PDF:73,2 KB - Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien

AKTUELL
Entscheidung
Internetangebot »deutscher88« auf
der Plattform »tumblr« indiziert
Entscheidung Nr. 12263 (V) vom 18.12.2015
- in Auszügen -
Auf Antrag der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat die Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Medien (BPjM) das auf der US-amerikanischen Plattform „tumblr“ eingestellte Internetangebot „deutscher88“ überprüft.
Die BPjM hat zu dem Angebot am 18.12.2015 folgende Entscheidung getroffen:
Das Internet-Angebot wird in Teil D der Liste der jugendgefährdenden Medien eingetragen.
Die KJM hatte zu dem Angebot in ihrem Indizierungsantrag Folgendes ausgeführt:
„Bei dem englischsprachigen Angebot http://… handelt es sich um einen Internetblog mit umfangreichem Bildmaterial, das u.a. aus historischen Fotos aus der Zeit des NS-Regimes sowie Fotos von
Neonazis besteht.
Ein Beitrag enthält ein Foto, auf dem Menschen mit brennenden Barrikaden eine Straße blockieren. Darunter ist Folgendes zu lesen:
Oh for the love of God. Gypsies blocking the French A1 highway 90 kms to the north of Paris.
Does this nightmare ever end?
The Gypos in question demand the release of a jailed, criminal family member - so he
could go to a funeral. He was arrested on tuesday for his involvement in a shooting which
claimed the lives of four people, including a baby, a woman and a cop. Hence they blocked
one of the most busy highways in Europe, making tourists and truckers wait for hours and
hours, in an effort to blackmail the French state by setting the A1 on fire.
Who the hell do these people think they are?
Kick ‘em of our streets already! We need to come together and do this - for the future, if
there will ever be a future.
Darunter ist folgender Kommentar zu lesen: „I’m sorry but put the truck or car in gear and drive
over them. Problem solved, the road is open!“
(http://…)
Ein Beitrag („3 days ago 81 notes”; Stand: 03.09.2015) enthält eine Grafik, bei der suggeriert wird,
es handle sich um die Meldung aus einer Nachrichtensendung (u. a. erkennbar durch den Schriftzug „Breaking News“). Sie enthält ein Schwarzweißfoto Adolf Hitlers und den Schriftzug „HE WAS
RIGHT ALL ALONG…HEIL HITLER!“ Als Kommentar darunter ist „Heil the führer“ zu lesen.
Ein Beitrag enthält ein Porträtfoto Adolf Hitlers.
(http://…)
Ein Beitrag enthält ein Foto eines Mannes mit Baseballkappe und nacktem Oberkörper, auf den
beidseitig im Schulterbereich je ein Hakenkreuz tätowiert ist.
(http://…)
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BPJM-Aktuell 1/2016............................
Ein Beitrag enthält ein Foto, das fünf vermummte männliche Personen zeigt. Es sind darauf die
Schriftzüge „Sieg Heil“ und „SKINHEADS Of GREECE“ zu lesen.
(http://…)
Ein Beitrag („4 days ago 22 notes”; Stand: 03.09.2015) enthält ein Foto, das drei nebeneinander
stehende junge Männer zeigt, die ihre rechte Hand zum Hitlergruß erhoben haben und mit der
linken Hand gemeinsam eine Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz hochhalten.
Ein Beitrag enthält eine Grafik, die unter der Überschrift „THE MAIN DIFFERENCE BETWEEN Koko
the Gorilla & Sub-Saharan Africans“ ein Foto eines Gorillas, der Bilder in einem Buch betrachtet,
und daneben ein Foto zweier schwarzer Kindern enthält. Unter dem Foto des Gorillas ist Folgendes
zu lesen:
Has an IQ of 83.
Has never harmed other animals.
Is a critically endangered species.
Is independent and can survive on its own.
Unter dem Foto der Kinder ist Folgendes zu lesen:
Average IQ is 68 – technically mentally retarded.
Known to frequently attack other Sub-Saharan Africans, gorillas and humans, often for
food.
Depends on handouts from first world countries for survival.
(http://...)
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............................BPJM-Aktuell
1/2016
Das Angebot ist frei zugänglich.
Begründung für den Indizierungsantrag
Das Angebot http://... ist nach Auffassung der KJM gemäß § 18 Abs. 1 JuSchG in die Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen, da es geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden.
Das Angebot ist mindestens als jugendgefährdend einzustufen.
Das Angebot enthält zahlreiche Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen gemäß § 86a
StGB wie NS-Hakenkreuze oder Porträtbilder Adolf Hitlers. Die Verwendung der verbotenen Nazisymbole erfolgt in keinem künstlerischen oder wissenschaftlichen und aufklärerischen Kontext.
Vielmehr sind diese hier in Verbindung mit einer generell rechtsextremistischen Grundhaltung zu
sehen und zu interpretieren, durch die sie eine inhaltliche Aussagekraft erhalten. Diese Grundhaltung kommt etwa in Beiträgen zum Ausdruck, in denen Bilder von Neonazis mit Hakenkreuzflaggen und zum Hitlergruß erhobenem Arm posieren oder Fotos, die mit „SIEG HEIL“ überschrieben
sind. Damit trägt das genannte Internetangebot dazu bei, rechtsextremistisches Gedankengut zu
verherrlichen und zu verbreiten.
Ein Beitrag enthält eine Grafik, in der schwarzen Afrikanern (bzw. subsaharischen Afrikanern) eine
geringere Intelligenz als einem Gorilla bescheinigt wird, was einen Angriff auf die Menschenwürde der betreffenden Gruppe darstellt, die damit unter Missachtung des Gleichheitsgrundsatzes als
unterwertig dargestellt werden. In Kommentar zu einem anderen Beitrag wird vorgeschlagen,
eine Straßenblockade von „Gypsies“ (= „Zigeuner“) dadurch aufzulösen, dass man die Protestierenden überfährt („I’m sorry but put the truck or car in gear and drive over them. Problem solved,
the road is open!“). Damit trägt das genannte Internetangebot dazu bei, Hass gegenüber der
betreffenden gesellschaftlichen Gruppe zu schüren. Werte unserer demokratischen Gesellschaftsordnung, wie Toleranz gegenüber den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, werden damit
untergraben.
Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist durch diese Art von Inhalten eine Verunsicherung
und Desorientierung zu befürchten.
In diesem Zusammenhang ist das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 GG zu
beachten. Es schützt nicht nur die Äußerungen von Werturteilen und Meinungen, sondern es
umfasst auch jegliche Mitteilung von Gedanken, Vorstellungen und Nachrichten aller Art, also das
Recht, sich anderen mitzuteilen und auf andere einzuwirken. Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG findet das
Grundrecht seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Bei der Abwägung
zwischen den kollidierenden Grundrechten der Meinungsfreiheit und dem Jugendschutz ist zu
berücksichtigen, dass das Grundgesetz mit dem Art. 5 Abs. 2 GG bestimmte Schrankenvorbehalte
zugunsten des Jugendschutzes bereits eine erste Gewichtung vornimmt. Hinsichtlich der vorliegenden Glorifizierung rechtsextremistischen Gedankenguts und der Aufstachelung zum Hass ist
in diesem Fall festzustellen, dass die Belange des Jugendschutzes das Recht auf freie Meinungsäußerung überwiegen.“
Aus den Gründen
Das Internet-Angebot http://... war antragsgemäß zu indizieren.
Sein Inhalt ist offensichtlich geeignet (§ 23 Abs. 1 JuSchG), Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren, wie das Tatbestandsmerkmal „Gefährdung der Entwicklung von
Kindern und Jugendlichen oder ihrer Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ in § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG nach ständiger Spruchpraxis
der Bundesprüfstelle sowie höchstrichterlicher Rechtsprechung auszulegen ist.
Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 JuSchG sind Medien unter anderem dann jugendgefährdend,
wenn sie unsittlich sind und verrohend wirken, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizen, sowie wenn sie Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert darstellen oder Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung
der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe legen.
Die Inhalte des Angebots reizen zum Rassenhass an.
Medien reizen zum Rassenhass an, wenn sie sich dazu eignen, eine gesteigerte, über
eine bloße Ablehnung bzw. Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen eine
durch ihre Nationalität, Religion oder ihr Volkstum bestimmte Gruppe zu erzeugen. Entscheidend ist hierbei, dass diese Inhalte für Minderjährige einen „geistigen Nährboden
für die Bereitschaft zu Exzessen“ gegenüber diesen Gruppen bilden (Nikles/Roll/Spürck/
Erdemir/Gutknecht, Jugendschutzrecht, 3. Aufl., § 18 Rn. 5). Auch wenn ein Medium nicht
direkt zum Rassenhass anreizt oder aufstachelt, fällt es dennoch unter § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG,
wenn es das namentlich aus Art. 3 und 4 GG ersichtliche Toleranzgebot der Verfassung z.B.
dadurch verletzt, dass es Kinder und Jugendliche dazu verleitet, andere zu missachten, die
eine andere Hautfarbe, einen anderen Glauben und eine andere Weltanschauung haben
(Liesching/Schuster, 5. Aufl., § 18 Rn. 40).
Im Angebot finden sich zahlreiche Aussagen, die Angehörige verschiedener Volksgruppen verächtlich machen. Neben den bereits von der KJM genannten, die Volksgruppen der
Sinti und Roma betreffenden Kommentaren ist u.a. ein am 15.10.2015 veröffentlichter Beitrag zu nennen. Hier ist ein Bild von vornehmlich dunkelhäutigen jugendlichen Männern
zu sehen, in deren Mitte eine blonde, kaukasische Schülerin sitzt. Auf dem Bild erscheint
ein Aufdruck „Meanwhile, in Sweden…“. Unter dem Bild findet sich der Kommentar: „Anyone
want to guess how long before she is raped?“. Mit dieser Darstellung wird suggeriert, dunkelhäutige Männer neigten zu schweren Straftaten wie Vergewaltigungen.
In dem von der KJM angeführten Beitrag wird Afrikanern eine geringere Intelligenz im
Vergleich zu Gorillas unterstellt.
Des Weiteren wird die NS-Ideologie verherrlicht.
Neben den in § 18 Abs. 1 JuSchG aufgeführten Medien sind nach langjähriger Spruchpraxis der Bundesprüfstelle, bestätigt durch höchstrichterliche Rechtsprechung, auch solche
Medien jugendgefährdend, die den Nationalsozialismus verherrlichen oder verharmlosen.
Jugendgefährdende Propagierung der NS-Ideologie liegt vor, wenn für die Idee des Nationalsozialismus, seine Rassenlehre, sein autoritäres Führerprinzip, sein Volkserziehungspro-
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gramm, seine Kriegsbereitschaft und seine Kriegsführung geworben wird. Ferner, wenn das
NS-Regime durch verfälschte oder unvollständige Informationen aufgewertet und rehabilitiert werden soll, insbesondere wenn Adolf Hitler und seine Parteigenossen als Vorbilder
(oder tragische Helden) hingestellt werden. Die in einer Aufwertung, Rehabilitierung oder
Verharmlosung der NS-Ideologie liegende Eignung zur sittlichen Gefährdung von Kindern
und Jugendlichen im Sinne einer sozialethischen Desorientierung hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.1994 (Az. 1 BvR 434/87, BVerfGE 90,
1, 18) und wiederholt bestätigt (vgl. z.B. Urteil vom 04.09.2001, Az. 20 A 1161/99).
Die Beiträge des Angebots bestehen überwiegend aus der bildlichen Darstellung von
Symbolen und Personen des Nationalsozialismus sowie von Neonazis, die ihre mit NS-Symbolen tätowierten Körper zur Schau stellen.
Beispielhaft sind folgende weitere Einträge zu nennen:
Ein historisches Foto zeigt einen auf einer Parkbank sitzenden jungen Mann. Die Parkbank ist beschriftet mit „Nur für Arier“. Die Bildunterschrift besagt: „We need this again or
better ban all shitskins from entering a park“.
Ein anderes Foto aus der NS-Zeit zeigt in einer Reihe stehende Männer mit dem Judenstern. Die Bildunterschrift lautet: „Fucking Jidds first time in their lifes lining up for work. Wasted time, send them to the showers instead let them dig their own pit” (= Scheiß Juden, zum ersten
Mal im Leben stehen sie um Arbeit an. Verschwendete Zeit, schickt sie stattdessen in die Duschen,
lasst sie ihre eigene Grube graben)
Aufgrund dieses Beitrages sowie jener Beiträge, in denen zu Gewaltakten gegen Dunkelhäutige und Angehörige der Roma und Sinti aufgerufen wird, ist der Inhalt des Angebots nach
Einschätzung des Gremiums nicht nur jugendgefährdend, sondern auch volksverhetzend
und damit schwer jugendgefährdend, § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG i.V.m. § 130 StGB.
(…)
Die Bundesprüfstelle hat im Rahmen der Indizierungsverfahren immer auch auf die Wahrung der Grundrechte der Verfahrensbeteiligten zu achten.
(…)
Im Hinblick auf den erheblichen Grad der von den NS-verherrlichenden Aussagen und der
Propagierung der Überlegenheit der „arischen Rasse“ sowie den Gewaltaufrufen gegenüber
bestimmten Bevölkerungsgruppen ausgehenden Jugendgefährdung sind nach Auffassung
des Gremiums die Belange des Jugendschutzes als vorrangig vor jenen der Meinungsfreiheit
einzustufen. Diese Aussagen verstoßen in hohem Maße gegen die grundlegenden Wertund Zielvorstellungen unserer Verfassung, so dass darin eine erhebliche Gefahr sozialethischer Desorientierung von Kindern und Jugendlichen besteht. Insbesondere diejenigen
Jugendlichen, die sich ansatzweise bereits rechtsgerichteten Kreisen und der dortigen Ideologie annähern, können in den o.g. Beiträgen eine Bestätigung ihrer Auffassung sehen und
ihre NS-befürwortende oder auch gewaltbereite Haltung vertiefen.
Eine Entscheidung wegen Geringfügigkeit gemäß § 18 Abs. 4 JuSchG verbietet sich im Hinblick auf die Tatsache, dass die Inhalte in hohem Maße bzw. schwer jugendgefährdend sind.
Da die Inhalte für jedermann frei zugänglich sind, zumal auf einem sehr jugendaffinen
Internetportal, kann zudem nicht von einem nur geringen Verbreitungsgrad ausgegangen
werden.
Nach Einschätzung des Gremiums erfüllt der Inhalt des Angebots einen der in § 18 Abs. 2 Nr.
4 JuSchG genannten Straftatbestände (§ 130 StGB). Das Angebot war daher in Teil D der Liste
der jugendgefährdenden Medien aufzunehmen.
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............................BPJM-Aktuell
1/2016