Bewerbungscoaching _Motivationsschreiben

Bewerbungscoaching für Studienpioniere: Motivationsschreiben
Von Bernd Ehgart
I. Über mich – anschließend über Studierfähigkeit und Motivationsschreiben
Ich betreibe in Wettenberg bei Gießen ein Lektorat, und das seit ungefähr dreißig Jahren. Meine
Auftraggeber sind Unternehmen, Privatleute und ganz oft auch Studierende. Wissenschaftliche
Schreibberatung hat sich zu einem Schwerpunkt meiner Tätigkeit entwickelt: Ich unterstütze
Studierende beim Schreiben ihrer Studienarbeiten, weil das in der Regel weder am Gymnasium
noch an der Universität gelehrt und schon gar nicht praktisch geübt wird. Ich bin aber kein
Ghostwriter. Das halte ich für unmoralisch. Stattdessen mache ich Vorschläge, und zwar in
Form von Randkommentaren (mit der Kommentarfunktion von „Word“), wo und wie ich in einem
Text Verbesserungsmöglichkeiten sehe. Meine Kunden übernehmen dann entweder meine
Hinweise, oder variieren sie, oder wir besprechen den Randkommentar telefonisch. Ich will
niemanden belehren, sondern Wege zeigen.
Was macht gute Texte gut? Das war für mich in meinem Studium die zentrale Frage. Studiert
habe ich Deutsch, Politik/Wirtschaft, außerdem Philosophie und ich habe mit großer Freude
unterrichtet, überwiegend Sekundarstufe II, war lange Vertrauenslehrer – manchmal auch für
entmutigte Kollegen.
Wenn du mehr über mich wissen willst, schau mal unter „www.lektorat-textagentur.de“. Der
Begriff „Textagentur“ soll dem Leser „auf den ersten Blick“ (so funktioniert Werbung) sagen: In
diesem Lektorat passiert sehr viel mehr als nur Korrektur von Rechtschreibung,
Zeichensetzung, Grammatik und höchstens noch Schreibstil.
II. Liebe Schülerin, lieber Schüler –
und jetzt sind wir beim Thema Motivationsschreiben:
Frage dich doch mal, ob du aufgrund des ersten Absatzes des Textes I. den Herrn Ehgart
irgendwie vor deinem geistigen Auge siehst.
Wie du ihn sehen sollst, ist klar: Freundlicher älterer Herr, als Lehrer und auch sonst engagiert,
geht auf Menschen ein, hat mehr studiert und nachgedacht, als für den Lehrerberuf unbedingt
nötig war. Er ist im Grunde ein Menschenfreund, mit Interesse daran, andere (und sich)
weiterzubringen. Es könnte sein, das ihm der Ausdruck „Gutmensch“ nicht gefällt, und
wahrscheinlich könnte er viel dazu sagen, warum das so ist.
Wenn du so oder so ähnlich über mich denkst, oder zumindest der Meinung bist, dass man
aufgrund des ersten Absatzes von I. so über mich denken könnte, dann ist der erste Absatz von
I. ein guter Text, denn genau das ist sein Zweck: Ich will, dass ein positives, aber dennoch
realistisches Bild von mir als Person entsteht. Eine Person bin ich, weil ich etwas sehr (aber das
sagt wohl jeder über sich) Individuelles habe, nämlich Menschen beim Schreiben ihrer Texte zu
beraten, ohne sie zu bevormunden. Ein Lehrer, der niemanden belehren will – und das könntest
du interessant finden.
Der gesamte Text, bis zu dieser Stelle hier, ist so „gemacht“, dass du genau das denken und
vor allem in Erinnerung behalten sollst, was im Satz zuvor steht: „Ein Lehrer, der niemanden
belehren will!“ In diesem Sinne ist alles, was im Text steht und wie es im Text steht, Absicht.
Wenn du jetzt denkst: „Hoppla! Ist das nicht Manipulation?“, dann stellst du Fragen an einen
Text und bringst ihn mit eigenem Wissen (aus eigener Erfahrung oder wiederum aus Texten) in
Verbindung. Und genau das ist Studierfähigkeit, um die es der Studienstiftung geht und die sie
fördern will.
In der Sache hast du mit dem Gedanken an Manipulation recht. Wenn man den Leser so
beeinflusst, dass er denkt, was er denken soll, dann hat das mit Manipulation zu tun. In der
Wissenschaft heißt so etwas „Wahrnehmungslenkung“. Wenn du diesen Begriff liest und
denkst: „Aber das ist doch nur ein anderes Wort für die gleiche Sache und ein Problem ist es
trotzdem“, dann hast du wiederum recht. Sich nicht täuschen zu lassen, wenn jemand mit einem
hübschen Begriff etwas vernebeln will: Auch das ist Studierfähigkeit.
Jetzt kann man weiterdenken und fragen: Hat nicht mit Ausnahme von dem, was im
Mathematik- bzw. Physikbuch (und ähnlichen Büchern) steht, fast jeder Text mit Beeinflussung
des Lesers zu tun? Kann das nicht auch in Ordnung sein, wenn man nicht lügt und es z. B.
einem guten Zweck dient? Wer so fragt, überprüft sein eigenes Denken (und das Denken
anderer) mit dem eigenen Denken. Das hat nicht nur mit Studierfähigkeit zu tun. Das ist
Studierfähigkeit. Aber sei versichert: Was ich im ersten Absatz von I. über mich gesagt habe, ist
keine Lüge: erstens, weil das Thema von Philosophie u. a. „Wahrheit“ ist (was immer man sich
darunter vorstellen mag) und zweitens, weil ich wirklich so bin, wie es im ersten Absatz steht.
Aber kommen wir zum Motivationsschreiben zurück: Aus dem, was bisher in diesem Text steht,
lässt sich zum Schreiben von Motivationsschreiben einiges lernen, z. B.:
III. Was vor Abfassung eines Motivationsschreibens bedacht werden sollte:
1. Ein Motivationsschreiben ist Werbung in eigener Sache. (In I. und II. informiere ich nicht
nur, ich werbe auch für mich, und zwar, wie du vielleicht findest, in einer „guten
Mischung“. Man könnte auch sagen, einer „guten Mitte“ – das hat dann wieder viel mit
Philosophie zu tun.)
2. Jeder (gute) Text braucht Zeit. Deswegen spricht man von „Schriftstellern“: Das sind
Menschen, die sich genau überlegen, welches Wort warum wo stehen soll, wohin es
„gestellt“ werden soll, damit es genau das sagt, was es sagen soll.
3. Jeder gute Text braucht eine „Textidee“. Das ist der „innere Kern“ eines Textes, der den
Text sozusagen gedanklich zusammenhält. Auch wenn die Antworten auf die folgenden
Fragen vielleicht noch nicht ganz feststehen – im Falle eines Motivationsschreibens
wären das Fragen wie:
a) Was genau macht mich zu einer Person/Persönlichkeit? Was ist meine zentrale
charakterliche Eigenschaft?
b) Was ist mein zentrales Interesse? Was ist mir wirklich wichtig?
c) Habe ich Vorstellungen meine Zukunft betreffend? Welche sind das, und zwar
realistischerweise?
d) Woran erkennt die Außenwelt (andere Menschen) meine Antwort auf die Fragen
a) bis c). Anders gesagt: Woran merken denn die anderen, dass meine
Antworten auf die Fragen a) bis c) wirklich stimmen?
4. Jeder gute Text sagt etwas, was dem Leser in Erinnerung bleiben soll (siehe II. „Lehrer,
der nicht belehren will“). Das gilt vor allem für Motivationsschreiben, denn die
Auswahlkommission muss viel lesen und deswegen muss sie schnell lesen.
5. Jeder gute Text muss auf das eingehen, was der Leser (wissen) will. Das bedeutet: Man
muss mit dem Kopf des Lesers denken, wenn man einen guten Text „machen“ will. Also
muss man im Falle eines Motivationsschreibens fragen:
a) Was soll ein Bewerber „mitbringen“? Was erwartet die Studienstiftung, damit er
(Schülerinnen sind immer mitgemeint) eine Chance hat, an dem
Auswahlverfahren teilzunehmen? Was genau sind die Auswahlkriterien?
b) An welchen Stellen ihres Internetauftritts sagt mir die Studienstiftung, was ihr
wichtig ist? Was genau ist das?
6. Jeder gute Text muss so gemacht sein, dass der Autor dem „Adressaten“(der
Studienstiftung) gegenüber Wertschätzung (Achtung) zum Ausdruck bringt.
a) Wie kann ich zu erkennen geben, dass ich mich mit dem Angebot der
Studienstiftung wirklich intensiv beschäftigt habe?
b) Wie kann ich zu erkennen geben, dass ich das Angebot der Studienstiftung
wirklich interessant und wichtig finde?
c) Wie kann ich zu erkennen geben, dass es Übereinstimmungen zwischen dem
gibt, was die Studienstiftung erwartet, und dem, wie ich bin?
d) Wie kann ich zu erkennen geben, dass das Angebot, das die Studienstiftung
macht, in meinem Falle mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird,
dass ich also mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein (recht gutes) Abitur machen
werde, um anschließend erfolgreich zu studieren.
e) Wie kann ich zu erkennen geben, dass ich davon überzeugt bin, dass mich das
Angebot der Studienstiftung auch in meiner persönlichen Weiterentwicklung sehr
fördern wird.
7. Wie gesagt: Ein Motivationsschreiben ist (wie ein Bewerbungsschreiben) Werbung in
eigener Sache. Der Unterschied zur Produktwerbung ist aber natürlich: Ein
Motivationsschreiben muss absolut glaubhaft sein. Trotzdem lässt sich aus der
Produktwerbung viel für ein Motivationsschreiben lernen. (Was jetzt folgt, ergibt sich
teilweise aus dem zuvor, jetzt allerdings aus einer anderen Perspektive.)
a) Ein Produkt muss als interessant erscheinen. = Ein Bewerber braucht etwas
Besonderes.
b) Ein Produkt muss als leicht verfügbar/leicht zu handhaben erscheinen. = Ein
Bewerber muss interessant sein, keinesfalls aber darf er als schwierig (psychisch
angeschlagen), desorientiert („verpeilt“) usw. erscheinen. Deswegen sind in
einem Motivationsschreiben (nicht in diesen Text hier) Hauptsätze mit maximal
zwei Nebensätzen und ganz klare Formulierungen wichtig.
c) Ein Produkt braucht eine eindeutige „Botschaft“. = Ein Bewerber muss in einem
ganz wörtlichen Sinne ein gutes „Bild“ von sich abgeben (siehe II.). Und er muss
so schreiben, dass alles „stimmig“ ist. Schlecht ist also bspw., wenn im Text
einerseits steht, dass man ein sehr starkes Interesse an Menschen hat,
andererseits aber auch, dass man hofft, durch die Studienstiftung neue Freunde
zu finden. (So etwas Ähnliches habe ich tatsächlich in einem
Motivationsschreiben, in dem es um die Bewerbung für einen MasterStudienplatz ging, schon gelesen. Und das ist eine sehr unklare Botschaft, die
außerdem auf Einsamkeit, Kontaktarmut usw. des Bewerbers schließen lässt.
Was das für den Erfolg einer Bewerbung bedeutet, kann man sich leicht denken.)
Wenn du jetzt denken solltest: „Um Gottes willen, Herr Ehgart – unter 7. setzen Sie
Produktwerbung mit dem Motivationsschreiben eines Menschen gleich“, dann ist da viel Wahres
dran. Vor allem aber zeigt sich wieder einmal: Du befragst einen Text daraufhin, was zwischen
den Zeilen steht, was eigentlich gemeint und gesagt ist. In der Wissenschaft nennt man so
etwas den „Subtext“. Texte auf ihren Subtext hin zu befragen, hat auch sehr viel mit
Studierfähigkeit zu tun.
Aber Achtung: Auch die Auswahlkommission wird dein Motivationsschreiben auf seinen Subtext
hin lesen. Es ist also alles zu vermeiden, was als irgendwie nicht in deinem Sinne aufgefasst
werden könnte.
Wenn du diesen Text bis hierhin wenigstens etwas interessant findest, dann interessiert dich,
was andere sagen und wie sie es sagen – und auch das bedeutet Studierfähigkeit.
Studieren, ohne die Bereitschaft und manchmal auch die (harte) Mühe, einen anspruchsvollen
Text verstehen zu wollen, wird nicht funktionieren, egal in welchem Fach: Wissenschaft hat
immer mit dem Verstehen (und Schreiben – nicht Abschreiben: Denken statt Googeln, obwohl
auch Google ein ganz wichtiges Hilfsmittel beim wissenschaftlichen Arbeiten ist) von Texten zu
tun.
IV. Motivationsschreiben
Allgemeine Hinweise:
a) Nichts Wichtiges auf „den letzten Drücker“ machen. Es können immer Zeitverluste
eintreten: ein Tag, an dem einem nichts einfällt, Unterlagen/Bescheinigungen, die noch
besorgt werden müssen usw.
b) Frage dich: „Wen genau sucht die Studienstiftung?“ Hier ist z.B. der zweite Punkt unter
„Du hast was drauf“ wichtig, aber auch noch andere Stellen auf der Website. Der
Ausdruck „talentiert“ (und Ähnliches) bedeutet ganz sicher nicht, dass man ein
„verkanntes Genie“ sucht – im Bewerbungsgespräch unbedingt vermeiden, dich so
darzustellen, selbstbewusst aber solltest du schon wirken –, aber man sucht schon
jemand, der glaubt, etwas (für sein Alter) besser zu können als viele andere. Und man
sucht jemanden, der sich engagiert, vor allem im sozialen Bereich (im weitesten Sinne
verstanden). Das kann auch ein Fußballverein (auch einer für junge Frauen) sein. Was
man bei der Studienstiftung jedenfalls nicht will, sind „Couch-Potatoes“. (Man kann den
Begriff problematisch finden. Über so etwas nachdenken zu wollen, Google sagt etwas
dazu, auch das bedeutet Studierfähigkeit.)
c) Lies das Schreiben noch einmal an einem anderen Tag, wenn Zeit ist, noch öfter.
d) Lass es durch Menschen deines Vertrauens gegenlesen, sowohl inhaltlich (auch dazu
kann diese Anleitung hilfreich sein) als auch auf Rechtschreibung, Zeichensetzung,
Grammatik und Stil. Die Korrekturfunktion von „Word“ findet viele Fehler, aber nicht alle.
Der Duden-Verlag hat einen hervorragenden Band „Professionelles Bewerben“
herausgebracht. Der sagt zwar ganz direkt nichts über Motivationsschreiben, ist aber bei
allem, was mit Bewerbung zu tun hat, sehr hilfreich. Außerdem gibt es aus dem gleichen
Verlag „Gutes und richtiges Deutsch“ und natürlich die „Duden-Rechtschreibung“. Nach
meiner Kenntnis gibt es eine Duden-CD, die diese beiden Bücher und zusätzlich den
„Fremdwörter-Duden“ enthält.
e) Halte dich unbedingt an die Vorgabe: nicht länger als eine Seite DIN A4; Zeilenabstand
1,5; klassisch „Times New Roman“ (für dein Manuskript). Der besseren Lesbarkeit
wegen unbedingt mit Doppelabsätzen (eine durgehend freie Textzeile; Doppelabsätze
kann man mit einem Einfachabsatz untergliedern, wenn es zum Thema, das der Absatz
behandelt, unterschiedliche Aspekte gibt ( siehe V., „Absatz 3“).
f) Vermeide
unbedingt
Redundanzen:
überflüssige
Wörter,
Wiederholungen,
umständliches Formulieren, etwas was den Leser wahrscheinlich überhaupt nicht oder
nur ganz am Rande interessiert usw.
g) Behalte unbedingt Schreibungen wie „StudienStiftungSaar“ (der Fachbegriff dazu:
„Eigenschreibung“) bei und erwähne, dass es um das Junior-Stipendium geht. In diesem
Zusammenhang ist wichtig: „Junior-Stipendium“, aber Studienpionier (beides tolle
Ausdrücke – insbesondere der letzte).
V. Die Textelemente (Absätze)
Überschrift
Klar: „Motivationsschreiben“, mittig, fett, unterstrichen.
Anrede
Klassisch natürlich: „Sehr geehrte Damen und Herren“, es gibt wohl keine andere Möglichkeit.
Dahinter aber das Komma nicht vergessen, und dann natürlich klein weiter, nach Möglichkeit
nicht mit „ich“, gilt auch für andere Satzanfänge. (Das muss man nicht für sinnvoll halten, es ist
eine Konvention.)
Absatz 1: Warum die StudienStiftungSaar?: Bezug auf Website nehmen
a) Bewerbungsratgeber sagen, dass man die Quelle des Angebots angeben soll. Wie ist
man auf die Ausschreibung aufmerksam geworden? Vielleicht sogar, welchen Anlass es
zu dieser Suche gegeben hat.
b) Folgesatz: Formulierungen wie „Hiermit möchte ich mich auf die Ausschreibung
bewerben“ oder auch „[…] möchte ich Ihnen meine Motivation näher bringen […]“, sind
für sich genommen redundant (überflüssig), weil schon in der Überschrift steht, worum
es geht. Man kann diese Redundanz nicht vermeiden, denn man muss ja sagen, dass
man sich bewerben will. Aber man kann sie stark abmildern, und zwar, indem man sofort
sagt, warum man sich bewirbt. Und dazu bietet die Studienstiftung auf ihrer Website
sehr gute Hinweise. Man kann es z. B. bereits toll finden, dass die Studienstiftung nicht
nur nach der Schulnote auswählt, sondern auch auf die Persönlichkeit des Bewerbers
schaut, und vor allem auf sein soziales Engagement. Oder man kann es toll finden, dass
die Studienstiftung einen mit der Wirtschaft in Kontakt bringt. Oder man findet etwas
anderes gut, was unter „Unsere Förderung“ oder woanders in den Websitetexten
(hauptsächlich, aber nicht nur für Schüler) steht. Wenn man in einem oder zwei
Beispielen sagt, was man persönlich toll findet, bringt man sich zum Leser in eine
persönliche Beziehung (siehe I. und II.), denn man hat dem Leser/der Auswahlkommission (im Subtext: siehe oben) gesagt: „Ihr macht etwas ganz Tolles!“ Und viel
wichtiger noch: „Ich habe mich sehr genau mit der Studienstiftung und ihrem Angebot
befasst, und zwar wirklich sehr genau. Meine Bewerbung ist überhaupt nicht zufällig, ich
weiß sehr genau, warum ich mich bewerbe, wie ich überhaupt immer sehr genau weiß,
was ich warum tue.“ (Und das ist die entscheidende Botschaft an den Leser.) Für diesen
Absatz, so denke ich, 5 bis 7 Zeilen: Viel Aufwand für wenig Text, aber der „Einstieg“
entscheidet, ob dein Motivationsschreiben aufmerksam gelesen wird.
Absatz 2: Wer bin ich/was mache ich – in der Schule?
Hier geht es um dich als Mensch, in der Hauptsache aber um dich als Schüler. Die
Kommission möchte nämlich zunächst einmal mit Fakten „versorgt“ werden, damit sie
(auch vor sich selbst) ihr Urteil gut begründen kann. Dazu stelle dir Fragen wie diese –
und unbedingt alles ganz konkret machen, nur so interessiert es den Leser:
a) Gibt es ein Schulfach, das mich ganz besonders interessiert, und warum ist das
so? Gibt es in diesem Fach ein Thema, das mich ganz besonders interessiert,
z.B.: Mathematik und Logik, Chemie/Biologie und Umweltschutz, Physik und das
Weltall, Politik/Wirtschaft und Menschenrechte. Lese ich zu meinem
Thema/meinen Themen? Tausche ich mich darüber mit anderen aus? Vielleicht
auch das Thema Deutsch und eigenes Schreiben oder das Interesse am
Menschen (literarischen Figuren). Oder ist es die Kunst? Oder ist es die Musik?
Wichtig aber: Nicht nur zu sagen, was dich warum stark interessiert, sondern
auch, wie sich dieses Interesse konkret äußert.
b) Habe ich in der Schule Kenntnisse erworben, die über das Übliche hinausgehen eine Arbeitsgemeinschaft, eine zusätzliche Sprache? Spiele ich begnadet
Schach?
c) Bin ich in anderer Weise in der Schule aktiv? Bin ich Schulchor? Spiele ich ein
Instrument? Aktivitäten, die für die Kommission von Interesse sind, findest du
unter „Persönliches Bewerberprofil anlegen“. Unbedingt auch dort ausfüllen, aber
auch im Motivationsschreiben erwähnen.
Absatz 3: Textelement 1: Wer bin ich/was mache ich – außerhalb von Schule?
Hier geht es um dich als Mensch, in der Hauptsache um dich als „Privatmensch“. Die
Kommission möchte sich nämlich ein „Bild“ (ganz wörtlich: siehe II.) von dir machen
können.
Dazu ist insbesondere wichtig, was bei bei III. und den Punkten 2. und 3. steht. Für
Textelement 1 brauchst du eine „Textidee“: Was soll dem Leser in Erinnerung bleiben
(siehe II. in Bezug auf mich selbst) ?. Hinweise dazu findest du im Bereich „Persönliches
Bewerberprofil anlegen“. Wichtig ist hier (in dieser Reihenfolge):
a) Was genau machst du?
b) Wie äußert sich das konkret?
c) Warum genau machst du es?
Zu a): Einmal angenommen, du bist bei der Jugendfeuerwehr. Dann ist für die
Kommission interessant, Konkretes zu erfahren:
- Seit wann? (Beginn deines Interesses für anderes als für dich selbst?)
- Mit welchem zeitlichen Aufwand? (Dein Engagement konkret?)
Zu b): Hier gibst du der Kommission durch Beschreibung deiner Tätigkeit (im Subtext:
siehe oben) zu erkennen, wer du bist, und zwar sozusagen überprüfbar:
- Was sind deine Aufgaben? (Hast du Verständnis für Technik? Verstehst du
komplizierte Zusammenhänge?
- Bist du teamfähig? (Unterstützt du andere Menschen bei der Lösung ihrer
Aufgaben? Gehst du auf sie ein? Kannst du zuhören?)
- Übernimmst du Verantwortung für die Aufgabe/für andere? (Traust du dir etwas zu?
Denkst und handelst du selbständig und „lösungsorientiert“?)
Zu c): Dieser Punkt ist besonders wichtig, denn hier geht es um den Kern deiner Person
(siehe III., 2a) und 2b).
- Interessiert dich die Technik?
- Willst du Menschen in Not professionell beistehen können?
- Willst du Herausforderungen meistern, auf die man sich zwar vorbereiten kann, die
aber nie wirklich planbar sind, weil eben jeder Einsatz anders ist.
- Interessiert dich die Kameradschaft – das gemeinsame Bewältigen einer Aufgabe?
Diesen Absatz sehe ich als den entscheidenden. Hier kann (und muss) deutlich werden,
wer du als Person (siehe I. und II.) bist, beim Beispiel Feuerwehr: ein Techniker, ein
Helfer, der Mutige, der Freund der Freunde, ein Problemlöser, ein „Teamplayer“ oder
alles zusammen. Selbstverständlich kommen alle diese Begriffe nicht wörtlich in deinem
Text vor, sondern, wie alle anderen Begriffe dieser Art, nur im Subtext (siehe zuvor).
Wohlgemerkt: Das mit der Feuerwehr ist nur ein Beispiel: Es lässt sich auf jedes andere
intensive Interesse übertragen.
Abs. 3 sollte noch ein zweites Textelement haben: Den Leser interessiert nämlich auch
noch ganz sicher, ob du dir in Bezug auf deine Zukunft schon Gedanken gemacht hast.
Erstens aber erwartet niemand einen durchdachten Lebensplan - und zweitens kommt
es sowieso häufig oder meistens anders, als man denkt. Was aber deutlich werden
sollte, ist, dass du dir überhaupt Gedanken über deine Zukunft gemacht hast. Die
Studienstiftung (sie arbeitet wie ein Unternehmen) muss nämlich sicherstellen, dass
Geld und Zeit („Ressourcen“) gut (in dich) investiert sind.
Absatz 3: Textelement 2: Blick in die Zukunft
Das Thema Zukunft ist innerhalb des dritten Absatzes ein zweites Thema. Deswegen
kann man das mit einem Einfachabsatz (siehe oben) kenntlich machen.
Vielleicht hast du aufgrund deiner schulischen Interessen schon Vorstellungen in Bezug
auf deine zukünftigen Studienpläne. Die Studienstiftung will ja die Aufnahme eines
Studiums unterstützen. Es muss jetzt z. B. überhaupt noch nicht heißen: „Ich könnte mir
vorstellen, Umwelttechnologie zu studieren.“ Völlig ausreichend (und glaubhafter) ist:
„Ich würde gerne ein technisches Fach studieren, vielleicht etwas mit Umweltschutz.“
Vielleicht hat sich aber auch eine Vorstellung in Bezug auf einen späteren Beruf aus
deiner Tätigkeit bei der Feuerwehr ergeben (um noch einmal beim Beispiel zu bleiben).
Wichtig ist bei diesem zweiten Textelement von Abs. 3, dass es mit Textelement 1 aus
Abs. 3 zu tun hat, und auch mit Abs. 2. Beispiel: Wer in Abs. 2 sagt, dass er mit großer
Begeisterung Fabeltiere zeichnet, dann in Abs. 3 im ersten Textelement sagt, dass er
eine Risikosportart betreibt, dann im zweiten Textelement von Abs. 3 sagt, dass er sich
als Beruf eine anspruchsvolle Tätigkeit bei der Stadtverwaltung in Saarbrücken
vorstellen kann und deswegen an einer Hochschule für Verwaltungswissenschaften
studieren möchte, der verwirrt den Leser schon ein bisschen, und dieses Letztere darf
überhaupt nicht sein. Das ist ein absolutes Ausschlusskriterium!
Hier schon als Zusammenfassung: Im gesamten Motivationsschreiben, einschließlich
der noch folgenden Absätze, muss deine/eine zentrale Charaktereigenschaft (oft sind es
auch Eigenschaften, aber die sollten sich dann ergänzen) eindeutig klar werden. Das
meine ich bei III. mit „Textidee“.
Absatz 4: Warum wendest du dich an die Studienstiftung?
Dieser Absatz ist nicht ganz einfach – auch nicht für mich als dein „Schreibberater“,
wenn du mich so sehen willst.
Klar ist: Die Studienstiftung fördert junge Leute, deren Eltern keine Akademiker sind, und
von denen sie annimmt, dass sie finanzielle und ideelle Unterstützung (siehe „Unsere
Förderung“) gut gebrauchen können. Klar ist: Die Studienstiftung unterstützt JuniorStipendiaten mit einem Geldbetrag, sobald diese zu „echten“ Stipendiaten geworden
sind. Das bedeutet: Sie wendet sie sich an junge Leute, deren Eltern Geld nicht im
Überfluss haben.
Lies bitte, was ich jetzt sage, wirklich nur als Anregung, um selber darüber
nachzudenken: Bevor man überlegt, was man tun soll, ist es oft ganz gut zu überlegen,
was man nicht tun sollte: Ich selbst würde mich niemals als „arme Kirchenmaus“
darstellen, und ich bin auch ganz sicher, dass die Studienstiftung das überhaupt nicht
erwartet. Trotzdem muss natürlich der Abs. 4 zwei Informationen enthalten: a) dass
deine Eltern keine Akademiker sind, b) das Geld eben nicht im Überfluss vorhanden ist.
Beides würde ich eher indirekt zum Ausdruck bringen, also „signalisieren“ (so heißt der
Fachausdruck): a) kann man mit dem Begriff, den die Studienstiftung selbst verwendet
„signalisieren“, nämlich „Studienpionier“ (ich habe schon erwähnt, dass ich diesen
Begriff ganz toll finde); b) kann man in etwa so signalisieren: Der Geldbetrag, den die
Studienstiftung zur Verfügung stellt, ist eine willkommene Unterstützung.
Für Abs. 4 könnten sich demzufolge folgende Inhalte ergeben:
a) Du kommst aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt. (Das muss erwähnt werden,
weil das ganz direkt mit dem Zweck der Stiftung zu tun hat.)
b) Selbstverständlich bist du deine Eltern dankbar, für alles, was sie für dich tun und
getan haben. Du siehst in ihnen ganz wichtige Gesprächspartner und Begleiter
auf deinem Lebensweg.
c) Die ideelle Förderung, die die Studienstiftung anbietet, ist für dich wichtig, weil sie
dich in deiner geistigen und persönlichen Entwicklung als Schülerin/Schüler
weiterbringt und deswegen auch die Chancen auf ein erfolgreiches Studium mit
einem guten Abschluss erheblich erhöht.
d) Du siehst in den Fördermöglichkeiten, welche die Studienstiftung über das
Finanzielle hinaus anbietet, für dich eine großartige Chance. (Du siehst: Bei d)
gibt es eine Wortwiederholung zu c), die keine betonende Funktion hat, also eine
Redundanz: das Wort „Chance“. Ich habe diese (vermeidbare) Wortwiederholung
bewusst im Text gelassen, um deutlich zu machen: Sogar ein Lektor muss
seinen Text immer auch kritisch und auf Fehler lesen.)
Absatz 5: Bitte um Einladung zum Gespräch
Das ist der wichtigste Inhalt dieses Absatzes. Vielleicht sollte er nicht ganz alleine
stehen (weil das dann vielleicht zu fordernd wirkt). Für Abs. 4 könnten sich demzufolge
folgende Inhalte ergeben:
a) Eine Art Versprechen – ohne dass du diesen Begriff verwendest –, dass du dich
nach allen Kräften bemühen willst, das in dich gesetzte Vertrauen zu
rechtfertigen, wenn die Studienstiftung dich als Junior-Stipendiat annimmt.
b) Du freust dich auf eine Einladung.
Absatz 6: Grußformel mit vollständigem Namen
Zur Rechtschreibung: wichtig nicht nur Fehlerfreiheit, sondern auch Einheitlichkeit – Beispiele:
- Wenn vor „und“ mit nachfolgendem Hauptsatz ein Komma gesetzt wird, dann immer
so.
- Gleiches bei dem erweiterten Infinitiv mit „zu“. Beispiel: „Er versuchte alles, um zu
überleben.“
Nach der neuen Rechtschreibung (in der ganz modernen Fassung) ist das in beiden
Fällen „freigestellt“. Ich halte es in beiden Fällen für gut, ein Komma zu setzen, weil
manche nämlich nicht wissen, dass man es nicht mehr unbedingt braucht, und die
sehen dann einen Fehler.
- Wenn man „selbständig“ statt „selbstständig“ schreibt, dann auch „auf Grund“ statt
„aufgrund“ usw. Wenn der Rechtschreib-Duden mehrere Schreibungen angibt, nimm
immer diejenige, die (in der 26. Auflage) besonders hervorgehoben ist. Das ist die
Schreibung, die der Duden vorschlägt und entspricht auf der CD der Markierung mit
einem Häkchen. (Fachleute wissen: Dem
Duden unterlaufen viele
„Inkonsequenzen“, aber das muss dich nicht interessieren.)
Zum Stil: Niemand erwartet Perfektion. Aber: Korrekte Grammatik, eine klare
Gedankenführung im gesamten Text und das Vermeiden von inhaltlichen Wiederholungen
(auch indirekten) müssen (nicht „muss“: es ist Plural) schon sein. Und auch Zeichensetzung ist
wichtig. Sie kann sogar „sinntragend“ sein: „Der gute Mensch denkt an sich selbst zuletzt.“/ „Der
gute Mensch denkt an sich, selbst zuletzt.“ – Das wollte der Lehrer in mir doch noch mal gesagt
haben …
Schlussbemerkung
Ein recht langer Text. Auch das ist Absicht, denn Studierfähigkeit bedeutet vor allem die
Fähigkeit, sich einer Sache intensiv zuwenden zu können. Genau das meint das lateinische
Wort „studere“.
Viel Erfolg!
Dein (und euer)
Bernd Ehgart