23 671
[email protected]
NEAPEL
Giuseppe Imparato
Mobil +39-335-592 52 33
[email protected]
PA R I S
Joëlle Thomas
Mobil (Frankreich) +33-665-17 69 37
Mobil (Österreich) +43-699-10 38 86 40
[email protected]
PRAG
Dr. Mária Gálová
Ovocný trh 580/2, 11000 Prag 1, Tschechien
Tel. +420-2-24 22 20-01
[email protected]
T E L AV I V
Mag. Rafael Schwarz
Mobil (Israel) +972-54-448 39 78
Tel. (Österreich) +43-1-515 60-405
[email protected]
ZÜRICH
Tel. +43-1-515 60-405
[email protected]
Otto Piene (1928–2014)
Weißer Lichtgeist
1966/2012
Schätzwert € 230.000 – 280.000
Auktion Zeitgenössische Kunst
1. Juni 2016