Der Junge im gestreiften Pyjama von John Boyle.

Der Junge im gestreiften Pyjama
von John Boyle.
Ein Unterrichtsbeispiel aus dem Grundkurs Deutsch der
Klassen 8.4 und 8.5
Zum Schuljahresende hat der Grundkurs Deutsch der
Klassen 8. 4 und 8.5 den Roman „Der Junge im gestreiften
Pyjama“ von John Boyle im Unterricht gelesen und
besprochen. Zuerst war ich mir nicht ganz sicher, ob das
Thema „Nationalsozialismus und Konzentrationslager“ den
Schülerinnen und Schülern gefallen würde, da die
Vergangenheit nicht unbedingt zu den top ten heutiger
Jugendlicher gehört. Also ließ ich es auf einen Versuch
ankommen und stellte schon nach wenigen Stunden fest,
welche großes Interesse an dem Roman bestand.
Im Laufe der Unterrichtsreihe haben wir verschiedene
Personen in dem Roman unter die Lupe genommen,
didaktische aufbereitete zeitgeschichtliche Dokumente
gelesen, über das Leben vor und hinter dem Zaun
gesprochen und natürlich auch über die ungewöhnliche
Freundschaft zweier ganz unterschiedlicher Jungen.
Im Folgenden möchte ich verschiedene Dokumente zeigen,
die von den Schülern und Schülerinnen zu den
verschiedenen Themen angefertigt wurden. Sehr gerne
wurden Briefe oder Tagebucheinträge verfasst, die ich auf
der Homepage mit Einverständnis der Schülerinnen und
Schüler veröffentlich darf.
Vorab möchte ich den Roman kurz skizzieren. Es geht um
den 9-jährigen Jungen Bruno, der mit seinen Eltern und
seiner Schwester sein schönes Haus, seine Freunde und
seine geliebten Großeltern in Berlin verlassen muss, da sein
Vater den Posten eines Kommandanten in dem im Roman
genannten „Aus-Wisch“, einem Konzentrationslager,
annimmt. Die Geschwister werden über die Tätigkeit des
Vaters nicht informiert. Bruno fühlt sich in der neuen und
trostlosen Umgebung sehr unglücklich bis er eines Tages
verbotenerweise am Zaun des Lagers entlang geht und auf
den ebenfalls 9-jährigen Schmuel trifft, der auf der anderen
Seite des Zaunes sitzt. Die beiden Jungen freunden sich sehr
schnell an, da sie viele Gemeinsamkeiten
austauschen, wobei Bruno in seiner kindlichen
Naivität Schmuels Sorgen nicht versteht.
Eines Tages erzählt Schmuel Bruno, dass er
seinen Vater nicht mehr finden könne und Bruno
verspricht Schmuel, dass er ihm helfen werde, den
Vater zu finden. Zur selben Zeit plant die Mutter
die Rückkehr nach Berlin. Da in Brunos Haaren
Läuse gefunden werden, werden ihm die Haare
geschoren. Mit diesem kahl rasierten Kopf kommt
Bruno an den Zaun, wo Schmuel bereits auf ihn
wartet, da sie den Vater finden wollen und Bruno
sein Versprechen halten will. Also zieht Bruno
ebenfalls einen gestreiften „Pyjama“ an und
klettert durch den Zaun. Kurze Zeit später werden
sie von Soldaten zusammen mit anderen
Häftlingen zusammengetrieben und die
Gaskammer geschickt. Die Eltern finden Brunos
Kleidung am Zaun und begreifen, was mit ihrem
Sohn geschehen ist.
Die Schülerinnen und Schüler haben zu dem
Thema „Vor und hinter dem Zaun“ Gedichte verfasst, in denen sie ihre Vorstellung und ihre
Bestürzung über Brunos Leben vor dem Zaun
und das der Menschen hinter dem Zaun zum
Ausdruck bringen.
Im Folgenden einige beeindruckende Beispiele.
Am Weihnachtsabend sind Brunos Großeltern zu
Besuch in „Aus-Wisch“. Während der Großvater
stolz auf seinen Sohn ist, ist die Großmutter über
die Karriere ihres Sohnes bestürzt und nennt ihn
eine Marionette des Furors. Es kommt zum
Streit, woraufhin die Großmutter das Haus
verlässt und nach Berlin zurückreist, ohne sich
von Bruno zu verabschieden.
Bruno versteht die Welt nicht mehr und macht
sich Vorwürfe wegen der plötzlichen Abreise der
Großmutter. Asmae (8.4) schreibt einen
Tagebucheintrag, in dem sie Brunos Gedanken
niederschreibt und nach Erklärungen sucht:
Liebes Tagebuch
Weihnachten 1938
Ich weiß nicht, was gesehen ist, seit wir in
dieses Haus eingezogen sind. Es haben sich
viele Dinge verändert, alles ist irgendwie
schlimm geworden.
Gestern an Weihnachten haben Gretel und ich
mitbekommen, wie sich Papa und Oma
gestritten haben. Wir mussten zum allerersten
Mal früher nach oben zu Bett gehen, und das an
Weihnachten! Sie haben sich sehr laut
gestritten über Papas Veränderung, weil er jetzt
diesen sehr schönen Anzug jeden Tag trägt.
Früher war es etwas Besonderes, wenn wir
Papa in seiner Uniform sahen, aber seit wir in
Aus-Wisch sind, trägt er diesen Anzug jeden
Tag. Es ist wie eine Angewohnheit von ihm.
Und ich glaube, dass der Oma Papas Arbeit
überhaupt nicht gefällt, ich weiß aber auch
nicht warum. Er nennt sich jetzt Kommandant
und ich glaube, dass das der Oma nicht gefällt.
Alle nennen ihn jetzt so, es ist grässlich. Ich
hoffe, Oma kommt bald wieder zu uns. Ich
liebe dich Oma!
Später schreibt die Großmutter Bruno einen Brief,
indem sie ihr Verhalten zu erklären versucht. Dawid
(8.4) hat sich folgenden Brief einfallen lassen:
Lieber Bruno
Berlin, im Januar 1939
Du weißt bestimmt noch nicht, warum
ich so schnell weggefahren bin, Ich
werde es dir erzählen. Ich bin wegen
deines Vaters so plötzlich wieder nach
Berlin zurück gefahren. Er sah wie ein
Zirkusdirektor aus in seiner neuen
Uniform. Ich weiß, dass du traurig bist,
als ich weg war, ohne mich richtig von dir zu verabschieden. Aber ich
werde dich bald wieder besuchen, versprochen!
Es ist nicht deine Schuld, dass ich gefahren bin. Du sahst wundervoll
aus in deinem Kostüm und Gretel auch. Ach, ich vermisse euch so!
Deine Oma
Wir sprachen auch über die Aufgaben eines KZ - Kommandanten und über seine
todbringenden Befehle. Um sich ein Bild aufgrund einer Beschreibung dieses „Berufes“ zu
machen, schrieben sie einen Bericht für eine englische Zeitung aus der Perspektive des
Reporters Harry Quick.
Neuer Kommandant grüßt mit Hitlergruß
Tausende Menschen im KZ eingesperrt
von Harry Quick
London. Als ich in Aus-Wisch ankam, wurde ich mit dem Hitlergruß
empfangen. Ich sollte auch so grüßen, doch ich weigerte mich, weil ich
mich dadurch provoziert fühlte.
Ich sah viele Baracken und tausende von Menschen: Kinder, Männer,
Frauen, alte und junge Menschen, die alle eins gemeinsam hatten, alle
hatten gestreifte Anzüge an. Sie hatte alle abrasierte Haare und daher
kahle Köpfe. Der Kommandant ist stolz darauf, dass ihm diese Menschen
ausgeliefert sind. Es ist eine bodenlose Ungerechtigkeit, dass Menschen so
leben müssen! Der Kommandant zeigt keinerlei Mitgefühl. Er ist stolz
darauf, das Lager mit Disziplin und Härte zu führen. Dieser Mann zeigt ein
unmenschliches und Menschen verachtendes Verhalten. (Alina, 8.4)
Zum Schluss noc
Zum Schluss noch ein Brief von Bruno an seine Oma, in dem er ihr schreibt, wie er Schmuel
getroffen hat. Die Großmutter ist die einzige Person, zu der Bruno Vertrauen hat, da er
insgeheim weiß, dass er etwas Verbotenes macht, wenn er zu Schmuel an den Zaun geht.
Außerdem erarbeiteten die Schülerinnen und Schüler die unterschiedliche Anreise der beiden
Jungen.
Liebe Oma,
im März 1939
Du bist die einzige, der ich es erzähle. Ich habe einen neuen besten Freund. Er
heißt Schmuel und ist sehr nett. Wir sind am selben Tag geboren. Er liebt
Schokolade genauso wie ich. Nur bekomme er keine, wie er sagt.
Ich verstehe ihn aber manchmal nicht, denn er ist ganz anders. Obwohl er auch
mit dem Zug hier nach Aus-Wisch gekommen ist, sagte er, dass der Zug keine
Türen hatte und dass es furchtbar im Zug gestunken habe, weil dort ganz viele
Menschen im Abteil waren. Bei uns waren nur Papa, Mama, Gretel und ich und
es gab Türen und es hat auch nicht gestunken. Außerdem gab es etwas zu essen
und es waren noch viele andere nette Menschen mit im Zug.
Liebe Oma, kannst du mir helfen und sagen, warum es Schmuel so schlecht
geht? Bitte schreibe zurück und erkläre es mir, wenn du magst.
Dein Bruno
(von Asmae, 8.4)
Dawid (8.4) schreibt zu diesem Thema einen Tagebucheintrag.
Liebes Tagebuch
Ich war heute wieder spazieren am Zaun und da sah ich von Weitem einen
kleinen dunklen Klecks. Ich ging hin und der Klecks wurde zu einem kleinen
Jungen, der dort hinter dem Zaun im Schneidersitz hockte. Ich habe mich
gefragt, was er dort macht. Ich fragte ihn, wie er heiße und er antwortete
„Schmuel“. Wie stellten fest, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben, wir haben
sogar am selben Tag Geburtstag und mögen beide Schokolade; wie cool. Ich
habe jetzt endlich einen neuen Freund.
Er sieht zwar aus wie ein alter Mann, da er ganz graue Haut hat und sehr dreckig
ist. Auch hat er einen Pyjama an. Ich frage mich warum. Er erzählte mir, dass er
in Polen geboren sei und auch dort in Krakau in einer kleinen Wohnung gelebt
habe, über dem Uhrmachergeschäft seines Vaters. Dann hätte die Familie
umziehen müssen in eine noch kleinere Wohnung, wo sie mit elf Personen n
einem Zimmer gelebt hätten. Das kann ich mir niemals vorstellen. Beim
Abschied verabredeten Schmuel und ich uns wieder für den nächsten Tag zur
gleichen Zeit.
An dieser Stelle möchte ich den Schülerinnen und Schülern danken, dass sie sich so intensiv
mit dem Roman auseinandergesetzt haben. Zum Schluss werden wir den Film zu dem Roman
anschauen. Ich freue mich auf weitere schöne Unterrichtsstunden mit euch im nächsten
Schuljahr.
Eure Frau Meyer