der Publikation "Evaluation von medizinischen

Evaluation von medizinischen
Rehabilitationsleistungen der
DRV Westfalen und Rheinland
20. August 2015
Dr. Boris Augurzky,
Dr. Magdalena Stroka,
Ingo Kolodziej
DRV Reha
-0-
Agenda
Ziele und Vorgehensweise
Ergebnisse
Fazit
DRV Reha
-1-
Immense Herausforderungen für die
Sozialsysteme in den kommenden Jahrzehnten
Bevölkerung nach Altersklassen (2012 = 100)
260
Phase „Gefahr für
Rentensystem und GKV“
Altersklasse in Jahren
240
80+
220
66-80
200
21-65
180
0-20
Phase „ Gefahr für Pflegesystem “
160
140
120
100
80
2059
2057
2055
2053
2051
2049
2047
2045
2043
2041
2039
2037
2035
2033
2031
2029
2027
2025
2023
2021
2019
2017
2015
2013
2011
2009
60
Ziel: Mobilisierung des Arbeitskräftepotenzial wo immer möglich
Quelle: RWI; Statistisches Bundesamt 2011, 12. Koordinierte Bevölkerungsprognose Variante 1-W2
DRV Reha
-2-
Maßnahmen zur Mobilisierung des
Arbeitskräftepotenzials nötig
Reha kann dies unterstützen
2. Immigration qualifizierter Arbeitskräfte
Qualifizierte Ausbildung junger Menschen (Thema
Investition in Bildung)
Immigrationsmodell wie beispielsweise in Kanada
oder Australien
Gesundheit junger Menschen (Thema Prävention)
Aktivitäten im Ausland zur Steigerung der Attraktivität
des Arbeitsplatzstandorts Deutschland erhöhen (Thema
Sprachkurse, Vorbereitungskurse)
Renteneintrittsalter bis 2050 schrittweise weiter
heraufsetzen (Thema Rente mit 69);
Faustregel: 3 gewonnene Jahre an Lebenserwartung
im Verhältnis 2:1 auf Arbeit und Rente verteilen
Reha
1. Mobilisierung des Arbeitskräftepotenzials
Vermeidung von Immigration in Sozialsysteme
Frauenerwerbsquote weiter erhöhen (Thema
Kinderbetreuung)
Arbeitsmarkt flexibel halten, idealerweise weiter
flexibilisieren (Thema Agenda 2010)
Investitionsfreundliches Klima (Kapitaleinsatz kann
Arbeitsproduktivität steigern)
Anreize zur Schwarzarbeit nehmen
Erreicht die Reha ihr Ziel?
Quelle: RWI
DRV Reha
-3-
Hinweise auf positive Effekte der Reha vorhanden
Goldstandard zur Messung von Effekten: das randomisierte kontrollierte Experiment
(Bildung einer Behandlungs- und Kontrollgruppe)
Status in der Rehabilitationswissenschaft
•
In einigen Fällen Kontrollgruppe ethisch nicht vertretbar
•
In der Rehabilitationswissenschaft vielfach Vorher-Nachher-Vergleiche:
Vergleich der Behandlungsgruppe vor und nach Reha, keine Kontrollgruppe;
Vorher-Nachher-Vergleiche geben Indizien auf den Effekt einer Maßnahme
•
In einigen Fällen jedoch über Randomisierung Kontrollgruppen, v.a. zum
Vergleich unterschiedlicher Reha-Maßnahmen miteinander
Insgesamt derzeit Hinweise auf positive Effekte der Rehabilitation
Das vorliegende Gutachten setzt hier an
Quelle: Faktenbuch Medizinische Rehabilitation
DRV Reha
-4-
Backup
Messung von Effekten durch Vorher-Nachher-Vergleich
verschiedener Maßnahmen bzw. Vergleich mit Kontrollgruppe
Vor der
Maßnahme
Nach der
Maßnahme
?
Reha-Maßnahme A
?
Reha-Maßnahme B
?
Keine Reha-Maßnahme
(Kontrollgruppe)
Quelle:
DRV Reha
RWI
-5-
Backup
Beispiele von Evaluationen von Rehabilitationsmaßnahmen
Beispiele
Studie
Maßnahme
Methodik
Missel et al. (2010)
Stationäre Suchtreha
(Entwöhnungsmaßnahme)
Vorher-Nachher-Vergleich
Klein, Missel und Braukmann
(1997)
Stationäre Suchtreha
(Entwöhnungsmaßnahme)
Vorher-Nachher-Vergleich
Jäckel et al. (1990)
Stationäre Reha bei chronischen
Rückenschmerzen
Experimentelles Vergleichsgruppendesign
Grünig (2010)
Reha bei pulmonaler Hypertonie
Vorher-Nachher-Vergleich
Lungwitz et al. (2010)
Stationäre onkologische Reha
Vorher-Nachher-Vergleich
Rische (2006)
Stationäre Reha allgemein
Amortisationsmodell
Schleswig-Holstein-Studie
„Geriatrische Reha“ (1995)
Stationäre geriatrische Reha
Vergleichsgruppendesign
Studien geben Hinweise auf positive Effekte der Rehabilitation
Quelle: Faktenbuch Medizinische Rehabilitation
DRV Reha
-6-
Gutachten: Evaluation von Rehamaßnahmen hinsichtlich des
medizinischen Erfolgs und der Erwerbsbiographie
Evaluation von Rehamaßnahmen von Versicherten der DRV Rheinland und Westfalen
Reha-Maßnahmen aus dem Jahr 2009
•
Alle Rehabilitationen zusammen (unabh. von Bewilligungsdiagnose)
•
Somatische Rehabilitationen separat
•
Fünf einzelne Diagnosegruppen jeweils separat(1)
Daten: 2003-2010
•
Lange Verläufe vor, während und nach der Reha
Zielgrößen
•
•
•
•
Gesundheitszustand
Erwerbstätigkeit
Erwerbsminderungsrente
(Gehalt  nicht nutzbar, weil nur Jahresgehalt vorhanden)
Zentrales Problem der Evaluation: Vergleichsgruppe nötig
•
Wie sähen der Gesundheitszustand und der Erwerbsverlauf eines Rehabilitanden aus,
wenn keine medizinische Rehabilitationsleistung erfolgt wäre?
(1)
Ischämische Herzkrankheiten; zerebrovaskuläre Krankheiten; Krankheiten Muskel-, Skelett-, Bindegewebes; psych. Funktionsstör. (ohne
Sucht); Sucht (Alkohol, Drogen und Medikamente)
Quelle: RWI
DRV Reha
-7-
Verschiedene Vergleiche im Gutachten angestellt
Behandlungsgruppe
Ambulante und
stationäre
Rehabilitanden
1
Vergleichsgruppe
Methodik
Abgelehnte RehaAnträge (amb. u. stat.
Reha, ohne Information
zu Diagnosen)
Differenzen-vonDifferenzen, Propensity
Score Matching
Keine
Vorher-NachherVergleich(1)
Abgelehnte RehaAnträge (stationäre
Reha, ohne Information
zu Diagnosen)
Differenzen-vonDifferenzen, Propensity
Score Matching
Ambulante
Rehabilitanden
Differenzen-vonDifferenzen, Propensity
Score Matching
2
Stationäre
Rehabilitanden
3
4
(1)
Kausalitätsaussagen nicht möglich bzw. nur unter sehr restriktiven Annahmen
Quelle: RWI
DRV Reha
-8-
Ergebnisgröße 1: Verbesserung des Gesundheitszustands
nach Beendigung der Rehabilitation
Gesundheit,
Funktionsstörung wird
gebessert(1)
Funktionsstörung
Reha
Funktionsstörung bleibt
bestehen
(1)
Medizinische Besserung der Erstdiagnose
Quelle: RWI
DRV Reha
-9-
Ergebnisgröße 2: Erwerbstätigkeit bzw. Erwerbsminderungsrente 6 bzw. 12 Monate nach der Rehabilitation
Erwerbstätig
Beiträge
Nicht
erwerbstätig
Vorübergehend keine
Beiträge
Erwerbsfähig
Erwerbstätigkeit
gefährdet
Reha
Nicht erwerbsfähig
Erwerbsminderungsrente (EMI)(1)
Erwerbstätigkeit: hier gemessen im 6. und 12. Monat nach Reha
Bezug einer Erwerbsminderungsrente: hier gemessen im 6. und 12. Monat nach Reha
(1)
Zahlung der Erwerbsminderungsrente auch bei teilweiser Erwerbsminderung möglich.
Quelle: RWI
DRV Reha
- 10 -
Untersuchungsgegenstand: jeweils letzte Reha 2009
Schematische Darstellung
 2003 – 2008
2010
Reha
Reha
Person 1
2009
Betrachtung der jeweils letzten
begonnenen Reha-Maßnahme(1)
Beitragsdaten
Rentendaten
Reha
Reha
Reha
Person 2
Beitragsdaten
Rentendaten
Reha-Antrag
ø Zeit
bis
Rehabeginn
Reha
Reha
Vergleichsgruppe
Beitragsdaten
Rentendaten
(1)
Nutzung von Daten der medizinischen Reha im Zeitfenster 2003-2010 (u.a. für Anzahl vorhergehende Reha, Nachsorge)
Anmerkung: Beitragsdaten auf Monatsbasis 1 Jahr vor Beginn und 1 Jahr nach Ende der Reha vorhanden; für Vergleichsgruppe wird durchschn. Zeit vom
Reha-Antrag bis Reha-Beginn aller bewilligten Fälle als Wartezeit gesetzt. Reha-Dauer der Vergleichsgruppe ist durchschn. Reha-Dauer aller
bewilligten Maßnahmen der jeweiligen DRV.
Quelle: RWI
- 11 DRV Reha
Wichtige Eigenschaften der Versicherten berücksichtigt
Reha- und Vergleichsgruppe dann bzgl. dieser Eigenschaften vergleichbar
Allgemein
Geschlecht (m/w)
Alter (17-65)
Berufsgruppe (7 Gruppen)(1)
Gesundheit
Anschluss-Reha (ja/nein)
Anzahl Reha in Vergangenheit (0-10)
Anzahl der Nebendiagnosen (0-4)(1)
Zehn häufigste Krankheiten (10 Diagnosen)(1)
Sonstiges
Art der Rehabilitation (stationär/ambulant)
Inanspruchnahme einer Nachsorgeleistung
(bis 6/12 Monate nach Reha)(1,2)
Region (Rheinland/Westfalen)
Zielgrößen vor Reha
Erwerbstätigkeit 1. Monat vor Reha
Erwerbsminderungsrente 1. Monat vor Reha
(1)
Keine Berücksichtigung dieser Variablen in Analysen mit Vergleichsgruppe ohne Reha-Leistungen.
(2)
Keine Berücksichtigung dieser Variable bei Betrachtung der Funktionsstörung.
Quelle: RWI
DRV Reha
- 12 -
Insbesondere Multimorbidität berücksichtigt
Zahl der Nebendiagnosen (ND)
stationär
ambulant
3
4
4
4
3
4
3
2
1
4
4
3
1
1
1
0
0
Sucht
Psyche
ischäm. Herzerkr.
zerebrovask. Erkr.
0
Muskel-, Skelett-,
Bindegew.
Alle Diagnosen
0
0
0
3
2
3
3
2
1
1
0
2
1
0
1
0
2
1
0
2
4
3
Psyche
3
ischäm. Herzerkr.
2
2
zerebrovask. Erkr.
1
3
2
1
Muskel-, Skelett-,
Bindegew.
2
3
4
Alle Diagnosen
2
4
4
0
3
4 ND
2
1
3 ND
0
1 ND
2 ND
keine ND
Sucht
4
4
Quelle: RWI
DRV Reha
- 13 -
Agenda
Ziele und Vorgehensweise
Ergebnisse
Anhang
DRV Reha
- 14 -
Ergebnisse (I)
Funktionsfähigkeit
•
Reha führt zu einer deutlichen Verbesserung des gemeldeten
Gesundheitszustandes
•
Nur geringe Unterschiede zwischen ambulanter und stationärer Reha
Erwerbstätigkeit
•
Vorher-Nachher-Vergleich: Erhöhung der Erwerbstätigkeit um 5 bis 6%Punkte
•
Stationäre Reha im Vergleich zu keiner stationären Reha:
•
-
im Mittel Erhöhung der Erwerbstätigkeit um 3 bis 8%-Punkte(1)
-
bei keiner Erwerbstätigkeit vor Reha: Erhöhung um etwa 10%-Punkte
-
bei einer Erwerbstätigkeit vor Reha: Reduktion um rund 2%-Punkte
Vergleich ambulant-stationär: ambulante mit keinen schlechteren
Ergebnissen als stationäre Reha
(1)
Je nach gewählter Methodik
Quelle: RWI
DRV Reha
- 15 -
Ergebnisse (II)
Erwerbsminderungsrente (EMI)
•
Vorher-Nachher-Vgl.: Weiterbezug kann durch Reha leicht reduziert werden bei
Betrachtung aller Diagnosegruppen und der somatischen Funktionsstörungen
•
Andere Methoden: keine Reduktion erkennbar
•
Vermutlich jedoch für alle Personen (mit oder ohne Reha) generell Trend zur Verschlechterung: Bei Rehabilitanden ohne EMI vor Reha  positiver Anteil mit EMI
nach Reha
Rehabilitationserfolg in Abhängigkeit der Dauer der Erwerbslosigkeit vor der Reha
•
Vorher-Nachher-Vergleich: Besserer Reha-Erfolg mit sinkender Dauer der
Erwerbslosigkeit vor der Reha
•
Andere Methoden: Kein solcher Zusammenhang
Generell: Keine relevanten Unterschiede nach Trägerschaft und Größe der Einrichtung
Gesamtergebnis: Verhalten positive Effekte der Reha
Datenlage ungünstig, weil nicht zum Zweck der Evaluation erhoben
Empfehlung: Aufbau Datenbestand mit dem Zweck der späteren Evaluation
Quelle: RWI
DRV Reha
- 16 -
Backup
Überwiegend positive Effekte auf Erwerbstätigkeit
Differenzen-von-Differenzen
Vergleich: stationäre Reha mit keiner stationären Reha für alle
Diagnosegruppen zusammen
Teilstichproben
Alle Ergebnisgrößen
1. Monat vor Reha
Ergebnisgröße
Mittelwert 1.
Monat vor der
Reha
Ergebnisgröße = 1
1. Monat vor Reha
Ergebnisgröße = 0
1. Monat vor Reha
“Effekt” stationär vs. keine stationäre Reha
(Diff.-von-Diff.)
Erwerbstätigkeit 6. Monat
59,30%
7,85***
-2,47***
9,61***
Erwerbstätigkeit 12. Monat
59,30%
7,81***
-1,87**
9,60***
Propensity
Score Matching
Anmerkung: ***= signifikant auf 1%, **= signifikant auf 5%, *= signifikant auf 10%. Angaben in %-Punkten. N = 37.131.
Ergebnisgröße
Mittelwert (unmatched)
Behandlungsgruppe (stat. Reha)
Effekt stationär vs. keine stationäre
Reha
Erwerbstätigkeit 6. Monat
63,78%
3,20**
Erwerbstätigkeit 12. Monat
65,16%
3,43**
Anmerkung: 5-1 Nearest Neighbour Matching. Caliper: 0,0000001; ***= signifikant auf 1%, **= signifikant auf 5%, *= signifikant auf 10%.
Quelle: RWI
DRV Reha
- 17 -
Backup
Reha mit positivem Effekt auf Weiterbezug
von Erwerbsminderungsrente
Vergleich: Vorher-Nachher
Teilstichproben
Alle Ergebnisgrößen
1. Monat vor Reha
Ergebnisgröße
=1
1. Monat vor
Reha
Ergebnisgröße
=0
1. Monat vor
Reha
Mittel-wert
1. Monat vor
der Reha
“Effekt” Reha (VorherNachherVergl.)
“Effekt” der
Reha (VorherNachherVergl.)
“Effekt” der
Reha (VorherNachherVergl.)
Erwerbsminderungsrente
6. Monat
2,37%
1,47***
-2,12***
1,53***
Erwerbsminderungsrente
12. Monat
2,37%
2,35***
-0,91**
2,41***
Ergebnisgröße
Alle Diagnosegruppen:
Alle Diagnosegruppen somatischer Funktionsstörungen:
Erwerbsminderungsrente
6. Monat
1,57%
0,97***
-2,19***
1,50***
Erwerbsminderungsrente
12. Monat
1,57%
2,28***
-0,91**
2,33***
Anmerkung: ***= signifikant auf 1%, **= signifikant auf 5%, *= signifikant auf 10%. Angaben in %-Punkten. N = 40.352.
Quelle: RWI
DRV Reha
- 18 -
Backup
Dagegen keine Effekte bzgl. EMI bei Diff-von-Diff-Ansatz
Vergleich: stationäre Reha mit keiner stationären Reha für alle
Diagnosegruppen zusammen
Teilstichproben
Alle Ergebnisgrößen
1. Monat vor Reha
Ergebnisgröße
Mittelwert
1. Monat
vor der
Reha
Ergebnisgröße = 1
1. Monat vor
Reha
Ergebnisgröße = 0
1. Monat vor
Reha
“Effekt” stationär vs. keine stationäre Reha
(Diff.-von-Diff.)
Erwerbsminderungsrente 6. Monat
2,04%
0,31
0,84
0,17
Erwerbsminderungsrente 12. Monat
2,04%
-0,04
0,78
-0,17
Anmerkung: ***= signifikant auf 1%, **= signifikant auf 5%, *= signifikant auf 10%. Angaben in %-Punkten. N = 37.131.
Quelle: RWI
DRV Reha
- 19 -
Gemeinsames Statement der Deutschen Rentenversicherungen Rheinland
und Westfalen
zum Abschlussbericht des RWI Essen zur
Evaluation medizinischer
Rehabilitationsleistungen der Deutschen Rentenversicherung Rheinland und
der Deutschen Rentenversicherung Westfalen
Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland hat zusammen mit der Deutschen Rentenversicherung W estfalen das Forschungsprojekt Evaluation medizinischer Rehabilitationsleistungen
der DRVdes Rheinisch-Westfälischen Institutes für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen gefördert.
Ziel war es, mit einem ökonomischen Forschungsansatz die Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation auf Basis von Routinedaten der beiden RV-Träger zu evaluieren. Dies ermöglichte neben den eigenen Analysen der Rentenversicherungsträger einen externen Blick auf
die Erfolge von Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation. Ebenso wurden mögliche
Unterschiede zwischen stationärer und ambulanter Rehabilitation betrachtet sowie eine Bewertung des Einflusses der Trägerschaft und der ausführenden Reha-Einrichtungen auf die
Rehabilitationsergebnisse vorgenommen.
Ein grundsätzliches Problem bei der Bewertung von Rehabilitationsmaßnahmen ist das Fehlen von Vergleichsgruppen. Ein klassisches Kontrollgruppen-Design ist aufgrund ethischer
Vorgaben nur eingeschränkt bzw. gar nicht möglich, da die RV-Träger keinem Versicherten,
der einen Anspruch auf eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation hat, die Rehabilitationsmaßnahme versagen können. Das RWI hat nun auf Basis von anonymisierten Routinedaten der Träger versucht, sich der Vergleichsproblematik anzunähern, indem im Sinne eines Fall- Kontrollgruppendesigns Analysen im Differenzenvergleich und Propensity-ScoreMatching durchgeführt wurden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Routinedaten der
Deutschen Rentenversicherung zwar sehr umfangreich sind, jedoch wichtige Daten, wie z.B.
die Diagnosen aus abgelehnten Rehabilitationsanträgen, datentechnisch nicht verarbeitet
werden.
Der vom RWI gewählte Vergleich von Versicherten, die eine medizinische Rehabilitation
durchgeführt haben, mit den Versicherten, deren Antrag auf Rehabilitation abgelehnt worden ist, ist nicht unproblematisch. Die Gründe für die Ablehnung eines Reha-Antrags können sehr vielfältig sein. Es kann folglich nicht ohne W eiteres unterstellt werden, dass alle
1
Versicherten, deren Rehabilitationsantrag abgelehnt wurde, weiterhin voll arbeitsfähig waren. Ablehnungen können auch aus Gründen wie Nichtvorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen oder wegen mangelnder Fähigkeit überhaupt eine Rehabilitation
durchführen zu können ausgesprochen werden. So kann davon ausgegangen werden, dass
überwiegend Anträge abgelehnt wurden, bei denen die Versicherten ohne besondere Probleme arbeitsfähig waren oder bei denen die Versicherten so schwer erkrankt waren, dass
eine Reha nicht sinnvoll erschien. Dieses Problem, keine adäquate Vergleichsgruppe aus
den Daten der abgelehnten Rehabilitationsanträge generieren zu können, die mit den „normalen“ Rehabilitanden vergleichbar sind, hat auch Einfluss auf die Ergebnisse der Analysen. Diese sind daher nicht eindeutig und können aufgrund der analysierten Daten keine
klare Evidenz nachweisen.
Der vom RWI gewählte Ansatz wird dennoch Diskussionen anstoßen und weiteren Forschungsbedarf aufdecken, zumal moderne statistische Methoden auch neue Möglichkeiten
der Analyse bieten.
Aus Sicht der Deutschen Rentenversicherungen Rheinland und Westfalen sind folgende
Ergebnisse wesentlich:
▪
Versicherte, die eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt haben, schneiden im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit besser ab als die Versicherten, deren Reha-Antrag abgelehnt wurde. Der Effekt ist zwar gering, jedoch basiert in der Regel die Ablehnung auf
der Annahme, dass der/die Antragsteller/in auch ohne Rehabilitation in der Arbeitswelt
verbleiben konnte. Daher deutet das Ergebnis auf eine klare Zielerreichung durch Rehabilitation hin, das Niveau der Erwerbsfähigen zu erreichen.
▪
Es gibt auf den ersten Blick kaum nennenswerte Unterschiede zwischen ambulanter und
stationärer Rehabilitation. In geeigneten Fällen gilt es also auch künftig ambulante Rehabilitationsmaßnahmen anzubieten. Stationäre Rehabilitation wird in vielen Fällen weiterhin erforderlich sein (z.B. wegen des Schweregrads der Erkrankung, die Wohnortnähe
ist dem Behandlungserfolg nicht zuträglich oder die Versorgung in ländlichen Gebieten
ist nicht gegeben).
▪
Auf den ersten Blick gibt es in den Ergebnissen kaum Unterschiede zwischen den verschiedenen Klinik-Trägerschaften, auch nicht zwischen Einrichtungen unterschiedlicher
Größe und Abteilungsstruktur. Dies weist auf ein funktionierendes Qualitätssicherungssystem seitens der Steuerung durch die Träger hin. Versicherte können sich demnach
auf ein gleichbleibend hohes Qualitätsniveau bei der Rehabilitation unabhängig von der
ausführenden Einrichtung verlassen.
2
▪
Der Anteil der Rehabilitanden, die im sechsten und/oder zwölften 12. Monat nach der
1
Reha wieder erwerbstätig sind, ist umso höher , je schneller die Rehabilitation nach Ende einer Erwerbstätigkeit (aufgrund von Krankheit) einsetzt. Dies unterstreicht die These, dass die Versicherten möglichst frühzeitig in die Rehabilitation kommen müssen, um
sie langfristig wieder in das Erwerbsleben zu reintegrieren. Hierzu führen die Rentenversicherungen schon eine Reihe von Programmen durch, die an verschiedenen Stellen
ansetzen (Betsi, „Plan-Gesundheit“, PAULI, WebReha).
Für die nordrhein-westfälischen Rentenversicherungsträger ergeben sich folgende Handlungsfelder:
▪
Die Forschung zum Thema „Vergleich der Reha zu anderen Interventionen, zu Nichtinterventionen oder anderen Reha-Formen (zum Beispiel eine zeitlich flexibel gestaltete
Rehabilitation)“ sollte in Zukunft intensiviert werden. Dabei gilt es, ethischen und datenschutzrechtlichen Problemstellungen durch innovative Forschungskonstruktionen entgegenzutreten.
▪
Für ein möglichst frühzeitiges Zugehen auf die Versicherten zur Identifikation von Rehaund Präventionsbedarf bedarf es verlässlicher Instrumente und eines niederschwelligen
Zugangs.
▪
Es müssen verstärkt Anstrengungen unternommen werden, die Rehabilitation passgenau auszugestalten und zwar in Hinblick auf die Anforderungen der jeweiligen Indikationen und den persönlichen Bedürfnissen der Rehabilitanden.
▪
Eine genauere Betrachtung und Erfassung derjenigen Versicherten, deren Reha-Anträge
abgelehnt worden sind, könnte helfen, bei Forschungsansätzen wie denen des RW I,
bessere Datengrundlagen für die Forschenden bereitzustellen.
Insgesamt ist es aus Sicht der Deutschen Rentenversicherungen Rheinland und Westfalen
mit dem Projekt gelungen, die Möglichkeiten und Grenzen einer ökonomischen Analyse der
Rehabilitation auf Basis von Routinedaten darzustellen. Die Ergebnisse decken sich mit den
Erkenntnissen der Rentenversicherungsträger und bieten eine gute Grundlage für weitere
Handlungsansätze in Forschung und Praxis.
Düsseldorf und Münster 09.September 2015
1
Dieses Ergebnis bezieht sich auf den „Differenzen zu Differenzen“-Ansatz. Bei der Matching-Analyse relativieren sich
diese Ergebnisse.
3