„Die trauernden Juden im Exil“ – Ein Thema der Europäischen

„Die trauernden Juden im Exil“ –
Ein Thema der Europäischen Malerei
im 19. und 20. Jahrhundert
Inaugural–Dissertation
in der Philosophischen Fakultät I
(Philosophie, Geschichte und Sozialwissenschaften)
vorgelegt von
Nicole Brandmüller
aus
Nürnberg
D 29
Tag der mündlichen Prüfung: 27. November 2007
Dekan: Universitätsprofessor Dr. Jens Kulenkampff
Erstgutachter: Universitätsprofessor Dr. Karl Möseneder
Zweitgutachter: Universitätsprofessor Dr. Hans Dickel
Mein besonderer Dank gilt vor allem dem DAAD, Deutscher Akademischer
Austauschdienst,
ohne
deren
großzügige
Förderung
durch
ein
Auslandsstipendium diese Arbeit in der vorliegenden Form nicht hätte entstehen
können.
INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
7
„Die trauernden Juden im Exil“
in Literatur, Musik und bildender Kunst
7
Kritischer Literaturbericht
20
1. TEIL
I. B I B L I S C H E
UND
HISTORISCHE GRUNDLAGEN
23
1. Das Ende des Königreiches Juda (722–597 v. Chr.)
25
2. Die Zeit des Exils (597–537 v. Chr.)
27
3. Die Heimkehr und der Wiederaufbau des Tempels
(537–520 v. Chr.)
31
II. U M S E T Z U N G E N D E S B I L D T H E M A S
18. J A H R H U N D E R T S
BIS ZUM
ENDE
DES
32
1. Das „Dittochaeon“ des Prudentius (um 400 n. Chr.)
32
2. Mittelalterliche Psalterillustrationen (9.–13. Jh.)
34
Abendländische Buchmalerei
34
Byzantinische Buchmalerei
39
3. Die „Vorfahren Christi“ in der Cappella Sistina
(1508–12)
44
4. Wandmalereien in Synagogen (18. Jh.)
47
III. E N T W I C K L U N G
DES
BILDTHEMAS
1. Disparate Anfänge
William Blake und Giuseppe Bossi im Gefolge von
Jacques Louis Davids Gemälde „Der Schwur der Horatier“
(1784)
51
51
51
4
INHALTSVERZEICHNIS
Ferdinand Olivier und John Martin:
Die landschaftliche Konkretion
58
Adam Eberle als Exponent der Münchner Schule
61
2. Eduard Bendemann und die Typenbildung
im Rahmen der Düsseldorfer Schule
64
3. Ausdifferenzierungen im 19. Jahrhundert
82
Orientalisierung
82
Emotionalisierung des Weiblichen
101
Abweichende Umsetzungen
107
4. Disparate Nachwirkungen im 20. Jahrhundert
IV. V E R W A N D T E B I L D M O T I V E
112
118
1. „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“
118
2. „Gefangene Juden vor den Ruinen Jerusalems“
von Henry–Léopold Lévy (1869)
123
3. Narrative Darstellungen
125
„Wegführung der Juden in die babylonische Gefangenschaft“
125
„Rückkehr aus dem Exil“
130
4. Allegorische Darstellungen
132
„Das traurende (sic!) Jerusalem“ von Adam Eberle (1832)
132
„Zion und Babel“ von Eduard Bendemann (1854)
134
V. R E S Ü M E E
136
2. TEIL
KATALOG DER WERKE
Alphabetisches Register
171
5
INHALTSVERZEICHNIS
ANHANG
141
Abkürzungen und abgekürzt zitierte Nachschlagewerke
141
Abkürzungen der verwendeten biblischen Bücher
142
Quellen
143
Handschriftliche Quellen
143
Gedruckte Quellen
143
Literatur
146
Abbildungen
172
Abbildungsverzeichnis
172
Katalogabbildungen
175
Bildnachweis
185
6
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
E INLEITUNG
„Die trauernden Juden im Exil“ in Literatur, Musik
und bildender Kunst
„An den Flüssen Babylons, dort saßen wir und weinten,
wenn wir Sions gedachten. An den Weiden, die drinnen
sind, hiengen wir unsere Harfen auf.
Denn die uns gefangen wegführten, und die uns
wegnahmen, forderten da von uns Lieder: „Singt uns ein
Loblied von Sions Liedern!“ Wie sollten wir singen des
Herrn Gesang im fremden Land?“ 1
Diese Zeilen von Psalm 137 2 haben Kirchenväter, Dichter, Musiker und bildende
Künstler durch viele Jahrhunderte immer wieder zu Werken unterschiedlichster
Natur angeregt und erfuhren in der Malerei des 19. Jahrhunderts eine Art
Typisierung unter dem Titel „Die trauernden Juden im Exil“. Das ist auch der Titel
von Eduard Bendemanns berühmtem Bild, weswegen dieser Titel als Thema der
hier vorliegenden Arbeit gewählt wurde.
Eine philosophisch–theologische Ausgestaltung erfuhr der Psalm durch die
Kirchenväter Hilarius († 367) 3 , Hieronymus (um 347–419/20) 4 und Augustinus
(354–430) 5 .
1
2
3
4
5
Psalm 137, Verse 1–4. Verse 5–9 lauten:
„Vergeß ich dein, Jerusalem, so werde meine Rechte vergessen:
es klebe meine Zunge an meinem Gaumen!
Wenn ich dein nicht gedenke,
wenn ich Jerusalem nicht setze über die erste meiner Freuden!
Gedenke, Herr, den Söhnen Edoms den Tag Jerusalems,
die da sprachen: Zerstöret, zerstöret sie bis auf den Grund!
Tochter Babylons, du Elende! Wohl dem,
der dir vergelten wird, was du an uns gethan!
Wohl dem, der deine kleinen Kinder nimmt
und die zerschmettert am Stein.“
Zitiert nach: Die Heilige Schrift des alten und neuen Testamentes. Dritter Theil. Erste Abteilung,
welche das Buch Hiob und die Psalmen enthält. Aus der Vulgata mit Bezug auf den Grundtext
neu übersetzt, und mit kurzen Anmerkungen erläutert von Joseph Franz von Allioli, Nürnberg
1832.
Psalm 137 entspricht in der Vulgata Psalm 136. In der vorliegenden Arbeit wird die
Bezeichnung Psalm 137 verwendet.
„Tractatus super Psalmos”, um 365 n. Chr., vgl. CSEL 22, 1891, S. 725.
„Commentarioli in Psalmos”, vgl. CCL 72, 1959, S. 241f.
“Enarrationes in Psalmos” 416 n. Chr., vgl. CCL 40, 1956, S. 1964–1978.
Grundlegendes zu den Kirchenvätern siehe Altaner, Berthold, Stuiber, Alfred: Patrologie,
Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg, Basel, Wien 19788.
7
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
Hieronymus z. B. versteht den Psalm dreifach: Zum einen als Gefangenschaft
des jüdischen Volkes, zum anderen als die aus der Kirche ausgestoßenen Sünder
und zum dritten als „höhere Gefangenschaft, durch welche die einst edle Schar ins
Tal der Tränen weggeführt wurde.“ 6 Damit meint er die präexistenten Seelen, die,
bevor sie in die jeweiligen menschlichen Körper hinabsteigen, bei den
Himmlischen weilen und selig, also ohne Sünde sind. 7
Bei Augustinus werden die beiden Städte Jerusalem und Babylon zu Gut und
Böse abstrahiert. Allgemein führt die Auslegung der Kirchenväter zu einer
tropologischen Bedeutung: Der Antagonismus zwischen den Städten Babylon und
Jerusalem wird thematisiert. Babylon wird zum exemplarischen Ort der Sünde,
Jerusalem zu dem des Heils und der Erlösung. Die körperliche Gefangenschaft
der Juden, so versteht es auch Hilarius, ist ein Sinnbild der geistigen
Gefangenschaft des Menschen durch die Sünde. 8 Dies greift Luther in seiner
Schrift „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ von 1520 auf, wenn er
von der „Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ spricht. 9
Der lutherische Theologe und Kirchenliederdichter Cornelius Becker (1561–
1604) fasste 1601 den Plan, alle Psalmen in deutsche Lieder umzudichten. Es
6
7
8
9
Hieronymus’ „Commentarioli in Psalmos“, übersetzt und eingeleitet von Risse, Siegfried, Fontes
Christiani 79, Turnout 2005, S. 224.
Vgl. ebd., S. 59f.
Pillinger, Renate: Die Tituli Historiarum oder das so genannte Dittochaeon des Prudentius.
Versuch eines philologisch–archäologischen Kommentars, Wien 1980, S. 65; Steidle, Basilius:
Vom Mut zum ganzen Psalm 137 (136) „An den Strömen BABELS, dort saßen wir…“, in: Erbe
und Auftrag, Benediktinische Monatszeitschrift, 1974, Jg. 50, S. 27f; zur theologischen
Bedeutung siehe Grelot, Pierre: Sens chrétien de l’ancien testament, esquisse d’un traité
dogmatique, in: Bibliothèque de Théologie, série 1, Théologie dogmatique, Bd. 3, Tournai 1962,
S. 475f.
Zur augustinischen Psalmenauslegung siehe Fiedrowicz, Michael: Psalmus vox totius Christi,
Studien zu Augustins „Enarrationes in Psalmos”, Freiburg i. Br. 1997, S. 43, 224, 293.
Luther verwendet den Begriff in einer seiner reformatorischen Hauptschriften „De captivitate
Babylonica ecclesiae praeludium“ von 1520 im übertragenen Sinne und spricht von der
„Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“. Er will damit Missstände in der damaligen
katholischen Kirche aufzeigen. Luther streitet gegen die Siebenzahl der Sakramente und sieht
die Kirche in der Gefangenschaft der katholischen Kurie. Vorgeschichte ist die 1309 vom
französischen Papst Klemens V. initiierte Verlegung des Papstsitzes von Rom nach Avignon.
1378 kam es zum „Abendländischen Schisma“, das mit der umstrittenen Wahl des Papstes
Urban VI. im Jahr 1378 begann. Aufgrund seines Verhaltens versagten ihm die Kardinäle den
Gehorsam, erklärten seine Wahl für ungültig und wählten Clemens VII. zum Papst. Daraufhin
exkommunizierte Urban Clemens und seine Anhänger und gründete ein eigenes
Kardinalskollegium. Clemens VII. ging nach Avignon und besiegelte damit das Schisma. Das
Treffen von Kardinälen und Bischöfen beider Seiten 1409 in Pisa konnte das Schisma nicht
überwinden und endete mit der Wahl eines dritten Papstes – Alexander V. Das Konstanzer
Konzil führte schließlich 1417 zum Rücktritt der rivalisierenden Päpste und zur Wahl Martins V.,
womit das „Abendländische Schisma“ beendet wurde. Das Schisma hatte allgemein die
Stärkung des Konziliarismus zur Folge und verstärkte den Ruf nach Reformen, der schließlich
zur Spaltung in Protestantismus und Katholizismus durch die Reformation führte. Siehe dazu
Müller, Heribert: Art. zu „Abendländisches Schisma“, in: LThK 1993, Bd.1; Schwarz, Reinhard,
Mühlen, Karl–Heinz zur: Art. zu „Luther, Martin“, in: RGG4 2002, Bd. 5.
8
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
entstand „Der Psalter Davids gesangweis“, der die poesielose Psalmendichtung
des humanistischen deutschen Schriftstellers und Übersetzers Ambrosius
Lobwasser (1515–1585) von 1573 und ihre französischen Weisen ersetzen
sollte. 10 Psalm 137 besteht aus fünf Strophen, von denen die ersten beiden zitiert
werden sollen:
1 „An Wasserflüssen Babylon
Da saßen wir mit Schmerzen,
Als wir gedachten an Zion,
Da weinten wir von Herzen,
Wir hingen auf mit schwerem Mut,
Die Harfen und die Orgeln gut
An ihre Bäum der Weiden,
Die drinnen sind in ihrem Land,
Da mußten wir viel Schmach und Schand
Täglich von ihnen leiden.
2. Die uns gefangen hielten lang
So hart an selben Orten,
Begehrten von uns ein Gesang
Mit gar spöttlichen Worten
Und suchten in der Traurigkeit
Ein fröhlichn Gsang in unserm Leid,
Ach lieber tut uns singen
Ein Lobgesang, ein Liedlein schon
Von den Gedichten aus Zion,
Das fröhlich tut erklingen.(…)“ 11
Der Franzose Jacques–Charles–Louis de Clinchamp de Malfilâtre (1732–1767)
unternahm um 1750 eine freie Übersetzung von Psalm 137 in 10 Verseinheiten.
„Assis sur les bords de l’Euphrate,
Un tendre souvenir redoubloit nos douleurs;
Nous pensions à Sion dans cette terre ingrate,
Et nos yeux, malgré nous, laissoient couler des pleurs.
Nous suspendîmes nos cithares
Aux saules qui bordoient ces ravages déserts;
Et les cris importunes de nos vainqueurs barbares
A nos tribus en deuil demandoient des concerts. (…)” 12
10
11
Lobwassers Werk basiert nicht auf dem hebräischen Urtext und der Übersetzung Martin
Luthers, sondern auf dem von Guillaume Franc (1505–1570), Loys Bourgeois (1510–1561) und
Pierre Davantès (1515–1561) vertonten französischen Genfer Psalter von Clément Marot
(1495–1544) und Théodore de Bèze (1519–1605). 1865 wurden die Melodien von Claude
Goudimel (1514–1572) in vierstimmige Chorsätze gesetzt. Das Werk hatte über 100 Auflagen
und wurde im deutschen reformierten Gottesdienst bis ins 18. Jahrhundert verwendet. Vgl.
Jung, Rainer H.: Art. zu „Lobwasser, Ambrosius“, in: MGG 2004, Bd.11.
Der Psalter in vierstimmigen Liedsätzen von Heinrich Schütz nach Cornelius Beckers
Dichtungen hrsg. von Blankenburg, Walter, Kassel 1936, S. 141.
9
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
Zur Revolution von 1848 in Frankreich sollten diese Zeilen, wie später ausgeführt
wird, ein Gemälde zum Thema „Die trauernden Juden“ anregen. 13
Friedrich von Uechtritz (1800–1875) und Auguste Anicet–Bourgeois (1806–1871)
haben 1836 das Thema der Babylonischen Gefangenschaft aus unterschiedlichen
Perspektiven
in
Theaterstücken
verarbeitet.
Uechtritz
veröffentlichte
ein
dramatisches Gedicht in drei Akten mit dem Titel „Die Babylonier in Jerusalem“. 14
Anicet–Bourgeois’ Drama „Nabuchodonosor“ wurde am 17. Oktober 1836 in vier
Akten im Théâtre de l'Ambigu in Paris uraufgeführt. 15 Es bildete später die
textliche Vorlage zu Verdis Oper „Nabucco“, die noch besprochen wird. 16
Zwischen 1844 und 1851 schrieb Heinrich Heine (1797–1856) in Paris die
Gedichtsammlung „Romanzero“, die 1851 veröffentlicht wurde. 17 Psalm 137 wird
ironisch, ja sogar spöttisch paraphrasiert:
„Bey den Wassern Babels saßen
Wir und weinten, unsre Harfen
Lehnten an den Trauerweiden –
Kennst du noch das alte Lied?
Kennst du noch die alte Weise,
Die im Anfang so elegisch
Greint und sumset, wie ein Kessel,
Welcher auf dem Herde kocht? (…)“ 18
Die ironische Gebrochenheit, die in der zweiten Strophe anfängt, zieht sich über
die vielen Verse hinweg bis zum Ende.
12
13
14
15
16
17
18
Poésies de Malfilâtre, Poèmes, odes et traductions, hrsg. von Derome, Léopold, Paris 1884, S.
136.
Siehe S. 107f. in dieser Untersuchung.
Uechtritz, Friedrich von: Die Babylonier in Jerusalem, Düsseldorf 1836.
Anicet–Bourgeois, Auguste, Cornu, Francis: Nabuchodonosor, drame en quatre actes, Paris
1836.
Siehe S. 89f. in dieser Untersuchung.
„Romanzero“ besteht aus drei Büchern: „Historien“, „Lamentationen“ und „Hebräische
Melodien“. Das dritte Buch enthält drei balladenartige Gedichte mit spezifisch jüdischer
Thematik, von denen das zweite den Titel „Jehuda Ben Halevy“ trägt und in vier Abschnitte
unterteilt ist. Es erzählt vom Leben des gleichnamigen spanisch–jüdischen Dichters, Gelehrten
und Begründers des mittelalterlichen Zionismus Jehuda Ben Ha–Levi (1075–1142). Im zweiten
Teil ist Psalm 137 paraphrasiert. Vgl. Herrmann, Helene: Studien zu Heines Romanzero, Berlin
1906, S. 58ff. und besonders S. 78f.
Heinrich Heine, Historisch–kritische Gesamtausgabe der Werke, hrsg. von Windfuhr, Manfred
Bd. 3/1, Romanzero, Gedichte, 1853 und 1854, Lyrischer Nachlass bearbeitet von Bartelt,
Frauke, Destro, Alberto, Hamburg 1992, S. 135f.
10
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
In Mexiko, das seit Wiedergewinnung der Unabhängigkeit von der spanischen
Krone 1821 von Bürgerkriegen heimgesucht wurde 19 , stellten Dichter wie José
Joaquín Pesado (1801–1861) und Manuel Carpio (1791–1860) Analogien
zwischen der babylonischen Gefangenschaft und der Gefangenschaft Mexikos
her. Pesado schuf eine fünf–strophige Paraphrase von Psalm 137 mit dem Titel
„El israelita prisionero en Babilonia“:
“Del Eufrates remoto en la orilla
De Judá me acordé con tristura,
Y al mirar su marchita hermosura,
La corriente con Ilanto aumenté.
De memorias funestas y amargas
Solo vive el dolor que alimento.
“En un sauce, ludibrio del viento,
„Para siempre mi lira colgué.” (…)“ 20
Carpio widmete eine ganze Elegie und ein Sonett dem Thema. „Cautividad de los
judios en Babilonia, Dedicada al Senor Doctor D. José María Covarrubias“:
„En un tiempo infeliz los Caldeos
Hombres fuertes, de seno sombrío,
Arrancaron al pueblo judío
De su patria la hermosa Canan.
Los cautivos, atados los brazos,
Caminaron por vastos desiertos,
Y Ilegaron, al fin, casi muertos
De Babel á la grande ciudad. (…)” 21
Der englische Dichter Algernon Charles Swinburne (1837–1909), das Enfant
Terrible der viktorianischen Lyrik, verfasste 1871 ein Gedicht mit dem Titel „Super
Flumina Babylonis“ 22 . Es ist Teil einer politischen Gedichtsammlung, die sich mit
dem gerade beendeten Risorgimento in Italien befasst. In 32 Strophen präsentiert
Swinburne die Passion Christi, seinen Tod und die Wiederauferstehung als
Gleichnis der Gefangenschaft Israels und seiner Befreiung und gleichzeitig als
19
20
21
22
Vgl. dazu Lateinamerika: Geschichte und Gegenwart, Zentralinstitut für Lateinamerika–Studien
der Katholischen Universität Eichstätt, Akademiebericht Nr. 190, Dillingen a.d. Donau 1991, S.
27ff.
Poesias, Originales y traducidas de José Joaquín Pesado, México 1839, S. 220f.
Poesias del Sr. Dr. Don Manuel Carpio, Mexíco 1875, S. 53.
Das Gedicht gehört zu seinem Werk „Songs before Sunrise”. Vgl. The Complete Works of
Algernon Charles Swinburne, Poetical Works, hrsg. von Gosse, Edmund, Wise, Thomas
James, Bd. 2, New York 1968, S. 102–107.
11
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
Sinnbild von Italiens gegenwärtiger Knechtschaft und der künftigen Freiheit. Die
Wiederauferstehung Christi wird zum Äquivalent des italienischen Risorgimento. 23
„By the waters of Babylon we sat down and wept,
Remembering thee,
That for ages of agony hast endured, and slept,
And wouldst not see.
By the waters of Babylon we stood up and sang,
Considering thee,
That a blast of deliverance in the darkness rang,
To set thee free.(…)”
Später (Strophe 16 und 17) heißt es:
„By the hillside of Calvary we beheld thy blood,
Thy bloodred tears,
As a mother’s in bitterness, an unebbing flood,
Years upon years.
And the north was Gethsemane, without leaf or bloom,
A garden sealed;
And the south was Aceldama, for a sanguine fume
Hid all the field. (…)” 24
Eine musikalische und literarische Reflexion vereinen die 1815 von dem
jüdischen Komponisten Isaac Nathan (1792–1864) zusammengestellten „Hebrew
Melodies“, zu denen Lord Byron (1788–1824) die Texte dichtete. 25 Als der
jüdische Komponist Isaac Nathan im „Gentleman’s Magazine“ vom 13. Mai 1813
verlauten ließ, er wolle Synagogenmelodien “all of them upwards of 1000 years
old and some of them performed by the Antient (sic!) Hebrews before the
destruction of the Temple.“ 26 veröffentlichen, fiel er damit aus der Reihe der
bisherigen Vertonungen zu biblischen Gesängen und traf doch den Nerv der
Zeit. 27
Bei Byron gründeten zwei der „Hebräischen Melodien“ auf Psalm 137: „By the
Rivers of Babylon“, das in „Selection of Hebrew Melodies“ im Mai 1815 gleichzeitig
23
24
25
26
27
„Songs before Sunrise“ entstanden aus Swinburnes Bewunderung für den Demokraten und
Freiheitskämpfer Giuseppe Mazzini (1805–1972), der in England im Exil lebte. Sie propagieren
demokratische Ideale und politische Freiheit und billigen die Revolution als Mittel zum Zweck.
Vgl. Welby, Earle T.: A Study of Swinburne, London 1926, S. 91–114.
Swinburne in: Gosse, Wise 1968, S. 102 und 104f.
Vgl. Convay, David: Art. zu „Nathan, Isaac“, in: MGG 2004, Bd. 12.
Zitiert bei Ashton, Thomas L.: Byron’s Hebrew Melodies, London 1972, S. 5.
Die romantische Bewegung in England griff auf die mittelalterliche Geschichte zurück, so z. B.
Sir Walter Scott (1771–1832) in „Ivanhoe“, James Macpherson (1736–1796) in „Ossian“ usw.
Vgl. Ashton 1972, S. 3.
12
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
mit der musikalischen Herausgabe publiziert wurde 28 , und „The Valley of Waters“,
das erst 1829 in einer späteren Ausgabe der „Hebrew Melodies“ erschien. 29
Schon am 10. September 1812 zog Lord Byron das Thema in einem Brief an
den Politiker Lord Holland (Henry Richard Vassal Fox, 3rd Baron Holland 1773–
1840) ins Lächerliche:
„By the waters of Cheltenham I sat down and drank, when I
remembered thee, Oh Georgiana Cottage! As for our harps, we
hanged them up upon the willows that grew thereby. Then they
said, “Sing us a song of Drury Lane,” etc.; – but I am dumb and
dreary as the Israelites.” 30
Einige Monate später, am 15. Januar 1813, hatte Byron eine erste Paraphrase des
137. Psalms „By the Rivers of Babylon we sat down and wept“ geschrieben, zu
der er vermutlich von Lady Caroline Lamb (1785–1828) 31 angeregt wurde.
„I am going to the Chapple (sic!) Royal St. James. Do you ever go
there? It begins at ½ past 5, and lasts till six; it is the most
beautiful singing I ever heard; the choristers sing “By the waters of
Babylon”.” 32
Dass die Thematik des 137. Psalm Byron intensiv beschäftigte, zeigt zudem noch
die Umdichtung einer Textpassage im Theaterstück „Don Juan“, II, 16:
„So Juan wept, as wept the captive Jews
By Babel’s waters, still remembering Sion:
I’d weep, but mine is not a weeping muse….” 33
Psalm 137 musikalisch zu interpretieren, war kein Novum. Aus der Vielzahl der
musikalischen Werke zu dem Thema sollen einige markante Beispiele
herausgegriffen werden. In der Musik der Hochrenaissance und des Barock war
die Vertonung des 137. Psalms sehr beliebt. Der aus Flandern stammende
Kirchenmusiker und Kapellmeister der Lateransbasilika Orlande de Lassus
(1530/32–1594) vertonte 1585–88 den ersten Vers des Psalms 34 , der Italiener
28
29
30
31
32
33
34
Die deutsche Übersetzung des Shakespeare-Übersetzers Otto Gildemeister (1823–1902)
wurde unter der Abbildung von Bendemanns „trauernden Juden“ in der Zeitschrift Ost und West
1901, Jg. 1, Heft 1, Sp. 15/16 abgedruckt.
Vgl. Ashton 1972, S. 25f.
Ebd., S. 167.
Mit der Ehefrau des künftigen Premierministers Lord Melbourne hatte Byron eine Liebesaffäre.
Zu Caroline Lamb siehe eine neue Biographie von Douglass, Paul: Lady Caroline Lamb, A
Biography, New York 2004.
Vgl. Ashton 1972, S. 163, Anm. 1.
Ebd., S. 167.
Vgl. Schmid, Bernhold: Art. zu „Lassus, Orlande de“, in: MGG 2003, Bd. 10.
13
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
Giovanni Pierluigi Palestrina (ca.1525–1594) 1584 die ersten beiden Verse in
lateinischer Sprache. 35 Der am Hof von Mantua wirkende jüdische Musiker und
Komponist Salamone Rossi (ca.1570–ca.1630) dagegen war der erste Musiker
der Neuzeit, der seine Motetten für die Synagoge auf Hebräisch komponierte.
1622 publizierte er den dramatischsten der mehrstimmigen Gesänge zu Psalm
137 mit dem Titel „Al Naharot Bavel“. 36
Kurz davor beendete der deutsche evangelisch–lutherische Komponist und
kurfürstliche Kapellmeister in Dresden Heinrich Schütz (1585–1672) die Arbeit an
den vermutlich schon 1612/13 konzipierten „Psalmen Davids“, die 1619
erschienen. Unter den 26 mehrchörigen Psalmenvertonungen befindet sich „An
den Wassern zu Babel“. Schütz vertonte die von dem Theologen und Pfarrer der
Nicolaikirche in Leipzig Cornelius Becker (1561–1604) verfassten Gedichte „Der
Psalter Davids gesangweis“. 37
Der Franzose François Cosset (1620–?) komponierte 1673 nicht nur einen
Choral, sondern eine ganze Messe mit dem Titel „Super Flumina Babylonis“. 38
Genannt werden sollen noch Franz Liszt (1811–1886), der 1859 den „137. Psalm“
in Musik setzte 39 , und der böhmische Komponist Antonín Dvořák (1841–1904),
der 1894 „Při řekách Babylonských“ in „Biblische Lieder“ op. 99, Nr. 7 musikalisch
ausarbeitete. 40
Den Höhepunkt in der musikalischen Ausarbeitung des Themas bildet
Giuseppe Verdis dritte Oper „Nabucco“. 1842 in der Mailänder Scala uraufgeführt,
gehört sie zu den auch heute noch häufig gespielten Bühnenwerken. Nabucco ist
die italienische Form von Nebukadnezar. Im „Gefangenenchor“ des dritten Aktes
kommt eindringlich das Sehnen des jüdischen Volkes nach Freiheit zum Ausdruck:
„Va, pensiero, sull’ ali dorate;
Va, ti posa sui clivi sui colli,
Ove olezzano tepide e molli!
L’aure dolci del suolo natal!
Del Giordano le rive salute,
Di Sionne le torri atterrate…
Oh mia patria sì bella e perduta
Oh membranza sì cara e fatal! (…)” 41
35
36
37
38
39
40
41
Vgl. Ackermann, Peter: Art. zu „Palestrina, Giovanni Pierluigi da”, in: MGG 2005, Bd. 13.
Vgl. Steinheuer, Joachim: Art. zu „Rossi, Salamone“, in: MGG 2005, Bd. 14.
Vgl. Breig, Werner: Art. zu „Schütz, Heinrich“, in: MGG 2006, Bd. 15.
Vgl. Leroux, Martial: Art. zu „Cosset, François“, in: MGG 2000, Bd. 2.
Vgl. Altenburg, Detlef, Schröter, Axel: Art. zu „Liszt, Franz“, in: MGG 2004, Bd. 11.
Vgl. Döge, Klaus: Art. zu „Dvořák, Antonín“, in: MGG 2001, Bd. 5.
Giuseppe Verdi, Nabucco, Textbuch (Italienisch–Deutsch), Einführung und Kommentar von
Pahlen, Kurt, Mainz 1999, S. 99. Die letzte bekannte musikalische Interpretation ist das Lied
14
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
Neben der Vielzahl an literarischen und musikalischen Umsetzungen des
Bibelpsalms stehen nur zwei Bildhauerwerke. 1899 fertigt der zur Berliner
Bildhauerschule gehörige Gustav Heinrich Eberlein ohne Auftrag die erotische
Skulptur „Die trauernden Juden im Exil“ (KATALOG 35A, BILD K95).
Der Architekt und Denkmalpfleger Carl Alexander von Heideloff (1789–1865)
arbeitete um 1850 an einem „Kunstmaterialien–Lexikon“. Darin führt er unter dem
Begriff „Ahnung“ aus:
„Vorgefühl (praesagitio) eines freudigen oder traurigen
Ereignisses, das sich jedoch gewöhnlich auf Familien– oder
Herzensangelegenheiten bezieht;“ (…) Die Ahnung oder das
Vorgefühl wird wohl am treffendsten durch ein Frauenzimmer
vorgestellt, welches zur Nachtzeit am Ufer eines Sees die Harfe
spielt.“ 42
Als Attribut führt Heideloff eine am Boden liegende Harfe mit zersprungener Saite
auf. Ob Eberlein von dieser Bedeutungszuordnung wusste, kann nicht
nachgewiesen werden; doch könnte man das Motiv der nur zum Teil zerrissenen
Saiten an Zedekias 43 Harfe mit der Hoffnung, dem Vorgefühl auf Freiheit
gleichsetzen. Dies unterstreicht das 1886 entstandene Gemälde mit dem Titel
„Hope“ 44 (BILD T1) von George Frederic Watts (1817–1904). Er präsentiert die
Hoffnung als Frau mit verbundenen Augen, auf der Erdkugel sitzend und auf einer
Lyra spielend, von der alle Saiten bis auf eine gerissen sind.
Beinahe ein Jahrhundert später, 1987 entsteht das zweite bildhauerische und
zugleich das letzte Werk zum Bildmotiv der „trauernden Juden“ im 20. Jahrhundert
überhaupt. Der fränkische Bildhauer Julian Walter zeigt unter dem Titel
„Babylonische Gefangenschaft“ (KATALOG 46A, BILD K107) drei auf knappe Formen
reduzierte menschliche, in Ketten gelegte Gestalten; sie schreiten hintereinander
in einer Reihe, in die sich jeder einreihen könnte. Walter, der kein bestimmtes
Vorbild für sein Werk hatte, will damit die Unfreiheit des Menschen in der
42
43
44
„Rivers of Babylon“ der deutschen Disco–Formation „Boney M.“, das 1978 17 Wochen auf Platz
1 der deutschen Hitliste war. Der Text des Liedes ist eine Paraphrase auf Psalm 137:
“By the rivers of Babylon, there we sat down
Ye–eah we wept, when we remembered Zion.
When the wicked
Carried us away in captivity
Required from us a song
Now how shall we sing the Lord’s song in a strange land. (...)“
Probedruck des Kunstmateralien–Lexikons, Nürnberg, GNM, Nachlass Heideloff, I B 214, S. 29.
Siehe S. 27f. in dieser Untersuchung.
Öl auf Leinwand, 142,2 x 111,8 cm, London, Tate Gallery.
15
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
Gesellschaft und im gesamten Weltgefüge verdeutlichen. 45 Die babylonische
Gefangenschaft hat für Walter also eine abstrakte Bedeutung, die mit der des
Augustinus vergleichbar ist.
Den höchsten Stellenwert nimmt das Thema „An den Wassern Babylons
trauernde Juden“ in der Malerei ein. Die Vielzahl von Werken, die zum größten
Teil erst während der Forschungen zur vorliegenden Arbeit entdeckt wurden, wird
hier erstmalig im Zusammenhang analysiert.
Die vorliegende Untersuchung besteht aus zwei Teilen: einem Katalog der
Werke und einem Textteil. Der Katalog umfasst 46 Artikel, in denen Informationen
zum Künstler, zur Entstehungsgeschichte des Werkes, eine Bildbeschreibung
sowie eine Auflistung von Quellen– und Literaturangaben enthalten sind. Er ist die
Grundlage für den Textteil.
Der Textteil enthält vier große Kapitel. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die
Entwicklung des Bildmotivs im 19. und 20. Jahrhundert. Die vereinzelten
Umsetzungen des Bildmotivs in den vorhergehenden Jahrhunderten werden in
einem eigenen Kapitel chronologisch aufgezeigt.
Es stellt sich die Frage, warum das alttestamentarische Thema der „Trauernden
Juden“, im ersten Kapitel „Biblische und historische Grundlagen“ anhand der
Bibelquellen und antiker Texte ikonographisch definiert, erst im ersten Drittel des
19. Jahrhunderts als bedeutungsvolle und eigenständige Darstellung bildwirksam
wird.
Die Ursache ist in der Französischen Revolution zu sehen, die allen Menschen
„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" verhieß und dies auch den Juden zugestand.
1791 wurden den Juden zuerst in Frankreich die Bürgerrechte zugestanden, dann
setzte allmählich in den übrigen europäischen Ländern ein Prozess der
Judenemanzipation ein. In den deutschsprachigen Fürstentümern wurde die
rechtliche Gleichstellung der Juden nicht in einem einmaligen Staatsakt, sondern
allmählich in vielen Einzelschritten ab 1797 bis 1918 erreicht.
Die Juden waren über Jahrhunderte eine rechtlich, religiös und sozial
erniedrigte Minderheit und durften auch nur bestimmte Berufe z. B. im Geld– und
Bankwesen ausüben; nun aber, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, gehörten sie
45
Persönliche Mitteilungen von Julian Walter anlässlich eines Besuchs in seinem Atelier.
16
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
zum Bildungsbürgertum, allerdings häufig unter der Bedingung, sich christlich
taufen zu lassen. 46 So sah Heinrich Heine in der Taufe das Entréebillet zur
europäischen Kultur, und Eduard Bendemann, Sohn eines jüdischen Berliner
Bankiers, wurde gleich nach seiner Geburt christlich getauft. 47 Er gehörte in
Deutschland zu den ersten Malern, die das Bildmotiv als Gemälde umsetzten. In
Preußen wurden den Juden ab 1812 die Bürgerrechte zugestanden, und in Berlin
entstanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts die literarischen Salons, zu denen
Christen und Juden der geistigen Elite gleichermaßen Zutritt hatten; die Initiatoren
der berühmtesten Salons waren tatsächlich selbst Juden bzw. Jüdinnen: Rahel
Varnhagen van Ense geb. Levin (1771–1833) und Henriette Herz geb. Lemos
(1764–1847), die beide die literarische und geistige Elite Deutschlands um sich
versammelten. 48
In Frankreich wurde mit der Julirevolution von 1830, die mit König Louis
Philippe (Regierungszeit 1830–1848) ein liberal eingestelltes Regime an die
Regierung brachte, ein Versuch gemacht, an die Revolutionsgesetzgebung von
1791
(gleiche
Bürgerrechte
für
alle)
wiederanzuknüpfen. 49
Die
ersten
eigenständigen Bilder zum Thema entstanden 1837 durch Romain Cazes und
1844 durch Eugène Delacroix. In England, wo 1852 Philip Hermogenes Calderon
das erste Gemälde mit trauernden Juden schuf, wurde 1847 erstmals ein Jude in
das Unterhaus gewählt und 1853 war die staatsbürgerliche Gleichstellung der
Juden weitgehend durchgesetzt. 50
Das Bildmotiv „Die trauernden Juden im Exil“ ist sicherlich kein Thema der
Judenemanzipation, aber es resultiert daraus. Die Geschichte des Bildmotivs wird
die unterschiedlichen Anfänge zu Beginn des 19. Jahrhunderts dokumentieren,
Schlüsselbilder herausfiltern, verschiedene Hauptströmungen aufzeigen, die sich
im Laufe des 19. Jahrhunderts ausbildeten, und die vereinzelten „Ausläufer“
würdigen, die um die Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden sind.
46
Vgl. Battenberg, Friedrich: Das Europäische Zeitalter der Juden, Zur Entwicklung einer
Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas, Bd. 2: Von 1650 bis 1945, Darmstadt 2000²,
S. 86ff. Vgl. des Weiteren Wyrwa, Ulrich: Die Emanzipation der Juden in Europa, in: Kotowski,
Elke–Vera, Schoeps, Julius H., Wallenborn, Hiltrud (Hg.): Handbuch zur Geschichte der Juden
in Europa, Bd. 2: Religion, Kultur, Alltag, Darmstadt 2001, S. 336–352.
47
Krey, Guido: Gefühl und Geschichte – Eduard Bendemann (1811–1889), Eine Studie zur
Historienmalerei der Düsseldorfer Malereischule, Weimar 2003, S. 25, Anm. 4.
48
Vgl. Battenberg 2000², Bd. 2, S. 81ff.
49
Vgl. ebd., S. 136.
50
Vgl. ebd., S. 137ff.
17
EINLEITUNG
DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN
LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST
Zur Abrundung der vorliegenden Untersuchung werden im letzten Kapitel
Bildmotive, die mit dem Thema der „trauernden Juden“ verwandt sind,
vergleichend herangezogen.
18
„BY THE RIVERS OF BABYLON…“
BY
THE
R IVERS
OF
B ABYLON
We sate down and wept by the waters
Of Babel, and thought of the day
When our foe, in the hue of his slaughters,
Made Salem’s high places his prey;
And ye, oh her desolate daughters!
Were scattered all weeping away.
While sadly we gazed on the river
Which rolled on in freedom below,
They demanded the song; but, oh never
That triumph the stranger shall know!
May this right hand be withered for ever,
Ere it string our high harp for the foe!
On the willow that harp is suspended,
Oh Salem! its sound should be free;
And the hour when thy glories were ended
But left me that token of thee:
And ne’er shall its soft tones be blended
With the voice of the spoiler by me!
Lord Byron, Hebrew Melodies 1815
19
EINLEITUNG
KRITISCHER LITERATURBERICHT
Kritischer Literaturbericht
Das Bildmotiv „Die trauernden Juden im Exil" ist in der Kunstgeschichte bislang
noch nie erschöpfend und im Zusammenhang von den ersten Ausformungen bis
zu den Darstellungen in der jüngsten Vergangenheit untersucht worden. In den
bisher veröffentlichten Arbeiten 51 , in Dissertationen und Einzelstudien 52 zur
Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts werden nur Teilaspekte behandelt und
Vergleiche angestellt; sie waren für die vorliegende Untersuchung jedoch sehr
hilfreich.
Den Grundstein für diese Arbeit aber legte Karl Möseneder mit seinem Aufsatz
„Die Weltgeschichte und das Weltgericht“, Über Wilhelm von Kaulbachs „Die
Zerstörung Jerusalems“ 53 . Er weist auf die möglichen Wurzeln des Bildmotivs hin
und führt Aspekte von Wolfgang Beckers Aufsatz „Jüdisches in der Bildkunst des
19. Jahrhunderts" 54 weiter. Becker formuliert im Rahmen der Untersuchung zu
Kaulbachs „Die Zerstörung Jerusalems“ zum ersten Mal den Gattungsbegriff
„Klagebilder" für die Umsetzungen des Bildmotivs bei Olivier, Eberle und
Bendemann. Möseneder definiert diese „Klagebilder" als eine „Subspezies des
Untergangsbildes".
In
seiner
Ausformungen
2003
des
erschienenen
Bildmotivs
Dissertation 55
auf.
Die
führt
detaillierte
Guido
Krey
Einzelanalyse
einige
über
Bendemanns „trauernde Juden“, für die der Autor die Umsetzungen des
51
52
53
54
55
Cohn–Wiener, Ernst: Die jüdische Kunst, Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart,
Berlin 1929; Schütz, Chana C. (Hg.): Lesser Ury, Bilder der Bibel, Der Malerradierer, Berlin
2002.
Es gibt zwei sehr wertvolle Einzellstudien über Bendemanns Gemälde „Die trauernden Juden“:
Börsch–Supan, Helmut: Zur Urteilsgeschichte der Düsseldorfer Malerschule: Eduard
Bendemanns Gemälde „Trauernde Juden“, in: Düwell, Kurt, Kollmann, Wolfgang (Hg.):
Rheinland–Westfalen im Industrie–Zeitalter, Beiträge zur Landesgeschichte des 19. und 20.
Jahrhunderts, Bd. 4: Zur Geschichte von Wissenschaft, Kunst und Bildung an Rhein und Ruhr,
Wuppertal 1982, S. 219–226. Wille, Hans: „Die Trauernden Juden im Exil“ von Eduard
Bendemann, in: Wallraf–Richartz–Jahrbuch 1996, Köln, S. 307–316. Erfreulicherweise gibt es
auch einen interessanten Aufsatz zur spanisch–mexikanischen Umsetzung des Bildmotivs:
Rojas, Fausto Ramírez: La Cautividad de los Hebreos en Babilonia: Pintura bíblica y
nacionalismo conservado en la academia mexicana a mediados del siglo XIX, in: Curiel,
Gustavo, Mello, Renato Gonzáles, Haces, Juana Gutiérrez (Hg.): Arte, Historia y Identidad en
América: Visiones comparativas, Bd. 2, México 1994, S. 279–295.
Möseneder, Karl: „Die Weltgeschichte und das Weltgericht“, Über Wilhelm von Kaulbachs „Die
Zerstörung Jerusalems“, in: Münchner Jahrbuch für bildende Kunst, 3. Folge, Bd. 47, München
1996, S. 103–146.
Becker, Wolfgang: Jüdisches in der Bildkunst des 19. Jahrhunderts, Variationen zu Kaulbach’s
„Zerstörung Jerusalems“, in: Eckert, Willehad Paul, Ehrlich, Ernst Ludwig (Hg.): Judenhass,
Schuld der Christen?!, Essen 1964, S. 257–278.
Krey 2003.
20
EINLEITUNG
KRITISCHER LITERATURBERICHT
Bildmotivs bei Ferdinand Olivier, Adam Eberle, Joseph von Führich und Eugène
Delacroix vergleichend heranzieht, war für die hier vorliegende Arbeit substantiell.
In der Auswahl der Vergleichsbeispiele zum Bildmotiv der „trauernden Juden“
orientiert sich Krey vermutlich an Beckers o. g. Aufsatz. Während Krey eine
Geschichte des Bildmotivs innerhalb der fünf aufgeführten Vergleichsbeispiele nur
andeutet, aber keine weitere Entwicklung aufzeigt, beschließt Becker seine kurze
Abhandlung mit Eugène Delacroix' Umsetzung bereits Mitte des 19. Jahrhunderts.
In „Christliche Restauration und Antijudaismus, Aspekte der Kunst der
deutschen Romantik" 56 bespricht Peter Dittmar das Gemälde „Die trauernden
Juden im Exil" von Eduard Bendemann und auch Joseph von Führichs erste
Umsetzung
des
Historienmalerei.
Themas
Laut
im
Rahmen
Dittmar
haben
der
die
realitätsbezogenen,
beiden
Gemälde
religiösen
keinen
gesellschaftlichen und aktuellen Bezug; vielmehr wird die Trauer als Modus
eingeführt. Dittmars Überlegungen waren für diese Arbeit sehr nützlich. 57
Die englische, französische und italienische Fachliteratur hat sich bisher weder
mit der Geschichte des Bildmotivs auseinandergesetzt noch werden mehrere
Umsetzungen des Motivs vergleichend erwähnt. In den jeweiligen Monografien,
die hier beispielhaft herausgegriffen werden sollen, werden zwar Umsetzungen
der Franzosen Eugène Delacroix 58 , Romain Cazes 59 , Charles Landelle 60 und
Aimé Morot 61 , der Engländerin und des Engländers Evelyn de Morgan 62 und
Herbert Schmalz 63 und schließlich des Italieners Antonio Puccinelli 64 aufgeführt
und teilweise näher beleuchtet, aber sie werden nicht im ikonologischen Kontext
56
57
58
59
60
61
62
63
64
Dittmar, Peter: Christliche Restauration und Antijudaismus, Aspekte der Kunst der deutschen
Romantik, in: Erb, Rainer, Schmidt, Michael (Hg.): Antisemitismus und Jüdische Geschichte,
Studien zu Ehren von Herbert A. Strauss, Berlin 1987, S. 329–364.
Zu einiger Verwirrung führt jedoch, dass Dittmar Führichs Studie zur Erstausführung der
„trauernden Juden“ von 1828 (KATALOG 4A, BILD K4) zeigt und bespricht, diese aber für die
Vorstudie zu dem 1837 entstandenem Gemälde (KATALOG 8B, BILD K27) hält. Die Bemerkung,
dass „Führich kaum mehr als eine Paraphrase zu dessen Bild (Bendemanns, Anm. der Verf.)
gelang (S. 363), ist für die erste Umsetzung Führichs zu dem Thema nicht richtig. Sie passt
vielmehr auf das 1837 entstandenen Gemälde, das dem Bendemanns sehr ähnlich ist.
Johnson, Lee: The Paintings of Eugène Delacroix, a Critical Catalogue, The Public Decorations
and their Sketches, Bd. 5, Text, Oxford 1989.
Vigne, Georges: Romain Cazes (1808–1881), peintre secret du second empire, Ausst.,
Montauban 1995.
Pillion, Didier, Schaettel, Charles: Charles Landelle (1821–1908), exposition rétrospective,
Laval 1987.
Moreau–Vauthier, Charles: L’oeuvre de Aimé Morot, Paris 1906.
Gordon, Catherine (Hg.): Evelyn de Morgan Oil Paintings, London 1996.
Blakemore, Trevor: The Art of Herbert Schmalz, London 1911.
Durbé, Dario: Antonio Puccinelli, Roma 1997.
21
EINLEITUNG
KRITISCHER LITERATURBERICHT
betrachtet. Den einzigen ikonologischen Bezug stellt Bruno Foucart in „Le
renouveau de la peinture religieuse en France (1800–1860)"
65
her. In seinen
Bemerkungen über Charles Landelles religiöse Malerei, zu der das Gemälde „Les
Femmes de Jérusalem captives à Babylone" (KATALOG 21M, K57) gehört, weist
Foucart in einer Fußnote auf die Ausführung von Cazes zum selben Thema hin.
Die Literatur zeigt, dass einzig Bendemanns Gemälde vielfach diskutiert und in
einen ikonologischen Zusammenhang gestellt wurde. Nicht berücksichtigt wurden
dabei die vielen weiteren künstlerischen Werke, die zum Teil erst im Rahmen
dieser Arbeit wiederentdeckt wurden. Mit der Genese des Bildmotivs vom Beginn
des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, die in dieser Form und
Vollständigkeit bislang noch nie aufgezeigt worden ist, wird eine weitere Lücke in
der
Erforschung
verschiedener
Aspekte
und
Zusammenhänge
der
Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts geschlossen. Sie steht im Mittelpunkt der
vorliegenden Untersuchung, aber die wirklichen geschichtlichen Zusammenhänge
und die frühen Ausformungen müssen vorab beschrieben werden.
65
Foucart, Bruno: Le renouveau de la peinture religieuse en France 1800–1860, Paris 1987.
22
BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN
I. B I B L I S C H E
UND
HISTORISCHE GRUNDLAGEN
Der geschichtliche Hintergrund des Bildmotivs „Die trauernden Juden im Exil“ ist
der Untergang des Staates Juda und die Zerstörung Jerusalems. Die damit
verbundene babylonische Gefangenschaft ist eine Epoche in der Geschichte des
jüdischen Volkes, deren Beginn auf das Jahr 586 v. Chr. datiert wird, als der
neubabylonische König Nebukadnezar II. (Regierungszeit 604–562 v. Chr.) 66
Jerusalem eroberte, den Tempel Jahwes zerstörte und die jüdische Oberschicht
nach Babylonien verschleppte. Perserkönig Kyros II. (601–530 v. Chr.) gestattete
nach der Eroberung des babylonischen Reiches den Gefangenen ab 537 v. Chr.
die Heimkehr nach Jerusalem, um den Tempel wiederaufzubauen. 67
Das Alte Testament ist die umfassendste Quelle für die Babylonische
Gefangenschaft des Volkes Israel: So berichten das zweite Buch der Könige (2
Kön 24; 25) und das zweite Buch der Chronik (2 Chr 36) sowie Passagen der
Bücher Esra (Esra 1; 2), Nehemia (Neh 7) und Ester (Est 2, 5–8.) davon; hinzu
kommen die Niederschriften der prophetischen Bücher Jesaja (Jes 40–55),
Jeremia (Jer 24–29; 39; 52), das gesamte Buch Ezechiel 68 , Daniel (Dan 1) und die
Klagelieder sowie Psalm 137.
Sich weitgehend auf die Schilderungen des Alten Testaments stützend,
informiert Flavius Josephus (37/8–100 n. Chr.), der jüdische Feldherr und
Geschichtsschreiber im Dienste Roms, im 10. und 11. Buch der „Antiquitates
66
67
68
Siehe Berger, Paul–Richard: Art. zu „Nebukadnezar II“, in: BBKL 1993, Bd. 6.
Siehe dazu: Stein, William: Art. zu „Exile, Babylonian“, in: Landman, Isaak (Hg.): The Universal
Jewish Encyclopedia in Ten Volumes, New York 1948, Bd. 4; Roth, Cecil: Geschichte der
Juden, Von den Anfängen bis zum neuen Staate Israel, Stuttgart 1954, S. 42–81; Wellhausen,
Julius: Israelitische und jüdische Geschichte, Berlin 1958, S. 132–153; Borchhardt, Paul: Art. zu
„Exile, Babylonian“, in: Roth, Cecil (Hg.): Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971, Bd. 6; Ben–
Sasson, Haim Hillel: Geschichte des jüdischen Volkes, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum 7.
Jahrhundert, München 1978, S. 199–228; Newsome, James D. Jr.: By the Waters of Babylon,
an Introduction to the History and Theology of the Exile, Edinburgh 1980, S. 29–123; Soggin,
Jan Alberto: Einführung in die Geschichte Israels und Judas, Darmstadt 1991, S. 164–187;
Donner, Herbert: Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen, Bd. 2: Von
der Königszeit bis zu Alexander dem Großen, mit einem Ausblick auf die Geschichte des
Judentums bis Bar Kochba, Göttingen 1995², S. 402–465. (2 Bde.)
Kapitel 1–32 berichtet über die Ereignisse zwischen 593 und 587 v. Chr., ab Kapitel 33 geht es
um die Jahre nach 587 v. Chr.
23
BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN
Judaicae“ 69 (80–94 n. Chr.) über das Ereignis der in mehreren Phasen erfolgten
Deportation der Bewohner des Reiches Juda nach Südbabylonien.
69
Flavius Josephus: Jüdische Altertümer, übersetzt von Clementz, Heinrich, 2 Bde., Nachdr. der
Ausgabe von 1899, Köln 1959. Im 1. Kapitel des 11. Buches finden sich Auszüge des in
seleukidischer Zeit abgefassten Werks „Χαλδαϊκά“ des babylonischen Priesters Berossos. Vgl.
Donner 1995², S. 404; Schnabel, Paul: Berossos und die babylonisch–hellenistische Literatur,
Leipzig 1923.
24
BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN
DAS ENDE DES KÖNIGREICHS JUDA
1. Das Ende des Königreichs Juda (722–597 v. Chr.)
Der Untergang des Südreiches Juda 70 mit der Hauptstadt Jerusalem begann mit
dem Machtanspruch fremder Völker: Die Eroberung des nördlichen Königreichs
Israel durch die Assyrer 722 v. Chr. ließ das Südreich Juda unter der
Fremdherrschaft kapitulieren. Der assyrische Kult hielt Einzug in Jerusalem. Als
Jahre später die assyrische Macht verfiel, wurde Juda unter König Josia (639 –
609 v. Chr.) 71 eine letzte Blütezeit, eine politische und religiöse Renaissance (2
Kön 18, 3 – 4; 22–23; 2 Chr 29–31; 34–35, 19) beschert. Unter dem Einfluss des
Propheten Jeremia wurde der Jahwekult für alle Bewohner verbindlich (Jer 3f).
Doch ein aufstrebendes Babylon erhob seinen Machtanspruch erneut. Während
612 v. Chr. die assyrische Hauptstadt Ninive unter der Belagerung der Babylonier
fiel, nutzte Josia die assyrische Schwäche, um einige Teile des nördlichen Israel
zurückzuerobern. 72 Ägypten, das ein erstarktes Mesopotamien fürchtete und sich
mit den Assyrern verbünden wollte, traf auf ein Widerstand leistendes Juda. 609 v.
Chr. wurde Josia geschlagen. Seine Nachkommen und die judäische Aristokratie
wurden nach Ägypten deportiert. Pharao Necho II. setzte Eljakim, einen der Söhne
des religiösen Reformkönigs Josia, als Vasallenkönig von Juda ein und änderte
dessen Namen in Jojakim (608 – 598 v. Chr.) 73 (2 Kön 23, 29–35; 2 Chr 35, 20–
36, 4; Jer 22, 10–12, Ez 19, 4). Die Tributpflicht Judas an Ägypten währte nicht
lange. 605 v. Chr. vernichtete der babylonische König Nebukadnezar auf seinen
Feldzügen nach Syrien und Palästina die verbündeten assyrischen und
ägyptischen Mächte. Jojakim wurde ihm untertan und blieb drei Jahre
babylonischer Vasall. Danach sann er auf Befreiung und verbündete sich
entgegen den Ratschlägen des Propheten Jeremia mit Ägypten (2 Kön 24, 1; Jer
25–25; Jos Flav Antiquitates X, 6, 3). 597 v. Chr. wurde der abtrünnige König
Jojakim von Nebukadnezar zur Rechenschaft gezogen (2 Kön 24, 2ff; 2 Chr 36, 6–
8; Dan 5, 2; Jos Flav Antiquitates X, 6, 2). Jerusalem wurde belagert, der Tempel
Jahwes geplündert und seine Schätze samt der Bundeslade, die seitdem
verschollen ist, nach Babylon gebracht (Jer 27, 18–22). Die Katastrophe traf aber
70
71
72
73
Das Südreich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem entstand nach dem Tod des israelitischen
Königs Salomo 926 v. Chr., als die nördlichen Stämme der Israeliten von der Dynastie Davids
abfielen. Vgl. dazu Roth 1954, S. 33ff.
Siehe Kessler, Rainer: Art. zu „Josia“, in: BBKL 1992, Bd. 3.
Vgl. Soggin 1991, S. 174.
Siehe Kessler, Rainer: Art. zu „Jojakim“, in: BBKL 1992, Bd. 3.
25
BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN
DAS ENDE DES KÖNIGREICHS JUDA
nicht mehr Jojakim, der vermutlich während der Belagerung gestorben war 74 ,
sondern seinen Sohn Jojachin. 75 Diesem wurde von Jeremia die babylonische
Gefangenschaft prophezeit (Jer 22, 24–28).
74
75
Vgl. Donner 1995², S. 405.
Siehe Kessler, Rainer: Art. zu „Jojachin“, in: BBKL 1992, Bd. 3.
26
BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN
DIE ZEIT DES EXILS
2. Die Zeit des Exils (597–537 v. Chr.)
Nachdem Jojachin drei Monate lang König gewesen war, übergab er die Stadt
widerstandslos an Nebukadnezar (2 Kön 24, 8). Er selbst wurde mit zahlreichen
Angehörigen
der
Oberschicht,
des
Adels,
der
Priesterschaft
und
des
Handwerkerstandes in die Verbannung nach Babylon geschickt (2 Kön 24, 14). 76
Unter den Verbannten befand sich auch der Prophet und Priestersohn Ezechiel,
der nach Tel Abib am Kebar–Kanal bei Nippur verschleppt wurde (Ez 1, 1–3).
Auch die Vorfahren Esthers und ihres Pflegevaters Mordechai gehörten zu den
Gefangenen. Diese gelangten aber nach Susa, und der Verlauf ihrer Geschichte
war ein anderer (Est 2, 5–7). 77
Auch das Schicksal des Propheten Daniel ist mit der Epoche der babylonischen
Gefangenschaft verknüpft: Bereits um 603 v. Chr. wurde Daniel nach Babylon ins
Exil deportiert. Er wurde am Hof des Königs Nebukadnezar erzogen und erhielt
dort eine einflussreiche Stellung (Dan 1, 1–6). 78
Der Prophet Jeremia, der in Jerusalem zurückgeblieben war, korrespondierte mit
den Verbannten. Im Auftrag Jahwes riet der Prophet, sich auf eine lange
Gefangenschaft einzurichten (Jer 29, 4–7). Zur Neubesetzung des leeren
davidischen Thrones entschied sich der babylonische König für einen Onkel
Jojachins namens Mattanja (2 Kön 24, 17–25 und Jos Flav, Antiquitates X, 7, 1). 79
Nebukadnezar inthronisierte diesen in Jerusalem und änderte seinen Namen in
Zedekia 80 (598/7–587/6 v. Chr.): Juda trat so in das zweite Stadium des
Vasallentums ein. Zedekia war der letzte König des Reiches Juda und ein „mit
76
77
78
79
80
Die Zahl der Deportierten wird auf 10.000 beziffert. In Anlehnung an Luthers Übersetzung liegt
darin der Ursprung der Redewendung von den „ober(st)en Zehntausend“. 24, 16 spricht
dagegen von 7000 Besten und 1000 Handwerkern. Bei Jer 52, 28–30 ist die Rede von 3023
Judäern. Nach Josephus, Antiquitates X, 7,1 waren es 10.832 junge Leute und Handwerker.
Esther ist die Base und Pflegetochter des Juden Mordechai. Sie wurde zur Gemahlin des
persischen Königs Ahasveros (Xerxes I., 485–465) erhoben. Durch ihren Einfluss und ihre
Stellung rettete sie die nach der Gefangenschaft in Babylon verbliebenen Juden vor einem
durch den Minister Haman beabsichtigten Massenmord. Die unterdrückten Juden stillten ihre
Rachedurst, indem sie in der Festung Susa ca. 500 ihrer persischen Feinde töteten; dies führte
zur Einführung des Purimfestes. An diesen Tagen wird das Buch Esther verlesen.
Nach Josephus, Antiquitates X, 10, 1 zählt Daniel zu den Deportierten aus der Zeit Zedekias.
Bis in die ersten Jahre des Königs Kyros blieb Daniel in Babylon. Seine Erlebnisse wie „Die drei
Jünglinge im Feuerofen“, „Das Gastmahl des Belsazar“ mit dem sprichwörtlichen „Menetekel“
an der Wand und „Daniel in der Löwengrube“ sind zu bekannten Metaphern für die Stärke des
Glaubens geworden.
Nach 2 Chr 36, 10–21 war er Jojachins Bruder.
Siehe Kessler, Rainer: Art. zu „Zedekia“, in: BBKL 1998, Bd. 14.
27
BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN
DIE ZEIT DES EXILS
beschränkten Befugnissen ausgestattete(r) Reichsverweser“. 81 Zu keiner Zeit
hatte Zedekia die volle Anerkennung bei der Bevölkerung von Jerusalem und Juda
(Jos Flav Antiquitates X, 7, 2). Als rechtmäßiger König galt der Verbannte
Jojachin, auf dessen Rückkehr man in der Heimat hoffte (Jer 28, 1–4; 24). 82
Ezechiel erlebte in der Verbannung 593/2 v. Chr. seine Berufung zum
Propheten (Ez 1,1). Seine Visionen zeigten ihm, wie die zurückgebliebenen Juden
in Jerusalem Götzendienst verrichteten: Sie waren abtrünnig geworden. Im
neunten Jahr seiner Amtszeit, etwa zwischen 594 und 593 v. Chr., bildete Zedekia
mit anderen Herrschern der Gegend eine antibabylonische Koalition und
verursachte damit den Untergang Judas (2 Chr. 36, 13; Ez 17, 13f; Jos Flav
Antiquitates X, 7, 2f). Der babylonische Herrscher schlug diesmal ohne Zögern zu
und belagerte Jerusalem eineinhalb Jahre lang (2 Kön 25, 1ff; Jer 52, 1ff; 2 Chr
36, 14–21; Jer 39, 1–14; Ez 33, 21; 40, 1). 586/87 v. Chr. war die Stadt
ausgehungert.
Zedekia
konnte
zunächst
fliehen,
wurde
aber
gefasst.
Nebukadnezar ließ ihn blenden und in Ketten nach Babylonien transportieren, wo
sich seine Spuren verlieren (2 Kön 25 2–7).
Jerusalem
wurde
vollkommen
zerstört:
der
salomonische
Tempel
niedergebrannt, hohe Staatsbeamte und die Priesterschaft wurden hingerichtet,
die städtische Bevölkerung und der Rest der Oberschicht nach Babylonien in
Marsch gesetzt. Diese trafen dort auf die Verbannten von 598/7 v. Chr., deren
Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr in die Heimat mit der Nachricht über die
endgültige Zerstörung des Tempels zunichte wurde. Wiederum war ein Teil der
Bevölkerung deportiert worden: 832 Jerusalemer (Jer 52, 28–30). Der Prophet
Jeremia selbst entging dem Schicksal der Verbannung und zog nach Ägypten (Jer
40–43). 83
In den Jahrzehnten nach dem Untergang des Staates Juda und der Zerstörung
Jerusalems begann für das Volk Israel das Zeitalter der Zerstreuung in mehrere
81
82
83
Soggin 1991, S. 181.
Jeremias vergleicht die Verbannten in Babylon mit einem Korb voller guter, schmackhafter
Feigen, Zedekia und seinen Anhang dagegen mit schlechten Feigen, die man nicht genießen
kann.
Jeremia trat mit Gedalja, dem von den Babyloniern ernannten Gouverneur des Landes, in
Verbindung und folgte nach dessen Ermordung, durch einige Judäer gezwungen, seinen nach
Ägypten flüchtenden Landsleuten, wo er seine letzten Lebenstage verbrachte. Mit ihm zog auch
Baruch, der Jeremias letzte Worte aufschrieb. Zeit und Ort seines Todes sind unbekannt. Siehe
dazu Schulz, Werner: Art. zu „Jeremias“, in: BBKL 1992, Bd. 3.
28
BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN
DIE ZEIT DES EXILS
Länder, die Diaspora. 84 Das Ende der staatlichen Selbstständigkeit markiert in der
Geschichte Israels einen Wendepunkt. Während über die Geschichte des Landes
Juda von 586 v. Chr. bis zur Heimkehr der Verbannten im Jahre 538 v. Chr. nichts
bekannt
ist,
sind
durch
den
Propheten
Ezechiel
und
Deuterojesaja 85
aufschlussreiche Nachrichten über die im babylonischen Exil lebenden Judäer
überliefert. Es war die Elite des Volkes Israel, die in Babylon leben musste. Die
Bauernschicht wurde in Juda zurückgelassen; ihrer städtischen Führungsschicht
beraubt, war sie politisch aktionsunfähig (2 Kön 24, 14; 25, 12). Der Hofstaat des
Königs war in die Stadt Babylon, die Metropole des neubabylonischen Reiches,
gebracht worden. Den größten Teil der Verschleppten siedelten die Babylonier in
verschiedenen Kolonien an (Esra 2; Neh 7). Sie blieben in Familien organisiert
und pflegten ihre Stammbäume (Esra 2, 59; Neh 7, 61): Ihr nationaler und
ethnischer Zusammenhang blieb gewahrt. 86 Manche brachten es zu Wohlstand
(Esra 1,6; 2,68f), und selbst Sklavenhandel war den Juden erlaubt (Esra 2, 65).
Die Leiden der Juden in der Gefangenschaft waren also vermutlich nicht
körperlicher, sondern seelischer Art. Die einzige Hoffnung für das Volk war die
einer baldigen Rückkehr in die Heimat. In diesem Glauben wurden sie von den
Propheten Ezechiel und Deuterojesaja gestärkt. 87 Obgleich Ezechiel zunächst als
Unheilsprophet auftrat und die Geschichte Israels als eine Geschichte des Abfalls
vom Glauben verkündete (Ez 16; 20; 23), wurde er zur Zeit der zweiten
Deportationswelle 587/6 v. Chr. ein Prophet der Restauration. Ebenso verkündete
Deuterojesaja die Befreiung und Heimkehr des jüdischen Volkes (Jes 40–55).
Psalm 137 überträgt die Exilzeit in ihrer historischen Gesamtheit: Er abstrahiert
das Geschehen in Form eines Klageliedes, das die inneren Konflikte und
Sehnsüchte der Verbannten widerspiegelt. Die von starken Emotionen getragenen
Aussagen und die anschauliche Darstellung vermitteln ein detailliertes Bild von der
84
85
86
87
Der Begriff Diaspora (griech.: διασπορά = Zerstreuung) bezeichnet seit dem späten 19.
Jahrhundert hauptsächlich religiöse oder ethnische Gruppen, die ihre Heimat verlassen haben
und unter Andersdenkenden lebend über weite Teile der Welt zerstreut sind. Vgl. dazu Ruth,
Mayer: Diaspora, eine kritische Begriffsbestimmung, Bielefeld 2005, S. 31ff.
So wird der anonyme Prophet genannt, dessen literarische Hinterlassenschaft in Jes 40–55
vorliegt und der gegen Ende der Exilzeit, in den vierziger Jahren des 6. Jh. v. Chr., an
unbekanntem Orte in Babylonien aufgetreten ist. Siehe dazu Donner 1995², S. 419.
Da sich die Juden im Exil auf das Geistige ihres Glaubens zurückziehen mussten, wurde die
Tora Mittelpunkt ihres Lebens. Das Gebet trat an die Stelle der Opferbräuche im Tempel. Auch
die Synagoge soll in dieser Zeit entstanden sein. Äußere Zeichen wie die Beschneidung und die
Einhaltung des Sabbats erhielten besonderen Wert. Siehe dazu Soggin 1991, S. 185; Grübel,
Monika: Judentum, Köln 1997², S. 19.
Vgl. Donner 1995², S. 418ff.
29
BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN
DIE ZEIT DES EXILS
Situation der trauernden Juden, die an Babels Flüssen saßen und weinten: Der
Psalm ist „ausgezeichnet durch (…) die frische Farbe seiner kleinen Gemälde“. 88
In einer Abfolge kleiner persönlicher Erlebnisse schildert er das Heimweh der
Juden im Exil (Vers 1–3), beschreibt die Heimat Jerusalem als Inbegriff der
Freude (Vers 4–6) und verflucht die Feinde (Vers 7–9).
88
Reuß, Eduard: Die hebräische Poesie, der Psalter, die Klagelieder und das Hohelied,
Braunschweig 1893, S. 276.
30
BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN
DIE HEIMKEHR UND DER WIEDERAUFBAU DES TEMPELS
3. Die Heimkehr und der Wiederaufbau des Tempels
(537–520 v. Chr.)
Während der jahrzehntelang andauernden Exilzeit veränderte sich das politische
Gleichgewicht des babylonischen Reiches. Der babylonische König Nabonid, der
seit 556 v. Chr. regierte, stiftete in seinem Reich Unruhe, indem er sich mit der
Götzenpriesterschaft anlegte. Im persischen Hochland erhob sich Mitte des 6.
Jahrhunderts der persische Fürst Kyros. Dieser stürzte das medische Königtum
und machte sich selbst zum König. Kyros dehnte seine Macht weiter nach Westen
aus, schlug 546 v. Chr. den lydischen König Kroisos und zog ins Zweistromland,
wo er 539 v. Chr. Nabonid besiegte und den babylonischen Königsthron
beanspruchte. 89 Dieses welthistorische Datum 539 v. Chr. stellt das Ende der
Gefangenschaft der Juden in Babylonien dar (2 Chr 36, 22). In seinem ersten
Regierungsjahr erließ der persische Großkönig ein Edikt an die im Exil lebenden
Judäer, das ihnen die Heimkehr erlaubte, um den Tempel in Jerusalem
wiederaufzubauen (Esra 1, 2–3; Jes 44, 28; 45, 1; Neh 7, 5ff; Jer 25, 12–14; Jos
Flav Antiquitates XI, 1). Die Zahl der Heimkehrer wird mit 43 360 angegeben, dazu
7337 Bedienstete und mehr als 200 männliche und weibliche Musikanten (Esra 2,
64). Ein Teil der Juden blieb jedoch in Babylon zurück und bildete dort ein
kulturelles jüdisches Zentrum. Aus den dort geführten Diskussionen der
Schriftgelehrten entstand im 6. Jahrhundert n. Chr. der Babylonische Talmud. 90
Die auf das babylonische Exil folgende Epoche wird die „Zeit des zweiten
Tempels“ genannt. Unter der Führung Serubabels, des Enkels Jojachins und
Sohns Sealthiels (Mt 1, 12) kehrten die ersten Verbannten in ihre Heimat zurück
(Esra 1, 8). Im zweiten Jahr nach ihrer Ankunft in Jerusalem war die feierliche
Grundsteinlegung für den Tempel (Esra 3, 8), der um das Jahr 515 v. Chr. geweiht
wurde. Im Jahre 70 n. Chr. wurde er von den Römern unter Kaiser Titus (39–81 n.
Chr.) zerstört. Der Tempelkult in Jerusalem fand damit sein Ende. 91
89
90
91
Vgl. Ben–Sasson 1978, Bd. 1, S. 206f. Zu Kyros II. siehe BBKL Bd. 4, 1992.
Siehe dazu Battenberg 2000², Bd. 1: Von den Anfängen bis 1650, S: 27f.
Vgl. Borchhardt, Paul: Art. zu „Exile, Babylonian“, in: Encyclopaedia Judaica, 1971, Bd. 6.;
Donner 1995², S. 537–552.
31
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
II. U M S E T Z U N G E N
DES
B I L D T H EM A S
DAS DITTOCHAEON DES PRUDENTIUS
BIS ZUM ENDE DES
18. J A H R H U N D E R T S
1. Das „Dittochaeon“ des Prudentius (um 400 n. Chr.)
Die erste erschließbare Darstellung des Bildmotivs „Die trauernden Juden im Exil“
wird durch den spanischen Dichter Aurelius Prudentius Clemens 92 überliefert und
um das Jahr 400 n. Chr. datiert. In seinem Werk „Tituli Historiarum“, auch
„Dittochaeon“ 93 genannt, kommentiert er einen biblischen Bilderzyklus. 48
hexametrische Vierzeiler erläutern achronologisch jeweils 24 Szenen aus dem
Alten und dem Neuen Testament. 94 Das 23. Tetrastichon zum Alten Testament,
die Tituli 89–92, paraphrasieren Psalm 137.
„Gens Hebraeorum peccamine capta frequenti
fleverat exilium dirae Babylonis ad amnes;
tum patrios cantare modos praecepta recusat
organaque in ramis salicis suspendit amarae.“ 95
Die Vierzeiler waren vermutlich Bildaufschriften in einer Kirche. 96 Dafür spricht
der kurze deskriptive Epigrammstil. Jedes Tetrastichon ist ein in sich
92
93
94
95
96
Aurelius Prudentius Clemens, der bedeutendste Dichter der christlich–lateinischen Literatur,
wurde 348 n. Chr. geboren. Das Datum seines Todes ist nicht überliefert, man vermutet aber
vor 410 n. Chr. Vom Leben des Prudentius ist nur bekannt, was er in der Vorrede (Praefatio)
von 404/405 zum Gesamtwerk äußert. Das „Dittochaeon“ wird darin nicht erwähnt. Der Dichter
lebte in einer Zeit des Umbruchs: Das Christentum musste das Erbe der paganen Kultur
antreten. Prudentius verschmolz antike Kultur mit christlichem Gedankengut. Im Mittelalter
gehörte Prudentius zu den meistgelesenen Autoren. Luther erwähnt ihn in seinen Tischreden.
Vgl. Brockhaus, Clemens: Aurelius Prudentius Clemens in seiner Bedeutung für die Kirche
seiner Zeit, Neudruck der Ausgabe von 1872, Wiesbaden 1970, S. 1–19; Kah, Marianne: „Die
Welt der Römer mit der Seele suchen…“. Die Religiosität des Prudentius im Spannungsfeld
zwischen „pietas christiana“ und „pietas Romana“, Bonn 1990, S. 1ff.
Zur Problematik des Titels siehe Pillinger 1980, S. 5.
Die Szenen des Alten Testaments sind: 1. Der Sündenfall, 2. Kain und Abel, 3. Die Arche Noah,
4. Die Eiche von Mamre, 5. Das Grab der Sara, 6. Der Traum des Pharao, 7. Die
Wiedererkennung des Joseph, 8. Der brennende Dornbusch, 9. Der Durchzug Israels durch das
Rote Meer, 10. Die Gesetzgebung, 11. Speisung in der Wüste durch Wachteln und Manna, 12.
Die eherne Schlange, 13. Das den See zu Mara versüßende Holz, 14. Das Wasserwunder von
Elim, 15. Zug durch den Jordan, 16. Die Eroberung Jerichos, 17. Samsons Kampf mit dem
Löwen, 18. Samson bindet Fackeln an die Schweife der Füchse, 19. David und Goliath, 20.
David als König, 21. Der salomonische Tempel, 22. Die Kinder der Propheten, 23. An den
Wassern Babylons, 24. Das Wunder an der Sonnenuhr von Hiskia.
CSEL 61, 1926.
„Das infolge seiner zahlreichen Sünden in Gefangenschaft gebrachte Volk der Hebräer
beweinte seine Verbannung an den Flüssen des grausamen Babylon: dann schlägt es den
Befehl aus, der Väter Weisen zu singen, und hängt seine Harfen auf die Zweige der bitteren
Weide.“
zitiert nach Pillinger 1980, S. 64.
Vgl. ebd., S. 12f. Dort wird darauf verwiesen, dass der spanische Jesuit Faustino Arévalo
(1747–1824) bereits 1788–89 die Tituli für Bildaufschriften hielt. Diese Meinung wurde in der
Literatur bald verworfen, bis Renate Pillinger sie als richtig feststellte.
32
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
DAS DITTOCHAEON DES PRUDENTIUS
abgeschlossenes Ganzes, in dem der Dichter die Tempora gezielt verwendet
hat. 97 Während die Verse 89 bis 90 Gründe und Umstände der babylonischen
Gefangenschaft im Imperfekt schildern, sind Tituli 91 bis 92 im Präsens verfasst:
Der Darstellungsinhalt des 23. Vierzeilers war folglich der Moment, in dem die
Juden den Befehl, zu singen, zurückweisen und die Harfen in die Weiden hängen.
Zu diesem Vierzeiler gibt es keine auch nur annähernd zeitlich entsprechende
ikonographische Parallele: Er ist der einzige Hinweis auf die Stelle in Psalm 137,
und das über viele Jahrhunderte hinweg. Aus der achronologischen Ordnung der
einzelnen Vierzeiler – das 23. Tetrastichon dürfte eigentlich erst auf die Verse 93
bis 96 folgen – könnte man schließen, dass die Tituli des Prudentius eine
Beschreibung bereits vorhandener Bilder sind. 98 Der Ort, an dem sich die Basilika
mit den zwei Bilderzyklen 99 befand, ist nicht nachzuweisen. Es wird vermutet,
dass die betreffenden Bilder in einem öffentlichen Gotteshaus in der spanischen
Heimat des Dichters zu sehen waren. 100
97
98
99
100
Vgl. ebd., S. 13. Zudem lässt sich das Werk in die literarische Gattung der Tituli Historiarum
einordnen. Die Tradition reicht von Ambrosius (Disticha) über Prudentius, Claudian (Miracula
Christi), Paulinus (Tituli zu den Gemälden der Felixkirche in Nola–Cimitile) und Rusticus
Helpidius (Tristicha) bis ins Mittelalter.
Vgl. ebd., S. 18, Anm. 41.
Denkbar wäre eine Anordnung in zwei parallele Reihen von je 24 Bildern an den
Langhauswänden, in der typologische Entsprechungen in einigen der Szenen wirksam
geworden sein könnten. Siehe dazu Pillinger 1980, S. 16f.
Vgl. Rösler, Augustin: Der katholische Dichter Aurelius Prudentius Clemens, ein Beitrag zur
Kirchen– und Dogmengeschichte des vierten und fünften Jahrhunderts, Freiburg i. Br. 1886,
S.125. Rösler nennt sogar die Namen der Kirchen: Calagurris oder Saragossa.
33
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN
2. Mittelalterliche Psalterillustrationen (9.–13. Jh.)
Die nächsten Zeugnisse für das Motiv „Die trauernden Juden im Exil“ finden
sich in frühmittelalterlichen Psaltern aus dem 9. Jahrhundert. Es handelt sich
dabei
um
Wortillustrationen: 101
Sowohl
abendländische
als
auch
byzantinische Buchmaler haben die Verse von Psalm 137 wörtlich
genommen, „also den Bildgehalt der Worte unangetastet ins Bild übertragen,
(…)“. 102
Obgleich es etymologische Übertragungen sind, gibt es zwischen den
abendländischen
und
den
byzantinischen
Psalterillustrationen
unterschiedliche Gestaltungsweisen.
Abendländische Buchmalerei
Der zwischen 816 und 835 im Auftrag des Bischofs Ebo in der
Benediktinerabtei Hautvillers bei Reims entstandene Utrecht Psalter 103
beinhaltet das früheste Beispiel einer Psalterillustration, die die trauernden
Juden an den Wassern von Babylon zeigt (BILD T2). 104 Die Miniatur ist ohne
Rahmung mittig in die Kolumne gesetzt. Als einzige Darstellung der
Psalterillustrationen präsentiert sie die Verse 1 bis 9 des 137. Psalms in einer
101
102
103
104
Vgl. Pächt, Otto: Die Buchmalerei des Mittelalters, München 1984, S. 167.
Ebd., S. 168.
Der karolingische Utrecht Psalter ist das Hauptwerk der so genannten Reimser Schule.
Die Handschrift enthält den ganzen Psalter in der gallikanischen Version der
Hieronymus–Übertragung, Cantica des Alten und Neuen Testaments, das Vaterunser
und das Apostolische Glaubensbekenntnis. 108 Blatt im Format 33,5 x 26 cm sind in
brauner Tinte in Capitalis Rustica geschrieben. Es gibt nur eine Initiale, und zwar zu
Psalm 1. Jedem der Psalmen, Cantica und dem Glaubensbekenntnis ist eine
Federzeichnung vorangestellt, die den Text meist wörtlich veranschaulicht. Um das Jahr
1000 wurde der Psalter nach England in die Abtei von Canterbury gebracht und dort
dreimal kopiert: Harley 603 (Harley Psalter), frühes 11. Jh., London, British Museum; Ms.
R. 17 (Canterbury Psalter), um 1150, Cambridge, Trinity College; Lat. 8846 (Paris
Psalter), um 1200, Paris, Bibliothèque Nationale. Nach der Auflösung der englischen
Klöster durch Heinrich VIII. im Jahre 1539 gelangte der Psalter in Privatbesitz. Der letzte
Besitzer war Sir Robert Cotton (1571–1631). 1716 wurde die Handschrift der Stadt
Utrecht geschenkt und befindet sich nun in der Bibliothek der Rijksuniversiteit. Vgl. dazu
Mütherich, Florentine: Karolingische Buchmalerei, München 1979, S. 22f; Horst, Koert
van der, Noel, William, Wüstefeld, Wilhemina C. M. (Hg.): The Utrecht Psalter in Medieval
Art, Picturing the Psalms of David, Ausst., Westrenen 1996, S. 168ff.
Folio 77 recto. Vgl. DeWald, Ernest: The Illustrations of the Utrecht Psalter, Princeton
1932, S. 59f.
34
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN
Bilderfolge, 105 ist also mehrszenig. Die so entstandenen Wort–Bilder sind nur
im Zusammenhang mit dem Psalmentext verständlich. Der Verzicht auf
Farbe und der skizzenhaft–graphische Charakter
schaffen ein „bildliches Äquivalent für das blitzartige Aufleuchten und
Sichjagen der Gedanken, Bilder, Stimmungen der Dichtung (…) Lesen und
Schauen ist hier eins“. 106
Die
Illustration
zeigt
die
Wasser
Babylons
als
ein
mannigfach
geschwungenes Band am unteren Abschluss des Bildes. In der Mittelachse
fordert eine Gruppe mit kurzen Tuniken bekleidete Babylonier die am Ufer
sitzenden Juden auf, Lieder zu singen. Einige Juden stehen vor der
Gesandtschaft der Eroberer. Ganz rechts, wo der Fluss entspringt, hängen
die Leiern an den Bäumen (Vers 1–3). Links oben sieht man den Psalmisten
mit mehreren Anhängern auf einer Anhöhe stehend gen Himmel flehen, wo
aus einem Wolkenband die Hand Gottes erscheint. Unmittelbar darunter ist
die Stadt Jerusalem durch die Abbreviatur einer Stadtmauer gezeigt. Darin
ist eine Gruppe von Menschen vor einem Tempel versammelt, dessen
Vorhänge zur Seite gerafft sind. Rechts oberhalb des Tabernakels steht der
bartlose Christus mit Kreuznimbus auf einem Hügel, begleitet von drei
Jüngern, und deutet auf seine Lippen – das Schicksal Jerusalems
prophezeiend (Vers 6). Rechts und links – im Mittelgrund – wird die
Eroberung
und
Zerstörung
zweier
Städte
durch
eine
Vielzahl
lanzenschwingender Soldaten gezeigt: Es sind die Städte Edom und Babylon
(Vers 7–9). 107
Die gleichsam unzusammenhängenden Motive und Wortbilder werden
durch ein landschaftliches Panorama vereinigt: Dem Auge des Betrachters
wird so ein einheitliches Bild vorgetäuscht. 108
Der
zeitgleich
zwischen
820
und
830
in
Saint–Germain–des–Prés
entstandene Stuttgarter Psalter 109 macht es dem Betrachter einfacher: Eine
105
106
107
108
Eine identische Verbildlichung der Verse des 137. Psalms findet man bei den in England
kopierten Handschriften des Utrecht Psalters, wie z. B. beim Canterbury Psalter. Vgl.
dazu James, Montague, R.: The Canterbury Psalter, London 1935, S. 43.
Pächt 1984, S. 172.
Vgl. DeWald 1932, S. 59f.
Vgl. Pächt 1984, S. 169. Vorbild sind die illusionistischen Landschaftsprospekte der
Antike, in denen es keine bestimmte Ordnung gibt, die Motive zu lesen.
35
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN
farbige Miniatur (BILD T3) 110 konzentriert sich ausschließlich auf die ersten
drei Verse: Die interlineare Illustration zeigt einen Propheten, vermutlich
Jesaja, 111 der trauernd an einem Fluss sitzt. Links im Hintergrund sieht man
die Abbreviatur einer Stadtmauer mit drei Türmen, die mit dem Namen
babilon beschriftet ist. Rechts fordert ein Kriegsherr in Begleitung mehrerer
Soldaten mit erhobenem Zeigefinger den sitzenden David 112 auf, Lieder zu
singen. Die Harfen 113 hängen in einem Weidenbaum hinter den beiden
Protagonisten. Die Landschaft um den Fluss ist belebt durch Enten und
Gänse.
Noch reduzierter ist die Darstellung im St. Albans Psalter (BILD T4), dem
ersten bekannten Beispiel eines privaten Psalteriums, gemalt für die
englische Einsiedlerin Christina von Markyate (ca. 1096–ca. 1155) um 1125–
31. 114 Die Illustration ist nicht wie beim Utrecht– und Stuttgarter Psalter als
109
110
111
112
113
114
Die karolingische Handschrift Cod. Bibl. Fol. 23, auch Stuttgarter Psalter genannt,
befindet sich in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart. Er gehört zu den
ältesten und umfangreichsten Bilderzyklen zu den Psalmen im Mittelalter. 316 farbige
Miniaturen zeigen 470 biblische Einzelszenen, fast jede Seite der 170 Pergamentblätter
im Format 28 x 18 cm weist Bilder auf, die den Text illustrieren. Vgl. dazu DeWald, Ernest
T.: The Stuttgart Psalter: Biblia Folio 23, Wuerttembergische Landesbibliothek, Stuttgart,
Princeton 1930, S. 105; Der Stuttgarter Bilderpsalter Bibl. Fol. 23 Württembergische
Landesbibliothek Stuttgart, Bd. 2: Untersuchungen, Stuttgart 1968, S. 55ff., 151ff.;
Eggenberger,
Christoph:
Psalterium
Aureum
Sancti
Galli,
Mittelalterliche
Psalterillustrationen im Kloster St. Gallen, Sigmaringen 1987, S. 167.
Folio152 recto.
In den „Untersuchungen“ zum Stuttgarter Psalter von 1968, S. 144 ist die Rede von
„Jeremias“. Da dieser, wie in Kapitel 1 ausführlich erklärt wurde, nicht in die
Gefangenschaft nach Babylon geführt wurde, ist es zutreffender, die Figur als Jesaja
oder gar Ezechiel zu deuten. Diese waren beide die geistigen Führer des israelitischen
Volkes in der Gefangenschaft.
Die Figur als König Jojachin zu benennen, wäre logischer, da dieser in die babylonische
Gefangenschaft verschleppt wurde.
Vgl. Panofsky, Dora: The Textual Basis of the Utrecht Psalter Illustrations, in: The Art
Bulletin, März 1943, Bd. 25, Nr. 1, S. 53. Die Autorin unterscheidet zwei
Bibelübersetzungen, die als Textgrundlage dienten: Die Gallikanische und das
Hebraicum, eine mehr an dem hebräischen Original orientierte Variante.
Der St. Albans Psalter, MS St. Godehard 1, setzt sich aus verschiedenen Teilen
zusammen; es sind im Einzelnen: ein liturgischer Kalender, 40 ganzseitige Miniaturen
aus dem Leben Christi, eine Lage mit dem Lied des Alexis und ein Brief an Papst Gregor
auf französisch, drei Bilder von Jesus in Emmaus, ein Diskurs über Gut und Böse und
der Buchstabe B (Beatus vir), der den Anfang der Psalmen markiert, die Psalmen,
Gebete und Gesänge, eine Doppelseite mit dem Martyrium des Hl. Alban und der
musizierende David. Die Handschrift wurde von Geoffrey de Gorron, Abt von St. Albans,
geschaffen (1119–1146). Bis zur Reformation wurde sie wahrscheinlich in Christinas
kleinem Priorat in Markyate, Hertfordshire, nicht weit von St. Albans aufbewahrt.
Während des Bürgerkriegs brachte ein katholischer Glaubensflüchtling das Manuskript in
das englische Benediktinerkloster in Lamspringe in Niedersachsen. 1803 kam das Buch
in die St. Godehardkirche in Hildesheim. Vgl. Goldschmidt, Adolph: Der Albanipsalter in
Hildesheim und seine Beziehung zur symbolischen Kirchensculptur des 12.
Jahrhunderts, Berlin 1895; Pächt, Otto, Dodwell, C.R., Wormald, Francis: The St. Albans
36
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN
Miniatur in der Kolumne gestaltet, sondern zeigt eine bewohnte Initiale, die
als Teil des in roten Majuskeln geschriebenen Titels von Psalm 137 auch nur
diesen verbildlicht. Die Initialen des St. Albans Psalters gehören zu den
ersten, in denen das Ornament sowohl das Initialinnere als auch den
Buchstabenkörper geräumt hat. 115 Der mit Farbbändern hinterlegte Körper
des Buchstaben „S“ wird zu den „Wassern Babylons“ und bildet zugleich
einen Fluss mit verschiedenen Fischen darin. An den Ufern des „S“ entlang
sitzen zu beiden Seiten trauernde Israeliten, den Kopf meist in die Hände
gestützt, darunter drei Frauen. In der oberen Bucht der Initiale, die weitaus
belebter ist, stehen zwei Bäume; in den einen hängt ein Mann seine Harfe.
Im unteren Teil sitzen vier diskutierende Juden. Die Initiale des St. Albans
Psalters zeigt eine Verflechtung von szenischer Darstellung und Text. Keine
Landschaft wie beim Utrecht– und auch Stuttgarter Psalter, sondern der
Buchstabenkörper wird zum „Träger, Schauplatz und Lebensraum der
figürlichen Darstellung“ 116 : Die Illustration wird zum Ornament.
Ebenfalls für den privaten Gebrauch, aber ein knappes Jahrhundert später
geschaffen, zeigt die Miniatur des Elisabethpsalters in Cividale del Friuli 117
zu Psalm 137(BILD T5) 118 eine ganzseitige zweigeteilte Illustration: Oben
stehen die hinter ihrem König versammelten und in Ketten gelegten
Israeliten, die Nebukadnezar, flankiert von zwei Leibwachen, wegführt;
Psalter, London 1960; Haney, Kristine: The St. Albans Psalter, an Anglo–Norman Song
of Faith, New York, Washington, Bern u. a. 2002; Geddes, Jane: Der Albani Psalter, eine
englische Prachthandschrift des 12. Jahrhunderts für Christina of Markyate, Regensburg
2005. Siehe dazu außerdem die Internetseite über den St. Albans Psalter der Universität
Aberdeen www.abdn.ac.uk/stalbanspsalter.
115
Vgl. Pächt 1984, S. 94.
116
Pächt 1984, S. 77.
117
Der in voll ausgebildeter gotischer Minuskel geschriebene Codex (Ms. CXXXVII) entstand
vermutlich in Kloster Reinhardsbrunn zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Seinen Namen
verdankt der Psalter dem erstmals 1350 im Inventar des Domschatzes von Cividale del
Friuli fassbaren Status als Reliquie der hl. Elisabeth. Die heute im Museo Archeologico
Nazionale in Cividale aufgewahrte Bilderhandschrift entstand für die Landgräfin Sophie,
Gemahlin des Landgrafen Hermann I. von Thüringen und Schwiegermutter Elisabeths.
Auf seinen 173 Blättern mit dem Format 22,5 x 17 cm enthält er einen der größten
hochmittelalterlichen Bildzyklen aus dem damaligen thüringisch-sächsischen Gebiet. Die
teilweise ganzseitigen Miniaturen sind im sogenannten „Zackenstil“ gefertigt. Vgl. dazu
Wolter-von dem Knesebeck, Harald: Der Elisabethpsalter in Cividale del Friuli und der
Thüringer Landgrafenhof, in: Wartburg-Jahrbuch 2001, Regensburg 2002, S. 25-52.
Ders.: Der Elisabethpsalter in Cividale del Friuli. Buchmalerei für den Thüringer
Landgrafenhof zu Beginn des 13. Jahrhunderts (Denkmäler deutscher Kunst, hg. vom
Deutschen Verein für Kunstwissenschaft), Berlin 2001, zugleich Diss. Phil. Göttingen
1998.
118
Folio 139 verso.
37
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN
darunter sitzen eben diese verschleppten Juden und ihr König bereits im Exil
in der Stadt Babylon direkt am Ufer des Euphrat, der vor der turmbewehrten
Mauer dahinfließt. Ergänzt wird die bis dahin noch unbekannte Darstellung
der trauernden Juden durch die am Fluss wachsende große Weide, in der
vier unterschiedliche Saiteninstrumente hängen. Diese späte abendländische
Psalterillustration zu Psalm 137 dürfte von den durchgängig illustrierten
Psaltern unabhängig sein. Die gebräuchliche Motivik der direkt am Ufer des
Flusses sitzenden trauernden Juden, die von den Babyloniern nach Psalm
137,3 zum Musizieren aufgefordert werden, wurde zu einer neuen und
einzigartigen Darstellung variiert, die den Schwerpunkt über die Trauer der
Juden hinaus auf die „körperliche“ Gefangenschaft in der Stadt Babylon legt.
Die Israeliten sitzen zusammen mit ihrem König hinter den Mauern Babylons
und blicken auf Fluss und Weide.
38
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN
Byzantinische Buchmalerei
Die byzantinische Buchmalerei zeichnet sich durch Darstellungen außerhalb
des Schriftspiegels aus. Fern der Tradition des Utrecht Psalters sind
marginale
Illustrationen
die
typenspezifische
Ausstattung
von
Psalterhandschriften im Osten: die Randpsalterien. Einzelne ungerahmte
Bildelemente sind verbindungslos über den Blattrand verstreut. 119 Während
die
Darstellungen
der
frühen
westlichen
Psalter
noch
durch
ein
landschaftliches Gefüge vereint wurden, reduzierten die byzantinischen
Buchmaler die Illustration zur Abbreviatur. Eine der ältesten Abbildungen der
trauernden Juden aus dem byzantinischen Kunstkreis befindet sich im
Khludov Psalter 120 (BILD T6). Dieser ist der am besten erhaltene von drei
Psaltern mit marginalen Illustrationen, die 843 kurz nach dem Ende des
Ikonoklasmus
entstanden
sind. 121
Diese
post–ikonoklastischen
byzantinischen Randpsalter gehören zu den ältesten Psaltern und sind
besonders aufschlussreich, da sie als „Visual Polemics“ (bildhafte Polemik)
gegen die Juden verstanden werden können. 122 Der Khludov Psalter und die
anderen stilistisch verwandten Handschriften führen die künstlerischen
Traditionen der frühchristlichen Kunst fort. Sie stehen an der Grenze
119
120
121
122
Vgl. Büttner, Frank Olaf (Hg.): The Illuminated Psalter, Studies in the Content, Purpose
and Placement of its Images, Turnhout 2004, S. 91. Es gibt zwei Bilderredaktionen, die
die byzantinische Buchmalerei prägen: die mönchisch–theologische, deren
Charakteristikum die im Text erklärten Randdarstellungen sind, und die aristokratische,
die sich durch ganzseitige Miniaturen auszeichnet. Vgl. Tikkanen, Johan Jakob: Die
Psalterillustration im Mittelalter, Bd. 1, Heft 1 und 2: Byzantinische Psalterillustrationen,
Helsingfors 1895/1897, S. 91–111 und S. 112–134.
Der Khludov Psalter, Codex 129, wird im historischen Museum von Moskau aufbewahrt.
Die Handschrift ist auf Griechisch geschrieben. 169 Folios mit dem Format 19,5 x 15 cm
weisen 225 Randillustrationen auf. Im 15. Jh. befand sich der Psalter auf dem Berg
Athos. Von dort wurde er vermutlich in das Kloster der Hl. Dreieinigkeit auf der türkischen
Insel Halki gebracht. V. Gregorovitch erwarb den Psalter während einer Reise nach
Griechenland und in die Türkei und brachte ihn nach Russland. 1860 erwarb A. I.
Khludov, dessen Namen für den Psalter adaptiert wurde, das Manuskript und stiftete es
dem Kloster St. Nicholas in Moskau. 1917 wurde der Khludov Psalter 1844–47 dem
Historischen Museum übergeben. Vgl. dazu Corrigan, Kathleen: Visual Polemics in the
Ninth–Century Byzantine Psalters, Cambridge 1992, S. 140f.
Im byzantinischen Reich waren während der Zeit von 726 bis 787 und 815 bis 843
religiöse Bilder verboten. Vgl. Horst, Noel, Wüstefeld 1996, S. 172.
Corrigan stellt in „Visual Polemics in the Ninth–Century Byzantine Psalters“ die These
auf, dass die Illustrationen der Psalter nach dem Bilderstreit eine byzantinisch–orthodoxe
Position verteidigen; die Gegner, die in den Psaltern abgebildet sind, stellen keine
Ikonoklasten, sondern Juden dar. Es sollen also zu einem großen Teil anti–jüdische
Bilder sein.
39
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN
zwischen der älteren und der späteren byzantinischen Kunstepoche. 123 So
lebt in der Illustration von Psalm 137 die antike Kunst in der Darstellung
eines Flussgottes weiter: Der Fluss entspringt dem Mund des personifizierten
Euphrats, eines der vier Paradiesflüsse. 124 Die farbenfrohe Miniatur
unterhalb des Textes zeigt einen bärtigen Flussgott auf der Spitze eines
Felsens sitzend. Aus seinem Mund strömt das Wasser quer über die Seite
und bildet den unteren Abschluss der Szenerie, in der zwei Männer in
orientalischer Tracht die Hebräer auffordern Lieder zu singen. Die Beischrift
kennzeichnet sie als περσαι (Perser). Der Baum mit rechteckigen
Harfeninstrumenten
in
den
Ästen
grenzt
–
unmittelbar
hinter
die
babylonischen Soldaten gesetzt – die Illustration vom Text ab.
Abbreviaturhafter erscheint die Darstellung der trauernden Juden in dem zur
gleichen Zeit geschaffenen, fragmentarisch erhaltenen Manuskript Cod. gr.
20 125 (BILD T7): Präsentiert wird eine Gruppe sitzender und stehender Frauen
in grünlichen Kleidern. Vor ihnen befindet sich die Abbreviatur eines Flusses,
der aus dem Mund des personifizierten Euphrats oberhalb der Trauernden
entspringt. Die Babylonier fehlen.
Die Rahmung, die bei der Darstellung des Khludov Psalters und bei
Fragment Gr. 20 fehlt, bildet der ein Jahrhundert später, 1066, geschaffene
Theodor Psalter 126 bei der Verbildlichung von Psalm 137 127 in besonderer
Weise aus (BILD T8). Die Ströme, die aus den Mündern zweier sich
123
124
125
126
127
Vgl. Tikkanen 1895/1897, S. 15.
Vgl. Poeschke, Joachim: Art. zu „Paradiesflüsse“, in: LCI 1994, Bd. 3. Die Personifikation
wird Ende des 10. Jh. bis zum 14. Jh. zur dominierenden Darstellung der Paradiesflüsse.
Gewöhnlich werden die Paradiesflüsse als sitzende oder stehende Männer, nackt oder
mit einem Lendentuch bekleidet und mit großen Krügen, aus denen Wasser hervorquillt,
dargestellt. Vgl. außerdem Tikkanen 1895/97, S. 26f.
Aufbewahrungsort des Fragmentes ist die Bibliothèque Nationale in Paris. Der Psalter ist
in griechischer Schrift verfasst. Erhalten sind 27 Randillustrationen auf 40 Blättern im
Format 19,9 x 15,2 cm. Die Deckfarben sind zum Teil sehr stark abgeblättert, so dass nur
noch die Komposition als Ganzes zu erkennen ist. Im 17. Jahrhundert war der Psalter im
Besitz des Mönchs Laurentius Blondel (1671 – 1740). Im frühen 18. Jh. wurde die
Handschrift von Monsieur Lovail an die Bibliothèque Royal in Paris gegeben. Vgl. dazu
Dufrenne, Suzy: L’Illustration des Psautiers Grecs du Moyen Age (Pantocrator 61, Paris
Grec 20, British Museum 40731), Paris 1966, S. 41; Corrigan 1992, S. 146f.
Der Theodor Psalter 19. 352, der sich seit 1853 in der British Library in London befindet,
wurde im Auftrag des Abtes Michael der Studios–Klöster in Konstantinopel von dem
Erzpriester Theodorus aus dem Kloster Basilios des Großen in Caesarea geschaffen.
440 Miniaturen auf 208 Folios im Format 19,8 x 23, 1 cm begleiten den Text, der in
griechischer Minuskel geschrieben ist. Vgl. dazu Der Nersessian, Sirarpie: L’Illustration
des Psautiers Grecs du Moyen Age II, Paris 1970, S. 11; Barber, Charles (Hg.):
Theodore Psalter, Electronic Faksimile, Illinois 2001, S. 1ff.
Folio 176 recto. Vgl. Der Nersessian 1970, S. 56.
40
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN
gegenübersitzender Flussgötter herabsprudeln, umfließen zu beiden Seiten
einen großen Baum und eine Gruppe von Personen, um sich dahinter zu
vereinigen: ein naturalistischer Rahmen! Die Hauptszene zeigt rechts zwei
stehende und mehrere auf dem Boden sitzende Hebräer. Ihre Instrumente
hängen in dem Baum, der sich links hinter zwei stehenden Babyloniern in
leichtem Bogen emporhebt und mit seinem Laubdach die gesamte
Figurengruppe überwölbt.
Die in das Jahr 1059 datierte Handschrift Gr. 752 128 , die sich in der
vatikanischen Bibliothek befindet, zeigt eine neue Bilderredaktion (BILD T9):
Als goldgrundige, mit einem ornamentalen Rahmen versehene Miniaturen
füllen die Illustrationen die breiten Marginalränder der Handschrift. Das Motiv
„Die trauernden Juden im Exil“ ist zum ersten Mal als kleines Gemälde
definiert. Im Gegensatz zum fragmentarisch erhaltenen Psalter Gr. 20, in
dem – soweit erkennbar – nur Frauen trauern, sitzen in der Darstellung
dieses Psalters drei Israeliten unter zwei Weidenbäumen, in deren Äste sie
ihre Instrumente gehängt haben, am Boden. Ihre Hand– und Fußgelenke
sind mit Fesseln versehen: Ein Detail, das in den bisherigen Illustrationen
nicht abgebildet wurde. Am oberen Bildrand entspringen aus dem Maul eines
Löwenkopfes „die Wasser Babylons“. Der Fluss fällt diagonal nach unten in
das Maul eines Fisches. 129 Auch hier wurde wie bei dem frühen Manuskript
Gr. 20 auf die Darstellung der Babylonier verzichtet.
Als einer der letzten Belege für die Illustration von Psalm 137 in
byzantinischen Psaltern entstand in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts die
Darstellung im Codex Vat. Gr. Nr. 1927. 130 Die der mönchisch–theologischen
Redaktion verwandte Handschrift 131 zeigt eine Kombination der trauernden
Juden mit dem Autorenbildnis des leierspielenden David 132 (BILD T10): Die
128
129
130
131
132
Die Handschrift ist vermutlich in den Hl. Johannes Studios in Konstantinopel entstanden.
Mit dem Format 33, 5 x 27 cm gehört sie zu den großen Manuskripten. Vgl. dazu
DeWald, Ernest T.: The Illustrations in the Manuscripts of the Septuagint, Volume III,
Psalms and Odes, Part 2: Vaticanus Graecus 752, Princeton 1942, S. 9ff.
Oberhalb der zwei Bäume steht: επì ταις ìτέαις εν μέσω αυτοις εκρεμάσαμε (ν) τα όργανα
(Wir haben mitten in die Weiden selbst die Instrumente aufgehängt). Der wasserspeiende
Löwenkopf ist als ποταμο (ς) βαβυλων (ος) (Fluss Babylons) bezeichnet.
Über das Manuskript Vaticanus graecus 1927 ist sehr wenig bekannt. Seit Ende des 17.
Jhs. befindet es sich in der Vatikanischen Bibliothek. Vgl. DeWald, Ernest T.: The
Illustrations in the Manuscripts of the Septuagint, Volume III, Psalms and Odes, Part 1:
Vaticanus Graecus 1927, Princeton 1941, o. S. (The History and Description of the
Manuscript).
Vgl. Tikkanen 1895, S. 91.
Folio 245 recto. Vgl. ebd. S. 39f.
41
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN
narrative Szene der trauernden Juden an den Wassern Babylons wird um die
Darstellung des David erweitert und typologisch–allegorisch erhöht. Ähnlich
der Handschrift Vat. Gr. 752 handelt es sich um eine goldgrundige Miniatur,
die aber nun nicht mehr an den Rand gesetzt ist, sondern die gesamte Breite
des Textes einnehmend zu einer interlinearen Miniatur wird. Auf einem Hügel
im Zentrum der Illustration ist die im Bedeutungsmaßstab dargestellte
Erscheinung des jugendlichen, die Harfe spielenden David platziert. Sein
Haupt ist bekrönt und von einem Nimbus umgeben. Der Strom, der die
Wasser Babylons repräsentiert, fließt aus dem Mund eines gewaltigen
Kopfes links und verläuft schräg über die untere Bildhälfte. Am jenseitigen
Ufer sitzt eine Gruppe gefangener Juden auf dem Boden. Sie werden von
drei rechts am Rand stehenden, bärtigen und lanzentragenden Babyloniern
aufgefordert zu singen.
Dieses letzte Beispiel einer Psalterhandschrift aus dem byzantinischen
Kunstkreis verdeutlicht, dass die Kunst von einer wörtlichen Übernahme des
Textes Abstand nahm, um sich in einen höheren Zusammenhang zu stellen.
Das Alte Testament ist Quellenwerk der christlichen Heilsgeschichte und als
solches allein für die Ikonographie des Mittelalters maßgebend. Der Psalter
wurde im Mittelalter als Prophezeiung auf den Messias gedeutet, weswegen
man zur Ausschmückung seit dem 11. Jahrhundert Bilder aus dem Leben
Christi und Davids nahm. Das Motiv „Die trauernden Juden im Exil“ hat keine
typologische Entsprechung im Neuen Testament. Die Illustration zu Psalm
137 ist vielmehr auf die historische Begebenheit hin orientiert und betont
summarisch das Narrative: ein „Historienbild“, bei dem der eschatologische
Charakter vernachlässigt wird. Auffälligerweise enthält ein Psalter meist nur
dann eine Illustration zu Psalm 137, wenn alle Psalmen mit Miniaturen
versehen wurden. Bei Psaltern mit ausgewählten Miniaturen bevorzugte man
typologische
Szenen,
die
den
heilsgeschichtlichen
Zusammenhang
akzentuieren.
Mit dem Niedergang des bebilderten Psalters im 14. Jahrhundert hören
auch die Darstellungen der trauernden Juden an den Wassern Babylons auf.
An die Stelle des Psalters tritt das illuminierte Stundenbuch mit einem
Passionszyklus oder einem Marienoffizium als häufigste Form des reich
bebilderten Andachtstextes für den Privatgebrauch, in denen nur noch auf
42
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN
Geschehnisse des Neuen Testaments Bezug genommen wird. 133 Das Motiv,
das die Leiden des jüdischen Volkes verbildlicht, wird in der Tafelmalerei der
kommenden Jahrhunderte nicht übernommen.
133
Vgl. Büttner 2004, S. 1f.
43
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
DIE „VORFAHREN CHRISTI“ IN DER CAPPELLA SISTINA
3. Die „Vorfahren Christi“ in der Cappella Sistina (1508–12)
Die Deckenfresken der Sixtinischen Kapelle in Rom, unter Papst Sixtus IV.
zwischen 1475 und 1483 erbaut, wurden von Michelangelo im Auftrag Papst
Julius’ II. ab 1508 in nur vier Jahren geschaffen. Dargestellt sind Szenen aus der
Genesis. Das dazugehörige Rahmenprogramm ist jedoch voller Hinweise auf das
Exil der Juden in Babylon. Alle sechs dargestellten Propheten, ausgenommen
Jonas, stehen mit dem geschichtlichen Ereignis in Verbindung. Jesaja weissagte
das Exil bereits drei Generationen vor Josia, dem letzten König von Juda.
Jeremia, der über dem Thron des Papstes positioniert ist, war Freund und
Ratgeber des Josia. Seine Klagelieder spiegeln die Leiden im Exil wider. Ezechiel
war einer der Propheten, die in das Exil verschleppt wurden. Die Prophezeiungen
Daniels, der am Hofe Nebukadnezars lebte, nahmen in dieser Zeit ihren Anfang.
Zacharias lebte in der Nachexilzeit und war Prophet des Serubabel, der den
Tempel in Jerusalem wiederaufbaute. Auch der Prophet Joel, über den am
wenigsten bekannt ist, lebte zu dieser Zeit im Königreich Juda. Judith, deren
Darstellung sich in einem der vier Eckzwickel befindet, lebte während der Exilzeit.
Zu erwähnen ist schließlich die erithräische Sybille, die ihre Prophezeiungen
angeblich in Babylon aufschrieb. 134
Der signifikanteste Hinweis jedoch wird in der Abfolge der Lünetten und
Stichkappen gegeben, in denen sich die Fresken der Vorfahren Christi nach
Matthäus’ Genealogie (Mt 1, 1–16) befinden (BILD T11/12). Die Reihenfolge der
Stammväterfiguren, die sich chronologisch alternierend rechts und links über die
Decke zieht, wird an der Stelle verändert, wo die babylonische Gefangenschaft
zeitlich einzuordnen ist. Die Lünette mit Hiskia, Manasse und Amon folgt nicht
etwa an der gegenüberliegenden Wand, sondern befindet sich gleich neben der
Lünette mit Josia (Amons Sohn), Jojachin (erster König in der babylonischen
Gefangenschaft) und Sealthiel (Jojachins Sohn). Erst dann wird der alternierende
Rhythmus wieder aufgegriffen, und es schließt gegenüber die Lünette mit
Serubabel, Abiud und Eliakim an.
Eine Darstellung der babylonischen Gefangenschaft in einem eigenem Feld
fehlt zwar, obgleich diese Epoche zu den wichtigsten Ereignissen im Alten
134
Vgl. Hartt, Frederick: Lignum vitae in medio paradisi: The Stanza d’Eliodoro and the Sistine
Ceiling, in: Art Bulletin, Juni 1950, Nr. 2, Bd. 32, S. 210.
44
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
DIE „VORFAHREN CHRISTI“ IN DER CAPPELLA SISTINA
Testament gehört; jedoch wird laut Pappas durch die oben erwähnte strukturelle
Besonderheit im Bildprogramm, durch den Bruch in der alternierenden Folge der
Stammväterfiguren, die babylonische Gefangenschaft symbolisiert. 135
Aus der Geschichte der europäischen Malerei war das Bildthema „Die
trauernden Juden im Exil“ zwar lange verschwunden, doch kommt es in dem
komplexen Bildprogramm der Sixtina sehr wohl vor: Im Zwickel zwischen Jesaja
und der delphischen Sibylle und über der Josia–Jojachin–Sealthiel–Lünette 136 ist
Jojachin mit seiner Frau und seinem Sohn Sealthiel als trauernde Familie in
nächtlicher Atmosphäre gezeigt (BILD T13): Sie sind ganz offensichtlich in
babylonischer Gefangenschaft 137 , also „trauernde Juden im Exil“. Alle drei haben
die Augen geschlossen. Die mächtige Figur des lagernden Königs Jojachin streckt
sich in Seitenansicht durch den Zwickel und schließt den Betrachter aus der
135
136
137
Vgl. Pappas, Andrea: Observations on the Ancestor Cycle of the Sistine Chapel Ceiling, in:
Source, 1992, Bd. 11/2, S. 27–31; Tolnay, Charles de: Michelangelo, Bd. 2: The Sistine Ceiling,
Princeton 1945, S. 87. Laut Pappas besteht eine Beziehung zwischen den Lünetten und den
Fresken aus dem Quattrocento an den Wänden darunter. Letztere würden die priesterliche
Autorität betonen. Sie zeigen an der Südwand Geschichten aus dem Leben des Moses und an
der Nordwand Episoden aus dem Leben Jesu. Serubabel, der in der Lünette gegenüber Josia
gezeigt ist, erhielt seinen Rang als Führer des jüdäischen Volkes von den Priestern. Zugleich ist
die Darstellung Serubabels direkt über dem Feld mit der selten gezeigten Episode „Die
Bestrafung von Korach, Datan und Abiram“ (Num 16, 1–35) von Botticelli platziert. Sie sind die
levitischen Priester, die Moses und Aaron die zivile und religiöse Macht über das auserwählte
Volk abgesprochen hatten. Aus diesem Grund wurden sie vom Erdboden verschluckt und
zusammen mit ihren Familien von einem unsichtbaren Feuer verbrannt. Korrespondierend dazu
ist Josia über dem Fresko „Die Schlüsselübergabe an Petrus“ (Mt 16, 13–20) von Perugino an
der gegenüberliegenden Seite dargestellt. Es versinnbildlicht laut Pappas die Vorrangstellung
des Bischofs von Rom. Die Präsenz von Josia und Serubabel darüber intensiviert den Sinn der
Bestrafung von Ungehorsam gegen die göttlichen Gesetze und gegen jene, die sie
repräsentieren. Gleichzeitig sollen die Stammväter die Autorität der Stellvertreter Gottes, also
der Päpste beglaubigen. Denn Josia und Serubabel waren gehorsame Führer, und ihre
Gegenüberstellung mit den darunter befindlichen Szenen akzentuieren deren Gehorsam. Die
alttestamentarischen Episoden in Verbindung mit den Lünetten könnten also auf die Beziehung
zwischen den Leviten, den Angehörigen des Priesterstandes, und den Königen von Juda
hinweisen. Diese Beziehung soll nun emblematisch auf den Papst hinweisen. Über 100 Jahre
nach Beendigung des Abendländischen Schismas steht Julius’ II. Pontifikat unter den
drohenden Zeichen eines neuen Schismas: Treuebruch und Ungehorsam gegen göttlich
legitimierte Macht. Die strukturelle Besonderheit des Bildprogramms der Sixtina an Stelle der
Epoche der babylonischen Gefangenschaft könnte also im Kontext der Auseinandersetzung
Julius’ II. mit den Nachwirkungen des Abendländischen Schismas und der drohenden neuen
Teilung des Papsttums zusammenhängen. Julius II. sieht sich als ein Nachfolger von
Serubabel, der den Tempel Gottes wieder aufgebaut hat. Vgl. auch Bull, Malcolm: The
Iconography of the Sistine Chapel Ceiling, in: The Burlington Magazine, August 1988, Bd. 130,
S. 605.
Eine Nachzeichnung der Darstellung von Sealthiel und seiner Mutter entstand zwischen 1801
und 1815 im napoleonischen Raum. Bleistift auf Papier, aufgezogen, 39,1 x 27,4 cm, Neapel,
Museo Nazionale di San Martino, vgl. Causa Picone, Marina: Museo Nazionale di San Martino,
I disegni del Cinquecento e del Seicento, La collezione Ferrara Dentice, Neapel 1999, Nr. 162.
Die Bibel berichtet, das Jojachin 560 v. Chr. aus dem Gefängnis entlassen wird und einen Sitz
an der königlichen Tafel erhält: Er wird von den Babyloniern begnadigt. Vgl. 2 Kön 25, 27–30; 1
Chr 3, 16–18; Jer 52, 31–34. Im Jahr 1900 wurden sogar Verwaltungsurkunden in Form von
Keilschrifttafeln in der Südburg Babylons gefunden, die Lebensmittelrationen für Jojachin und
fünf seiner sieben Söhne beschreiben. Vgl. Donner 1995², S. 407.
45
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
DIE „VORFAHREN CHRISTI“ IN DER CAPPELLA SISTINA
familiären Einheit aus. Seine Frau sitzt – ihr Kind umfangend – nach rechts ins
Profil gekehrt. Sie haben keine Verbindung zur Außenwelt.
Der gegenüberliegende Zwickel zeigt ebenfalls gefangene Juden (BILD T14): Es
ist Sealthiels Sohn Serubabel, der die Juden aus der Gefangenschaft nach
Jerusalem führen wird, mit seinen Eltern. Im Gegensatz zu dem Zwickel der
Familie Jojachins dominiert hier die Mutter die Darstellung. Ins Profil nach rechts
gerückt sitzt sie auf dem Boden und blickt aus dem Bild heraus. Ihr Kind, in
Rückansicht gezeigt, lehnt an ihren aufgestellten Beinen. Im Hintergrund, vom
Dunkel der Nacht umgeben, sitzt der gealterte Sealthiel. Sein Kopf ist geneigt,
sein Kinn liegt auf der schlaffen Brust; er scheint zu schlafen.
Michelangelo zeigt also in den Lünetten der Stichkappen zwei Darstellungen
des Bildmotivs. Die Besonderheit dabei ist, dass es sich nicht um namenlose
Juden handelt, wie es z. B. in den Psalterillustrationen der Fall ist, sondern um
zwei
Generationen
der
„Vorfahren
Christi“,
also
historisch
benennbare
Persönlichkeiten, deren statuarische Ruhe und Monumentalität für die Ausformung
des Bildmotivs im 19. Jahrhundert bedeutsam werden.
46
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
WANDMALEREIEN IN SYNAGOGEN
4. Wandmalereien in Synagogen (18. Jh.)
Der Ursprung der Synagoge ist umstritten: Krinsky nimmt an, dass die Synagoge
in Folge der Zerstörung des salomonischen Tempels und des babylonischen Exils
entstanden ist. 138 Fern der Heimat und ihres traditionellen Gebetszentrums
befanden sich die Juden in einem Land, das ihnen als unrein galt (Ez 4,13).
Mittelpunkt wurden „Versammlungen zu Gebet und Unterweisung an >den
Strömen Babels<“ 139 , in denen die Verbannten versuchten, ihre Riten und
Bräuche
zu
wahren.
Als
den
Juden
gestattet
wurde,
in
ihre
Heimat
zurückzukehren, bauten sie einen bescheideneren Tempel, als es der erste
gewesen war. Die ehemaligen Gefangenen und ihre Nachkommen haben es
vermutlich
beibehalten,
rituelle
Versammlungen
außerhalb
des
Tempels
abzuhalten. Aus diesen Versammlungen unter freiem Himmel entwickelte sich
allmählich der Brauch, ein Gebäude für die religiösen Zusammenkünfte zu nutzen:
die Synagoge (griechisch συνάγογeiν = zusammenführen, versammeln). 140
Die ersten archäologischen Beweise für die Existenz von Synagogen wurden
außerhalb der Grenzen Palästinas gefunden. So gehört die Synagoge von Dura
Europos, die im Jahre 200 n. Chr. erbaut wurde, zu der Gruppe der so genannten
Diaspora–Synagogen. 141 Obgleich es keine Zeugnisse bildhafter Darstellungen
des 137. Psalms in den frühen Synagogen gibt, findet man das Motiv
schematisiert als Abbreviatur an den Wänden osteuropäischer Holzsynagogen
des 18. Jahrhunderts. Nachdem im Mittelalter nur wenige Synagogen gebaut
wurden, entwickelten sich die jüdischen Gemeinden in Polen im 16. und 17.
Jahrhundert zu kulturellen Zentren mit reger Bautätigkeit: Es entstanden Stein–
und Holzsynagogen. Während die Steinbauten vor allem in den größeren Städten
138
Vgl. Krinsky, Carol Herselle: Synagogues of Europe, Architecture, History, Meaning,
Cambridge, London 1985, S. 5f. Eine konträre Meinung vertritt Künzl, Hannelore: Der
Synagogenbau in der Antike, in: Schwarz, Hans–Peter (Hg.): Die Architektur der Synagoge,
Stuttgart 1988, S. 45. Die Entstehung der Synagoge fällt in eine Zeit, als der Tempel zu
Jerusalem noch bestand. Die Synagoge hat also nicht als Tempelersatz gedient, sondern
besaß eine andere Funktion.
139
Roth, Cecil: Die Kunst der Juden, Bd. 1, Frankfurt am Main 1963, S. 64.
140
Vgl. Krinsky 1985, S. 5f.
141
Roth 1963, Bd. 1, S. 64f und 82ff. Die Wände der Dura–Europos–Synagoge waren mit Fresken
bedeckt, die in drei aufeinander folgenden Streifen biblische Zyklen darstellen. Obgleich – in
den zur Hälfte erhaltenen Fresken – keine Darstellung der trauernden Juden an den Wassern
Babylons nachgewiesen werden kann, gibt es eine Bilderfolge, die die Vision des Propheten
Ezechiel zeigt. Am Kanal Kebar erhielt Ezechiel seine Berufung zum Propheten in der
babylonischen Gefangenschaft. Siehe S. 27 in dieser Untersuchung.
47
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
WANDMALEREIEN IN SYNAGOGEN
errichtet wurden, waren für Dörfer und Kleinstädte hölzerne Synagogenbauten
typisch. Im Außenbau schlicht gehalten, weisen sie innen Wandmalereien in
religiös–dekorativem Stil auf. 142 Die 1648 einbrechende Katastrophe durch die
Kosakenaufstände und die damit einhergehenden Ausschreitungen gegen die
jüdische Bevölkerung veranlasste die polnischen Juden, Zuflucht in der Welt des
Glaubens zu suchen. Das Judentum schuf sich eine eigene kulturelle Welt und
grenzte sich von der polnischen Kultur ab, die sich am Katholizismus des Westens
orientierte. Dies äußert sich in der Kunst und insbesondere in Wanddekorationen
der Synagogen, die voll religiöser Andeutungen den ursprünglich volkstümlichen
Charakter des Judentums hervorheben: 143 Waren in den frühen Bauten die
Wände durch Schriftbänder in symmetrische Zonen gegliedert, die mit einer
folkloristischen Ornamentmalerei, mit Tieren – vor allem dem Zodiak – und
Symbolen wie der Menorah ausgefüllt waren, entwickelten sich im 18. Jahrhundert
die eingestreuten kleinformatigen Bilder mit religiösem Inhalt, meist Themen aus
den Psalmen, zu einer großformatigen Landschaftswiedergabe. 144 In die
personenlosen
Landschaftsprospekte
sind
Motive
aus
der
babylonischen
Gefangenschaft integriert, die die Sehnsucht nach Zion versinnbildlichen. 145
1760 versah der folkloristische Künstler Jehuda Leib (Lebensdaten unbekannt)
146
die Synagoge in Przedborz 147 mit Wandmalereien. 148 Ein Fresko zeigt
unzählige Instrumente wie Trompeten, Zimbeln, Violinen und ein Cello vor dem
Hintergrundprospekt des fiktiv als Turmstadt dargestellten Jerusalems (BILD T15).
Einzig die am Himmel flatternden Vögel beleben die Komposition: Ein Stillleben
aus
Instrumenten
imaginiert
die
Trauer
des
jüdischen
Volkes
in
der
Gefangenschaft.
142
143
144
145
146
147
148
Vgl. Künzl, Hannelore: Jüdische Kunst, Von der biblischen Zeit bis in die Gegenwart, München
1992, S. 86.
Vgl. Roth 1963, Bd. 1, S. 126f; Davidovicz, David: Wandmalereien in alten Synagogen, das
Wirken des Malers Elieser Sussmann in Deutschland, Hameln, Hannover 1969, S. 7f.
Künzl 1992, S. 89ff.
Vgl. „If I forget thee…“ Longings for Jerusalem in the Jewish Folk Art of Eastern Europe, in:
Ariel, The Israel Review of Art and Letters, 1996, Bd. 102.
Der Name ist durch eine Inschrift des Künstlers selbst bekannt, in der Übersetzung von
Wischnitzer: „The work of Yehuda Leib, done with his own hands“. Datiert ist es auf das Jahr
5520, was nach unserer Zeitrechnung 1760 entspricht. Vgl. Wischnitzer, Rachel: The
Architecture of European Synagogues, Philadelphia 1964, S. 146.
Siehe hierzu Moshe, Verbin: Wooden Synagogues of Poland in the 17th and 18th Century,
Herzliya 1992², Nr. 20.
Vgl. Loukomski, George K.: Jewish Art in European Synagogues, From the Middle Ages to the
Eighteenth Century, London, New York, Melbourne u.a. 1947, S. 57; Breffny, Brian de: The
Synagogue, London 1978, S. 125; Piechotkowie, Maria und Kazimierz: Polichromie polskich
bóznic drewnianych, in: Polska sztuka ludowa, 1989, Bd. 43, 1–2, S. 79.
48
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
WANDMALEREIEN IN SYNAGOGEN
Auf ähnliche Weise malt der Architekt und Künstler David Friedländer
(Lebensdaten unbekannt)
149
um 1800 „Die trauernden Juden im Exil“ in der von
ihm erbauten Synagoge in Grojec (BILD T16). In der Mitte des Bildes hängen
Trompeten und Violinen an den Bäumen eines Parks. Rehe auf der Wiese und
Vögel im Himmel schaffen eine pastoral anmutende Atmosphäre. Links ragt
vierstufig der Turm zu Babel in die Höhe. Rechts endet das Gemälde mit einer
Vedute Jerusalems, das als typische polnische Stadt mit Häusern mit geziegelten
Dächern gezeigt ist. 150 Obgleich Friedländer das Motiv „Die trauernden Juden im
Exil“ im Gegensatz zu Leib als ein in sich geschlossenes Landschaftsgemälde mit
zwar fiktiver, aber zeitgenössischer Stadtansicht gestaltet, verwenden beide
Künstler das gleiche stilllebenhafte Kompositionsschema: das Motiv der in den
Bäumen hängenden Musikinstrumente als Metapher für die Trauer der Juden in
Kombination
mit
einer
Stadtansicht
Jerusalems,
die
die
Hoffnung
auf
Wiedergewinnung ihrer Heimat versinnbildlicht.
Synagogale Innendekorationen mit dieser Thematik waren im Ostjudentum weit
verbreitet 151 , sind aber fast alle im zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten
zerstört worden. 152 Erkennbar sind sie noch in den um 1920 entstandenen
Wandmalereien in der Synagoge von Cznerowitz in der Ukraine: Musikinstrumente
hängen in den Bäumen. Zelte am Fluss zeugen von der Anwesenheit der
deportierten Juden (BILD T17). Die Hoffnung auf die Rückkehr in die Heimat
versinnbildlichen das sprießende Grün der verstümmelten Bäume und das helle
Licht am Horizont. 153
149
150
151
152
153
Siehe hierzu Davidovicz, David: David Friedländer, Ein jüdischer Künstler im 18. Jh., in: Gazit,
1957, 171–178, S. 144–148 (hebräisch).
Vgl. „If I forget thee…“ in: Ariel 1996; Breffny 1978, S. 125, Bild S. 126.
Weitere Illustrationen von Psalm 137 gab es in der Synagoge von Peczenizyn vom Ende des
18. Jahrhunderts (BILD T18). Die in den Bäumen hängenden Instrumente wie Trompeten, ein
Horn, Zimbale, Psalter, Violinen und Trommeln sind charakteristische Instrumente einer
jüdischen Musikkapelle um 1800. Vgl. dazu Piechotkowie Maria und Kazimierz: Bramy Nieba,
Warschau 1996, S. 304–306. In der Synagoge von Zydaczów entstanden die Malereien von
1792 bis 1809 (BILD T19). Die Westwand war mit einem Fries aus Bäumen mit darin hängenden
großen Instrumenten versehen. Vgl. Piechotkowie 1996, S. 380–382. Eine weitere Darstellung
ist in der Hohen Synagoge im Krakauer Stadtviertel Kazimierz belegt. Neben der Opferung des
Isaak und der Arche Noah sind an den Bäumen hängende Harfen an den Wassern Babylons
gezeigt. Eine seltene Kombination, da figurale Abbildungen nicht üblich waren. Vgl. Krinsky
1985, S. 58.
Künzl 1992, S. 88. Zu der Zerstörung der Synagogen in Polen siehe Davidovicz, David:
Synagogues in Poland and their Destruction, Jerusalem 1960.
Krey 2003, S. 97. Ebenfalls um 1920 entstanden die Wandmalereien, die Musikinstrumente
zeigen, in der Kirznershe Synagoge in Jasi, Moldavien. Vgl. „If I forget thee…“ in: Ariel 1996.
49
UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS
BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
WANDMALEREIEN IN SYNAGOGEN
Zusammenfassend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass den Umsetzungen des
Bildmotivs bis zum Ende des 18. Jahrhunderts keine bestimmte Vorläuferrolle für
die Ausformungen im 19. und 20. Jahrhundert zugewiesen werden kann: Es sind
unabhängige Vorformen, die mit der späteren Typisierung des Bildmotivs nur das
Thema gemeinsam haben. Gleichwohl haben die Deckenfresken der Sixtina, wie
später ausgeführt wird, gerade für Eduard Bendemanns Gemälde „Die trauernden
Juden im Exil“ eine bestimmende Rolle gespielt: zwar nicht in Bezug auf das
Thema, wohl aber in der Monumentalität und Gestik der biblischen Figuren.
Das Motiv „Die trauernden Juden im Exil“ ist also vor Beginn des 19.
Jahrhunderts von keiner kontinuierlichen Bildtradition geprägt.
50
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
DISPARATE ANFÄNGE
III. Entwicklung des Bildmotivs
1. Disparate Anfänge
William Blake und Giuseppe Bossi im Gefolge von Jacques Louis Davids Gemälde
„Der Schwur der Horatier“
In einer Epoche der britischen Malerei, in der die Gattungen des Porträts und der
Landschaft vorherrschten, bestimmte die menschliche Gestalt das Oeuvre des
ikonographisch eigenwilligen Engländers William Blake. Im Kontext von Werken
zur Bibel schuf der Malerdichter für seinen Mäzen Thomas Butts 1806 das
Aquarell „By the Waters of Babylon“ (KATALOG 1A, BILD K1), ein kleinformatiges Blatt,
das wie die übrigen Bibelillustrationen für den Privatgebrauch bestimmt war. Das
Motiv „Die trauernden Juden“ ist kein allein stehendes Bild, sondern Teil einer
größeren Ikonographie, der Illustrierung der Bibel. 154
Blake konzentriert sich in seiner Darstellung auf den spannungsvollen
Dualismus zwischen Juden und Babyloniern, den er durch die räumliche
Verteilung des Bildpersonals hervorhebt. Die Bilderfindung, Gegensatzpaare
kontrastierend gegenüberzustellen, wie hier würdevolle Unterdrückte und
herrische Unterdrücker, stammt nicht von Blake. Seine Bibelillustration war eine
von vielen künstlerischen Erwiderungen auf das epochemachende Gemälde „Der
Schwur der Horatier“
155
(BILD T20) des französischen Klassizisten Jacques Louis
David (1748–1825) von 1784, dessen Gemälde Blake als Reproduktionsstecher
bekannt waren. Das Bild, das im Namen von König Ludwig XVI. vom Grafen
Charles–Claude d’Angiviller (1730–1809) bei David in Auftrag gegeben wurde 156 ,
visualisiert
154
155
156
eine
minutiöse
Momentaufnahme,
die
letztendlich
keine
Die Bibel war Blakes wichtigste Quelle, aus der er seine Motive entnahm. Für den Künstler war
das Buch der Bücher nicht eine Aufzählung von historischen Ereignissen oder die Form eines
spirituellen Dokuments, sondern die Verkörperung der gesamten Menschheitsgeschichte, der
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Bibel gab ihm den Schlüssel zum Verstehen, und
seine künstlerische Kreativität war eine Form des Lobpreisens und ein Ausdruck des Glaubens.
Diametral zu den Präraffaeliten oder der Gruppe der Nabis war die Idee von Blake, ein
goldenes Zeitalter herbeizuführen, mit der Kunst als Religion und der Imagination als
schöpferischer Phantasie. Siehe dazu Singer, June K.: The Unholy Bible, a Psychological
Interpretation of William Blake, New York 1970.
Öl auf Leinwand, 330 x 425 cm, Paris, Musée du Louvre.
Vgl. Stolpe, Elmar: Klassizismus und Krieg, Über den Historienmaler Jacques–Louis David,
Frankfurt, New York 1985, S. 133ff.
51
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
DISPARATE ANFÄNGE
ikonographische Vorgabe in der Erzählung des Römers Livius hat 157 : Die drei
Söhne des Horatius schwören ihrem Vater, die Vorherrschaft Roms gegen Alba
Longa zu verteidigen. Um den Verlust ihrer Heere zu vermeiden, beschließen die
beiden verfeindeten Städte, einen Zweikampf entscheiden zu lassen. Die Wahl
fällt auf zwei Drillingsbrüderpaare: auf die Horatier für Rom und auf die Curatier für
Alba Longa. Eine schicksalhafte Entscheidung, ist doch Sabina, die Schwester der
Curatier, mit einem Horatier verheiratet, und Camilla, die Schwester der Horatier,
mit einem der Curatier verlobt. 158
„Diesen Konflikt interpretiert David als Geschlechterantagonismus“. 159 Während
die in den Kampf ziehenden Männer die Organisationsform des Staates
verkörpern, sind die zurückgelassenen Frauen als Metapher für die Familie zu
verstehen. Die Frauen sind keine Akteure in der Geschichte, sie bleiben
schönheitlich passiv. 160 Trauer scheint bei David also etwas spezifisch Weibliches
zu sein, das in der Natur der Frau begründet ist: eine weibliche Verhaltensweise,
die die Polarität der Geschlechter hervorhebt. 161
Johann
Joachim
Winckelmann
(1717–1768),
dessen
Schriften
David
beeindruckten, hielt sich seit 1755 in Rom auf. Dem Bibliothekar, der später
Präsident der Altertümer und Scriptor der Vatikanischen Bibliothek war, erschien
das klassische Ideal als etwas Natürliches, im Leiblichen Aufgehobenes. Die
Moral erfolgt nicht christlich dogmatisch, sondern aus ästhetischer Anschauung. 162
157
158
159
160
161
162
Zwischen Rom und der Mutterstadt Alba war es zum Krieg gekommen. Genaueres zur
Geschichte vgl. Stolpe 1989, S. 57ff.
Vgl. Titus Livius: Römische Geschichte, Buch I–III, lateinisch–deutsch hrsg. von Hillen, Hans
Jürgen; Feix, Josef, Bd. 1, Buch I, 24–26, München, Zürich 1987, S. 63–73.
Held, Jutta: Zur Vorgeschichte des romantischen Frauenbildes in Frankreich, in:
Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst–Moritz–Arndt Universität Greifswald, 1986, Bd. 5, 3–4,
S. 28.
Der Franzose David hat dabei die Neuerungen des Engländers Gavin Hamilton (1723–1798)
vor Augen, die sich in dem zwischen 1760 und 1775 in Rom entstandenen und von Domenico
Cunego (1727–1794/1803) gestochenen Zyklus von sechs großformatigen Bildern zu Homers
„Ilias“ manifestierten. Hamilton markiert den dramatischen Kontrast zwischen statuarischen
Helden und trauernden Frauen: Die Totenklage als Verhaltensweise der Frau zeichnet sich ab.
Vor allem ist die „Beweinung des Patroklos“ für Davids „Horatierschwur“ offenbar von
Bedeutung gewesen. In diesem Gemälde hat Hamilton die rechte Seite den griechischen
Helden vorbehalten, während die Frauen die linke Seite einnehmen. Achill, der mit seinen
pathetischen Gesten die beiden Seiten miteinander zu verbinden versucht, wird von seinem
Schmerz zur Frauenseite gezogen. Vgl. dazu Busch, Werner: Das sentimentalische Bild, Die
Krise der Kunst im 18. Jahrhundert und die Geburt der Moderne, München 1993, S. 138ff.
Vgl. Held 1986, S. 29.
Vgl. Spickernagel, Ellen: Groß in der Trauer, Die weibliche Klage um tote Helden in
Historienbildern des 18. Jahrhunderts, in: Schmidt–Linsenhoff, Viktoria (Hg.): Sklavin oder
Bürgerin? Französische Revolution und Neue Weiblichkeit 1760–1830, Ausst., Frankfurt 1989,
S. 311.
Busch 1993, S. 138.
52
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
DISPARATE ANFÄNGE
Winckelmann faszinierte die Verbindung von Leid und gezügeltem Ausdruck, also
die Sichtbarmachung von Gefühlen und Leidenschaften verbunden mit dem
höchsten Maß an Ästhetik. Er suchte sein Schönheitsideal in der trauernden Frau
und fand dies in der hellenistischen Figurengruppe der Niobe (BILD T21) 163 . Die im
18. Jahrhundert so berühmten Skulpturen der Niobe und des Laokoon deutet
Winckelmann als Ideale eines geschlechtsspezifischen Umgangs mit Affekten.
„Um zu erklären, was ich behaupte, weiß ich keine berühmteren
und vollkommeneren Beispiele als die Niobe und den Laokoon,
von welchen das erste ein Bild der Furcht vor dem gegenwärtigen
Tode, das andere ein Bild des höchsten Leidens und Schmerzes
ist. (…) Ein solcher Zustand der Seele, wo Empfindung und
Überlegung aufhören, und welcher der Gleichgültigkeit ähnlich ist,
verändert keine Züge der Gestalt und Bildung, weshalb der
Künstler in diesem Werke die höchste Schönheit bilden konnte,
wie er es getan hat: denn Niobe und ihre Töchter sind die
höchsten Ideen derselben.“ 164
David zeigt in seinem Gemälde eine programmatische Rollenteilung, um dem
Axiom Winckelmanns der schönheitlich trauernden Frau gerecht zu werden. Dies
betont er noch durch die Beziehungslosigkeit der Geschlechtergruppen: Zwischen
den leidenden Frauen und den Kriegern findet keinerlei Interaktion statt. Im
Gegenteil, jede Gruppe erscheint in sich selbst zentriert und isoliert von der
anderen. Die Architektur der dorischen Säulenhalle unterstützt die figürliche
Aufteilung. Die einzige Verbindung ist der kleine Junge, Sohn der Sabina, den die
Amme zusammen mit dem kleinen Brüderchen schützend mit ihren Gewändern
umfängt.
Denkt man sich den in der Mittelachse stehenden Horatius aus dem davidschen
Gemälde weg, sind die Parallelen zwischen Blakes Aquarell und dem „Schwur der
Horatier“ unübersehbar: Nicht nur die bildliche Komposition, sondern auch die
Verteilung der Personen an ihrem Bildort zeugen von Blakes Vertrautheit mit dem
epochalen Signalbild des Franzosen. Genau wie David behält Blake das strenge
163
164
Niobe war die Tochter des Tantalos, die Schwester von Pelops und die Frau des Amphion.
Stolz auf ihre Kinder, sieben Söhne und sieben Töchter, verhöhnte sie Leto, die nur zwei Kinder
besaß, Apollon und Artemis. Um die ihrer Mutter angetane Schmach zu rächen, töteten Apollon
und Artemis alle Kinder der Niobe mit Pfeilen. Vor Schmerz erstarrt wurde Niobe in ihrer
kleinasiatischen Heimat am Berge Sipylos in einen weinenden Felsen verwandelt. Vgl.
Schubert, K.: Artikel zu „Niobe“, in: LAW 1994, Bd. 2.
Winkelmann, Johann Joachim: Vorläufige Abhandlung zu den Denkmalen der Kunst des
Altertums, in: Ders.: Sämtliche Werke, hrsg. von Eiselein, Joseph, Bd. 7, Donauöschingen
1825, S. 122f.
53
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
DISPARATE ANFÄNGE
Gegenüber bei. Jedoch weicht er in der Hierarchisierung in zwei entscheidenden
Punkten von David ab: Zum einen löst er den Geschlechterantagonismus auf und
betont stattdessen den Gegensatz zwischen Gefangenen und Machthabern; zum
andern verbindet er die Gruppen durch Gesten und Blicke. Die babylonischen
Machthaber, König, Feldherr und Frau stehen genau wie die Horatier parallel nach
hinten gestaffelt, doch Blake lockert den Korpus der brüderlichen Dreieinheit auf
und führt den Gestus der zum Schwur erhobenen Hände der Horatier im emporgestreckten Arm der königlichen Begleiterin zusammen: Blake weist also einer
Frau die dominante und interagierende Rolle zu.
David akzentuiert den Gegensatz von Männern und Frauen nicht allein durch
ihren Bildort, sondern auch durch die Körperhaltungen. Während die Männer
gestählt eine synchrone Disziplin wahren, sind die drei Frauen spannungslos in
sich zusammengesunken dargestellt.
Analog dazu setzt Blake der wirkungskräftigen Statuarik Nebukadnezars und
seines Gefolges die zusammengedrängten, angsterfüllten Juden gegenüber. Doch
festigt Blake die Gruppe im formalen Aufbau und lässt sie zu einem dreieckigen
Korpus verschmelzen, während die zwei stehenden, sich auf ihr Ruder lehnenden
Juden die Komposition zu Gunsten der Gruppe der Juden noch unterstützen.
Blake gibt also den jüdischen Gefangenen viel Substanz und nimmt gleichzeitig
den babylonischen Unterdrückern an Eindruckskraft. Wie David schon in seinem
Horatierschwur, harmonisiert Blake das Bildgefüge.
Die Entstehungsgeschichte des Gemäldes zeigt, dass die Frauen nicht nur als
schmückendes Beiwerk deklariert werden dürfen, sondern einem eigenen
Wertesystem entsprechen. David lag daran, die Gegensätzlichkeit zwischen
Männer– und Frauengruppe zu pointieren und gleichzeitig den Stellenwert der
Geschlechtergruppen zu harmonisieren. Ein schwieriges Unterfangen: So wurden
die kompositorische Anordnung der weiblichen Figuren und die Umgebung ihres
Bildortes mehrmals verändert, während das Schrittmotiv und die einprägsame
Armhaltung der horatischen Männer schon in den ersten Entwurfskonzeptionen
feststanden. In einer frühen Zeichnung, die sich in Lille, Palais des Beaux–Arts
befindet, hat David die Frauen zwar in dieselbe Räumlichkeit wie die Männer, aber
in eine mit häuslichen Utensilien versehene Umgebung gesetzt (BILD T22). 165 In der
Endfassung ist jegliches attributive Interieur verschwunden. In der Skizze in Lille
165
Vgl. Stolpe 1985, S. 61f.
54
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
DISPARATE ANFÄNGE
ist der Frauengruppe ein Mann zugeordnet; dieses verunklärende Motiv entfernt
David in der endgültigen Fassung. Daraus wird deutlich, dass dem Künstler die
kontrastierende Wirkung der beiden Gruppen essentiell war. Der kundige
Betrachter weiß, dass die Helden sterben werden, während die Trauer der Frauen
fortdauern wird, ja zeitlos ist.
Blake konkretisiert die Trauer, die im „Schwur der Horatier“ noch Beiwerk war,
und begründet sie biblisch in Psalm 137; dabei vertraut er der Komposition des
Franzosen. So finden sich weitere Parallelen: Die drei Schwerter, die der alte
Horatius in seiner erhobenen Hand hält, sind zu drei Instrumenten geworden, die
in der Weide hängen. Selbst die Arkaden finden sich in den Säulenhallen wieder,
die das Stadtbild Babylons bestimmen. Der Architektur wird aber im Gegensatz zu
dem Gemälde Davids keine räumliche Funktion zugewiesen, da Blake auf
malerische Effekte verzichtet und zeichnerisch flächig bleibt. Die Lanze in der
linken Hand des vorderen Horatiers wird bei Blake zum Zepter des Königs und
multipliziert sich in den Speeren der Gefolgschaft des Herrschers.
Die von David kommende klare Struktur in Blakes Aquarell erlaubt trotz des
miniaturhaften Maßstabs des Bildformats eine figürliche Monumentalität. Die
Figuren wiederum verraten eine Herkunft von der manieristischen Druckgrafik
nach Michelangelo und Raffael. Michelangelesk ist auch die Attitüde der beiden
jungen Männer, die sich auf ihr Ruder stützen. Die nackte, aufrecht stehende
Christusfigur in S. Maria sopra Minerva von 1518–20 (BILD T23) wird gegenwärtig:
Christus in unversehrter, antikischer Leibesschönheit hält das Kreuz nicht wie ein
Passionssymbol, sondern bildet damit eine komplementäre Einheit. Es ist ein
sinnliches Auffassen ohne Leidensmerkmale, das Blake auf die mit Eisenfesseln
angeketteten Männer überträgt.
Das Aquarell blieb unter der großen Anzahl an Bibelillustrationen, die Blake
gefertigt hat, unbekannt und konnte deshalb für die nachfolgenden Werke zum
Bildmotiv kein Vorbild sein.
Die Weiblichkeit als Ausdrucksträger der Trauer setzt David auch im Gemälde
„Die Liktoren bringen Brutus die Leichen seiner Söhne“ von 1789 kontrastierend
ein (BILD T24). 166 Er scheint seine im „Schwur der Horatier“ angedeutete Botschaft
zu vertiefen; wiederum ist die rechte Bildhälfte den trauernden Frauen
vorbehalten, diesmal jedoch sind sie nicht mehr nur passiv, sondern auch aktiv
166
Vgl. Schnapper, Antoine: J.–L. David und seine Zeit, Fribourg, Würzburg 1981, S. 78.
55
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
DISPARATE ANFÄNGE
dargestellt. Verschiedene Stadien der Trauer manifestieren sich in ihnen: vom
Schrecken der ersten Tochter über die Wehklage der Mutter und die Ohnmacht
der zweiten Tochter bis hin zur Trauer der Magd. Brutus hingegen sitzt mit
geballter Faust und verkrampften Füßen im Schatten verborgen. Wie auch im
„Schwur der Horatier“ geht es um den Konflikt zwischen privatem Glück und
öffentlichen Interessen, der durch die Polarisierung von trauernden Frauen und
pflichtbewusstem Patriarch verdeutlicht wird. 167
Einen symbiotischen Ausgleich der beiden Gemälde Davids erreicht der
mailändische
Maler
und
Kunstsammler
Giuseppe
Bossi.
Die
damalige
Kunstlandschaft Italiens war im Wandel begriffen, woran Davids „Schwur der
Horatier“ nicht unschuldig war, denn er bewirkte eine Loslösung von der
„oberflächlichen“ Kunst des Rokoko und eine Hinwendung zu den „moralischen“
Allüren des Klassizismus. 168 Zwar noch kleinformatig und skizzenhaft, geht Bossi
mit seiner Zeichnung „Super Flumina Babilonis“, wohl zwischen 1810 und 1815
entstanden, (KATALOG 2A, BILD K2) weiter als Blake und fertigt das Werk ohne
Auftraggeber und ohne übergeordneten Kontext.
Bossi kannte David von seinen Lehrjahren in Paris. Sind seine vorangegangen
Werke Imitationen nach Perugino, Raffael, Leonardo und Michelangelo, die sich in
freier Umsetzung sogleich als Produkt des Klassizismus zu erkennen geben 169 ,
öffnet sich dem Betrachter hier eine Szenerie, die als spätbarock–klassizistisches
Leidensspektakel die trauernden Juden zeigt. Während Blake wie David
geometrisiert und systematisiert, inszeniert Bossi eine gerundete Komposition. Er
löst die letzte mögliche Konfliktkonstellation auf und verzichtet auf die Darstellung
der Babylonier. Im Mittelpunkt stehen die verschiedenen Ausformungen von
Trauer, die Bossi sowohl an Frauen als auch an Männern präsentiert. In den
Körperhaltungen und Bewegungsmotiven reflektiert die Zeichnung das Studium
der Antike und Davids. Der profilansichtige Alte mit zwei Kindern im Arm erinnert
167
168
169
Körner, Hans: „Das trauernde Königspaar“ von Carl Friedrich Lessing und das lyrische
„Situationsbild“ in der Pariser und Düsseldorfer Malerei, in: Sitt, Martina (Hg.): Carl Friedrich
Lessing, Romantiker und Rebell, Düsseldorf 2000, S. 30 spricht gar davon, dass die trauernden
Frauen in „Der Schwur der Horatier“ und „Die Liktoren bringen Brutus die Leichen seiner
Söhne“ „das Ethos der männlichen Hauptfigur(en) nicht mit tragen, solcherart den
Erzählzusammenhang stören“.
Vgl. Poppi, Claudio: From Avant–Garde to the Academy: A Line of Development for Italian
Neoclassicism, in: Olson, Roberta J. M. (Hg.): Ottocento, Romanticism and Revolution in 19th–
Century Italian Painting, New York 1992, S. 43–50.
Siehe dazu Ost, Hans: Das Leonardo–Porträt in der KGL. Bibliothek Turin und andere
Fälschungen des Giuseppe Bossi, Berlin 1980.
56
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
DISPARATE ANFÄNGE
an den blinden Belisarius in Davids gleichnamigem Gemälde von 1781 (BILD T25).
Neben dem Vorbild antiker Flussgottheiten ist die Sokratesfigur des Bildes „Tod
des Sokrates“ das Vorbild zu der Figur eines Mannes links in der Zeichnung (BILD
T26). Während Sokrates die Hand nach dem Schierlingsbecher ausstreckt, greift
der Jude nach der Harfe. Beide mahnen mit dem Zeigefinger der anderen Hand.
Die Figurenkonstellation von Paris und Helena aus Davids gleichnamigen Bild
findet sich in dem zueinander gewandt sitzenden Paar rechts im Vordergrund (BILD
T27).
Obgleich die Zeichnung unvollendet blieb, wirkt sie überdeterminiert. Lebhaft
erschließen die in die biblische Geschichte integrierten Halbakte den Raum. Bossi
gestaltet einen Sog der Wehklage, die über den Vordergrund nach links hallt, sich
dort in einer Kurve nach rechts über den Mittelgrund zieht und ins Unbestimmte
verklingt. Bossi bildet damit ein Hoffnungsmotiv aus, wie es sich 1819 im Gemälde
„Das Floß der Medusa“ (BILD T28). des französischen Romantikers Théodore
Géricault (1791–1824) monumental konkretisierte.
Die Zeichnung des Künstlers gelangte in private Hände und hatte keinen
Einfluss
auf
den
nachfolgenden
überraschenden
Aufschwung
und
die
außergewöhnliche Entfaltung des Motivs.
57
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
DISPARATE ANFÄNGE
Ferdinand Olivier und John Martin: Die landschaftliche Konkretion
Der Dessauer Ferdinand Olivier arbeitete zwischen 1825 und 1830 das Bildmotiv
„Die trauernden Juden im Exil“ erstmalig als großformatiges Ölbild aus. Dabei
kannte er die Zeichnungen von Blake und Bossi nicht, sondern wurde von anderen
Vorbildern geprägt. Die konträren Auffassungen der Malerei Caspar David
Friedrichs (1774–1840) und jene der Nazarener miteinander verbindend 170 ,
gestaltet
Olivier
das
Bildmotiv
aus
der
spätbarocken
Tradition
der
Landschaftsmalerei, die durch den Einfluss Claude Lorrains (1600–1682) und
Jacob
van
Ruisdaels
(1628/29–1682)
realistische
Gehalte
in
die
Landschaftskomposition eingeführt hatte. Der Tiroler Joseph Anton Koch (1768–
1839), der auf Olivier in Wien großen Einfluss ausübte, schuf daraus eine
Durchdringung von idealer Landschaft und an der Wirklichkeit orientierter
Vedute. 171
Olivier malte eine an Landschaftsskizzen orientierte, ideale italienische
Landschaft, die von Baumgruppen, Grote nennt sie das „Claudesche Requisit“ 172 ,
und einem Regenbogen dominiert wird (KATALOG 3A, BILD K3). Ein Rhythmus von
hellen und dunklen Plänen durchzieht den Bildraum. Das Bildpersonal „Die
trauernden Juden im Exil“ belebt die Landschaft und erschließt sie räumlich. Sie
sind Staffagefiguren, die den sublimen Charakter der Landschaft hervorheben. Die
Komposition wird von einem höheren Standpunkt aus gesehen. Als unmittelbares
Vorbild
für
Regenbogen“
Oliviers
173
Gemälde
dürfte
Kochs
„Heroische
Landschaft
mit
(BILD T29) gedient haben, von der mehrere Varianten existieren.
Die erste Fassung schuf Koch 1805 für Giuseppe Carnesecchi, den Wirt des Café
del Greco in Rom, die letzte und größte Fassung 1815 174 . Das auffälligste Motiv ist
der doppelte, teilweise noch von dunklen Wolken hinterlegte Regenbogen, der
170
Siehe hierzu Märker, Peter: “Selig sind die nicht sehen und doch glauben“, Zur nazarenischen
Landschaftsauffassung Ferdinand Oliviers, in: Städel–Jahrbuch, Neue Folge, Bd. 7, München
1979, S. 187–206; siehe außerdem Börsch–Supan, Helmut: Die Deutsche Malerei von Anton
Graff bis Hans von Marées 1760–1870, München 1988, S. 207ff.
171
Vgl. Supan 1988, S. 181ff.
172
Grote, Ludwig: Die Brüder Olivier und die deutsche Romantik, 1938, S. 336.
173
„Heroische Landschaft mit Regenbogen“, 1805, 116,5 x 112,5 cm, Karlsruhe, Staatliche
Kunsthalle. Vgl. Lutterotti, Otto R. von: Joseph Anton Koch 1768–1839, Leben und Werk, mit
einem vollständigen Werkverzeichnis, Wien, München 1985, S. 284, G10, Farbt. V. Die
Naturvorlage für das Gemälde ist das Aquarell „Vietri am Golf von Salerno“, in dem Koch 1795
seine Vision Großgriechenlands, die unteritalienische Küste, in der Art der Schweizer Studien
festgehalten hat. Vgl. ebd., S. 366, Z657, Abb. 95.
174
„Heroische Landschaft mit Regenbogen“, 1815, 188 x 171,2 cm, München, Neue Pinakothek.
Vgl. ebd., S. 290, G30.
58
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
DISPARATE ANFÄNGE
innerhalb des hochrechteckigen Bildformats einen symmetrischen, halbrunden
oberen Rahmen bildet und die Landschaft darunter zu einem „verdichteten
Weltbild“ 175
zusammenfasst.
Den
Hintergrund
nimmt
eine
bergüberragte
Tempelstadt am Meer ein. Davor breiten sich unterschiedliche Erdzonen aus, die
von Menschen belebt werden. Koch hat die Hauptgruppe links in den Vordergrund
vor eine Baumkulisse gesetzt. Es ist ein Hirtenvolk mit Schaf– und Ziegenherden.
Eine der Frauen weist auf die Lichterscheinung am Himmel.
In einem anderen Hauptwerk, „Landschaft mit dem Dankopfer Noahs“ (BILD T30)
zeigt Koch biblische Figuren. Das ebenfalls in mehreren Fassungen existierende
Gemälde entstand zwischen 1803 und 1815. 176 Im Gegensatz zu „Heroische
Landschaft mit Regenbogen“ sind die Figuren der Landschaft weniger
untergeordnet. Noah und seine Sippe sind vor ein ödes, vom Wasser zerstörtes
Land mit vielen Tieren gesetzt. Der weite Landschaftsraum bestimmt den
Eindruck. Auf der linken Bildhälfte überfängt der von dunklen Wolken umgebene
Regenbogen eine massive Bergkulisse, auf der die Arche aufgelaufen ist. Einige
der Frauen rechts im Vordergrund blicken voller Erfurcht auf das von Gott
geschenkte Naturphänomen.
Olivier hat ein Resümee aus beiden Bildern Kochs gezogen. Er verteilt biblische
Figuren, genauer „trauernde Juden“, in einer idealen Landschaft; dabei rückt die
Historie in den Hintergrund und die Formen der Landschaft werden erhaben.
Schlüssel ist der Regenbogen, auf den, wie bei den Gemälden Kochs, das
Bildpersonal hinweist. Den Erneuerungsbestrebungen der religiösen Malerei
nachkommend,
bemüht
sich
Olivier
um
eine
metaphorische
Landschaftsdarstellung. Der Regenbogen, der seit Noah als Sinnbild für den
erneuerten Bund Gottes mit den Menschen gilt 177 , besagt hier die Verheißung des
künftigen Jerusalem. Olivier gestaltet also keine Klage über das gegenwärtige
Unglück, sondern eine zeitumspannende Sicht auf den Ort der künftigen
Erlösung. 178 Das Motiv wird eschatologisch aufgeladen. In dieser Hinsicht ist das
Gemälde Oliviers ein Werk im Sinne der Nazarener, die eine christlich gefärbte
Malerei bevorzugten.
175
176
177
178
Lutterotti 1985, S. 53.
„Landschaft mit dem Dankopfer Noahs“, 1803, 86 x 116 cm, Frankfurt a. M., Städelsches
Kunstinstitut. Vgl. ebd., S. 282, G4. Zu den anderen Fassungen siehe ebd., S. 289, G27, Abb.
33, G28, S. 290, G29.
Vgl. 1 Mose 9. Zum Regenbogen siehe Roters, Eberhard: Malerei des 19. Jahrhunderts,
Themen und Motive, Bd. 1, Köln 1998, S. 272–289.
Vgl. Wille 1996, S. 315.
59
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DISPARATE ANFÄNGE
Beinahe ein Jahrzehnt später illustrierte der Engländer John Martin in einem
eigens initiierten Projekt die Bibel. Der für seine gigantischen Bildmaße bekannte
Kollege William Turners (1775–1851) übertrug seine panoramahaften Bildmotive
für die Bibelillustration ins Kleinformat. Analog zu Claude Lorrain (1600–1682)
setzte Martin seine Figuren vor eine Landschaft mit monumentalen Architekturen,
deren virtuose Perspektiven den Betrachter mit ins Bild ziehen und den Eindruck
des Sublimen erzeugen. 179 In dem kleinformatigen Blatt für Psalm 137 von 1835
sind die Figuren Vordergrundstaffage, um die monumentalisierte Landschaft und
Architektur zu beleben und die Größendimensionen zu akzentuieren (KATALOG 7A,
BILD K25). Martin entschied sich, die Szene als Nachtdarstellung zu zeigen, der die
von Natur aus dunkle Technik des Schabdrucks zu Gute kommt. Mondlicht lässt
die am Wasser trauernden Frauen hell erstrahlen, während die Umgebung im
Dunkeln versinkt und teilweise silhouettenhaft aufblitzt. Weist Olivier durch den
Regenbogen auf eine tiefere Bedeutung der Darstellung hin, sind „Die trauernden
Juden“ bei Martin Beiwerk und Kontrastmittel einer überdimensionalen Natur– und
Architekturlandschaft. Auch in einer überarbeiteten zweiten Fassung mit dem Titel
„The Daughters of Jerusalem Weeping“ veränderte Martin nichts an dem
Verhältnis Figur und Landschaft, hellte aber die Figuren der trauernden Frauen auf
und wies im Titel explizit auf das Bildpersonal hin.
Die Mezzotinta Martins weist schon voraus auf eine Entwicklung, die sich erst in
den
kommenden
Jahrzehnten
immer
deutlicher
herauskristallisierte:
Ausschließlich Frauen verkörpern die „trauernden Juden“. Die Weiblichkeit als
Ausdrucksträger, wie sie in einem späteren Kapitel besprochen wird, nimmt ihren
Anfang bei Martin. Die Umsetzungen von Olivier und Martin blieben die einzigen
Werke zum Bildmotiv, in denen der Landschaft ein höherer Stellenwert als dem
Bildpersonal eingeräumt wurde.
179
Vgl. Leuschner, Vera: Art. zu “(2) Johann Heinrich Ferdinand Olivier”, in: Dict. of Art 1996, Bd.
23.; Humphreys, Richard: The Tate Britain Companion to British Art, London 2001, S. 121f.
60
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
DISPARATE ANFÄNGE
Adam Eberle als Exponent der Münchner Schule
In der Zeit zwischen Oliviers Gemälde von 1825/30 und Martins Bibelillustration
von 1835 fertigte der aus Aachen stammende Adam Eberle 1832 kurz vor seinem
Tod
in
Rom
die
Sepiazeichnung
„Die
Israeliten
in
der
babylonischen
Gefangenschaft“ (KATALOG 6A, BILD K24).
Eberle war einer der ersten Schüler von Peter von Cornelius (1783–1867) in
Düsseldorf. Cornelius, ein wichtiger Vertreter der Nazarener, folgte nach einem
längeren Romaufenthalt 1819 dem Ruf Ludwigs I. nach München, wo er 1820 mit
der Ausmalung von zwei Sälen in der von Klenze erbauten Glyptothek begann; ein
Jahr später übernahm er zusätzlich die Leitung der Düsseldorfer Kunstakademie.
Er arbeitete im Winter in Düsseldorf und im Sommer in München, wo er mit einer
Anzahl von Schülern seine Freskoentwürfe ausführte. 1824 machte Cornelius das
Amt in Düsseldorf für den aus Berlin kommenden Wilhelm Schadow (1788–1862)
frei, der den Grundstein für den Aufstieg der mit München konkurrierenden
Düsseldorfer Malerschule legte. Cornelius trat 1825 in München den dortigen
Direktorposten der Akademie an; Eberle folgte seinem Lehrer und half ihm bei der
Ausgestaltung der Glyptothek, die bis 1830 dauerte. Cornelius sah in der
Freskomalerei die Erneuerung der deutschen Kunst. Durch sein Wirken brachte er
die Monumentalmalerei in München voran, während er der Landschaftsmalerei
abgeneigt war. Gleich nach der Annahme der Direktorenstelle veranlasste er die
Schließung der Landschaftsklasse, die bisher von Wilhelm von Kobell (1766–
1855) geleitet worden war. 180
Die Mitarbeit an den Fresken der Glyptothek war für Eberle wohl die
unmittelbarste Erfahrung und bildete den Grundstein seines Schaffens. Die beiden
quadratischen Säle gestaltete Cornelius mit Bildprogrammen zur griechischen
Götterwelt und zum Trojanischen Krieg aus. 181 Bei allem Gedränge der Figuren
und aller Dramatik achtete Cornelius gleichermaßen auf Entsprechungen, auf
gestalterisches Gleichgewicht und auf eine straffe Gliederung. Rhythmische
Bindungen der Figuren zu Gruppen und der Gruppen zum Bildganzen zeichnen
180
181
Vgl. Ludwig, Horst (Hg.): Münchner Maler im 19. Jahrhundert, München 1981, Bd.1, S. 187–
191; Ebertshäuser, Heidi C.: Malerei im 19. Jahrhundert, Münchner Schule, München 1979, S.
55ff.; Börsch–Supan 1988, S. 53ff., 210ff.
Vgl. Büttner, Frank: Peter Cornelius, Fresken und Freskenprojekte, Bd. 1, Wiesbaden 1980, S.
125–223.
61
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DISPARATE ANFÄNGE
die Kompositionen aus. Das Primat der Zeichnung, die Abstraktion des Sinnlichen
auf die Linie und der Verzicht auf eine vegetabile Ausschmückung 182 sind die
Merkmale der Kunst Cornelius’.
Unter diesem Einfluss entwarf Eberle ein komplexes Figurengeflecht im
Kleinformat, in der die zeichnerische Bilderfindung an erster Stelle steht. Das mit
22 Figuren komponierte Blatt bildet das Heilsgeschehen allegorisch–narrativ unter
dem Deckmantel der Babylonischen Gefangenschaft ab. Eberle ist der einzige
Künstler, der zwei Psalmenverse miteinander kombinierte und beide unter der
Zeichnung vermerkte. Der 126. Psalm als Bildunterschrift soll dem Betrachter den
eigentlichen Inhalt der Zeichnung verdeutlichen: die Erlösung des Menschen.
Eberles Umsetzung interpretiert das Bildthema zum ersten und einzigen Mal
explizit christlich. Er konkretisiert den eschatologischen Sinn, der bei Olivier durch
den Regenbogen angedeutet ist; dabei integriert er die jenseitige Komponente
durch den in Wolkenbändern auffahrenden Ezechiel und konzentriert sich auf
dessen Prophezeiungen in Kapitel 34, in dem das Kommen des wahren Hirten aus
dem Hause Davids verheißen wird. Im Vordergrund stellt er das Leben und
Sterben Jesu in drei Stationen dar.
Es ist ein zutiefst religiöses Werk, in dem der Künstler selbst eine Rolle spielt:
Eberle hat sein Bildnis in die Zeichnung gesetzt. 183 Er ist der Totengräber, der vor
dem Leichnam Jesu sitzt. Einige Motive können auf die Fresken in der Glyptothek
zurückgeführt werden. Zentrales Motiv bei Eberle ist der babylonische Soldat, der
aus einem Krug Wasser oder Wein in eine Schale gießt: ein im Psalm
ungenanntes Motiv. Cornelius zeigt es in einem lünettenförmigen Wandfresko des
Göttersaals: „Der Olymp“ (BILD T31). Im Kreis der Götter steht Herakles auf seine
Keule gestützt und hält in seiner rechten Hand ein Trinkhorn, in das Hebe ihren
Trank gießt. Es ist die Begrüßung des Herakles im Olymp. Das erste Kosten des
Nektars bedeutet die Vollendung der Vergöttlichung des Heros. Eberle hat diese
Begrüßungszeremonie übernommen und ironisiert: Nicht der Jude, sondern der
Babylonier selbst hält die Trinkschale. Heißen die Machthaber etwa ihre
Gefangenen willkommen?
Für die zu Boden gefallene Männerfigur findet man das Vorbild im Heroensaal.
Im Gewölbefresko „Das Urteil des Paris“ (BILD T32) erscheint auf der linken Seite
182
183
Vgl. Lammel, Gisold: Kunst im Aufbruch, Malerei, Graphik und Plastik zur Zeit Goethes,
Stuttgart 1998, S. 354; Büttner 1980, Bd. 1, S. 220f.
Vgl. Förster, Ernst: Denkmale deutscher Baukunst, Bildnerei und Malerei, Leipzig 1857, Bd. 3,
S. 30.
62
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
DISPARATE ANFÄNGE
eine Erynie als Pendant des Flussgottes rechts. Im Gegensatz zu Cornelius, der
die Seitenfiguren dem ungewöhnlichen Bildzuschnitt eines Trapezes einzupassen
versuchte, setzt Eberle die Figur in die Mitte des Vordergrunds.
Ganz der Schüler von Cornelius, war für Eberle die Originalität der Erfindung,
die er als Entwurf festhielt, wichtiger als die eigenhändige Ausführung im
Großformat. In Format und Gestaltung könnte die Zeichnung ein Freskenentwurf
sein, der durch Eberles frühen Tod nicht realisiert wurde. Eberles Ausführung des
Bildmotivs erfuhr möglicherweise deshalb keinerlei Nachahmung, weil es im
Schatten eines großformatigen Gemäldes zum selben Thema stand: Eduard
Bendemanns „Trauernde Juden im Exil“, mit dem ihm der künstlerische
Durchbruch gelang.
Peter Cornelius, der die Entstehung des Blattes vermutlich betreute, bekundete
dem polnischen Diplomaten Graf Athanasius Raczynski (1788–1874), der gerade
die erste Monographie zur Deutschen Malerei seiner Zeit verfasste 184 , sein
Interesse an einem Vergleich zwischen Eberles Sepiazeichnung und Eduard
Bendemanns großformatiger Ausführung in Öl.
„A propositio Eberle! Hier gäbe es eine höchst interessante
Paralise aufzustellen zwischen den gefangenen Juden Eberle’s
und Bendemann’s – ein Feld um kritisches Talent (worauf es jetzt
doch ankommt) zu entwickeln.“. 185
Der geforderte Vergleich ist bei Raczynski angedeutet worden:
„Ich hätte gern eine Abbildung aus dieser Zeichnung (gemeint ist
Eberles Zeichnung, Anm. der Verfasserin) mitgetheilt, aber die
Erlaubnis dazu ist mir verweigert worden. Meine Leser wären
sonst in Stande gewesen, zwei Darstellungen eines und
desselben Gegenstandes von zwei der bedeutendsten Künstler
der beiden Malerschulen, zu München und Düsseldorf, von
Bendemann und Eberle, miteinander zu vergleichen.“ 186
184
Sie erschien in französischer und in deutscher Sprache. Raczynski, Athanasius: Histoire de l’art
moderne en Allemagne, 1836–1841; Geschichte der neueren deutschen Kunst, Berlin 1836–
1841.
185
Riegel, Herman: Peter Cornelius, Festschrift zu des großen Künstlers hundertstem
Geburtstage, 23. September 1883, Berlin 1883, S. 335, Nr. 76.
186
Raczynski Athanasius: Geschichte der neueren deutschen Kunst, Bd. 2: München, Stuttgart,
Nürnberg, Augsburg, (Regensburg), Karlsruhe, Prag und Wien mit einem Anhang: Ausflug nach
Italien, Berlin 1840, S. 226.
63
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
2. Eduard Bendemann und die Typenbildung im Rahmen
der Düsseldorfer Schule
Im selben Jahr wie Eberles Blatt entstand im Umfeld der Düsseldorfer Malerschule
das Gemälde „Die trauernden Juden im Exil“ von Eduard Bendemann (KATALOG 5A,
BILD K5). Die Künstler gestalteten also ihre Werke unabhängig voneinander zur
selben Zeit. Eberle starb noch nicht dreißigjährig am 18.4.1832. Bendemanns
noch unfertiges Gemälde war im Juli 1832 in Düsseldorf in einer Ausstellung des
Kunstvereins für die Rheinlande und Westphalen zu sehen. 187 Während
Bendemanns Gemälde sofort populär wurde, wurde Eberles Blatt erst am 11.
Dezember 1832 im Schorn’schen Kunst–Blatt ausführlich besprochen. 188
Der junge Düsseldorfer 189 Bendemann kannte die Blätter von Blake, Bossi,
Martin und Eberle freilich nicht, jedoch war es möglich, dass er die „Landschaft mit
trauernden Juden“ von Olivier gesehen hatte. Schadow berichtet, dass die
Reisegesellschaft, die nach Rom unterwegs war, am 17. September 1830 in
Heidelberg bei Fritz Schlosser einkehrte. 190 Dieser war es, der bei Olivier das
Gemälde bestellt hatte und in Stift Neuburg bei Heidelberg bewahrte. Laut
königlichem Ausstellungskatalog hat Bendemann das Gemälde allerdings nach
eigener Erfindung geschaffen. 191
Bendemann steht in der Tradition der Düsseldorfer Malerschule, die sich in der
nachnapoleonischen Ära entwickelte, als das Rheinland 1815 zu Preußen kam.
Die Malerschule stand im engen Zusammenhang mit der 1773 gegründeten und in
den 1820er Jahren reformierten Düsseldorfer Akademie sowie dem 1829
gegründeten Kunstverein. Unter dem Direktorat von Peter von Cornelius, 1821–
25,
wurde
die
Akademie
zu
einem
Zentrum
nazarenisch–romantischer
Monumentalmalerei mit großen Bildinhalten. Cornelius gab jedoch 1825 seine
Stellung im preußisch regierten Düsseldorf auf und ging nach München, da er
glaubte, seine Idee von der Erneuerung der Kunst durch die Wandmalerei besser
187
188
189
190
191
Vgl. Krey 2003, S. 106.
Vgl. Handzeichnungen, in: Kunst–Blatt 1832, Nr. 99, S. 393f.
Bendemann war von Geburt Berliner; da er aber zum Aushängeschild der Düsseldorfer
Malerschule wurde, soll für ihn in dieser Arbeit die Bezeichnung „Düsseldorfer“ erlaubt sein zur
Unterscheidung der Münchner Schule mit Eberle.
Vgl. Schadow, Wilhelm: Bemerkungen auf der Reise von 1830, in: Jahresbericht der staatlichen
Kunstakademie Düsseldorf 1945–1947, S. 61.
Vgl. Börsch–Supan, Helmut (Hg.): Die Kataloge der Berliner Akademie–Ausstellungen 1786–
1850, Bd. 2, Berlin 1971, 1832, Nr. 41.
64
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
am bayerischen Hof verwirklichen zu können. 192 Sein Nachfolger wurde Wilhelm
Schadow, ein der Bildnismalerei verbundener Berliner Maler. Obwohl beide
Künstler zu den Nazarenern gehörten, entwickelte Schadow einen anderen Stil als
Cornelius an der Münchner Akademie. Die Vorherrschaft der gezeichneten
Kartons war hiermit gebrochen. Bewegliche Leinwandbilder statt Fresken wurden
bestimmend. Der
Anspruch
auf
Monumentalität wurde ins Leinwandbild
aufgenommen. Dem neuen Direktor folgten aus Berlin sieben Schüler – unter
ihnen Eduard Bendemann –, die als eine Vervielfältigung und zugleich als
Modifikation von Schadows Kunstideal die Schule prägten. Schadow kam aus der
Schule des Karl Wilhelm Wach (1787–1854), der Stil und Erziehungsmuster
Jacques Louis Davids auf dem Umweg über Rom nach Berlin gebracht hatte. Im
Gegensatz zu Cornelius, dessen Schulbetrieb dem der Malerfürsten der
Hochrenaissance glich, pflegte Schadow eine enge freundschaftliche Bindung zu
seinen Schülern. Dieser Schülerkreis dürfte Schadows Kunstverständnis, dem die
Idee des „Poetischen“ zugrunde liegt, gut gekannt haben: nämlich das
„unsichtbare Band zwischen der Seele und ihrem Schöpfer“ in der malerischen
Anschauung sichtbar werden zu lassen. Die künstlerische Verfahrensweise dazu
ist die Synthese von Idealismus und Naturalismus. 193
Nach Cornelius’ Konzentration auf die monumentale Freskomalerei führte
Schadow in Düsseldorf die Ölmalerei und den Realismus ein. Obwohl er dem
religiösen Historienbild den höchsten Rang zuwies, ließ er an der Akademie den
anderen Gattungen genügend Spielraum. Die frühe Düsseldorfer Malerei
entwickelte einen sinnlich–innerlichen, gefühlsbetonten Stil. Idealität, poetische
Stoffe, lyrisch–weiche Empfindung und eine naturalistische Auffassung des
Gegenstandes durch Technik und Kolorit zeichneten die Historienbilder im
engeren Schadowkreis aus. 194 Wahre Empfindung, Würde und Einfachheit sind
die Säulen einer erneuerten religiösen Malerei. Den Betrachter zum Mitfühlen
anzuregen, ist eine auf Leon Battista Alberti – in seinem Werk „De Pictura“ von
1435 formuliert – zurückreichende Anforderung an die Historienmalerei. Sanfte
192
Der preußische König Friedrich Wilhelm III. bevorzugte nicht das Fresko, sondern die Ölmalerei.
Vgl. Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Berlin 1927, Bd. 4: Bis
zum Tode König Friedrich Wilhelms III., S. 457.
193
Vgl. dazu Tucholski, Barbara Camilla: Friedrich Wilhelm von Schadow 1789–1862,
künstlerische Konzeption und poetische Malerei, Diss., Bonn 1984, S. 159ff.
194
Vgl. Mai, Ekkehard: Die Düsseldorfer Malerschule und die Malerei des 19. Jahrhunderts, in:
Kalnein, Wend von (Hg.): Die Düsseldorfer Malerschule, Mainz 1979, S. 23ff.
65
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
und
stumme
Trauer,
EDUARD BENDEMANN
Versunkenheit
und
Sehnsucht,
nicht
kriegerisches
Geschehen ist eine Auffassung, wie man sie in Düsseldorf noch 1838 vertrat:
„Das menschliche Leiden in seinen verschiedenen Abstufungen
vom häuslichen, alltäglichen Jammer bis zum starren, stummen
Schmerze eines unrettbaren Verderbens wurde ziemlich
ausgebeutet, wenn auch noch nicht lange so, daß in Zukunft den
Begabten der Weg zu eclatanten Entdeckungen verschlossen
wäre.“ 195
Bereits 1840 aber konstatierte Karl Immermann (1796–1840), der in Magdeburg
geborene Schriftsteller und Theaterintendant des Düsseldorfer Stadttheaters:
„Jetzt beginnt das Blatt sich zu wenden. Eine Umstimmung der
Meinung naht ganz sichtbar an. Zwar bestellen und kaufen die
Liebhaber noch reichlich, aber das Urteil der Stimmführer spricht
schon seit einigen Jahren häufig vom Düsseldorfer Schmerz, von
der Weichlichkeit, vom stereotyp gewordenen Brüten.“ 196
Der „Düsseldorfer Schmerz“ begann mit Carl Friedrich Lessing (1808–1880), dem
Großneffen von Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781). Lessing studierte
zunächst in Berlin Landschaftsmalerei. Durch den Einfluss Wilhelm Schadows,
dem er 1826 nach Düsseldorf folgte, malte er seine ersten Historien. Im Winter
1828/29 entwarf Lessing „Das Trauernde Königspaar“ 197 (BILD T33), das er 1830
großformatig ausführte. Es ist ein Auftragswerk des Preußischen Kunstvereins zu
Berlin, das bald nach Russland gelangte, aber durch einen Kupferstich bekannt
wurde 198 ; ein Erstling einer ganzen Reihe von Kompositionen mit trauernden
Figuren. Ludwig Uhland (1787–1862), der vor allem durch seine Lieder und
Balladen zu Dichterruhm gelangt war, regte Lessing zu diesem Hauptwerk der
Düsseldorfer Malerschule an. Der Künstler bezog sich auf die letzte Strophe von
Uhlands Romanze „Schloß am Meer“ 199 von 1805. Lessing stellt auf ergreifende
195
Püttmann, Heinrich: Die Düsseldorfer Malerschule und ihre Leistungen seit der Einrichtung des
Kunstvereins im Jahre 1829, Leipzig 1838, S. 91.
196
Immermann, Karl: Düsseldorfer Anfänge. Maskengespräche (1840), Ders.: Werke in fünf
Bänden, hrsg. von Wiese, Benno von, Bd. 4: Autobiographische Schriften, Frankfurt a. M. 1973,
S. 646.
197
Öl auf Leinwand, 206 x189 cm, St. Petersburg, Eremitage.
198
Vgl. Müller von Königswinter 1854, S. 110.
199
„Wohl sah ich die Eltern beide,
Ohne der Kronen Licht,
Im schwarzen Trauerkleide;
Die Jungfrau sah ich nicht.“
Aus: Ludwig Uhland Werke, hrsg. von Schwab, Hans–Rüdiger, Bd.1: Gedichte, Dramen,
Versepik und Prosa. Frankfurt a. M. 1983, S.139.
66
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
Weise die Trauer im königlichen Schloß nach dem Tod der Königstochter dar. 200
Zwei Jahre später folgte „Der trauernde Räuber im Gebirge“ 201 (BILD T34), 1832
mehrere Darstellungen zur Ballade „Lenore“ von Gottfried August Bürger (1747–
1794). Für Lessings elegische Werkreihe kann eine Ahnenreihe klassizistischer
und romantischer Vorbilder aufgeführt werden 202 , an deren Anfang Davids
„Schwur der Horatier“ mit den in der rechten Bildhälfte trauernden Frauen steht. 203
Die Trauer im „Horatierschwur“ wurde bereits von dem württembergischen
Klassizisten Eberhard Wächter (1762–1852) in dem seinerzeit sehr berühmten
Gemälde „Hiob und seine Freunde“ 204 (BILD T35) biblisch begründet. Sein
großformatiges Hauptwerk hatte Wächter im Auftrag von Senator Don Abbondio
Faustino, Fürst von Rezzonico (1742–1810), 1793 in Rom begonnen und seit
1808 in Stuttgart weitergeführt. 205 Wächter bezog sich auf die alttestamentarische
Geschichte von Hiob (Hiob 2, 11–13) und malte den vom Unglück Verfolgten mit
seinen drei Freunden.
Der dem französischen Akademismus verpflichtete Künstler schuf ein
Übergangswerk: 206 Im streng geometrisierenden Bildsystem sichtlich von David
beeinflusst, wird bei Wächter jedoch schon die Konkretisierung der Trauer in Form
von monumentalen Figuren in vorderster Bildschicht in einem biblischen Topos
wirkmächtig. Der Künstler verzichtete auf alles Beiwerk. In völliger Reglosigkeit
sitzen Hiob und seine Freunde da. Aus den horatischen Helden Davids sind
trauernde Männer geworden. Vorbildhaft wirkte vermutlich auch die Trauergestalt
in dem Fresko „Josephs Traumdeutung“ 207 , das Wilhelm Schadow 1816/1817 in
den Hauptraum der Wohnung des preußischen Generalkonsuls Jakob Ludwig
Salomo Bartholdy (1779–1825) im Palazzo Zuccari in Rom malte (BILD T36). Die
200
Eine sehr eindringliche Beschreibung liefert Raczynski 1836 im ersten Band seiner „Geschichte
der neueren deutschen Kunst“, S. 125f.
201
1830, Öl auf Leinwand, 42,2 x 48,6 cm, Philadelphia, Pennsylvania, Philadelphia Museum of
Art.
202
Vgl. Leuschner, Vera: Der Landschafts– und Historienmaler Carl Friedrich Lessing (1808–
1880), in: Kalnein 1979, S. 89.
203
Vgl. Becker, Wolfgang: Paris und die deutsche Malerei 1750–1840, München 1971, S. 49.
204
Öl auf Leinwand, 194,6 x 274,5 cm, Stuttgart, Staatsgalerie.
205
Vgl. Köster, Paul: Eberhard Wächter (1762–1852). Ein Maler des deutschen Klassizismus,
Diss., Bonn 1968, S. 170f, Nr. 58; Mai, Ekkehard, Repp–Eckert, Anke (Hg.): Triumph und Tod
des Helden, europäische Historienmalerei von Rubens bis Manet, Ausst., Mailand 1988, S.
338f.
206
Vgl. Möseneder 1996, S. 113.
207
Szene aus dem Freskenzyklus der Casa Bartholdy in Rom. 1816/17, 234 x 235 cm, Berlin, Alte
Nationalgalerie. Vgl. dazu Donop, Lionel von: Die Wandgemälde der Casa Bartholdy in der
National–Galerie, Berlin 1889; Büttner 1980, Bd. 1, S. 76ff.; McVaugh, Robert Eastburn: The
Casa Bartholdy Frescoes and Nazarene Theory in Rome, 1816–1817, o. O. 1981.
67
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
Gefangenen, die im Kerker auf Entscheidung über Leben und Tod warten, hören
Josephs Erklärung. Während der Mundschenk begnadigt werden wird, hört der
Bäcker von seiner bevorstehenden Verurteilung. Niedergeschlagen sitzt er mit
übereinandergeschlagenen Beinen da und blickt zu Boden. Haltung und Ausdruck
der Figur führen zu Bendemanns zentral sitzender Männergestalt in den
„trauernden Juden“.
Als weiteres in der Ahnenreihe könnte man das Cornelius–Fresko „Die
Zerstörung Trojas“ 208 (BILD T37) im Heroensaal der Münchner Glyptothek ansehen.
Nach dem bei Cornelius bekannten Schema ist das Fresko um eine Mittelgruppe
komponiert: um Königin Hekabe und ihre Töchter und Schwiegertöchter. Um das
Motiv der Trauer arrangiert Cornelius die Handlungsstränge.
Als Vorbild für die kompositionelle Zusammenführung der trauernden Figuren
des Hiobs, des Josephs und der Hekabe nahm Bendemann das Gemälde
„Glaube, Hoffnung und Liebe“ 209 (BILD T38) von Heinrich Maria von Hess (1798–
1863). 1819 entstanden, wurde es in Deutschland durch eine eigens vom Künstler
angefertigte Lithographie und einen Stich von Franz Hanfstaengl bekannt. 210 Unter
einem halbrunden Rahmenabschluss sitzen die weiblichen Personifikationen von
drei christlichen Tugenden unter einem Baum; sie geben die Anordnung der
trauernden Juden Bendemanns vor.
Für die Darstellung und Reflexion von Gefühlen in Gemälden formuliert der
Philosoph und Linkshegelianer Friedrich Theodor Vischer (1807–1887) im vierten
Band seiner neunbändigen Werkreihe „Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen“
von 1853/54 den Begriff des „Situationsbildes“, das in das Gebiet des „Lyrischen“
gerät:
„Den Standpunkt des Lyrischen betritt die geschichtliche Malerei in
der Darstellung subjektiv bewegter Momente, die nicht unmittelbar
zur Handlung gespannt, vielmehr meist als Nachklang einer
vorhergegangenen Handlung und tiefe Empfindung des
Schicksals erscheinen. Das Situationsbild im engeren Sinne
dagegen stellt sich zwar auf den Schauplatz der Handlung, ergreift
aber Arten des Tuns oder Lagen aus einer Reihe von Taten und
208
209
210
Das Lünettenfresko „Die Zerstörung Trojas“ entstand im Rahmen der Ausmalung des Götter–
und des Heldensaals der Glyptothek in München (1818–1824), die im 2. Weltkrieg zerstört
wurden. Vgl. dazu Büttner 1980, Bd. 1, S. 125–223.
1819, Öl auf Holz, 59 x 67,5 cm, St. Petersburg, Eremitage.
Vgl. Asvarishch, Boris I.: The Hermitage, Catalogue of Western European Painting, German
and Austrian Painting, Nineteenth to Twentieth Centuries, Florenz 1988, Nr. 84.
68
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
Schicksalen, die ihrer Natur nach eine zur Beobachtung des
Seelenlebens einladende Dauer zeigen, (…)“ 211
Nach Vischer gehört das Gemälde von Eduard Bendemann „in dieses rein
psychologisch subjektive Gebiet“ 212 . Der Düsseldorfer führt das Thema, das
Lessing mit seinen trauernden Gestalten begann, mit der 1832 vollendeten, aber
schon 1830/31 in Italien begonnenen Komposition „Die trauernden Juden im Exil“
zum Höhepunkt.
„Dieses Bild ist voll Schmerz und Verzicht, man kann es nicht
genug loben hinsichtlich des Ausdrucks, der höchsten
Auffassungsgabe, der Großartigkeit der Formen und der Reinheit,
Klarheit und Bescheidenheit der Farben. Es verdeutlicht wahrhaft
das Jetzt ohne Zukunft, eine Erde ohne Himmel, den erhabenen,
gleichgültigen Blick der Verzweiflung inmitten des täglich
wachsenden Leides. Ohne Zögern können wir behaupten, daß
diese Leinwand als der Höhepunkt des bisher in der Düsseldorfer
Schule Geschaffenen zu betrachten ist. Die Qualitäten dieses
Bildes sind so offensichtlich, daß sie sogar die Gleichgültigkeit
unserer Landsleute zu besiegen vermochten, die sonst eher selten
zu spontaner Bewunderung neigen. Dieses Bild hat einen wahren
Enthusiasmus in großen Teilen Deutschlands ausgelöst, es wurde
schon in Kupfer gestochen, und ein Platz in allen Schaufenstern
ist ihm sicher.“ 213
Weshalb ein Bildgegenstand, der die Trauer biblisch begründet, einen weitaus
größeren Erfolg erfahren hat als Lessings „Trauerndes Königspaar“, erläutert der
Philologe Otto Gruppe (1804–1876). Er bewertet in der Ausstellung der
Königlichen Akademie der Künste 1832 die „Trauernden Juden“ höher, weil
Bendemann sich nicht auf den subjektiven Inhalt eines lyrischen Gedichts bezog,
sondern einen welthistorischen, biblischen Gegenstand als Motiv nahm.
„Der starre Schmerz, noch die Unbegreiflichkeit des Geschicks,
die erste Betäubung des gewaltigen Schlages war es dort
(Trauerndes Königspaar, Anm. der Verfasserin); hier (Trauernde
Juden, Anm. des Verfassers) nun ist es ein Schmerz, der schon
gedauert hat, und noch eben so dauern wird; dort mehr Heftigkeit,
mehr Ungestüm, mehr Sprachlosigkeit, hier ein zwar schon
211
Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder die Wissenschaft des Schönen hrsg. von Vischer,
Robert, Bd. 4: Kunstlehre Bildnerkunst/Malerei, 2. Nachdr. der zweiten Auflage von 1923,
Hildesheim, Zürich, New York 1996², S. 404. Siehe dazu außerdem Pochat, Götz: Friedrich
Theodor Vischer: Gedanken zur Form und Funktion der Historienmalerei im 19. Jahrhundert, in:
Mai, Ekkehard (Hg.): Historienmalerei in Europa, Paradigmen in Form, Funktion und Ideologie,
Mainz 1990, S. 253–261.
212
Ebd., S. 405.
213
Immermann, Karl: De la peinture en Allemagne au XIXe siècle (1833), hrsg. von Karge, Henrik
in: Immermann–Jahrbuch 3, Frankfurt a. M. 2002, S. 9–33 (dazu deutsche Übersetzung von
Ansgard Danders im Internet unter www.immermann.de).
69
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
ruhigeres, aber nur volleres Maß und, wenn es möglich ist, eine
noch innerlichere Sprache; dort nur der Schmerz der Elternliebe
um den Verlust einer blühenden Tochter, hier die Trauer einer
Familie über die Austilgung eines ganzen Volkes vom Erdboden.
(…)
Bendemanns
Gegenstand
dagegen
ist
wahrhaft
welthistorisch, durchaus populair, keiner Beihülfe bedürftig,
überdies an sich reicher und größer:“. 214
Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb das Bildmotiv „der trauernden Juden“ in
der Malerei des 19. Jahrhunderts einen wahren Aufschwung erlebte und sogar ins
20. Jahrhundert nachwirkte.
Den überwältigenden geschichtlichen Stoff hat Bendemann in einen engen
Rahmen gebracht, der eine Gruppe von wenigen Figuren um einen gefesselten
Greis umschließt. 215 Die Figuren, die bei Olivier in einer idealen italienischen
Landschaft verstreut sind, zeigt der Düsseldorfer in einem nahen Fokus zu einer
pyramidalen Einheit verbunden vor einem orientalischen Landschaftsambiente. Im
Unterschied zu allen oben beschriebenen Umsetzungen des Bildmotivs zeichnet
sich Bendemanns Gemälde durch das Fehlen eines jeglichen Handlungsmotivs
aus. Durch Stille und Erhabenheit wird eine gedrückte melancholische Stimmung
hervorgerufen. Georg Gottfried Gervinus (1805–1871), Literaturhistoriker und
einer der Göttinger Sieben, beschreibt dies in seinen Venetianischen (sic!) Briefen
als „Empfindungen (…) über nicht gesehene Handlungen“ 216 . Die Komposition ist
allein vom zeitlosen Zustand der Trauer und des Schmerzes bestimmt. Die Trauer
ruht in sich selbst, so dass Bedeutung und Sein zu einer Einheit verbunden sind.
Entscheidend für die Stabilität des Bildgefüges ist die Inschrift auf dem
Rahmen. Sie gibt die ersten beiden Verse von Psalm 137 wieder. Zwar hat Eberle
unter seiner Sepiazeichnung ebenfalls
Psalmenverse vermerkt, die den
Bildgegenstand erläutern; neuartig bei Bendemann jedoch ist die Symbiose von
214
215
216
Gruppe, Otto: Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste, in: Allgemeine Preußische
Staats–Zeitung, 14. Oktober 1832, Nr. 286, S.1147.
Vgl. Kohut, Adolf: Eduard Bendemann, in: Allgemeine Zeitung des Judentums 1911, Nr. 48, S.
570.
Gervinus, Georg Gottfried: Venetianische Briefe über neudeutsche und altitalienische Malerei,
in: Blätter für literarische Unterhaltung, 1839, Nr. 253, S. 1026. Gervinus spottet, „daß die
Düsseldorfer fast alle sich nicht an eigentliche Actionen wagen. Wo sie auch historische
Compositionen einmal geben, da weilen sie auf dem Momente der Empfindung, der Ruhe (…)“.
Siehe außerdem Möseneder, Karl: Tizian als nationalpädagogisches Vorbild, Georg Gottfried
Gervinus „Venetianische Briefe über neudeutsche und altitalienische Malerei“, in: Ecker, Hans–
Peter (Hg.): Methodisch reflektiertes Interpretieren, Festschrift für Hartmut Laufhütte zum 60.
Geburtstag, Passau 1997, S. 306.
70
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
Rahmen mit Inschrift und Bildgefüge, wie es sie bei den nachfolgenden Werken
nicht mehr so explizit geben sollte. Das Bildpersonal ist entsprechend den Worten
der Psalmenverse verteilt: Das weinende, sich auf den Schoß des Harfners
stützende Mädchen befindet sich auf der rechten Bildhälfte, wo in der
Rahmeninschrift „und weineten“ zu lesen ist. Wenn die, wohlgemerkt deutsche,
nicht lateinische oder gar hebräische Inschrift und die Fesseln um das Handgelenk
des Harfners nicht wären, könnte die Gruppe auch für italienische Landsleute
gehalten werden. Erst das Lesen des Verses, verbunden mit dem erkennenden
Betrachten, vergegenwärtigt die Geschichte, denn die Freude des Menschen über
das Wiedererkennen ist substantiell. „Die Menschen denken, und der Betrachter
soll
ihre
Gedanken
nachvollziehen.“ 217
Die
historische
Authentizität
der
alttestamentarischen Geschichte der babylonischen Gefangenschaft und die
indirekte Gegenwartsbezogenheit der seit dem Exil in der Diaspora lebenden
Juden erklären die emphatischen Reaktionen und das Bedürfnis, das biblische
Geschehen ins 19. Jahrhundert zu projizieren. Die Popularität des Bildes wurde
durch
den
Kupferstich
Ferdinand
Ruscheweyhs
gewährleistet,
den
der
Kunstverein in Düsseldorf 1831, noch vor Beendigung des Gemäldes,
herausgab. 218
Dem Bild wurde eine heilsgeschichtliche Aussage unterlegt und auch im Sinne
eines Historienbildes ein exemplum virtutis: die Warnung, nicht vom Glauben
abzufallen.
„Die Trauer der „Hebräer im Exile“ ist uns nicht bloß durch die
Quelle, die uns Nachricht davon bringt, ehrwürdig, sondern steht
auch durch die Prophezeiungen, welche sich daran knüpfen und
durch die Gefühle, welche sich darin aussprechen, mit dem
christlichen Glauben in tiefer innerer Beziehung.“ 219
Das Gemälde sollte in St. Maria im Kapitol in Köln seinen Platz finden. Im
Kirchenraum jedoch konnte dem Gemälde keine Sakralfunktion zugewiesen
217
Börsch–Supan 1988, S. 399. Die Formulierung bezieht sich bei Börsch–Supan auf
Bendemanns Gemälde „Zwei Mädchen am Brunnen“, allerdings passt sie ebenso gut auf „Die
trauernden Juden Im Exil“.
218
Vgl. dazu Achenbach, Sigrid: Eduard Bendemann 1811-1889, Die Werke in den Staatlichen
Museen zu Berlin und im Mendelsohn-Archiv der Staatsbibliothek zu berlin Preußischer
Kulturbesitz, Ausst., Berlin 2007, S. 91f, D 35, Abb. S. 95.
219
26. Juli 1832, General–Versammlung für das Jahr 1831, in: Verhandlungen 1831, S. 6. Zitiert
bei Krey 2003, S. 106.
71
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
werden, zudem war es in Größe und Form nicht auf einen bestimmten Ort hin
ausgelegt. 220
Tatsächlich hat der evangelisch getaufte Bendemann das alttestamentarische
Thema
in
subtiler
Weise
mit
christlichen
ikonographischen
Bildmotiven
angereichert. Unverkennbar ist die Affinität der links im Bild befindlichen Mutter mit
Kind zur Muttergottes. Von der Komposition her wird das Auge des Betrachters
auf sie gelenkt. Eine weitere christliche ikonographische Besonderheit ist der
Weinstock, der die Weide umrankt. Es ist die Pflanze der Eucharistie. 221 Nach
Wille habe Bendemann durch den Weinstock den Sieg des Christentums über das
durch die Weide bezeichnete Judentum symbolisieren wollen. 222 Das Motiv der
Hoffnung ist bei Bendemann wesentlich verborgener als bei Olivier mit dem
Regenbogen und bei Eberle mit Ezechiel auf dem Wolkenband.
Wie sehr die Assoziation mit Maria und dem Jesusknaben der Mutter–Kind–
Gruppe im Gemälde Bendemanns von der Darstellungsweise abhängt, illustriert
die Chromolithographie 223 einer Bibelillustration, die um die Mitte des 19.
Jahrhunderts nach dem Original Bendemanns entstanden ist (BILD T39). Die Farben
der Gewandung der Frau mit Kind und dem Greis wurden getauscht. Auch das
Kopftuch der Mutter ist nicht mehr weiß, sondern orientalisiert mit rot–gelbem
Streifenmuster. Die Analogie zu Maria mit dem Jesusknaben geht vollständig
verloren. Desgleichen nimmt das blaue Gewand dem Alten seine prophetische
Monumentalität.
Die
Lithographie
erscheint
durch
die
Überlagerung
mit
orientalischen Elementen vielmehr auf das Exotische reduziert.
Bezeichnend für die Düsseldorfer Malerschule und ihren Direktor Schadow ist der
Realismus.
Der
Berliner
Schadow
malte
vor
seiner
Düsseldorfer
Zeit
ausschließlich Bildnisse und empfahl die Porträtmalerei als Schulung für ein
genaues Studium der Natur. 224 Während Eberles Zeichnung weder vegetabile
Elemente im Vordergrund noch architektonische Details im Hintergrund aufweist,
220
Vgl. ebd., S. 106ff.
„Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“, Joh 15, 5. Vgl. auch KATALOG 5A, Anm. 28.
222
Zu den weiteren eschatologischen Botschaften des Gemäldes siehe Wille 1996, S. 308ff. Vgl.
außerdem Platthaus, Andreas: Der Weinstock siegt über die Weide, Hoffnung statt Resignation:
„Die trauernden Juden“ von Eduard Bendemann, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. August
1996, Nr. 182, S. 5.
223
Maße unbekannt, Privatbesitz. Prinzipiell gehört die Lithographie in den Katalog, es konnten
aber leider keine genauen Angaben dazu ermittelt werden.
224
Vgl. Börsch–Supan, Helmut: Das Frühwerk Wilhelm von Schadows und die berlinischen
Voraussetzungen der Düsseldorfer Schule, in: Kalnein 1979, S. 61.
221
72
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
besticht Bendemanns Ausführung durch die naturalistische Wiedergabe der
Pflanzen im Vordergrundstreifen. Aber auch im Bildpersonal kommt der Realismus
zum Tragen. Zwar sind die Figuren der Sixtinischen Decke entlehnt, doch haben
die Gesichter die Züge von zeitgenössischen Personen. Bendemann paarte
Kunstwerke des italienischen Cinquecento mit einer Porträtphysiognomie des 19.
Jahrhunderts. Die Figur des mächtigen Harfners hat ihren Ursprung in der Gestalt
des Jeremias 225 (BILD T40). und weist gleichzeitig die Gesichtszüge Schadows
auf. 226 Die Darstellung Sealthiels und seiner Mutter in einer der Lünetten (BILD T14)
wird bei Bendemann in der Mutter–Kind–Gruppe gegenwärtig. Aber auch
Michelangelos „Madonna auf der Treppe“ (BILD T41) ist zu erkennen. Das Gesicht
der Mutter dagegen ist ein Porträt der zeitgenössischen Italienerin Francesca
Primavera. 227
Greifbar wurde der biblische Stoff durch die im Klassizismus entstandene
Kunstform des Tableau vivant. Im Mai 1833 ließ Karl Immermann auf der
Dürerfeier Bendemanns Gemälde „Die trauernden Juden im Exil“ als lebendes Bild
nachstellen und von Otto Nicolais (1810–1849) Vertonung des 137. Psalm
begleiten. 228 Der preußische Komponist hat es einige Jahre später abgelehnt, den
von Temistocle Solera (1815–1878) verfassten Text zu „Nabucco“ zu vertonen.
Dass das Gemälde Bendemanns ein geeignetes Werk für ein Lebendes Bild ist,
zeigt Edmund Wallner in seinem Kompendium „Eintausend Sujets zu Lebenden
Bildern“ 229 von 1876: Er schlägt die Darbietung „der trauernden Juden“ als
Marmorgruppe, also ganz in weiß vor. Zudem gibt er die Geschlechter der
Darsteller – anders als im Original – als drei Herren und eine Dame vor. Offenbar
sind es jetzt nicht mehr nur Frauen, wie Davids „Horatierschwur“ eindringlich vor
Augen führt, die Trauer und Schmerz spürbar machen und sichtbar werden
lassen.
225
Diesen Vergleich stellte bereits August Hagen an, in: „Ueber drei geschichtliche Gemälde der
Düsseldorfer Schule, Königsberg 1833, S. 5f. „Vergleiche ich die Werke aller Zeiten und aller
Schulen, so kann ich die Zusammenstellung nur als Eigenthum der Düsseldorfer Schule
ansehn. Der patriarchalische Greis im rothen Gewande mit gelber Kopfbedeckung ist eine Welt
des tiefsten und zartesten Gefühls. Michel Angelo’s Propheten, die ich am ersten ihm an die
Seite stellen möchte, stehen von göttlicher Begeisterung erfüllt über die Menschheit erhaben, er
ist ganz Mensch und dennoch über ihr.“.
226
Vgl. dazu KATALOG 5K.
227
Vgl. ebd.
228
Immermann, Karl: Briefe 1832–1840, in: Ders.: Briefe, hrsg. von Hasubek, Peter, Textkritische
und kommentierte Ausgabe in drei Bänden, Bd. 2: 1832–1840, München 1979, S. 192.
229
Wallner, Edmund: Ein Verzeichnis mit mehr als 1000 kleineren wie größeren Genrebildern,
historischen Gruppen und biblischen Tableaux, Erfurt 1876², S. 32.
73
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
Aber nicht allein durch die Nachstellung des Gemäldes als Lebendes Bild und
die Verbildlichung porträthafter Physiognomien wird ein Bezug zur Gegenwart
hergestellt, sondern vor allem durch den tagespolitischen Hintergrund der
Judenemanzipation, in deren Rahmen die jüdische Volksgruppe in das
Staatssystem integriert wurde. Der Journalist und Schriftsteller Hermann Püttmann
(1811–1874) zog bereits in seinem Buch „Die Düsseldorfer Malerschule und ihre
Leistungen seit der Errichtung des Kunstvereins im Jahre 1829“ von 1839 die
Parallelen. Püttman schreibt, dass Bendemanns Judenbilder (gemeint sind „Die
trauernden Juden“ und „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“) „ein tiefernstes
Wort hinein in die Tagesdebatten über Emancipation“ sprechen, da „die
Beziehungen zur Gegenwart doch klar und deutlich“ hervortreten, obwohl „die
Schilderung des Unglücks im Gewande der Vergangenheit erscheint“. 230
Die Meinung der Zeitgenossen machte das Gemälde Bendemanns zwar noch
berühmter, doch führte sie auch zu einer politisch–assoziativen Überlagerung, die
vom Künstler selbst sicherlich nicht beabsichtigt war. Es erfuhr sogar fast 80 Jahre
später eine unmittelbare Einbindung in einen jüdischen Kontext und wurde
bekrönender Bildteil eines Plakates, das Zalman Zwieg (Lebensdaten unbekannt)
um 1910 für die „Erinnerung an Jerusalem“ 231 gestaltete (BILD T42).
Etwa zur selben Zeit judaisierte der polnische Maler Wilhelm Wachtel
Bendemanns Gemälde (KATALOG 37A, BILD K97).
Zweifellos Bendemann nachahmend, führte Joseph von Führich, einer der
orthodoxesten aus dem konservativ–katholischen Lager der Nazarener, dessen
Werk in der Hauptsache der religiösen Kunst gewidmet ist, 1837 seine
Zweitfassung aus (KATALOG 8A, BILD K26), die „gewissermaßen als Protest gegen
Bendemanns süßlich empfindsame Darstellung der „Gefangenen Juden“ gemeint
war und wohl auch so aufgefasst wurde“. 232
Obgleich Führich eine rechteckige Rahmenform wählt, wirkt das Gemälde auf
den ersten Blick wie eine Paraphrase auf Bendemanns Komposition. Er integriert
230
Püttmann 1839, S. 43f.
Im Besitz der Gross Family Collection, Tel Aviv. Dabei handelt es sich um ein Misrach (Osten),
das an der Ostwand der Synagoge in Richtung Jerusalem hängt und zur Orientierung für das
Gebet dient. Wesentlich bekannter ist ein Misrach um 1900, in dem spiegelverkehrt das
Gemälde „Jeremias auf den Trümmern von Jerusalem“ wiedergegeben ist. Als Rahmen dient
ein Postament ohne perspektivische Tiefenwirkung, bestehend aus einem niedrig getreppten
Sockel und einer Fassade, die als Lade aufzufassen ist. Siehe hierzu: Bendt, Vera: Judaika
Katalog, Abteilung Jüdisches Museum, Berlin 1989, S. 376f, Kat. 288, Abb. S. 344.
232
Dreger, Moriz: Joseph Führich, Wien 1912, Bd.1, S. 173.
231
74
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
jedoch ein eigenes, das Bild dominierendes Motiv: Anstelle des trauernden,
prophetengleichen Alten setzt er einen kraftvollen, jungen, christusähnlichen Mann
ins Zentrum; der Alte – in sich gefallen – ist nach links versetzt. Auf der gleichen
Verständnisebene wie Bendemann stehend, schafft Führich ein christlich
gefärbtes Gemälde. Dabei behält er das bei, was Bendemann und schon vor ihm
Blake und Bossi aufgelöst haben: Er trennt Männer und Frauen. Die linke
Bildhälfte nehmen der alte und der junge Mann ein, während die rechte Bildhälfte
der Frau mit Kind und dem jungen Mädchen vorbehalten ist. Keine Berührung,
kein Blick verbindet die beiden Seiten; einzig der nach links gewandte Kopf der
jungen Mutter deutet eine Zusammengehörigkeit an. Vielmehr haben die
Personen ihr Pendant auf der jeweils anderen Seite. Die beiden inneren Figuren,
der junge Mann und die Mutter, trauern in sich gekehrt, die beiden äußeren
Gestalten, der alte Mann und am deutlichsten das Mädchen, schaffen eine
Verbindung zur Außenwelt. Im Gegensatz zu Bendemann geht Führich sogar
soweit, den Betrachter mit einzubeziehen, denn das der Vittoria Caldoni ähnelnde
Mädchen fängt den Blick des Betrachters ein. Sie ist noch mehr „bildimmanente
Reflexionsfigur“ 233 als die anderen. Dadurch und auch mit den ergreifenden
Empfindungen des übrigen Bildpersonals, wie z. B der Mutter mit Kind, bewirkt
Führich eine emphatische Sinnbildlichkeit. Ob diese „sich um einen Grad echter
äußert“ 234 , wie Paul Schmidt behauptet, sei dahingestellt. Obgleich das Gemälde
kompositionell vielfältiger erscheint – Führich platziert eine weitere Person in
Rückansicht gesehen hinter den Baum – büßt es an statuarischer Monumentalität
ein. Vielmehr entsteht ein Element des Volkstümlich–Gemütlichen 235 , das die
wenig gebrochenen Buntfarben noch bekräftigen.
Trotz der großen Ähnlichkeit zur Ausführung Bendemanns soll Führich, laut
einer eigenhändigen Notiz, das Bildthema schon während seines Romaufenthaltes
1827–1829 ausgearbeitet haben. Vermutlich wollte Führich dem Düsseldorfer
Bendemann das Recht der Bilderfindung streitig machen. Der heutige Verbleib
233
Den Begriff „Reflexionsfigur“ ersann Werner Busch in: Ders. 1993, S. 148ff. „dieses
nachsinnende Sichversenken einer Figur, das ein Sichversenken des Betrachters mit sich zieht“
ist eine Bilderfindung englischer neoklassizistischer Künstler der 1760er Jahre in Rom. Vgl.
hierzu Sitt, Martina (Hg.): Angesichts der Ereignisse, Facetten der Historienmalerei zwischen
1800 und 1900, Düsseldorf 1999, S. 15f.
234
Schmidt, Paul Ferdinand: Jospeh von Führichs religiöse Kunst, Berlin 1920, S. 12.
235
Vgl. Börsch–Supan 1988, S. 406.
75
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
des Gemäldes ist zwar unbekannt, 236 eine unvollendete Feder– Bleistiftzeichnung
von 1828 (KATALOG 4A, BILD K4) gibt dennoch Aufschluss über die Ausführung in Öl.
Wem nun das Recht der Bildschöpfung gebührt, kann nicht mehr nachgewiesen
werden. Führichs Entwurf weist ein rundweg anderes Kompositionsschema auf,
das weder mit der ca. sechs Jahre später entstandenen Zweitfassung noch mit
Bendemanns Gemälde etwas gemeinsam hat. Es ist eine Eigeninterpretation des
Malers. Obgleich das Gemälde durch die Wiener Kunsthandlung Ataria im
Leipziger Kunstverein ausgestellt war 237 , scheint es keinen nachhaltigen Eindruck
hinterlassen zu haben. Die unvollendete Zeichnung deutet auf ein vielfiguriges und
bewegtes Bildgefüge hin, das von Anekdoten geprägt ist.
Einen ganz eigenen Zugang zu dem Thema der „trauernden Juden“ findet Carl
Oesterley
in
einer
Radierung
von
1841
(KATALOG
11A,
BILD
K30).
Als
Kunstgeschichtsprofessor war er sicherlich mit den meisten Ausformungen, die bis
zu seiner Zeit entstanden waren, vertraut. Die dezentrierte Anordnung der
Personen am Rande des Blattes und der Ausblick in der Mitte erinnert an William
Blakes Bibelillustration. Da er sie aber vermutlich nicht gekannt hat, kann es als
eigene Bilderfindung gewertet werden. Das Bildpersonal ist eindeutig von
Bendemann beeinflusst. Am deutlichsten wird dies in der in Rückansicht gezeigten
Figur des am Boden lagernden Mädchens, das Trost und Halt bei dem stehenden
Greis findet. Auch die Frauen auf der linken Bildhälfte sind von Bendemann
entlehnt. Die ältere Frau mit Kopftuch entspricht der Mutter mit Kind, das daneben
kniende Mädchen der jungen Frau mit Harfe.
Die nicht zu unterschätzende Bedeutung der druckgraphischen Verbreitung 238
hatte zur Folge, dass die Bilderfindung von Bendemann sogar in entfernten
Winkeln Englands bekannt wurde. Dies demonstriert eine Glasmalerei der St
Mary’s Parish Church in Stockport, in der Diözese Chester. Die im Lauf der
Jahrhunderte verfallene Kirche wurde zwischen 1813 und 1817 vollständig
236
Nach Wörndle, Heinrich von: Joseph Führichs Werke, nebst dokumentarischen Beiträgen und
Bibliographie, Wien 1914, S. 73, Nr. 404 befand es sich zuletzt in Privatbesitz in Prag. In der
übrigen Literatur wird die Existenz dieses Gemäldes nicht bestätigt.
237
Vgl. ebd.
In Raczynskis 1836, Bd. S. 168 ist das Gemälde „Die trauernden Juden im Exil“ von Eduard
Bendemann durch einen Stich von Wright and Folkard in London abgebildet.
238
1851 kam in England eine weitere Reproduktion des Bendemann’schen Gemäldes von James
Charles Armytage (ca.1820–1897) heraus.
76
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
wiederaufgebaut und erhielt Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge weiterer
Veränderungen neue Glasfenster. 239 Auf Höhe der Kanzel, an bedeutender Stelle
also, erblickt man die Mittelgruppe des Gemäldes von Bendemann als
Glasmalerei im „By the Waters of Babylon and Jerusalem Window“ (BILD T43). Der
Harfner und das auf seinem Schoß liegende Mädchen wurden eins zu eins
übernommen. Die Figuren dahinter und links neben dem Alten sind freie
Ergänzungen. Die Komposition des Düsseldorfers ist abbreviaturhaft in ein
Hochformat gefasst.
Etwa zu der Zeit, als die Glasmalerei entstand, 1852, griff der junge Künstler Philip
Calderon, gerade aus Paris zurückgekehrt, wo François Picot (1786–1868) sein
Lehrer war, das Thema der babylonischen Gefangenschaft auf (KATALOG 17A, BILD
K41). Die Äußerung seines Künstlerkollegen George Adolphus Storey (1834 –
1919) gibt Aufschluss über die Popularität und auch Selbstverständlichkeit des
Themas:
“Calderon exhibited his first picture at the Academy in 1853. I
remember it well, for we both made sketches of the same subject,
which was “By the waters of Babylon there we sat down; yea, we
wept when we remembered Zion”. 240
Offensichtlich war Bendemanns Komposition Vorbild für den spanischstämmigen
Engländer gewesen. Der trauernde, in die Ferne blickende Alte, auf dessen Schoß
ein junges Mädchen wie hingegossen liegt, und die im Mittelgrund befindliche
Mutter–Kind–Gruppe sind von Bendemann entlehnt. Auch die Konzentration auf
einen einzelnen Baum erinnert an Bendemanns Bild. Doch wo der Deutsche einen
authentischen „babylonischen“ Schauplatz geschaffen hat, setzt Calderon die
Juden in eine herbstlich–nordische Landschaft mit laubarmen Bäumen, mit der die
buntfarbenen Gewänder der trauernden Juden kontrastieren. Zudem verändert er
den Bildort einiger Figuren. Hat Bendemann sein Bildpersonal im Querformat
symmetriert, staffelt Calderon seines – bedingt durch das Hochformat – in den
Mittelgrund. Dabei gelingt ihm ein wirkungsvoller Kunstgriff: Zwischen dem Greis
und der Frau mit Kind öffnet sich der Blick auf eine seltsame Fratze. Calderon ist
der einzige Künstler, der das Motiv eines grotesken Menschenkopfes verwendet,
239
240
Vgl. Westhall, Roy: Stockport, a Pictorial History, Shopwyke Hall, 1988, o.S.
Storey, George Adolphus: Philip Hermogenes Calderon, R.A., in: The Magazine of Art, 1898, S.
447. Storey selbst hat vermutlich kein Gemälde zu der erwähnten Skizze ausgeführt. Der
Verbleib der Skizze ist unbekannt.
77
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
wie es aus den byzantinischen Psalterhandschriften bekannt ist. 1853, als das
Gemälde in der Royal Academy ausgestellt war, kam der byzantinische Theodor
Psalter in das British Museum. 241 Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass
Calderon den Flussgott, aus dessen Mund in der Illustration zu Psalm 137 die
Wasser Babylons fließen, gesehen und im Nachhinein hinzugefügt hat.
Sogar außerhalb Europas wirkte Bendemanns Bilderfindung, wie es das 1858
entstandene Gemälde „La Cautividad de los Hebreos en Babilonia“ (KATALOG19A,
BILD K43) des mexikanischen Künstlers Joaquin Ramírez beweist. Er variiert zwar
stärker als Calderon, dennoch ist die Wurzel für Ramírez’ Komposition bei
Bendemann zu suchen, und zwar zu einem nicht unerheblichen Teil bei
Bendemanns 1836 gemaltem „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“
242
(BILD
T44).
Offensichtlich hat der Mexikaner die Komposition des Jeremiasgemäldes auf
das Bildmotiv der trauernden Juden übertragen. Die Gruppe der Juden ist zentral
vor einen großen Steinquader platziert, der an die Ruinen erinnert, auf deren
Trümmern der Prophet sitzt. Die Figur des Jeremias findet ihr Spiegelbild in dem
links sitzenden Mann mit dem roten Gewand. Er hat keine Schriftrolle in der Hand,
sondern seinen Arm über eine Harfe gelegt. Um auf die Darstellung des
Propheten nicht verzichten zu müssen, zeigt Ramírez einen Leviten mit gehörnter
Mitra und Schriftrolle. Eine weitere Analogie zu dem Gemälde des Düsseldorfers
ist auffällig: die Ausrichtung der Figuren. Bei Bendemann und bei Ramírez sitzen
die zentralen Figuren, die Alten und die Frauen mit ihren Kindern, nach links
gewandt; das Mädchen rechts bei Bendemann und der jüdische Priester rechts bei
Ramírez sind isoliert von den anderen dargestellt. Der große Unterschied zu
Bendemanns trauernden Juden zeigt sich in der Vielzahl der Personen, die
verschiedene Stadien der Trauer und Verzweiflung präsentieren: von Resignation
über Beten bis zum Händeringen und innerlichen Aufbäumen. Sie lassen sich aus
der Komposition des Jeremiasgemäldes ableiten.
Auch Anklänge an das Werk eines anderen Künstlers werden deutlich: an Paul
Delaroches (1797–1859) „Pilger am Petersplatz in Rom“ 243 (BILD T45) von 1842.
241
Vgl. Siehe S.40f. in dieser Untersuchung.
1835/36, Öl auf Leinwand, 224 x 414 cm, ehemals Hannover, Leineschloss, nach 1943 zerstört.
Deshalb soll hier eine farbige, im Kunsthandel befindliche Ölskizze als Beispiel dienen.
243
1842, Öl auf Leinwand, 164 x 205 cm, Poznan, Museum Narodowe.
242
78
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
Hier ist das Motiv der am Boden sitzenden Frau und der auf ihrem Schoß
lagernden Kinder vorgegeben.
Die Kenntnis um die Gemälde des Düsseldorfers gelangte sicherlich über den
Spanier Pelegrín Clavé (1811–1880), den Lehrer Ramírez’, nach Mexiko. Clavé
lernte in Rom die Kunst der Nazarener kennen und führte sie als Direktor der
Kunstakademie San Carlos in Mexiko in die dortige Kunstlandschaft ein. 244
„Los asuntos sagrados son los más proprios para nostros porque
estamos más a sus alcances, conocemos más el espíritu de esta
religión y sobre todo los cuatrocentistas, nos han quedalo
excelentes modelos para este género (…)“ 245
Das Bild mit dem alttestamentarischen Thema wurde zum Symbol für die Angst
um die Unabhängigkeit des Landes, die die politische Entwicklung Lateinamerikas
von 1825 bis 1870 prägte, d. h. die Gestalten des Bildes und die Aussage wurden
mit einem neuen Hintergrund hinterlegt. Jeder, der das Gemälde ansah, verband
das Bildthema mit dem zeitgenössischen Geschehen. 1851 wurde nur der dritte
Akt von Verdis Oper „Nabucco“ in Mexiko aufgeführt: der Akt, in dem die
gefangenen Juden an den Wassern Babylons von Heimweh und Schmerz singen;
erst fünf Jahre später wurde die ganze Oper gezeigt. 246
Die Umsetzung des Bildthemas von Ramírez blieb nicht die einzige, die mit
zeitgenössischem und politischem Geschehen verknüpft wurde. 247
Das Gemälde Bendemanns wurde nicht nur motivisch erwidert, sondern ironisch
abgewandelt und zeitgenössisch reflektiert. Noch 1832 entstand das Gemälde
„Die trauernden Lohgerber“ 248 (BILD T46) von Adolf Schrödter (1805–1875). In den
ersten Düsseldorfer Jahren versuchte der Maler zunächst, sich der Gesinnung der
Schadow–Schule anzupassen, aber bereits 1832 richtet sich Schrödter in seinem
Genre–Realismus inhaltlich und formal gegen die sentimentale Richtung der
244
Clavé errang auf der Kunstakademie in Barcelona den Rompreis und durfte 1835 als Stipendiat
nach Rom reisen. Dort entstand unter Overbecks Einfluss eine Reihe von Gemälden mit
biblischen Inhalten. 1845 wurde er in Rom zum Direktor der Academia San Carlos in Mexiko
gewählt und reiste 1846 nach Mexiko. Vgl. ThB 1912, Bd. 7; Moreno, Salvador: El pintor
Pelegrín Clavé, Mexiko 1966, S. 7ff.; García Barragán, Elias: El arte académico en el
extranjero, in: México en el mundo de las colecciones de arte, México moderno, Bd. 5, Mexiko
1994, S. 191ff.
245
Zitiert bei Rojas 1994, S. 286.
246
Vgl. ebd., S. 284.
247
Siehe zu Puccinelli S. 89f. und zu Richard-Cavaro S. 107f. in dieser Untersuchung.
248
Öl auf Holz, 33 x 30,5 cm, Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut.
79
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
Düsseldorfer Malerschule. 249 Nach Karl Gutzkow (1811–1878) geht das Gemälde
auf ein „Berlinisches Sprüchwort“ zurück. 250 Es handelt sich hierbei um die
Redensart „Seine Felle davonschwimmen sehen“, die im Sinne von sich nicht
erfüllenden Hoffnungen verwendet wird. Der Ursprung der Redensart bezieht sich
auf den Beruf des Lohgerbers. Die Lohgerber gehören zur Zunft der
Lederhersteller, deren Rohstoff Tierfelle sind. Da beim Gerbprozess viel Wasser
benötigt wird, befanden sich schon früher Gerbereien direkt an Flussläufen. Der
erste Arbeitsschritt eines Lohgerbers besteht in der Spülung des Fells in
fließendem Wasser. Wenn dem Gerber dabei durch Unachtsamkeit die Felle
davonschwimmen, gehen seine Hoffnungen auf den verdienten Lohn damit
ebenfalls verloren. Genau diesen Moment hat Schrödter dargestellt. Die bewusste
Parodie zeigt plumpe männliche Figuren, die auf einem schräg von rechts ins Bild
führenden Steg am Fluss knien. Beide starren ohne Hoffnung, beinahe verzweifelt
den für den Betrachter nicht mehr sichtbaren Tierfellen hinterher. Es ist der
Augenblick vor dem Lamento. Gleich wird die Bühne, ein an sich stiller und
friedlicher Ort, von Wehgeschrei erfüllt sein. Im Hintergrund sieht man
mittelalterliche Häuser. In einem Hof davor binden vier Männer die gegerbten
Tierfelle zusammen.
Adolf Friedrich Teichs’ (1812–1860) „Gefangene Griechen von Mamelucken
bewacht“ 251 (BILD T47) von 1836 hingegen kann als typisches Historienbild des 19.
Jahrhunderts betrachtet werden. Thematischer Hintergrund sind die griechischen
Freiheitskämpfe gegen die türkische Herrschaft (1821–1830). Teichs hat
Bendemanns Juden in ein zeitgenössisches griechisches Gewand gekleidet. 252
Das Erstlingswerk des Künstlers der Düsseldorfer Malerschule galt als Erfolg, der
zum größten Teil der Wahl des Vorbilds zu verdanken ist.
249
Dies wird allgemein in der Literatur so festgehalten. Siehe dazu Rosenberg, Adolph: Geschichte
der modernen Kunst, Bd. 2: Die deutsche Kunst, Erster Abschnitt 1795–1848, Leipzig 1894², S.
389: Adolph Schrödter, (…), verspottete (…) nicht bloss diese ganze Gattung von Bildern,
indem er 1832, also noch in ihrer höchsten Blüthezeit, seine (…) „Trauernden Lohgerber“ malte,
sondern lieferte zugleich eine treffende Kritik dieser fragwürdigen Elegien, indem er nicht
vergass, die Ursache ihrer Trauer, das fortschwimmende Fell, mit zu malen.“ Tatsächlich sind
die Felle aber nicht zu sehen. Baumgart, Fritz: Idealismus und Realismus 1830–1880, Die
Malerei der bürgerlichen Gesellschaft, Köln 1975, S. 73.
250
Vgl. Gutzkow, Karl: Wilhelm Schadow, in: Ders.: Gesammelte Werke, Bd. 2: Öffentliche
Charaktere, Frankfurt a. M. 1845, S. 317.
251
Öl auf Leinwand, 185,5 x 247,5 cm, Münster, Landesmuseum.
252
Püttman 1839, S. 77 bemerkt: „Die Thessalonicher sind Bendemann’s Hebräer in griechischer
Bekleidung“.
80
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
EDUARD BENDEMANN
„Nicht jedes Talent ist berufen in Kunst oder Wissenschaft
selbstständige Bahnen zu brechen, aber wir dürfen unsere
Anerkennung nicht verweigern, wenn wir den jüngeren Künstler
mit Eifer der Richtung folgen sehen, welche von anderen bereits
höchst glücklich bestimmt ward. Daß eine Vergleichung nahe liegt,
daß sie manches Gute uns übersehen läßt, was uns ohne sie sehr
gefallen hätte, ist natürlich: wir wollen deshalb den jungen Künstler
nur loben, daß er sich ein solches Vorbild wählte wie es
Bendemanns gefangene Juden in Babylon waren. Ein solches
Nachstreben bringt uns mehr gute Bilder wie unzeitige Originalität
ohne Beruf. (…)“ 253
Von der pyramidalen Komposition der Figuren im Zentrum des Gemäldes, die vor
Tempelruinen lagern, bis hin zu Isolation der Einzelfigur erinnert Teichs
Historienstück an Bendemanns „Trauernde Juden“. In der damals aktuellen
Thematik des griechischen Freiheitskampfes und dem angeblichen lokalen Bezug
der dargestellten Szene – ein 1835 entstandenes Aquarell studiert die
Hintergrunddetails 254 – manifestieren sich die Unterschiede.
253
254
Quast, Ferdinand von: Bericht über die Berliner Kunst–Ausstellung, in: Museum, Blätter für
bildende Kunst, 1836, Jg. 4, Nr. 43, S. 335.
Vgl. Westhoff–Krummacher, Hildegard: Katalog der Gemälde des 19. Jahrhunderts im
Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1975, S. 165.
81
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
3. Ausdifferenzierungen im 19. Jahrhundert
Orientalisierung
Die Komposition Bendemanns, die durch eine Vielzahl von druckgraphischen
Reproduktionen ikonographisch verbreitet wurde, prägte sich in das Gedächtnis
des Bürgertums ein. Dazu bemerkt Karl Gutzkow 1837 ironisch: „daß man (…) die
babylonischen Juden schon auf Strickmustern, Tabacksdosen und Bilderbogen
zum Ausmalen für Nürnberger Tuschkastenkünstler erblicken kann.“ 255
Der Architekt und Kunsthistoriker Ferdinand von Quast (1807–1877) berichtet
1837 in der Zeitschrift „Museum“ von einem Gespräch aus dem Jahre 1834 mit
François Gérard (1770–1837). Der Franzose besaß einen Kupferstich von
Bendemanns trauernden Juden und meinte „seit Raphaels Zeiten kenne er nicht
solche Composition, und er wünsche von Herzen dem Lande Glück, das solchen
Künstler besitze“. 256
Auch ein Brief von Mathilde von Waldenburg (1817–1884), Tochter des Prinzen
August von Preußen, an Schadow belegt, dass Bendemanns Werke in Paris
Aufmerksamkeit erregt haben. Am 26. Dezember 1845 schrieb sie:
„Scheffer äußerte sich mit vielem Interesse und Kenntnis über
deutsche Kunst und Kunstdichtung, lobte Bendemann’s trauernde
Juden sehr, die hier viel mehr Eindruck gemacht hätten, als die
Hussitenpredigt Lessing’s.“ 257
Bei dem in Holland geborenen und in Frankreich wirkenden Maler Ary Scheffer
(1795–1858) traf Bendemanns Komposition auf einen künstlerisch religiös
gepolten Nerv. Die Werke des niederländisch–französischen „Nazareners“
Scheffer, mit denen er nachhaltig seinen Schüler Charles Landelle 258 beeinflusste,
zeigen ein ähnliches Kunstverständnis wie Bendemann. In Scheffers Oeuvre
bekam
das
von
Vischer
deklarierte
„Lyrische
Situationsbild“
einen
außerordentlichen Stellenwert. 259 So steht die Artikulation des Themas in
Frankreich zunächst in der Tradition des von Bendemann erfundenen Bildtypus.
255
Gutzkow 1845, S. 314.
Quast, Ferdinand von: Gérard’s Urtheil über die neuere deutsche Kunst, in: Museum, Blätter für
bildende Kunst, 1837, Jg. 5, Nr. 7, S. 50.
257
Waldenburg, Mathilde von: Briefe aus Frankreich an Herrn Direktor W. von Schadow, Gotha
1873, S. 37.
258
Siehe S. 101ff. in dieser Untersuchung.
259
Vgl. Körner 2000, S. 33.
256
82
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
Zwar gab schon Paul Delaroche der französischen Historienmalerei eine neue
Richtung und psychologisierte die Darstellung seiner Historienbilder, doch übten
die Gemälde des „Düsseldorfer Schmerzes“ ebenso ihre Wirkung auf die Malerei
in Frankreich aus.
1836 wurde das Schauspiel „Nabuchodonosor“ 260 des Dramatikers Auguste
Anicet–Bourgeois (1806–1871) in Paris uraufgeführt. Es thematisiert die
Eroberung Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezar und das
anschließende Exil. Die Schauspieler tragen exotische und orientalisierte Kostüme
(BILD T48), um die Fremdheit des Themas hervorzuheben. Ein Jahr später, 1837,
stellte Romain Cazes sein Gemälde „Captivité des Juifs à Babylone“ (KATALOG 9A,
BILD K28) im Pariser Salon aus. Ob ein Zusammenhang besteht, kann nicht
bewiesen werden, doch zumindest kann die Vermutung ausgesprochen werden,
dass der junge, gerade aus dem Atelier von Ingres kommende Maler das
Theaterstück gesehen und daraus Eindrücke verarbeitet hat.
Im Kunst–Blatt von 1837 erwähnt der Bericht über den französischen Salon 261
die Analogie von Cazes’ Ausführung mit der 1836 entstandenen Komposition „Die
Tochter Jephtas“ 262 von Henri Lehmann (1814–1882), der auch ein Schüler Ingres
war. Das Gemälde ist heute verloren. Die kleinformatige Ölskizze 263 (BILD T49)
jedoch verrät auffällige Parallelen zwischen dem Gemälde von Cazes und dem
von Lehmann, die wohl am deutlichsten in der Gestaltung der weiblichen Figuren
und „in der etwas sonderbaren Art und Weise, wie man den Namen auf die
Leinwand schreibt.“ 264 zu finden sind. Cazes, der das Gemälde seines Kollegen
sicherlich gesehen hat, verarbeitet Elemente der Komposition, doch ist es
vielmehr der Einfluss von Ingres, der beide verbindet. Auch wenn Cazes
Lehmanns Gemälde vor Augen hatte, orientiert er sich motivisch und zu einem
großen Teil auch kompositionell an Bendemann. Das sich auf die Knie des Alten
stützende Mädchen rechts im Bild Bendemanns wird bei Cazes zu einer
Rückenfigur, die sich auf der linken Bildhälfte an die Beine einer Frau lehnt. Auch
260
261
262
263
264
Anicet–Bourgeois, Auguste, Cornu, Francis: Nabuchodonosor, drame en quatre actes, Paris
1836.
Vgl. Collow, Eduard: Der Pariser Salon im Jahre 1837, I, in: Kunst–Blatt 1837, Nr. 41, S. 168.
Öl auf Leinwand, 170 x 195 cm, Collection des Ducs d’Orléans, verloren. Vgl. Aubrun, Marie–
Madeleine: Henri Lehmann 1814–1882, catalogue raisonné de l’oeuvre, Nantes 1984, S. 79, Nr.
133.
Öl auf Leinwand, 23,2 x 30,2 cm, Dijon, Privatbesitz. Vgl. Aubrun 1984, S. 79, Nr. 134.
Collow in: Kunst–Blatt 1837, Nr. 41, S. 168.
83
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
die eigenwillige Farbkombination ihrer Kleidung übernimmt Cazes, doch
verwendet er sie entgegengesetzt: Über einem violetten Unterkleid trägt die Frau
ein gelbes kurzärmeliges Obergewand.
Der Franzose deutet die Lünettenform mit gemalten Bildelementen eines
transluziden Farbspiels an. In der Tradition des „Zimmerorientalisten“ 265 Ingres
stehend, gestaltet Cazes seine Komposition optisch sinnlicher: Zwar boten
Bendemanns „Trauernde Juden“ dem Betrachter eine exotische Atmosphäre mit
den
orientalisch
anmutenden
Gebäuden
eines
fiktiven
Babylon,
dem
Wüstenkastell, dem Euphrat und einem Anklang von südlicher Vegetation, so dass
schon Friedrich von Uechtritz Bendemanns Werk unter dem Wort „Orientalismus“
zusammenfasste 266 , doch erst Romain Cazes, der als Sohn eines Archäologen mit
dem Altertum vertraut war, vollzog den eingeschlagenen Weg in den Orient. 267 Er
hob das Orientalisch–Exotische durch ein leuchtendes Farbenspiel hervor und
versinnlicht den Bildgegenstand: Es ist die erste orientalisierte Umsetzung des
Bildmotivs.
Der
eigentliche
Bedeutungsträger,
die
Trauer,
wird
exotisch
aufgeladen.
Der Beginn des Orientalismus in Europa läßt sich also auf den Anfang des 19.
Jahrhunderts datieren. Ihm ging im 18. Jahrhundert die so genannte Turquerie
voraus. Neben wachsendem Tourismus wirkte der Ägyptenfeldzug Napoleons
1798/99 stimulierend. 268 So zeigt das Gemälde „Napoleon bei den Pestkranken
von Jaffa (11. März 1799)“ 269 (BILD T50), das der Franzose Antoine Jean Gros
(1771–1835) im Auftrag von Joséphine de Beauharnais (1763–1814) schuf, die
erste große bildliche Manifestation des Orientalismus. Das Gemälde gehört zu den
herausragenden
Werken
der
Propaganda
Napoleons
und
zeigt
den
unerschrockenen General im Hof einer als Lazarett umfunktionierten Moschee
inmitten von Pestkranken. Wie einst Christus den Aussätzigen berührt hat, berührt
Napoleon mit der bloßen Hand einen Kranken unter der Achselhöhle, also da, wo
die Pestbeule sitzt. Ein Arzt versucht den Feldherrn davon abzuhalten. 270 In der
Komposition wird Gros’ Lehrer David und dessen Gemälde „Der Schwur der
265
Vgl. Leitzke, Angelika: Das Bild des Orients in der Französischen Malerei, von Napoleons
Ägypten–Kampagne bis zum Deutsch–Französischen Krieg, Diss., Marburg 2001, S. 1, Anm. 4.
266
Vgl. Uechtritz, Friedrich von: Blicke in das Düsseldorfer Kunst– und Künstlerleben, Bd. 2,
Düsseldorf 1838–1840, S. 99.
267
Vgl. Krey 2003, S. 117.
268
Vgl. LDK 1993, Bd. 5, Art. zu „Orientalismus“; Leitzke 2001, S. 13.
269
Öl auf Leinwand, 523 x 715 cm, Paris, Musée du Louvre.
270
Vgl. Brunner, Manfred Heinrich: Antoine–Jean Gros. Die napoleonischen Historienbilder, Diss.,
Bonn 1979, S. 141ff.
84
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
Horatier“ gegenwärtig: Von ihm übernimmt Gros die Arkadenarchitektur, rückt
diese jedoch aus der Bildsymmetrie. Völlig neuartig ist, dass bei der Gestaltung
der Komposition die orientalistischen Elemente die klassizistischen Elemente
überlagern. Die Antike wird als Muster zugunsten des Orients aufgegeben: Durch
maurische Bogenformen, das Minarett und orientalische Zinnen entsteht ein
exotisches Ambiente.
Gleichermaßen verhält es sich mit dem Bildmotiv „Die trauernden Juden im
Exil“:
Der
Orientalismus
als
westlicher
Stil
der
Herrschaft
und
des
Autoritätsbesitzes über den Orient 271 überzieht die Darstellung von Bendemanns
trauernden Juden. Dies zeigt sich bei Roman Cazes in der Darstellung der
orientalisierten Kleidung und des exotischen Hintergrunds.
Das Fremde, der Orient begann nun mehr und mehr, die Maler und das Publikum
zu reizen. Eugène Delacroix intensivierte die Reize des Sinnlichen auf
wirklichkeitsnahe Art. Durch seine Reise nach Nordafrika im Jahre 1832 kam es
zu einer grundlegenden Wende in der ästhetischen und stilistischen Entwicklung
des Künstlers. 272 Im Pendentif der vierten, der Theologie gewidmeten Kuppel der
Bibliothek des Palais Bourbon, der Abgeordnetenkammer Frankreichs, sieht man
das Gemälde „La Captivité à Babylone“ (KATALOG 12A, BILD K31), das Delacroix
zwischen 1842 und 1844 schuf. Zwar rezipierte der Franzose die Komposition
Bendemanns, was den historischen Wert der Bilderfindung des Deutschen
untermauert – er zeigt eine Mutter–Kind–Gruppe und einen älteren Mann, die
unter einem Baum lagern, – doch opferte Delacroix die große Form der
malerischen Qualität. 273 „Die Klage der Hebräer versinkt in der flimmernd farbigen
Welt des Orients.“ 274 Delacroix erreichte die Umsetzung von Formen aus der
Farbe, die bei ihm zum Akteur wird. Durch eine prachtvolle realistische
Farbgebung machte er den Orient gegenwärtig.
Ein maßgebendes, die Kunst des Orientalismus begleitendes Element kommt
bei Delacroix noch hinzu: die Erotik. Im Werk des französischen Orientalisten
Jean–Auguste–Dominique Ingres (1780–1867), einem Schüler Davids, begründet
sich die Symbiose von Orientalisierung und Erotisierung mit der Darstellung von
271
Vgl. Said, Edward W.: Orientalism, London 2003, S. 4ff.
Vgl. Leitzke 2001, S. 140–156.
273
Eine von René Piot 1937 angefertigte Kopie (KATALOG 41A, BILD K102) zeigt, wie sich die Form
durch die Reduktion von Farbe noch weiter auflöst.
274
Becker 1964, S. 268.
272
85
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
Haremssklavinnen, die in dem Gemälde „Das türkische Bad“, entstanden
zwischen 1859 und 1863, kulminiert. Doch schon 1814 kombiniert er mit der
Darstellung „Die große Odaliske“ 275 (BILD T51) einen weiblichen Akt mit
orientalischen Accessoires. Der Künstler, der den Orient nie bereiste, stützt sich
bei seiner Darstellung von Haremsdamen auf literarische Quellen. Im Gegensatz
zu dem realistischen Orientalismus von Delacroix wird der Orientalismus von
Ingres zur Apotheose Erotik gewordener Malerei. 276
Delacroix zeigt die trauernden, von Bendemann und Cazes noch so maßvoll
gekleideten Juden teilweise entblößt. Wie ein Aquarell–Bleistiftentwurf (KATALOG
12B, BILD K32) dokumentiert, hat sich der Künstler erst bei der Endfassung zu einer
erotisierten Optik entschlossen.
Das Motiv ist Teil eines neubarocken Bildprogramms und in einen höheren
ikonographischen Sinnzusammenhang gestellt: der Entstehung, Geschichte und
Vernichtung der menschlichen Kultur, in der die babylonische Gefangenschaft als
eine Epoche der religiösen Entwicklung von Bedeutung ist.
Mit der Ausformung bei Eugène Delacroix festigt sich das orientalisierte
Bildmotiv „Die trauernden Juden im Exil“. Der schon bei Bendemann in der
Hintergrundstaffage angedeutete Exotismus bestimmt über Cazes zu Delacroix
das gesamte Bildgefüge.
Thematisch angeregt und vermutlich zeitgleich mit Delacroix’ Gestaltung des
Pendentifs „Captivité à Babylone“ fertigt Delacroix’ Mitarbeiter Louis de Planet
zum gleichen Zeitpunkt wie sein Meister, wohl 1842/43, ein kleinformatiges
Gemälde mit dem Titel „Dernière Halte des Juifs emmenés en Captivité“ (KATALOG
13A, BILD K35). Im Gegensatz zu Delacroix orientiert sich Planet nicht an der
Komposition Bendemanns, sondern erfindet ein narratives Bildgefüge mit
mehreren Figuren. Dabei thematisiert er nicht allein die Trauer, sondern gestaltet
ebenso einen Konflikt zwischen Sieger und Besiegtem links, zeigt angsterfüllte,
vom langen Marsch erschöpfte Menschen mittig und einen rebellischen Juden
rechts. Die gedrehte, sich aufbäumende Körperhaltung, die hinter dem Rücken
gefesselten Hände der Figur haben ihre Wurzel in dem aus dem Grabmalsprojekt
für Papst Julius II. stammenden „Rebellischen Sklaven“ von Michelangelo, der
275
276
„Die große Odaliske“ ist ein Auftragswerk für Caroline Murat geb. Bonaparte (1782–1839), der
Königin von Neapel, 1814, Öl auf Leinwand, 91 x 162 cm, Paris, Musée du Louvre.
Vgl. Lemaire, Gérard–Georges: Orientalismus, Das Bild des Morgenlandes in der Malerei, Köln
2000, S. 198ff.
86
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
schon seit 1794 im Louvre ausgestellt ist (BILD T52). Mehr noch dürften die
manieristischen und barocken Derivate des Sklaven Michelangelos auf Planet
eingewirkt haben, denn sie sind bärtig, wie der Jude in Planets Gemälde.
Zwischen 1614 und 1618 schufen Pietro Francavilla (1548–1615), ein Schüler
Giambolognas, und Francesco Bordoni (1580–1654) vier Skulpturen von
gefangenen Männern, die ab 1635 den Sockel der Reiterstatue Heinrichs IV. am
Pont–Neuf schmückten (BILD T53). 277 Ein weiteres Skulpturenquartett von
Gefangenen konnte Planet im Invalidendom sehen. Einst säumten die vier, 1682–
85 von Martin Desjardins (1637–1697) geschaffenen Gefangenen, auch bekannt
als die vier besiegten Nationen Spanien, Heiliges Römisches Reich, Brandenburg
und Holland, den Sockel der Statue von Ludwig XIV. am Place des Victoires. 278
Jede der vier männlichen Bronzefiguren drückt eine unterschiedliche Reaktion auf
die Gefangenschaft aus: Rebellion, Hoffnung, Resignation und Trauer. Einer der
Gefangenen, genannt „Der Holländer“ (BILD T54), ist ein nackter Mann mittleren
Alters mit kurzem Bart. Die energische Körperdrehung, die ein Sichaufbäumen
impliziert, und die Beinstellung erinnern stark an Planets Gestalten.
Obgleich die Gegenüberstellung von Babyloniern und Juden schon bei Blake –
allerdings unbekannt gebliebener – Bildgegenstand war, zeigt Planets Ausformung
zum ersten Mal eine brutal anmutende Drohgebärde eines Babyloniers gegen
einen gefesselten, hilflos am Boden kauernden Juden. Dieser schreckensvollen
Szene links stellt der Künstler die ebenfalls neuartige Figur eines aufsässigen,
sich unter den Fesseln der Gefangenschaft windenden Juden gegenüber. Mit der
Gestaltung des Motivs von de Planet beginnt wieder eine gefühlsmäßige
Polarisierung – wie bei Blake schon aufgezeigt – zwischen zwei Figurengruppen:
den würdevollen Unterdrückten und den machtvollen Unterdrückern.
Einen Schritt zu weit ging Jean–François Millet im Republikjahr 1848 mit seiner
Darstellung zum Bildthema (KATALOG 14A, BILD K36). Womöglich von der rüden
Szenerie in Planets Darstellung ermuntert, machte er die Drohgebärde der
babylonischen
Soldaten
zum
Hauptmotiv.
Nicht
die
Trauer,
sondern
Unterdrückung und Bedrohung durch die babylonischen Eroberer stehen im
Mittelpunkt.
277
278
Die
vornüber
gebeugten,
den
jüdischen
Frauen
die
Harfe
Vgl. Bresc–Bautier, Geneviève: Art ou politique? Arcs, statues et colonnes de Paris, Paris 1999,
S. 36–41.
Vgl. ebd, S. 64–68.
87
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
aufdrängenden Soldaten sind Derivate von Poussins „Tod des Germanicus“ 279
(BILD T55) von 1626. Hier stehen sie am Bett des sterbenden Feldherrn und bieten
ihm Wein aus einem Kelch an. Millets Umsetzung der „trauernden Juden“ wurde
von den Zeitgenossen als zu brutal empfunden, geriet schnell in Vergessenheit
und erfuhr keinerlei Nachahmung.
Ab Planet wird es deutlich: Die Bildform, einst von Bendemann vorgegeben,
verändert sich. Das orientalisierte Motiv beginnt sich mehr von der statuarischen
Ruhe des Vorbilds Bendemann und dem lyrischen Grundton der Darstellung
abzuwenden und ein szenisches Eigenleben zu entwickeln. Das Bild wird zum
Ereignisbild und erzählt. Und noch etwas anderes ist bemerkenswert: Das Thema
heißt in Frankreich von Beginn an, also seit Romain Cazes’ „Captivité des Juifs à
Babylone“, die „Gefangenschaft der Juden in Babylon“, und nie „Les juifs
pleureuses en exil“, „Die Trauernden Juden im Exil“. Immerhin hat die Darstellung
Bendemanns maßgebenden Einfluss auf die Umsetzung zweier Künstler
(Delacroix und Cazes), und das, obwohl der Titel eine ereignisreichere Thematik
vermuten ließe. Bei Planet liegt der Einschnitt. Schon allein der Titel seines Bildes
verspricht Narrativität.
Wie bereits dargelegt, wurde ab Ende der 1830er Jahre die Seelenmalerei der
Düsseldorfer mehr und mehr abgelehnt. Karl Gutzkow wies 1837 entschieden die
gemalte Reflexion zurück, indem er sich gegen Lessings „Trauerndes Königspaar“
und Bendemanns „Trauernde Juden“ wendet, die „erst durch Zuthat der
Vernehmenden ergänzt werden müssen. Eine solche nothwendige Thätigkeit stört
aber beim Gemälde die Einheit des Kunstwerkes und setzt es der Missdeutung
aus.“ 280 Auch Vischer wendet sich 1842 dagegen: „Bendemann scheint geneigt zu
sein, in jenem hinsterbenden Schlummerleben der Wehmut zu beharren.“ 281
Genauso
verhielt
es
sich
in
Frankreich:
Schon
die
entsprechende
Kapitelüberschrift in Baudelaires Kritik des Salons von 1846 ist bezeichnend: In
„Ary Scheffer und von den sentimentalen Affen“ heißt es:
279
Auftraggeber des Werkes war Kardinal Francesco Barberini. Öl auf Leinwand, 148 x 196,5 cm,
Minneapolis, Institute of Arts.
280
Gutzkow 1845, S. 316f.
281
Vischer, Friedrich Theodor: Betrachtungen über den Zustand der jetzigen Malerei (1842), in:
Ders.: Kritische Gänge, hrsg. von Vischer, Robert, Bd. 5, München 1922, S. 43.
88
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
„Früher war das Publikum Ary Scheffer wohlgesonnen; es fand in
diesen poetischen Bildern seine liebsten Erinnerungen aus großen
Dichtern wieder und das genügte ihm. (…) Aber die Künstler,
selbst die von mittelmäßiger Originalität, haben dem Publikum seit
langem wahre Malerei gezeigt, die mit sicherer Hand und nach
den einfachsten Regeln der Kunst ausgeführt ist: so wurde es der
unsichtbaren Malerei nach und nach überdrüssig und ist Scheffer
gegenüber heute grausam und undankbar. Und es tut recht
daran!“ 282
Durch „unsichtbare Malerei“ die Vorstellungskraft des Bildbetrachters noch länger
zu strapazieren, wurde nach und nach immer unbeliebter, vielleicht kann man
sogar sagen, dass es lästig wurde. Das Bildmotiv entwickelte sich daher zu einer
vielfigurigen, narrativ opulenten Komposition, in der dem Betrachter der Konflikt
zwischen den Juden und den Babyloniern vor Augen geführt wird.
Im Großformat konkretisierte sich dies bei dem Italiener Antonio Puccinelli. Im
Gegensatz zu Delacroix ist er in seinem Gemälde „La Schiavitù degli Ebrei in
Babilonia“ (KATALOG 16A, BILD K38) einem akademisch geschulten Orientalismus
verpflichtet.
Das
Gemälde
entstand
1851
in
Rom,
wo
Puccinelli
den
Zweitplatzierten des französischen Prix de Rome von 1850, William Bouguereau
(1825–1905) kennenlernte. Im Februar 1851, früher als Puccinelli, begann
Bouguereau die Idee für eine Komposition zur Thematik einer Stadtplünderung mit
der darauf folgenden Wegführung der Menschen in die Gefangenschaft zu
entwickeln. Das Gemälde „Les juifs emmenés en captivité“ (BILD T56), ein
vielfiguriges und episodenreiches Gemälde, war das Ergebnis. 283 Puccinelli, der
das Gemälde vielleicht gesehen hat, schuf mit seiner Komposition das
dazugehörige Pendant bzw. vervollständigte das historische Geschehen, das im
Werk Bouguereaus den Anfang nahm. 284 Im Gegensatz zu Bouguereau, der ein
an den barocken Klassizismus Poussins erinnerndes Werk schuf, gestaltete
Puccinelli ein romantisches Gemälde mit narrativen Elementen. Auch wenn
Bouguereau Puccinelli die Beschäftigung mit der Thematik der babylonischen
282
Baudelaire, Charles: Juvenilia–Kunstkritik 1832–1846, in: Ders.: Sämtliche Werke/Briefe, hrsg.
von Kemp, Friedhelm, Pichois, Claude und Drost, Wolfgang, Bd. 1, Darmstadt 1977, S. 259.
283
Das Gemälde wird im Kapitel „IV. Verwandte Bildmotive“ genauer besprochen.
284
Ein kleines Pastell mit einer unbestimmten biblischen Szene wird in der Literatur als Vorstudie
genannt. Die aus der Wirklichkeit beobachtete Szene zeigt die Brotverteilung von Frauen an
Frauen. Vgl. Durbé 1997, S. 18, 79. Beweisen konnte Durbé den unmittelbaren Zusammenhang
zwischen Pastell und Gemälde allerdings nicht. Die Szene mag durch ihren orientalisch
anmutenden Charakter dem Stil des Gemäldes sicherlich verhaftet sein, doch hat sie mit der
biblischen Ikonographie nichts gemeinsam.
89
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Gefangenschaft vorgegeben hat, so gab doch die politische Situation seines
Heimatlandes Italien den entscheidenden Anstoß.
Die Epoche des Risorgimento bestimmte die Politik Italiens zwischen 1815 und
1870 und umfasste sowohl den Kampf um die politische Befreiung von fremden
Dynastien wie die der spanischen Bourbonen im Süden und die der
österreichischen Habsburger im Norden als auch die Reichsgründung zum
nationalen Einheitsstaat. 285
Puccinelli fertigte das Gemälde zwar nach der 1848er Revolution, die in
Frankreich begann, auf Italien übergriff und dort entscheidende Veränderungen
hervorrief 286 , doch mutet seine Umsetzung des Themas resignierend an. Keine
Anzeichen von Rebellion oder Widerstand, sondern einzig Trauer, Resignation
und
die
Bedrohung
durch
die
Babylonier
beherrschen
das
Bild.
Die
Abendstimmung betont eher den lyrischen Charakter des Themas als den Appell
an die Italiener, für die Erreichung eines gesamtitalienischen Nationalstaats zu
kämpfen.
Vermutlich hat Puccinelli Eindrücke aus der Oper „Nabucco“ des Komponisten
Giuseppe Verdi (1813–1901) 287 verarbeitet. Das am 9. März 1842 in Mailand
uraufgeführte Bühnenwerk handelt von der Gefangenschaft der Juden in Babylon.
Hinter dem Bild der Freiheitssehnsucht des jüdischen Volkes konnten die
italienischen Patrioten ihre eigenen nationalen Forderungen erkennen. Verdi
machte das Sehnen des jüdischen Volkes nach Freiheit zu einem Symbol für den
285
286
287
Vgl. Lill, Rudolf: Geschichte Italiens vom 16. Jahrhundert bis zu den Anfängen des Faschismus,
Darmstadt 1980, S. 92ff.
Im Februar 1848 wurde im Königreich Sardinien–Piemont die konstitutionelle Monarchie mit
Zweikammersystem eingerichtet; im Königreich Neapel–Sizilien kam es im Januar 1848 zu
schichtenübergreifenden Aufständen, die König Ferdinand II. schließlich zwangen, ebenfalls
eine Verfassung zu erlassen; und auch in der Toskana und im Kirchenstaat traten
Verfassungen in Kraft. Im Kampf gegen die antiliberale, österreichische Fremdherrschaft
übernahm König Karl Albert von Sardinien–Piemont die Führung der italienischen Staaten; nach
anfänglichen Erfolgen unterlagen die Italiener im Juli 1848, und auch nach der Wiederaufnahme
des Krieges im März 1849 konnten sie die Österreicher nicht bezwingen. Der Versuch, die
Österreicher aus Italien zu verdrängen und einen selbstbestimmten, konstitutionell organisierten
Staat zu schaffen, war gescheitert. Inzwischen war es im November 1848 in Rom zu
radikaldemokratischen Erhebungen gekommen; der Papst floh vor den Aufständen aus Rom,
und im Februar 1849 rief Giuseppe Mazzini in Rom die Republik aus, die sich bis zum Sommer
halten konnte. Die Revolution war weitgehend gescheitert. Vgl. Lill 1980, S. 14ff.
Verdi wurde als Anagramm benutzt für die politische Parole „Vittorio Emanuele Re D’Italia“.
Viktor Emanuel II., König von Sardinien–Piemont, galt als Hoffnungsträger in der
Einigungsbewegung. 1861 bestieg er als Viktor Emanuel I. den Thron des geeinten
Königsreichs Italien. Vgl. Pauls, Birgit: Giuseppe Verdi und das Risorgimento, Ein politischer
Mythos im Prozess der Nationalbildung, Berlin 1996, S. 10; Engelhardt, Markus (Hg.): Verdi und
seine Zeit, Laaber 2001, S. 364.
90
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italienischen Widerstand gegen die Fremdherrschaft der Habsburger. 288 . Vor allem
die Szene, in der der Chor der hebräischen Gefangenen „Oh membranza sì cara e
fatal! Arpa d’or dei fatidici vati, Perquè muta dal salice pendi? (…) 289 “ singt,
scheint in der Darstellung des Gemäldes festgehalten.
Puccinelli war nicht der einzige, der das Bildmotiv in der Zeit des Risorgimento
umsetzte. Der Neapolitaner Saverio Altamura (1822–1897), Mitbegründer der um
1855 entstandenen „Macchiaioli“ 290 , war Mitkämpfer der Revolution von 1848 und
musste nach der Niederschlagung ins Exil gehen. 291 Drei Jahre später zeigte er im
Caffè Michelangelo in Florenz neben zwei anderen Werken „Episodio della
schiavitù degli ebrei“. Das Thema scheint also gerade nach den immensen
politischen Umwälzungen die allgemeine Gefühlslage als zeitgenössischer
Kommentar widerzuspiegeln.
Bereits 1831 hatte Francesco Hayez (1791–1882) vaterländische Gefühle
bezeugt. Das monumentale Gemälde „Die Vertriebenen von Parga“ 292 (BILD T57)
stellt den Auszug der christlichen Bevölkerung aus der Stadt Parga dar, die 1818
von den Engländern an die Türken übergeben wurde. 293
Obwohl in England die Bilderfindung von Bendemann durch Calderon leicht
variiert übernommen wurde, schuf der präraffaelitische Künstler Simeon Solomon
sechs Jahre später, 1858, mit der Tusche–Sepiazeichnung „By the Waters of
Babylon“ (KATALOG 20A, BILD K44) eine zwar kleinformatige, aber vielfigurige und
narrativ reich strukturierte Komposition. Es ist die erste Umsetzung des Bildmotivs
eines jüdischen Künstlers in England.
Im England des 19. Jh. erlebte das Judentum einen entscheidenden Wandel
seines Status’. Ließ Eduard I. (1239–1307) 1290 die Juden aus England
ausweisen, durften sie 1656 unter Cromwells Protektorat wieder einwandern. Von
der Mitte des 17. Jh. an hatten englische Juden im Vergleich zu den
Judenverfolgungen auf dem europäischen Festland ein sicheres Leben. Anfang
des 19. Jahrhunderts war die staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden mit der
Bevölkerung weitgehend durchgesetzt. In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts
288
Vgl. Pahlen 1999, S. 157f.
Ebd. S. 99.
290
Vgl. Lankheit, Klaus: Von der napoleonischen Epoche zum Risorgimento, Studien zur
italienischen Kunst des 19. Jahrhunderts, München 1988, S. 151ff.
291
Ebd. S.177.
292
Öl auf Leinwand, 210 x 290 cm, Brescia, Pinacoteca Civica.
293
Vgl. Röttgen, Herwarth: Historismus in der Malerei – Historismus in Italien, in: Mai 1990, S. 289.
289
91
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begann sich dann eine Entwicklung abzuzeichnen, die zur Emanzipation der
Juden führte. 294 In diesem sozialgeschichtlich brisanten Umfeld war Simeon
Solomon der erste jüdische Künstler, der sich auf Themen aus dem Alten
Testament
spezialisierte
und
Gesichtszügen verwendete.
295
dafür
jüdische
Modelle
mit
semitischen
Solomon kreierte im Gegensatz zu seinem
jüdischen Lehrer Solomon Alexander Hart (1806–1881), Professor für Malerei an
der Royal Academy und führender Exponent für Historiengemälde aus der
englischen
Geschichte
und
Literatur,
ein
neues
Hybrid:
die
jüdische
Historienmalerei. Bis zum frühen 20. Jahrhundert war es für einen Juden ziemlich
unüblich, sich in der britischen Kunst so offensichtlich mit seiner Religion zu
identifizieren. 296
Das Werk des damals 17jährigen ist von der jüdischen Kultur und Tradition
seiner Familie angeregt worden und damit Zeugnis seines Interesses und seiner
Hingabe an Glaube und Ritus. Auffällig sind die vielen Kinder, die Liebe und Trost
von den Erwachsenen erhalten. Der Schlüssel zu diesen Mutter–Kind–Gruppen ist
der Bildtypus Madonna mit Kind und Heiligen des Trecento und Quattrocento. Die
National Gallery besaß 1857 mehrere Gemälde mit dieser Ikonographie. So z. B.
aus der Werkstatt des Botticelli ein Tondo „Die Jungfrau und das Jesuskind mit
dem Hl. Johannes und einem Engel“
297
(BILD T58). Solomon hat den Bildtypus
friesartig aneinandergereiht; die Komposition endet nicht etwa an den Seiten,
sondern ist von den Bildrändern überschnitten. Diese friesartige Abfolge leitet zur
nächsten Novität in Solomons Ausführung des Motivs über. Zum ersten Mal
werden archäologische Funde, wie z. B. die Reliefs aus Ninive, die der Archäologe
Austen Henry Layard (1817–1894) entdeckte, vorbildhaft verwendet. Dies sollte
einige Jahrzehnte später üblich werden. 298 Zudem schlug Layard in seinem Buch
„Discoveries in the Ruins of Nineveh and Babylon, with Travels in Armenia,
Kurdistan, and the Desert” von 1853 erstmalig eine Verbindung zwischen Altem
294
Vgl. Battenberg 2000², S. 137ff.
Vgl. Kleeblatt, Norman L.: Jewish Stereotype and Christian Prototype: The Pre–Raphaelite and
Early Renaissance Sources for Simeon Solomon’s Hebrew Pictures, in: Casteras, Susan P.,
Faxon, Alicia Craig (Hg.): Pre–Raphaelite Art in its European Context, London 1995, S. 121ff.
296
Vgl. ebd., S. 117.
297
Um 1490, Tempera auf Holz, London, National Gallery.
298
Austen Henry Layard grub ab 1845 im Auftrag des Britischen Museums in den assyrischen
Königsstätten Nimrud und Ninive, um die großen Museen mit Bau– und Kunstwerken zu
bestücken. Vgl. Könige am Tigris, Assyrische Palastreliefs in Dresden, Ausst., Dresden 2004,
S. 33ff.
295
92
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Testament und den archäologischen Funden in Mesopotamien vor. 299 Das
Interesse an assyrischer Kunst verhalf Solomon zu einer authentischen
Wiedergabe, die sich vor allem in Physiognomie, Kleidung und Attributen des
Bildpersonals zeigt. Ein offensichtlicher Vergleich kann vor allem in der
Darstellung der Barttracht der Babylonier durchgeführt werden: Ein Reliefstück im
British
Museum
präsentiert
den
assyrischen
König
Assurnasirpal
II.
(Regierungszeit 884–859 v. Chr.) unter einem Schirm auf seinem Streitwagen (BILD
T59). Markant ist die Haar– und Barttracht des Königs und des Wagenlenkers, ein
rechteckiger, ja kantiger langer Bart, der aus kleinen Zöpfen besteht. Genau
solche Bärte zeichnen die Babylonier bei Solomon am linken Bildrand aus. Des
Weiteren findet man die typischen Sonnenschirme bei der Prozession im
Hintergrund. Die Darstellung wird archäologisiert.
Die Treue zur Natur bzw. zu einer historischen Detailgenauigkeit vereint die
Darstellung mit dem präraffaelitischen Ideal. Der englische Schriftsteller und
Kunsthistoriker John Ruskin (1819–1900) bemerkt in “Modern Painters III” von
1856: „true religious ideal” zeigt „events historically recorded, with solemn effort at
a sincere and unartificial conception.” 300 Die Zeichnung “By the Waters of
Babylon” ist im Gegensatz zu Solomons übrigen Werken unbekannt geblieben und
hat keine Wirkung hinterlassen. Nach Vollendung ist sie bald in Privatbesitz
gelangt und heute verschollen. 301
Beinahe konträr zu Solomons Ausformung des Motivs präsentiert sich die
Umsetzung des englischen Klassizisten Edward Poynter. Beide fertigten Bilder zur
Bibelgalerie der Dalziel–Brüder, jedoch nur Poynter setzte Psalm 137 im Kontext
der Dalziel’s Bible Gallery 1865 bildlich um (KATALOG 23A, BILD K61). Obgleich im
Kleinformat ausgeführt, ist die detailreiche Zeichnung Poynters von großer
Bedeutung. Neuartig an der Komposition Poynters ist, dass sie nicht die gemeine
Bevölkerung Judas in der Gefangenschaft zeigt, sondern gemäß der biblischen
Erzählung die reiche jüdische Oberschicht, verkörpert durch Frauen. Diese leben
zwar in Wohlstand, können aber im Exil dennoch nicht glücklich werden. Dass der
Künstler noch ganz Klassizist ist, verdeutlichen die maßvoll in Gewänder gehüllten
Frauen, die sich in eleganten, beinahe dekadenten Posen dem Betrachter
299
Vgl. Seymour, Gayle: The Life and Work of Simeon Solomon, Diss., Ann Arbor 1987, S. 37.
Ruskin, John: Modern Painters, hrsg. von Barry, David, New York 1987, S. 315.
301
Vgl. KATALOG 20A.
300
93
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präsentieren. Poynter, der ehemals im Kunstgewerbe tätig war, konzentriert sich
mehr auf einen Orientalismus der Details. Im Gegensatz zu Delacroix verhüllt er
die Weiblichkeit mit klassischen Gewändern und deutet eine Enthüllung in dem
Motiv der Revelatio an, das in der rechts auf der Stufe sitzenden Frau gegenwärtig
wird. Entsprechend dem Motiv der durch Gottes Hand entschleierten Synagoge 302
(BILD T60), die ihre Verblendung abwirft, um die zentrale Bedeutung Jesu in der
Heilsgeschichte anzuerkennen, so hebt die Jüdin ihren Umhang an, um das
Geschehen hinter sich sehen zu können. Womöglich hat Poynter eine solche
Darstellung gekannt und integriert. Bendemanns figürliche Konzeption ist bei dem
Engländer nicht mehr zu erkennen. Der von einem Weinstock umrankte
Weidenbaum wird von Poynter durch einen Ahorn ersetzt. Die Blattform ähnelt der
des
Weinblatts;
jedoch
ist
eine
Verwechslung
durch
Poynter
höchst
unwahrscheinlich, denn sicherlich war ihm die Symbolik des Weinstocks bekannt.
Neben dem Ahorn sind Seerosen die einzigen vegetabilen Elemente, denn
Poynter zeigt ein architektonisch befestigtes Ufer, das sich beim königlichen
Palast befindet. Das ist neu und erfreute sich bei den darauf folgenden
Umsetzungen des Motivs von englischen Künstlern enormer Beliebtheit.
Obgleich die Ecole des Beaux–Arts mit ihrem wichtigsten Wettbewerb, dem Prix
de Rome 303 , das ganze Jahrhundert hindurch ausschließlich Themen aus der
biblischen Geschichte oder der klassischen Mythologie stellte, bildete die
Orientmalerei jahrzehntelang das Rückgrat des Salons. Erst spät, im Jahre 1873,
wurde das Bildmotiv „Captivité des Juifs à Babylone“, mittlerweile als Thema
bekannt und schon in vielen Umsetzungen im Salon ausgestellt, zum Thema des
Prix de Rome de la peinture d’histoire. 304
Beispielhaft für den ausgetragenen Wettbewerb sollen die Umsetzungen des
Erst– und des Drittplatzierten, Aimé Morot (KATALOG 26 1A, BILD K64) und Jean–André
Rixens (KATALOG 26 3A, BILD K69), des Prix de Rome von 1873 stehen; das Gemälde
von Edouard Debat–Ponsan, dem Zweitplatzierten, ist verschollen (KATALOG 26 2A,
302
303
304
Wie z.B. in dem Sakramentar von Tours, 1150–1200. Vgl. dazu Judentum im Mittelalter, Ausst.,
Eisenstadt 1978, S. 109ff.
Der Prix de Rome war für Kunststudenten die begehrteste Auszeichnung und galt als
Sprungbrett zu höchsten akademischen Ehren. Daneben ermöglichte er den Gewinnern einen
vierjährigen Aufenthalt an der Französischen Akademie in der Villa Medici in Rom. Siehe hierzu
Grunchec, Phillipe: Les concours des Prix de Rome 1797–1863, Bd. 1, Paris 1986.
Guiffrey, M. Jules und Barthelemy, M. J.: Liste des Pensionnaires de l’Académie de France à
Rome, donnant des noms de tous les artistes récompensés dans les Concours du Prix de
Rome de 1663 à 1907, Paris 1908, S. 134.
94
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BILD K67). Von den übrigen Teilnehmern können nur die Pausen Aufschluss über
die Komposition geben (KATALOG 26 4A–10A, BILD K71–77). Auf Grund der oftmals sehr
rudimentären Zeichnungen kann nicht von vornherein festgelegt werden, ob es
sich bei den Ölfassungen um orientalisierte Gemälde handelt; aber auf Grund
exotischer Architekturen und Details, wie z. B. Sphingen, die in der Pause von
Théobald Chartran zu sehen sind (KATALOG 26 5A, BILD K72), ist es ziemlich
wahrscheinlich.
In der Pariser Ecole des Beaux–Arts herrschte seit ihrer Gründung 1648 die
Tradition, schmerzliche Gefühlszustände darzustellen. 305 Die Gemälde, mit denen
die jeweiligen Künstler den Prix de Rome gewonnen haben, verbildlichen
bevorzugt die anmutige Theatralisierung menschlichen Leids. 306 Die Thematik
„Captivité à Babylone“ passte also ideal in die Themenvorliebe der französischen
Malerei.
Alle
Künstler
gestalteten
unabhängig
voneinander
die
gleiche
Konfliktsituation, den Kontrast von Gefangenen und Machthabern und die damit
verbundene Artikulation von unterschiedlichsten Emotionen. Lediglich der
Spielraum, der den Machthabern eingeräumt wurde, ist verschieden. Bei der
Umsetzung von Morot mag sicherlich die Darstellung der spielenden Kinder eine
große Rolle für die Erringung des ersten Platzes gespielt haben. Sie bringen ein
anrührendes
und
auch
aufheiterndes
Moment
in
die
Dramatik
des
Bildgegenstandes. Schon Charles Moreau–Vauthier (1851–1924) weist in seiner
noch zu Lebzeiten des Künstlers entstandenen Publikation „L’oeuvre de Aimé
Morot“ von 1906 vor allem auf die Szene mit den Kindern hin:
„On est charmé à la vue des deux enfants qui jouent dans les bras
de leur mère tandis que celle–ci, renversée, se lamente sur
l’épaule du père. Il n’y a pas là seulement un accent d’ironie bien
exprimé; il y a aussi un contraste purement plastique et très
heureux, dans l’opposition de la fillette toute blonde et du gamin
très brun.“ 307
305
306
307
An der Pariser Akademie wurde die Gattung der Historienmalerei das erste Mal definiert und
sozusagen staatlich sanktioniert. In den Conférences der Académie Royale, die durch André
Félibien protokolliert wurden, stand die Historienmalerei und was ein Historienbild ausmacht im
Zentrum. Mit Raffael und Poussin wurde ein stilistischer Rahmen gesetzt, der die
kunsttheoretische und ästhetische Orientierung der Regeln bestimmen sollte. Die von Alberti
stammende Lehre von den Affekten, d.h. eine dargestellte Szene sollte in der Lage sein, beim
Betrachter eine der Handlung entsprechende Wirkung auszulösen, war in Frankreich bekannt
und wurde in die dortige Kunsttheorie integriert. Vgl. Gaehtgens, Thomas W., Fleckner, Uwe
(Hg.): Historienmalerei, Berlin 1996, S. 26ff.
Vgl. Wilson, John Montgomery: The Painting of the Passions in Theory, Practice and Criticism
in Later Eighteenth Century France, Diss., o. O. 1981, S. 14ff.; Montagu, Jennifer: The
Expressions of the Passions, The Origin and Influence of Charles le Brun’s Conférence sur
l’expression générale et particulère, New Haven, London 1994, S. 68ff.
Moreau–Vauthier 1906, S. 6.
95
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Aber nicht nur der radikale Realismus in der Darstellung der Kinder ist ein
einzigartiges Motiv, Morot ersetzt den prophetengleichen Alten durch eine junge
Familie. Der junge, beinahe unbekleidete Mann bzw. Familienvater ist in der
gleichen nachdenklichen Pose gezeigt, wie sie vorher der Prophet innehatte. Der
Gewinner des Prix de Rome verzichtet sogar auf die obligatorische Weide 308 und
wählt eine steinige, vegetationslose Umgebung. Es ist die erste Umsetzung, die
den im Psalmenvers erwähnten Baum weglässt. Der Orientalismus kommt vor
allem in der detaillierten Gestaltung kostbarer Stoffe und Materialien wie z. B. die
der Harfe zum Ausdruck. Rixens Gemälde hingegen erscheint weniger opulent
und erfinderisch. Er zeigt die bewährte Darstellung des resignierenden Greises
schräg hinter der zentralen Gruppe des Priesters und des nackten Jünglings vor
der Palastmauer, also einem befestigten Ufer, wie es durch Poynter bekannt
wurde. Zwar basieren beide Bilder auf dem seit Planet gängigen Bildtypus, doch
fügt Morot neue Motive hinzu.
308
Bei den „Weiden“ an den Strömen Babylons handelt es sich eindeutig um die Euphrat–Pappel,
die in der Flussvegetation des Euphrat vorherrscht. Weide und Euphrat–Pappel werden leicht
verwechselt, weil ein Teil des Blattwerks der Pappel dem der Weide gleicht. Zur Kontroverse
der verschiedenen Namen und deren Übersetzungen siehe Zohary, Michael: Pflanzen der
Bibel, Vollständiges Handbuch, Stuttgart 1995³, S. 130f.
96
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Die Begeisterung für den Orient in Europa wurde durch Ereignisse wie die
französische Eroberung Algeriens 1830 und den griechischen Freiheitskampf
1821–30 weiter angefacht. Reisen in den Orient, wie sie Delacroix schon 1832
unternahm, und in zunehmendem Maße auch nach Palästina, waren keine
Seltenheit mehr unter den Künstlern. Durch das Medium der Fotografie, das in der
zweiten
Hälfte
des
19.
Jahrhunderts
in
zunehmendem
Maße
als
Dokumentationsmethode sowohl für archäologische Ausgrabungen als auch für
persönliche Erinnerungen ("Souvenir") diente 309 , kamen vor allem bei den
Engländern archäologische Details zu der Darstellung orientalischer Motive
hinzu. 310 Der holländische, aber in England tätige Maler Lawrence Alma–Tadema
fügte Elemente antikisch–römischer Architektur und Kunst in die Malerei ein.
Besondere Detailtreue, in der das Studium am Objekt offensichtlich ist, zeichnen
seine Gemälde aus. 311
Seit der Herausgabe der Bibelgalerie der Dalziel–Brüder 1881 orientierten sich
englische Maler an der Umsetzung des Bildmotivs durch Edward Poynter; seine
Bilderfindung des als Treppe architektonisch befestigten Ufers im nahen
Bildausschnitt wurde sogar maßgebend. Thomas Bowman Garvie verwendete sie
in seinem 1887 geschaffenen Gemälde „By the Waters of Babylon“ (KATALOG 30A,
BILD K81). Möglicherweise kannte Garvie die Darstellung von Aimé Morot, denn
auch der Engländer verzichtete auf den Weidenbaum und fügte ein bislang nur
sehr selten verwendetes Motiv hinzu: die Darstellung des Königs mit Gefolge. Die
erste Gegenüberstellung von König und Gefangenen findet man bei Blake, ähnlich
intensiv in der Polarisierung von Unterdrückten und Unterdrückern zeigt es sich im
Gemälde von Girodon de Pralong (KATALOG 22A, BILD K60). Auf beiden Bildern stehen
bzw. sitzen sich die Gruppen parallel zum Bildgrund gegenüber. Garvie hingegen
versetzt den König und seinen Hofstaat in den Hintergrund und entschärft somit
den Zwei–Gruppen–Antagonismus. Mit dieser Darstellung des Königs im
Hintergrund nimmt Garvie der Polarisierung zwischen herrischen Unterdrückern
309
310
311
Siehe dazu Haworth–Booth, Mark (Hg.): The Golden Age of British Photography 1839–1900,
Ausst., Millerton, New York, London 1984, S. 82ff.; Khemir, Mounira: L’Orientalisme, l’orient des
photographes au XIXe siècle, Ausst., Paris 1994, Einleitung.
Die englischen Maler waren im Unterschied zu den französischen Orientmalern, bei denen das
fantastische Element stark ausgeprägt war, an einer realitätsgetreuen Schilderung der
Schauplätze interessiert. Vgl. hierzu Leitzke 2001, S. 30.
Alma–Tadema stützte seine Bilder auf gut recherchierte, archäologische Themen und brachte
eine umfangreiche Sammlung von Fotografien antiker Kunst und Architektur zusammen. Siehe
hierzu Prettejohn, Elizabeth: Antiquity fragmented and reconstructed, Alma–Tadema’s
Compositions, in: Becker, Edwin, Morris, Edward, Prettejohn, Elizabeth und Treuherz, Julian
(Hg.): Sir Lawrence Alma–Tadema, Ausst., New York 1996, S. 33–42.
97
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und würdevollen Unterdrückten die Schärfe und schafft ein historisch–
orientalisiertes Ambiente.
Garvie integriert im Gegensatz zu Alma–Tadema archäologische Details aus
der babylonisch–assyrischen Welt: An der Mauer links sieht man die detailgetreue
Kopie eines assyrischen Palastreliefs aus Nimrud. Es zeigt einen geflügelten
Genius mit Vogelkopf und Menschenkörper. Der vogelköpfige Schutzgott
befruchtet mit dem Zapfen in der rechten Hand die palmettenartige Blüte des
Lebensbaumes, während er in der linken Hand ein Kultgefäß in Form eines
Bronzeeimers hält. Im Original weist das Relief eine Inschrift des babylonischen
Königs Assurnasirpal II. (884–860 v. Chr.) auf (BILD T61). 312 Ein weiteres Relief
befindet sich an der Mauer neben der Treppe. Hierbei könnte es sich – obgleich
nicht genau zu erkennen – um eine Relieffolge mit einem Zug von Tributbringern
handeln, das sich am Eingang des Thronsaales im Palast von Nimrud befand (BILD
T62).
Die
Darstellung
der
Bildbühne
insgesamt
geht
zurück
auf
eine
romantisierende Rekonstruktionszeichnung (BILD T63), die der Architekt und
Schriftsteller James Fergusson (1808–1886) 1851 in London gefertigt hat und
1853 im zweiten Band von Layards „Monuments of Niniveh“ veröffentlicht
wurde. 313 Darauf sieht man rechts eine zum Wasser führende Treppe, flankiert
von steinernen Löwen auf Podesten, die der auf Garvies Gemälde gleicht.
Durch solche archäologisch genauen Details ausgestaltet, hat das Gemälde
das Flair einer Expeditionsberichterstattung, was bei der Umsetzung des
Deutsch–Engländers Herbert Schmalz noch offensichtlicher wird. Er gestaltet „The
Daughters of Judah in Babylon” von 1892 (KATALOG 32B, BILD K84) sowohl
archäologisch als auch farblich opulenter. 314 Schmalz, der aus demselben
Landstrich, Northumberland, wie Garvie kam, kannte vermutlich dessen
Komposition. Beide strukturieren den Bildaufbau ähnlich: Der König mit Hofstaat
erhöht auf einem Treppenabsatz im Hintergrund stehend, während trauernde
Juden, hauptsächlich Frauen, im Vordergrund direkt am Wasser lagern. Im
Gegensatz zu Garvie reiste Schmalz 1890 nach Griechenland, Jerusalem, Syrien
und in den Libanon, wo er u. a. in Baalbek die Gelegenheit hatte, Tempelruinen
312
Vgl. Könige am Tigris 2004, S. 60ff.
Vgl. ebd., S. 38. James Fergusson, der auch der Erbauer des Ninivehofs im Londoner
Kristallpalast war, veröffentlichte 1851 die Schrift „The Palaces of Niniveh and Persepolis
restored“.
314
Zur Farbgestaltung vgl. BILD K83.
313
98
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AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
mit den libanesischen Bergen im Hintergrund zu malen 315 , um Material für
biblische Szenen zu sammeln. Seine persönlichen Eindrücke der Reise hielt er in
einem tagebuchartigen Bericht fest, der in „The Art Journal“ 1893 veröffentlicht
wurde. An der Klagemauer, wo der Künstler viele Abende verbrachte, beobachtete
er folgende Szene, die sich auf dem Gemälde wiederfindet.
„You see a group of women sitting on the ground in a circle, and
one reads from the Lamentations, the Book of Esther, or the
Psalms; then they swing themselves slowly to an fro, and moan
with tears running down their cheeks. But they do not alone come
here to mourn over the glories of their temple which is destroyed,
and their greatness which is departed, because of their priests
who have gone astray, and their kings who have condemned God
– but also to seek comfort for present and personal afflictions.” 316
Figuren und Ambiente wirken authentisch. So erinnern u. a. die Kopfbedeckungen
und die Barttracht des Königs und des Hohepriesters an das Relief mit der
Darstellung des babylonischen Königs auf dem Streitwagen (BILD T59); der Künstler
ließ es sich auch nicht nehmen, die heidnische Welt mit ihren prunkvollen
Architekturen zu integrieren. Den typischen pyramidenförmigen Stufentempel
Mesopotamiens, den Zikkurat, der im Alten Testament als Turm von Babel
Erwähnung gefunden hat, präsentiert Schmalz im Hintergrund. Rechts könnte der
Tempel der Ischtar, Göttin der Liebe und des Krieges, gezeigt sein. Sowohl die
Löwen, die sich zu dem zinnenbekrönten Geländer vor dem Eingang des
Bauwerks erheben, als auch die Skulpturen der Schlangen auf den Postamenten
sind attributive Tiere der großen Göttin. 317
Während Garvie die weiblichen Figuren im Aussehen variiert, also auch eine
Frau mit blonden Haaren zeigt, bildet Schmalz fast stereotyp anmutende Frauen
mit dunklen, lockigen Haaren ab. Der Mann, der bei Garvie noch zentral platziert
ist, rückt bei Schmalz in der Rolle eines von der Mutter umarmten Sohnes in den
Mittelgrund. In der überarbeiteten Fassung von 1918 verzichtet er sogar auf ihn.
(KATALOG 32A, BILD K83). Es hat fast den Anschein, als hätte er die Jüdinnen jünger
und hübscher gestaltet, ja beinahe stilisiert. Die stilisierte Darstellung der Figuren,
315
Vgl. Blakemore 1911, S. 77f.
Schmalz, Herbert: A Painter’s Pilgrimage, in: The Art Journal, London 1893, S. 99.
317
Dies zeigt sich vor allem auf dem Ischtartor, das sich im Berliner Pergamonmuseum befindet.
Es war zur Zeit Nebukadnezars II. eines der Stadttore von Babylon.
316
99
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AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
vor allem des weiblichen Bildpersonals, ist keine Bilderfindung des Deutsch–
Engländers 318 , in der Orientalisierung des Bildmotivs aber einzigartig.
Die Bilddokumentation aus dem Orient gipfelt in der Gouache von James Tissot
(KATALOG 34A, BILD K94) von 1896/97. Er reichert seine Umsetzung des Motivs nicht
etwa mit archäologischen Details an, sondern hält eine zeitgenössische Studie
des orientalischen Lebens fest. Was bei Delacroix mit der Wiedergabe der
realistischen Farbatmosphäre beginnt, führt Tissot mit dem Bildpersonal und dem
Bildort zum Höhepunkt. Den erotischen Aspekt, der Delacroix’ Ausführung
entscheidend prägt, lässt Tissot jedoch weg. Es handelt sich vielmehr um ein
Porträt des Orients mit topographisch authentischen Angaben und der Darstellung
zeitgenössischer Lebensweise der Menschen in Palästina. Für Mitteleuropäer ist
auch heute noch ein Stadtbild typisch orientalisch, in dem meist nur Männer
scheinbar ziellos umherschlendern, in Gruppen zusammenstehen und sich
unterhalten oder in Straßencafés sitzen und die Passanten beobachten. „Tissot’s
Bible is much more than an illustrated (…) Testament; it is a kind of catholic
Baedecker“. 319
Obgleich es sich bei der Gouache um eine Illustration zum Alten Testament
handelt, bleibt der biblische Kontext beinahe verborgen; einzig das harfenähnliche
Instrument in der Weide vorne links verhindert es, die Darstellung als „entbiblisiert“
zu bezeichnen.
318
319
Siehe zu Evelyn de Morgan S. 104f. in dieser Untersuchung.
Wood, Christopher: Tissot. The Life and Work of Jacques Joseph Tissot 1836–1902. London
1986, S. 147.
100
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AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
Emotionalisierung des Weiblichen
Die bisherigen Ausformungen des Motivs haben gezeigt, dass Orientalismus und
Erotisierung parallel einhergehen, dass sogar erst die Orientalisierung des Motivs
den Impuls gibt, die Sinnlichkeit des weiblichen Körpers zu betonen und die Erotik
in gesellschaftlich erlaubtem Rahmen zu genießen. 320 Wird hingegen die
Weiblichkeit zum Ausdrucksträger, kann auf die Orientalisierung verzichtet
werden; die Erotisierung bleibt jedoch bestehen.
Das großformatige Gemälde „Les Femmes de Jérusalem captives à Babylone“
(KATALOG 21A, BILD K45) von Charles Landelle zeigt zum 1861 ersten Mal in der
Geschichte des Bildmotivs ausschließlich Frauen im Großformat. Zur Erinnerung:
John Martin hat schon in den 1830er Jahren das Motiv nur mit Frauen dargestellt.
Im Gegensatz zu Landelles Ausführung war die Bibelillustration von Martin
kleinformatig und die Figuren der monumentalen Landschaft untergeordnet, also
im Weitwinkel gesehen. Landelle befreit Davids trauernde Frauen nun gänzlich
aus dem Dualismus der Geschlechter. Dennoch orientiert er sich an David und
stellt
emotionale
Gegensatzpaare
dar.
Landelle
polarisiert
die
Frauen
untereinander. Im figuralen Zickzack links beginnend führt er entgegengesetzte
Gemütsbewegungen vor: Verzweiflung der Halb–Liegenden und Lethargie der
Alten, heroische Gefasstheit der im Mittelpunkt Stehenden und ängstliches
Anklammern des Mädchens, Resignation der Sitzenden und entschlossenes
Handeln der Frau, die ihre Lyra aufhängt.
Als Schüler des Paul Delaroche an der Ecole des Beaux–Arts in Paris war
Charles Landelle die Psychologisierung des Bildgegenstandes vertraut. Hatte
Delaroche mit seinen Gemälden doch zeitgleich mit der Düsseldorfer Malerschule
angefangen, die Vorstellungskraft des Betrachters zu fordern, um die Geschichte
zu vervollständigen. Landelle führt die „unsichtbare Malerei“ jedoch verhaltener
weiter. Das Gemälde ist immer noch eine Variation der Bilderfindung
Bendemanns, denn Landelle zeigt wenige Figuren monumental fokussiert. Die
figurale Komposition entspricht einer Pyramide. Die auffälligste Parallele ist das
sich auf die Alte stützende, halb am Boden liegende Mädchen. Es ist das von
320
Vgl. LDK 1993, Bd. 5, Art. zu „Orientalismus“.
101
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AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
Bendemann, nur von einem anderen Blickwinkel aus gesehen. Wie schon Cazes
kehrt Landelle die eigenwillige Farbkombination von lila–gelb um, doch gestaltet er
die Figur des Mädchens durch ihren geschwungenen Rücken, ihre gewölbte
Hüfte, Nacken und Halspartie und die Brust weitaus sinnlicher.
Den erotischen Ansatz übernahm Landelle sicherlich von Ary Scheffers
Gemälde „Die Frauen von Souli“ 321 (BILD T64) von 1827: eine von mehreren
Kompositionen
zu
den
griechischen
Freiheitskämpfen. 322
Von
Scheffers
bekanntestem Bild „Der Hl. Augustinus und seine Mutter, die Hl. Monika“ 323 (BILD
T65)
von 1846, das in mehreren Versionen existiert, übernahm er den
cäciliengleichen Blick. Das Vorbild zu dem Motiv des eindringlich zum Himmel
gewandten Blicks, wie ihn die rotgewandete Frau und die am rechten Bildrand
kniende Figur innehaben, ist die Darstellung der Heiligen Cäcilie im gleichnamigen
Gemälde von Raffael (1483–1520) 324 (BILD T66). Im Stil der Sacra Conversazione
steht die heilige Cäcilie umgeben von Heiligen im Zentrum des hochformatigen
Gemäldes. Sie blickt zum Himmel, wo ein Engelschor in einer Wolkenöffnung
erscheint. Bei Landelle wandelt sich der Blick: Er ist nicht mehr verzückt, sondern
wird flehentlich und hat im Gegensatz zu Raffaels Cäcilie kein für den Betrachter
sichtbares Ziel. 325
Einen Anklang an Michelangelo findet man dagegen in der alten Jüdin links im
Bild; sie erinnert in Haltung und Kleidung an die delphische Sibylle an der
Sixtinischen Decke (BILD T67). Die am Boden sitzende Frau mit Harfe ähnelt in ihrer
blauen Gewandung und dem weißem Kopftuch der madonnengleichen Figur bei
Bendemann. Doch im Unterschied zu dem Düsseldorfer und in Analogie zu
Führich hat Landelles Umsetzung eine Reflexionsfigur, die mit dem Betrachter im
Blickkontakt steht: das Mädchen. In ihr wird die Stimmung subsumiert und
321
Öl auf Leinwand, 261,5 x 359,5 cm, Paris, Louvre.
Das Bild bezog sich auf das heroische Opfer der griechischen Frauen von Souli, die von einer
Felsenklippe in den Tod sprangen, um sich nicht den Türken ergeben zu müssen. Scheffers
Umsetzung wurde zur Zielscheibe konservativer Angriffe, die sich u. a. gegen das als
unschicklich erachtete sinnliche Äußere der Heldinnen wandte. Vgl. Athanassoglou–Kallmyer,
Nina: Delacroix zwischen „Griechenland“ und „Die Freiheit“, Anmerkungen zur politischen
Allegorie im Frankreich der Restaurationszeit, in: Germer, Stefan, Zimmermann, Michael F.
(Hg.): Bilder der Macht – Macht der Bilder, Zeitgeschichte in den Darstellungen des 19.
Jahrhunderts, München, Berlin 1997, S. 262.
323
Öl auf Leinwand, 147 x 114 cm, Paris, Musée du Louvre. Vgl. Dazu Ewals, Leo: Ary Scheffer
1795-1858, Gevierd Romanticus, Ausst., Dordrecht 1995, S. 257ff., Kat. 64.
324
Öl auf Holz, 238 x 150 cm, Bologna, Pinakothek. 1514 schuf der Renaissancekünstler das Bild
für die Kirche San Giovanni in Monte in Bologna.
325
Landelle malte 1848 selbst ein Bild der „Heiligen Cäcilie“, das sich in Paris in Notre–Dame–
des–Champs befindet.
322
102
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AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
verdichtet und direkt auf den Betrachter übertragen. Ob der Weidenkranz auf
ihrem Kopf eine Anspielung auf die Dornenkrone Christi ist, sei dahingestellt.
Die zweite, kleinere Fassung von Landelles „Les Femmes de Jérusalem
captives à Babylone“ (KATALOG 21N, BILD K58) erscheint durch den halbrunden
Bildabschluss sakraler. In dieser Rahmenform scheint die Erotik der Figuren
zurückgenommen. Schon allein die bedeckte Schulter der mittig stehenden Frau
entkräftet eine Emotionalisierung fleischlicher Natur und führt zu einer Rücknahme
des Sinnlichen.
Wie bei Bendemann, der in Deutschland allerdings ungleich früher den Erfolg
seiner „Trauernden Juden“ feiern durfte, war auch die Komposition von Landelle
ein großer Erfolg. Ähnlich viele Einzelstudien schlüsseln die Genese des Werks
auf (KATALOG 21B–M, BILD K46–57). Im Gegensatz zu Bendemann, dessen
Komposition viele Nachahmer gefunden hatte, führte Landelles Umsetzung zu
einer Weiterentwicklung des Bildmotivs in Bezug auf die Bedeutung der
Weiblichkeit als Ausdrucksträger.
Die Wertigkeit von Bendemanns Bilderfindung wird wiederum sehr deutlich in der
Umsetzung des Motivs bei Anselm Feuerbach (KATALOG 24A, BILD K62), der das
Thema 1869 aufgreift. Die Darstellung der in Babylon gefangenen Juden rezipiert
deutlich Bendemanns Gemälde und zeigt gleichzeitig den Einfluss französischer
Kunst. Während Landelle auf eine prophetengleiche Mittelfigur verzichtete und
Frauenpaare schuf, ersetzte Feuerbach den alten Mann von Bendemanns
Komposition durch eine nachdenkliche Frau, die im Zentrum der Gruppe thront.
Dies ist neu. Das Motiv des auf die Knie des Propheten bzw. hier der heroischen
Frau hingelagerten Mädchens hat Feuerbach, wie schon einige Künstler vor ihm,
von Bendemann übernommen. In der Figur der erhaben, ja königlich dargestellten
Frau wird auch Lessings „Trauerndes Königspaar“ (BILD T33) gegenwärtig, denn
Gesicht und Kopfhaltung erinnern an die um ihre Tochter trauernde Königin.
Feuerbachs zentrale Frauengestalt ist maßvoll gekleidet, während die übrigen
weiblichen Figuren in durchscheinenden Gewändern ihren Körper präsentieren.
Der Künstler betont den erotischen Aspekt. Als Vorbild ist deshalb unbedingt
Delacroix’ Pendentif im Palais Bourbon zu nennen.
Nicht nur die Frau anstelle des Alten ist ein neues von Feuerbach ersonnenes
Motiv, sondern auch die Kombination der Komposition Bendemanns mit einer
103
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AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
neuen Farbwertigkeit, weswegen auch hier Delacroix’ Umsetzung von Bedeutung
ist. Die koloristische Technik der Pariser und Antwerpener Akademien, die sich
Feuerbach jeweils vor Ort zu Eigen machen konnte, baut die Komposition aus der
Farbe heraus auf.
Ähnlich wie bei Feuerbach verhält es sich auch bei der dritten Umsetzung des
Motivs von Joseph von Führich. Etwa 50 Jahre nach seiner zweiten Fassung, wohl
1871/72 greift der Maler die Thematik im Kontext einer Bibelillustrierung ein letztes
Mal auf (KATALOG 25A, BILD K63). Der Topos des babylonischen Exils wird um des
Textspiegels willen in Profilansicht gezeigt. Wie bei Feuerbach der alte Prophet
durch eine sinnierende Frau ersetzt wird, so rückt auch bei Führich die Frau in
Frontalansicht ins Zentrum, während die drei Männer im Profil an den Rand
gedrängt sind. Diesmal ist die Weiblichkeit durch das Muttersein noch weitaus
intensiver gestaltet, hingegen die Erotik komplett zurückgenommen. Führich weist
der Frau weiterhin die Rolle der Trauernden zu, während die Männer sukzessive
in ihrer pyramidalen Anordnung ein Hoffnungsmotiv aufbauen.
Die Malerin Evelyn de Morgan aus der zweiten Generation der Präraffaeliten
vervielfacht, typisiert und erotisiert die Frauendarstellungen friesartig in ihrem
1882/83 gemalten Bild „By the Waters of Babylon“ (KATALOG 27A, BILD K78). Anders
als bei Solomon kam es Morgan nicht auf eine authentische Wiedergabe von
Figuren und ihrer Umgebung an, sondern auf eine dekorative Symmetrie, in der
die Figuren verschiedene Körperhaltungen mit Kleidern unterschiedlicher Farbe
einnehmen. Trotz des langgestreckten Formats, das eine friesartige Wirkung
erzielen soll, ist das Bild in sich abgeschlossen.
Als unmittelbares Vorbild dürfte das 1879/80 entstandene Gemälde „Die
Wasser des Lethe“
326
(BILD T68) ihres Onkels John Roddam Spencer–Stanhope
(1829–1908) gedient haben. Übernommen hat sie das langgestreckte Querformat,
in dem es keinen Mittelgrund, sondern nur Vorder– und Hintergrund gibt, und die
Vielzahl der trauernden Figuren. Vor den Inseln der Seligen liegen die Wasser des
Lethe, in der griechischen Mythologie eine Quelle in der Unterwelt, woraus die
Seelen der Verstorbenen das Wasser des Vergessens trinken. Ein Zug der
Verstorbenen bewegt sich auf den Strom zu, um ihm am anderen Ufer verjüngt
326
Tempera auf Leinwand, 147,5 x 282,4 cm, Manchester, Manchester City Art Galleries.
104
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
und unbeschwert zu entsteigen. Stanhope vermischt klassizistische und christliche
Bildauffassungen
zu
einer
psychedelischen
Vision
eines
paradiesischen
Zustands. 327
Die Thematik der physischen und psychischen Gefangenschaft, die sich wie ein
roter Faden durch Morgans Oeuvre zieht, findet ihren ersten Ausdruck in der
Umsetzung des Bildmotivs der „Trauernden Juden“. 328 Ihre nachfolgenden
Gemälde beziehen sich immer direkter auf den Zustand der Gefangenschaft: so in
„Hope in a Prison of Despair“ (1887), „The Captives“ (undatiert), und „The Gilded
Cage“ (1919), die Themen aus der griechischen Mythologie zeigen.
Auch Kate Gardiner Hastings stellte im selben Jahr, 1883, ein Gemälde mit der
gleichen Thematik aus (KATALOG 28A, BILD K79). Im Gegensatz zu ihrer Malerkollegin
Morgan schuf Hastings eine überschaubare und symmetrisch ausgewogene
Komposition mit nur wenigen Figuren, ausschließlich Frauen. Die vegetabilen
Elemente sind stilisiert und an den Rand gedrängt, um das figürliche Gefüge zu
rahmen. Handlungsmotive wie z. B. Trauer werden in den Hintergrund gerückt,
werden also zur Nebensache, um der statuarischen Ruhe im Vordergrund Raum
zu geben. Analog zu Morgan verzichtet Hastings auf einen Mittelgrund.
Stattdessen hinterfängt eine parallel zum Bildrand verlaufende Mauer die Bühne
im Vordergrund.
Mit der Artikulation des Bildmotivs von Pierre Lagarde im Jahre 1885 kommen die
wesentlichen Neuerungen der vorangegangenen Gemälde in einem Bild
zusammen. Das Gemälde „Super Flumina Babylonis“ (KATALOG 29A, BILD K 80) ist als
nächtliche Szene präsentiert. Dies ist an sich keine Neuheit, haben doch schon
Richard–Cavaro 1848 329 und John Martin 1835 Nachtdarstellungen gewählt.
Als Schüler des Landschaftsmalers Charles Busson (1822–1908) reduzierte
Lagarde im Unterschied zu Landelle die Monumentalität der Figuren und weist
dem landschaftlichen Ambiente eine größere Rolle zu. Auf der Bildbühne setzt
Lagarde das Hauptaugenmerk auf die bis zur Taille entblößte Frau mit Kind, die
eine Harfe in die Äste einer Weide hängt. Nicht die Trauer, sondern das
327
Vgl. Metken, Günther (Hg.): Präraffaeliten, Ausst., Baden–Baden 1973–74, S. 287, Nr. 183.
Vgl. Smith, Elisa Lawton: Evelyn Pickering de Morgan and the Allegorical Body, London 2002,
S.79.
329
Siehe S. 107f. in dieser Untersuchung.
328
105
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AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
Aufhängen der Harfe ist zum ersten Mal das Hauptmotiv in einem Gemälde zum
Thema „Die trauernden Juden im Exil“.
Die richtungsweisende Neuerung jedoch ist die Separation einer einzelnen Frau
mit Kind von der Gruppe und ihre Positionierung in die Mittelachse der
Komposition, während die übrigen jüdischen Gefangenen rechts und links an den
Rand gerückt sind, und die offensichtliche Sinnlichkeit, die nur die Hauptperson
zur Schau stellt. Die studierte Figur des rechts in der Bildecke kauernden Alten
war schon bei Debat–Ponsan (BILD K67) zu sehen. Die Weiblichkeit ist also nicht
allein durch die Erotisierung der weiblichen Figur inszeniert, sondern wird durch
die
Mutterschaft
intensiviert.
Die
madonnenhafte
Mutter–Kind–Gruppe
Bendemanns, die bei Führichs Psalmillustration schon ins Zentrum gerückt ist,
wird aus der christlichen Interpretation gelöst und profan verweiblicht.
Drei Jahre später, 1888, noch bevor Lagardes Gemälde durch die Weltausstellung
1889 an Popularität gewann, vollzog der Engländer Arthur Hacker einen letzten
entscheidenden Schritt (KATALOG 31A, BILD K82): Er reduzierte die Staffagefiguren; die
wenigen, die übrigblieben, verband er mit der Landschaft; er entmaterialisierte sie
gleichsam und konzentrierte sich in seinem hochformatigen Gemälde auf die
sitzende, in ein dunkles durchscheinendes Gewand gehüllte, geheimnisvolle
Frauenfigur. Obwohl ein Kind zu ihren Füßen schläft, wird keine Mütterlichkeit
impliziert, denn der laszive Blick der Frau, der den Betrachter ins Bild zieht, wirkt
erotisierend, die Frau selbst feenhaft.
Besonders auffallend ist die Vorbildhaftigkeit von Poynters Ausformung des
Motivs in der Dalziel–Bibelgalerie. Hacker übernimmt das architektonisch
befestigte Ufer und verzichtet wie Garvie und Schmalz, deren Kompositionen etwa
zur selben Zeit entstanden, auf den Baum. Offensichtlich haben ihn auch die
schönen, aber in weite Gewänder gehüllten Frauen in Poynters Holzstich zur
Nachahmung bewegt.
Wie Morgan malte Hacker meist dasselbe Modell und passte es dem jeweiligen
Bildthema an, so bei „The Syrinx“ 330 (BILD T69) von 1892, einem Motiv aus der
griechischen Mythologie, und bei „The Annunciation“ 331 (BILD T70) aus demselben
Jahr.
330
Öl auf Leinwand, 193,4 x 61,4 cm, Manchester, Manchester City Art Galleries. Hier ist auch das
schwarze, durchscheinende Tuch wieder im Bild; nur verdeckt es hier nichts.
331
Öl auf Leinwand, 231 x 125,7 cm, London, Tate Gallery.
106
ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS
AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
Abweichende Umsetzungen
In keine der beiden Hauptströmungen, Orientalisierung und Emotionalisierung des
Weiblichen, lassen sich die folgenden einzigartigen Artikulationen des Bildthemas
einordnen.
1849 stellte Richard–Cavaro im Salon das Gemälde „Les Exilés“ (KATALOG 15A, BILD
K37) aus. Wie der Titel des Gemäldes schon ahnen lässt, fußt Cavaros
Komposition nicht direkt auf Psalm 137, sondern hat eine Paraphrase von Psalm
137 des französischen Dichters Charles–Louis de Malfilâtre (1733–1767) aus der
Mitte des 18. Jahrhunderts als literarische Quelle. Die Darstellung bezieht sich
nicht direkt auf die biblische Geschichte der babylonischen Gefangenschaft: Es
scheint vielmehr eine allegorische Darstellung für politisches Exil im Allgemeinen
zu sein. Richard–Cavaro setzt Trauernde in antikischer Gewandung nicht an die
Ufer der Flüsse Babylons, sondern auf eine vegetationslose Klippe am Meer. Auf
die Darstellung des Exilorts Babylon verzichtet Cavaro.
Das Gemälde, ein Auftragswerk des Innenministeriums, könnte als nicht–
instrumentalisierte
Propaganda
für
Frankreichs
zweite
Republik
gesehen
werden 332 , in der Louis Napoleon, der Neffe Napoleons I., mit einem konservativ–
populistischen Programm Präsident wurde. 333 Der „neue“ Staat suchte deshalb
nach einem repräsentativen Bild und schrieb einen Wettbewerb für die Figur der
Republik aus. 334 Das Gemälde „La République“ 335 (BILD T71) von Sébastien–
Melchior Cornu (1804–1870) gehört zu den 20 finalen Werken von etwa 450
Bildern, die 1848 konkurrierten. Die lorbeerbekränzte Personifikation der Republik
steht kontrapostisch mit hocherhobenem rechtem Arm auf einem steinernen Thron
mit Löwenköpfen. Hinter ihrem Kopf erstrahlt gloriengleich die Sonne, während der
Rest in einem schemenhaften Dunkel verschwindet.
332
Am 18. und 19. September 1999 wurde das Gemälde im Rahmen der „Journées du Patrimoine“
zum Thema „Patrimoine et citoyenneté“ besprochen.
333
1852 erhob sich der Präsident als Napoleon III. zum französischen Kaiser und begründete
damit das zweite Kaiserreich.
334
Vgl. dazu Chaudonneret, Marie–Claude: La figure de la République, Le concours de 1848, Paris
1987.
335
Öl auf Leinwand, 72,8 x 59,3 cm, Besançon, Musée des Beaux–Arts.
107
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AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
Richard–Cavaro, der nicht am Wettbewerb teilgenommen hat, verpackt den
Patriotismus in eine Historie und läßt die Personifikation der zweiten Republik in
der Figur des in die Ferne weisenden Propheten anklingen. Cavaro abstrahiert
Psalm 137 und behandelt ihn religionsneutral; dabei gewinnt die Darstellung eine
universelle und in diesem Fall eine politisch deutbare Dimension.
Der
Künstler
hat
verschiedene
Motive
aus
davidischen
Gemälden
übernommen; so findet die blonde Frau im Arm des in die Ferne weisenden
Propheten ihren Vorgänger im Brutusbild (BILD T24). Der blinde Belisarius des
gleichnamigen Gemäldes spiegelt sich in dem Alten mit den beiden Kindern wider.
Richard–Cavaro hierarchisiert wie David: Die Trauer ist weitgehend den Frauen
überlassen, während die beiden Propheten die psychischen als physischen
Stützen der Juden in der Gefangenschaft sind. Sie geometrisieren mit ihrer
säulenartigen
Erscheinung,
ihrem
festen
und
standhaften
Auftreten
die
Komposition. Doch löst Cavaro wie Bossi, dessen Werk er allerdings nicht kannte,
das strenge Gegenüber auf und rundet die Komposition. Richard–Cavaro
verschärft den Kontrast zwischen den Geschlechtern, den David begonnen hat: Er
schafft Paare, in denen sich der Geschlechterantagonismus noch offensichtlicher
manifestiert. Die Frauen werden in sich zusammengesunken, hoffnungslos und
erotisiert neben starken, Hoffnung spendenden Männern dargestellt.
Keine christliche Interpretation, wie sie die Zeichnung von Adam Eberle von 1832
zeigt, sondern die Integration des alttestamentarischen Bildmotivs in eine
christliche Thematik gestalteten die Spanier Isidoro Lozano und Germán
Hernandez 1855/56 an der Decke des roten Salons im Palazzo Santa Maria di
Monserrato in Rom, dem heutigen Centro spagnolo di studi ecclesiastici. Sie
verwenden das Motiv der „trauernden Juden“ bei der Darstellung des „geistlichen
Werks der Barmherzigkeit“ für die „Trösterin der Trauernden“ (KATALOG 18A, BILD
K42).
Die „geistlichen Werke der Barmherzigkeit“ sind in der katholischen Tradition
seit dem Mittelalter den „leiblichen“ gegenübergestellt worden, während sie in der
protestantischen Tradition keine Rolle spielen. 336 Wenn sie auch nicht auf
bestimmten Bibelquellen beruhen, haben die Künstler die Werke biblischen
336
Vgl. Büttner 1980, Bd. 2, S. 428.
108
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AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
Szenen zugeordnet 337 und diese mit den sieben Tugenden verknüpft. Psalm 137
mit
dem
geistlichen
Werk
der
Barmherzigkeit
„Trauernde
Trösten“
in
Zusammenhang zu bringen, ist nicht abwegig: auf den barmherzigen, die Sünden
des Volkes Israel vergebenden Gott wird in der babylonischen Gefangenschaft
hingewiesen (Kgl 3, 23.).
Das Lünettengemälde offenbart eine figurenkompositorische Abhängigkeit von
dem Werk Bendemanns – der zentral zwischen zwei Frauen und einem Kind
sitzende, rotgekleidete Mann und der Ausblick auf Babylon mit der weiten
Entfernung zum Fluss –, jedoch fehlt ein wichtiges Element, das das Bildmotiv in
den
Hauptströmungen
des
Orientalisierung
und
der
Weiblichkeit
als
Ausdrucksträger immer aufweist: die Harfe. Zudem verzichten die Spanier auf die
Weide, die bei den meisten Werken ein bildimmanentes Attribut ist. Stattdessen
konzentrieren sie sich auf eine Komposition, in der die Figuren zwar frontal zum
Betrachter, aber erhöht platziert sind, so dass der panoramaartige, freilich vom
rundbogigen Bildabschluss beschnittene Ausblick auf die im Flusstal gelegene
Stadt und die dahinter liegenden Berge beinahe mehr Raum einnehmen als die
Gruppe der Juden. Unterstützt wird der Blick in die Ferne durch die Geste der
jesusgleichen Figur in Dreiviertelrückansicht, die mit der Hand in die Heimat weist,
um den Verschleppten Hoffnung zu machen.
Die „geistlichen Werke der Barmherzigkeit“ im 19. Jahrhundert bildhaft zu
manifestieren, war keine Neuheit. Peter Cornelius hatte schon 1841 dasselbe
Thema an der Nordwand des Campo Santo, der Ruhestätte der königlichen
Familie in Berlin, geplant. Die Kartons in Berlin zeugen von dem gescheiterten
Projekt. 338 Cornelius bleibt in seinen Darstellungen allgemein (BILD T72), d.h. er
337
Die 1. Lünette, „Den Unwissenden belehren“, zeigt Jesus auf dem Laubhüttenfest. Ein Vers aus
Joh 7,16 „Meine Lehre ist nicht mein, sondern des, der mich gesandt hat.“ verdeutlicht die
Darstellung. In der 2. Lünette, „Den Zweifelnden raten“, ist Jesus und der reiche Jüngling
darstellt. Aus Mt 19,17: „Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote.“ Die 3.
Lünette zeigt Johannes vor Herodes und veranschaulicht das geistliche Werk „Den Sünder
zurechtweisen“ aus Mk 6,18: „Es ist nicht recht, daß du deines Bruders Frau hast.“ Lünette vier,
„Dem Beleidiger verzeihen“, zeigt die Szene David und Schimi aus 2 Sam 16, 11. „Laßt ihn
ruhig fluchen, denn der Herr hat’s ihm geboten“. Lünette V zeigt Psalm 137. Die Darstellung der
6. Lünette, „Die Lästigen und die Schwierigen ertragen“, ist aus Hiob 42,6 entnommen: „Darum
spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche“. Lünette VII schließlich, „Für alle
beten“, zeigt eine Messe.
338
Friedrich Wilhelm IV. von Preußen berief Cornelius 1841 nach Berlin mit dem Auftrag, den
Campo Santo mit Malereien zu schmücken. Das Projekt wurde später infolge der Revolution
von 1848 und der Krankheit des Königs aufgegeben. Die Kartons mit den Entwürfen befinden
sich in Berlin, SMPK. KStkab. Vgl. Büttner 1980, Bd. 2, S. 301ff.
109
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AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
bezieht sich auf keine bestimmten Bibelstellen, wird jedoch der Todesthematik des
Campo Santo gerecht.
Das Neu– und Einzigartige in der Darstellung der Spanier ist die Symbiose
einer mittelalterlichen Thematik mit dem Bildmotiv der „trauernden Juden“, was
das Werk zu einer beispiellosen Umsetzung des Historismus macht.
Völlig entgegengesetzt zu dem Werk der Spanier Lozano und Hernandez
verbildlicht der jüdische Maler Lesser Ury 1896 sein großformatiges Gemälde
„Jerusalem“ (KATALOG 33A, BILD K85). Bei seiner Vorliebe für die flüchtigen Eindrücke
der Großstadt, die er in impressionistischer Manier malte, ist „Jerusalem“ Urys
erstes Monumentalwerk zu einem biblischen Thema. Als das Bild in der Galerie
Gurlitt gezeigt wurde, schrieb der Schriftsteller Franz Servaes (1862–1947) in der
„Neuen deutschen Rundschau“
Man nannte ihn in wohlwollenden Kreisen ein Talent, wartete aber
immer noch auf das, was er leisten würde, auf das Werk, das
seine Signatur im großen tragen würde. In übel wollenden Kreisen
– und das waren die breitesten – stritt man ihm jegliches Talent
und jegliche Leistungsfähigkeit überhaupt ab.
Nun hat er doch sein „Werk“ geschaffen und hat ihm den
Stempel seines Schicksals in einer Weise aufgeprägt, daß es
außer dem künstlerischen noch einen dokumentarischen Wert
besitzt. Es ist monumentales Werk geworden.“ 339
Die Monumentalität der Figuren wie auch das Fehlen eines Handlungsmotivs und
die kompositorische Anlage kommen immer noch von Bendemann. Doch wie noch
kein Maler vor ihm zeigt Ury Juden nicht nur im historischen Zusammenhang,
sondern in zeitgenössischem Gewand und gestaltet damit eine Allegorie des
modernen Judentums, eine moderne Judaisierung. Er zeigt nur die Männer in
„moderner“ Kleidung und charakterisiert ihre Köpfe; die Frauen in langen
Gewändern und Kopftüchern bleiben den Blicken des Betrachters weitgehend
verborgen. Ury ist der erste, der das Bildmotiv mit sichtbarem Bezug zum
zeitgenössischen Judentum unter Subsumierung der Vergangenheit darstellt.
Konzeptionell ist das ursprünglichste Vorbild wohl Leonardo da Vincis
„Abendmahl“; unmittelbarer dürfte das von Ferdinand Hodler (1853–1918) 1892
geschaffene Gemälde „Die Lebensmüden“ 340 (BILD T73) auf Ury gewirkt haben: Der
339
Servaes, Franz: Moderne Monumentalmalerei, in: Neue deutsche Rundschau 7, Berlin 1896, S.
19f.
340
Öltempera auf Leinwand, 149,7 x 294 cm, München, Neue Pinakothek. Vgl. dazu Schmidt,
Katharina (Hg.): Ferdinand Hodler, Eine symbolistische Vision, Ausst., Ostfildern 2008, S. 142f
110
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vertikale
Parallelismus,
AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT
der
hier
den
Betrachter
zur
Ansicht
von
fünf
nebeneinander sitzenden Greisen zwingt, formuliert eine Bildsprache, deren
formaler Rigorismus abweisend erscheinen musste. Die Gleichartigkeit der
Haltungen verhärtet sich in der Symmetrie des Bildaufbaus zum ornamentalen
Fries.
Das
Motiv
der
Bank
und
die
vorherrschende
Symmetrie
sind
Kompositionselemente, die Ury von Hodler übernommen haben könnte. Doch löst
Ury die starre Frontalität auf und gibt den männlichen Gestalten ihre eigenwilligen,
charakteristischen Köpfe, zu denen er viele Einzelstudien in Kohle, Kreide, in
Gouache und in Öl nach Modellen von Bauern und Fischern fertigte. 341 Die
dumpfe Starrheit, die in Hodlers Gemälde vorherrscht, wird bei Ury gebrochen:
Zwischen die resignierenden Juden setzt er eine hoffnungsvolle Person, die in die
undefinierte Ferne blickt: ein seit den Anfängen des Bildmotivs fester Bestandteil
der Komposition.
341
Vgl. Schlögl, Hermann A., Schwarz, Karl: Lesser Ury, Zauber des Lichts, Berlin 1995, S. 82.
111
ENTWICKLUNG DES BILDMOTIVS
DISPARATE NACHWIRKUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT
4. Disparate Nachwirkungen im 20. Jahrhundert
Die erste Artikulation des Bildmotivs im neuen Jahrhundert stammt von Maurice
Denis, dem Hauptvertreter der Nabis (KATALOG 36A, BILD K96). 1904 entstand der
Entwurf „An den Herbst, die Musik mildert das Verlangen, die Traurigkeit oder
Super flumina babylonis“, der für die Ausstattung des Musikzimmers des
Wiesbadener Theaterintendanden Curt Mutzenbecher gedacht war.
Die Darstellung „der trauernden Juden“ erscheint hier in einem völlig neuen
Zusammenhang. Als Teil einer Raumdekoration war sie durchaus bekannt.
Delacroix hat sie schon über 60 Jahre zuvor in einen geschichtsübergreifenden
Kontext gestellt, und auch die Spanier Lozano und Hernandez integrierten die
Verbildlichung von Psalm 137 in ein theologisches Bildprogramm. Nun soll das
Motiv Dekoration in einem Musikzimmer werden; Hauptthematik ist also nicht die
Gefangenschaft in der Fremde und das Sehnen nach der fernen Heimat, sondern
die Musik. Es ist eigentlich ein Paradoxon, denn die Juden spielen nicht auf ihren
Harfen; im Gegenteil, sie hängen die Instrumente in die Bäume und verweigern
das Ansinnen ihrer Zwingherrn. Das mag wohl der Grund sein, warum Denis das
Thema unausgeführt ließ und stattdessen das Motiv der musizierenden
Jungfrauen im Himmel bevorzugt hat.
Die Darstellung von Denis hat sich vom Schema Bendemanns nun vollständig
gelöst. Das langgestreckte Querformat mit den überlängten Figuren erinnert
vielmehr an Evelyn de Morgans Umsetzung des Motivs. War bei der Engländerin
schon die Figur der Frau typisiert, sind bei Denis die ersten Anklänge einer
Abstraktion zu erkennen. Kalte Farbtöne und das fehlende Rot schaffen eine
transluzide und unwirkliche Atmosphäre.
Ganz anders präsentiert sich die 1910 entstandene Radierung „An den Wassern
zu Babylon“ (KATALOG 38A, BILD K98) des jüdischen Künstlers Ephraim Moses Lilien.
Der jüdische Kunsthistoriker Lothar Brieger (1879–1949) meint das Neue zu
erkennen, das Lilien mit seiner Umsetzung vollzieht:
„Bei Lilien entsteht etwas ganz Neues: junge Frauen, die auf den
Stufen eines Palastes am Wasser zu Babel sitzen, schluchzend,
die Harfen in den Händen. Denn Lilien erkennt als Erster, daß
dieser Psalm ganz offenbar ein Psalm der hübschen jungen
jüdischen Frauen sein muß, denen Väter, Gatten und Kinder
112
ENTWICKLUNG DES BILDMOTIVS
DISPARATE NACHWIRKUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT
gemordet wurden, und die nun, in Gefangenschaft und Harem
geschleppt, ihre Sieger mit den Liedern ihrer Heimat erheitern
sollen. So ist das Werk Liliens reich an Ausdeutungen, die aus
inneren Beziehungen zur Bibel erwachsen sind, wie sie kein
Illustrator der Bibel vor ihm haben konnte.“ 342
Da aber kein Gesicht zu sehen ist, kann Brieger nur annehmen, dass es junge,
hübsche Frauen handelt. In dieser Hinsicht ist Liliens Umsetzung eigentlich nicht
neu, präsentierte Landelle doch bereits 1861 trauernde Jüdinnen, von denen alle
bis auf eine jung und hübsch dargestellt sind. Neu bei Lilien ist der Schritt zum
Ornamentalen; seine Radierung ist die einzige Umsetzung des Bildmotivs in der
Manier des Jugendstils. Sicherlich war Lilien das Gemälde von Lesser Ury
bekannt, doch scheint er sich in seiner Darstellung an den englischen Künstlern zu
orientieren, die als Bildbühne ein architektonisch befestigtes Ufer mit Treppe und
einen mit Schilf oder Seerosen bedeckten Wasserausschnitt wählten. Lilien
erotisiert und stilisiert die Darstellung der weiblichen Figuren mit gleichsam
ornamentaler Wirkung. Die Anfänge dafür sind bei Evelyn de Morgan zu suchen,
die eine typisierte Frauenfigur multipliziert und im Vordergrund des Gemäldes
dekoriert.
Wurde bei Ury eine religiös– und ethnisch–soziale, realistische Perspektive
direkt sichtbar, versteckt Lilien diese in der eleganten Gestaltungsform des
Jugendstils. Dies ist auch in anderen Werken erkennbar: Der Künstler, der eng mit
der Zionistischen Bewegung des Theodor Herzl (1860–1904) verbunden war,
gestaltete 1901 die Einladung zum fünften Zionistenkongress in Basel mit dem
Titel „Vom Ghetto nach Zion“ (BILD T74). Ein Engel mit dem Stern Davids auf der
Brust weist den gequälten, in einer Dornenhecke gefangenen Ghettojuden auf ein
Leben in Selbstbestimmung in der alten/neuen Heimat hin, symbolisiert durch
einen Bauern, der bei aufgehender Sonne sein Feld kultiviert. 343 Die aufgehende
Sonne ist also eine zionistische Ikonographie. 344 Dies beweisen noch weitere
Blätter Liliens, so z. B. „Der jüdische Mai“ (BILD T75)und „Passah“ (BILD T76). In
beiden Bildern, die aus dem Buch „Lieder des Ghetto“ von 1902 stammen 345 , wird
342
Brieger, Lothar: E. M. Lilien, Eine künstlerische Entwicklung um die Jahrhundertwende, Berlin,
Wien 1922, S. 224f.
343
In der Alten Synagoge in Essen gab es im November/Dezember 2005 eine Ausstellung mit dem
Thema „E.M. Lilien: Jugendstil und Zionismus“.
344
Vgl. Shilo–Cohen, Nurit (Hg.): Bezalel 1906–1929, Jerusalem 1983, S. 215.
345
Die „Lieder des Ghetto“, zu denen Lilien die Illustrationen schuf, wurden von dem
amerikanischen Lyriker Morris Rosenfeld (1862–1923) in jiddischer Sprache verfasst und
thematisieren die soziale Not, das Elend und die Unterdrückung der einfachen Juden. Vgl.
113
ENTWICKLUNG DES BILDMOTIVS
DISPARATE NACHWIRKUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT
ein Exiljude der aufgehenden Sonne, dem Sinnbild Zions gegenübergestellt. Bei
„Passah“ ist die Sonne sogar mit „Zion“ beschriftet. 346 Das Bildmotiv der
trauernden Juden bzw. Jüdinnen hat Lilien ebenfalls mit der aufgehenden Sonne
kombiniert, doch wird der politische Anklang durch die Erotisierung unterdrückt.
Offensichtlich sozialkritisch ist eine frühere stilllebenhafte Umsetzung des
Bildmotivs, die Lilien für den Einband der „Lieder des Ghetto“ schuf (BILD T77).
Gezeigt wird eine Harfe, verziert mit Vogelkopf und –flügel, mit gesprungenen
Saiten, die in den kahlen Ästen eines Weidenbaumes hängt. Der Stamm wird von
einer Dornenhecke umrankt. Im Hintergrund sieht man die Silhouette einer Stadt.
Dass beide Darstellungen, „An den Wassern zu Babylon“ und der Einband zu
„Lieder des Ghetto“, denselben Inhalt haben, zeigt eine 1977 in Israel
herausgegebene Briefmarke (BILD T78), auf der beide Umsetzungen Liliens
abgebildet sind.
Das Pendant zu Liliens schönen jungen Frauen ist Joseph Budkos Holzschnitt
von 1921 (KATALOG 40A, BILD K101). Budko zeigt im Gegensatz zu Lilien nur greise
Männer und orientiert sich in seiner Komposition stark an Bendemanns
Umsetzung, die er weiterführt und judaisiert. So macht er aus Bendemanns
Rundbogenform einen Kreis und multipliziert den prophetenhaften Alten. Aus der
weinumrankten Weide, vor der Bendemann sein Bildpersonal angeordnet hat, wird
eine Harfe. Schließlich die Inschrift: War sie bei Bendemann auf Deutsch, so weist
sie bei Budko in hebräischer Sprache auf das Werk eines jüdischen Künstlers;
dies ist auch bei Wachtels Gemälde der Fall.
Während Lilien die im 19. Jahrhundert aufgekommene Strömung der
Emotionalisierung des Weiblichen im 20. Jahrhundert weiterentwickelt hat, bricht
Paul Klee mit allem bisher Dagewesenen. War bei Maurice Denis schon eine
beginnende Abstraktion vorhanden, präsentiert sich bei Klee das Bildmotiv zum
ersten Mal ohne gegenständliche Formen. Das Bildmotiv hat sich nun, wenn auch
für kurze Zeit, vollständig von seiner alten Bildform gelöst.
Bei der Ausführung von 1913 illustriert er die ersten beiden Verse von Psalm
137 (KATALOG 39A, BILD K99). Alles Gegenständliche hat sich in undefinierbare
346
Brenner, Michael: The Renaissance of Jewish Culture in Weimar Germany, New Haven,
London 1996, S. 27; Derda, Hans–Jürgen: Im Geist des Zionismus: Der Künstler Ephraim
Moses Lilien im Braunschweigischen Landesmuseum, in: Almog, Oz, Milchram, Gerhard (Hg.):
E. M. Lilien, Jugendstil, Erotik, Zionismus, Ausst., Wien 1998, S. 18.
Vgl. Brenner 1996, S. 27.
114
ENTWICKLUNG DES BILDMOTIVS
DISPARATE NACHWIRKUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT
Formen aufgelöst, die die Bildfläche homogen überziehen. Der Betrachter, der um
das Bildthema weiß, imaginiert Tränen und flehende Gestalten. Daß Klee mit
diesen Formen Trauer verdeutlichen wollte, zeigen verschiedene andere
Zeichnungen, die Klee im selben Jahr gefertigt hat, so z. B. das Blatt mit dem Titel
„Lied des Jammers“ 347 (BILD T79).
Bezeichnend ist, dass er für die Zeichnung „Jerusalem meine höchste
Wonne“ 348 (BILD T80), die den sechsten Vers des 137. Psalms illustriert, keine
tränenhaften Formen verwendet. Den Gefangenen in Babylon erscheint das
unerreichbar ferne Jerusalem wie ein Traumbild. Klee zeichnet ein fragiles
Liniengerüst, das architektonische Formen einer Stadt auf dem Berg andeutet:
Zion, der Ort nach dem sich die Juden in Babylon sehnten. 349
Wie sich das Bildmotiv innerhalb von Klees Ouevre verändert, zeigt das 1918
entstandene Aquarell „An den Wassern Babylons“ (KATALOG 39B, BILD K100). Klee, der
1914 mit Macke und Moillet eine Reise nach Tunis unternahm, um sich dort mit
den von Robert Delaunay (1885–1941) entwickelten Theorien über Licht und
Farbe zu beschäftigen, fertigt 1918 ein weiteres Aquarell zum Thema „der
trauernden Juden“. Die Eindrücke, die der Künstler während seiner Orientreise
geschöpft hat, äußern sich durch die Darstellung von Palme und Pyramide. Das
Aquarell ist also die letzte orientalisierende Umsetzung des Bildmotivs: Ein
dekoratives System mehrfarbiger Rechteckfelder und anderer geometrischer
Elemente strukturiert die Bildfläche, dabei scheinen die farbigen Flächen
willkürlich zusammengefügt. Die tränenhaften Formen mit den Schraffuren seiner
ersten Version sind ebenfalls noch zu erkennen.
Ähnlich wie Bendemann, der eine Symbiose von Darstellung und Rahmen mit
Inschrift erfand, setzt Klee zum ersten Mal den Titel direkt ins Bild. Die Schriftzüge
lassen den Betrachter einige Bildelemente als Gegenstände erkennen und so als
der
biblischen
Geschichte
der
babylonischen
Gefangenschaft
zugehörig
assoziieren.
Der neuseeländische Künstler Patrick Hayman vereint gleichermaßen Schrift und
Bild in seinem Gemälde „By the Waters of Babylon (KATALOG 45A, BILD K106), das
etwa 40 Jahre später als die Zeichnung Klees entstand. Zwar arbeitet Hayman
347
1913, Feder auf Papier, 6,8 x 9,8 cm, Privatbesitz.
1914, Feder, 19 x 8,5 cm, Luzern, Slg. Angela Rosengart.
349
Vgl. Lankheit 1963, S. 203f.
348
115
ENTWICKLUNG DES BILDMOTIVS
DISPARATE NACHWIRKUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT
wiederum gegenständlich, schafft aber keine homogene Darstellung, sondern
kombiniert die Motive willkürlich. Hier wird zum zweiten Mal in der Geschichte des
Bildthemas durch Verwendung jüdischer Symbolik ein Bezug zum Judentum
hergestellt, aber zum ersten Mal ist er durch die beliebige und vom Bildgesetz
unabhängige Anordnung so offensichtlich. Bendemann hingegen integriert die
jüdischen Symbole subtil als Rapport aus Davidsternen, die die Kragenborte des
Gewandes des Greises verzieren.
Das Gemälde reflektiert des Künstlers starkes Interesse an Heroen und
Märtyrern aus geschichtlichen, religiösen und literarischen Quellen. 350 Hayman,
selbst Jude, dokumentiert mit dem Gemälde die Notlage des jüdischen Volkes im
Alten Testament und schafft durch die abstrahierte Darstellung eine universelle
Metapher von sozialer Ausgrenzung und Enteignung.
Nach Klees Exkurs ins Abstrakte artikulieren der englische Maler Cecil Collins
1932 (KATALOG 42A, BILD K103) und der Franzose André Bauchant 1937 (KATALOG 43A,
BILD K104) das Bildmotiv im Stil der Naiven Kunst. Wiederum gegenständlich
gestalten beide Maler das in der Darstellung unverändert gebliebene Motiv von
trauernden Menschen, die an den Ufern eines Flusses lagern, mit einem extrem
vereinfachten Formenvokabular, das die Figuren ungelenk, beinahe linkisch
wirken lässt. Die Flächigkeit, ein Stilmittel der abstrakten Kunst, ist geblieben.
Collins zeigt die trauernden Juden erstmalig als nackte Figuren; es wird aber
kein Zusammenhang zu dem Bildpersonal der orientalisierten und weiblich
emotionalisierten Bilder hergestellt.
Dennoch scheint der Engländer der
Bildtradition aus dem 19. Jahrhundert mehr verbunden zu sein als Bauchant, zeigt
er doch die Harfe in der Weide hängend, während Bauchant darauf verzichtet und
stattdessen ein neues, bislang noch nie gezeigtes Motiv integriert: den Turm zu
Babel, dessen Darstellung als Stufenturm Bauchant dem 1563 entstandenen
Gemälde „Der Turmbau zu Babel“ von Pieter Brueghel (1525/30–1569) entlehnt
hat. Offensichtlich klingt bei dem Franzosen die archäologische Bilddokumentation
der im späten 19. Jahrhundert entstandenen Gemälde der Engländer Garvie und
Schmalz nach; die orientalistische Bildtradition seiner Heimat Frankreich ist ihm
geblieben, erkennbar an den Gewändern und den Kopfbedeckungen der Figuren.
350
Schriftliche Information von Abby Sisam, Ferner Galleries, Auckland, Neuseeland.
116
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DISPARATE NACHWIRKUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT
Das letzte Bild in der langen Reihe der Umsetzungen des Bildmotiv, das der
Engländerin Leslie C. Benenson, geht zu den Anfängen des Bildmotivs und greift
die Tradition auf (KATALOG 44A, BILD K105): Die Künstlerin konzentriert sich wie
Bendemann und Landelle auf die handlungslose Monumentalität und den
pyramidalen Aufbau der Figuren, die Landschaft wird nur angedeutet. Die in der
Mitte hoch aufragende Frauengestalt erinnert in ihrer aufrechten, Hoffnung
spendenden Haltung an die Frau im Zentrum von Landelles Gemälde. Sie ist nicht
vom Schicksal gebeugt wie die anderen, sondern hoch aufgerichtet, unbeugsam.
Benenson geht also auch im Stil, nicht nur im Thema zurück zu den
traditionellen
Umsetzungen
Darstellungen.
auf,
schafft
Sie
aber
greift
eine
verschiedene
zeitlose
Elemente
Darstellung,
die
früherer
für
alle
Interpretationen offen und toposhaft zu verstehen ist.
117
VERWANDTE BILDMOTIVE
JEREMIAS AUF DEN TRÜMMERN JERUSALEMS
IV. V E R W A N D T E B I L D M O T I V E
Neben dem Bildmotiv „Die trauernden Juden im Exil“ tauchen in der europäischen
Malerei vereinzelt Darstellungen auf, die inhaltlich mit den Ereignissen um die
babylonische Gefangenschaft verwandt sind.
1. „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“
Das Bildmotiv „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“ zeigt den Propheten
nicht allein in statuarischer oder sitzender Darstellung mit Schriftrolle, wie es in der
byzantinischen Kunst, im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit der Fall war
(Duccio,
Claus
Sluter,
Donatello,
Piero
della
Francesca),
sondern
als
Protagonisten eines geschichtlichen Ereignisses.
Jeremias wirkte etwa von 626, dem Jahr seiner Berufung zum Propheten, bis
587 v. Chr. in Jerusalem und prophezeite jahrelang den Untergang des Reiches
Juda, der im Jahr 586 v. Chr. tatsächlich eintrat. 351 Der Prophet wird auch für den
Autor der sog. „Klagelieder“ (Klgl) gehalten, die – aus fünf Gedichten bestehend –
von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels von 586 v. Chr. berichten. 352 Sie
sind die ikonographische Quelle der Darstellung des „trauernden Jeremias“.
Als
die
vermutlich
früheste
eigenständige,
von
einer
Bibelillustration
unabhängige Ausformung des Motivs ist das 1630 entstandene Gemälde
Rembrandts bekannt (BILD T81). Erst Wilhelm von Bode (1845–1929) wies dem Bild
seinen heutigen Titel zu, vorher galt es wechselweise als Darstellung des
Anchises vor dem brennenden Troja oder des Lot vor dem brennenden Sodom.
Rembrandt hat vor allem auf die „Jüdischen Altertümer“ von Flavius Josephus, die
er in der deutschen Ausgabe von 1574 besaß, zurückgegriffen. Das 9. Kapitel des
10. Buches berichtet, dass Nebukadnezar den Propheten aus der Gefangenschaft
befreien und ihn nach Babylon einladen wollte. Jeremias ließ wissen, dass er nicht
gedenke, fortzugehen, vielmehr wünsche er, in seiner zerstörten Stadt zu bleiben.
Daraufhin befahl der König einem gewissen Godalias, den Propheten zu
351
352
Siehe dazu Fohrer, Georg: Erzähler und Propheten im Alten Testament, Heidelberg,
Wiesbaden 1988, S. 113f, 126f.
Vgl. ebd., S. 141f.
118
VERWANDTE BILDMOTIVE
JEREMIAS AUF DEN TRÜMMERN JERUSALEMS
versorgen. Dieser bedachte ihn mit reichen Geschenken und erlaubte ihm zu
gehen, wohin er wollte. 353
Rembrandt zeigt Jeremias in einer ruinösen Räumlichkeit, aber auf einem
kostbaren Teppich sitzend; alles ist von Licht erfüllt und strahlt golden. Der
niederländische Meister kannte die Darstellung der „Melancholie“ von Albrecht
Dürer (1471–1528), denn er zeigt den Propheten in der derselben nachdenklichen
Haltung. Links gibt ein Säulentor den Ausblick auf das brennende Jerusalem im
Hintergrund frei. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Bildmotiv des
auf Jerusalems Trümmern trauernden Jeremias nicht mehr dargestellt; es war
auch durch die fälschliche Annahme, Rembrandt stelle jemand anderen als
Jeremias dar, nicht allgemein bekannt. Der Franzose Jean–Victor Schnetz (1787–
1870), Schüler von Jean–Baptiste Regnault (1754–1829) und David, und
seinerzeit ein hochangesehener akademischer Maler, dürfte 1819 einer der ersten
gewesen sein, die das Bildmotiv aufgriffen. 354
Berühmt wurde das Motiv erst durch die vielgelobte, aber auch vielkritisierte 355
Umsetzung von Eduard Bendemann, der es 1836 für den preußischen
Kronprinzen, den späteren König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), als
Gemälde 356 (BILD T82) ausführte. Ob Bendemann das Gemälde des Franzosen
kannte, kann nicht nachgeprüft werden, da es zum letzten Mal auf der Pariser
Weltausstellung 1867 zu sehen war und heute verloren ist. 357 Bendemann schuf
also vermutlich ein Werk, das unbelastet von einer gesicherten Ikonographie war,
dennoch blieb ihm keine zu große gestalterische Freiheit. Der Kronprinz wollte
ursprünglich eine Wiederholung der „trauernden Juden“, sah jedoch davon ab,
353
Vgl. Brown, Christopher, Kelch, Jan, Thiel, Pieter van: Rembrandt, ein Meister und seine
Werkstatt, Gemälde, Ausst., Berlin, Amsterdam, London 1991, S. 146.
354
Vgl. Archives Nationales F/21/0180, Dossier 40.
355
Während Bendemanns „Trauernde Juden“ als ergreifende, rein menschliche Illustration eines
biblischen Themas aufgefasst wurde, sah man (vor allem Püttman 1839, S. 44) den „Jeremias“
als tagespolitisches Kampfbild an. Vgl. Schlink, Wilhelm: Jacob Burckhardt und die
Kunsterwartung im Vormärz, Wiesbaden 1982, S. 12.
356
1835/36, Öl auf Leinwand, 224 x 414 cm, ehemals Hannover, Leineschloss, nach 1943 zerstört.
Zur Geschichte des Bildes siehe Renger, Konrad: Eduard Bendemanns „Jeremias“,
Vorzeichnungen und Würdigungen eines verlorenen Hauptwerkes der Düsseldorfer
Malerschule, in: Flemming, Victoria von, Schütze, Sebastian (Hg.): Ars naturam adjuvans, FS
für Matthias Winner, Mainz 1996, S. 621–637 und Krey 2003, S. 136–166. Siehe außerdem die
bei beiden Autoren besprochene zeitgenössische Rezeption.
357
Vgl. Chesneau–Dupin, Laurence: Jean–Victor Schnetz 1787–1870, Couleurs d’Italie, Ausst.,
Flers 2000, S. 179, Nr. 28.
119
VERWANDTE BILDMOTIVE
JEREMIAS AUF DEN TRÜMMERN JERUSALEMS
weil Bendemann versprach, „ein neues vollendeteres Werk verwandten Inhalts
darzustellen.“ 358
Tatsächlich gehört der „Jeremias“ zu den Bildern des „Düsseldorfer
Schmerzes“, denn genau wie bei den „trauernden Juden“ liegt der Focus auf der
Befindlichkeit der wenigen Figuren. Es handelt sich nicht um einen historisch
einzigartigen Moment, sondern vielmehr um die Darstellung eines menschlichen
Zustandes mit allen seinen Emotionen, die der Betrachter reflektiert. Im
Unterschied zu den „trauernden Juden“ zeigt er aber nun keine namenlosen
Figuren mehr, sondern Jeremias als biblisch benennbare Persönlichkeit. Zur
Erinnerung: Michelangelos „trauernde Juden“ in den Lünetten der Sixtinischen
Decke zeigen die Stammväter, also auch namhafte jüdische Personen. Carl
Gustav Carus formuliert es im Kunst–Blatt von 1836 in der Besprechung über
Bendemanns „Jeremias“ treffend: „Die Heranführung des Momentes aus der
Geschichte der Menschheit im Ganzen, durch die Darstellung der entschiedensten
Persönlichkeit im Einzelnen“ 359
Im Gegensatz zu den „trauernden Juden“ liegt der Darstellung des „Jeremias“
keine bestimmte Textelle in der Bibel zugrunde. Franz Kugler (1808–1858), der
Redakteur von „Museum, Blätter für bildende Kunst“ schlägt in einer Besprechung
des Gemäldes in seiner Zeitschrift einige Verse vor, die als ikonographische
Quelle dienen könnten 360 : Wie z. B.
„Die Aeltesten der Tochter Zion liegen auf der Erde und sind
still, sie werfen Staub auf ihre Häupter und haben Säcke
angezogen; die Jungfrauen von Jerusalem hängen ihre Häupter
zur Erde. – Ich habe schier meine Augen ausgeweinet, dass mir
davon wehe thut; meine Leber ist auf der Erde ausgeschüttet über
dem Jammer der Tochter meines Volkes, da die Säuglinge und
Unmündigen auf den Gassen in der Stadt verschmachteten; (…)
wie die tödtlich Verwundeten, und in den Armen ihrer Mütter den
Geist aufgaben“ (Jer 2, 10f)
Tatsächlich findet man die genannten Motive auf Bendemanns Bild wieder. In der
Mitte des Gemäldes thront Jeremias auf den Trümmern des Tempels; er stützt
358
359
360
Hagen, August von: Die deutsche Kunst in unserem Jahrhundert, eine Reihe von Vorlesungen
mit erläuternden Beischriften, Bd. 1, Berlin 1857, S. 347.
Carus, Carl Gustav: Bemerkungen über Bilder der Düsseldorfer Schule, ausgestellt in Dresden
im December 1836, in: Kunst–Blatt 1837, Nr. 28, S. 118.
Vgl. Kugler, Franz: Jeremias auf den Trümmern von Jerusalem, Oelgemälde von E.
Bendemann, in: Museum, Blätter für bildende Kunst, 1836, Jg. IV, Nr. 18, S. 140 (137–142).
Siehe auch Kugler, Franz: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte, Dritter Theil,
Stuttgart 1854, S. 154ff.
120
VERWANDTE BILDMOTIVE
JEREMIAS AUF DEN TRÜMMERN JERUSALEMS
seinen gebeugten Kopf mit der Hand; um ihn her Verwüstung mit Toten und
Verletzten, Frauen klagen um ihre toten Kinder. Im Hintergrund sieht man das
zerstörte und noch brennende Jerusalem.
Wenn Bendemann auch nicht direkt auf die Darstellung Rembrandts
zurückgreifen konnte, gab es doch sehr bekannte Gemälde mit ähnlichen
Bildtypen, so z. B. Delacroix’ Gemälde „Das sterbende Griechenland auf den
Trümmern von Missolonghi“ 361 (BILD T83) von 1827 und Eberhard Wächters „Die
trauernde Muse auf den Trümmern Athens“ 362 (BILD T84) von 1830. Beide stellen
keine Ereignisse, sondern Allegorien dar. „Das sterbende Griechenland auf den
Trümmern von Missolonghi“ bezieht sich auf die Belagerung der griechischen
Stadt Missolunghi und ihre Eroberung am 15. Mai 1826. Griechenland, gezeigt als
Frau in zeitgenössischer griechischer Kleidung, kniet auf den Trümmern der Stadt,
unter
denen
Tote
begraben
liegen. 363
Während
Delacroix
politisches
Zeitgeschehen allegorisch erhöht, geht es Wächter um die Reflexion der
Vergänglichkeit der Kultur Griechenlands. Er zeigt eine lorbeerbekränzte Frau, die
auf den verfallenen und verwitterten Resten eines Tempels sitzt. Die Ruinen und
die erhöht liegende Stadt im Hintergrund finden sich in Bendemanns „Jeremias“
wieder. Überhaupt hat Wächters Seelenmalerei, wie schon erwähnt, Einfluss auf
Bendemann und die Düsseldorfer ausgeübt. 364 ,
Rudolf Friedrich Suhrlandt (1781–1862) baut diesen Ansatz in seinem 1839
gemalten Jeremiasbild 365 (BILD T85) weiter aus. Der Prophet sitzt mit langem Bart
und wallendem roten Gewand inmitten einer Menschenmenge, die sich ängstlich
und auch vorwurfsvoll an ihn wendet. Der Prophet selbst blickt dabei mit
erhobener Hand flehentlich zum Himmel. Waren es bei Bendemann neben
Jeremias einige wenige Figuren, „wimmelt“ es in Suhrlandts Darstellung geradezu
von Menschen. Noch stärker kommt dieser Horror vacui in der vermutlich das
Gemälde vorbereitenden, aquarellierten Federzeichnung 366
(BILD
T86)
zum
Ausdruck.
361
1827, Öl auf Leinwand, 208 x 147 cm, Bordeaux, Musée des Beaux–Arts.
1830, Öl auf Leinwand, 73 x 83 cm, Stuttgart, Staatsgalerie.
363
Vgl. Athanassoglou–Kallmyer 1997, S. 257.
364
Möseneder 1996, S. 113.
365
Das in Privatbesitz befindliche Gemälde, Öl auf Leinwand, 137 x 186 cm, war 1855 auf der
Weltausstellung in Paris zu sehen. Vgl. Bötticher 1948, Bd. 2, S. 865, Nr. 12.
366
33,2 x 47,3 cm, Schwerin, Staatliches Museum.
362
121
VERWANDTE BILDMOTIVE
JEREMIAS AUF DEN TRÜMMERN JERUSALEMS
Die Vielfigurigkeit verknüpft mit Handlungsabläufen, die Suhrlandts Umsetzung
auszeichnet, wird erst Jahre später bei dem Bildmotiv „Die Wegführung der Juden
in die Gefangenschaft“ im großen Stil relevant.
Bendemann in der Konzentration auf wenige für das Geschehen wichtige
Personen folgend, die im Vordergrund agieren und den gesamtem Bildraum
ausfüllen, gestaltet Julius Schnorr von Carolsfeld (1794–1872) den Holzschnitt zu
„Jeremiä Klage“ (BILD T87), der zu den zwischen 1851 und 1860 entstandenen
„Bilder zur Bibel“ 367 gehört. Carolsfeld zeigt Jeremias nicht sitzend, sondern
stehend. Ein Bein auf einen Säulenstumpf gestellt, stützt er mit der rechten Hand
seinen Kopf, während er die Linke ausgestreckt hält. Im Mittelgrund rechts
wehklagen zwei bekrönte Frauen; die Stadt ist wie ausgestorben. Heißt es doch in
den Klgl 1, 1 „Wie liegt die Stadt so wüste, die voll Volks war? Sie ist wie eine
Witwe.“
Noch figurenreduzierter als das eben erwähnte, aber dafür mit einem großen
landschaftlichen Umfeld ist das gegen Ende des Jahrhunderts, 1898/99,
entstandene Gemälde „Le lamentazioni di Geremia“ 368 (BILD T88) von Giovanni
Segantini (1858–1899). In der rechten Bildhälfte, auf Augenhöhe des Betrachters
kniet der Prophet mit erhobenen Händen in Dreiviertelrückansicht allein auf einem
Berg. Unter ihm, in einer Talsenke, liegt Jerusalem begrenzt von Bergketten im
Hintergrund; der Himmel ist wolkenschwer.
Nichts in der Darstellung erinnert mehr an Bendemann, der Italiener scheint
sich vielmehr die Jeremiasdarstellung Rembrandts zum Vorbild genommen zu
haben. Der Prophet ist weit weg vom Geschehen, jedoch nicht mehr passiv;
Segantinis Darstellung dürfte wohl die einzige sein, in der Jeremias aktiv trauert
und den Betrachter auffordert, mitzutrauern. In Marc Chagalls (1887–1985)
Darstellung „Klagelied des Jeremias" 369 von 1956 (BILD T89) ist der Prophet wieder
in sich gekehrt und hält die Torarolle schützend an sich gepresst.
367
Vgl. Julius Schnorr von Carolsfeld, Die Bibel in Bildern und andere biblische Bilderfolgen der
Nazarener, Ausst., Neuss 1982, S. 6ff.
368
Öl auf Karton, 88 x 109 cm, Privatbesitz.
369
Aus „Die Bibel I“, Farblithographie 1956, 35,5 x 26,2 cm. Vgl. Sorlier, Charles, Mourlot, Fernand:
Chagall, lithograph, Monte Carlo 1960, Bd. 1, Nr. 140.
122
VERWANDTE BILDMOTIVE
GEFANGENE JUDEN VOR DEN RUINEN JERUSALEMS
2. „Gefangene Juden vor den Ruinen Jerusalems“
von Henri–Léopold Lévy (1869)
Eine einzigartige Darstellung zeigt der jüdische Maler Henri–Léopold Lévy (1840–
1904) mit der Komposition „Hébreux captifs pleurant sur les murs de Jérusalem“
(BILD T90), für die er die dritte Auszeichnung vom Salon 1869 erhielt.
370
Es wurde
gelobt als ein
„ouvrage remarquable d’une main vive et forte, qui annonce à la
fois une intelligence heureuse de la composition dramatique et
l’entente, aujourd’hui trop rare, des harmonies vigoureuses de la
couleur“. 371
Wie schon der Titel verrät, zeigt das Gemälde die trauernden Juden nicht an
den Wassern Babylons, sondern an den verfallenen Ruinen Jerusalems. Lévy
kombiniert in dem Gemälde zwei mittlerweile sehr bekannte Darstellungsformen:
die der „trauernden Juden“ und die „des auf den Trümmern Jerusalems
trauernden Jeremias“. Drei männliche Personen, als die Lebensalter Kindheit,
Jugend und Alter interpretierbar, stellen den Niedergang und die Demütigung des
jüdischen Volkes exemplarisch dar. Durch die quadratischen Steinplatten des
Bodens entsteht ein tiefenräumlicher Sog, eine „tintoretteske“ Tiefenillusion, die
den Blick suggestiv zu dem bewegten, grausigen Geschehen im Bildmittelgrund
führt.
Levy
zeigt
also
namenlose
trauernde
Juden
vor
einem
Hintergrundgeschehen.
Mit der Darstellung Lévys ist die Bibelillustration „Trauer Jerusalems“ nach Jer 39,
14–18 von Gustave Doré (1832–1883) (BILD T91) vergleichbar. 372 Auch hier sieht
370
Vgl. Archives Nationales F/21/7640, Folio 3: Photos des salons. Im selben Jahr wurde es vom
Staat gekauft und war, bevor es nach Nancy übergeben wurde, auf der Internationalen
Kunstausstellung im Münchner Glaspalast zu sehen. Vgl. L’art en France sous le Second
Empire, Ausst., Paris 1979, S. 381. 1878 war es noch einmal auf der Exposition universelle in
Paris ausgestellt. Vgl. Archives Nationales F/21/4909B, Dossier 10, Pièce 44; Catalogue officiel
de l’Exposition universelle de 1878 à Paris, Bd. 1, Groupe 1, oeuvres d’arts classes 1 à 5, Paris
1878, S. 46, Nr. 579.
371
Zitiert bei Bour, Edouard: Henry Lévy, in: La Lorraine artiste, Nr. 23, 1905, S. 31.
372
Von 1862 bis 1865 entwarf Doré Zeichnungen für die Bibel, die 1866 zweibändig in Folio mit
228 Holzstichen (118 für das Alte und 110 für das Neue Testament) erschien. Noch Ende
desselben Jahres kam eine weitere zweibändige Folioausgabe mit 230 Holzstichen heraus. In
der zweiten Ausgabe wurden 13 Illustrationen der ersten Ausgabe gestrichen, dafür kamen 15
neue hinzu, 22 wurden ausgebessert und 11 überarbeitet. Vgl. hierzu Leblanc, Henri: Catalogue
de l’oeuvre complet de Gustave Doré, Paris 1931, S. 47ff. Ein Exemplar, das 30
unveröffentlichte Zeichnungen enthält, wurde speziell für den Künstler gedruckt. Wenige Jahre
nach Publikation der Doré–Bibel entstanden in vielen Ländern Großauflagen in
123
VERWANDTE BILDMOTIVE
GEFANGENE JUDEN VOR DEN RUINEN JERUSALEMS
man trauernde Juden in Jerusalem; unter ihnen steht Jeremias mit dem Rücken
an die Mauer gelehnt. Bei den von den Babyloniern zurückgelassenen Juden zu
seinen Füßen zeigen sich Schmerz und Trauer in allen nur erdenklichen
Ausdrucksformen, ähnlich wie bei Ramírez oder Puccinelli.
unterschiedlichen Formaten mit oft in Höhe und Breite beschnittenen Bildern. Siehe hierzu
Schmidt, Anke: Doré illustriert die Bibel, in: Guratzsch, Herwig, Unverfehrt, Gerd (Hg.): Gustave
Doré, Illustrator, Maler, Bildhauer, Beiträge zum Werk, Bd. 1, Ausst., Dortmund 1982, S. 133.
124
VERWANDTE BILDMOTIVE
NARRATIVE DARSTELLUNGEN
3. Narrative Darstellungen
„Wegführung der Juden in die babylonische Gefangenschaft“
Neben der Darstellung „Die trauernden Juden im Exil“ erscheint im 19.
Jahrhundert vor allem die der „Wegführung der Juden in die babylonische
Gefangenschaft“. Bildlich thematisiert wurde die „Wegführung der Juden“ schon
ab dem 13. Jahrhundert. Ein aus der Diözese von Mainz stammendes Evangeliar
aus der Mitte des 13. Jahrhunderts zeigt im zweiten Teilbild einer ganzseitigen
Miniatur auf Goldgrund die Wegführung der Juden nach Babylon 373 (BILD T92).
Im Großformat findet man das Bildmotiv in der Painted Chamber, dem
Schlafzimmer König Edwards I. (1272–1307) im Westminster Palace, die ein
unbekannter Künstler im späten 13. Jahrhundert mit Fresken ausstattete. 1834
durch Feuer zerstört, sind die Wandmalereien durch Kopien von Charles Alfred
Stothard (1786–1821) und Edward Crocker (ca. 1757–1836) aus dem frühen 19.
Jahrhundert überliefert. 374 Sie zeigen Schlachtenszenen aus dem Alten Testament
und die Krönung von Edward, dem Bekenner (um 1004–1066). 375 Zwei Szenen
illustrieren Begebenheiten, die zur Epoche der babylonischen Gefangenschaft
gehören: „Nebukadnezar und Jojachin“ 376 (BILD T93) und „Zedekia und der
Untergang von Jerusalem“ 377
(BILD
T94).
Die erstere zeigt Jojachin vor
Nebukadnezar und den babylonischen König zu Pferde, wie er mit erhobenem
Schwert Jojachin und dessen Frau, beide ebenfalls beritten, in die Gefangenschaft
führt. Die zweite Malerei zeigt Soldaten, die plündern oder mit Schwertern und
Geißeln gefesselte Juden vor sich hertreiben.
In der Tafel– und Freskenmalerei der Renaissance und des Barock taucht die
„Wegführung der Juden“ nicht auf. Erst im 19. Jahrhundert, nach den ersten
Umsetzungen der „trauernden Juden“, finden sich Darstellungen des Themas. Zu
373
Folio 18v. Vgl. Hofmann, Josef, Hans, Thurn: Die Handschriften der Hofbibliothek
Aschaffenburg, Aschaffenburg 1978, S. 38ff.
374
Der Kunsthistoriker Ernest W. Tristram (1882–1952) hat sie in „English Medieval Wall Painting:
the Thirteenth Century, 2 Bde., Oxford 1950” aufbereitet. Zur Painted Chamber siehe im
Textband S. 86–115.
375
Vgl. Brayley, Edward Wedlake, Britton, John: The History of the Ancient Palace and the Houses
of Parliament at Westminster, London 1836; Binski, Paul: The Painted Chamber at
Westminster, London 1986, S. 71ff.
376
Vgl. Binski 1986, S. 121, Nr. 21.
377
Vgl. ebd. S. 121f, Nr. 22.
125
VERWANDTE BILDMOTIVE
NARRATIVE DARSTELLUNGEN
den ersten Künstlern der Neuzeit, die dieses Motiv aufgriffen, dürfte wohl William
Bouguereau gehören. Er errang 1850 den Prix de Rome und durfte daraufhin an
der Académie de France in Rom studieren. Dort entstand 1851 das Gemälde „Les
Juifs emmenés en captivité“ 378 (BILD T56). Der Künstler notierte in seinem
Tagebuch stichpunktartig die Entstehungsgeschichte der Komposition: 26.
Februar 1851 „Sac d’une ville“, „assauts“ „le peuple emmené en captivité“, 19.
März „travaille aux captifs – découragement“, etwas später „travaille à une
composition des captifs – grand changement“. 379 Daraus wird deutlich, dass das
Thema nicht von vornherein auf die Wegführung in die babylonische
Gefangenschaft
festgelegt
war,
sondern
verschiedene
Gedankengänge
sukzessive zur Gestaltung des Motivs führten.
Das Gemälde schildert den Marsch einer großen Schar von gefangenen Juden.
Begleitet von den teils berittenen Soldaten Nebukadnezars, sind sie in Ketten
gelegt und bewegen sich zögernd vorwärts. Im Hintergrund sieht man die Ruinen
des geplünderten und niedergebrannten Jerusalem. Im Vordergrund, wo das
Gelände etwas abfällt, liegen die Leichen derer, die dem Feind Widerstand
geleistet haben.
Eine gänzlich konträre, neobarocke Formulierung des Themas ist durch Alfred
Bellet du Poisat (1823–1883) erhalten, der 1864 das Bild „Les Hébreux conduits
en captivité“ 380 (BILD T95) malte. Das Gemälde wurde im Salon Lyon 1864 und im
Salon Paris 1865 ausgestellt. Die Meinungen dazu sind zweigeteilt: so werden die
Originalität, die Bewegtheit und die malerischen Qualitäten gelobt 381 , jedoch wird
bemängelt, dass das Gemälde „trop gai pour le sujet“ 382 wirke. Es erweist sich im
Vergleich zu Bouguereaus Darstellung tatsächlich als rauschendes Farbspiel. Ein
gewaltiger Tross von Menschen, darunter Babylonier, die die Tempelgeräte
mitsamt der Bundeslade fortschaffen, berittene Soldaten mit Standarten und
Trompeten und gefangene Juden, bewegt sich auf den Betrachter zu. Im
Vordergrund werden die Gefangenen nach rechts getrieben. Im Hintergrund
steigen Rauchsäulen vor dem blauen Himmel auf. Die stilistische Verwandtschaft
zu Delacroix, die auch schon von den Zeitgenossen erwähnt wurde 383 , ist
378
Öl auf Leinwand, 77 x 103 cm, Privatbesitz.
Zitiert bei William Bouguereau 1825–1905, Ausst., Paris 1984, S. 147, Nr. 10.
380
1864, Öl auf Leinwand, 214 x 355,5 cm, Lyon, Musée des Beaux–Arts.
381
Voleine, Morel de: Notes sur l’exposition de 1865, in: Revue du Lyonnais, 1865, S. 178f. (176–
183); Mantz, Paul: Salon de 1865, in: Gazette des Beaux–Arts, 1865, S. 510.
382
Vgl. Mantz 1865, S. 510.
383
Vgl. ebd.
379
126
VERWANDTE BILDMOTIVE
NARRATIVE DARSTELLUNGEN
augenfällig: mitreißende Bewegungsabläufe wie bei dem aus der Mittelachse
hervorstürmenden Pferd, Figurengruppen, die sich hin zum Betrachter bewegen,
und pointiert gesetzte Farben. Als Schüler von Delacroix ist Bellet du Poisat
natürlich von der Kunst seines Lehrers geprägt. In der Mittelachse wird eine Frau
von einem Reiter attackiert, dessen Pferd sich mitten im Sprung befindet. Das
Vorbild hierzu ist sicher die Hauptfigur von Delacroix' Gemälde "Die Freiheit führt
das Volk an" 384 (BILD T96): Das wehende, von den Schultern geglittene und die
Brüste entblößende Kleid, die Schrittstellung, die ein Voranstürmen impliziert, und
der erhobene Arm gleichen der Allegorie der Freiheit. Auch die fliehenden und
getriebenen Gestalten in Francois Heims (1787-1865) Gemälde "Die Zerstörung
Jerusalems" 385 (BILD T97) von 1824 finden sich multipliziert bei Bellet du Poisat
wieder.
Ebenfalls voller Bewegungsdynamik ist die Illustration "Die Zerstörung
Jerusalems und die Wegführung der Israeliten nach Babel" von Schnorr von
Carolsfeld (BILD T98). Im Unterschied zu Bellet du Poisats Komposition führen die
Bewegungsabläufe vom Betrachter weg und enden in ungewisser Ferne.
Die bisher aufgeführten Bildbeispiele zum Thema "Die Wegführung der Juden
in die Gefangenschaft" zeigen deutlich den Unterschied zum Bildmotiv der
"trauernden Juden": Hier wird wie in einer Langzeitaufnahme das Verharren in
Trauer auf die Leinwand gebannt, während die "Wegführungen" eine Geschichte
erzählen, einen Prozess und Handlungsabläufe - manchmal sogar ungleichzeitige
-, darstellen.
Ein ganzes biblisches Kapitel fasst Eduard Bendemann in seinem Gemälde
"Die Wegführung der Juden in die babylonische Gefangenschaft" 386 (BILD T99)
zusammen, mit dem er seine Trilogie über die Gefangenschaft des jüdischen
Volkes in Babylon vollendet. Bendemann schafft eine Synthese zwischen zwei
Bildmotiven: dem „Jeremias“ und den „trauernden Juden“. Um die Gleichzeitigkeit
des Ungleichzeitigen deutlich zu machen, hat Bendemann die Bildbühne in eine
obere und eine untere Ebene gegliedert, die als Diagonalen fungieren. Auf die
jenseitige Komponente, die im oberen Rundbogen mit der von Engeln
384
1830, Öl auf Leinwand, 360 x 225 cm, Paris, Musée du Louvre.
Ca. 1824, Öl auf Leinwand, 29,1 x 35 cm, Paris, Musée du Louvre.
386
1865, Öl auf Leinwand, 117 x 132 cm, Düsseldorf, Kunstmuseum. Es ist der Entwurf für das
monumentale Gemälde von 1872, Öl auf Leinwand, 416 x 510 cm, das sich in der Berliner
Nationalgalerie im Treppenhaus zum dritten Geschoß befand und im 2. Weltkrieg zerstört
wurde (BILD T100). Zur Entstehungsgeschichte siehe Krey 2003, S. 179–191.
385
127
VERWANDTE BILDMOTIVE
NARRATIVE DARSTELLUNGEN
umgebenen, schwebenden Gottesfigur dargestellt ist, hat Bendemann im finalen
Gemälde verzichtet (BILD T100).
Formaler und inhaltlicher Mittelpunkt der Komposition ist der nachdenkliche
Prophet Jeremias, der auf sein biblisches Buch gestützt frontal zum Betrachter auf
der unteren Bühne sitzt. Er ist die „bildimmanente Reflexionsfigur“ 387 , die mit den
übrigen Figuren nicht in Verbindung steht und ein Bindeglied zum Betrachter
darstellt. Bei den "trauernden Juden" handelte es sich ausschließlich um solche
Reflexionsfiguren. 388 Jetzt hat Bendemann die Anzahl seines Bildpersonals
erheblich gesteigert: von wenigen erhabenen Figuren in den "trauernden Juden im
Exil" über einige schon in Handlungsabläufe integrierte im "Jeremias" bis hin zum
Horror Vacui, der Überdetermination in der "Wegführung der Juden". Jeremias,
seinen Schreibgehilfen Baruch neben sich, ist der ruhende Pol inmitten der
aufgeregt gestikulierenden Männer oder der verzweifelt die Hände ringenden
Frauen. In der oberen Ebene zieht Nebukadnezar auf dem Streitwagen davon,
hinter ihm der geblendete, in Ketten gelegte Zedekia, gefolgt von beutebeladenen
babylonischen Soldaten und den Leviten, die die im Goldglanz hell erstrahlende
Bundeslade tragen. Anders als bei den "trauernden Juden" gestaltet Bendemann
jetzt ein Ereignisbild; es scheint so, als wolle er damit dem Urteil Vischers von
1842 389 entgegenwirken. Zur Erinnerung: Ab Planets Umsetzung der "trauernden
Juden" beginnt die Gestaltung des Bildmotivs sich vom handlungslosen
Situationsbild zum Ereignisbild zu wandeln. Bei Lévys Gemälde "Hébreux capitfs
sur les murs de Jérusalem" (BILD T90), das zwischen Bendemanns Entwurf und
dem finalen Gemälde in der Berliner Nationalgalerie entstand, ist dieser Ansatz
auch schon vorhanden.
Hat sich Wilhelm Kaulbach (1804–1874) bei seinem monumentalen Gemälde
„Die Zerstörung Jerusalems“ 390 (BILD T101) von 1846 Anregungen von Bendemanns
„trauernden Juden“ und „Jeremias“ geholt 391 , setzt sich Bendemann nun wiederum
mit dem Gestaltungsprinzip Kaulbachs auseinander. 392 Die Belagerung und
387
Sitt 1999, S. 15.
Vgl. Anm. 232.
389
Vgl. Vischer, Theodor Friedrich: Betrachtungen über den Zustand der jetzigen Malerei (1842),
in: Vischer 1922, Bd. 5.
390
1846, Öl auf Leinwand, 585 x 705 cm, München, Neue Pinakothek.
391
Vgl. Möseneder 1996, S. 114.
392
Den Auftrag für das Kolossalgemälde hatte Angelina von Radziwill (Lebensdaten unbekannt)
1836 Kaulbach erteilt. Unerwartet kündigte die Fürstin im September 1838 den Vertrag. König
Ludwig I., der die monumentale Größe anordnete, erwarb schließlich das 1846 vollendete
Gemälde. Vgl. ebd., S. 104.
388
128
VERWANDTE BILDMOTIVE
NARRATIVE DARSTELLUNGEN
Zerstörung Jerusalems durch den römischen Kaiser Titus im Jahr 70 n. Chr.
thematisierend, zeigt Kaulbach die geschichtliche Entwicklung auf verschiedenen
Realitätsebenen,
die
die
räumlich-zeitliche
Einheit
eines
historischen
Ereignisbildes sprengt. Rechts im Hintergrund das nahende römische Heer mit
Titus an der Spitze, links im Hintergrund die brennende Stadt, im Mittelgrund die
Schlacht, im Vordergrund betende, flehende, verzweifelte Gestalten, darüber und
dazwischen immer wieder strafende oder rettende Engel, rechts eine Familie in
abgeklärter Ruhe, dennoch auf der Flucht, und über allem thronen die vier
Propheten Jesaja, Jeremias, Ezechiel und Daniel. 393
393
Ausführlicher beschrieben bei Möseneder 1996, S. 103ff.
129
VERWANDTE BILDMOTIVE
NARRATIVE DARSTELLUNGEN
„Rückkehr aus dem Exil“
Das Pendant zum Bildmotiv „Die Wegführung der Juden“ ist die Darstellung zum
Thema „Rückkehr aus dem Exil“. Ikonographische Quelle ist das biblische Buch
Esra.
In der Geschichte der Malerei wird dieses Motiv eher selten aufgegriffen. Vor
dem 19. Jahrhundert findet man viel häufiger Darstellungen, die König Cyrus
zeigen, der den Juden erlaubt, aus Babylon in ihr Land zurückzukehren und den
Tempel wiederzuerrichten, wie z. B. in der Miniatur aus einer Bibel aus dem
Gumpertuskloster in Ansbach aus dem 12. Jahrhundert. 394 Die Szene ist vertikal
durch eine Säule mit Volutenkapitell geteilt und zeigt links die Juden vor König
Cyrus und rechts den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem (BILD T102).
Als Gemälde findet man das Bildmotiv weder im Mittelalter noch in der Neuzeit
ausgeführt. Auch als Bibelillustration bleibt es im 19. Jahrhundert eine Ausnahme.
Eine kolorierte Lithographie (BILD T103) nach Raffael zeigt einen von links ins Bild
kommenden Menschenzug mit Kamelen, der auf dem Heimweg nach Jerusalem
ist. Der unbekannte Künstler hatte nicht etwa eine genaue Vorlage, sondern
komponierte frei nach Raffaels 1519 entstandener Komposition „Joseph wird von
seinen Brüdern verkauft“ (BILD T104) in den Loggien des Vatikan. So ist der in
Dreiviertelrückansicht gesehene, nach rechts schreitende Mann in der kurzen,
grünen Tunika und dem Fellbündel um die Hüften bei Raffael spiegelverkehrt auf
der rechten Seite dargestellt. Auch die Kamele und die Hintergrundlandschaft sind
von Raffael entlehnt.
Schnorr von Carolsfeld baut seine Komposition „Die Rückkehr aus der
babylonischen Gefangenschaft“ (BILD T105), wie auch schon „Die Wegführung“, aus
den Bildecken heraus auf: Von beiden Seiten strömen die Menschen herbei und
formieren sich zu einem gewaltigen Zug. Links ziehen zwei Frauen einen
Handwagen mit einem betenden, fast verhüllten Mann darauf, rechts weist ein sich
hoch aufgerichteter Mann in Rückansicht mit erhobenen Händen in die Ferne, wo
Jerusalem zu erahnen ist. Die Szenerie erinnert an Géricaults „Floß der
Medusa“ 395 (BILD T28): Durch die Gestik der pyramidal aufgetürmten Gruppe, die
394
Cod. 121, Blatt 288, „Die Juden vor Cyrus“ und „Wiederaufbau des Tempels“, Salzburger
Schule, Erlangen, Universitätsbibliothek.
395
1819, Öl auf Leinwand, 491 x 716 cm, Paris, Musée du Louvre.
130
VERWANDTE BILDMOTIVE
NARRATIVE DARSTELLUNGEN
dem Schiff Argus am Horizont Signale gibt, wird ein Sehnsuchtsmotiv ausgebildet.
Genau das geschieht auch bei Schnorr von Carolsfelds Illustration zu Esra 1, 5.
Wie auf dem Floß, wo neben Verletzten sogar Tote liegen, baut sich hinter dem
gebrechlichen Paar in der rechten Bildecke eine Figurenpyramide auf; die
ausgreifenden Gebärden der heimkehrenden Juden weisen auf das in der Ferne
liegende Jerusalem.
Das Bildmotiv „Die Rückkehr aus dem Exil“ schildert wie die „Wegführung in die
babylonische Gefangenschaft“ und im Unterschied zu den „trauernden Juden“
wiederum ein „Fortschreiten“, zeigt also keinen Zustand, sondern vom Betrachter
wegführende Bewegungsabläufe.
131
VERWANDTE BILDMOTIVE
ALLEGORISCHE DARSTELLUNGEN
4. Allegorische Darstellungen
„Das traurende (sic!) Jerusalem“ von Adam Eberle (1832)
Aus dem Nachlass Adam Eberles gibt es eine unvollendete Zeichnung mit dem
Titel „Das traurende (sic!) Jerusalem“ 396 (BILD T106), die die alttestamentarische
Thematik des babylonischen Exils allegorisch verdichtet. Es ist vermutlich Eberles
letztes Werk. 1840 wurde die Zeichnung durch einen Stich von Joseph Blanz
(1818–1881) in Raczynskis zweitem Band „Geschichte der neueren deutschen
Kunst“ publiziert“. 397 Darunter sind die entsprechenden Bibelstellen vermerkt:
„Jérusalem captive. Die gefangene Jerusalem (Jerem. K. 52) ihrer
übermüthigen Feinde Spott u. Hohn Hesek. 5.15. 22.4. Klagel. 1.5.
2.16) von ihren Propheten gewarnt und bestraft, beweint und
getröstet.“
Eberle stellt das gefangene Jerusalem als Königin dar, die in der Mitte des Blattes
auf den Stufen ihres mit Löwenköpfen verzierten Thrones lagert. Umhüllt von
einem langen Schleier trägt sie eine Krone auf dem geneigten Haupt und blickt zu
Boden. Zu beiden Seiten des Thrones stehen fünf weitere Königinnen. Es sind die
allegorischen Darstellungen der mit Jerusalem verfeindeten Städte, die die
Gefallene in ihrer Erniedrigung verhöhnen. Rechts befinden sich die vier großen
Propheten als Zeugen der Erfüllung des göttlichen Gerichts, welches sie dem
jüdischen Volk vorhergesagt haben. 398 Die linke Bildhälfte schildert das
Geschehen in seiner ganzen Grausamkeit: Tote und Verletzte liegen aufeinander,
während die babylonischen Eroberer jüdische Gefangene, unter ihnen der König,
und die Tempelschätze davonschleppen.
Eberle hat hier eine „Halb allegorische, halb dramatische (…) Komposition“ 399
erfunden, deren gestalterische Wurzel in dem Fresko „Die Zerstörung Trojas“ (BILD
T37), einst im Heroensaal der Münchner Glyptothek zu sehen, seines Lehrers
Cornelius liegt. Wie sich das Geschehen um die Gestalt der trauernden Hekabe
entfaltet, so ist die Personifikation Jerusalems von handelnden Figuren umgeben.
Die bei Cornelius auf der linken Seite dargestellte Rückenfigur des halbnackten
396
Bleistift auf Papier, 42,4 x 58,6 cm, Basel, Kunstmuseum, Kupferstichkabinett.
Vgl. Raczynski 1840, Bd. 2, Bilderheft.
398
Vgl. Raczynski 1840, Bd. 2, S. 225.
399
Neue Lithographien, in: Kunst–Blatt 1837, Nr. 5, S. 20.
397
132
VERWANDTE BILDMOTIVE
ALLEGORISCHE DARSTELLUNGEN
Kriegers, der ein Kind herumschleudert, erfährt bei Eberle in dem jungen Mann,
der einem Kind aufhelfen möchte eine Umkehrung ins Positive.
Die Mischung zwischen Allegorie und Geschichte zeichnet auch seine
Zeichnung „Die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft“ (BILD K24) aus.
Darin findet man rechts eine sitzende Frauenfigur mit Spiegel, die der
Kunsthistoriker Ernst Förster (1800–1885) als die Personifikation Zions deutet. Bei
Eberles Bildschöpfung des trauernden Jerusalems fehlt jedoch die in der
Zeichnung zur „babylonischen Gefangenschaft“ noch vorhandene jenseitige
Komponente. Dafür abstrahiert er in der Personifikation des trauernden
Jerusalems die Darstellung der „trauernden Juden“ und kombiniert sie mit
narrativen Elementen aus dem Bildmotiv der „Wegführung“.
133
VERWANDTE BILDMOTIVE
ALLEGORISCHE DARSTELLUNGEN
„Zion und Babel“ von Eduard Bendemann (1854)
Die jenseitige Komponente wiederum ist bei Bendemanns Komposition von „Zion
und Babel“ 400 (BILD T107) fundamental. „Auf Veranlassung seiner Mutter“ entstand
1854 eine Zeichnung, die ein „großes Freskengemälde“ werden sollte, „dessen
Komposition die in den trauernden Juden begonnene, im Jeremias fortgesetzte
Trias abschließend, die Tochter Zions und die Tochter Babels zeigen soll,“ 401
Der Erhebung Zions links ist der Untergang Babylons gemäß der Prophetie des
Jesaja (47; 52) gegenübergestellt. Die ungleichen Schicksale liegen im frommen
bzw. lasterhaften Wesen der beiden Städte begründet, wie es die Kirchenväter
auslegten. 402 Es handelt sich um eine symmetrische Komposition, die durch einen
Pfeiler in der Mittelachse getrennt wird. Darüber schließt ein halbkreisförmiges
Tympanon ab, in dem sich als jenseitige Komponente die Vollstrecker Gottes
befinden. Auf einem Wolkenband thront mit ausgebreiteten Flügeln und
gezücktem Schwert in der rechten Hand der geharnischte Erzengel Michael, die
linke Hand machtverkündend erhoben. Je drei Engelsboten, zu beiden Seiten
ausgesandt, vollbringen den Willen Gottes.
Es herrscht eine binäre Logik: Bendemann hat eine Allegorie, in der
abbreviaturhaft das jeweilige Geschehen erzählt wird, unter der Komponente des
Jenseitigen subsumiert. Dabei hatte Bendemann mehrere Vorbilder zur Auswahl.
Die Personifikation Jerusalems auf den Stufen des Throns zeigt Eberle schon in
seiner Zeichnung „Das traurende (sic!) Jerusalem“. Ferner das Kaulbachgemälde
„Die Zerstörung Jerusalems“, das für die Unterteilung in eine göttliche und eine
weltliche Ebene wegweisend war, und schließlich die Allegorie–Darstellungen von
Wilhem Schadow, wie z. B. das Gemälde „Pietas und Vanitas“ 403 (BILD T108) von
1842, das alle Komponenten in einer Komposition vereint. Die Parabel der klugen
400
Schwarze Kreide, mittig unten signiert und datiert: „18 EB (ligiert) 54“, links und rechts unten
bezeichnet: „Mache dich auf, mache dich auf Zion. Hinunter in den Staub du Tochter Babel“,
Dresden, Staatliche Kunstsammlungen KStKab. Vgl. Bötticher 1948, Bd. 2, S. 81, Nr. 36.
Inwieweit Bendemanns Komposition einem Ende der 1830er Jahre geplanten Freskenprojekt
entspricht, kann nicht nachgewiesen werden. Bereits August 1837 wurde in der
General-Versammlung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westphalen bestimmt, dass
Bendemann ein großformatiges Bild mit dem Thema „Zion und Babel“ bis zum Jahre 1840 al
fresco ausführen wird; der Ort des Freskos ist jedoch noch unklar. Vgl. Krey 2003, S. 37, Anm.
78.
401
Hagen 1857, S. 348.
402
Siehe S. 7f. in dieser Untersuchung.
403
Öl auf Leinwand, 194 x 144 cm, Bonn, Rheinisches Landesmuseum.
134
VERWANDTE BILDMOTIVE
ALLEGORISCHE DARSTELLUNGEN
und der törichten Jungfrauen wird durch weibliche Personifikationen dargestellt,
die wie in einem Diptychon einander gegenübergestellt sind; in der Lünette über
ihnen befindet sich der segnende Christus in einer Gloriole. Das Gleichnis selbst
wird in zwei Szenen auf den Postamenten der Arkadenbögen gezeigt, unter denen
die Frauen zu sehen sind.
Eberle und Bendemann verwenden in beiden Darstellungen die Allegorie, um
das Ereignis zeitlos zu überhöhen. Der Darstellungsmodus der Allegorie wird mit
dem der Historie kombiniert und zeigt dieselbe Ikonologie die dem Bildmotiv „Die
trauernden Juden im Exil“ zugrunde liegt. August von Hagen hat dies schon im
Zusammenhang mit Bendemanns Oeuvre 1857 bemerkt:
„Bendemann, so scheint es, hatte schon damals, da er die
trauernden Juden malte, den Gedanken gefasst in verschiedenen
Darstellungen ein, den Gegenstand möglichst erschöpfendes
Epos der ihm heiligen Erinnerung zu widmen.“ 404
404
Hagen 1857, S. 347f.
135
RESÜMEE
RESÜMEE
Ausgehend von der Kunst des französischen Klassizisten Jacques-Louis David
entwickelt sich im 19. Jahrhundert in der Malerei eine Ästhetisierung der Trauer,
die unter dem Einfluss der Judenemanzipation in Europa zu einer neuen
Bildschöpfung führt: den „trauernden Juden im Exil".
Die Anfänge des Bildmotivs sind disparat, und es gibt keine kontinuierliche
Bildtradition. Das Motiv taucht erstmalig um das Jahr 400 n. Chr. auf, als der
spanische Dichter Prudentius einen biblischen Bilderzyklus kommentiert. Die
nächsten
fassbaren
Bildzeugnisse
sind
viele
Jahrhunderte
später
die
mittelalterlichen Psalterillustrationen aus dem 9. – 13. Jahrhundert. Wiederum
Jahrhunderte später stellt Michelangelo bei der Ausmalung der Decke der
Sixtinischen Kapelle die Vorfahren Christi und indirekt die babylonische
Gefangenschaft dar. Die statuarische Ruhe und Monumentalität seiner Gestalten
werden für die Malerei des 19. Jahrhunderts richungsweisend. Wandmalereien
des 18. Jahrhunderts in Synagogen spielen für die Entwicklung des Bildmotivs
keine Rolle.
Erst Jacques-Louis Davids „Schwur der Horatier" setzt einen Meilenstein. Zwar
sind hier die Männer das agierende Element, während den Frauen eine passive
Trauerhaltung vorbehalten ist, aber nachfolgende Gemälde präsentieren bereits
trauernde Männer und Frauen, zum einen in großartigen Landschaften, zum
andern in vielfigurigen „Momentaufnahmen“.
Erst mit der 1832 entstandenen Umsetzung Eduard Bendemanns beginnen
eine Typisierung und der eigentliche Triumphzug des Motivs. Kein anderes
Gemälde mit diesem Thema zieht so viele Nachahmungen und Wiederholungen
nach sich, kein anderes Gemälde gewinnt eine solche Popularität und wird mit
einer derartigen Intensität metaphorisch aufgeladen. Bendemann isoliert das
Grundmotiv des Opfers, subsumiert die Trauer als schmerzlichen Seelenzustand
in einem ikonographischen Zusammenhang und sublimiert sie ästhetisch. Damit
überwindet die Darstellung der Trauer ihren attributiven Charakter, den sie noch
bei Davids „Horatierschwur" besitzt. Die Trauer an den Wassern Babylons
entwickelt sich vom Dekorum zu einem wirkmächtigen Topos, der weit bis über die
Grenzen Deutschlands bekannt wird.
136
RESÜMEE
Von Bendemanns Typenbildung ausgehend, einem nach Vischer „lyrischen
Situationsbild“, entwickeln sich zwei Hauptströmungen: die Orientalisierung und
die Emotionalisierung des Weiblichen. Für beide Richtungen ist zunächst die
Komposition Bendemanns richtungsweisend. In der Orientalisierung, die bei
Delacroix kulminiert, wandelt sich das Bildmotiv ab Planet um die Mitte des 19.
Jahrhunderts
durch
das
Hinzufügen
der
Babylonier
zum
Ereignisbild.
Gegensatzpaare werden kontrastierend gegenübergestellt, die sich als würdevolle
Unterdrückte und herrische Unterdrücker manifestieren. In der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts ist besonders bei den englischen Umsetzungen des Motivs ein
verstärkter Hang zur Orientalisierung bis hin zur Archäologisierung zu beobachten,
die mit den damaligen archäologischen Entdeckungen (z. B. Austen Henry
Layards Ausgrabungen in Ninive und Babylon ab 1845) in Zusammenhang steht.
Neben den Figuren wird ein historisch authentisches Ambiente wichtig,
angereichert mit Fundstücken aus den damals aktuellen Ausgrabungsorten in
Assur und Ninive, so bei Solomon, Garvie und Schmalz. Auffällig ist, dass hier die
Polarisierung von babylonischen Machthabern und jüdischen Gefangenen betont
wird.
Währenddessen schlägt der französische Maler Landelle 1861 eine andere
Richtung ein, die sich auf die Frau als Ausdrucksträgerin konzentriert und den
Aspekt
des
Erotischen
ohne
orientalisierende
Elemente
hervorhebt.
Im
Unterschied zu den "trauernden Juden" als orientalisiertes Ereignisbild fehlt die
Darstellung der Babylonier. Mit der Emotionalisierung des Weiblichen beginnt in
der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Entwicklung, welche die Frau sukzessive
als Hauptperson in den Mittelpunkt des Motivs stellt und im 1885 entstandenen
Gemälde des Franzosen Lagarde kulminiert, der die erotische Frau mit der
mütterlichen Frau in seiner Darstellung verbindet.
Mit dem ausgehenden Jahrhundert versiegen die beiden Strömungen, die das
Bildmotiv der "trauernden Juden" beinahe ein ganzes Jahrhundert lang getragen
haben. Die zum Teil opulente Farbigkeit weicht einer reduzierten Farbgebung so
bei Ury, Lilien und Denis. Im 20. Jahrhundert sind die Nachwirkungen des
Bildmotivs so disparat wie seine Anfänge. Es äußert sich in den unterschiedlichen
avantgardistischen Kunstformen: in der Kunst der Nabis bei Denis, im Jugendstil
bei Lilien, in der Abstrakten Kunst bei Klee und Hayman bis hin zu den
137
RESÜMEE
Ausdrucksformen der Naiven Kunst bei Collins und Bauchant. Erst die englische
Künstlerin Benenson geht in ihrer kleinformatigen Zeichnung zurück zu der
traditionellen Darstellung, die mit Bendemann ihren Anfang nahm.
Der Vergleich mit den thematisch verwandten Werken zeigt, dass im 19.
Jahrhundert kein anderes Motiv eine derartige Nachfolge gefunden hat und
vielfach von Künstlern aus ganz Europa aufgegriffen wurde.
Das Motiv ist auch heute noch in der Malerei zu finden. Es hat die Grenzen
Europas überschritten und ermöglicht dem Betrachter neue Sichtweisen und
Interpretationen.
138
KURZE ZUSAMMENFASSUNG
KURZE ZUSAMMENFASSUNG
Ausgehend von der Kunst des französischen Klassizisten Jacques-Louis David
entwickelt sich in der Malerei eine Ästhetisierung der Trauer, die unter dem
Einfluss der Judenemanzipation in Europa zu einer neuen Bildschöpfung führt:
den „trauernden Juden im Exil“.
Die Anfänge des Bildmotivs sind disparat und es gibt keine kontinuierliche
Bildtradition. Erst mit der 1832 entstandenen Umsetzung von Eduard Bendemann
beginnt die Typisierung und der eigentliche „Triumphzug“ des Motivs. Bendemann
isoliert das Grundmotivs des Opfers, subsumiert die Trauer als schmerzlichen
Seelenzustand in einem ikonographischen Zusammenhang und sublimiert sie
ästhetisch. Damit hat sich die Darstellung der Trauer vom Dekorum zu einem
wirkmächtigen Topos entwickelt.
Von
Bendemanns
Typenbildung
ausgehend,
einem
handlungslosen
Situationsbild, entwickeln sich zwei Hauptströmungen: die Orientalisierung und die
Emotionalisierung des Weiblichen. In beiden Strömungen ist zunächst die
Komposition Bendemanns richtungweisend. In der Orientalisierung des Bildmotivs
wandelt sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts das Situations– zum Ereignisbild.
In der zweiten Hälfe des Jahrhunderts ist vor allem bei den englischen
Umsetzungen des Motivs der Hang zur Archäologisierung zu beobachten, der mit
den damaligen archäologischen Entdeckungen in Zusammenhang steht.
Währendessen wird in Frankreich eine andere Richtung eingeschlagen, die sich
auf die Frau als Ausdrucksträger konzentriert und den Aspekt des Erotischen ohne
orientalisierende Motive hervorhebt.
Mit dem ausgehenden Jahrhundert versiegen beiden Strömungen, die das
Bildmotiv der „trauernden Juden“ beinahe ein ganzes Jahrhundert getragen
haben. Die Nachwirkungen im 20. Jahrhundert sind genauso disparat wie die
Anfänge des Bildmotivs. Sie äußern sich in der jeweiligen avantgardistischen
Kunstform.
Das Motiv ist auch heute noch in der Malerei zu finden. Es hat die Grenzen
Europas überschritten und ermöglicht dem Betrachter neue Sichtweisen und
Interpretationen.
139
SUMMARY
SUMMARY
Basing on the spreading emancipation of the Jews in Europe and influenced by
the French neo-classicist Jacques-Louis David, a new subject matter was created
in European painting aestheticizing the pictorial representation of mourning: “The
Mourning Jews in Exile” or “By the Waters of Babylon”.
Throughout the centuries the instances of the motif are few and far between. It
was as late as in 1832 that Eduard Bendemann established a typification and set a
standard with his most famous painting “Die trauernden Juden im Exil” and the
actual triumph of the motif began. Bendemann isolated the basic motif of mourning
by showing it as a painful state of mind in an iconographic context and sublimated
it aesthetically. Thus the representation of mourning developed from decorum to
powerful and effective topos.
Based on Bendemann’s typification of picturing a situation without action, two
main
currents
of
painting
developed:
the
“Orientalization”
and
the
“Emotionalization of Femineity”. First Bendemann’s composition was trend-setting
for both tendencies. Yet in the middle of the 19th century, the orientalizing branch
changed the picture expressing a situation into a picture showing an action. In the
second half of the 19th century the English painters tended to introduce
archeologically correct details in connection with the archeological findings in
Babylon and Nineveh.
In the meantime, in France the painters concentrated on woman as medium of
expression emphasizing the erotic aspect without any orientalizing motifs.
Towards the end of the 19th century both currents petered out though they had
nourished the motif through almost a whole century. Just like in the beginnings we
only find a few instances of the motif in the 20th century in their respective artistic
avant-garde forms.
The motif crossed the European borders and can nowadays be found in
different parts of the world. The beholder is invited to discuss new perspectives
and interpretations.
140
ANHANG
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S.: Seite
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Mitwirkung von etwas 400 Fachgelehrten bearbeitet und redigiert von Vollmer,
Hans, Kreplin, B.C., Müller, J., Scheewe, S., Wolff, H., Kellner, O., hrsg. von
Vollmer, Hans, 37 Bde., Leipzig 1907–1950.
Abkürzungen der verwendeten biblischen Bücher
Die Schriften des Alten Testaments
Die Bücher der Geschichte des Volkes Gottes
Gen
1 Kön
2 Kön
1 Chr
2 Chr
Esra
Neh
Est
Genesis (1 Mose)
Das erste Buch der Könige (= 1 Sam Das erste Samuel)
Das zweite Buch der Könige (= 2 Sam Das zweite Samuel)
Das erste Buch der Chronik
Das zweite Buch der Chronik
Das Buch Esra
Das Buch Nehemia
Das Buch Ester
Die Bücher der Lehrweisheit und die Psalmen
Hiob
Ps
Das Buch Hiob
Die Psalmen
Die Bücher der Propheten
Jes
Jer
Klgl
Ez
Dan
Hos
Das Buch Jesaja
Das Buch Jeremia
Die Klagelieder
Das Buch Ezechiel
Das Buch Daniel
Das Buch Hosea (Osee)
Die Schriften des Neuen Testaments
Die Evangelien
Mt
Mk
Joh
Das Evangelium nach Matthäus
Das Evangelium nach Markus
Das Evangelium nach Johannes
Abkürzung des antiken Geschichtswerkes
Jos Flav Antiquitates
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142
ANHANG
QUELLEN
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VI. KATALOG DER WERKE
WILLIAM BLAKE
1. WILLIAM BLAKE (1757–1827)
A. By the Waters of Babylon, 1806
Bild K1
Wasserfarbe, schwarze Tinte auf Papier
40,4 x 38,1 cm
Signatur unten rechts: 1806 WB inv
Provenienz: 1943 Hinterlassenschaft von
Grenville L. Winthrop
Harvard University Cambridge, Fogg Art Museum
Der 1757 in London geborene und aus ärmlichen Verhältnissen stammende Dichter und
Maler William Blake, der mit 14 Jahren eine Lehre bei dem Graveur James Basire (1730–
1802) begann, wollte nicht nur als Kupferstecher fremder Entwürfe sein Geld verdienen.
Früh schon behauptete er, Visionen gehabt zu haben und beschäftigte sich mit der Bibel,
den Büchern der Propheten und den Dichtungen John Miltons (1608–1674). 1779 schrieb
er sich an der Royal Academy ein, an der er den Neoklassizisten John Flaxman (1755–
1826) und den Schweizer Romantiker Henry Fuseli (Johann Heinrich Füssli 1723–1792)
kennenlernte. Die Arbeiten beider Künstler sollten später sein Wirken beeinflussen. 1 Als
„eccentric but very ingenious artist“ 2 machte sich William Blake als Buchillustrator einen
Namen.
Im Jahre 1799 erhielt Blake von Hauptmann Thomas Butts (1757–1845) 3 , der zu
Blakes wichtigstem Mäzen wurde, den Auftrag, fünfzig Temperagemälde zu biblischen
Themen für je eine Guinee zu malen. 4 Den Temperagemälden folgten ab 1800 über 80
Aquarelle. Insgesamt gestaltete Blake für Thomas Butts über 135 Werke zur Bibel. 5 Als
Butts 1845 starb, sammelten zwei Männer die Illustrationen zur Bibel: William Michael
Rossetti (1829–1919), der Bruder von Dante Gabriel Rossetti (1828–1882), hatte 1863
eine Liste von Blakes Werken angefertigt; und W. Graham Robertson, der zwischen 1884
und 1940 ca. ein Viertel der Bilder erworben hatte. Im Juli 1949 wurde die Robertson
Blake Collection bei Christie’s, London, versteigert. 6
Das kleinformatige, nahezu quadratische Blatt „By the Waters of Babylon“ zeigt
eine achsensymmetrische Komposition der Figuren: Juden, die Psalm 137 singen.
Es treten groß gesehene Figuren in einem flächenverhafteten Lineament auf. Jenseits des Flusses, der am unteren Bildrand entlang läuft, sitzt im Vordergrund –
1
2
3
4
5
6
Vgl. Sanders, Lloyd, C. (Hg.): Celebrities of the Century: Being a Dictionary of Men
and Women of the Nineteenth Century, Vol. 2, London 1887.
Watkins, John, Shobel, Frederic: A Biographical Dictionary of the Living Authors
of Great Britain and Ireland: Comprising Literary Memoirs and Anecdotes of their Lives, and a
Chronological Register of their Publications, with a Number of Editions printed, London 1816.
Zwischen 1803 und 1810 erbrachten Blake die Illustrationen 400 Pfund. Vgl. dazu Bentley, Gerald Eades Jr.: The Stranger from Paradise, 2001, S. 186.
Vgl. Blakes Brief an seinen Freund George Cumberland vom 26. August 1799, in: Keynes,
Geoffrey (Hg.): The Letters of William Blake, New York 1956, S. 37ff.
Vgl. Butlin, Martin: William Blake, London 1978, S. 86; ders.: The Paintings and Drawings of
William Blake, New Haven, London 1981, Bd. 1, S. 317.
Vgl. Keynes, Geoffrey: William Blake’s Illustrations to the Bible, Clairvaux 1957, S. 22, S. 10;
Butlin 1981, Bd. 1, S. 348.
1
VI. KATALOG DER WERKE
WILLIAM BLAKE
von stehenden Personen umgeben – die zusammengekauerte Gestalt eines Alten
mit seiner Familie unter einer Weide. Über ihren Köpfen öffnet sich der Ausblick
auf eine Stadt, durch die sich der von Booten befahrene Fluss bis zu einer fernen
Hügellandschaft windet. An seinen Gestaden erheben sich mehrstöckige Säulenhallen mit Kuppeln. Trotz der Aussicht in die Ferne herrscht keine Tiefenräumlichkeit, sondern eine bildparallele Anordnung, so dass alle Raumvorstellungen an
Gebärde und Konturierung der Personen gebunden sind.
Ausgangspunkt ist der bärtige Mann, der mit angezogenen Beinen an dem
mächtigen Stamm des Baumes lehnt, dessen einziger sichtbarer Ast den Blick auf
den Himmel verdeckt. Das übrige Laubwerk ist vom oberen Bildrand überschnitten. Am bloßen Fuß des Alten – den anderen verdeckt sein langes Gewand – ist
eine Eisenfessel angebracht, die ihn an den zusammengesunkenen Leidensgenossen daneben kettet. Er hält die Arme verschränkt vor die Brust und blickt mit
gebeugtem Haupt in das Antlitz seines Zwingherrn.
Seine Sippe, die sich zur linken Seite hin sukzessive an Größe und Alter verjüngt, drängt sich angsterfüllt an seine Seite. Hinter der Person, die ihren Kopf in
den Schoß vergräbt, sieht man das Gesicht einer Frau. Vier Kinder, in lange Gewänder gehüllt, die sogar ihre Füße verdecken, stehen aneinandergeschmiegt bei
der Mutter. Das Mädchen, das ihr am nächsten ist, drückt den Kopf, die Augen
geschlossen, an ihre Wange. Der kleinste, vom Arm der Schwester umfasst, kniet
und blickt mit erhobenem Kopf aufmerksam zu zwei weiteren männlichen Gefangenen. Nur mit einem Lendentuch bekleidet stehen diese angekettet, mit verschränkten Beinen auf ein langes Ruder gestützt, entspannt da. Ihre Gesichter mit
dem kurzgelockten Haupthaar tragen klassische Züge. Der Vordere beobachtet
mit zusammengezogenen Augenbrauen die auf dem Wiesenstück kauernde Trauergemeinschaft. Der Hintere, fast gänzlich vom rechten Bildrand überschnitten,
schaut sinnierend zu Boden.
Diesen beiden gegenüber steht eine Gesandtschaft Babylons: in vorderster
Reihe König Nebukadnezar, der sowohl das ikonographische als auch das formale
Pendant zur Gruppe der Juden bildet. Der bärtige König, der sich durch eine
schlichte Krone und ein Zepter in der Hand auszeichnet, trägt als Einziger ein farbiges, nämlich rotes Gewand, das seinen Körper in Manier der nassen Gewandung antiker Plastik umspielt. Neben ihm, zur Bildmitte gestaffelt, stehen die ranghöchsten Personen in Dreiviertelansicht: zunächst ein Feldherr in kunstvoll ge2
VI. KATALOG DER WERKE
WILLIAM BLAKE
schmiedeter Rüstung, das Haupt mit Lorbeer bekränzt. In seiner rechten Hand hält
er – wie seine Soldaten dahinter – einen Speer. Die Spitzen reichen bis zum oberen Bildabschluss. Zu ihm gehört die prächtig in weiß gekleidete Dame, deren
Hand er hält. Sie trägt einen auffälligen Kopfputz: eine Art Turban mit Feder. Ihr
Gewand ist nicht minder verziert: Das dekolletierte Kleid ist an den Rändern mit
einer Rundbogenborte versehen. Mit ihrem linken ausgestreckten Arm weist sie
auf die Instrumente, die im Baum hängen: eine Harfe, ein Shofar, eine Schalmei
und eine Lyra. Dabei blickt sie fordernd den Alten an, von dem der Blick des Betrachters seinen Lauf genommen hat.
Literatur
Gilchrist 1907, S. 491, Nr. 4. · Figgis 1925, Abb. 84. · Keynes 1957, S. 22, Abb.
Nr. 78. · Blunt 1959, S. 70, 107. · Bindman 1977, S. 209. · Butlin 1981, Bd. 1, S.
348f., Nr. 466, Bd. 2, Abb. 541.
·
Entwurf
B. By the Waters of Babylon, 1805/06
Indische Tusche auf Papier
24,5 x 17,5 cm
Provenienz: Mrs. Alexander Gilchrist,
1893 anonymer Verkauf bei Sotheby’s
Seit 1893 verschollen
Diese Tuschzeichnung, zu der es weder Informationen noch eine Abbildung gibt,
ist seit dem anonymen Verkauf bei Sotheby’s 1893 verschollen. Vermutlich ist das
Blatt in private Hände gelangt.
Literatur
Butlin 1981, Bd. 1, S. 608, Nr. 842.
3
VI. KATALOG DER WERKE
GIUSEPPE BOSSI
2. GIUSEPPE BOSSI (1777–1815)
A. Super Flumina Babilonis, ca. 1810–15 7
Bild K2
Wasserfarbe, Feder laviert auf Papier
64,7 x 96 cm
Unsigniert
Provenienz: 1920 Vermächtnis des Cristoforo
Bellotti 8
Mailand, Gabinetto dei Disegni
Der 1777 in der Nähe von Mailand geborene klassizistische Maler, Literat und Kunstsammler Giuseppe Bossi erlangte Berühmtheit durch die Kopie von Leonardo da Vincis
Abendmahl in S. Maria delle Grazie, die er 1807–09 im Auftrag des Vizekönigs Eugène
Beauharnais anfertigte. 9 Seine künstlerische Ausbildung erhielt er an der Akademie in
Mailand, u.a. bei Andrea Appiani (1754–1817), mit dem er später die Pinacoteca di Brera
gründete. Ab 1795 folgte ein längerer Rom–Aufenthalt. Als Bossi 1801 nach Mailand
zurückkehrte, gewann er den Concorso della Riconoscenza mit seinem Gemälde „La
Riconoscenza della Repubblica Cisalpina a Napoleone“ (zerstört). Als Vertreter der
Akademie in Paris machte er die Bekanntschaft von Jacques Louis David (1748–1825).
Dieser und vor allem die Kunst der Renaissance beeinflussten sein Schaffen maßgeblich. 10 Der Künstler besaß eine bedeutende Sammlung von Zeichnungen, u.a. das
Skizzenbuch Raffaels, das 1822 von der Accadèmia in Venedig erworben wurde. 11
Die figurenreiche, querformatige Zeichnung gehört vermutlich zu Bossis letzten Werken
und ist unvollendet. 1815, bereits an Schwindsucht erkrankt, malte er in der Villa Melzi in
Bellagio zusammen mit Giuseppe Lavelli und Carlo Prayer (1789–1832) Grisaillebilder, 12
zu denen dieses Blatt vermutlich gehört.
An den Ufern des Euphrat lagern unter Bäumen mehrere Gruppen von Juden. Die
Stadt Babylon, von der nur die Umrisse einiger Gebäude mit Portiken zu erkennen
sind, liegt erhöht auf der rechten Seite. Der Fluss, der von rechts aus dem Bildmittelgrund kommend eine Biegung macht, verläuft diagonal von der rechten Bildecke
7
8
9
10
11
12
Die Angaben über die Zeichnung verdanke ich Frau Arnalda Dallaj, Conservatore del Gabinetto
dei Disegni del Castello Sforzesco di Milano.
Vgl. Nenci, Chiara: Le Memorie di Giuseppe Bossi. Diario di un Artista nella Milano Napoleonica
1807–1815, Mailand 2004, S. 148, Anm. 418.
Vgl. Ost, Hans: Das Leonardo–Porträt in der Königlichen Bibliothek Turin und andere Fälschungen des Giuseppe Bossi, Berlin 1980. Der Karton, der sich ehemals in Mailand, Museo del Castello Sforzesco befand, ist zerstört. Siehe außerdem Fehl, Philipp: In Praise of Imitation: Leonardo and his Followers, in: Gazette des Beaux–Arts, 1995, Bd. 126, S. 6–12.
Vgl. De Tibaldo, Emilio: Biografia degli italiani illustri: nelle scienze, lettere ed arti del secolo
XVIII, e de’ contemporanei. Venezia 1835; AKL 1996.
Vgl. Haskell, Francis: Wandel der Kunst in Stil und Geschmack, Ausgewählte
Schriften, Köln 1990, S. 279: „1822 ermöglichten die österreichischen Behörden der Accadèmia
in Venedig, die große Sammlung von Zeichnungen zu kaufen, die der aus Mailand stammende
klassizistische Maler Giuseppe Bossi erworben hatte. Darunter befand sich auch das berühmte
>Skizzenbuch Raffaels<, das über Generationen hinweg in allen Studien über den Künstler eine
entscheidende Rolle gespielt und dabei für große Verwirrung gesorgt hat, sowie zahlreiche andere Zeichnungen von unterschiedlicher Qualität“.
Vgl. Nagler 1835, Bd. 2; Zatti, Susanna, Stolzenburg, Andreas: Art. zu „Bossi“, in: AKL 1996,
Bd. 13.
4
VI. KATALOG DER WERKE
GIUSEPPE BOSSI
in den Hintergrund, so dass sich bildparallel zwei Uferstreifen, ein diesseitiger und
ein jenseitiger ausbilden. Auf dem diesseitigen Vordergrundstreifen setzen zwei
dicht nebeneinander stehende Weiden, deren Stämme in entgegengesetzte Richtungen gewachsen sind, einen vertikalen, links neben der Mittelachse liegenden
Akzent. Ihr hängendes Blattwerk ist nur angedeutet und vom oberen Bildrand
überschnitten.
In einem Ast des schräg in die Mitte ragenden Baumes hängt ein Psalter, ein
dreieckig geformtes Instrument mit zwei Stäben. Rechts ist der Blick auf den Fluss
freigelassen. Kontrastreich heben sich die angedeuteten zweidimensionalen Umrisslinien der oberen Bildhälfte von dem plastisch gehaltenen Vordergrundstreifen
ab. Dieser verläuft über die gesamte Bildbreite und ist von Männern, Frauen und
Kindern belebt, die in vielfältigen Gesten und Haltungen ihrem Kummer Ausdruck
verleihen. Durch die Schattengebung wird deutlich, dass das Licht von links auf
die Szenerie fällt.
Obwohl der Schwerpunkt des Bildes im linken Bereich liegt, lenkt das Bildpersonal in einem kontinuierlichen Rhythmus von Bewegung und Gegenbewegung
die Blickrichtung des Betrachters vom diesseitigen Ufer an den Bäumen vorbei
zum jenseitigen Ufer im Bildmittelgrund und zur Stadt. Den Anfang macht rechts
die liegende Figur in Rückansicht, die den Kopf in den Armen vergräbt. Neben ihr
sitzt ein Paar in nahezu symmetrischer Körperhaltung auf einem Felsvorsprung.
Sie sitzen mit dem Rücken gegeneinander, wenden sich aber beide in einer Vierteldrehung dem Betrachter zu. Der bärtige Mann stützt sich dabei mit dem rechten
Arm auf dem Stein ab. Seine linke Hand umgreift eine Harfe, die nur teilweise zu
sehen ist. Die Frau lagert mit verschränkten Füßen an seiner Seite. Ein Tuch bedeckt ihre Hüften, der Rest des Körpers ist entblößt.
Schräg hinter ihr befinden sich drei Personen, die einen Halbkreis bilden. Ein
nackter Mann in halber Rückansicht sitzt mit ausgestreckten Beinen und zusammengesunkenem Oberkörper auf einem ausgebreiteten Tuch und verbirgt sein
Gesicht am Stamm des Baumes. Die Haare fallen seitlich herab. Sein Arm, den er
über dem Kopf an den Stamm lehnt, bildet mit dem Rücken einen Bogen, der seine Muskeln hervortreten lässt. Unmittelbar hinter ihm, vornübergebeugt, steht ein
weiterer Mann. Vollständig in ein Gewand gehüllt, sucht er mit dem rechten Arm
Halt am Baum, während er sich – in einer Geste des Schmerzes – auf die Finger
beißt. Gegenüber im Halbschatten, genau in der Mittelachse des Bildes, erkennt
5
VI. KATALOG DER WERKE
GIUSEPPE BOSSI
man die Umrisse einer halb liegenden, nackten Frau, die sich verzweifelt mit beiden Händen den Kopf hält und klagt.
Neben diesen drei Trauergestalten nimmt die linke Bildecke eine größere Gruppe von Juden ein, die aus einem bärtigen Greis, zwei Frauen und drei Kindern
besteht. Dicht zusammengedrängt drücken sie ihr Leid auf unterschiedliche Weise
aus. Der alte Mann schließt, als Pendant zu der liegenden Gestalt am rechten
Bildrand, die Figurenfolge des Vordergrundstreifens ab. Er sitzt gebeugt, dem Betrachter in Profilansicht gezeigt, auf einem Steinblock. Mit beiden Armen umfängt
er zwei nackte Kinder, die sich schutzsuchend an ihn schmiegen. Neben ihm stehen zwei Frauen in Frontalansicht und öffnen die Gruppe zu einem Halbkreis.
Während die eine mit ihrem rechten Arm den Hals des Mannes berührt und still
mit geneigtem Kopf trauert, schluchzt ihre Leidensgenossin, die Arme zum Himmel reckend, auf. Die Gewänder beider Frauen sind nach unten gerutscht und lassen ihre Brüste zum Vorschein kommen. Ein kleiner Junge drängt sich an seine
jammernde Mutter. In Schrittstellung zerrt er am Kleid der Frau und blickt dabei
direkt aus dem Bild. Seine nackte Gestalt schließt den Figurenbogen nach rechts
ab.
In der zweiten Bildebene, etwas erhöht links hinter der trauernden Gemeinschaft, sitzt ein mit einem Lendentuch bekleideter Mann am Boden. In der Pose
eines antiken Flussgottes präsentiert er seinen athletischen Oberkörper dem Betrachter. Dabei hält er mit ausgestrecktem Arm seine Harfe zwei Männern hin, die
damit beschäftigt sind, Instrumente in die Äste des Baumes zu hängen. Doch der
eine – ihm den Rücken zuwendend – hat die dargebotene Harfe noch nicht bemerkt. Sein Profil scheint zugleich mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Sein
Begleiter geht ihm zur Hand. Zwischen der Armspanne der mächtigen, sitzenden
Männergestalt und der Rückenfigur am Baum öffnet sich ein Durchblick auf den
Fluss. Ein Boot mit zwei Insassen und einer Person, die sich in das Ruder stemmt,
erscheint im Hintergrund.
Nun versperren die Stämme der Weiden die Aussicht auf das jenseitige Ufer.
Lässt man den Blick weiter schweifen, erspäht man die vagen Umrisse von fünf
Personen. Unmittelbar am Wasser befinden sich zwei Frauen, erkennbar an ihren
entblößten Brüsten. Die linke kniet und scheint sich den Rücken zu waschen, während die andere auf ihr Kind aufpasst, das mit einer Harfe spielt. Zwei in Mäntel
gehüllte Gestalten beugen sich von hinten über die Frauen. Daneben sieht man
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VI. KATALOG DER WERKE
GIUSEPPE BOSSI
eine Gruppe von drei Personen in langen Gewändern. Sie bilden einen Kreis, indem sie sich gegenseitig umarmen und ihre Köpfe zusammenstecken, als würden
sie sich Trost zusprechen. Im Gegensatz dazu scheinen die Männer daneben in
Aufruhr zu sein. Der vorderste sitzt noch am Boden, während die anderen schon
aufgesprungen sind. Alle vier, in Profilansicht gezeigt, deuten mit ausgestreckten
Armen auf das für den Betrachter Ungewisse und Unsichtbare.
Literatur
Bedoni 1980/81, Nr. 69.
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VI. KATALOG DER WERKE
FERDINAND OLIVIER
3. FERDINAND OLIVIER (1785–1841)
A. Landschaft mit trauernden Juden, 1825/30
Bild K3
Öl auf Leinwand
98 x 132 cm
Unsigniert
Rahmen mit Schrifttafel: An den Wasserflüssen Babylons saßen wir und weinten, wenn
wir an Zion dachten
Provenienz: 1926 Erwerb von der Galerie
Burg, Köln
Lübeck, Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck
Ferdinand Olivier wurde 1785 in Dessau geboren. Er war der jüngste Bruder von Heinrich
(1783–1848) und Friedrich Olivier (1791–1851). Mit Heinrich verbrachte er zwei Jahre in
Dresden, wo sie die Werke von Jacob van Ruisdael (1628–1682) und Claude Lorrain
(1600–1682) kopierten. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er von Jacob Wilhelm
Mechau (1745–1808) und Carl Ludwig Kaaz (1776–1810), beides Vertreter der idealen
Landschaftsmalerei. Seit 1811 war er in Wien tätig, wo er nachhaltig von Joseph Anton
Koch (1768–1839) beeinflusst wurde, einem wichtigen Vermittler zwischen idealisierter
und romantischer Landschaftsmalerei. Unter Kochs Einfluss entwickelte er eine historische
Landschaft, in der biblische, mythische oder einheimische Figuren den Raum erschließen.
Obgleich ihm eine unmittelbare Italienerfahrung fehlte, unterhielt er lebhafte Beziehungen
zu Overbeck und dessen Kreis, so dass er 1817 in die Lukasbrüderschaft aufgenommen
wurde. 1830 folgte er seinem Bruder Friedrich nach München, wo er ab 1833 bis zu
seinem Tode als Professor an der Kunstakademie arbeitete. 13
Das Gemälde „Landschaft mit trauernden Juden“ entstand im Auftrag von Johann
Friedrich Heinrich Schlosser (1780–1851), der Oliviers erster Mäzen war, für Stift Neuburg
bei Heidelberg. 14 Es zeigt seinen Stilwandel zur klassischen Landschaft 15 und basiert zum
Teil auf Skizzen, die sein Bruder Friedrich in Italien anfertigte. 16
13
Vgl. Schaden, Adolph (Hg.): Artistisches München im Jahre 1835, München 1836; Friedrich
August, Voigt, Bernhard Friedrich (Hg.): Neuer Nekrolog der Deutschen, Illmenau 1841; Nagler
1841, Bd. 11; ThB 1932, Bd. 26; Börsch–Supan, Helmut: Die Deutsche Malerei von Anton Graff
bis Hans von Marées 1760-1870, München 1988, S. 207ff.; Leuschner, Vera: Art. zu “(2) Johann Heinrich Ferdinand Olivier”, in: Dict. of Art 1996, Bd. 23.
14
Vgl. Grote, Ludwig: Die Brüder Olivier und die Deutsche Romantik, Berlin 1938, S. 335. In Suhr,
Norbert: Friedrich Schlosser als Förderer der Künstler, in: Hinkel, Helmut (Hg.): Goethekult und
katholische Romantik, Fritz Schlosser (1780–1851), Mainz 2002, S. 251 ist nicht mehr die Rede
von einem Auftragswerk, sondern lediglich von einer Erwerbung eines weiteren Hauptwerks
Ferdinand Oliviers „Die trauernden Juden an den Wassern Babylons“. Der Autor weist aber anfangs auf die ungünstige Quellenlage und die nicht mehr existierenden Gemäldeverzeichnisse
der Kunstsammlung Stift Neuburg hin. Grote 1938, S. 388 kannte noch ein solches Verzeichnis
von 1842. Die allgemein in der Literatur vertretene Meinung, dass es sich um ein Auftragswerk
Fritz Schlossers handelt, könnte somit den Tatsachen entsprechen. Doch warum Schlosser ein
Werk mit solcher Thematik in Auftrag gegeben hat, bleibt ungeklärt. Denn er konvertierte 1814
in Wien zum Katholizismus, dem Beispiel seines Bruders Christian Friedrich folgend.
15
Vgl. Suhr 2002, S. 251.
16
Vgl. Leuschner, in: Dict. of Art 1996, Bd. 23.
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VI. KATALOG DER WERKE
FERDINAND OLIVIER
In einer klassischen Ideallandschaft mit flachem, sich windendem Wasserlauf, der
von Bäumen und Buschwerk umstanden ist, lagern trauernde Juden in Gruppen
vereint an den Ufern. Im Hintergrund erhebt sich das von einer massiven Stadtmauer umgebene Babylon mit antik anmutenden, monumentalen Bauwerken. Die
zinnenbekrönten Türme des Befestigungswalls, Kirchtürme und eine weiße Kuppel
setzen Akzente. Rechts ist unter den Bäumen hindurch der Blick in die Ferne freigegeben, in der die Silhouette eines Turmes zu erahnen ist.
Über das stimmungsvolle Firmament der rechten Bildhälfte spannt sich ein Regenbogen, während mittig die sonnendurchfluteten Wolken sich auflösen und den
blauen Himmel durchscheinen lassen. Im Gegensatz zu dem in strahlendes Licht
getauchten Profil der Stadt erscheint der Vordergrund im Schatten. Die dunklen
Töne des braunen Flussufers und die grün–schwärzlichen Schattierungen des
Laubes dominieren das Bild. Der Fluss, der sich von rechts in den Bildmittelgrund
schlängelt, wo sich ein Aquädukt auf der Wasseroberfläche spiegelt, hat einen
Ausläufer, der parallel zur Bildebene den Vordergrundstreifen bildet.
Am Gestade des Flussarmes haben sich links sechs Juden versammelt. Vier
davon, zwei Männer und zwei Frauen, sitzen mit trübsinnig gesenktem Blick am
Boden, zwei weitere dahinter hängen ihre Harfen in die Äste eines Baumes, der,
vom linken und oberen Bildrand überschnitten, die Funktion eines rahmenden
Bildelementes innehat. Die zentrale Figur dieser Gruppe, ein barhäuptiger Greis
mit langem Bart und Kummerfalten auf der Stirn, sitzt frontal zum Betrachter, seine
Arme auf die Knie gestützt. Mit niedergeschlagenem Blick verleiht der Alte, der ein
Buch neben sich liegen hat, seinem Leiden Ausdruck. Sein orangerotes Untergewand wird zu einem großen Teil von einer dunkelblauen Tunika überdeckt, die von
seiner linken Schulter faltenreich über seine Beine fällt. Zu seiner Linken sitzen
zwei Frauen. Die Vordere, im Halbprofil gezeigt und dem brütenden Alten zugewandt, ist von Kopf bis Fuß in ein graues Gewand gehüllt. Ihren Kopf hat sie in die
linke Hand gestützt und blickt mit zusammengezogenen Augenbrauen als Zeichen
der Trauer auf das Wasser. Der rechte Arm liegt kraftlos auf ihrem Knie. Schräg
hinter der Frau sieht man den Oberkörper einer von Kummer gebeugten Gestalt.
Dunkle Tücher, die das Haupt umgeben, verdecken fast vollständig das zu Boden
gewandte Gesicht.
Das Pendant zu den beiden Frauen bildet ein jüngerer, halb liegender Mann,
dessen rechter Arm auf einer Harfe ruht. Die Beine angezogen, sein Musikinstru9
VI. KATALOG DER WERKE
FERDINAND OLIVIER
ment als Stütze, tut er es den anderen gleich und gibt sich seinem unglückseligen
Schicksal mit schmerzvoller Miene hin. Die Farben seiner Bekleidung sind konträr
zu der des alten Mannes, dem er zugewandt ist.
Unmittelbar dahinter, kontrastierend zu der unglücklichen, nahezu vor Schmerz
erstarrten Sitzgruppe, sind zwei Männer damit beschäftigt, ihre Harfen in den
Baum zu hängen. Der eine, im Profil präsentiert, trägt einen roten Überwurf und
eine Judenkappe. Mit beiden Händen hebt er bedächtig sein Saiteninstrument auf
einen Ast. Eine weitere männliche Figur, schräg hinter ihm in den Schatten getaucht, macht es ihm nach.
Von da wandert der Blick des Betrachters in größere räumliche Tiefen, um gegenläufig von rechts nach links den Mittelgrund zu durchschweifen, wo Juden an
Uferböschungen gemeinsam ihr Schicksal beklagen. Dabei erspäht man rechts
die Rückansicht einer parallel zum Bildgrund liegenden männlichen Gestalt, deren
rostrote Bekleidung einzig die bloßen Füße unbedeckt lässt. Verzweifelt vergräbt
er den Kopf in den Armen. Eine weitere männliche Figur scheint besänftigend auf
den Unglücklichen einzureden und deutet dabei hoffnungsvoll mit dem Zeigefinger
seiner rechten Hand in die lichtüberströmte Ferne, die die Bäume jenseits des
Flusses freigeben. Da sich dieser Mann auf einer abschüssigen Uferböschung
befindet, auf der er sich mit seinem linken Arm aufstützt, ist nur sein in einen türkisfarbenen Umhang gehüllter Oberkörper sichtbar.
Von dem dunklen Uferstreifen geht der Blick des Betrachters nun wieder nach
links, tiefer in den Mittelgrund, wo man auf einem helleren Wiesenstück noch vier
Personen ausmacht. Ihre Gebärden vermitteln den Eindruck, als würden sie lebhaft, wohl über ihre auswegslose Situation, diskutieren. Der von hinten dargestellte Mann, gekleidet in eine kurze Tunika und phrygische Mütze, gestikuliert, in
Schritthaltung leicht nach vorne gebeugt. Auch sein Begleiter, ganz in blau mit
Kappe, wendet sich zu dem Paar, das zu ihren Füßen am Rande des Wassers
sitzt. Die Frau zieht mit ihrer resignierten Pose den Blick des Betrachters auf sich.
Das rechte Bein angewinkelt und das linke ausgestreckt, stützt sie ihr Haupt mit
der linken Hand, während ihr anderer Arm kraftlos herabhängt. Ihr Leidensgenosse hingegen wendet sich um und scheint an der Konversation der beiden Männer
teilzunehmen.
Folgt man nun dem Lauf des von Büschen und Bäumen gesäumten Flusses
weiter in Richtung der befestigten Stadt, so trifft der Blick auf ein Paar, das nahe
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VI. KATALOG DER WERKE
FERDINAND OLIVIER
dem Aquädukt vor einer Trauerweide sitzt. Die durch die weite Entfernung undeutlichen Silhouetten spiegeln sich auf der Wasseroberfläche.
Der allgemeinen Stimmung der Trauer und Resignation stehen der Regenbogen 17 und die abziehenden Gewitterwolken, die die Sonnenstrahlen von links in
das Bild einfallen lassen, als trostreiches Element gegenüber.
Literatur
Krauss 1913, S. 20f. · Bengt 1926, S. 137, Nr. 180. · Heise 1928, S. 42, Nr. 65,
Abb. 75. · ThB 1932. · Grote 1938, S. 335f., S. 333, Abb. 213. · Becker 1967, S.
262. · Börsch–Supan 1988, S. 210. · Wille 1995, S. 315. · Dict. of Art 1996. · Möseneder 1996, S. 113. · Suhr 2002, S. 251, 271, Nr. 29, Abb. F6.
17
Zur Thematik des Regenbogens siehe Roters, Eberhard: Malerei des 19. Jahrhunderts, Themen
und Motive, Köln 1998, Bd. 1, S. 272–288.
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VI. KATALOG DER WERKE
JOSEPH FÜHRICH
4. JOSEPH VON FÜHRICH (1800–1876)
A. Die trauernden Juden im Exil, 1828
Bild K4
Studie zur Erstausführung
Braune Tinte und Bleistift auf Papier
24 x 43 cm (mit Passepartout 36 x 43,8 cm)
Unsigniert
Provenienz: 1924/25 Überstellung aus der
Österreichischen Galerie
Wien, Albertina
Der 1800 in Böhmen geborene Joseph von Führich vertrat die nazarenische Kunstrichtung
in Wien am entschiedensten, seit er 1834 vom Fürsten Metternich zum Kustos der
akademischen Gemäldegalerie berufen worden war. 18 Führich lernte zuerst bei seinem
Vater, einem frommen Landmaler. 1819 kam er auf die Prager Kunstschule. Durch
Vermittlung des Fürsten Metternich erhielt er ein Reisestipendium für Italien. In Rom
schloss sich Führich 1827 dem Kreis um Friedrich Overbeck (1789–1869) an. 19 Dort
entstand bereits 1828 nach einer eigenhändigen Notiz Führichs eine Erstausführung „Die
trauernden Juden“ 20 . 1829 kehrte der Maler nach Prag zurück. Sein Sinn für Natur als Ort
religiösen Geschehens hat Führich innerhalb der nazarenischen Kunst eine eigene
Richtung zugewiesen. 21
Die unvollendete Zeichnung zeigt die Sänger von Psalm 137, die ohne Definition
von Raum und Örtlichkeit auf die Fläche gesetzt sind. Figurale Bezüge, die die
Zeichnung zu einer festen Komposition verbinden, sind angedeutet. Dem Betrachter öffnet sich ein Halbkreis von vier Personen: Links beginnend mit einem Jungen, gefolgt von zwei älteren Männern, rechts endend mit einer Mutter, die ihr
Kind stillt. Zwei Figurenpaare sind separiert von der Hauptgruppe. Schräg hinter
den vier Personen im Mittelpunkt, im rechten Bereich des Bildes, sitzen abgewandt ein Mann und eine Frau. Etwas weiter rechts kann man bei genauem Hinsehen die Umrisse von Kopf und Oberkörperpartie einer Person mit erhobenen
18
19
20
21
Vgl. Börsch–Supan 1988, S. 406.
Vgl. Wurzbach, Constantin von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, enthaltend
die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in
seinen Kronländern gelebt haben, Wien 1858; ThB 1916, Bd. 12; Geller, Hans: Der junge Führich, in: Die Kunst und das schöne Heim, 1949, Jg. 48, Heft 1, S. 14–17; Wörndle, Heinrich von:
Joseph Ritter von Führich, Sein Leben und seine Kunst, München 1911.
Vgl. Wörndle, Heinrich von: Josef Führichs Werke, Nebst dokumentarischen Beiträgen und Bibliographie, Wien 1914, S. 73, Nr. 404. Doch in: Briefe aus Italien an seine Eltern (1827–1829),
Freiburg im Breisgau 1883, berichtet Führich nicht über die Komposition der „Trauernden Juden“, die angeblich 1828 in Rom entstanden sein soll.
Vgl. Zimmermann, Rainer: Heimkehr zur religiösen Kunst, Gedenkblatt für den deutschböhmischen Maler Josef Führich (1800–1876), in: Ostdeutsche Monatshefte, 1956, 22. Jg., Heft 7, S.
416f.
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VI. KATALOG DER WERKE
JOSEPH FÜHRICH
Armen erkennen. Wenn die Zeichnung vollendet wäre, würde diese Gestalt – nach
ihrer Haltung zu schließen – eine Harfe in einen Baum hängen.
Am linken Bildrand sieht man deutlicher die Umrisslinien eines stehenden Paares. Ihr Gebaren lässt vermuten, dass es sich um schaulustige Babylonier handelt,
die die Trauernden im Vorbeischlendern beobachten. Der bärtige Mann trägt eine
Art Toga und einen Turban, seine weibliche Begleitung ein langes, tailliertes Kleid.
Ihr Gesicht ist unkenntlich. Mit dem linken Arm weist sie auf etwas, vermutlich eine
Harfe. Sie fordert die Juden auf, Lieder zu spielen. Als ob er darauf antworten
wollte, hebt der zu ihren Füßen sitzende Junge seine linke Hand als Gestus der
Ablehnung und stützt dabei gleichzeitig seinen linken Arm auf einen in knappen
Umrissen wiedergegebenen Felsen neben sich. In eine Kurztunika gekleidet, sitzt
er seitlich verlagert da. Seine rechte Hand ruht auf dem Oberschenkel. Er hält seinen Kopf geneigt, dabei blickt er wehmutsvoll zu Boden. Im Gegensatz dazu fangen die Augen des Greises die Blicke des Betrachters ein. Mit übereinander geschlagenen Beinen und konträr dazu überkreuzten Armen, die auf den Knien aufliegen, sitzt er in Frontansicht gezeigt im Zentrum des Figurenbogens. Er trägt ein
langes Gewand, darüber einen Umhang. Dieser ist über den Kopf gezogen, rahmt
das von Trauer gezeichnete, bärtige Gesicht und fällt an den Schultern herab. Der
neben ihm sitzende Mann verleiht seinem Kummer Ausdruck, indem er den Kopf
gebeugt in die Hand stützt. Im Profil erkennbar sitzt er zusammengekauert, den
Umhang schutzsuchend um seinen Körper gewickelt.
Dem Betrachter am nächsten lagert eine ihr Kind stillende Frau: Sie ist die einzige, deren Gefangenschaft durch die Eisenfessel an ihrer linken Hand zwar offensichtlich ist, die aber kein Trauergebaren an den Tag legt. Sie hält ihr nacktes
Baby auf dem Schoß und umfängt es mit dem rechten Arm, während es an ihrer
entblößten Brust saugt. Der gefesselte Arm liegt kraftlos am Boden. Mutter und
Kind zeigen die gleiche Beinhaltung, ein Bein abgewinkelt, das andere ausgestreckt. Die Sinnlichkeit der Darstellung wird durch das von ihrer Schulter rutschende Gewand noch hervorgehoben: Nacken, Schulter und Brust sind den Blicken des Betrachters dargeboten. Auf ihrem gebeugten Haupt trägt sie eine Kappe, so dass von ihrem Gesicht nur die Nase und die Mundpartie zu sehen sind. Es
scheint so, als würde Führich die intime Geste des Stillens in den Mittelpunkt setzen wollen. Mit Mutter und Kind schließt der Bogen des Personenhalbkreises.
13
VI. KATALOG DER WERKE
JOSEPH FÜHRICH
Rechts dahinter – in Rückansicht gezeigt – sitzen ein Mann und eine Frau nebeneinander. Die Frau, deren Gewand bis zur Taille hinuntergeglitten ist, wirft sich
mit nacktem Oberkörper und über dem Kopf gefalteten Händen an die Schulter
des Mannes. Bei ihrer Haarfrisur war sich Führich noch nicht sicher. Die Haare
sind gescheitelt. Ein Teil der Haare ist im Nacken zu Zöpfen geflochten, die oberen fallen offen über den Kopf. Doch hat der Maler den Umriss eines Knotens darüber gezeichnet. Im Gegensatz zu dem expressiven Gestus seiner Begleiterin sitzt
der Mann ruhig da. Sein Kopf ist von einer Kapuze verdeckt. Keine Regung, keine
Geste wird bei ihm deutlich. Zwischen den beiden sieht man den Kopf eines Schafes, das sich an die Seite der Frau schmiegt.
Führich hat sich in dieser Entwurfszeichnung auf die Komposition der einzelnen
Figuren konzentriert und den Schauplatz der Szenerie unklar gelassen. Leider ist
der Aufbewahrungsort des Gemäldes, in dem dieser Entwurf ausgeführt wurde,
heute unbekannt. 22
Literatur
Dreger 1912, Textband S. 173, Tafelband T. 26. · Wörndle 1914, S. 73, Nr. 404 a.
· Schmidt 1920, S. 12, Abb. 17. · Erb 1987, S. 362f., Abb. 13.
22
Bei Wörndle 1914, S. 73, Nr. 404 wird der damalige Aufbewahrungsort genannt: „Jos. St.
Oesterreicher, Prag“.
14
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
5 . E D U A R D B E N D E M A N N ( 1 8 11 – 1 8 8 9 )
A. Die trauernden Juden im Exil, 1832
Bild K5
Öl auf Leinwand
183 x 280 cm
Unsigniert
Inschrift in den Zwickeln des Rahmens, links:
An den Wassern/zu Babylon/sassen wir,
rechts: und weineten, wenn/wir an Zion/gedach–/ten.
Provenienz: 1832 Erwerb mit Hilfe des Kunstvereins für die Rheinlande und Westphalen,
Düsseldorf
Köln, Wallraf–Richartz–Museum,
Fondation Corbout
Eduard Bendemann wurde 1810 in Berlin als Sohn eines angesehenen jüdischen Bankiers
geboren. Auf Wunsch seines Vaters wurde er mit zwei Jahren, 1812, in der evangelischen
St. Marienkirche in Berlin getauft. 23 Durch Julius Hübner (1806–1882) angeregt, der 1829
eine Schwester des Malers heiratete, wandte sich Bendemann der Malerei zu und
studierte bei Wilhelm Schadow (1789–1862) in Düsseldorf. Von Ende 1829 bis April 1831
unternahm Bendemann mit diesem eine Italienreise. Dort lernte er im Kreis der Nazarener
die Meister der Renaissance kennen. 24 Während dieser Zeit nahm die Konzeption seines
ersten Hauptwerks „Die trauernde Juden im Exil“ bereits feste Form an. 25 Zurückgekehrt
vollendete Bendemann das Gemälde, das 1832 ein Erfolg auf der Berliner Akademieausstellung war und noch im gleichen Jahr vom Kunstverein für die Rheinlande und
Westphalen erworben wurde, um „ seine Stelle in einer der Kirchen Kölns zu finden“ 26
Unter einem halbrunden Bildabschluss als sakraler Form 27 sitzt im Zustand völliger Ruhe und Trauer ein bärtiger Mann, umgeben von drei Frauen und einem
Kind. Die Personen sind verankert in einer Dreieckskomposition – akzentuiert
durch die Lünettenform des Rahmens. Die Inschrift in den Zwickeln des vergoldeten Rahmens erläutert den Gegenstand des Gemäldes: Es sind die Anfangsworte
zu Psalm 137. Die Personen lagern achsialsymmetrisch zentriert auf einem spär23
Vgl. Krey, Guido: Gefühl und Geschichte, Eduard Bendemann (1811-1889), Eine Studie zur Historienmalerei der Düsseldorfer Malerschule, Weimar 2003, S. 25, Anm. 4.
24
Vgl. Nagler 1835, Bd. 1; ThB 1909, Bd. 3; Börsch–Supan, Helmut: Art. zu „Bendemann“, in: AKL
1996, Bd. 8; Krey, Guido: Art. zu „Bendemann“, in LDM 1997, Bd. 1.
25
Vgl. Wille, Hans: „Die Trauernden Juden im Exil“ von Eduard Bendemann, in: Wallraf–Richartz–
Jahrbuch, 1996, Bd. 56, S. 311.
26
Immermann, Karl: Kunstnachrichten aus Düsseldorf, in: Kunst–Blatt 1932, Nr. 94, S. 375. Nagler
183, Bd. 1 vermerkt, dass es für die Frauenkirche in Köln bestimmt war. Grundlegend dazu ist
Börsch–Supan, Helmut: Zur Urteilsgeschichte der Düsseldorfer Malerschule: Eduard Bendemanns Gemälde „Trauernde Juden“, in: Düwell, Kurt, Kollmann, Wolfgang (Hg.): Rheinland–
Westfalen im Industrie–Zeitalter, Beiträge zur Landesgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts,
Bd. 4: Zur Geschichte von Wissenschaft, Kunst und Bildung an Rhein und Ruhr, Wuppertal
1982, S. 219–226.
27
Vgl. Börsch–Supan 1988, S. 399. Siehe außerdem Roters 1998, Bd. 1, S. 272–288.
15
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
lich bewachsenen Erdstreifen im Vordergrund. Hinterfangen werden sie von einem
von Weinlaub 28 umrankten Weidenbaum, dessen Blattwerk – verwoben mit den
Ranken des Weines – von dem bogenförmigen Rahmenabschluss überschnitten
wird. Zu beiden Seiten der Gruppe öffnet sich der Blick auf den völlig unbewegten
Fluss. An dessen jenseitigem Ufer ist in einer Wüstenlandschaft das von einer
Stadtmauer umgebene Babylon mit orientalisierenden Turmbauten zu sehen. Die
Gebäude der Stadt und der Himmel spiegeln sich auf der Wasseroberfläche.
Obwohl die lebensgroßen Figuren im Vordergrund als Gruppe erscheinen, wirkt
jede Person isoliert und in Trauer versunken. Durch ihre Anordnung um den Baum
bilden sie einen nach vorn ausschwingenden Halbkreis, der von dem halbangewinkelten Bein des liegenden Mädchens zum Fuß des Greises verläuft und am
Fuß der Frau mit dem Kind endet: ein Arrangement, das dem rundbogigen Motiv
des Bildabschlusses antwortet.
Die figuralen Kompositionen sind aus der Einzelfigur entwickelt worden, wie die
vielen Vorarbeiten zeigen (KATALOG 5C–I, BILD K7–13). In der Mittelachse und zugleich
im Zentrum der Gruppe sitzt dem Betrachter zugewandt ein alter Mann. Sein nach
links ins Halbprofil gerückter Kopf wird von einer braunen Kapuze bedeckt. Die
Kragenborte des Gewandes ist mit einem Rapport aus Davidstern und gekreuzten
Stäben verziert. 29 . Vor seinen Beinen hält er mit seiner an eine Kette gefesselten
rechten Hand eine Harfe, die ihm aus den Fingern zu Boden zu gleiten scheint.
Unter dem Instrument, das im flachen Winkel auf dem Erdstreifen aufsetzt, lugt
sein bloßer Fuß hervor. Sein linker Arm umfängt ein Mädchen. Es sitzt seitlich verlagert auf einem Bein, das andere leicht weggeschoben, und stützt sich mit den
Armen auf das linke Knie des alten Mannes. Kummervoll birgt sie ihr Gesicht in
seinem Schoß und fasst dabei mit ihrer rechten Hand an den Kopf, so dass man
bemerkt, wie kunstvoll sie ihr blondes Haar in Zöpfen, die mit einer roten Schleife
zusammengehalten werden, um ihr Haupt geschlungen hat. Ihre Kleidung besteht
aus einem gelben Unterkleid und einem violetten kurzärmeligen Obergewand mit
einer Blätterbordüre am Saum. Ihre Tracht bewirkt an den Oberschenkeln, wo die
kurze Tunika endet, einen komplementären Farbkontrast. Sie ist die einzige unter
28
29
Vgl. Thomas, Alois: Art. zu „Weinstock“, in: LCI 1994, Bd. 4. Der Weinstock war schon in der
Antike ein beliebtes Ornament und religiöses Symbol. Im AT wird kommendes Glück mit einem
fruchtbringenden Weinstock verglichen (Gen 40, 9; 49, 11). Unter dem Weinstock sitzen bedeutet Wohlergehen, 3 Kg 4, 25. Nach Osee 10, 1 ist er auch das Symbol Israels.
Vgl. Wille 1996, S. 316, Anm. 7.
16
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
den Trauernden, deren Haltung auf ein leidenschaftliches Empfinden schließen
lässt, obwohl der Gesichtsausdruck dem Betrachter verborgen bleibt.
Im Gegensatz dazu drückt die Haltung und Gestik der jungen Frau hinter ihr stille
Resignation aus. Sie lehnt sich mit dem Rücken an den Baumstamm und ist so
von der Gruppe räumlich separiert. Jedoch wird sie durch die Beinhaltung des
halb–knienden Mädchens in die Gruppe einbezogen: Eine Gewandfalte bedeckt
Fuß, Unterschenkel und Knie, schwingt bogenförmig nach vorn und stellt so die
Verbindung her. Als einzige der Dargestellten wendet sie ihr Gesicht, dessen linke
Partie verschattet ist, dem Betrachter zu; doch sind ihre Augen fast geschlossen.
Ihr dunkles Haar ist gescheitelt und an den Seiten zu Knoten hochgesteckt. Ein
blaues Band ist in ihrer Frisur verflochten; die Schleife hat sie um den kleinen Finger der linken Hand, mit der sie ihren Kopf stützt, gewickelt. Den linken Arm wiederum stützt das linke Knie, während die rechte Hand auf einer am Boden stehenden Zither ruht. Über einer weißen Bluse mit ausladenden Ärmeln trägt sie ein
grünes, in der Taille geschnürtes Trägerkleid. Ein brauner Mantel ist über ihre angewinkelten, leicht zur Seite fallenden Beine geworfen. Er überdeckt ihre Füße
und fällt weit über das Wiesenstück, so dass er vom Bildrand überschnitten wird.
Ihr Pendant – antithetisch angeordnet – ist die Mutter mit dem Kleinkind auf der
anderen Seite des Baumes. Scheinbar in sich gekehrt, weist ihr Blick doch nach
links aus dem Bild heraus; dies und die Innigkeit, mit der sie ihr Kind behütet,
macht sie zur Hoffnungsträgerin der unter dem Baum versammelten Personen.
Madonnenhaft mit einem blauen Kleid und einem weißen Kopftuch bekleidet sitzt
sie, mit übereinander geschlagenen Beinen, ihr Kind auf dem Oberschenkel haltend, zur rechten Seite des Harfners. Sie ist nach links ins Profil gekehrt, während
das Kind, das sich an ihren Oberkörper schmiegt, nur in Rückansicht zu sehen ist.
Es trägt einen weißen Schurz mit gelben Streifen. Innig schmiegt es sich in die
Armbeuge der Mutter und drückt das Köpfchen mit den blonden Haaren an ihren
Hals. Die Frau hält den Kopf leicht geneigt, ihr schönes Antlitz wird dem Betrachter im Profil präsentiert. Auch hier endet ein Halbkreis, der seinen Anfang bei dem
frontal gezeigten Gesicht der Frau auf der rechten Bildseite nimmt und sich über
das Halbprofil des Harfners fortsetzt bis zur nach links blickenden Frau.
Danach fällt der Blick auf die Hintergrundlandschaft, auf die Stadt. Eine steinerne Brücke im Hafen, die die Mauerzüge miteinander verbindet, ist durch mikroskopisch kleine Figurenszenen belebt. Der Ausblick auf der rechten Seite gibt
17
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
noch ein Stück der Stadtmauer frei, davor erstreckt sich eine von Palmen bewachsene Hügellandschaft. Die Vegetation im Vordergrund ist naturalistisch dargestellt.
So bewachsen den Erdstreifen allerlei feine Gräser und ein Spitzwegerich, der in
der rechten Bildecke gedeiht.
Literatur
Kunst–Blatt 1832, Nr. 93, S. 371, Nr. 94, S. 375 (Kunstnachrichten aus Düsseldorf
von Karl Immermann). · 1833, Nr. 45, S. 181, Nr. 79, S. 316. · Hagen 1833, S. 1ff.
· Humboldt, Wilhelm von: Kunstvereinsbericht vom 19. März 1833, in: Leitzmann
1907, S. 588ff. · Kunst–Blatt 1834, Nr. 19, S. 76, Nr. 96, S. 382. · Detmold 1834,
S. 18. · Nagler 1835. · Carus 1836, Teil 2, S. 257f. · Raczynski 1836, S. 167ff. ·
Kunst–Blatt 1837, Nr. 28, S. 111 (Bemerkungen über die Bilder Düsseldorfer
Schule, ausgestellt in Dresden im Dezember 1836 von Carl Gustav Carus). ·
Quast 1837, S. 50. · Fahne 1837, S. 171. · Püttmann 1839, S. 43ff., 82. · Raczynski 1840, S. 226. · Uechtritz 1840, S. 74. · Immermann, Karl: Briefe 1832–
1840, in: Hasubek 1979, S. 192. · Füßli 1843, S. 476ff. · Jüdischer Plutarch 1848. ·
Müller von Königswinter 1854, S. 29ff. · Vischer: Aesthetik oder die Wissenschaft
des Schönen (1853/54), in: Vischer, 1923, Bd. 4, S. 405. · Hagen 1857, Bd. 1, S.
313, 345ff. · Springer 1858, S. 94. · Lübke 1860, S. 715. · Förster 1879, S. 319. ·
Gutzkow 1879, Bd. 9, S. 251ff. · Pecht 1881, S. 271. · Becker 1888, S. 144, 152f. ·
Frimmel, Levin 1889/90, Nr. 15, S. 226f., 335. · Donop 1890, S. 4. · Schrattenholz
1891, S. 3. · Muther 1893, Bd. 1, S. 232ff. · Rosenberg 1894², Bd. 2, S. 388f. ·
Schaarschmidt 1902, S. 75ff., Abb. S. 77. · ThB 1909. · Kohut 1911, Nr. 48, S.
570. · Koetschau 1925, S. 7–16 mit Abb. · Ders. 1926, S. 68, 82, Abb. S. 144. ·
Schwarz 1928, S. 127, Abb. S. 126. · Cohn–Wiener 1929, S. 236f. · Beenken
1944, S. 291, 293. · Landman 1948, Bd. 2, Abb. S. 13. · Bötticher 1948, Bd. 1, S.
79. · Schilling 1963, Nr. 28. · Ders. 1964, S. 479f. · Hütt 1964, S. 24f., Abb. 6 auf
S. 24, S. 168. · Büchner, Kroh 1965, S. 29, Nr. 1939. · Becker 1967, S. 262ff. ·
Börsch–Supan 1971, Bd. 2, S. 1832, Nr. 41. · Kalnein 1979, S. 24, 33, 89, 154,
263, 262 Abb. 25. · Trier, Weyres 1979, Bd. 3, S. 100ff. · Börsch–Supan 1984, S.
22f., 51, 276, 302, Abb. 26 · Geismeier 1984, S. 353, 548, Tafel 198. · Dittmar
1987, S. 359ff. · Börsch–Supan 1988, S. 399. · AKL 1994. · Hütt 1995, S. 34f.,
235, 240, Abb. 15. · Lammel 1996, S. 385. · Möseneder 1996, S. 114f., Abb. 15. ·
Platthaus 1996, Nr. 182, S. 5. · Wille 1996, Köln, S. 307–316. · LDM 1997, Bd. 1,
S. 112, 116. · Aschenborn 1998, S. 14ff. · Bushart, Eberle 2000, S. 37. · Krey
2003, S. 88ff., S. 239 Abb. 1, S. 317 Farbt. · Locher 2005, S.74 Abb. 46. · Achenbach 2008, S. 30f, 34f, 91f.
·
Entwürfe
B. Gesamtstudie
Bild K6
Aus dem Skizzenbuch der Italienreise
1831, 40 recto
Bleistift auf Papier
18
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
11,7 x 16,6 cm
Unsigniert
Provenienz: 1977 Ankauf aus der privaten
Sammlung Erwin Bendemanns, London
Göttingen, Öffentliche Sammlung,
Kunstsammlung der Universität, Graphische
Sammlung
Bendemann legte das Skizzenbuch während seines Italienaufenthaltes von Ende
1829 bis April 1831 an. Im Sedezformat besteht es aus 44 Blättern, die jeweils in
der äußeren oberen Ecke mit Bleistift in arabischen Ziffern von 1 bis 44 nummeriert sind. Es ist mit einem handgebundenen Pergamenteinband mit einer Lasche
und Verschlussband ausgestattet. Das Vorsatzpapier ist blau eingefärbt und in
den Innendeckel mit fliegendem Blatt geklebt. Auf dem Einband ist nachträglich
ein Etikett aus Papier mit einer handschriftlichen Datierung in Bleistift angebracht
worden. 30
Die darin enthaltene Skizze, die die Gesamtkonzeption des Gemäldes „Die
trauernden Juden im Exil“ in Umrisslinien entwickelt, beweist, dass der
kompositionelle Aufbau des Bildpersonals bereits vor der Rückkehr nach Düsseldorf feststand. Die Rahmenform mit dem bogenförmigen Abschluss ist mit Strichen festgelegt. Darin sind in einem pyramidalen Aufbau die Konturen von vier
Personen verankert: Die zentrale Gestalt des Harfners, die beiden Frauen, die ihn
flankieren, und das Mädchen, das sich an seine Seite schmiegt und den Kopf in
seinen Schoß birgt. Der Baum, unter dem die Gruppe sitzt, ist mit seinem Blattwerk skizziert. Die den Hintergrund definierenden Schraffuren lassen noch keine
genauen Formen erkennen.
Literatur
–
·
30
Vgl. Angaben im Magdeburger Index: www.bildindex.de: Eduard Bendemann, Skizzenbuch Italien.
19
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
C. Akt einer sitzenden Frau im Linksprofil, 1831
Bild K7
Bleistift
29,5 x 26 cm
Unsigniert, aber datiert: Febr. 1831 Rom
Provenienz: –
Hamm, Städtisches Gustav–Lübcke–Museum
Die Vorzeichnung bereitet in einer Aktstudie die Sitzhaltung der im Gemälde linkspositionierten Mutter mit Kind vor. Bendemann konzentriert sich dabei vor allem
auf die gramgebeugte Haltung der Frau, die mit eingefallenen Schultern sinnierend zu Boden blickt.
Literatur
Donop 1890, S. 26, Nr. 236. · Wille 1988, S. 57, Nr. 83, Abb. 75. · Ders. 1996, S.
312, Abb. 6. · Krey 2003, S. 98, S. 241, Abb. 5.
·
D. Studie zum Faltenwurf des Rockes der Mutter, um 1830
Bild K8
Bleistift, braun laviert, Tuschpinsel
21 x 29 cm
Unsigniert
Provenienz: –
Hamm, Städtisches Gustav–Lübcke–Museum
In einer Präzisierung der Einzelform studiert Bendemann den Faltenwurf des Rockes der Mutter. Hat sich Bendemann in der obigen Skizze noch der gebeugten
Körperkontur der Mutter im Akt gewidmet, beschäftigt er sich in diesem Entwurf
mit den Auswirkungen der übereinander geschlagenen Beine auf das Gewand der
Mutter. Obgleich es sich bei dem Unterkleid um eine leere Stoffhülle handelt, imaginieren Faltenwurf und Faltenformen körperliche Konturen und Plastizität.
Literatur
Wille 1988, S. 57, Nr. 84, Abb. 76. · Ders. 1996, S. 312, Abb. 7. · Krey 2003, S. 98,
S. 241, Abb. 6.
·
E. Studie des Kopftuchs der Mutter
Bild K9
Aus dem Skizzenbuch der 1. Italienreise
20
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
Juli 1830, 51 recto
Bleistift und Feder auf Papier
23,5 x 33 cm
Provenienz: –
Berlin, Kunstsammlung, Stiftung Archiv der
Akademie der Künste
Das Blatt zeigt eine Studie des Kopftuches der Mutter in Dreiviertelrückansicht.
Einzig die Form des Tuches imaginiert Kopf– und Schulterpartie der Mutter. Im
Gemälde hat sich Bendemann für eine Profilansicht entschieden.
Literatur
Krey 2003, S. 116, Anm. 64.
·
F. Studie zum Faltenwurf der Beinpartie des Harfners
Bild K10
Aus dem Skizzenbuch der 1. Italienreise
Juli 1830, 53 recto
Bleistift und Feder
23,5 x 33 cm
Provenienz: –
Berlin, Kunstsammlung, Stiftung Archiv der
Akademie der Künste
Die Zeichnung konzentriert sich auf den Faltenwurf über der Beinpartie des Harfners. Es ist die einzige Vorarbeit, die einen anderen Bildteil als den der Figurengruppe der Frau mit Kind studiert. 31 Als körperlose Hülle konturiert der Faltenwurf
des Gewandes eine körperliche Struktur. Die Stofflichkeit wird mit einer Bleistiftschraffur taktil gestaltet.
Literatur
Krey 2003, S. 98, Anm. 64.
·
G. Kopfstudie der Mutter, um 1831
Bild K11
Öl auf Leinwand
25,7 x 18 cm
Unsigniert
31
Wille 1996, S. 311 war diese Studie zur Beinpartie des Harfners offensichtlich nicht bekannt.
21
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
Provenienz: –
Privatbesitz
Die hochformatige Ölstudie konzentriert sich auf die Ausarbeitung des in Profilansicht gezeigten Kopfes der Mutter. Der Entwurf scheint auf den ersten Blick fast
fertig zu sein. Die durchgearbeitet glatte Malerei des Gesichts und der bis zu den
Rändern ausgeführte dunkle Hintergrund täuschen darüber hinweg, dass es sich
um eine Skizze handelt: Die Falten des Kopftuches sind nur flüchtig in Form von
Bleistiftstrichen einer Vorzeichnung angedeutet.
Literatur
Wille 1996, S. 314, Abb. 12.
·
H. Kopfstudie der Mutter, um 1831
Bild K12
Öl auf Malpappe, an den Ecken alt ergänzt
27,5 x 23,5 cm
Signatur unten links: Bendemann.
Provenienz: –
Hamburg, Kunsthandel
Die Ölstudie fokussiert den Kopf der Mutter. Beinahe vom unteren Bildrand überschnitten, füllt der Kopf mit dem vom Tuch umschmiegten Gesicht das Blatt. Der
Charakter einer Studie wird durch den unvollendeten Zustand verstärkt, wie an
den Abbruchrändern der linken dunklen Partie zu erkennen ist. Die pastose Technik erlaubt weder eine feine Linienführung noch die weiche Nuancierung der ineinander verschmelzenden Farbtöne.
Literatur
Thomas Le Claire 1989, S. 34, Nr. 15, Abb. S. 35. · Wille 1996, S. 314, Abb. 11. ·
Krey 2003, S. 100f., 243 Abb. 9.
·
I. Kopfstudie der Mutter, 1832
Bild K13
Öl auf Leinwand
32 x 23 cm
Signatur unten rechts: EB.
22
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
Provenienz: Familie Rath Düsseldorf/Krefeld,
1986 Erwerb von der Galerie Förster Düsseldorf
Wuppertal, Stiftung Sammlung Volmer
Das hochformatige Ölgemälde ist vermutlich die letzte Vorarbeit vor der finalen
Ausführung. Es zeigt die Kopf– und Schulterpartie der Mutter, detailliert als vollständiges Gemälde ausgearbeitet. Der Kopf der Frau ist leicht nach vorne gebeugt, so dass das Profil eine Diagonale durchs Bild zieht. Durch den mit ins Bild
genommenen Schulteransatz wird die leichte Kopfdrehung nach links deutlich.
Das rosige Inkarnat kontrastiert mit den sphärischen, gelb – blau changierenden
Farbtönen des Hintergrundes, die sich im Weiß des Kopftuches wiederfinden. In
weich geschwungenen Falten umrahmt das Tuch das Gesicht, so dass nur der
gescheitelte, dunkle Haaransatz zu sehen ist.
Erst jetzt kommt in den Zügen der Mutter das Porträt der Francesca Primavera,
einer häufig dargestellten Schönheit der Zeit, zur Geltung. 32
Literatur
Fehlemann 2003, S. 22.
·
J. Die trauernden Juden im Exil, um 1832
Bild K14
Öl auf Pappe
26,5 x 38,5 cm
Signatur unten links: EB.
Provenienz: 1937 Vermächtnis Johann Friedrich Lahmann
Bremen, Kunsthalle
Diese Ölstudie arbeitet die durch viele Einzelstudien vorbereitete Komposition farbig heraus:
„Die Kostüme in warmen, verhaltenen Farben; die Frau links olivegrün mit weißem Kopftuch, das die Fleischfarbe rein rosa erscheinen lässt. Der mittlere braunrot, die beiden rechts gelb und
blau. Boden und Bäume braungrün. Die Ferne in Lilagrau. Der
32
Vgl. die Beschriftung der gerasterten Kompositionszeichnung KATALOG 5K. Siehe außerdem Mildenberger, Hermann: Vittoria Caldoni und der Kult des Modells im 19. Jahrhundert, in: Künstlerleben in Rom, Bertel Thorvaldsen (1770–1844), Der dänische Bildhauer und seine deutschen
Freunde, Nürnberg 1992, S. 95–103.
23
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
Himmel leichtes, mit Weißgrau durchsetztes Orangegelb im orangebraunen Ausschnitt.“ 33
So wird die Skizze bei der Ausstellung in der Königlichen Nationalgalerie in Berlin
1906 beschrieben. In der finalen Fassung hat Bendemann einen Farbentausch
vorgenommen: Das Kleid der Mutter mit Kind – hier noch olivegrün – bekommt ein
Blau zugewiesen, eine Anspielung auf Maria, die Mutter Gottes, während bei der
jungen Frau das Blau des Mieders durch einen dunkelgrünen Farbton ersetzt wird.
Dass die Studie primär als Farbkomposition zu verstehen ist, beweisen die
durch den pastosen Farbauftrag nur grob angedeuteten Details der Vegetation
und der Hintergrundstaffage.
Literatur
Donop 1890, S. 26, Nr. 235. · Ausstellung Deutscher Kunst aus der Zeit von
1775–1875 1906, S. 24, Nr. 81, Abb. S. 25. · Gerkens, Heiderich 1973, S. 31f.,
Abb. 208. · Kreul 1994, S. 10, Nr. 114. · Wille 1996, S. 312f., Abb. 9. · Bushart,
Eberle, Jensen 2000, S. 37.
·
Wiederaufnahmen des Motivs
K. Durchzeichnung für Kupferstich
Die trauernden Juden im Exil, 1832
Bild K15
Bleistift, aquarelliert auf Papier
34,7 x 52,7 cm
Beschriftet unten „(Quadrat 3–9) I Weißes
Kopftuch. II Weiß mit gelben Streifen. III. Blau.
(Quadrat 14 –21) dunkelgelber Kopfputz –
dunkelrothes Gewand. (Quadrat 19–21) Frie
Schadow 34 . (Quadrat 24–30) Violettes Oberkleid – Gelbes Unterkleid. (Quadrat 32–34)
blaues Band am Kopfe. Grünes Kleid Weiße
Aermel Bräunlicher Mantel.“
Unsigniert
Provenienz:
Berlin, SMPK Kupferstichkabinett
33
34
Ausstellung Deutscher Kunst aus der Zeit von 1775–1875 in der Königlichen Nationalgalerie
Berlin 1906, Katalog der Gemälde, München 1906, S. 24, Nr. 81.
Bei Krey 2003, S. 99 steht „Herr Schadow“. Es heißt aber eindeutig „Frie Schadow“.
24
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
Das Blatt ist eine eigenhändige Durchzeichnung, die Bendemann als Kupferstichvorlage für Ferdinand Ruscheweyh (1785–1846) angefertigt hat. Der bis 1832 in
Rom lebende Ruscheweyh war vom Kunstverein für die Rheinlande und Westphalen noch vor der Fertigstellung des Gemäldes beauftragt worden, Bendemanns
Gemälde in Kupfer zu stechen. 35 Dies belegen die Beschriftungen in den beiden
Zwickeln, die von Julius Hübner, dem Schwager Bendemanns, stammen.
Links:
„Eigenhändige Durchzeichnung von E. Bendemann, nach der Zeichnung, welche er zu Ruscheweih’s Stich gemacht hatte, um sie mit
Quadraten zu verkleinern und die er mir schickte, ehe ich noch das Bild
gesehen. Der Kopf des Weibes mit dem Kinde ist nach einem in Rom
gemachten Studium, nach der schönen Francesca Primavera, die ich
auch gezeichnet habe. JH (ligiert).“
Rechts:
„Zu dem Kopf des Alten hat ihm W. Schadow selber gesessen, u. hat er
selber noch das lebensgr. Studium à la prima in Oel gemalt, in seinem
Besitze (Bendemann.). Der Kopf der weiblichen Figur auf dieser Seite
ist ihm besonders schwer geworden u. hat er ihn einmal weggewischt.
JH (ligiert) Die Farbannotizen sind von ihm.“
Die gerasterte Kompositionszeichnung ist bis auf einige Veränderungen der aquarellierten Landschaft mit dem Gemälde identisch. Hübner, der von 1831 bis 1833
in Berlin lebte, muss die Zeichnung vor der Akademieausstellung, die im Herbst
1832 stattfand, erhalten haben. 36
Literatur:
Krey 2003, S. 99f. · Achenbach 2008, S. 34f, Abb. S. 35.
35
36
Vgl. Immermann, Karl: Kunstnachrichten aus Düsseldorf, in: Kunst-Blatt 1832, Nr. 94, S. 376.
Der Stich von Ruscheweyh befindet sich im Fogg Art Museum der Harvard University Cambridge, Mass. Dabei handelt es sich um ein Geschenk des William Gray aus der Sammlung des
Francis Calley Gray. Bei Nagler 1835, Bd. 1 ist eine weitere Lithographie von G. E. Müller erwähnt, „die über den Werth des Originals nicht entscheiden kann.“. Zeitgenössische Reproduktionen haben geschaffen: Büchel; H.Bürkel; E.Eichens; F.Felsing; C.E.Forberg; F.Jentzen;
E.Goldfriedrich; C.Hahn; F.Hanfstängl (Als Resultat der am 18. April 1843 gehaltenen Verlosung des Albrecht–Dürer–Vereins ist angegeben, dass die „Trauernden Juden“, gestochen von
Hanfstengl, 11 mal vergeben wurden, vgl. GNM, Nürnberg, Nachlass Heideloff, I B 238);
E.F.Heinrigs (Köln, Öffentliche Slg., Kölnisches Stadtmuseum); Th.Hosemann; G.Koch;
W.Oelschig; C.W.Overbeck; J.Roloff; J.G.Schreiner (Köln, Öffentliche Slg, Wallraf–Richartz–
Museum, Graphische Slg.); X.Streifensand; C.Süssnapp; B.Weiss (mit J.G.Schreiner zusammen, Köln, Öffentliche Slg, Wallraf–Richartz–Museum, Graphische Slg); C.Wildt (Fogg Art Museum, Harvard University Cambridge, Mass.)
Vgl. Krey 2003, S. 100.
25
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
·
L. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832
Bild K16
Öl auf Leinwand
69 x 102,5 cm
Beschriftet in den Zwickeln, links: An den
Wassern/zu Babylon/sassen/wir, rechts: und
weineten, wenn/wir an Zion/gedach–/ten.
Unsigniert
Provenienz: Erwerb Mai 1963 bei Lempertz,
Köln
Schweinfurt, Museum Georg Schäfer
Es handelt sich um eine präzise Wiederholung des Kölner Gemäldes mit dem Unterschied, dass die Anfangsworte des Psalms in die Zwickel gemalt wurden. Laut
Wille 37 könnte es sich um die von Schrattenholz erwähnte Kopie handeln, die dieser im Speisesaal der Familie Bendemann gesehen hat. 38 Ob sie von Bendemanns eigener Hand stammt, lässt sich nicht beweisen. 39
Literatur
Schrattenholz 1891, S. 17.· Lempertz Auktion 474 1963, Nr. 218, Abb. T. 39. ·
Schäfer 1977, Nr. 14. · Wille 1996, S. 313, Abb. 10. · Bushart, Eberle, Jensen,
2000, S. 37.
·
M. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832
Bild K17
Öl auf Leinwand
61,5 x 91,5 cm
Inschrift in den Zwickeln, links: An den Wassern/zu Babylon/sassen/wir und, rechts: weineten wenn/wir an Zion/gedach–/ten. 40
Unsigniert
37
38
39
40
Wille 1996, S. 313, Abb. 10. Offensichtlich wusste Wille den Aufenthaltsort des Gemäldes nicht,
da die Abbildung mit „ehemals Köln, Kunsthandel“ beschriftet ist.
Vgl. Schrattenholz, Josef: Eduard Bendemann, Betrachtungen und Erinnerungen, Düsseldorf
1891, S. 17; Wille 1996, S. 313, Anm. 22.
Wille 1996, S. 313 geht davon aus, dass es sich um eine getreue Wiederholung handelt, da es
die einzige Variante ist, bei der der Bibelvers in den oberen Zwickeln gemalt und nicht – wie im
Kölner Gemälde – in hölzernen Lettern aufgesetzt ist.
Die Inschrift ist wie beim Kölner Gemälde in Holzlettern aufgesetzt. Das „n“ bei „Wassern“ ist
offensichtlich heruntergefallen.
26
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
Provenienz: Besitz der Nachfahren Eugenie
Pilotys, 2004 Kunsthandel München
Privatbesitz
Diese verkleinerte Wiederholung entspricht detailliert in der Ausführung der Originalfassung. Das Gemälde stammt zwar aus dem Besitz der Nachfahren Eugenie
Pilotys, dennoch ist dies kein Beweis dafür, dass Bendemann es eigenhändig gemalt hat.
Literatur
Neumeister Auktion 326 und V.157, 1. Dezember 2004, S. 265, Nr. 520. · Sachs
2004, Nr. 290, S. 47.
·
N. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832
Bild K18
Öl auf Leinwand
39,9 x 56,8 cm
In den Zwickeln ist der Psalmenvers vermerkt,
wurde aber übermalt
Unsigniert
Provenienz: 1960 Ankauf bei Kuehl in Dresden
Erfurt, Angermuseum
In der Literatur wurde diese Fassung – angeblich in Italien gemalt – vielfach für
eine Vorarbeit zum Gemälde im Kölner Wallraf–Richartz–Museum gehalten. 41
Aber nach neuesten Erkenntnissen des Angermuseums handelt es sich um eine
Kopie nach Eduard Bendemann. 42 Der Vergleich zu anderen Bendemann zugeschriebenen Fassungen brachte offensichtliche Unterschiede zu Tage: Unstimmigkeiten, Vereinfachungen und Verunklärungen der Darstellung insgesamt und
besonders der Details beweisen, dass es sich sicherlich nicht um ein originales
Werk von Bendemann handelt. Insbesonders am Fuß der männlichen Figur, an
der Harfe, bei der Darstellung des Faltenwurfes, beim Gesicht der auf der rechten
41
42
Vgl. Keisch, Claude: Abschied, Reise, Heimkehr, Berlin o. J., o. S.; Hütt, Wolfgang: Die Düsseldorfer Malerschule 1819–1869, Leipzig 1984, S. 276; Wille 1996, S. 312.
Es könnte sich hierbei um die zeitgenössische Kopie von Eduard Grünler (1799-1879) handeln.
Diese wurde am 19. Juni 1833 erworben, im Neuen Pavillon beim Schloss Charlottenburg platziert und nach dem 27. März 1946 in die Sowjetunion abtransportiert. Aufgeführt ist das verschollene Werk bei Bernhard, Marianne: Verlorene Werke der Malerei, München 1965, S. 63
unter dem Titel „Szene aus einer Sage“. Die Auskunft über den Verbleib von Grünlers Kopie
verdanke ich Gerd Bartoschek von www.lostart.de.
27
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
Seite sitzenden Frau, am Laubwerk des Baumes etc. werden die angesprochenen
Unterschiede als Schwächen deutlich. 43 Das Gemälde wirkt flächig. Schon Wille
hat 1995 auf den spröden Gesamteindruck und die noch nazarenische Prägung
hingewiesen. 44
Literatur
Schlesisches Museum der Bildenden Künste Breslau 1928, S. 5, Nr. 2, Abb. 2. ·
Keisch 1978, mit Abb. · Hütt 1984, S. 276, Abb. 26. · Ders. 1986, S. 94, 81, Abb.
104. · Wille 1996, S. 312. · Bushart, Eberle, Jensen 2000, S. 37. · Goodman 2004,
S. 37, Abb. 14.
·
O. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832
Bild K19
Öl auf Leinwand
71 x 103 cm
Inschrift in den Rahmenzwickeln wurde abgekratzt
Unsigniert
Provenienz: 1995 Erwerb aus dem Kunsthandel
Frankfurt am Main, Jüdisches Museum
Bei der seit 1995 im Jüdischen Museum in Frankfurt befindlichen Fassung ist eine
andere Farbgebung signifikant: Kräftige Mischfarben dominieren das Gemälde
und lassen vermuten, dass es sich um eine Kopie nach Bendemann handelt. Details wie das Davidsternornament am Gewandsaum des Harfners fehlen.
Literatur
–
·
P. Die trauernden Juden im Exil, um 1832
Bild K20
Kreide/Papier
71 x 103 cm
Inschrift in den Zwickeln: links: An den Wassern/zu Babylon/sassen/wir, rechts: und weineten, wenn/wir an Zion/gedach–/ten.
43
44
Schriftliche Auskunft von Frau Dr. Miriam Krautwurst, Kustodin des Angermuseums Erfurt.
Vgl. Wille 1996, S. 312.
28
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
Unsigniert
Provenienz: 1992 Kunsthandel New York
Minneapolis, The Minneapolis Institute of Arts
Diese bis ins Detail ausgeführte Zeichnung gibt keinen Aufschluss darüber, ob es
eine vorbereitende Studie oder eine Kopie ist. Die detaillierte Zeichnung mit ihrer
dominierenden monochromen Struktur der Kreide spricht vielmehr für eine Kopie.
Keine der Vorarbeiten von Bendemann ist in Kreide ausgeführt. Auch die Literatur
überliefert keine Hinweise, dass Bendemann eine Kreidezeichnung zu „Die trauernden Juden im Exil“ angefertigt hat.
Literatur
Christie’s Auction 19th Century European Paintings, Drawings and Watercolors
1992, Nr. 17 Abb.
·
Q. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832
Bild K21
Öl auf Leinwand
69,8 x 102,9 cm
Unsigniert
Provenienz: 1998 Kunsthandel New York
Unbekannt
Im Gegensatz zu der Kopie in Frankfurt dominieren in dieser Wiederholung verhaltene Erdtöne.
Literatur
Sotheby’s Auction Fine 19th Century European Paintings, Drawings and Sculpture
1998, Nr. 1 Abb.
·
R. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832
Bild K22
Öl auf Leinwand
34 x 42,5 cm
Unsigniert
Provenienz: 1992 Kunsthandel München
Unbekannt
Die Kopie nach Bendemanns Gemälde zeigt eine weniger nah fokussierte Darstellung der trauernden Juden: Der umgebenden Landschaft und der Vegetation wird
29
VI. KATALOG DER WERKE
EDUARD BENDEMANN
wegen des fehlenden Bogens eine größere Ausdehnung zugesprochen. Der von
Weinlaub umwucherte Weidenbaum und die Menschen rücken vom Betrachter ab.
Die Gruppe der Juden wirkt nicht mehr monumental, was auch mehr dem Kleinformat der Kopie entspricht.
Literatur
Neumeister Auktion 271 und 272, 9. Dezember 1992, S. 72, S. 134, Abb. 516.
·
S. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832
Bild K23
Öl auf Leinwand
28 x 44,5 cm
Unsigniert
Provenienz: Dauerleihgabe aus Privatbesitz
Münster, Westfälisches Landesmuseum für
Kunst und Kulturgeschichte
Auf Grund der Schwächen in der Gestaltung der Gesichter handelt es sich vermutlich um eine Kopie nach Bendemann.
Literatur
Langemeyer 1977, S. 164, Anm. 7.
30
VI. KATALOG DER WERKE
ADAM EBERLE
6. ADAM EBERLE (1805–1832)
A. Die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft, 1832
Bild K24
Bleistift laviert auf Papier
Blatt 56,7 x 73, 7 cm, Unterlage 65 x 78 cm
Signatur auf der Unterlage unten links: Eberle,
bezeichnet Psalm 137 An den Wassern zu
Babel sassen wir, und weineten, wenn wir an
Zion gedachten. (unlesbar) Psalm 126 Ein
Lied im höhern Chor. Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, werden wir sein
wie die Träumenden.
Provenienz: 1867 Geschenk von Emilie Linder
im Legat
Basel, Kupferstichkabinett
Adam Eberle wurde 1805 in Aachen geboren. 1821 trat er in die Düsseldorfer Akademie
ein und gehörte dort zu den ersten Cornelius–Schülern. Vier Jahre später folgte er seinem
Lehrer nach München, wo er ihm bei der Ausmalung des Götter– und Heldensaales in der
Glyptothek half. Im Herbst 1829 begleitete er Carolina Cornelius, die Frau seines Lehrers,
Emilie Linder (1797–1867), eine Kunstsammlerin aus Basel, und deren Freundin, die
Basler Malerin Rosalie Wieland–Rottmann, nach Rom, wo er sich dem Kreis der
Nazarener anschloss. Eberle bevorzugte biblische und mythologische Themen. In
Depressionen verfallen, zerstörte der Maler viele seiner Werke. 45
Im Jahr seines Todes, 1832, fertigte der Maler in Rom die vielfigurige Sepiazeichnung
„Die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft“ an 46 , die in den Besitz Emilie Linders
kam. 47
In einer Lünette tummeln sich auf engstem Raum gefangene Juden und ihre babylonischen Zwingherrn: Es herrscht ein Horror vacui. Auf der Unterlage des Blattes
sind in Bleistift die Anfangsverse von Psalm 137 und 126 geschrieben. Die Darstellung ist eine Verknüpfung der Psalmenverse: Das Leid der Juden und der Hinweis auf ihre Erlösung finden gleichermaßen Platz auf der Zeichnung.
Unter zwei Bäumen, die rechts und links eine Senkrechte markieren, hält sich
eine große Anzahl von Personen auf: Greise, Mütter mit Kindern, junge Männer,
45
46
47
Vgl. Nagler 1837, Bd. 4; ThB 1914, Bd. 10; Ludwig, Horst (Hg.): Münchner Maler im 19. Jahrhundert, München 1981, Bd. 1, S. 260; Roth, Carsten: Art. zu „Eberle“, in: AKL 2002, Bd. 31.
Vgl. Handzeichnungen, in: Kunst–Blatt 1832, Nr. 99, S. 394. Dort ist ebenfalls vermerkt, dass
Cornelius die Absicht hatte, eine Lithographie anfertigen zu lassen. Gemeint ist vermutlich der
Stich von Johannes Burger, in: Förster, Ernst: Denkmale deutscher Baukunst, Bildhauerei und
Malerei, Bd. 3/3, Tafelband, Leipzig 1857.
Zu Emilie Linder siehe Jent, Verena: Emilie Linder 1797–1867, Studien zur Biographie der Basler Kunstsammlerin und Freundin Clemens Brentanos. Dissertation, Basel 1967. Zur Provenienz
vgl. S. 12. Dort ist vermerkt, dass die Zeichnung zwischen 1831 und 1832 mit sechs anderen
Zeichnungen für 275,– gekauft wurde. Escher, Konrad: Die Emilie–Linder–Stiftung, in: Jahresberichte der Öffentlichen Kunstsammlung, Neue Folge 6, Basel 1909 hat seinem Bericht „Auszug
aus dem Testament“ angehängt. Dort findet man auf S. 35 die Notiz, dass „Die trauernden Juden in Babylon“ einst Emilie Linders Wohnzimmer schmückten.
31
VI. KATALOG DER WERKE
ADAM EBERLE
Frauen und Kinder, aber auch drei babylonische Soldaten, die genau in der Mitte
nach hinten gestaffelt um eine Gruppe sitzender Juden stehen. Rechts im Hintergrund erheben sich die von einer Mauer umgebenen Gebäude Babylons, links füllt
ein Jude an einem Felsen eine Schale mit Quellwasser.
Ins Bildgeschehen ist eine jenseitige Komponente integriert: Über dem Schauplatz des Geschehens, direkt unter dem bogenförmigen Bildabschluss, schwebt,
von einem Wolkensaum getragen, der Prophet Ezechiel. Mit wehendem Gewand
sitzt er in einem Wagen, dem die geflügelten Symbole der vier Evangelisten (Tetramorph) „vorgespannt“ sind. Seine Arme sind ausgebreitet. Ein neben ihm sitzender Engel mit weit ausgebreiteten Flügeln umfasst ihn mit beiden Armen: Der
Prophet empfängt seine Vision. Diese wird dem Betrachter ganz im Vordergrund
vorgeführt: Niedergang und Wiedererstehen des jüdischen Volkes durch die Verheißung des wahren Hirten aus dem Hause Davids 48 . Die Erlösung durch den
kommenden Messias verkörpern drei Figuren der gefangenen Juden. Diese, zwar
in die Gemeinschaft der Trauernden integriert, führen Leben und Sterben Jesu in
drei Stationen vor Augen. Den Anfang macht die Darstellung des schlafenden
Knaben in der linken Bildecke. Die Beine angewinkelt mit den Fußsohlen am Boden und den Zeigefinger zum Mund geführt, liegt das Kind nackt auf ein Kissen
gebettet. Ein daneben lagerndes Mädchen hebt mit der linken Hand sacht das Laken vom Gesicht des Jungen, als würde sie es dem Betrachter zur Schau stellen
wollen. Dabei stützt sie sich mit der rechten Hand am Boden ab. Ihre Haare fallen
offen bis zu den Hüften herab.
Weiter zur Mitte folgt ein unter seiner Bürde niedergestürzter Mann. Bäuchlings,
sich mit der rechten Hand abfangend, versucht er, mit der anderen Hand über die
Schulter greifend, seine Last, einen spitzen Pflock, auf dem Rücken zu halten.
Sein Leid hat ihm eine Träne entlockt, die ihm über die Wange rinnt. Durch die
Schwertscheide des in der zweiten Bildebene stehenden Babyloniers, die in einem
Winkel von 90 Grad auf den Holzpflock trifft, entsteht für das Auge des Betrachters
eine optische Täuschung: ein Kreuz. Die Bürde des Mannes wird als Kreuz wahrgenommen. Eine Anspielung auf Christus, der mit dem Kreuz stolperte. Das über
die Schulter geworfene Gewand, das die Schnittstelle der beiden „Balken“ verdeckt, unterstützt diese Sinnestäuschung.
48
Vgl. Ez 34.
32
VI. KATALOG DER WERKE
ADAM EBERLE
Der junge Mann ist in Profilansicht gezeigt. Seine Körperhaltung formt durch
das nach hinten ausgestreckte Bein und den Bogen seines Rückens eine Diagonale. Akzentuiert durch den Pfahl weist diese die Blickrichtung nach rechts, zu
dem am Boden liegenden, verhüllten Leichnam. Zwei Kinder, ein Junge und ein
Mädchen, beklagen diesen. Wegen der über ihn gebeugten Figur ist von dem Toten nur der Oberköper sichtbar. Das Gesicht ist von Tüchern bedeckt. Eine Urne
steht bereit. Der Junge kniet vor dem leblosen Körper und bettet seinen Kopf auf
dessen Brust, dabei umfängt er ihn mit den Armen, so dass er seinen in eine kurze Tunika gekleideten Körper in Rückansicht präsentiert. Am Kopfende des Leichnams steht ein Mädchen, halb verdeckt von dem zu Boden gefallenen Mann. Ihr
Profil lässt ein geschlossenes Auge erkennen. Sie hält den Kopf leicht geneigt,
und während sie sich traurig mit der linken Hand an die Stirn greift, drückt sie den
anderen Arm an ihre Brust.
Ihr gegenüber, ganz am rechten Bildrand, beobachtet kniend ein junger, bärtiger Mann das Geschehen. Es ist der Totengräber, der die Gesichtszüge von Eberle trägt. 49 Der Maler präsentiert sich nachdenklich: Linke Hand und rechter Ellenbogen ruhen auf dem Griff seines Werkzeugs, der Kopf ist auf die rechte Hand
gestützt, der kleine Finger in den Mund gesteckt. Die literarische Quelle für die
Darstellung dieser Pose ist ein Gedicht des persischen Dichters Feridoddin Addar
(1119–1229), der durch einen Freund bekannt wurde. 50
„(…) Wissenschaft den Finger steckt in den Mund und weinet:
Was des Seins Geheimnis ist nimmer ihr erscheinet.
Was sein Wesen, lernst du nie, lass das Speculieren!
Oeffnet jedes Wesen nicht zu dem Freund dir Thüren?
Doch wenngleich in jedem Ding du den Freund kannst finden,
Stehst du doch betroffen da, kannst ihn nicht ergründen.
Nimmer kann je Wissenschaft was Gott ist begreifen.
Muss nicht unstet sie umher stets in den Worten schweifen?
Wisse, alles Leben deckt wunderbar ein Schleier,
Selbst der Himmel kreist allein durch der Sehnsucht Feuer.(…)“ 51
Die Gruppe um den Leichnam lässt den Blick auf eine junge Frau frei, die unter
dem Baum sitzt: Die Personifikation Zions. 52 Sie trägt ein langes Gewand, und ihr
49
50
51
52
Vgl. Förster 1857, S. 30.
Tholuck, Friedrich August G.: Blüthensammlung aus der Morgenländischen Mystik, Berlin 1825,
S. 257f. Siehe auch Förster 1857, S. 31.
Das Gedicht heißt „Das Sein, das grösste aller Räthsel“. Zitiert aus: Tholuck 1825, S. 257ff.
Vgl. Förster 1857, S. 30.
33
VI. KATALOG DER WERKE
ADAM EBERLE
Haupt, dessen Haare üppig über die Schulter fallen, schmückt ein Kranz. Mit dem
linken Ellenbogen stützt sie sich auf das rechte Knie, so dass ihr Oberkörper fast
unnatürlich gedreht erscheint. In der Hand hält sie einen Spiegel. Doch sie blickt
nicht hinein, sondern entrückt nach oben. Sie vermittelt vom eschatologisch–
akzentuierten Geschehen im Vordergrund zur Gruppe der Juden: Der Grundgedanke von Psalm 137 spricht sich in den zwei bärtigen Juden und einer Frau aus,
die durch die Allegorie des Heilsgeschehens zwar in den Mittelgrund gedrängt
sind, dennoch den Kern der Komposition bilden.
Umringt von drei Babyloniern stehen drei der Gefangenen in Interaktion mit jeweils einem der Soldaten. Der vordere Zwingherr gießt aus einem Schlauch Wein
in eine Schale. Vom Betrachter abgewendet, trägt er über einem kurzen Gewand
einen Harnisch und ein Schwert an der Hüfte. Um die Schultern hat er einen Umhang geschlungen, der ihm quer über den Rücken fällt. Seinen Kopf bekrönt ein
Helm mit buschigem Schweif. Mit lockendem Blick bietet er das Getränk dem Juden an, der in das Studium der Heiligen Schrift vertieft ist. Von Kopf bis Fuß in ein
Gewand gehüllt, liest er in dem auf seinem Schoß liegenden Buch. Sich mit dem
linken Ellenbogen auf sein Knie stützend, schirmt er mit der Hand sein Gesicht
von den Blicken des Kriegers ab.
Ein anderer Soldat mit nacktem Oberkörper, bartlosem Gesicht und einer Kappe auf dem Kopf legt seinen Arm auf die Schulter des jüngeren Mannes. Er versucht dessen Aufmerksamkeit auf die Harfe am Baum zu lenken, indem er mit
seiner Hand über die Saiten des Instruments streicht. Eine Geißel hängt an seinem Handgelenk. Der ins Profil gerückte Jude wendet seinen Kopf, so dass man
sein Antlitz sieht. Obwohl er voller Angst zu sein scheint, macht er eine abwehrende Gebärde; er weist wohl das Ansinnen, ein Lied zu spielen, zurück. Der dritte
Babylonier trägt ein Kopftuch und Ohrringe. Mit Speer und Schild ausgerüstet
steht er da und richtet seinen Blick unter den halbgesenkten Lidern auf die Frau im
Schatten, die mit gefalteten Händen an der Schulter des Greises Schutz sucht. Ihr
Kopf ist von Tüchern umschlungen; man erkennt nur das ins Halbprofil gewendete
Gesicht. Ein paar Haarsträhnen schauen an der Schulter hervor. Vor der Gruppe
sitzt eine Mutter und umarmt ihr Kind. Sie ist in Dreiviertel – Rückansicht gezeigt.
Ihr Haar wird durch ein geknotetes Tuch zusammengehalten. Kraftlos liegt ihr Arm
auf dem rechten Knie. Von dem Kind sind nur der Haarschopf und der Arm, der
sich um den Hals der Mutter legt, zu sehen. Daneben stehen ein Früchtekorb und
34
VI. KATALOG DER WERKE
ADAM EBERLE
ein Wasserkrug. Links im Abseits sitzt ein brütender, alter Mann. Die Augenbrauen
zusammengezogen, blickt er finster aus dem Bild, am Betrachter vorbei. Er hat die
Hände in-einandergelegt. Hinter ihm spielt ein kleiner Junge auf der Harfe im
Baum. Frontal zum Betrachter stehend, passt er sich mit einer eleganten S–Kurve
seines Körpers dem Halbrund des Rahmens an. Mit der rechten Hand greift er
nach oben an die Saiten des Instruments. Sein nach hinten geneigter Kopf wird
vom bogenförmigen Bildabschluss überschnitten.
Auf der rechten Seite des Bildes sitzen vier Juden um die kleine Statuette eines
Gottes versammelt. Doch keiner von ihnen blickt auf das Götzenbild. Ein älterer
Jude, an den Stamm des Baumes gelehnt, neigt sein bärtiges Haupt und weist mit
dem Zeigefinger zur Stadt, als würde er den fremden Gott aus seinem Blickfeld
verbannen. Neben ihm sieht man einen jungen Mann in Rückansicht, dessen Arme an den Oberkörper gefesselt sind. Auch er wendet sich von dem Bildnis des
Gottes ab. Ihm folgt ein flehentlich gen Himmel betender Jude. Hinter diesem erkennt man noch den zu Boden geneigten Kopf einer weiteren Person.
Literatur
Kunst–Blatt 1832, Nr. 34, S. 170, Nr. 99, S. 393f. · Raczynski 1840, Bd. 2, S. 225f.
· Förster, 1857, Bd. 3, S. 29–31, Abb. · Hagen 1857, S. 170. · Riegel 1883, S. 335,
Nr. 76. · Maillinger 1886, S. 236, Nr. 3096. · Becker 1888, S. 120. · Fey 1896, S. 9.
· Escher 1909, S. 35, S. 39, 42. · Nagler 1837. · Jent 1967, Anhang S. 12. · Ludwig
1981, Bd. 1, S. 260, Abb. · Krafft 1983, S. 44. · LDM 1997, Bd. 1, S. 307. · Becker
1964, S. 263f. · Möseneder 1996, S. 113f., Abb. 13. · Krey 2003, S. 110.
35
VI. KATALOG DER WERKE
JOHN MARTIN
7. JOHN MARTIN (1789–1854)
A. By the Waters of Babylon, 1835
Bild K25
Aus: Illustrations for the Bible
Mezzotinta mit Kupferstich
18,7 x 28,9 cm
Bedruckt: Designed and Engraved by John
Martin, K.L.B./PSALM CXXXVII./London, Published May 1st. 1835, by John Martin, 30, Allsop Terrace, New Road:/Messrs. Ackermann
& Co. _ A Paris, chez M. Victor Morlot, Passage Vivienne, No. 26./PART IX., bedruckt
rechts: Déposé.
Provenienz: –
Privatbesitz Michael J. Campbell
John Martin wurde 1789 als jüngstes von 13 Kindern in der Nähe von Newcastle upon
Tyne, England, geboren. Seine künstlerische Ausbildung begann er bei einem dort
ansässigen italienischen Maler aus dem Piemont namens Boniface Musso (erwähnt
1751), dem er 1806 nach London folgte. Dort verdiente er seinen Lebensunterhalt als
Glasmaler. 1812 entschied sich Martin für eine Karriere als Maler. Vorrangig biblische
Sujets sollten nun seine Malerei bestimmen. Untergangsbilder wie „The Fall of Babylon“
von 1819 gehörten zu seinen ersten Erfolgen. 53 1830 entschloss sich der nun gesellschaftlich etablierte Künstler zu seinem ambitioniertesten Projekt: Zur Publikation einer
Serie von Stichen unter dem Titel „Illustrations to the Bible“, die aus 40 Illustrationen zum
Alten und Neuen Testament bestehen sollte. Das Alte Testament erschien bis 1835 in 10
Bänden. Die Bände des Neuen Testaments wurden nie publiziert. Das Projekt brachte
Martin den finanziellen Ruin. 54
In Band IX findet sich eine der dunkelfarbigsten Darstellungen in der Bibelserie des
John Martin: Psalm CXXXVII. Martin produzierte ungefähr zur selben Zeit eine weitere
Version dieses Themas mit dem Titel „The Daughters of Jerusalem Weeping“, die als
Holzschnitt in „Westhall and Martin’s Illustration of the Bible“ publiziert wurde. 55 Noch
während die Platte im Druckprüfstand war, hellte Martin den Kupferstich auf und fügte
Details im architektonischen Aufbau der Stadt und im landschaftlichen Gefüge hinzu. 56
Weitläufig erstreckt sich vor dem Betrachter eine düstere, dicht bewaldete Flusslandschaft, die im Hintergrund von einer Stadt mit monumentalen Bauwerken begrenzt wird. Rechts hebt sich die mächtige Silhouette des Turmes zu Babel vor
53
54
55
56
Vgl. Knight, Charles (Hg.): Biography (The English Cyclopaedia Division III), London 1856; Dict.
of Art 1996.
Martin, John: Illustration of the Bible, London: published by John Martin, 30, Allsop Terrace, New
Road 1831–35. Siehe dazu Balston, Thomas: John Martin 1789–1854, His Life and Works, London 1947, S. 133ff.; Campbell, Michael, J.: John Martin, Visionary Printmaker, York 1992, S.
120ff.
The Daughters of Jerusalem Weeping, Nr. 80, in: Martin, John, Westhall, Richard: Illustrations of
the Bible, by Westhall and Martin, with Descriptions by the Rev. Hobart Caunter, B.D., 48 Wood–
Engravings, by Various Engravers, London 1835–1836. Vgl. Balston 1947, S. 290, 9b 27 80;
Campbell 1992, S. 147.
Vgl. Campbell 1992, S. 147.
36
VI. KATALOG DER WERKE
JOHN MARTIN
dem lichtdurchzogenen Horizont ab. In der vorderen Bildebene winden sich die
dunklen Fluten des Stromes – von rechts aus dem dunklen, unergründlichen Bildmittelgrund kommend – nach links.
Am jenseitigen Ufer unter einer Weide, in deren herabhängenden Zweigen die
feingeschwungene Harfe kaum auszumachen ist, lagert auf einer lichten, unbewaldeten Landzunge eine Gruppe von sieben jüdischen Frauen. In der von Seerosen bedeckten Wasseroberfläche spiegeln sich ihre Gestalten wider. In lange weiße Gewänder und Umhänge gehüllt, klagen sie und blicken dabei in die Fluten. In
ihrer Mitte stehen im Halbprofil nach rechts gesehen zwei Jüdinnen einander umarmend Seite an Seite. Betrübt haben sie ihre Köpfe geneigt. Die linke hält in der
Hand ihres herabhängenden rechten Armes eine große, schön geschwungene
Harfe, die auf dem Boden aufsetzt. Links sitzt auf einem Stein eine Jüdin, die ihren
Kopf in die Hand stützt und zugleich ihre Augen mit dieser Hand bedeckt. Ihrer in
sich gekehrten Sitzpose entgegengesetzt, wendet die Frau rechts neben der Stehenden ihren Oberkörper zu dieser hin: Dies scheint Teil einer Bewegung zu sein,
ein Hin–und–Her–Wiegen. Sie hat die Hände in den Schoß gelegt und die Füße
überkreuzt. Drei weitere Personen kauern – ihre Köpfe auf den angezogenen
Knien – etwas weiter rechts.
Der Blick des Betrachters, der durch den gewundenen Verlauf des Ufers weiter
in den Mittelgrund gelenkt wird, erspäht auf der nächsten kleinen Landzunge zwei
weitere Personen, die wiederum unter einer Weide kauern. Dahinter erheben sich
die gewaltigen Stadtmauern Babylons. Ein Tor, flankiert von zwei Türmen, führt in
eine majestätische Stadtanlage, in der Säulenhallen und andere monumentale
Gebäude dominieren. Bis zum Horizont erstrecken sich die Bauten. Beinahe
erdrückend lastet das fremde, dunkle Babylon auf der kleinen Gruppe von Jüdinnen, deren Gestalten vom Mond bestrahlt hell aufleuchten.
Literatur
Balston 1947, S. 287, 9a 11 17, S. 290, 9b 27 80. · Feaver 1975, S. 131, 133, Nr.
97 Abb. · Campbell 1986, S. 81, Nr. 108. · Ders. 1992, S. 147 Abb.
37
VI. KATALOG DER WERKE
JOSEPH FÜHRICH
8. JOSEPH VON FÜHRICH (1800–1876)
A. Die trauernden Juden, 1837
Bild K26
Öl auf Leinwand
113 x 163,5 cm
Signatur: unten mittig Jos. Führich pinx. A.D.
1837.
Provenienz: 1945 Ankauf aus der Sammlung
Erwin Graf Nostitz–Rieneck
Prag, National Galerie
1837 entstand die Zweitfassung der „Trauernden Juden“, die im kompositionellen Aufbau
nicht an den Entwurf von 1828 (KATALOG 4A, BILD K4) anschließt. Vielmehr orientiert sie sich –
abgesehen von der Rahmengestaltung – an Bendemanns Gemälde „Die Trauernden
Juden im Exil“ (KATALOG 5A, BILD K5) von 1832. Das Gemälde war 1838 in Wien und 1839 auf
den Ausstellungen in Prag und Dresden zu sehen. 57
In nahem Fokus sitzen Juden im Halbkreis auf einem kargen Erdstreifen unter
zwei dicht nebeneinander stehenden Weiden, deren spärlich bewachsene Äste
vom oberen Bildrand überschnitten sind. Eine Harfe mit der Schnitzerei eines Davidssterns als Ornament hängt an einem Aststumpf. Es sind sechs Personen an
der Zahl: Den Anfang nimmt ganz links ein Greis, ihm folgt nach rechts ein junger,
bärtiger Mann, es schließen sich eine Mutter mit Kind und ein Mädchen an, ein
Mann schräg hinter dem Baum beendet die Runde. Zu beiden Seiten der Gruppe
ist der Blick freigelassen: Links auf eine hügelige Flusslandschaft mit dichtbelaubtem Baum, rechts auf die Mauern Babylons mit Türmen, Säulen und Kuppeln.
Noch weiter in der Ferne am Horizont erstrecken sich Gebirgsketten. Den über der
Stadt intensiv blauen Himmel durchziehen zur Mitte des Bildes hin Wolkenbänder,
die sich links zusammenballen.
Die Juden im Vordergrund begegnen ihrem gemeinsamen Schicksal mit in sich
gekehrter Trauer. Der alte, bärtige Mann ganz links lehnt, ins Halbprofil gerückt,
am Baumstamm, dabei hat er das linke Bein aufgestellt. Er hält seinen Kopf etwas
geneigt und blickt mit gerunzelter Stirn zum Himmel. Eine rote Haube mit geknoteten Zipfeln, die an den Seiten herunterhängen, bedeckt sein Haupthaar. Das
57
Vgl. Müller, Rudolf: Künstler der Neuzeit Böhmens, Biographische Studien, Joseph von Führich,
in: Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 1877/78, 16. Jg., 3.
Heft, S. 190: Müller vermerkt außerdem, dass das Gemälde „Eigenthum des kunstfreundlichen
Grafen Erwin Nostiz geworden und Zierde seiner Galerie in Prag, wählte sie der Kunstverein für
Böhmen zur Mitgliedsprämie für 1842. Franz Hanfstängel in Dresden übernahm zu dem Zwecke die lithographische Reproduktion, die als eine meisterhaft gelungene zu bezeichnen ist.“
Vgl. dazu noch Wörndle 1914, S. 73, Nr. 405a.
38
VI. KATALOG DER WERKE
JOSEPH FÜHRICH
bräunlich–gelbe Gewand umhüllt bis auf die Zehen seines linken Fußes vollständig seinen Körper. Selbst seine Hände hat er unter den Umhang gesteckt.
Der jüngere Leidensgenosse neben ihm nimmt durch die Frontalität seiner Darstellung und durch das Rot seines Umhanges eine zentrale Rolle ein. Er sitzt etwas erhöht auf einem Felsbrocken. Beide Beine unterschiedlich stark angewinkelt,
zieht er das rechte doch soweit an seinen Körper heran, dass er – die gefalteten
Hände auf dem Knie ruhen lassend – sein Kinn darauf abstützen kann. Die Lider
gesenkt, blickt er nachdenklich nach untern. Halblange, dunkle Haare rahmen sein
Gesicht mit der langen markanten Nase. Unter seinem roten Mantel, der faltenreich die linke Schulter, den linken Arm und die Beine umhüllt, trägt er ein weißes
Hemd und Hosen, die in die braunen Ledersandalen gesteckt sind. Am linken
Handgelenk ist eine Fessel angebracht.
Mit dem Ausdruck größerer Verzweiflung über die hoffnungslose Lage der Gefangenschaft stützt die neben ihm im Schneidersitz sitzende Frau ihren Kopf in die
rechte Hand und kehrt ihr Gesicht ins Profil. Nicht einmal der nackte Knabe, der
auf ihrem Schoß liegt und mit dem Saum ihres Kleides spielt, vermag es, ihre
Aufmerksamkeit zu erhaschen. Über einer vorn geknoteten weißen Bluse trägt sie
ein beigefarbenes Kleid. Ihr beschuhter Fuß schaut unter der Kleidung hervor. Ein
dunkelgrünes Tuch ist über ihre Beine gebreitet und verdeckt halb einen zugeschnürten Sack, der unter ihrem linken Knie liegt. Sie umfasst das Kind auf ihrem
Schoß zärtlich, so dass das Köpfchen mit dem blonden Schopf auf ihrem Arm liegen kann. Ein weißes Tuch mit grünem Muster ist halb um ihre goldblonden Haare
geschlungen; ein goldenes Stirnband schmückt ihren Kopf.
Hinter ihr, schon halb im Schatten des Baumes, sitzt ein Mädchen. Sie ist die
einzige der jüdischen Gefangenen, die mit dem Betrachter in Blickkontakt tritt und
das ihr ins Gesicht geschriebene Leid offen präsentiert. 58 Sie kniet und lehnt sich
nach links zur Gruppe. Ihr in der Taille geschnürtes rosafarbenes Kleid betont mit
einem Carmenauschnitt die zarten Schultern. Ihr Haar ist kunstvoll frisiert: Ein geflochtener Zopf ist um ihren Kopf gelegt und rahmt ihr feines Gesicht mit dem
halbgeöffneten Mund. Während die linke Hand auf dem Oberschenkel ruht, wird
ihr rechter Arm, mit dem sie sich vermutlich abstützt, von der Frau vor ihr verdeckt.
Ein weißer Rock kommt unter ihrem Kleid zum Vorschein. Sie ist barfuß.
58
Vermutlich hat Führich mit ihrer Person ein Porträt der schönen Bauerntochter Vittoria Caldoni
ins Gemälde integriert. Vgl. Mildenberger 1992, S. 96f. Schon 1821 schuf Friedrich Overbeck
ein Bildnis der Caldoni, das sich heute in der Neuen Pinakothek München befindet. Führichs
Jüdin zeigt eine große Ähnlichkeit mit diesem Porträt.
39
VI. KATALOG DER WERKE
JOSEPH FÜHRICH
Hinter dem Baum, abgesondert von der Gruppe, sitzt – dem Betrachter den Rücken zukehrend – ein weiterer Jude an den Stamm gelehnt im Schatten. Von den
anderen fast verdeckt, sieht man nur seinen nach links gewandten Kopf mit dem
Nackenansatz. Er trägt ein Tuch über dem Kopf, das er um den Hals mit einer
Kordel fixiert hat. Von seinem Profil zeichnen sich die Nasenspitze, einige Bart–
und Haupthaare gegen das Weiß des wolkigen Himmels ab. Das von einem gräulichen Gewand bedeckte Knie des aufgestellten rechten Beines, um das sich seine
gefalteten Hände spannen, ragt zwischen den Köpfen der Frauen hervor.
Literatur
Vystava Krasoumné Jednoty 1839. · Große 1859, S. 53. · Wurzbach 1859. · Müller
1877/78, 16. Jg., 3. Heft, S. 189f., 223. · Becker 1888, S. 114f. · Frimmel 1889/90,
Nr. 15, S. 227. · Wörndle 1914, S. 73, Nr. 405. · ThB 1916 · Tetzel 1925, S. 40. ·
Bötticher 1948, Bd. 1, S. 361, Nr. 20. · Zimmermann 1956, Heft 7, S. 411, Abb. ·
Krey 2003, S. 117, Anm. 149, Abb. 25.
·
Entwurf
B. Farbentwurf, 1836
Bild K27
Bleistift, Farbenblei
20,7 x 31 cm
Signatur: unten mittig Jos Führich dat A.D.
1836
Provenienz: 1912 Kunsthandel
Wien, Gabriel Poszony 59
Die Gesamtstudie nimmt alle Elemente des Bildes vorweg. Neben Detailänderungen der Vegetation im Vordergrund zeigt sich die hauptsächlichste Variante in der
Mittelfigur und an dem ganz rechts sitzenden Mädchen: Führich hat die Rollen der
beiden Personen vertauscht. Im Entwurf bezieht der junge, hier bartlose Mann den
Betrachter mit ein, indem er ihn mit seinem Blick fixiert. Das Mädchen dagegen
schaut nach rechts, aus dem Bild heraus. Ihr Gesicht ist dabei ins Profil gekehrt,
so dass die schönen Züge noch nicht deutlich als die der Vittoria Caldoni erkennbar sind.
59
Vgl. Wörndle 1914, S. 73.
40
VI. KATALOG DER WERKE
JOSEPH FÜHRICH
Die ungleich filigranere und schön geschwungene Harfe hängt an einem unversehrten Ast. Im Gemälde bietet eine größere Holzfläche am Harfenfuß Platz für
Schnitzereien, in denen der Davidstern, das Symbol des Judentums, sinnbildhaft
wirken kann. Die Gebäude der Stadt sind weiter in der Ferne skizziert. Im Gemälde erheben sich die Mauern Babylons genauer erkennbar jenseits des Ufers. Die
Bedrohung durch die Babylonier wirkt dadurch gegenwärtiger.
Die Verkürzung des sichtbaren Fußes der Mutter ist unstimmig. Im Gemälde hat
Führich die perspektivische Verzerrung umgangen und lässt nur ein kleines Stück
des Fußes mit Schuh erkennen.
Literatur
Handzeichnungssammlung Alexander Flinsch Berlin 1912, S. 37, Nr. 259 mit Abb.
· Wörndle 1914, S. 73, Nr. 404b.
41
VI. KATALOG DER WERKE
ROMAIN CAZES
9. ROMAIN CAZES (1810–1881)
A. Captivité des Juifs à Babylone, 1837
Bild K28
Salon Paris 1837
Öl auf Leinwand
97 x 130 cm
Signatur: unten rechts ROMAIN CAZES MDCCCXXXVII
Provenienz: 1983 Ankauf der Stadt Montauban aus dem Besitz von Mlle Marie Paul–
Cazes
Montauban, Musée Ingres
Romain Cazes wurde 1810 als zweiter von sechs Söhnen des Dichters und Archäologen
Victor Cazes geboren. 1830 kam er an die Ecole des Beaux–Arts, wo er ein Schüler von
Ingres wurde, dessen Einfluss vor allem in der Gestaltung weiblicher Gesichter auffällig
wird. 60 Zu seinen ersten Werken, die der Künstler im Pariser Salon ausstellte, gehörte
„Captivité des Juifs à Babylone“ von 1837. 61 Es handelt sich um ein querformatiges
Gemälde, in dem die Lünettenform durch die Komposition von gemalten Bildelementen
angedeutet wird. In den folgenden Werken mit religiösen Sujets verwendete der Maler
Rahmen mit bogenförmigem Bildabschluss. Diese Entwicklung, die aus dem Rahmen eine
sakrale Form macht (KATALOG 5A, BILD K5 ), kulminiert in den Wandmalereien der Kirchen der
Provinz und von Paris, die er ab 1850 hauptsächlich fertigte. Mit diesen Werken lieferte er
maßgebliche Beiträge zur Erneuerung der religiösen Wandmalerei in Frankreich. 62
Acht Gestalten in orientalisch bunten Gewändern sind im Schatten zweier Weidenbäume in nahezu symmetrischer Komposition versammelt. Der Landstreifen,
auf dem sie lagern, ist spärlich mit Gras bewachsen. Zu beiden Seiten der Gruppe
bietet sich die Aussicht auf eine fruchtbare Flusslandschaft, die durch flimmernde
Sonnenstrahlen verklärt wird. Auf der linken Seite erheben sich jenseits des Flusses hinter Palmen die Mauern Babylons. Rechts sieht man am Horizont die verschwommene Silhouette eines Berges. Der ferne Hintergrund und der Himmel
verschmelzen zu einem atmosphärischen Farbspiel, das – mit dem dunklen Vordergrundstreifen kontrastierend – in der Kleidung der Figuren wieder aufklingt.
Das für Weiden typische herabhängende Astwerk, zu einem großen Teil vom oberen Bildrand überschnitten, führt fort, was mit der Tönung des Himmels im linken
60
61
62
Vgl. Vigne, Georges: Romain Cazes (1808–1881), peintre secret du second empire 1995, S.
30.
Vgl. Bellier de la Chavignerie, Emile Auvray, Louis: Dictionnaire général des artistes de l’école
Française depuis l’origine des arts du dessin jusqu’à nos jours (...), Paris 1882-87; Jouin, Henry: Romain Cazes, Peintre d’histoire, L’école d’Ingres, Paris 1904; ThB 1912, Bd. 6; Vigne,
Georges: Art. zu „Cazes“, in: AKL 1997, Bd. 17.
Vgl. Foucart, Bruno: Le renouveau de la peinture religieuse en France (1800–1860), Paris
1987; S. 223f; van den Broeck, E.: Un peintre chrétien: Romain Cazes, in: L’art et l’autel, August/September 1903, S. 474f.
42
VI. KATALOG DER WERKE
ROMAIN CAZES
Bereich schon angefangen hat: Es bildet ein Halbrund, unter dem die Trauer der
Juden in verschiedensten Haltungen und Gebärden zum Ausdruck kommt. Das
Zentrum wird von einem bärtigen, dem Betrachter frontal zugekehrten Greis eingenommen. Er sitzt direkt vor dem zweigeteilten Baumstamm in der Mittelachse;
sein Kopf ragt in die Lücke. Über seinem Haupt hängt, kaum erkennbar, eine Harfe in den Zweigen. Nach vorne gebeugt stützt er sich mit dem linken Ellenbogen
auf sein Knie, während die Rechte kraftlos in seinem Schoß ruht. Sein Gesicht ist
von den Strapazen gezeichnet. Müde blickt er zu Boden. Über einem weißen Gewand trägt er einen weiten braunen Umhang, der am Saum mit dunkleren Bändern verziert ist. Sein Haupt bedeckt ein weiß–rot gestreiftes, nur an der Stirn
sichtbares Kopftuch, da er – als Zeichen der Trauer – den Umhang auch über den
Kopf gelegt hat.
Ganz im Schatten sitzt ins Halbprofil gewandt ein jüngerer, bartloser Mann vor
dem zweiten Baumstamm. Da sich auf der rechten Bildhälfte eine Person weniger
befindet als auf der linken, ist die Darstellung des Baumes ein ausgleichendes
Element, um einen achsialsymmetrischen Bildaufbau zu wahren. In der Pose eines Denkers – Daumen und Zeigefinger der rechten Hand um das Kinn gelegt –
blickt er nach rechts aus dem Bild. Seine Haare sind vollständig von einem
schwarzen Kopftuch bedeckt. Zu seinen Füßen hat sich eine junge Frau niedergelassen; den Kopf auf die Knie des Mannes bettend, scheint sie zu schlafen. Ihr
schönes Gesicht zeigt sie im Halbprofil. Die Haare stecken unter einem weißen
Kopftuch mit roten Streifen, das über ihren Nacken fällt. Da vor ihr, dem Betrachter
am nächsten, eine Mutter mit Kind kauert, sind Arme und Beine verdeckt, so dass
nur ihre seitliche Schulter–, Rücken– und Gesäßpartie zu sehen sind. Der Umhang ist passend zu der Kopfbedeckung rot mit hellen Streifen.
Vom Schatten des Baumes nicht eingefangen, sitzt nach links ins Profil gekehrt,
etwas von der Gruppe abgerückt, im Vordergrund eine vornübergebeugte Frau mit
einem Kleinkind. Ihre weiße Kleidung setzt einen leuchtenden Akzent zu den dunkelgekleideten Personen unter dem Baum. In voluminösen Falten umgibt das Gewand ihren Körper und liegt ebenso üppig auf dem Boden auf. Mit beiden Händen
hält sie das winzige, in Tüchern eingewickelte Baby. Liebevoll drückt sie das Gesicht des Kindes an ihre Wange. Eine dunkle Haarsträhne kommt unter ihrem gestreiften Kopftuch zum Vorschein.
43
VI. KATALOG DER WERKE
ROMAIN CAZES
Von ihrer Gestalt wird der Blick des Betrachters zu der Gruppe junger Frauen
geführt, die den linken Bildbereich einnehmen. Zunächst dominiert die einzige stehende, frontal ansichtige Figur auf dem Bild: eine junge Frau, ebenfalls mit Kind.
In der Komposition eine Senkrechte bildend, ist sie als Pendant zu dem schmaleren Baumstamm im rechten Bildbereich zu verstehen. Fast mürrisch blickt sie unter gesenkten Lidern auf den Greis. Dabei hält sie das Kleine mit ihrem weiten roten Umhang umfangen und drückt es zärtlich an ihre Brust, so dass der Kopf des
Babys in ihrer Halsbeuge ruht. Ein Kopftuch bedeckt haubenartig die Haare. Dunkle Haarsträhnen rahmen ihr ovales Gesicht.
Die zu ihren Füßen sitzenden Frauen erscheinen ungleich erregter in ihrem
Leid. Ihre bunten, dekorativ wirkenden Gewänder vermitteln eine Bewegtheit, die
im Kontrast zu der dumpfen Ruhe der um den Greis gescharten Personen steht.
Während die eine, ins Halbprofil nach links gekehrt, betet und dabei gen Himmel
blickt, beugt sich die Frau daneben nach vorn bis zu den Knien und birgt ihr Gesicht in den Händen. Beide Frauen haben gelbgestreifte Tücher um den Kopf geschlungen. Die Frau am linken Rand trägt über einer weißen Bluse und einem
blauen Rock einen leuchtend roten Kittel. Sie ist die einzige, deren Augen geöffnet
sind. Die beiden Frauen neben ihr verbergen ihren Kummer vor den Augen des
Betrachters. Das in Rückansicht gezeigte Mädchen lehnt sich halb liegend an die
Beine der rotgewandeten Frau, die zur Rechten des Alten sitzt. Ihre Kleidung setzt
komplementäre Farbakzente: Ein sattgelber Umhang, dessen dünner Stoff ihren
Körper umspielt, ist bis zu den Oberschenkeln hoch gerutscht und lässt ein fliederfarbenes Unterkleid hervorschauen. Ihr dunkles Haar ist im Nacken zu einem Knoten geflochten. Ihr Umhang hat sich verschoben und lässt so den Blick auf den
oberen Rückenansatz und die Schulterpartie frei, was ihre Verletzlichkeit unterstreicht.
Literatur
Kunst–Blatt 1837, Nr. 41, S. 168 (Der Pariser Salon im Jahre 1837 von Eduard
Collow). · Bellier 1882–87. · Comte de Gironde 1918, S. 108–112. · ThB 1912. ·
Foucart 1987, S. 237, Anm. 161. · Prevost, D’Amat 1959. · Julia, Lacambre 1995,
S. 453. · Vigne 1995, S. 14, 30f., Abb. 2, S. 77. · AKL 1997. · Lavallée 1999, S. 69.
44
VI. KATALOG DER WERKE
THOMAS COUTURE
10. THOMAS COUTURE (1815–1879)
A. Super Flumina Babylonis, vermutlich 1836
Bild K29
Öl auf Leinwand
33,4 x 40,7 cm
Signatur: leichte Spur eines Schriftzuges unten links (nicht lesbar), wahrscheinlich
T.Couture 63
Provenienz: 1938 Vermächtnis Maurice Magnin
Dijon, Musée Magnin
Der durch das 1847 im Salon ausgestellte Untergangsbild „Die Römer der Verfallszeit“ 64
bekannt gewordene Thomas Couture wurde 1815 in Senlis geboren. 1831 trat er in die
Ecole des Beaux–Arts ein und wurde dort zunächst Schüler von Antoine–Jean Gros
(1771–1835) und später des Paul Delaroche (1797–1856). Sechsmal versuchte der
Künstler als Schüler der Kunstakademie den Grand Prix de Rome zu gewinnen. 1837
schaffte er den Second Grand Prix mit dem Thema „Opfer des Noah“. 65 Die kleinformatige
Ölstudie „Super Flumina Babylonis“ ist vermutlich eine Ölskizze für eine der Prüfungen
des „Concours d’esquisses“, der 1816 an der Ecole des Beaux–Arts eingeführt wurde. 66
Vermutlich handelt es sich tatsächlich um solch einen Wettbewerbsentwurf. 1836 ist unter
den vier Themen das Sujet „La Fille de Jephté“ zu finden. Laut Beschreibung der Szene,
die vom Prüfungsgremium vorgegeben war, könnte diese Ölskizze die Vorarbeit zu „La
Fille de Jephté“ sein. 67
Eine Gruppe von sechs trauernden Frauen befindet sich auf einem abschüssigen,
kargen Gelände. Der pastose Farbauftrag erlaubt keine Feinheiten: alles ist grob
skizziert. Den Hintergrund nimmt die Silhouette eines Berges ein, der nach rechts
über die Mitte bis zu einem Fluss abfällt. Ein Baum, der sich im linken Bildbereich
erhebt, ist das einzig erkennbare vegetative Element in der Komposition.
Im Mittelpunkt steht ein Frauenpaar. Einander zugekehrt ertragen sie ihr Leid
auf unterschiedliche Weise. Die eine Frau, groß und schlank von Gestalt, ist bekleidet mit einem weißen, ärmellosen Gewand, durch Bänder an Taille und Hüfte
63
64
65
66
67
Vgl. Magnin, Jeanne: Musée Magnin, peintures et dessins de l’Ecole Française, Dijon 1938, S.
54, Nr. 198; Clergeau, Marie Jeanne: Catalogue raisonné des peintures de Thomas Couture
demeurées dans les collections publiques en France, Paris, 1987, S. 149, Nr. 46. In der neueren
Literatur ist die Urheberschaft des Thomas Couture umstritten, das Gemälde wird bevorzugt einem anonymen Maler zugeschrieben. Vgl. hierzu Starcky, Laure: Les peintures Françaises, catalogue sommaire illustré, Dijon, Paris 2000, S. 220.
Vgl. Roters 1998, Bd. 2, S. 16ff.
Vgl. Glaeser, Ernest: Biographie nationale des contemporains, Paris 1878, Bellier 1882–87.
Grundlegend: Boime, Albert: Thomas Couture and the Eclectic Vision, New Haven, London
1980.
Vgl. Starcky 2000, S. 220. Die Vermutung wird von der Tatsache untermauert, dass es sich bei
der Ölskizze um dasselbe Format handelt, das beim Concours d’esquisses verwendet wurde.
Zum Concours d’esquisses siehe Grunchec, Philippe: Les Concours d’esquisses peintres, Paris
1986, Bd. 1; speziell zu den Formaten S. 21.
Vgl. ebd., S. 90.
45
VI. KATALOG DER WERKE
THOMAS COUTURE
fixiert. Während sie mit dem rechten Arm ein Mädchen stützt, hängt ihr linker Arm
kraftlos herab; die Harfe, die sie in ihrer Hand hält, droht ihren Fingern zu entgleiten: Sie konzentriert sich ganz auf das Mädchen, das den Kopf an ihrer Brust birgt
und sich mit den Händen an die Schultern der Frau klammert. Das helle Gewand
ist dem Mädchen bis zur Hüfte gerutscht und entblößt ihre Brüste. Ihre Haltung
drückt Verzweiflung aus. Dem entgegen wirkt die Stärke der sie tröstenden Frau.
Wie Rahmenfiguren für dieses dramatische Szenario der gegensätzlichen Gefühle
wirken die zwei zur Mitte ins Halbprofil gewandten Frauen zu beiden Seiten des
Paares. Ihre Haltung und die dadurch ausgedrückten Gefühle erscheinen den Protagonisten des Bildes diametral entgegengesetzt. Während die eine – links neben
dem aufgewühlten Mädchen – ruhig, beinahe apathisch am Baum lehnt, kniet ihr
Gegenüber, vom rechten Bildrand überschnitten, und betet inbrünstig gen Himmel.
Die ihr Schicksal offenbar demütig hinnehmende Frau trägt über einem weißen
Kleid einen weiten grünlich–blauen Umhang, der ihren Kopf bedeckt. Ein brauner
Besatz verziert den Saum des Mantels. Der Kopf ist leicht geneigt, ihre Hände liegen gefaltet im Schoß. Armreifen schmücken beide Handgelenke.
Den auffälligsten Akzent in der Studie setzt die Betende durch ihre Kleidung:
einen roten Rock und ein weißes Hemdchen, das ihre Schultern frei lässt. Die langen, braunen, zu einem Zopf geflochtenen Haare ziert ein rotes Band, in dem die
Farbe des Rockes wieder anklingt. Schräg dahinter, im zweiten rahmenparallelen
Raumplan, stehen zwei sich einander umarmende Gestalten. Unklare Körperdefinitionen lassen keine genauere Beschreibung zu. In der Studie dominiert der Charakter des Unvollendeten. An dekorativen Details bescheiden, konzentriert sich die
Darstellung allein auf die vielfältigen Ausformungen des Gefühls der Trauer.
Literatur
Dayot 1913, S. 21; Nr. 13. · Magnin 1922, Bd. 2, S. 386, Nr. 588. · Dies. 1938, S.
54, Nr. 198. · Vergnet, Laclotte 1962, S. 231. · Clergeau 1987, S. 149, Nr. 46.
Julia, Lacambre 1995, S. 456. · Starcky 2000, S. 220·
46
VI. KATALOG DER WERKE
CARL OESTERLEY
11 . C A R L O E S T E R L E Y ( 1 8 0 5 – 1 8 9 1 )
A. Israels Volk weinend an den Wassern von Babylon 1841
Bild K30
Illustration zu Christian Andersens „Bilderbuch
ohne Bilder“, 1841
Radierung
13,4 x 9,15 cm
Signatur: unten links C. Oesterley inv et fec.
1841
Provenienz: Superintendent Oesterley (Enkel
des Malers), Wittingen, 1897 Erwerb des Museum of Fine Arts, Boston
Boston, Museum of Fine Arts
Der Maler und Kunstgeschichtsprofessor Carl Oesterley, geboren 1805 in Göttingen,
wurde 1844 zum königlichen Hofmaler in Hannover ernannt. Zunächst studierte er
Archäologie, Geschichte und Philosophie. Nach seiner Promotion nahm er in Dresden bei
Johann Gottlob Matthäi (1753–1832) Zeichenunterricht und hielt sich ab 1824 bis 1829 in
Rom auf. 68 Sein berühmtestes Werk ist das 1835 entstandene Gemälde „Die Tochter
Jephtas“ 69 , das sich im Landesmuseum von Hannover befindet.
Ab 1841 fertigte der Malerradierer insgesamt 12 Platten zu Andersens „Bilderbuch ohne
Bilder“ für die Buchhandlung Vieweg in Braunschweig, welche sie jedoch nicht publiziert
hat. 70 Es handelt von einem einsamen, in einem Dachstübchen wohnenden Maler; der
Mond besucht ihn an 33 Abenden und erzählt ihm Geschichten. Zum Andenken daran soll
der Maler danach Bilder zeichnen. Am achten Abend kommt der Mond hinter schweren
Wolken nicht zum Vorschein und der Maler sinniert über die Erlebnisse des Mondes: „Er
glitt über die Gewässer der Sündflut, lächelte gerade so, wie er zu mir herunterblickte, auf
Noahs Arche nieder, und brachte Trost und Kunde von der neuen Welt, die hervorblühen
würde. Als das Volk Israels weinend an Babylons Flusse stand, schaute er wehmütig nach
den Weiden, wo die Harfen hingen. (…)“ 71
Die Radierung Oesterleys zeigt im Hochformat und nahem Fokus ein mit Schilf
bewachsenes Uferstück mit fünf im Halbkreis angeordneten Juden. Rechts steht
ein alter Weidenbaum, dessen knorrige, von Weinlaub und sogar Trauben umrankten Äste vom oberen Bildrand überschnitten werden. Die üppig belaubten
Zweige füllen das obere Bilddrittel. Eine Harfe hängt an einem abgebrochenen
Ast. An den Stamm lehnt sich, in Dreiviertelrückansicht nach links blickend, ein
alter Mann in langem, faltenreichem Gewand. Sein bärtiges Gesicht ist im Halbprofil zu sehen. Links neben ihm, in Rückansicht gesehen, lagert eine Frau. Sie
68
69
70
71
Vgl. ThB 1931, Bd. 25; Nagler 1841, Bd. 11; Lachner, Eva: Karl Oesterley 1805-1891, in: May,
Otto Heinrich (Hg.): Niedersächsische Lebensbilder, Hildesheim 1954, Bd. 2, S. 261ff.
1835, Öl auf Leinwand, 131,2 x 116,8 cm, Hannover, Landesmuseum.
Vgl. Andresen, Andreas: Die Deutschen Maler-Radirer (Peintres-graveurs) des Neunzehnten
Jahrhunderts, nach ihren Leben und Werken, 1878, Bd. 3, S. 178f.
Andersen, Hans Christian: Bilderbuch ohne Bilder, Halle a.d. S. 1882, S. 13.
47
VI. KATALOG DER WERKE
CARL OESTERLEY
stützt sich mit dem rechten Arm am Boden ab und hält mit ihrer Linken die linke
Hand des Greises. Sie ist in ein in der Taille gerafftes Kleid gehüllt, und um ihren
Kopf mit dem hochgesteckten Haar sind Tücher gebunden.
Schräg gegenüber, am linken Bildrand, steht ein müde wirkender Mann vor einer zweiten, dichtbelaubten Trauerweide. Er wendet sein bärtiges Gesicht dem
Betrachter zu und stützt Arm und Kopf auf eine große, am Boden stehende Harfe,
die am Fuß mit Schnitzereien verziert ist. Vor ihm sitzen zwei erschöpft aussehende Frauen. Die ältere sitzt mit aufgestellten Knien frontal zum Betrachter. Faltenreich verdeckt ihr langes Gewand Beine und Füße, aber ihre linke Schulter und
das Dekolletée sind entblößt. Sie neigt leicht den Kopf und hält die Augen geschlossen; ein Tuch bedeckt die Haare.
An ihrer linken Seite kniet ein Mädchen, das der Betrachter im Profil sieht. Sie
hat die Hände im Schoß gefaltet und ihren Kopf mit den schulterlangen, lockigen
Haaren zum Himmel gewandt.
Zwischen den beiden Figurengruppen, im Zentrum der Komposition, öffnet sich
der Blick auf den Fluss und das weit entfernte, jenseitige Ufer, wo sich majestätisch die Gebäude Babylons erheben. Palmen geben der Stadt einen orientalischen Charakter. Hinter fernen Ufern sieht man am Horizont das Halbrund der
untergehenden Sonne.
Literatur
Andresen 1878, S. 179f. · Senf 1957, S. 180, Nr. 62.
48
VI. KATALOG DER WERKE
EUGÈNE DELACROIX
12. EUGÈNE DELACROIX (1798–1863)
A. La Captivité à Babylone, 1842–44
Bild K31
Öl auf Leinwand
221 x 291 cm
Inschrift auf Ovaltafel unter dem Bild
LA CAPTIVITE A BABYLONE
Paris, Palais Bourbon, Bibliothek
Der 1798 geborene Eugène Delacroix, der bedeutendste Wandmaler seiner Zeit, begann
um 1833 mit der Epoche machenden Ausmalung des Salon du Roi im Palais Bourbon,
dem Sitz der Nationalversammlung. Darauf folgte der Auftrag des Innenministers Graf
Montalivet (1801–1880), die Decke der Bibliothek ebenfalls mit Bildern auszuschmücken,
womit er von 1838 bis 1847 zusammen mit Gustave Lassalle–Bordes (1814–1868), Louis
de Planet (KATALOG 13A, BILD K35), Louis–Jean–Baptiste Boulangé (1812–?) und am Ende
des Vorhabens, 1845, Pierre Andrieu (1821–?) beschäftigt war. 72 Dort schuf er einen
Zyklus, der in den beiden Halbkuppeln an den Schmalseiten der lang gestreckten Galerie
die Geburt der Kultur mit Orpheus an der Südseite und ihre Vernichtung durch Attila an
der Nordseite darstellt. In den Pendentifen der fünf raumüberwölbenden Kuppeln befinden
sich die Errungenschaften menschlichen Kulturgutes: Wissenschaft, Philosophie,
Gesetzgebung, Theologie und schließlich Poesie. Die vierte, der Theologie gewidmete
Kuppel, vereinigt zwei Szenen aus dem Neuen Testament und zwei aus dem Alten
Testament: Der Darstellung „Der Zinsgroschen“ und „Tod Johannes des Täufers“ stehen
„Adam und Eva“ und die „Gefangenschaft in Babylon“ gegenüber. 73 Dieses Pendentif
führte Delacroix laut der niedergeschriebenen Erinnerungen seines Mitarbeiters Louis de
Planet allein aus. 74
Auf der Suche nach Bildthemen zu diesen Stoffen zog er seinen Freund Frédéric Villot
(1809–1875), Kurator der Gemäldesammlung des Louvre (1848–1861), zu Rate. 75 Da der
Bedeutungsinhalt dem Publikum verschlossen blieb, veröffentlichte Delacroix 1848 einen
erläuternden Kommentar zum Programm der Wandmalereien in der Bibliothek. Zum
Gemälde „La captivité à Babylone“ heißt es:
„Une famille éplorée assise aux bords du fleuve, contemple
douloureusement les flots en pensant à la patrie absente. Dans
la champagne, auprès des murs de la ville, des Hébreux dis-
72
73
74
75
Vgl. Correspondance générale d’Eugène Delacroix, hrsg. von Joubin, André, Bd. 2: 1838–1849,
Paris 1931/32; Meier–Graefe, Julius: Eugène Delacroix, Beiträge einer Analyse, München 1922,
S. 58ff.; Jobert, Barthélémy: Art. zu „Delacroix“, in: AKL 2000, Bd. 25.
Vgl. Geffroy, Gustave: Les peintures d’Eugène Delacroix à la bibliothèque de la Chambre des
Députés, Paris 1903; Escholier, Raymond: Delacroix, peintre, graveur, écrivain, 1848–1863,
Paris 1929, Sérullaz, Maurice: Les peintures murales de Delacroix, Paris 1963, S. 49ff.; Johnson, Lee: The Paintings of Eugène Delacroix, a Critical Catalogue, Oxford 1989, Bd. 5, S. 33ff.;
Daguerre de Hureaux, Alain: Delacroix, Das Gesamtwerk, Stuttgart 1994, S. 258ff.
Vgl. Planet, Louis de: Souvenirs de travaux (sic!) de peinture avec M. Eugène Delacroix, hrsg.
von Joubin, André, Paris 1929, S. 18. Aufgrund der zahlreichen Mitarbeiter, die Delacroix beschäftigte, ist nicht immer eindeutig zu klären, welches Pendentif von Delacroix bzw. seinen
Mitarbeitern gestaltet wurde. Planets Souvenirs geben darüber Aufschluss.
Vgl. Delacroix in Joubin 1931/32, Bd. 2, S. 22.
49
VI. KATALOG DER WERKE
EUGÈNE DELACROIX
persés, occupés de vils travaux ou succombant sous la tristesse.“ 76
In der Mitte des prächtig gold–gerahmten Pendentifs sitzt eine trauernde Familie
an der Uferböschung des Flusses. Rechts steht eine Weide, deren Äste ein halbrundes Blätterdach formen und so die Szene am oberen Bildrand einfassen. Eine
Harfe hängt an einem Ast. Auf der linken Seite, hinter der Familie, liegt eine Person auf dem Bauch im Gras und blickt zum Himmel. Im Hintergrund zieht sich die
verschwommene Silhouette der Stadt wie ein Band am Horizont entlang. In der
Landschaft davor, dicht bei den Mauern der Stadt und rechts am Ufer des Flusses,
sieht man verstreut Hebräer, die mit ländlichen Arbeiten und Wasserholen beschäftigt sind. Den konvexen Rahmenabschnitten des Zwickels entgegenwirkend
besteht die Grundform der Komposition aus einem Kreis, in den die Protagonisten
integriert sind.
Der Vater, eine mächtige Männergestalt, sitzt frontalansichtig am Rand der
Uferböschung und lässt die übereinander geschlagenen Füße baumeln. Darunter
sieht man die Fluten des Stromes, der über die gesamte Breite des unteren Zwickelabschnittes verläuft. Der Kopf des Mannes ist nach hinten gebeugt, wehmütig
blickt er nach oben. Mit dem rechten Arm stützt er sich am Boden ab. Der andere
liegt kraftlos im Schoß. Ein Tuch bedeckt sein Haupt, seinen Bart durchziehen
graue Strähnen. Bekleidet ist er mit braunen Hosen; ein weißer Schurz liegt auf
seinen Lenden. Der Oberkörper ist nackt, denn der dunkle Mantel ist von seinen
Schultern geglitten; lose hängt er an seinen Armen.
Die Frau lehnt sich mit dem Körper an die Seite ihres Mannes und legt den Kopf
an seine Schulter. Traurig blickt sie auf den Fluss. Sie trägt ein rotes Kopftuch mit
goldener Borte, aus dem ihre langen schwarzen Haare in Wellen den Nacken herunterfallen. Große goldene Ohrringe rahmen glitzernd ihr hübsches, aber trauriges Gesicht. Im Gegensatz zu ihrem Begleiter hat sie die Beine hochgezogen und
seitlich links abgelegt. Es scheint so, als wolle sie vermeiden, dass ihre Füße und
ihr dunkler, mit einem roten Saum verzierter Rock nass werden. Busen und Schulter sind entblößt, weil die weiße Bluse und der grünliche Umhang – wie bei dem
Mann – nach unten gerutscht sind. Das nackte Kind, rückansichtig gezeigt, krabbelt an die Seite der Mutter, um das Köpfchen an ihre Brust zu schmiegen. In
76
Delacroix, Eugène: Les peintures de la bibliothèque de la Chambre des Députés, in: Le constitutionnel, journal du commerce, politique et littéraire, 32. Januar 1848, o. S. Wiederabdruck in Sérullaz, Maurice: Mémorial de l’exposition Eugène Delacroix, organisée au musée du Louvre à
l’occasion du centenaire de la mort de l’artiste, Paris 1963, S. 272ff.
50
VI. KATALOG DER WERKE
EUGÈNE DELACROIX
Trauer versunken, drückt die Frau es mit dem rechten Arm an sich. Die sukzessive sich verjüngende Figurenkonstellation – sowohl in formaler als auch in inhaltlicher Hinsicht – gleicht die auf dem Bauch liegende Gestalt in der zweiten bildparallelen Ebene aus. Sie lagert nach links gewandt in Dreiviertelrückansicht auf
dem Boden; mit dem Ellenbogen stützt sie sich ab, der Kopf wird von ihrer Hand
gehalten. Die andere Hand umgreift einen am Boden liegenden Gegenstand. Man
erblickt ein bartloses Gesicht im Profil nach oben gewandt, schwarze Haare und
den Rücken eines in weiß gekleideten Körpers. Die regungslose Trauer der Protagonisten im Vordergrund steht im Kontrast zu dem geschäftigen Treiben der „Statisten“, die die Landschaft beleben und Farbakzente setzen. Passivität und Kraftlosigkeit, sichtbar in der nachlässigen Bekleidung des Paares, werden kontrastiert
durch die lichterfüllte, üppige Landschaft.
Literatur
Moreau 1873, S. 213. · Blanc 1876, S. 57 (nur Abb.). · Robaut 1885, S. 235. · Geffroy 1903, S. 6, 16, Abb. S. 12. · Escholier 1929, Bd. 3, S. 67. · Planet 1929, S.
11f. · Hourticq 1930, S. 185, Abb. S. 105. · Sérullaz, Mémorial 1963, S. 274. ·
Ders. 1963, S. 54, 57, 67, 75, 77, 312, Nr. 47 und 48, Abb. 310, 313 Detail. · Ders.
1965, S. 8, Faltblatt 30, 32. · Becker 1967, S. 268. · Huyghe 1967, S. 378f. · Sérullaz 1984, Bd. 1, S. 149 Abb. · Bryson 1984, S. 199, Abb. 116. · Johnson 1989, Bd.
5, S. 74, Abb. 34, Nr. 557. · Sérullaz 1989, S. 268. · Daguerre 1993, 262f., 321,
Abb. S. 264 unten,. · Sérullaz 1995, S. 49 Abb. · Barthélémy 1997, S. 196, Abb.
164 S. 194. · Krey 2003, S. 117f., Abb. 26.
·
Entwürfe
B. Gesamtstudie, 1842–44
Bild K32
Bleistift auf Papier
22 x 26 cm
Signatur: ?
Provenienz: –
Unbekannt
Die Bleistiftzeichnung nimmt das ausgeführte Gemälde im Pendentif der vierten
Kuppel vorweg. Dennoch sind signifikante Unterschiede zu erkennen: Der Stamm
des Baumes ist dünner, so dass das Astwerk über den Köpfen der Familie weniger ausgreift. Zudem hängt keine Harfe am Ast.
51
VI. KATALOG DER WERKE
EUGÈNE DELACROIX
Literatur
Robaut 1885, S. 222, Nr. 857 Abb. · Moreau 1873, S. 323. · Johnson 1989, Bd. 5,
S. 54f.
·
C. Gesamtstudie, 1842–44
Bild K33
Aquarell und Bleistift auf Papier
25,7 x 30,9 cm
Signatur: unten rechts E.D.
Provenienz: 1920 Geschenk der Société des
Amis du Louvre
Paris, Musée du Louvre
Das Aquarell zeigt nahezu die definitive Ausführung des Pendentifs. Einzig die
Pose des Kindes und die damit verbundene Drapierung des Gewandes der Mutter
unterscheiden sich vom Pendentif: Die Frau wird weniger freizügig dargestellt.
Literatur
Moreau 1873, S. 323, Nr. 279. · Robaut 1885, S. 222, Nr. 856. · Meier–Graefe,
Klossowski 1908, S. 98, Abb. 193. · Escholier 1929, Bd. 3, S. 67, davor Abb. ·
Hourticq 1930, S. 100, Abb. · Sérullaz, Mémorial 1963, S. 281, Abb. Nr. 372. ·
Becker 1967, S. 268, Abb. 3. · Sérullaz 1984, Bd. 1, S. 162, Abb. Nr. 298. · Johnson 1989, Bd. 5, S. 54, Abb. 26. · Sérullaz 1995, S. 150, Nr. 52, Abb. · Dies. 2004,
S. 84f., Abb. 31.
·
D. Gesamtstudie, 1842–44
Bild K34
Öl auf Leinwand
44 x 55 cm
Unsigniert 77
Provenienz: Durand–Ruel, Paris
Unbekannt
Die Zuschreibung dieser Ölskizze ist nicht gesichert. Piron meint, dass es eine
solche gegeben haben könnte, die die Lücke zwischen den Vorarbeiten und der
finalen Ausführung schließen könnte:
77
In der rechten unteren Bildecke, direkt unter dem Fuß des Mannes, sind einige Schriftzüge zu
erkennen, die aber auf Grund des unbekannten Verbleibs der Studie nicht untersucht werden
konnten.
52
VI. KATALOG DER WERKE
EUGÈNE DELACROIX
„Je n’ai jamais vu de peintures qui m’aient aussi profondément
touché que certaines ébauches de Delacroix par exemple, la Désolation de Babylone, qu’il a exécuté depuis, en grand, (…) à la
chambre des députés. (...) Au risque de paraître un barbare,
j’avoue que je regretterais beaucoup que cette ébauche fût finie.“ 78
Johnson schreibt diese Ölskizze einem Gehilfen Delacroix’ zu: Pierre Andrieu. 79
Die Ölskizze definiert nur grob die Rahmung des Zwickels. Alle Kompositionselemente stimmen mit dem finalen Gemälde überein. Insofern könnte es durchaus
der dritte und letzte Schritt vor der Ausführung zum Gemälde sein.
Literatur
Piron 1865, S. 88. · Meier–Graefe 1922, S. 159. · Escholier 1929, Bd. 3, Abb. S.
66. · Landman 1948, Bd. 4, Abb. S. 210.· Johnson 1989, Bd. 5, S. 55.
78
79
Piron, E. Achille.: Eugène Delacroix, sa vie et ses œuvres, d'après les souvenirs inédits du baron Rivet, Paris 1865, S. 88.
Vgl. Johnson 1989, Bd. 5, S. 55.
53
VI. KATALOG DER WERKE
LOUIS DE PLANET
13. LOUIS DE PLANET (1814–1875)
A. Dernière Halte des Juifs emmenés en Captivité, 1842/43
Bild K35
Salon 1849
Öl auf Leinwand
132 x 97 cm
Unsigniert
Provenienz: 1943 Vermächtnis des Etienne de
Planet, 1946 Ankauf vom Musée des Augustins
Toulouse, Musée des Augustins
Louis de Planet, geboren 1814 in Toulouse, ging 1833 nach Paris, wo er an der Ecole des
Beaux–Arts u. a. Schüler von Ingres wurde. Zu dieser Zeit entwickelte sich die
Freundschaft zwischen Planet und Romain Cazes (KATALOG 9A) der ebenfalls ein Schüler
von Ingres war. 1839 trat Planet ins Atelier von Delacroix ein und wurde dessen Schüler
und Mitarbeiter. 80 Baudelaire schrieb zum Salon 1845: „PLANET est un des rares élèves de
Delacroix qui brillent par quelques–unes des qualités du maître“. 81 Vor allem wirkte Planet
bei der Ausmalung der Bibliothek des Palais Bourbon mit. Planets „Souvenirs de travaux
(sic!) de peinture avec M. Eugène Delacroix“ geben Aufschlüsse über die Zusammenarbeit
zwischen dem Meister und seinen Assistenten. Von der Gestaltung des Pendentifs
„Captivité à Babylone“ von Delacroix beeinflusst, malte de Planet eine Variante zum
Thema der Babylonischen Gefangenschaft. 82
Planet zeigte seinem Meister zwei Entwürfe zu den „Captifs“ und später das fertige
Gemälde, das Delacroix bis ins Detail kritisierte. Das heutige Bild ist nach den Anregungen
und Verbesserungen von Delacroix entstanden. 83
1843 wurde das Gemälde in der Galerie des Beaux–Arts (Boulevard Bonne–Nouvelle,
Paris) unter den Titel „La Captivité de Babylone“ ausgestellt. 84 Erst zum Salon 1849 erhielt
es die heutige Bezeichnung. 85
Drei hoch gewachsene Weidenbäume, von denen sich der linke diagonal nach
rechts ins Bild schiebt, nehmen mit ihrem Astwerk die obere Hälfte des hochformatigen Gemäldes ein. Durch die Äste ist der blaue, von Wolken durchzogene
Himmel sichtbar. Halbkreisförmig angeordnet lagern die vom Marsch erschöpften
Juden unter dem schattenspendenden Laubdach der Bäume. Zwei Babylonier
bewachen die Gefangenen. Zu beiden Seiten der Gruppe wird der Ausblick auf die
umliegende Landschaft gewährt. Links erstreckt sich die Wüste, die, durch kleine
80
Vgl. Eugène Delacroix, ses collaborateurs et ses élèves Toulousains, Ausst., Toulouse 1992, S.
33.
81
Baudelaire, Charles: Salon de 1845, Planet, in: Ders.: Œuvres complètes, Bd. 2, hrsg. von Pichois, Claude, Paris 1976, S. 30.
82
Vgl. Planet 1929, S. 57, Anm. 2.
83
Vgl. ebd., S. 57ff.
84
Vgl. ebd., S. 57, Anm. 2. Der Zeichner und Graphiker Adolphe Mouilleron (1820-1887) schuf
eine Lithographie. Vgl. ebd., S. 59.
85
Vgl. Paris Salon 1849, Nr. 1674, in: Sanchez, Pierre, Seydoux, Xavier: Les catalogues des salons, Bd. 5, Dijon 2001
54
VI. KATALOG DER WERKE
LOUIS DE PLANET
Menschengruppen belebt, in der Ferne mit einem Gebirge endet. Auf der rechten
Seite ist die Horizontlinie niedriger und man erblickt den Fluss, und an dessen Ufer, eine in gelb gekleidete Frau. Die Szenerie im Vordergrund erscheint beengend
im Gegensatz zur Weite der friedlichen Landschaft.
Links wird der Betrachter mit einem grausamen Geschehen konfrontiert: ein
babylonischer Wächter bedroht einen jüdischen Gefangenen mit der Lanze. Von
vorne gezeigt, kniet der Jüngling fast nackt vor dem Babylonier. Ein gelber Schurz
klemmt zwischen seinen Schenkeln. Ängstlich wendet er den Kopf nach oben und
hebt dabei schützend seine an den Handgelenken gefesselten Arme vors Gesicht.
Der Wächter steht hinter dem diagonal ins Bild ragenden Baumstamm, so dass er
sich darüber beugen muss, um den Juden ins Visier nehmen zu können. In der
linken erhobenen Hand hält er die Lanze – mit der Spitze nach oben – und zielt
auf den Mann zu seinen Füßen. Ein weißes Gewand bauscht sich um seinen Oberkörper und eine dunkle Kappe bedeckt seinen Kopf. Die linke Hand ist zu einer
Faust geballt: Er ist offensichtlich erzürnt.
Etwas weiter vorne zur Mitte des Bildes hin steht frontalansichtig ein vornübergebeugter Babylonier. Er scheint dem neben ihm kauernden Mädchen zu befehlen, auf der Harfe zu spielen, die er in der Hand hält. Seine Kleidung, bestehend
aus einem grünen Beinkleid, einem roten Hemd und einem blauen Turban, bildet
mit dem leuchtend blauen Kleid des Mädchens, das mit der Farbe des Himmels
korrespondiert, und dem gelben Schurz des gefesselten Jünglings ein orientalisch
buntes Farbspiel. Im Gegensatz dazu erscheinen die Gestalten auf der rechten
Seite des Bildes dunkel: der Schatten der Bäume verschluckt jeden Farbklang.
Das eben erwähnte, in der Mittelachse am Baumstamm lehnende Mädchen mit
dem blauen Kleid markiert die Grenze. Gerade noch trifft das von links einfallende
Licht ihre Gestalt. Sie hat ihren Kopf zur Seite auf die Schulter gelegt, die schwarzen Haare fallen den Nacken herab. Man könnte meinen, sie schlafe, denn ihre
Augen sind geschlossen. Doch macht sie mit beiden Händen eine abwehrende
Geste: Sie lehnt es ab, auf dem dargebotenen Instrument zu spielen. Der Greis
bildet mit dem Wächter und dem Mädchen eine Gruppe. Den bärtigen Kopf auf
das Bein der jungen Frau gebettet, liegt er mit angewinkelten Beinen – bildparallel
gezeigt – auf der Erde und schläft. Das Gewand lässt die Schultern frei. Er liegt
auf der Seite, so dass der obere Arm quer über den Oberkörper fällt und die Hand
auf dem Boden aufliegt.
55
VI. KATALOG DER WERKE
LOUIS DE PLANET
Der Vorgabe des Rahmens gehorchend, macht die Figurenfolge einen Bogen
und schließt mit dem auf einem Felsen sitzenden, athletisch aussehenden Mann
ab. Nach rechts ins Profil gekehrt, blickt er in die Richtung des Flusses. Seine
Hände sind am Rücken gefesselt, weswegen seine sitzende Haltung mit dem
vornüber gebeugten Oberkörper und den nach oben gezogenen Beinen einem
Balanceakt gleichkommt. Ein roter Schurz bedeckt Lenden und Beine. An seine
Seite schmiegt sich antithetisch positioniert ein kleiner, nackter Junge und schläft.
Unmerklich fügt sich seine Gestalt in die Seitenansicht des Mannes ein.
Fast in der Mittelachse, neben den beiden, steht eine junge Frau in Dreiviertelrückansicht und lehnt sich an den Baumstamm. Ein langes, bräunliches Gewand,
das die rechte Schulterpartie und den Arm freilässt, umspielt die Konturen ihres
Körpers. Das lange braune Haar flattert im Wind. Sie hält die gefalteten Hände vor
den Körper und schaut zu der in den Zweigen hängenden Harfe auf. Vermutlich
hat sie diese gerade erst dort angebracht, um sich genau wie die anderen den
Befehlen der Zwingherren zu widersetzen. Zwischen ihr und dem sitzenden Mann
ist der Blick auf eine ganz in weiß gekleidete Gestalt freigegeben, die im Mittelgrund etwas abseits von den unter den Bäumen versammelten Juden steht und im
Licht erstrahlt. Sie bildet den einzig hellen Akzent auf der rechten Bildhälfte und
sticht, obwohl sie sich im zweiten bildparallelen Raumplan befindet, zwischen den
dunklen Silhouetten im Vordergrund hervor.
Literatur
Bellier 1882–87. · Planet 1929, S. 7, 57–64, 81, 105. · ThB 1933. · Mesplé 1933,
S. 25, 31, Nr. 10, S. 35, Nr. 3. · Ders. 1942, S. 70, 73. · Eugène Delacroix 1992, S.
33, 35, Nr. 62. · Schurr, Cabanne 1996, Bd. 2, S. 298. · Toulouse à l’époque romantique 1994, S. 82f und Farbt. · Julia, Lacambre 1995, S. 479. · Sanchez,
Seydoux 2001, Bd. 5, Salon 1849, Nr. 1674.
56
VI. KATALOG DER WERKE
RICHARD-CAVARO
1 4 . J E A N –F R A N ÇO I S M I L L E T ( 1 8 1 4 –1 8 7 5 )
A. Captivité de Babylone, 1848
Bild K36
Salon Paris 1848
Öl auf Leinwand
130 x 162 cm
Übermalt
Jean–François Millet, der Maler des französischen Realismus, wurde 1814 als Sohn eines
Bauern in Gréville (Manche) geboren. An der Académie des Beaux–Arts war er ab 1837
Schüler von Delaroche. Zunächst beschickte er den Salon mit Gemälden aus dem
biblischen und mythologischen Themenkreis, bis Millet 1848 sein erstes ländliches Bild mit
dem Titel „Un vanneur“ zusammen mit der großformatigen Komposition „Captivité à
Babylone“ ausstellte. Während „Der Kornschwinger“ gelobt wurde, wurde seine
Darstellung der alttestamentarischen Geschichte des Exils der Juden in Babylon als zu
brutal abgelehnt.
„Nous aimons moins la Captivité de Babylone. Les soldats
pressent les juives qui se refusent à chanter l’hymne de Sion sur
la terre étrangère avec plus de violence qu’il ne convient lorsqu’il
s’agit seulement de virtuoses récalcitrantes. Ils ne se conduiraient
pas autrement dans un assaut ou dans un sac de ville. Cette
scène de coquetterie musicale au bord de l’Euphrate est vraiment
prise par M. Millet dans un sens trop barbare et trop véhément; et,
comme la furie de l’exécution répond à l’énergie convulsive de la
composition, il s’ensuit que ce concert manqué ressemble à une
tuerie.“ 86
Das von der Kritik so heftig zurückgewiesene Gemälde, sein letztes Historienbild, blieb
im Besitz des Künstlers und galt bald darauf als verloren. Erst 1983 wurde es im Zuge
einer Röntgenstrahlen–Untersuchung unter dem in Boston befindlichen Bild „Junge
Schäferin“ gefunden. Millet, der sich während des deutsch–französischen Krieges 1870–
71 in seiner normannischen Heimat aufhielt, übermalte das alte Salonbild aus Mangel an
Malerutensilien. 87
Das durch die Röntgenaufnahme nur in Umrissen erschließbare querformatige
Gemälde zeigt „une composition d’une belle ordonnance et conçue à la manière
d’un maître que Millet a toujours aimé, Nicolas Poussin.“ 88 Alfred Sensier (1815–
1877) 89 beschreibt eine weite und ruhige Landschaft, die von einem großen Fluss
durchzogen und im Hintergrund von den hohen Mauern Babylons begrenzt wird.
Die Hauptszenerie findet sich bildparallel im Vordergrund: Eine Gruppe babylonischer Soldaten, die eher römisch aussehen, stehen hintereinander gestaffelt links.
86
Gautier, Théophile: Salon 1848, in: Feuilleton der „La Presse“, 2. Mai 1848.
Murphy, Alexandra R.: Jean–François Millet, Boston 1984, S. 209.
88
Sensier, Alfred: La vie et l’œuvre de J.–F. Millet, Paris 1881, S. 106.
89
Der Kunstkritiker und Journalist Sensier war Millets vertrautester Freund.
87
57
VI. KATALOG DER WERKE
RICHARD-CAVARO
In gebeugter Haltung drängen sie drei in schwarz gekleideten, rechts im Bild sitzenden jüdischen Frauen Harfen auf. Eine der Frauen, schön und jung, weist in
einer besonders expressiven Geste den Befehl der Soldaten, Lieder zu spielen,
zurück. 90
Literatur
Gautier 1848. · Sensier 1881, S. 106f. · Bellier 1882–87. · Oursel 1886–1912. ·
Jean–François Millet, Grand Palais 1975/76, S. 24. · Murphy 1984, S. 207f., Abb.
S. 209. · Parsons 1985, S. 71.
90
Aufgrund der ungenauen Bildwiedergabe geht die Beschreibung weitgehend auf Sensier 1881,
S. 106 zurück.
58
VI. KATALOG DER WERKE
RICHARD-CAVARO
1 5 . C H A R L E S A D O L P H E R I C H A R D – C AVA R O ( 1 8 1 9 – ? )
A. Les Exilés, 1848
Bild K37
Salon Paris 1849
Öl auf Leinwand
130,5 x 171 cm
Signatur unten links mit roter Farbe:
CHARLES RICHARD MDCCCXL VIII
Provenienz: 1849 Ankauf vom Staat
Besançon, Musée des Beaux–Arts et
d’Archéologie
Charles–Adolphe Richard, genannt Richard–Cavaro, wurde 1819 geboren. Jahr und Ort
seines Todes sind unbekannt. Als Schüler von Ingres und Léon Cogniet (1794–1880)
besuchte er die Ecole des Beaux–Arts ab 1839. Am 20. Juni 1848 bestellte der
Innenminister der zweiten Republik 91 Alexandre Ledru–Rollin (1807–1874) für 1.000 frs
das Gemälde, das den Vers eines Gedichtes von Charles–Louis de Malfilâtre (1733–1767)
illustriert. 92
„O ma patrie!
Dont je suis exilé,
Si ton image échappe à mon âme attendrie,
Si jamais loin de toi mon cœur est consolé,
Que ma main tout à coup séchée
Ne puisse plus vers toi s’étendre désormais;
A mon palais glacé que ma langue attachée
Dans mes plus doux transports ne te nomme jamais.
Souviens–toi de ce jour d’alarmes,
Seigneur, où, par leur joie et leurs cris triomphants,
Les cruels fils d’Édom, insultant à nos larmes,
S’applaudissoient des maux de tes tristes enfants. (...)“ 93
Das Gemälde präsentiert unter einem halbrunden Bildabschluss nachdenkliche
und verzweifelte Exilanten, die sich, auf einer Felsklippe zu kleinen Gruppen versammelt, um ihre spirituellen Anführer scharen. Links erhebt sich über die gesamte Bildhöhe eine steile Felswand, in der die Öffnung einer Höhle zu sehen ist. Auf
der rechten Seite brechen sich die Wellen schaumbekrönt an den Kanten des
Steinplateaus. All’ antiqua gekleidet werfen die Juden einen schmerzvollen Blick
91
92
93
Die zweite Republik (1848–1852). Die Februarrevolution 1848 stürzte die Julimonarchie. Nach
Abdankung des Bürgerkönigs Louis Philippe wurde am 24. Februar 1848 die 2. Republik ausgerufen. Eine provisorische Regierung führte den Posten eines Präsidenten ein, der auf vier Jahre
in direkter Wahl gewählt wurde. Siehe dazu Price, Roger: The French Second Empire, Cambridge 2001. Siehe außerdem L’art en France sous de second empire, Ausst., Paris 1979, S.
15ff.
Vgl. Salon 1849 Nr. 1735, abgedruckt in Sanchez, Seydoux, Bd. 5, 2001.
Poésies de Malfilâtre, Poèmes, Odes et Traductions, hrsg. von Derome, Léopold, Paris 1884, S.
136–138 „Traduction du Psaume CXXXVI Super flumina Babylonis“.
59
VI. KATALOG DER WERKE
RICHARD-CAVARO
über den Ozean, der sie von ihrem Heimatland trennt. In der Lünette wölbt sich
das Firmament. Die Nacht ist hereingebrochen. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne tönen den Himmel am Horizont gelb. Im Aufwind flatternde Vögel
vermitteln den Eindruck von Bewegung. Vor dieser Hintergrundfolie ist das Geschehen im Vordergrund durch das Mondlicht dramatisch in Szene gesetzt: eine
pointierte Lichtführung akzentuiert die Dualität der Empfindungen zwischen
Schmerz über das Exil und Hoffnung auf mögliche Rückkehr, die jede Figurengruppe vereinigt.
Im Zentrum des Bildes steht frontalansichtig der Prophet Ezechiel. Seine Gestalt ist durch das Dunkel der Nacht verschattet. Das von oben, hinter der Felswand
hervorscheinende Mondlicht trifft nur sein nach rechts ins Profil gekehrtes Haupt.
Die Haare, durch die sich ein orangefarbenes Stirnband zieht, wehen im Wind.
Der Bart und der strenge Blick unterstreichen sein düsteres Aussehen. Er trägt ein
weißes Unterkleid, dessen Kragen mit einem hellroten Besatz verziert ist. Um die
Hüften hat er einen violetten Umhang geknotet. Mit ausgestrecktem linkem Arm
weist er über das Gewässer hinweg in die Ferne. In seinem rechten Arm hält er
ein Mädchen. Den Kopf nach hinten gelegt, lehnt es sich an die mächtige Gestalt
des Propheten. Dabei fallen die mit rosa Bändern durchflochtenen Haare der jungen Frau wie eine goldene Flut über den Rücken. Verzückt, beinahe einer Ohnmacht nahe blickt sie in den Sternenhimmel. Das Mondlicht lässt das Weiß der
zarten Bluse aufleuchten, während das Blau des Rockes im Schatten versinkt.
Schräg vor dem Mädchen sind zwei junge Frauen ganz und gar in grell weißes
Licht getaucht. Aneinander geschmiegt führen sie dem Betrachter sowohl inhaltliche als auch formale Gegensätze vor Augen: Während die blonde Frau – mit einem schlafenden Kind auf dem Schoß – sitzt und ihren Kopf mit geschlossenen
Augen auf die Schulter ihrer Leidensgenossin legt, kniet diese, ihre Hände auf das
Knie gestützt, als wolle sie aufstehen, und wendet den Kopf in Richtung der lichten
Ferne. Die Kleider setzen komplementäre Farbakzente. Die junge Mutter, deren
Haar kunstvoll geflochten und zu einem Knoten hochgesteckt ist, trägt einen blauen Rock. Der zarte Stoff der weißen Bluse ist zur Seite gerutscht und entblößt ihre
rechte Brust. Eine rote Schärpe verläuft quer von der Schulter über den Busen.
Die andere Frau erscheint kontrastierend zu ihrem dunklen, ebenfalls hochgesteckten Haar in pastellfarbener Aufmachung: Ihr weißes Kleid wird an den Beinen
von einem aprikotfarbenen Überwurf bedeckt, den Bänder derselben Farbe an der
60
VI. KATALOG DER WERKE
RICHARD-CAVARO
Taille fixieren. Ihr Gesicht mit den klassischen Zügen sieht der Betrachter im
Halbprofil. Folgt man ihrem Blick, der hoffnungsvoll in die Ferne zielt, sieht man
rechts auf einem Klippenvorsprung unmittelbar am Wasser ein Pärchen sitzen.
Der Mann – in strenger Profilansicht gezeigt – blickt über das Wasser. Ein Band
schmückt seine im Wind flatternden Haare. Die Arme umfassen mit gefalteten
Händen die angezogenen Beine, wodurch er den Oberkörper entspannt halten
kann. Das Gewand lässt die für den Betrachter sichtbare Schulter und Rückenpartie frei. Die Frau lehnt sich an die linke Seite des Mannes und stützt den Kopf an
seine Schulter. Dabei hat sie den einen Arm um seinen Rücken gelegt, der andere
ruht auf seinem Knie. Im Gegensatz zu ihrem Gefährten ist ihre Gestalt vom Mond
beschienen, so dass ihr blaues Gewand und die am Hinterkopf geknoteten, blonden Haare mit dem blauen Band aufblitzen. Mit den beiden endet die vom Mondlicht pointiert angestrahlte Figurendiagonale.
Eine zweite verläuft dahinter im Schatten der Felswand. Dort dominiert als
kompositionelles Gegenstück zu Ezechiel die Figur des Jesaja. Frontal gezeigt
steht der Prophet links hinter Ezechiel zwischen zwei Frauen. Sein Überwurf blitzt
rot aus der Dunkelheit hervor. Während er mit der rechten Hand verheißungsvoll
zum Himmel deutet und diese Geste mit seinem Blick unterstreicht, drückt er mit
dem linken, vom Gewand umwickelten Arm eine Harfe an die Brust. Die Frau
rechts hinter ihm, deren Silhouette mit dem düsteren Hintergrund verschmilzt,
greift mit der linken Hand zum Instrument, ihre Rechte berührt die Schulter des
Propheten. Die Frau vor ihm hält die zum Gebet gefalteten Hände an die Wange
und fleht mit erhobenem Haupt zum Himmel. Sie steht nach rechts ins Halbprofil
gewandt und hat das bräunlich–gelbe Gewand eng um den Körper gerafft, so dass
ihre Silhouette sich von dem dunklen Gestein der Felswand klar abzeichnet.
Am linken Bildrand, neben dem Höhleneingang befindet sich ein nach rechts ins
Profil gekehrter Greis. Die Stelle ist spärlich beleuchtet. Er sitzt gebeugt auf einem
Stein und umfängt mit den Armen zwei Kinder. Die Haare seines gesenkten Hauptes sowie der Bart sind grau. Als Kopfschmuck trägt er ein rotes Band, das farblich
zu seinem Gewand passt. Rechts an seiner Seite steht mit ausgestreckten Armen
ein blondes Mädchen, das er schützend um die Taille fasst. Es hat ein kurzes gelbes Kleidchen an und scheint mit der Geste sein Heimweh bekunden zu wollen.
Mondschein, der auf Schulter und Arme des Kindes fällt, rückt die Handlung ins
61
VI. KATALOG DER WERKE
RICHARD-CAVARO
„rechte Licht“. Der Blick auf das Kindchen zur Rechten des Greises ist dem Betrachter versagt. Nur ein Köpfchen lugt an der Schulter des Alten hervor.
Die Figur des Alten mit den Kindern bildet auf der linken Seite ein rahmendes
Element. Dagegen begrenzt nur der rechte Bildrand die Weite des Ozeans. Das
so entstandene Ungleichgewicht der Komposition überspielt der nach rechts driftende Bewegungssog der Trauernden, unterstützt von Komplementärfarbeffekten,
die die einzelnen, voneinander separierten Personengruppen verbinden. Es entsteht ein Farbrhythmus von Rot und Blautönen, die im nächtlichen Himmel changierend wieder aufklingen.
Literatur
Bellier 1882–87. · Oursel 1886–1912. · Castan 1889, S. 51. · Lavallée 1999, S.
173, Abb. S. 147. · Sanchez, Seydoux 2001, Bd. 5, Salon 1849, Nr. 1735.
62
VI. KATALOG DER WERKE
ANTONIO PUCCINELLI
16. ANTONIO PUCCINELLI (1822–1897)
A. La Schiavitù degli Ebrei in Babilonia, 1851
Bild K38
Öl auf Leinwand
67,5 x 133 cm
Unsigniert
Provenienz: seit 1855 in der Galleria
dell’Accadèmia di Belle Arti, Florenz
Florenz, Galleria dell’Accadèmia
Antonio Puccinelli wurde 1822 in Castelfranco di Sotto nahe Pisa geboren. 1839 ging er
auf die Accadèmia delle Belle Arti in Florenz, wo er ein Schüler des Giuseppe Bezzuoli
(1784–1855) wurde. Dieser beeinflusste ihn in der malerischen Technik des Pittoresken
maßgeblich. Als Sieger der Malklasse des von der Akademie ausgeschriebenen
Wettbewerbs reiste Puccinelli 1849 nach Rom. 94 In einem Brief des Künstlers an
Cavaliere Luca Marchesi Bourbon del Monte, Presidente dell’ Imperiale e Reale
Accadèmia di Belle Arti di Firenze vom 21. Juni 1851 bittet er den Direktor der Akademie
um den „Segen“ für den bereits ausgeführten Entwurf der „Ebrei portati in Cattività in
Babilonia“, welcher ein „spontaneo pensiero“ war. 95 Die Antwort des Bourbon del Monte
folgte am 29. desselben Monats: Enthusiastisch äußert sich der Direktor über die Wahl
des Themas, die nicht besser sein könnte. Auch Bezzuoli, den er befragte, stimmte dem
Thema gänzlich zu. Zudem bemerkte der Cavaliere die Originalität des Motivs: „un tema
che può darle campo di distinguersi.” 96
Das querformatige Gemälde zeigt im Licht der untergehenden Sonne Juden, die
auf erhöhtem Wüstenboden unter Bewachung ihrer Zwingherren lagern. Rechts
hinter Bäumen, in eine fruchtbare Senke eingebettet, liegt Babylon. Mächtige
Bauwerke strahlen weiß vor dem dunklen Hintergrund eines Hügels. Auf der linken
Bildhälfte breitet sich am Ende des Plateaus ein weites Tal aus. Die bereits tiefstehende Sonne ist dem Blick des Betrachters entzogen, doch tönt die Kraft ihrer
Strahlen den Himmel gelb, orange, rosa und lila: Es sind die Farben des Abendrots, die Dämmerung hat begonnen, wodurch die Tragik des Geschehens im Vordergrund hervorgehoben wird. Dort dominiert keine zentrale Figur. Puccinelli zeigt
gleichmäßig verteilte Personengruppen, die sich auf dem sandigen Plateau aufhalten. Doch fallen die Figuren, die von den letzten, diagonal von links ins Bild fallenden Sonnenstrahlen beschienen werden, mehr ins Auge als die schon in der
Dämmerung versunkenen Juden.
94
95
96
Vgl. Durbé, Dario: Antonio Puccinelli, Roma 1997, S. 37f.
Vgl. Ebd., S. 76. Etwa zur selben Zeit stellte der Maler Saverio Altamura (1822-1897) „Episodio
della Schiavitù degli Ebrei“ neben zwei weiteren Gemälden im Caffè Michelangelo aus. Vgl.
Spalletti, Ettore: Gli anni del Caffè Michelangelo (1848-1861), Roma 1985, S. 53. Wo sich das
Werk heute befindet ist unbekannt.
Ebd.; Durbé, Dario: Omaggio à Antonio Puccinelli, Roma 1997, S. 76.
63
VI. KATALOG DER WERKE
ANTONIO PUCCINELLI
Die Mittelachse wird von einer Frau und ihrem Kind in Dreiviertelansicht eingenommen, die in der zweiten bildparallelen Ebene von einem den Hügel heraufkommenden Wachtrupp verfolgt werden. Dieses Geschehen ist so Aufsehen erregend, dass es ein Publikum besitzt: die auf der linken Seite im Halbkreis lagernden Juden. Die von den Babyloniern bedrängte Frau wischt sich im Davoneilen die
Tränen vom Gesicht. Dazu benutzt sie ihren gelben Umhang, der mit einer roten
Borte verziert ist; darunter trägt sie ein weißes Kleid mit roter Schärpe um die Hüften. Ein farblich zu ihrer Gewandung passender Turban bedeckt den Kopf mit
dunklem Haar. Der kleine, nur mit einem blauen Lendenschurz bekleidete Junge
klammert sich ängstlich an den Rock der Mutter. Ein rotes Stirnband durchzieht
das Haar. Schützend umfasst die Frau den Kopf des Kleinen, um ihn gegen die
nachfolgenden Soldaten abzuschirmen.
Diese befinden sich rechts hinter den beiden. Der eine, dessen Kleidung aus
einer grünen Kurztunika und einer verzierten Kappe besteht, versucht im Laufen
der Frau eine Harfe vorzuhalten. Vermutlich erschreckt von der Aufforderung, darauf zu spielen, eilt sie weinend davon. Der andere Babylonier, in rot gekleidet,
trägt einen Speer. Seinen Kopf bedeckt ein weißes, von einem roten Band fixiertes
Tuch. Zwei weitere mit Speeren bewaffnete Wächter kommen hinterher. Sie
scheinen in eine Unterhaltung vertieft, da ihre Köpfe einander zugewandt sind.
Nun lenkt der Lichteinfall die Blickrichtung des Betrachters zu dem gebeugten,
alten Mann und dem Mädchen, die sich im vordersten Raumplan des Bildes diametral zu der Mutter und ihrem Kind nach rechts aus dem Bild bewegen. Das Paar
könnte gegensätzlicher nicht sein: Der humpelnde Alte hat seinen Arm in den des
zarten Mädchens eingehakt, stützt sich zusätzlich noch auf einen Stock und starrt
zu Boden. Bekleidet ist er mit gepluderten Hosen und einem in der Taille von Bändern umschlungenen Überwurf. Der weite, rot–braun gemusterte Umhang wird
vorne an der Brust zusammengehalten, fällt über die Schultern zu Boden und
schleift hinter ihm her. Ein weißes Tuch, mit braunen um den Kopf gewickelten
Stoffbändern fixiert, dient ihm als Kopfbedeckung. Seine in Erdfarben gehaltene,
üppige Gewandung steht im Kontrast zu dem freizügigen hellen, in der Taille mit
einer roten Schärpe gerafften Kleid seiner Begleiterin. Es ist dem Mädchen von
der linken Schulter geglitten und entblößt ihre Brust. Ein lindgrünes Band ist
mehrmals um ihr schwarzes Haar geschlungen und hält es am Hinterkopf zusammen. In Gedanken versunken, mit himmelwärts gerichtetem Blick, schreitet sie
64
VI. KATALOG DER WERKE
ANTONIO PUCCINELLI
einher, eine filigrane Harfe vor sich haltend. Ihr Blick zum Himmel deutet auf ein
stilles Flehen um Hilfe. Zu Füßen der jungen Frau kauert ein Mann am Wegrand.
Vom Bildrand überschnitten sitzt er nach links ins Profil gekehrt ganz allein im
Dunkel der angehenden Dämmerung, so dass seine Gestalt nur als Silhouette
wahrzunehmen ist. Mit den Armen umfasst er sein angewinkeltes Bein, um sich
eine entspannte Sitzpose zu verschaffen. Das andere liegt ausgestreckt über dem
rechten Fuß. Kummervoll hält er den Kopf gebeugt. Die Lenden bedeckt ein roter
Schurz, mit dem das um seinen Kopf geschlungene Tuch farblich korrespondiert.
Auf der gegenüberliegenden Seite, jenseits des Pfades, lagern weitere Juden;
sie sind zu kleinen Gruppen zusammengeschlossen und bilden einen nach rechts
geöffneten Halbkreis vom Vordergrund über den Mittelgrund bis zum Rand der
Anhöhe. In der vordersten Bildebene befindet sich eine Familie. Die Frau, ihr
schlafendes Kind auf dem Schoß haltend, sitzt in antithetischer Haltung zu dem
Mann am rechten Bildrand. Den Oberkörper nach vorne gebeugt, starrt sie gedankenverloren zu Boden. Ihr schönes Profil rahmen schwarze Haare, die am Hinterkopf von einem orangeroten Tuch bedeckt werden. Das braune ärmellose Kleid
wird an den Schultern von Spangen zusammengehalten. Die Hüften bedeckt ein
roter Umhang, der ihre Beine bis zu den Füßen umhüllt. Das in ein weißes Tuch
eingewickelte Kind lutscht am Daumen, das Köpfchen an die Brust der Mutter gebettet. Neben der Frau steht ein mit Seilen zum Tragen versehener Wasserkrug,
ein zweiter ist umgefallen.
Allerlei Gegenstände, wie z. B. ein Stoffbündel und eine die linke Bildecke einnehmende Harfe liegen verstreut auf dem Lagerplatz. Schräg hinter der Frau sitzt
ihr Mann frontal zum Betrachter; er wendet seinen Kopf jedoch nach rechts, um
das vermutlich laute Geschehen mit der vor den babylonischen Wächtern davonlaufenden Frau zu verfolgen. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, stützt er
sich mit dem linken Arm am Boden auf, während er mit der anderen Hand sein
aufgestelltes Knie umfasst. Das schräg über die Brust verlaufende Gewand gibt
seine rechte Schulter und die muskulösen Arme frei. Ein braunes Tuch, dessen
ausgefranste Enden herabhängen, ist turbanartig um sein Haupt geschlungen.
Das bärtige Gesicht ist ins Profil gekehrt. Seine verschattete dunkle Gestalt hebt
sich vor der Hintergrundfolie zweier Figurenpaare ab, die im Mittelgrund noch von
den letzten Sonnenstrahlen beschienen werden.
65
VI. KATALOG DER WERKE
ANTONIO PUCCINELLI
Links am Bildrand sieht man einen parallel zum Raumplan liegenden Knaben. Er
hat den Kopf in Richtung des Betrachters auf den Arm gebettet und schläft. Er ist
in ein hellblaues Gewand gehüllt, das als Decke dient. Die daneben kniende Frau
blickt versonnen auf den schlafenden Knaben, dabei stützt sie ihren Kopf mit der
Hand. Ein weißer Mantel über einem orangefarbenen Kleid bedeckt ihr schwarzes
Haar.
Den Abschluss des Figurenhalbkreises bildet das noch weiter im Bildmittelgrund nach links gewandt sitzende Paar. Die Frau bietet dem Betrachter eine
Dreiviertelrückansicht. Sie birgt den Kopf in ihren Händen, als weine sie. Das Gewand ist ihr von den Schultern geglitten. Der Mann neben ihr wendet sich um, so
dass sein bärtiges Gesicht zu sehen ist. Ein rotes Band durchzieht seine Haare.
Im Gegensatz zu der trauernden Frau widmet er seine Aufmerksamkeit dem zentralen Geschehen. Hinter ihm sieht man noch die Umrisse von Kopf und Oberkörper einer am Boden liegenden Frau. Hinterfangen wird die Szenerie von einer den
Hügel hinabwandernden Karawane, die als Silhouette vor dem orange–gelben
Abendhimmel erscheint: ein Kamel, auf dessen Rücken zwei Personen sitzen,
davor ein Kameltreiber und zwei mit Speeren bewaffnete Babylonier.
Die abwechselnd in Licht getauchten oder im Schatten versunkenen Personengruppen intensivieren die Dramatik des Geschehens. So entsteht ein Rhythmus
aus Kontrasten, gesteigert durch orientalische Farbigkeit und Exotik.
Literatur
Panichi 1911, S. 172. · Pinto 1972, S. 219. · Comanducci 1973. · Borgogelli 1983,
S. 185. · Spalletti 1985, S. 51, 53, 34 Abb. · Borgogelli 1988, S. 332. · Spalletti
1991, S. 322. · Durbé 1997, S. 38, 76f., Tafel 25. · Ders., Omaggio 1997, S. 11,
18, S. 76, AABAF, Filza 40B, n. 145, S. 79, AABAF, Inv. 1855, n. 368. · Maestà di
Roma da Napoleone all’Unità d’Italia 2003, S. 281, 292 Abb.
·
Entwürfe
B. Ebbrei affranti, 1851
Bild K39
Zeichnung
Signatur unten rechts: AP
Provenienz: –
Unbekannt
66
VI. KATALOG DER WERKE
ANTONIO PUCCINELLI
Die Zeichnung zeigt ein sitzendes Paar: Mann und Frau sind dem Betrachter frontal zugewandt. Der Mann rechts, dessen Haupt gebeugt und dessen Gesicht von
seiner Hand halb verdeckt ist, scheint sich mit dem rechten Arm auf den Rücken
der Frau aufzustützen. Der linke Arm liegt kraftlos auf dem Oberschenkel. Die
Frau, dem Mann zugewandt, hat ihre Hände ineinander gelegt. Sie ruhen auf dem
Knie des trauernden Mannes. Ihr Blick ist gen Himmel gewandt. Ihre Physiognomie ist die der Francesca Guasconi, der ersten Frau von Antonio Puccinelli. 97 In
die Ölfassung ist das Paar nicht integriert worden. Doch scheint das Motiv der den
Alten stützenden Frau in dem schreitenden Figurenpaar, das die rechte Bildhälfte
dominiert, anzuklingen.
Literatur
Panichi 1911, Abb. S. 168. · Durbé 1997, S. 78, T. 24, Nr. 25.
·
C. Vecchio che trascina il proprio corpo, 1851
Bild K40
Zeichnung
Signatur unten rechts: AP
Provenienz:–
Unbekannt
Studiert wird die Pose eines gebeugten, barhäuptigen alten Mannes, der humpelnd nach Halt sucht. Den linken Fuß nachziehend, benützt er eine Krücke, um
sich fortzubewegen. Die rechte Hand liegt auf einem vage umrissenen Kopf, der
ihm als Stütze dient. Das Motiv des lahmen Alten hat Puccinelli im Gemälde ausgeführt: doch lässt er ihn weitaus würdevoller am Arm der jungen Frau erscheinen.
Literatur
Panichi 1911, S. 172, Abb. S. 170. · Durbé 1997, S. 79, T. 24, Nr. 26.
97
Vgl. Durbé 1997, S. 78. Zum Vergleich findet man auf S. 56, T. 18 ein Porträt.
67
VI. KATALOG DER WERKE
PHILIP HERMOGENES CALDERON
17. PHILIP HERMOGENES CALDERON (1833–1898)
A. By the Waters of Babylon, 1852/53
Bild K41
Öl auf Leinwand
71,8 x 51,4 cm
Signatur links unten: Calderon 1852
Provenienz: 1922 Geschenk von Mrs. George
Calderon
London, Tate Gallery
Philip Hermogenes Calderon, ein englischer Maler spanischer und französischer
Abstammung, wurde 1833 in Poitiers geboren. Sein Vater Juan Calderon war zuerst
katholischer Priester, später Professor für spanische Literatur am King’s College. Zunächst
studierte Calderon Ingenieurwesen, entschied sich aber – durch den zeichnerischen
Aspekt des Studiums angeregt – für eine künstlerische Ausbildung, die er 1850 an der
James M. Leigh’s School in London begann und in Paris im Atelier von François–Edouard
Picot (1786–1868) vollendete. 1853 lieferte Calderon mit dem Gemälde „By the Waters of
Babylon“ sein Debüt an der Royal Academy. 98 Danach stellte er regelmäßig bis 1897 aus.
Zudem wirkte er als Urheber der „St John’s Wood Clique“ 99 . Die Gruppe „escaped into the
past – a past peopled with wimpled shrews, jesters with toothache, the Princess in the
Tower, Henry VIII’s wives and Lady Jane Grey. Like historical novelists, they tended to
sabotage the illusion they were trying to create by overdoing the trimmings – the oriels,
lattices, drawbridges, portcullises, and gingerbread booth.” 100
Calderon hat die trauernden Juden in das fruchtbare Flusstal einer nordischen
Landschaft gesetzt. Im Zentrum des hochformatigen Bildes, in dem die oberen
Ecken ausgespart sind (eventuell durch Rahmen verursacht), sitzt ein alter Mann
zwischen zwei Frauen. Rechts, etwas abseits, erblickt man eine weitere Frau mit
einem Kind auf dem Arm. Im Hintergrund erhebt sich eine bewaldete Hügelkette
so weit in die Höhe, dass nur noch ein schmaler Streifen für den blauen Himmel
übrig ist. Baumreihen säumen die obere Kante der Hügel. Rechts hinter dem Greis
98
Vgl. Graves, Algernon: The Royal Academy of Arts, a Complete Dictionary of Contributors and
their Work from its Foundation 1769 to 1904, London 1905/1906, S. 375, Nr. 1260; Pratt, A.T.
Camden (Hg.): People of the Period: Being a Collection of the Biographies of upwards of six
thousand living Celebrities, London 1897; Storey, G.A.: Philip Hermogenes Calderon, in: The
Magazine of Art, 1898, Bd. 22, S. 446f; Wood, Christopher: The Dictionary of Victorian Painters,
London 1989, S. 86.
99
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Gebiet um den St. John’s Wald eine beliebte Gegend für Künstler, die sich zu einer Gruppierung namens St John’s Wood Clique zusammenschlossen. Initiator war P.H. Calderon zusammen mit Frederick Goodall (1822–1904),
George Adolphus Storey (1834–1919) und William Frederick Yeames (1835–1918). Diese malten hauptsächlich Kostümstücke, die wie eine Zwischenstufe von Historienbild und Genreinterieur anmuten. Das berühmteste Bild der Gruppe stammt von Yeames. Es zeigt ein Thema aus
dem Bürgerkrieg mit dem Titel „And when did you last see your father“ (Liverpool, Walker Art
Gallery). Siehe dazu Morris, Edward, Milner, Frank: „And when did you last see your father“,
Ausst., Liverpool 1992.
100
Hillier, Bevis: The St John’s Wood Clique, in: Apollo, Juni 1964, Bd. 79, S. 490.
68
VI. KATALOG DER WERKE
PHILIP HERMOGENES CALDERON
erblickt man einen steinernen Menschenkopf, der am Fuß der Anhöhe in den Felsen gehauen ist. Aus dem Mund der Fratze sprudelt der Fluss, der nach rechts
aus dem Bild strömt und im Vordergrund – ein kleines Stück der rechten Bildecke
ausfüllend – direkt an der lagernden Gruppe vorbeifließt. Am linken Bildrand ragt
der dünne Stamm eines laubarmen Baumes 101 in die Höhe und koordiniert die
Komposition mit einem zweiten, ebenso kahlen Baum, der in der tiefer liegenden
Raumebene auf der rechten Seite steht.
Die Hauptperson ist der rot gewandete, bärtige Greis. Er sitzt – die bloßen Füße überkreuzt – frontal zum Betrachter und stützt mit der rechten Hand seinen ins
Halbprofil gekehrten Kopf. Versonnen blickt er nach rechts aus dem Bild. Seine
linke Hand ruht auf dem Rücken des neben ihm knienden Mädchens, das den
Kopf in seinem Schoß birgt. Während sich ihre linke Hand in das Gewand des
Greises krallt, hängt ihr rechter Arm kraftlos über dem Schoß des Mannes. Sie
trägt ein zartgelbes, kurzärmeliges Kleid. Vor ihr im Gras liegt eine Harfe. Ihr Pendant ist die Frau zur Rechten des Mannes. Auch sie kümmert sich liebevoll um
das weinende Mädchen: Sie umarmt es und fasst es an der herabhängenden
Hand. Sie kniet seitlich verlagert auf dem Boden und lehnt sich dabei an den Alten. Ihr Gesicht, von glatten dunklen Haaren gerahmt, ist nach rechts ins Profil
gewandt. Sie scheint ins Leere zu blicken. Ihre Bluse strahlt in reinem Weiß und
kontrastiert mit dem grünen Rock, der farblich zum Teil mit dem Grasuntergrund
verschmilzt.
Dieser Hauptgruppe, deren Dominanz in der Farbgebung der Gewandung besteht, ist die Mutter mit dem Kind beigefügt: Weiter entfernt, nach rechts ins Halbprofil gewandt sitzend, ergänzt die Frau das Arrangement aus reinen Buntfarben:
zu grün, weiß, rot und gelb der anderen Personen trägt sie mariengleich ein dunkelblaues Kleid. Ein roter Schleier, der farblich mit dem Gewand des Alten korrespondiert, bedeckt den Kopf. Der Blick ist auf den Säugling in ihren Armen gerichtet, von dem der Betrachter nur den Kopf sieht. Calderon beschränkt sich auf ein
schlichtes Bildgefüge, in dem nur wenige Personen nicht durch Gestik, sondern
durch die Farben ihrer Kleider Akzente setzen.
101
Vgl. Eckert, Willehad Paul: Art. zu „Jude/Judentum“, in: LCI 1994, Bd. 2. Im Liber figurarum,
1202, Joachim di Fiore, Ms. der Bodleian Library, Oxford, wird der jüdische Baum laubarm, der
der Heidenchristen laubreich dargestellt.
69
VI. KATALOG DER WERKE
PHILIP HERMOGENES CALDERON
Literatur
Sanders 1887. · Pratt 1897. · ThB 1911. · Casteras 1977. · Graves 1905/06. · Taylor 1870, S. 102. · Storey 1898, S. 447. · The Tate Gallery Collections 1984, S. 22.
70
VI. KATALOG DER WERKE
ISIDOR LOZANO, GERMAN HERNÁNDEZ
18. ISIDORO LOZANO (1826–?) UND
GERMÁN HERNÁNDEZ AMORES (1823–1894)
A. Consolatrix Afflictorum: Super Flumina Babylonis, 1855/56
Bild K42
aus „Die sieben geistigen Werke der
Barmherzigkeit“
Öl auf Leinwand
Rom, Palazzo Santa Maria di Monserrato &
Centro spagnolo di studi ecclesiastici, Salone
rosso
Isidoro Lozano, geboren 1826, und der drei Jahre ältere Germán Hernández Amores sind
zwei wichtige Vertreter des nazarenischen Purismus, der die spanische Kunst im 19.
Jahrhundert bestimmte. Als Schüler der Academia de San Fernando in Madrid erhielten
beide Künstler 1852 ein Stipendium für einen Romaufenthalt. 102 Während Amores schon
1849 ein Stipendium für Paris erhielt, wo er bei Charles Gleyre (1808–1874) lernte und
sich mit William Bouguereau (1825–1905) anfreundete 103 , war Lozano Schüler des
Federico de Madrazo (1815–1894), dem Vater der romantischen Malerei Spaniens. 104
Im Saal des Palazzo Santa Maria di Monserrato 105 schufen die beiden spanischen
Künstler zusammen eine bildhafte Dekoration. Das Programm, das von Antonio del
Castillo (1827–1897), dem spanischen Gouverneur in Italien, festgesetzt wurde 106 ,
umfasst die sieben Tugenden 107 und die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit 108 .
102
103
104
105
106
107
108
Vgl. Reyero, Carlos: Las pinturas de Isidoro Lozano y Germán Hernández Amores en el
Colegio Eclesiástico Español de Roma, in: Boletin del Museo e Instituto “Camón Aznar”, 1993,
Nr. 53, S. 13.
Vgl. Temple, Alfred George: Modern Spanish Painting: being a Review of Some of the Chief
Painters and Paintings of the Spanish School since the Time of Goya, London 1908.
Vgl. Ossorio y Bernard, Manuel: Galería Biografíca de Artistas espanso del S. XIX. Madrid
1868.
Die Kirche Santa Maria di Monserrato ist nach einem Marienbild des Klosters Montserrat nahe
Barcelona benannt. Die Kirche wurde von dem Borgiapapst Alexander VI. für die Katalanen und
Aragonesen erbaut. Die Fassade zeigt eine Madonna mit Kind. Das Kind zersägt einen Felsen,
eine Anspielung auf den Namen Montserrat, der „zersägter Berg“ bedeutet. In der ersten Kapelle rechts die Gräber der beiden Borgiapäpste Kalixtus III. (1455–1458) und Alexander VI.
(1492–1503). Siehe dazu Lerza, Gianluigi: Santa Maria di Monserrato a Roma dal cinquecento
sintetista al purismo dell’ottocento, Rom 1996, S. 15ff.
Am 30. 9.1855 wurde im königlich–spanischen Palast in Rom von Antonio del Castillo ein Zeitplan festgelegt, der die Künstler dazu verpflichtete, mit den Entwürfen und den Ölbildern bis
zum 31.12.1856 fertig zu sein. Weder der Zeitplan noch die Bedingungen konnten eingehalten
werden, da das Stipendium der beiden Künstler 1856 auslief. Da dieses aber verlängert wurde,
konnte am 11.10.1856 ein neuer Vertrag aufgesetzt werden, in dem die Fertigstellung bis zum
16.6.1857 vermerkt ist. Vgl. dazu Reyero 1993, S. 14ff.
Diese bestehen aus den vier Kardinaltugenden: Justitia, Fortitudo, Prudentia und Temperantia
und den drei theologischen Tugenden: Fides, Spes, Castitas. Vgl. Evans, Michael: Art. zu „Tugenden“, in: LCI 1994, Bd. 4.
Bibelquelle ist die Weissagung über das Weltgericht bei Mt 25, 34ff. Barmherzigkeit ist eine
Bestätigung der Nächstenliebe, die zusammen mit der Liebe Gottes das Wesen der christlichen
Tugend ausmacht. Als Personifikation kommt die Barmherzigkeit in Verbindung mit den von ihr
ausgeübten sieben leiblichen Werken vor. Die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit sind
ikonographisch ungeklärt. Sie sind zwar eine theologische Parallelbildung zu den leiblichen
Werken, beruhen aber nicht auf einer bestimmten Bibelstelle. Siehe dazu Schmitt, Otto: Art. zu
„Barmherzigkeit, Werke der Barmherzigkeit“, in: RDK 1937, Bd. 1. Vgl. außerdem Bühren, Ralf
von: Die Werke der Barmherzigkeit in der Kunst des 12.–18. Jahrhunderts, Zum Wandel eines
71
VI. KATALOG DER WERKE
ISIDOR LOZANO, GERMAN HERNÁNDEZ
Die Öllünette “Trauernde Trösten”, ein geistiges Werk der Barmherzigkeit darstellend,
greift die ersten drei Verse des Psalms 137 auf. Zwei gerahmte Schriftbänder in der
stuckreliefierten Stichkappe alludieren die Darstellung: “CONSOLATRIX AFFLICTORUM” und
“SUPER FLUMINA BABYLONIS... Ps. CXXXVI.”. Während das Rahmenwerk der Decke
leuchtende Rot– und Blautöne aufweist, ist die Lünette mit verhaltenen, beinahe zarten
Farbtönen kombiniert.
Vor dem Prospekt der mit mächtigen Mauern umgebenen Stadt Babylon, die in
einer fruchtbaren Talsenke liegend von einer Gebirgskette hinterfangen wird, befindet sich im zentralen Vordergrund des Halbrunds eine kleine Gruppe von Juden: Ein Mann, zwei Frauen und ein Kind lagern erhöht auf felsigem Terrain frontal zum Betrachter. Ein weiterer Mann in Dreiviertelrückansicht steht links neben
ihnen und weist mit dem linken Arm in die Ferne. Sein Haupt geneigt, blickt er auf
die Trauernden. Er steht kontrapostisch und ist würdevoll mit einer braunen Toga
und einer roten Kappe bekleidet. Als Einziger trägt er Schuhe. Er ist derjenige, der
das Werk der Barmherzigkeit vollzieht, indem er den in Babylonien gefangenen
Juden Hoffnung auf Rückkehr macht: Es ist die ehrfurchtsvolle Gestalt eines Propheten, Deuterojesaja oder Ezechiel 109 , der den Trauernden Trost spendet.
Die Gruppe der Juden wird von einem bärtigen, mit einer kurzen, dunkelroten
Tunika bekleideten Mann dominiert. Er sitzt auf einem Felsen, rechts und links
neben sich zwei Frauen und ein Kind in pastellfarbenen Gewändern. Er stützt sich
mit beiden Händen auf seinem linken Bein ab. Betrübt blickt er zu Boden. Die zu
seiner Rechten sitzende Frau trägt über ihrem rosafarbenen Kleid einen weiten,
weißen Umhang, der, ihren Kopf bedeckend, über den Rücken fällt und auf ihren
Knien liegt. Sie hält ihren geneigten Kopf mit dem linken Arm, der wiederum auf
dem Bein des Mannes aufliegt. Rechts, die Symmetrie wahrend, kniet eine weitere
Frau ins Halbprofil nach links gerückt. Sie trägt nur ein in der Taille gegürtetes
hellgelbes Kleid, was sie als junge Frau ausweist. Verzweifelt birgt sie ihr Antlitz in
den Händen. An ihrer Seite steht frontal zum Betrachter ein Knabe, der sich an
den Arm der jungen Mutter klammert. Mit einer kurzen, weißen Tunika bekleidet,
blickt er als Einziger mit erhobenem Kopf aus dem Gemälde.
Rechts im Abseits, wo Bäume das abfallende Gelände begrenzen, sieht man
eine Frau in Dreiviertelrückansicht sitzen, das Haupt in Trauer gesenkt.
109
Bildmotivs vor dem Hintergrund neuzeitlicher Rhetorikrezeption, Hildesheim, Zürich, New York
1998.
Siehe hierzu S. 27 im Textteil.
72
VI. KATALOG DER WERKE
ISIDOR LOZANO, GERMAN HERNÁNDEZ
Wer von den beiden Künstlern das Lünettengemälde ausgeführt hat, ist nicht mehr
nachzuweisen, da beide vom nazarenischen Formenrepertoire geprägt waren. 110
Literatur
Reyero 1993, S. 17.
110
Vgl. Reyero 1993, S. 18.
73
VI. KATALOG DER WERKE
JOAQUÍN RAMÍREZ
19. JOAQUÍN RAMÍREZ (1834–1866)
A. La Cautividad de los Hebreos en Babilonia, 1858
Bild K43
Öl auf Leinwand
115 x 147 cm
Unsigniert
Provenienz: Sammlung Academia San Carlos,
seit 1982 im Museo Nacional de Arte
Mexico City, Museo Nacional de Arte
Joaquín Ramírez war einer der bedeutendsten Maler des 19. Jahrhunderts in Mexiko.
Seine künstlerische Ausbildung erhielt er ab 1844 von dem katalanischen Maler Pelegrín
Clavé (1810–1880), der 1843 von Rom nach Mexiko kam, um die Leitung der Academia
de San Carlos zu übernehmen. 111 1858 entstand das Gemälde „La Cautividad de los
Hebreos en Babilonia“, für das er den ersten Preis in der Klasse „de composicíon de
muchas figuras“ 112 erhielt. Auf Wunsch des Lorenzo de la Hidalga, einem spanischen
Architekten und dem wichtigsten Mäzen für Lehrer und Schüler der Akademie, malte
Ramírez 1861 eine zweite, identische Fassung der gefangenen Juden. 113 Eine
Lithographie von Ipolito Salazar (1840–1874), die 1874 entstand, befindet sich in der San
Francisco State Library. 114
Die Komposition enthält ein Dutzend Figuren, die von der zentralen Gruppe im
Vordergrund beherrscht werden. Vor einem kubischen Felsblock, überdacht vom
Blattwerk zweier Trauerweiden, sitzt eine jüdische Familie: Der Vater, ein älterer
Mann in der typischen Gebärde der „Melancholie“, die Mutter, die sich aus Verzweiflung die Haare rauft, und zwei kleine Kinder, die sich an den Körper der Mutter klammern. Ein alter Levit steht gebeugt hinter ihnen, niedergeschlagen stützt er
sich mit der rechten Hand auf den Felsen. In der Linken, die kraftlos herabhängt,
hält er eine Schriftrolle. Zu beiden Seiten des Steines erstreckt sich der von weiteren Juden bevölkerte, spärlich begrünte Uferstreifen in die Tiefe des Bildes. Links
im Hintergrund verläuft der Fluss, an dessen jenseitigem Ufer die Stadt Babylon
liegt. Hohe Gebäude spiegeln sich auf der Wasseroberfläche. Die Figuren vermitteln meditativen und verbitterten Schmerz, den das schlichte Kolorit von Braun–
und Ockertönen unterstreicht.
111
112
113
114
Vgl. Leduc, Alberto, Pardo Luis: Diccionario de Geografía, Historia y Biografía mexicanas 1910;
Garcia Rivas, Heriberto, Pintores Mexicanos, 150 Biografías, México 1965.
Vgl. Terreros, Manuel Romero de (Hg.): Catalogos de las Exposiciones de la antigua Academia
de San Carlos de Mexico (1850–1898), Mexico 1963, S. 312.
Vgl. Rojas, Fausto Ramírez: La Cautividad de los Hebreos en Babilonia: Pintura bíblica y
nacionalismo conservado en la academia mexicana a mediados del siglo XIX, in: Curiel,
Gustavo, Mello, Renato Gonzáles, Haces, Juana Gutiérrez (Hg.): Arte, Historia y Identidad en
América: Visiones comparativas, México 1994, Bd. 2, S. 281.
Die Größe der Lithographie beträgt 17,3 x 22 cm.
74
VI. KATALOG DER WERKE
JOAQUÍN RAMÍREZ
Wie auf einem Podest präsentiert Ramírez die Familie vor der homogenen Fläche des Steinblocks. Der Vater sitzt in einer Vierteldrehung nach links gewandt
erhöht in einer Ausbuchtung des Felsens. Die Knie sind in der Höhe versetzt, da
er den linken Fuß auf die Bodenerhebung gestellt hat. Mit dem rechten Ellenbogen
lehnt er sich auf den Felsen und hält sein Haupt. Über einem gelben Unterkleid
trägt er ein rostbraunes Gewand. Der krause Bart liegt wegen der gebeugten
Kopfhaltung auf der Brust. Eine Leier lehnt an seiner Seite. Der weite Ärmel des
Gewandes verdeckt einen Teil des Instruments. Rechts neben ihm lagert die Frau
auf einer blauen Decke. Wie ihr Mann leicht nach links gewandt, hält sie mit beiden Armen ihren Kopf und blickt flehentlich zum Himmel. Dabei fällt ihr Haar in
braunen Wellen über den Rücken. Bekleidet ist sie mit einem orangebraunen Gewand, über dem sie eine weiße, ärmellose, in der Taille mit einem Band geraffte
Bluse trägt. Die zwei Kinder suchen offenbar Trost und Schutz bei der Mutter.
Rahmenparallel sind sie hintereinander gestaffelt dargestellt: der kleine, blond gelockte Junge zerrt mit seinen dicklichen Armen am Oberteil der Mutter, ja hängt
gleichsam an ihr und blickt dabei in die Augen des Betrachters: Er möchte die
Aufmerksamkeit seiner Mutter erregen und scheint dabei quengelnd auf und ab zu
springen, was das hinten hoch gestreckte Beinchen vermuten lässt. Halb verdeckt
wird er von dem kleinen Mädchen im grünen Kleid. Es hat sich auf den Schoß der
Mutter geworfen und das Köpfchen mit den dunklen Haaren in scheinbarer Ruhe
auf die Arme gebettet.
Rechts hinter dem Felsen steht ein bärtiger Greis im Halbschatten mit einem
Schriftstück in der Hand. Ein langes bräunliches Gewand verhüllt seine Gestalt.
Die gehörnte Mitra weist ihn als Hohepriester aus. 115 Hinter seinem Rücken hängt
eine Harfe in den Zweigen des Baumes.
Die Hauptgruppe wird zu beiden Seiten von gefangenen Juden gerahmt, die
sich im Mittelgrund und noch weiter in der Ferne aufhalten. Sie wiederholen die
Gesten der Protagonisten in kleinen Variationen und unterstreichen den dramatischen Inhalt des Gemäldes.
Links befinden sich zwei Männer: Der eine, in orange–braune Gewänder gehüllt, sitzt frontal zum Betrachter auf einem Stein, hat die Hände in den Schoß gelegt und seinen Kopf gesenkt; eine Harfe lehnt neben ihm an einem Stein. Er trauert still, ganz ihm Gegensatz zu seinem Leidensgenossen. Dieser steht hinter ihm,
115
Über die Kleidung der Priester vgl. Ex 28, 1–43.
75
VI. KATALOG DER WERKE
JOAQUÍN RAMÍREZ
ein Bein auf den Stein gestellt, und klagt mit vor der Brust gefalteten Händen zum
Himmel. Seine leuchtend blaue Kleidung bildet einen Komplementärkontrast zu
der seines Begleiters.
Am rechten Bildrand sieht man eine weitere Familie an einen Stein gelehnt. Die
Frau, ins Profil nach links gekehrt, sitzt am Boden und drückt einen Säugling an
ihre Brust. Der hinter ihr sitzende Mann stützt sich frontalansichtig mit dem Ellenbogen auf dem Stein ab; sein Kopf ruht in seiner Hand. Analog zu der Figurenkomposition im Vordergrund ist dem Paar ein alter Mann zugeordnet, der sich
nach rechts auf den Felsen lehnt und gedankenvoll vor sich hinstarrt. Noch weiter
entfernt sieht man den Rücken einer auf einem Wiesenstück sitzenden Frau, die
sich mit dem linken Arm am Boden abstützt.
Literatur
Leduc 1910. · Terreros 1963, S. 310, 312, 333. · García Rivas 1965. · Rojas o. J.,
S. 3, Abb. S. 1. · Ders. 1994, Bd. 2, S. 279–295, Abb. S. 280.
76
VI. KATALOG DER WERKE
SIMEON SOLOMON
20. SIMEON SOLOMON (1840–1905)
A. By the Waters of Babylon, 1858
Bild K44
Tusche,- Sepiazeichnung
Provenienz: Besitz von James Leathart 116
Verschollen
Der Maler Simeon Solomon wurde 1840 als jüngstes von acht Kindern einer jüdischen
Familie im East End von London geboren; sein Bruder Abraham (1823–1862) und seine
Schwester Rebecca (1832–1886) waren, wie die Mutter, ebenfalls Künstler. 117 Bereits mit
10 Jahren begann Solomon seine künstlerische Ausbildung im Londoner Studio seines
Bruders Abraham. 1855 wurde er fünfzehnjährig als Student an der Royal Academy
angenommen. Einer seiner Lehrer war der jüdische Maler Alexander Hart (1806–1881). 118
Von seiner tiefreligiösen Erziehung beeinflusst, war Solomon in jungen Jahren
besessen von Motiven aus dem Alten Testament; seine Bilder versah er mit einer
Beschriftung in Hebräisch. 119 In einer berühmten Charakterskizze beschrieb sich der
Künstler selbst:
„A HISTORY OF SIMEON SOLOMON
From his cradle to his grave.
As an infant he was very fractious. He developed a tendency toward designing. He had a horrid temper. He was hampered. He illustrated the Bible before he was sixteen. He was hated by all of his family before he was
eighteen. He was eighteen at the time he was sent to Paris. His behaviour
there was so disgraceful that his family – the Nathans, Solomons, Moses,
Cohens, etc. et hoc genus homo – would have nothing to do with him. He
returned to London to pursue his disgraceful course of art, wherein he displayed such marvellously exquisite effects of coleography that the world
wondered. He then turned his headlong course into another channel – that
of illustrating books for youths. His “Vision of Love Revealed in Sleep” is
too well known. After the publication of this his family repudiated him forever. His appearance is as follows: Very slender, dark, a scar on one or
two eyebrows, a slouching way with him, a certain nose, one under lip.
That is S. S. “ 120
116
117
118
119
120
James Leathart (1820-1895) war Patron der Präraffaeliten und Sammler ihrer Werke. Ziemlich
bald, spätestens 1863, wie ein Brief beweist, muss die Tuschezeichnung in seinen Besitz gekommen sein. Vgl. dazu Cruise, Colin (Hg.): Love Revealed, Simeon Solomon and the PreRaphaelites, Birmingham 2005, S. 48.
Vgl. Lambourne, Lionel: Solomon, a Family of Painters, Abraham Solomon 1823–1862, Rebecca Solomon 1832–1886, Simeon Solomon 1840–1905, London 1985, S. 24ff.
Vgl. Emden, Paul H.: Jews of Britain, a Series of Biographies, London 1944; Wood 1989; Dict.
of Art 1996;
Vgl. From Prodigy to Outcast, Simeon Solomon, Pre-Raphaelite Artist, Ausst., London 2001, S.
9.
Ford, Julia Ellsworth: Simeon Solomon, an Appreciation, New York 1908, o. S. Die Monographie ist eine Umfrage über Solomons Werke nach seinem Arrest für homosexuelle Belästigung
in der Öffentlichkeit im Februar 1873 und basiert auf Interviews der Autorin mit Solomon und
seinen Zeitgenossen.
77
VI. KATALOG DER WERKE
SIMEON SOLOMON
Das Thema des Exils wurde 1857 bis 1863 ein Leitmotiv seiner Malerei: 121 Neben „Hagar
and Ishmael“ 1857 (London, Lionel Lambourne Collection) und „Ruth, Naomi, and the
Child Obed“ 1860 (Birmingham, City Museums and Art Gallery) ) oder „Queen Esther“
1860 (New York, Robert Isaak Collection), entstand 1858 „By the Waters of Babylon“, das
im November 1858 bei der sechsten Winterausstellung in „Gambart’s French Gallery“ 122
ausgestellt wurde. 123
Die querformatige Zeichnung, die Solomon siebzehnjährig anfertigte, ist verloren und
nur durch die Fotografie von Frederick Hollyer (1837–1933), die 1909 publiziert wurde,
bekannt. 124
Solomon hat eine vielfigurige Zeichnung geschaffen, die von vielen gegenständlichen Details und einfallsreichen kleinen Geschehnissen durchdrungen ist: Zahlreiche Kinder, die sich an ihre Eltern schmiegen, ein sinnierender Alter und spottende Babylonier erzählen die Gefangenschaft der Juden im Babylonischen Exil. Keine Personenhierarchie, sondern ein Rapport aus drei figuralen Konstellationen
strukturiert die Komposition im Vordergrund. Das Bildpersonal wird überwiegend
frontalansichtig in Szene gesetzt. Wenige hohe Bäume, deren Astwerk vom oberen Bildrand zu einem großen Teil überschnitten ist, definieren den Hintergrund,
wo sich eine Prozession von rechts nach links zu bewegen scheint. In der Nachhut
sieht man aufgespannte Sonnenschirme aus einem Gewirr von Menschen ragen.
Im vordersten Raumplan befindet sich mittig die pyramidal gestaffelte Gruppe
einer Familie mit drei Kindern und einem Hund. Die Mutter steht frontal zum Betrachter in der Mittelachse. In ihrem linken Arm hält sie ein nacktes Kind, während
sie die Rechte an die Stirn hält, um ihre Augen gegen das Sonnenlicht abzuschirmen. Sie trägt einen Turban und ist mit Ohrringen und einem Armband geschmückt. Rechts sitzt ein Mann, der den Kopf an die Taille der Frau gelehnt hat
und sie dabei mit dem rechten Arm umfasst. Mit der linken Hand stützt er das von
der Frau im Arm gehaltene Kind. Ein älteres Kind steht direkt vor der Mutter und
fängt den Blick des Betrachters, während sich das dritte mit dem Hund beschäftigt:
Nackt kniet es am Boden und legt dem still dastehenden Tier eine Leine an. Eine
Fußfessel zeugt von der Gefangenschaft in einem fremden Land.
121
122
123
124
Vgl. Kleeblatt, Norman L.: Jewish Stereotype and Christian Prototype: The Pre–Raphaelite and
Early Renaissance Sources for Simeon Solomon’s Hebrew Pictures, in: Casteras, Susan P.,
Faxon, Alicia Craig (Hg.): Pre–Raphaelite Art in its European Context, London 1995, S. 121.
Vgl. außerdem Maas, Jeremy: Gambart, Prince of the Victorian Art World, London 1975, S. 128.
Ernest Gambart (1814–1902) war der bedeutendste Kunsthändler dieser Zeit und der einzige,
der regelmäßig die Werke der Präraffaeliten ausstellte, bis 1876 die Grosvenor Gallery gegründet wurde.
Vgl. Seymour, Gayle Marie: The Life and Work of Simeon Solomon, Diss., Ann Arbor 1987, S
37.
Vgl. Catalogue of Platinotype Reproductions of Pictures, photographed and sold by Mr Hollyer,
London 1909.
78
VI. KATALOG DER WERKE
SIMEON SOLOMON
Als Bindeglied zu der Szenerie am linken Bildrand sitzt neben der zentralen
Gruppe frontalansichtig ein alter Mann in langem Gewand und einem Turban aus
gemustertem Stoff. Niedergeschlagen blickt er zu Boden und stützt sich dabei auf
eine zwischen seinen Beinen stehende Harfe. Ein kleines Kind lehnt mit dem Rücken an seinem rechten Knie und leistet dem Greis Gesellschaft. Nackt, nur mit
einer Perlenkette um den Hals, sitzt es am Boden, ein Bein ausgestreckt, das andere angewinkelt. Das Köpfchen ist nach rechts oben gewandt. Eine Kappe bedeckt seine dunklen Haare nur zum Teil.
Mit der Darstellung des Alten sind zwei am linken Bildrand stehende, in orientalische Tracht gewandete Babylonier narrativ verknüpft: der vordere, im Profil gezeigt, beugt sich mit dem Oberkörper nach vorne, um den sitzenden Juden mit
einem Stöckchen am Ohr zu kitzeln. Mit einem höhnischen Lächeln fordert er
vermutlich ein Lied. Der andere Soldat, der hinter dem stichelnden Babylonier zum
Vorschein kommt, steigert die Verspottung des Juden noch weiter: Mit erhobenen
Armen schlägt er Schellen, die mit Gurten an seinen Händen befestigt sind. Vers 3
von Psalm 137 ist hier authentisch umgesetzt: „Denn die uns gefangen hielten,
hießen uns dort singen und in unserem Heulen fröhlich sein: „Singet uns ein Lied
von Zion!“
Der junge, bartlose Mann schräg hinter dem alten Juden ist vermutlich auch ein
Babylonier. Er steht hinter einer jungen Frau; mit der rechten Hand eine Lanze
umfassend, greift er der Jüdin um die Schulter, um ihr eine Blume (?) darzubieten.
Dabei drückt er sein Gesicht an die Wange der Frau, als würde er ihr etwas ins
Ohr flüstern.
Auf der rechten Seite konzentriert sich das Geschehen auf die Wehklage der
Gefangenen: Zusammengefunden haben sich zwei Frauen und zwei Kinder; eine
weitere Person kniet am äußersten Bildrand. Die eine Frau sitzt frontalansichtig
am Boden und wird von zwei Kindern in Beschlag genommen. Ein Junge, gekleidet in eine kurze Tunika, ist von rechts herangekommen, bettet den Kopf an die
Brust der Frau und umarmt sie. Ein kleineres Kind sitzt links zu ihren Füßen auf
dem Boden; nackt, mit ausgestreckten Beinchen lehnt es sich an das rechte Bein
der Mutter und legt den Kopf an ihr Knie. Die zweite, jüngere Frau steht rechts
dahinter.
Literatur
79
VI. KATALOG DER WERKE
SIMEON SOLOMON
Seymour 1987, S. 37f., 260, Abb. 37. · Catalogue of Platinotype Reproductions
1909. · Ford 1908, S. 75. · Kleeblatt 1995, S. 121, 123 Abb. 7. · Cruise 2005, S.
20, 48. · Das Simeon Solomon Research Archive der Florida Atlantic University
www.fau.edu/solomon/index.html.
80
VI. KATALOG DER WERKE
CHARLES LANDELLE
2 1 . C H A R L E S –Z A C H A R I E L A N D E L L E ( 1 8 2 1 – 1 9 0 8 )
A. Les Femmes de Jérusalem captives à Babylone 125 , 1861
Bild K45
Salon Paris 1861
Öl auf Leinwand
232 x 163 cm
Signatur unten rechts: Ch. Landelle 1861
Provenienz: 1864 Geschenk des Staates
Montauban, Musée Ingres
Charles Landelle, 1821 in Laval geboren, begann 1837 an der Ecole des Beaux–Arts bei
Paul Delaroche (1797–1856) und Ary Scheffer (1795–1858) zu studieren. Vier Jahre
später debütierte er im Pariser Salon, in dem er bis 1848 vorrangig mit Gemälden
religiöser Thematik vertreten war. 126 Durch eine Reise nach Tunesien und Marokko 1848
kam es zu einer Synthese aus seiner religiösen Malerei und dem Orientalismus. 127 1861
entstand das in zahlreichen Einzelstudien vorbereitete Werk „Les Femmes de Jérusalem
captives à Babylone“. Ein Reproduktionsstich im selben Jahr von Ulysse Parent (1828–
80?) in der Gazette des Beaux–Arts bezeugt den großen Erfolg der Komposition. 128 1862
wurde das Bild nach London zur Weltausstellung geschickt. 129 Landelle schrieb am 16.
Mai 1862 an den Minister Comte Walesski (1810–1868) dazu: „Ce tableau qui figurait au
Salon de 1861 (...) représente mon oeuvre la plus capitale depuis vingt ans que
j’expose.“ 130
Das hochformatige Gemälde präsentiert sechs Frauen in einem nahen Bildausschnitt paarweise gruppiert. Unter grauem Himmel lagern sie auf einem erdigen
Uferstreifen, der im Mittelgrund links eine Bucht ausbildet. Über die rechte Bildecke ragt das blattleere Astwerk eines Weidenbaumes; Weidenruten hängen wie
Fäden daran herab. Eine der Frauen hängt gerade eine Leier an einen Aststumpf.
Horizontal in der Mitte des Bildes verläuft der Fluss. Den Hintergrund nimmt das
jenseitige Ufer ein, wo sich eine vegetationsarme Hügellandschaft erhebt. Links
zwischen den Hügeln sieht man die Ausläufer der Stadtmauern Babylons. Die insgesamt eintönige, beinahe öde Umgebung lässt die trauernden Jüdinnen in ihren
orientalisch bunten Gewändern kontrastreich hervorstechen.
125
Vermutlich wird „captives“ „als Gefangene“ übersetzt; wenn es sich direkt auf „Femmes“ beziehen würde, müsste es „captivées“ heißen.
126
Vgl. Bitard, Adolphe: Dictionnaire de biographie contemporaine, Paris 1878; Glaeser 1878; Bellier 1882–87; Vaperaux, Gustave: Dictionnaire universel des contemporains, contenant toutes
les personnes notables de la France et des pays étrangers, 6. Ausgabe, Paris 1893.
127
Vgl. Pillon, Didier, Schaettel, Charles (Hg.): Charles Landelle 1821–1908, Laval 1987, S. 85.
128
Vgl. Lagrange, Léon: Salon de 1861: Gazette des Beaux–Arts, Paris 1861, 15. Juni 1861, S.
340.
129
Vgl. Catalogue officiel de l’Exposition universelle de 1862 à Londres, section Française, Paris
1862, Nr. 204.
130
Vgl. Archives Nationales, F/21/152, Dossier 31.
81
VI. KATALOG DER WERKE
CHARLES LANDELLE
In der Mittelachse steht in vorderster Ebene dem Betrachter zugekehrt ein sich
umarmendes Frauenpaar. Die übrigen Frauen befinden sich zu beiden Seiten
gleichmäßig verteilt, als seien sie rahmendes Beiwerk. Die größere der beiden
Frauen steht links, in ein rotes Gewand gehüllt, kontrapostisch nach rechts ins
Halbprofil gekehrt. Diametral zu ihrer Körperhaltung hat sie den angehobenen
Kopf nach hinten gewandt und blickt mit leicht geöffnetem Mund entrückt nach
oben. Schwarze Haare und ein dunkelgrünes Tuch darüber rahmen das blasse
Gesicht. Mit beiden Armen umfasst sie ein junges Mädchen, das sich an ihren
Körper schmiegt. Große braune Augen in einem schmalen Gesicht blicken den
Betrachter ängstlich an. Das braune lockige Haar schmückt ein leicht zerrupfter
Weidenblätterkranz, der ihrer Schönheit eine gewisse Tragik verleiht. Das Mädchen trägt einen gelben Rock, von einer blauen Schärpe in der Taille zusammengehalten. Die weiße Bluse ist von den Schultern gerutscht, gibt den Rücken frei
und hängt bauschig über ihrem linken Arm, den sie an die Brust ihrer Begleiterin
lehnt, und verdeckt so gerade noch ihren Busen.
Der jungen Frau am linken Bildrand hingegen ist das gelbe Tuch, das über ihrer
linken Schulter hängt, durch die Geste ihrer Verzweiflung bis zu den Hüften herabgeglitten. Wie hingegossen lehnt sie in Dreiviertelrückansicht nach rechts gewandt an einer Harfe, die neben einer alten Frau steht. Mit erhobenen Armen hält
sie sich an der Schulter der Greisin fest, so dass der Umriss ihrer rechten Brust
den Blicken des Betrachters dargeboten wird. Ihr Gesicht wird vom Arm verdeckt.
Die roten Haare sind über dem Ohr kunstvoll eingedreht und im Nacken zu einem
Zopf zusammengebunden. Die angewinkelten Beine – von einem lilafarbenen
Rock umhüllt – sind vor die Füße der stehenden Frau geschoben, so dass der
Körper einen elegant geschwungenen Halbkreis bildet und das Geschehen figural
rahmt.
Gefasster erträgt die grün gekleidete Alte ihr Schicksal: teilnahmslos sitzt sie
nach links gewandt da und starrt mit großen Augen am Betrachter vorbei ins Leere. Die Arme sind nach unten ausgestreckt, dabei sind die Hände um den Fuß des
Instrumentes gewunden und ineinander verschlungen. Das Gesicht ist hager und
ausgemergelt, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Um den
Kopf hat sie ein braunes Tuch gewickelt.
Auf der rechten Seite ist die Komposition figural nicht geschlossen, im Gegenteil: eine der Frauen kniet ins Halbprofi nach rechts gekehrt am Boden. Genau wie
82
VI. KATALOG DER WERKE
CHARLES LANDELLE
die in rot gekleidete Hauptfigur hat sie den Kopf schräg nach hinten geneigt und
blickt mit leicht geöffnetem Mund zum Himmel. Sie trägt ein blaues Gewand und
um den Hinterkopf ein graues Tuch; seitlich wellen sich braune Haare bis zum Nacken. Auf dem rechten Schenkel liegt eine Leier, die sie mit der rechten Hand
festhält. Das hölzerne Instrument ist in der Mitte des Fußes mit einem floralen
Schnitzwerk versehen. Die andere Hand, von der man die offene Handfläche
sieht, scheint das Instrument der unsichtbaren Macht Gottes zu präsentieren, als
würde sie fragen: Wie können wir des Herrn Lied singen in fremdem Land? Die
andere, im Abseits stehende Jüdin hat die Frage schon beantwortet. Als Dreiviertelrückenfigur nach rechts gekehrt hängt sie mit ausgestreckten Armen ihr Instrument auf einen abgebrochenen Ast. Das weiße Kopftuch und die daraus an den
Schläfen hervorquellenden dunklen Haare flattern im Wind. Die bauschigen Ärmel
des grünlichen, an der Hüfte gerafften Kleides sind wegen der erhobenen Arme
nach unten gerutscht.
Literatur
Archives Nationales F/21/0152, Dossier 31. · Lagrange 1861, S. 203. · Ders. 1861,
S. 340, Stich S. 345. · Catalogue officiel de l’Exposition universelle 1862, Nr. 204. ·
Bitard 1878. · Glaeser 1878. · Bellier 1882–87. · Vapereau 1893. · Angot 1910. ·
Stryienski 1911, S. 156. · Catalogue du musée de Montauban 1885, S. 44, Nr.
263, S. 85. · Ternois 1965, Abb. 194. · Angrand 1980, S. 41. · Pillon 1985, S. 185.
· Pillion, Schaettel 1987, S. 34, S. 46, S. 85ff., S. 169. · Garric 1993, S. 85. · Vigne
2002, S. 12, Nr. 8, Abb. S. 11.
·
Entwürfe
B. Gesamtstudie, 1861
Bild K46
Kreide auf Papier
44,5 x 29,2 cm
Unsigniert, Stempel des Ateliers unten rechts
Ch Landelle, bezeichnet unten rechts Les
Captives à Babylone 1861
Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im
Kunsthandel von der Stadt Laval erworben
wurde
Laval, Musée du Vieux–Château
83
VI. KATALOG DER WERKE
CHARLES LANDELLE
Die Studie zeigt die gesamte Komposition des Gemäldes. Eine Bleistiftumrandung
zentriert die Skizze auf dem Blatt. Das zentrale Figurenpaar der beiden sich umarmenden Frauen ist detaillierter ausgeführt als die sie umgebenden Gestalten.
Da sich signifikante Unterschiede zur finalen Fassung auftun, ist anzunehmen,
dass es sich hierbei um einen der ersten Entwürfe handelt, der das gesamte Figurenarrangement im landschaftlichen Umfeld andeutet. Außerhalb des Rahmens
sind links und unten vier kleine Skizzen zu sehen, die in einer Figurengenese die
Anordnungen der zwei Frauen am linken Bildrand aufzeigen.
Literatur
Soutra 1986. · Pillon, Schaettel 1987, S. 89, Nr. 64 mit Abb. S. 87.
·
C. Studie des zentralen Frauenpaares, 1861
Bild K47
Kreide auf Papier
28 x 24 cm
Unsigniert, Stempel des Ateliers unten links
Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im
Kunsthandel von der Stadt Laval erworben
wurde
Privatbesitz
Die Skizze zeigt das zentrale Frauenpaar. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf
der Ausarbeitung der linken, größeren Frau, während das Gesicht des jungen
Mädchens nur angedeutet ist. Bis auf Details entspricht die Studie der Ausführung
in der finalen Fassung: Das Kopftuch der Frau ist voluminöser und fällt faltenreich
über ihren Rücken. Die Hand des Armes, der das angstvolle Mädchen umfängt, ist
nur zur Hälfte zu sehen, während Landelle in der Ölfassung die körperliche Anspannung durch die Wiedergabe angespannter, beinahe verkrampft wirkender
Finger betont.
Literatur
Pillon, Schaettel 1987, S. 89, Nr. 65 mit Abb. auf S. 88.
·
84
VI. KATALOG DER WERKE
CHARLES LANDELLE
D. Studie des zentralen Frauenpaares, 1861
Bild K48
Kreide auf Papier
45,7 x 29,4 cm
Unsigniert, Stempel des Ateliers, unten bezeichnet Recherche pour les Captives de Babylone
Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im
Kunsthandel von der Stadt Laval erworben
wurde
Laval, Musée du Vieux–Château
Anders als in Studie 21 C konzentriert sich der Entwurf des zentralen Frauenpaares auf das Studium des Mädchens. Ungleich skizzenhafter ausgeführt, variiert
Landelle den Winkel ihres Spielbeines, so dass sich ihre Hüfte mehr nach außen
dreht und ihre Körperhaltung gebeugter und somit bewegter ist.
Literatur
Pillon, Schaettel 1987, S. 89, Nr. 66 mit Abb. auf S. 88.
·
E. Studie des zentralen Frauenpaares, 1861
Bild K49
Kreide auf Papier
42,9 x 24,6 cm
Unsigniert, Stempel des Ateliers, unten bezeichnet Recherche pour les Captives de Babylone
Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im
Kunsthandel von der Stadt Laval erworben
wurde
Laval, Musée du Vieux–Château
Während die Konturen der Frauengestalten nur angedeutet werden, sind Faltenwurf und Draperie der Kleidung der Frau plastisch ausgeführt: Es handelt sich also
um eine Gewandstudie, in der Wirkung und Schatten im Bezug auf das Faltenspiel
studiert werden.
Literatur
Pillon, Schaettel 1987, S. 89, Nr. 67 mit Abb. auf S. 91.
·
85
VI. KATALOG DER WERKE
CHARLES LANDELLE
F. Studie des zentralen Frauenpaares, 1861
Bild K50
Bleistift auf Papier
15 x 10,4 cm
Unsigniert
Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im
Kunsthandel von der Stadt Laval erworben
wurde
Laval, Musée du Vieux–Château
Das Blatt zeigt die grob gezeichnete Skizze der zentralen Gruppe. Im Gegensatz
zu den drei oben aufgeführten Studien ist der Bildausschnitt vergrößert und auf die
Oberkörper mit Beinansatz beschränkt. Unruhig geführte Bleistiftstriche und
Schraffuren formen eine heterogene Kontur des mittleren Paares und lassen keine
Details zu.
Literatur
Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 68 mit Abb. auf S. 90.
·
G. Studie des linken Frauenpaares, 1861
Bild K51
Kreide auf Papier
31,7 x 25,8 cm
Unsigniert, Stempel des Ateliers unten rechts
Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im
Kunsthandel von der Stadt Laval erworben
wurde
Laval, Musée du Vieux–Château
Das Blatt präsentiert eine Studie des Frauenpaares am linken Bildrand. Wiederum
thematisiert Landelle ein Gegensatzpaar: erhaben–stark und ängstlich–schwach.
Im Gemälde wird er den Kontrast durch einen großen Altersunterschied verstärken, der in dieser Zeichnung aber noch nicht zum Tragen kommt, da noch keine
Gesichter, sondern nur die Körper konturiert sind. Die Studie konzipiert zunächst
das figürliche Arrangement der beiden Frauen. Dennoch ist deutlich zu erkennen,
dass die junge Frau im Unterschied zum Gemälde ihren Kopf erhoben hat.
Literatur
Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 71 mit Abb. auf S. 94 oben.
86
VI. KATALOG DER WERKE
CHARLES LANDELLE
·
H. Studie des linken Frauenpaares, 1861
Bild K52
Kreide auf Papier
47,3 x 29,3 cm
Unsigniert, Stempel des Ateliers, unten bezeichnet Recherche pour les Captives de Babylone
Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im
Kunsthandel von der Stadt Laval erworben
wurde
Laval, Musée du Vieux–Château
Die Studie konzentriert sich auf Kopf– und Oberkörperpartie der halb liegenden
Frau in Dreiviertelrückansicht, während ihre Stütze – die alte Frau – nur grob umrissen ist. Die lagernde Haltung der Beine greift noch weiter nach rechts aus. Dies
wird im Gemälde zurückgenommen, da Landelle mehr Platz für das zentrale Paar
benötigt.
Literatur
Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 69 mit Abb. auf S. 92.
·
I. Studie des linken Frauenpaares, 1861
Bild K53
Kreide auf Papier, verwischt
24,8 x 21,6 cm
Unsigniert, Stempel des Ateliers unten rechts
Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im
Kunsthandel von der Stadt Laval erworben
wurde
Laval, Musée du Vieux–Château
Bei diesem Entwurf des linken Frauenpaares sind die Körperformen durch die
Wischtechnik der Kreide schon plastisch herausgearbeitet. Die versteinerten Züge
der Alten sind zu erkennen. Aber immer noch hält die junge Frau ihren Kopf erhoben, so dass die langen, zu einem Zopf gebundenen Haare, die im Gemälde auf
ihrem linken Oberarm liegen, über den Rücken fallen.
Literatur
Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 70 mit Abb. auf S. 93.
87
VI. KATALOG DER WERKE
CHARLES LANDELLE
·
J. Studie der Frau in Rückansicht, 1861
Bild K54
Bleistift auf Papier
26,5 x 19,2 cm
Signatur unten rechts: Charles Landelle, bezeichnet unten links Étude pour les Captives
de Babylone
Provenienz:–
Le Mans, Privatbesitz
Die Einzelstudie zeigt ausschließlich die junge Frau des linken Frauenpaares.
Während die Haltung der übereinander gestellten Füße und die Hüftdrehung des
Unterkörpers exakt mit dem Gemälde übereinstimmen, zeigen sich in der oberen
Körperpartie signifikante Unterschiede: Das Gewand bedeckt die linke Hälfte ihres
Rückens und die Haare sind zu einem Knoten im Nacken hochgesteckt.
Literatur
Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 72 mit Abb. auf S. 94 unten.
·
K. Studie der Frau mit Harfe, 1861
Bild K55
Kreide auf Papier
46,5 x 26,6 cm
Unsigniert, Stempel des Ateliers unten rechts
Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im
Kunsthandel von der Stadt Laval erworben
wurde
Laval, Musée du Vieux–Château
Studie der weiblichen Person in Dreiviertellinksdrehung, die in der zweiten Bildebene rechts eine Harfe in die Zweige des Baumes hängt. Landelle studiert die
Jüdin spiegelverkehrt. In der Zeichnung hat sie noch keine Kopfbedeckung; im
Gemälde flattert ihr Kopftuch im Wind und bringt Bewegung in die scheinbar reglose Szenerie.
Literatur
Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 73 mit Abb. auf S. 95.
88
VI. KATALOG DER WERKE
CHARLES LANDELLE
·
L. Ölstudie der linken Frau
Bild K56
Öl auf Leinwand
61 x 51 cm
Signatur unten rechts: Ch Landelle
Provenienz: 1993 bei Christie’s New York versteigert
New York, Kunsthandel
Die Ölstudie präsentiert in vergrößertem Ausschnitt die Kopf– und Oberkörperpartie der sitzenden Frau am linken Bildrand in Dreiviertelrückansicht. Während Gesichtsansatz, Haare, Ohr und die auf dem Unterarm liegende linke Hand besonders schön herausgearbeitet sind, erscheint der Rest der Ölstudie skizzenhaft.
Obgleich die Vorarbeit keine Unterschiede in Körperform und –haltung zum Gemälde aufweist, hat sich Landelle anstelle der braunen Haare später für eine rötliche Haartönung entschieden.
Literatur
Christie’s Auction 19th Century European Paintings, Drawings and Watercolors
1993, S. 45, Nr. 53 Abb.
·
M. Les Femmes de Jérusalem captives à Babylone, 1862
Bild K57
Öl auf Tafel
32,4 x 24 cm
Signatur unten rechts: Ch. Landelle, 1862
Provenienz: erworben im Kunsthandel
Privatbesitz
Die Tafel nimmt als kleindimensionale Ölstudie die figuralen und landschaftlichen
Elemente des fertigen Gemäldes vorweg. Vermutlich zeigt sie in Form eines finalen Entwurfes die Synthese der Einzelstudien.
Literatur
Pillon, Schaettel 1987, S. 89, Nr. 63 mit Abb. · Foucart 1987, S. 400, Abb. 204.
89
VI. KATALOG DER WERKE
CHARLES LANDELLE
Wiederaufnahmen des Motivs
N. Les Femmes de Jérusalem captives à Babylone, 1862
Bild K58
Öl auf Leinwand
80 x 56 cm
Signatur rechts unten: Ch. Landelle
Provenienz: 1862 erworben von der Société
des Amis des Arts Strasbourg
Verschollen
Der Verbleib dieser verkleinerten und fast originalgetreuen Fassung mit halbrundem Bildabschluss ist unbekannt. Das Bild wurde 1862 von der Société des Amis
des Arts für die Ausstellung in Straßburg gekauft. 131 Zum 150. Geburtstag der
Kunstfreundegesellschaft 1982 wird es zwar im Katalog aufgeführt, 132 ist aber nun
laut Angaben des Musée des Beaux–Arts in Straßburg nicht mehr im Bestand
vorhanden. 133
Auf den ersten Blick wirken die beiden Fassungen identisch, unterscheiden sich
aber dennoch: So erscheint der Gesichtsausdruck der in der Mittelachse stehenden Frau ungleich härter. Die Züge sind weniger harmonisch. Zudem kleidet
Landelle die Frau maßvoll: Ihre Schulter ist vom Gewand bedeckt. Dem Betrachter
wird eine ältere Frau präsentiert. Variationen fallen vor allem bei der Frau in der
zweiten Bildebene rechts auf. Flattert in der Erstfassung noch ein weißes Kopftuch
im Wind, so zeigt der Künstler hier die unbedeckten Haare der Jüdin. Das Kopftuch ist ihr beim Aufhängen der Harfe heruntergerutscht. Das Saiteninstrument
selbst ist keine Leier mehr, sondern eine Harfe.
Literatur
Pillon Schaettel 1987, S. 87, Abb. S. 85. · Verzeichnis des Kunstmuseums der
Stadt Straßburg 19124, S. 105, Nr. 539. · Haug 1930, S. 63, Nr. 263. · Metz 1982,
S. 35.
·
131
132
133
Vgl. Pillon, Schaettel 1987, S. 85ff.
Vgl. Metz, René: Société des amis des arts et des musées de Strasbourg, 150. Geburtstag,
Strasbourg 1982, S. 35.
Schriftliche Auskunft von Victor Bayer, Mitglied der société des amis des arts de Strasbourg,
und von Dominique Jacquot, Conservateur du musée des Beaux-arts de Strasbourg.
90
VI. KATALOG DER WERKE
O. L’Exil, 1862
CHARLES LANDELLE
Bild K59
Öl auf Leinwand
141 x 100 cm
Signatur unten links: Ch. Landelle
Provenienz: 1863 Erwerb des Musée des
Beaux–Arts, Marseille
Marseille, Musée des Beaux–Arts
Ein Jahr nach dem großen Erfolg der ersten Fassung, die von der französischen
Kritik hochgelobt wurde, schuf Landelle für 3.000 Francs eine ausschnitthafte Fassung für das Museum von Marseille. 134
Das Gemälde konzentriert sich auf die Darstellung der zentralen Gruppe. Die
Haltung der zwei stehenden Frauen ist jedoch weitaus melancholischer und das
Faltenspiel der Gewandung bewegter: Das Gemälde scheint in seinem Ausdruck
intensiviert zu sein. So hat Landelle, um sich dem Farbspiel der Originalfassung
zu nähern, einen blauen, in üppige Falten gelegten Umhang mit hellbraunem Futter um den gelben Rock des Mädchens drapiert. Als Pendant dazu flattert das
dunkelbraune Kopftuch der Frau kunstvoll stilisiert im Wind. Am rechten Bildrand
hängen eine schlichte Harfe und Zimbeln im Baum und imaginieren abbreviaturhaft die in Rückansicht gezeigte Frau mit Harfe.
Literatur
Auquier 1908, S. 163, Nr. 283. · Stryienski 1911, S. 156. · Pillon, Schaettel 1987,
S. 34, 85.
134
Vgl. Stryienski, Casimir: Une carrière d’artiste au XIXe siècle, Charles Landelle 1821–1908,
Paris 1911, S. 156.
91
VI. KATALOG DER WERKE
GIRODON DE PRALONG
22. ANNE–JOSEPH–ALPHONSE GIRODON (1812–1896)
A. La Captivité des Israélites, 1864
Bild K60
Salon 1864
Signatur unten mittig rechts im Holzfuß der
Harfe
Provenienz: 1865 Ankauf vom Staat
Privas, Musée 135
Anne–Joseph–Alphonse Girodon, genannt Girodon de Pralong, wurde 1812 in Lyon
geboren. Zunächst besuchte er die Ecole des Beaux–Arts in Lyon, wurde aber 1837
Schüler Victor Orsels (1795–1850) an der Pariser Kunstakademie. Sein Oeuvre prägen
die Reisen nach Rom und Jerusalem. 136 Die vielfigurige Komposition „Captivité des
Israélites“, die Girodon de Pralong 1864 in den Salons von Lyon und Paris ausstellte, reiht
sich in eine Vielzahl von Werken religiöser und historischer Sujets. 137
Auf dem groß angelegten, querformatigen Gemälde wird gemäß den mittelalterlichen Illustrationen in Psaltern die Kontroverse zwischen den in Babylon gefangenen Juden und König Nebukadnezar vor Augen geführt: Die Gruppe der Juden –
zwei Drittel des Bildes einnehmend – befindet sich frontalansichtig gestaffelt links
unter zwei Weiden, deren Laubwerk zu einem großen Teil vom oberen Bildrand
überschnitten ist. In dem rechten der beiden Bäume hängen Harfen in den Ästen.
Der König und sein Gefolge stehen im Halbprofil gezeigt, zusammengedrängt am
rechten Bildrand. Dazwischen öffnet sich der Ausblick auf ein Tal, durch das sich
ein Fluss windet. Am jenseitigen Ufer erhebt sich auf hügeligem Terrain Babylon.
Das Licht fällt von links ins Bild und trifft die sitzenden Juden und Nebukadnezar.
In vorderster Ebene kniet eine in ein tailliertes Gewand gekleidete ältere Jüdin
aufrecht zu Füßen des Königs. Ein Mantel fällt von ihrer linken Schulter über ihr
aufgestelltes linkes Bein, an dem rahmenparallel – in Rückansicht gesehen – ein
Mädchen in langem Kleid und üppig über den Rücken fallenden lockigen Haaren
lehnt. Der Kopf der Frau ist nach rechts ins Profil gekehrt. Ein Kopftuch, befestigt
mit einem Stirnband, verdeckt ihre Haare. Mit seitlich nach unten ausgestreckten
Armen und offenen Handflächen reagiert sie auf die gebieterische Geste des Kö-
135
Leider konnte das Gemälde nicht im Original untersucht werden, da das Museum laut Angaben
des Kulturamtes von Privas im November 2002 geschlossen wurde. Der genaue Verbleib ist
nun unbekannt. In den Archives Nationales F/21/449, Dossier 12 ist erwähnt, dass „La Captivité
des Juifs“ 1865 in das Collège Communal in Privas kam.
136
Vgl. Bellier 1882–87; Audin, Marius, Vial, Eugène: Dictionnaire des artistes et ouvriers d’art du
Lyonnais, Bd. 1-2, Paris 1918/19; ThB 1921.
137
Archives Nationales F/21/7635, Folio 21.
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VI. KATALOG DER WERKE
GIRODON DE PRALONG
nigs, der mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf eine vor ihm am Boden liegende Harfe deutet. Der König ist als Feldherr in Sandalen, eine kurze Tunika mit
Überwurf und einen Helm mit Schweif gekleidet. Neben ihm, in der rechten Bildecke, ragt bezeichnenderweise ein von Seilen umwickelter Holzpflock aus dem
Boden.
Unmittelbar schräg hinter Nebukadnezar steht ein in ein langes Gewand gehüllter, bärtiger Mann: Seine Kleidung und die Tatsache, dass er keine Waffen trägt,
könnten ihn als Hohepriester ausweisen. Das übrige Gefolge besteht aus Soldaten, die, mit Speeren und Feldzeichen ausgestattet, hinter dem König und seinem
Begleiter warten. Die Juden, die sich hinter der erwähnten Frau bis zum Stamm
des Baumes staffeln, begegnen der Gegenwart des Königs mit Desinteresse. So
blickt eine Frau, die in der Mitte des Bildes Nebukadnezar am nächsten sitzt, ihn
gar nicht an, sondern stützt ihren Kopf mit der Hand und wendet sich ab.
Auf der anderen Seite, links der zentralen Gruppe, sorgt sich indessen der
vornübergebeugt kniende Jüngling mit den halblangen, dunklen Haaren um die
liegende, leblos wirkende junge Frau: Beunruhigt hat er die Hand vor die Brust
gehoben, als wolle er das Mädchen berühren. Hinter ihm sitzen zwei bärtige Alte:
Der eine, mitten in der Gruppe, stützt den Kopf auf beide Hände und blickt niedergeschlagen zu Boden. Sein Leidensgenosse sitzt nach rechts gewandt und hat in
einer Geste der Ablehnung die Hand erhoben. Mit einer Mischung aus Angst und
Ärger blickt er direkt zu Nebukadnezar. Beide tragen lange Gewänder mit Kopftüchern.
Dahinter schließt ein im Schatten des Baumes befindlicher Figurenbogen die
Szenerie im Vordergrund ein: Beginnend am linken Bildrand spannt er sich über
die beiden erhöht vor dem Baumstamm stehenden Männer, fällt danach zu einem
grübelnden, sich den Kopf haltenden Mann ab und endet bei dem direkt vor dem
Gefolge am Boden sitzenden Juden, der furchtsam zu den vor ihm stehenden Babyloniern aufschaut. Diese figurale Hintergrundfolie stabilisiert die Komposition im
Vordergrund und hebt deren Bedeutung hervor.
Literatur
Archives Nationales F/21/0449, Dossier 12. · Archives Nationales F/21/7635, Folio
21. · Bellier 1882–87. · Guedy 1892. · Audin–Vial 1918/19. · Lavallée 1999, S. 107.
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VI. KATALOG DER WERKE
EDWARD POYNTER
23. EDWARD POYNTER (1836–1919)
A. By the Waters of Babylon, 1865
Bild K61
Illustration für Dalziel’s Bible Gallery, 1881
Holzstich
22,2 x 18,1 cm
Signatur unten rechts: 18EP65, unten links:
DALZIEL, Unterlage bezeichnet: SIR EDWARD
POYNTER, BART., P.R.A. “By the rivers of
Babylon“. Drawing on wood. Ill. for “Dalziel’s
Bible Gallery“, publ. 1881. India–Proof of
Wood–engraving by the BROTHERS DALZIEL.
Provenienz: Geschenk von Gilbert Dalziel
1924
London, Tate Gallery
Edward Poynter, der spätere Präsident der Royal Academy und Direktor der National
Gallery in London, wurde 1836 als Sohn einer Künstlerfamilie in Paris geboren. 1852
begann er bei verschiedenen Lehrern Kunst zu studieren, bis er 1855 in die Royal
Academy eintrat. Doch seine Bewunderung für französische Malerei, die er durch Frederic
Leighton (1830–1896) in Rom 1853/54 kennen gelernt hatte, veranlasste ihn, nach Paris in
das Atelier von Charles Gleyre (1808–1874) zu gehen, wo er vier Jahre blieb. Poynter
begann schon in Paris und danach in London mit dekorativen Arbeiten, wie z. B. Glas und
Möbel zu entwerfen. Erst 1865 schaffte er den Durchbruch mit dem Gemälde „Faithfull
unto Death“ (Liverpool, Walker Art Gallery), das an der Royal Acadamy angenommen
wurde. 138 Bereits 1863 begann Poynter eine Anzahl von Entwürfen auf Holz zu zeichnen,
die als Illustrationen für ein Projekt der Gebrüder Dalziel, der sogenannten „Dalziel’s Bible
Gallery“ 139 bestimmt waren. Während die Dalziels weitere Themen für die Ausschmückung
ihrer Bibel suchten, erhielten sie einen Brief von Edward Poynter, datiert auf den 6.
November 1865, in dem der Künstler fragt: „May I do following subjects from the
Psalms?” 140 Von den vorgeschlagenen Psalmen kamen keine zur Ausführung, dafür
entstand im selben Jahr „By the Waters of Babylon”. Diese Thematik brachte der Künstler
im erwähnten Brief nicht zur Sprache. Insgesamt fertigte Poynter 12 Entwürfe für die
Bibel–Galerie der Gebrüder Dalziel an. 141
138
139
140
141
Vgl. Sanders 1887; Pratt 1897; Monkhouse, Cosmo: British Contemporary Artists, London
1901, S. 235–267.
Die „Dalziel’s Bible Gallery“ war ein Vorhaben der Brüder Dalziel (George Dalziel, 1815–1902,
Edward, 1817–1905, John, 1822 – 1869 und Thomas Bolton Gilchrist Dalziel 1823–1906), eine
luxuriös illustrierte Bibel zu publizieren. In den 1860er Jahren entstanden 62 Holzstiche zu alttestamentarischen Geschichten, die auf zeichnerischen Entwürfen führender englischer Künstler des 19. Jahrhunderts wie Burne–Jones, Watts, Hunt, Leighton, Solomon, Madox Brown u. a.
basierten. Der komplette Band wurde 1881 veröffentlicht. Grundlegend dazu: The Brothers Dalziel, A record of fifty years’ work in conjunction with many of the most distinguished artists of the
period 1840–1890, London 1901, S. 237ff. Vgl. auch Houfe, Simon: The Dictionary of British
Book Illustrators and Caricaturists 1800–1914, Woodbridge 1978, S. 133ff., 279.
The Brothers Dalziel 1901, S. 218.
Sie befinden sich in der Londoner Tate Gallery: „Moses keeping Jethro’s sheep” 1863, „Moses
and Aaron before Pharao” 1863, „Joseph presents his father to Pharao” 1864, „Pharao honours
Joseph” 1864, „Miriam” 1864, „Joseph before Pharao” 1864, „Joseph distributes corn” 1864,
„Moses strikes the rock” 1865, „By the Waters of Babylon” 1865, „Daniel’s prayer” 1865, „The
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VI. KATALOG DER WERKE
EDWARD POYNTER
Die Illustration „By the Waters of Babylon“ zeigt den nahen Ausschnitt eines architektonisch befestigten Ufers. Stufen führen zu dem parallel am unteren Bildrand
verlaufenden Fluss. Auf der Wasseroberfläche zwischen Seerosen spiegelt sich
die ufernahe Szenerie: Unter dem Laubdach eines am rechten Bildrand stehenden
Ahorns versuchen drei Babylonier, schöne, in üppig und faltenreich fließende Roben gekleidete jüdische Frauen von edlem Stand zu überreden, Lieder zu singen.
Den Schauplatz des Geschehens schließt eine parallel zum Bildgrund verlaufende
Gebäudewand ab. Links kann man durch eine geöffnete Holztür, deren Rahmen
und Sturz mit einem Palmettenfries verziert sind, in einen prachtvollen Hof blicken.
Darin führen Stufen zu einem Absatz, der von einem skulptural gerahmten Torbogen hinterfangen wird. Der Treppenabsatz ist der Schauplatz der Handlung: Zwei
Babylonier spielen auf großen Harfen, während eine Frau zu den Klängen der Musik tanzend mit erhobenen Armen die Schellen im Takt schlägt. Doch die Jüdinnen
vor dem Tor wehren dieses Ansinnen ab.
Der Hohepriester, der sich durch den spitzen, mit Edelsteinen verzierten Hut
auszeichnet, nimmt eine Harfe vom Ast, während ein anderer Bärtiger frontalansichtig davor steht und vornüber gebeugt eine der beiden Jüdinnen, die auf einer
filigranen Holzbank sitzen, auffordert, auf dem dargebotenen, mit Quasten geschmückten Saiteninstrument zu spielen. Die in ein dunkles Gewand gehüllte Frau
jedoch wendet sich von dem sie bedrängenden Mann ab und birgt das Haupt mit
dem langen Haar an der Schulter ihrer Gefährtin. Diese sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen ins Halbprofil nach links gewandt und beobachtet, die Hand
ihrer angsterfüllten Freundin haltend, das Geschehen.
Eine babylonische Frau steht in Dreiviertelrückansicht links im Bild. Ihr Gebaren
unterstreicht das Ansinnen ihrer Begleiter: Gebieterisch hat sie ihren linken Fuß
auf die Bank gestellt und stützt sich mit dem rechten Arm darauf ab; dabei deutet
sie mit den Fingern der linken Hand in Richtung der Feierlichkeiten, die im Hof des
Gebäudes stattfinden, und scheint den Bärtigen, der die Harfe darreicht, auf die
Dringlichkeit seines Auftrages, Lieder zu fordern, hinzuweisen. Alle drei Babylonier
sind prächtig gekleidet: Mit Ornamenten bestickte und fransenverzierte Oberbekleidung, ein ebenso pompöser Kopfputz und Schmuck wie Armreifen und Ohrringe zeigen dem Betrachter Angehörige der babylonischen Oberschicht. Gleicher-
Israelites in Egypt: Water carriers”, „Moses slaying the Egyptians” 1881. „Moses and Aaron before Pharao” befindet sich in London, Victoria und Albert Museum.
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VI. KATALOG DER WERKE
EDWARD POYNTER
maßen scheinen die Gefangenen von edler Geburt zu sein und haben nichts Böses zu befürchten, wie die glanzvolle Umgebung des Königspalastes demonstriert.
Auf den Stufen der Uferpromenade lagern zwei weitere jüdische Frauen in
weißen Gewändern. Die eine, im Halbprofil gesehen, sitzt zu Füßen der beiden
einander zugewandten Leidensgenossinnen. Neben ihr, vom rechten Bildrand
überschnitten, steht eine gemusterte Amphore. Die Frau hebt ihr Kopftuch aus
dem Gesicht und dreht ihren Kopf über die rechte Schulter, um die Szene mit den
Babyloniern zu beobachten. Die parallel zum Bildgrund auf einem Orientteppich
liegende Frau tut es ihr gleich: dem Betrachter zugewandt, stützt sie sich auf den
rechten Ellenbogen und verfolgt, den Kopf ins Profil gerückt, das Geschehen. Die
andere Hand hat sie grübelnd ans Kinn gelegt. Ihr Haar wird von einem Netz zusammengehalten. Das weite Gewand breitet sich faltenreich so weit über dem Boden aus, dass der Saum über die Stufen hängt.
Dekorativ ornamental, mit geringer Tiefenräumlichkeit breitet sich die Komposition vor den Augen des Betrachters aus. Selbst die Falten der Gewänder werden
zu flächenverhafteten Ornamenten.
Literatur
Fox 1894, S. 170, Abb. 171.
96
VI. KATALOG DER WERKE
ANSELM FEUERBACH
24. ANSELM FEUERBACH (1829–1880)
A. Allegorische Szene oder Die trauernden Juden, 1869
Bild K62
Öl auf Leinwand (Ölstudie)
67 x 77,5 cm
Signatur: unten links A. Feuerbach 1869, unten rechts in Farbe gekratzt monogrammiert
BGW 64 sowie nummeriert 147., 142 oder 13
CW 64 147. 143
Provenienz: 1961 Erwerb aus dem Münchner
Kunsthandel, Schweinfurt, Slg. Georg Schäfer
bis 2005
Privatbesitz, Süddeutschland
Anselm Feuerbach, der 1829 als Sohn eines Gymnasialprofessors für Griechisch und
Latein in Speyer geboren wurde, versuchte zeitlebens, seine Griechenlandsehnsucht, eine
Sehnsucht nach einem historisch fern gerückten Idealzustand, mit seiner Malerei zu
stillen. 144 Seine Ausbildung begann er 1845 an der Düsseldorfer Akademie bei Schadow
und Lessing. Die Mischung aus Heroismus und Resignation färbte auf Feuerbach ab. 145
1849 wechselte er nach München, wo ihn Carl Rahl (1812–1865) und Bonaventura Genelli
(1798–1868) beeinflussten. 1850 setzte er sein Studium in Antwerpen unter Gustaaf
Wappers (1803–1874, Direktor der Akademie in Antwerpen) fort und eineinhalb Jahre
später in Paris, wo er in das Atelier von Thomas Couture kam. Die Reisen nach Venedig
1855 und anschließend nach Rom, wo er – von kurzen Unterbrechungen abgesehen – bis
1872 blieb, prägten seine künstlerische Formensprache: Er nahm sich die Renaissance
zum Vorbild. 146 Die Ölstudie, die unter dem Namen „Allegorische Szene“ bekannt ist,
entstand 1869.
In einem Querformat zentralistisch angeordnet sind trauernde Personen unter einer Baumgruppe am Flussufer versammelt; links hängt eine Harfe in den Zweigen:
Es sind jüdische Frauen, Kinder und ein Mann in der babylonischen Gefangenschaft, die vor dem Hintergrund eines abendlichen, von der Sonne getönten Him142
Vgl. Neumeister Auktion Sammlung Georg Schäfer, 24. Februar 2005, München 2005, S. 22,
Nr. 25.
143
Vgl. Ecker, Jürgen: Anselm Feuerbach, Leben und Werk, Kritischer Katalog der Gemälde, Ölskizzen und Ölstudien, München 1991, S. 236. Ecker datiert die Ölstudie zwischen 1855 und
1864. Malweise und Zusammenbindung der Figuren zu einer Gruppe verweisen deutlich auf
Feuerbachs Schaffen in den fünfziger Jahren und zeigen noch die Einflüsse Thomas Coutures.
Für das Monogramm und die Datierung rechts unten schlägt Ecker eine Zusammenarbeit Feuerbachs mit dem Münchner Porträt– und Genremaler Cäsar Willich (1825–1886) vor. Willich
und Feuerbach sind sich 1854 in Paris begegnet, wie zwei Briefe Feuerbachs belegen. Liest
man aber das Monogramm nicht als CW, sondern als BGW, dann ergibt diese Vermutung keinen Sinn. Die Signatur des Künstlers selbst datiert das Gemälde auf 1869. Es könnte sich also
um die nachträgliche Einritzung eines späteren Besitzers handeln. Da keiner der älteren Werkkataloge, die von Feuerbach existieren, diese Ölskizze erwähnt, ist die eindeutige Klärung
schwierig.
144
Vgl. Supan 1988, S. 478.
145
Vgl. ebd., S. 480.
146
Vgl. ThB 1915, Bd. 11; Deutsche Männer, 200 Bildnisse und Lebensbeschreibungen, Berlin
1938; Dresch, Jutta: Art. zu „Feuerbach“, in: AKL 2005, Bd. 39.
97
VI. KATALOG DER WERKE
ANSELM FEUERBACH
mels vor sich hinbrüten. Links ist der Fluss zu sehen, der um das Landstück herum in eine Bucht mündet, die sich parallel zum unteren Bildrand aushöhlt. Die Haltung der Figuren im Vordergrund ist nach links zum Fluss ausgerichtet.
In der Mittelachse thront erhöht auf einem Erdstreifen eine Frau, die in einem
leuchtend orangefarbenen Kleid frontalansichtig präsentiert wird. In Gedanken
versunken starrt sie zu Boden und hat dabei die Finger ihrer geballten Faust an
die Wange gelegt. Die dunklen, langen Haare sind gescheitelt und werden am
Hinterkopf von einem roten Schleier bedeckt. Der linke Arm ruht auf dem Rücken
einer Jüdin, die in Seitenansicht gesehen rechts zu ihren Füßen kniet. Sie hat ihren Arm quer über die Beine der Frau gelegt und ihren Kopf seitlich daraufgebettet. Die andere Hand ist stützend unter das Kinn geschoben. Das dunkle Haar ist
im Nacken zu einem Knoten gebunden. Niedergeschlagen blickt sie zum Fluss.
Der rote Gürtel ihres blauen Kleides ist aufgegangen, so dass es an der Seite weit
aufklafft und die Hüfte entblößt.
Links sitzt eine weitere junge Frau an der Uferböschung und lässt einen Fuß
baumeln. Im Profil gezeigt, lehnt sie sich mit dem Rücken an die Beine der im
Zentrum sitzenden Frau. Ein Bein ist aufgestellt. Locker hat sie ihre Hände über
Kreuz aufs Knie gelegt. Ihr Kopf ist gesenkt; auch sie blickt, ja starrt beinahe ins
Wasser. Ein Stirnband schmückt ihre dunklen Haare, die im Nacken zusammengebunden sind. Sie trägt ein durchsichtiges rosafarbenes Gewand, das ihren Körper mehr enthüllt als verdeckt. Ein goldener Reif schmückt den Oberarm. Die
Gruppe der drei Frauen wird von einem auf dem Bauch parallel zum Bildgrund
liegenden nackten Mädchen im vordersten Raumplan ergänzt. Es ruht direkt neben dem Wasserlauf und steckt die Fingerspitzen der linken Hand ins Wasser,
während ihre rechte Hand ihr Kinn stützt. Die Beine sind übereinander geschlagen. Der hellgelbe Schurz ist von den Hüften gerutscht. Dunkle Haare fallen über
den Rücken. Genau wie die älteren Leidensgenossinnen sehnt sich das Mädchen
nach der fernen Heimat und schaut grübelnd über das Gewässer.
Auf der rechten Bildhälfte kauert ein in sein Gewand gehüllter Mann: In sich zusammengesunken stützt er gerade noch seinen Kopf mit der rechten Hand, bevor
dieser auf die Knie sinken würde. Auf seinem Schoß sieht man den Kopf eines
leblosen Vogels liegen. Von rechts drängt sich ein nacktes Kind unter seinem
kraftlos herabhängenden Arm hindurch an seine Seite. Es hält ein kleines Tier im
Arm, dem es die ganze Aufmerksamkeit widmet.
98
VI. KATALOG DER WERKE
ANSELM FEUERBACH
Abseits von den Personen im Vordergrund stehen eine Frau mit Kleinkind und ein
Mann; beide sind ins Halbprofil nach rechts gewandt. In sich versunken geben sie
ihrer Trauer Ausdruck: Die Umrisse der Frau, die den Kopf des Kindes an ihre
Wange drückt, verschmelzen mit dem Braun der Bäume. Die Silhouette des Mannes dagegen, der rechts hinter ihr am Stamm des Baumes lehnt, hebt sich vor
dem in leuchtende Farben getauchten Abendhimmel ab. Er hat die Arme vor der
Brust verschränkt und hält seinen Kopf nach rechts ins Profil geneigt.
Der legere skizzenhafte Farbauftrag und die schwarzen Linien, die als Konturen
dienen, legen die Vermutung nahe, dass das kleinformatige Werk der Entwurf für
eine größere Fassung gewesen sein könnte. Doch passt das biblische Sujet nicht
in das von antiken Themen dominierte Oeuvre Feuerbachs.
Literatur
Ecker 1994, S. 236f., 385, Abb. · Neumeister Auktion Sammlung Georg Schäfer
2005, S. 22, Nr. 25, Abb.
99
VI. KATALOG DER WERKE
JOSEPH FÜHRICH
25. JOSEPH VON FÜHRICH (1800–1876)
A. Super Flumina Babylonis, 1871/72
Bild K63
Entwurf zur Publikation „Der Psalter“, 1875
Bleistift auf Papier
20,9 x 14,9 cm (mit Passepartout)
Unsigniert
Provenienz: 1892 Erwerb der Albertina, Wien
Wien, Albertina
1871 bis 1872 entwarf Führich 32 Bleistiftkonturen zur Illustration der Psalmen, die 1875 in
einer Psalterübersetzung von Franz von Allioli – gestochen von Kaspar Oertel –
erschienen. 147
Die Bleistiftkontur in der hochformatigen Rahmung ist auf ein diagonales Halbbild
reduziert: Die Komposition baut sich über die rechte untere Bildecke auf, während
die linke obere leer bleibt. In dieser Fläche erscheint in der Psalterpublikation der
Text: „Psalm 136 Klagelied der Gefangenen. Ein Psalm Davids, (oder) Jeremias.
An den Flüssen Babylons, dort saßen wir und weinten, wenn wir Sions gedachten.“ 148
Der Stamm eines Weidenbaumes reckt sich am rechten Bildrand entlang in die
Höhe. Ein tief hängender Ast ragt diagonal in die Mitte der Zeichnung und trennt
Illustration und Text. Darunter halten sich einige Juden auf: drei Männer und eine
Frau mit Kind. Links, die Böschung hinab, verläuft ein windungsreicher Fluss. Jenseits des Ufers bietet sich der Ausblick auf eine ferne Landschaft. Zwischen den
Figuren hindurch sieht man nicht allzu weit entfernt den Teil eines mächtigen Gebäudes.
Im Mittelpunkt des kleinformatigen Blattes lagert die Frau. Sie ist in Frontalansicht dargestellt, während die drei Männer zu ihrer Linken profilansichtig nach hinten gestaffelt am Stamm des Baumes sitzen. Mit einem Tuch, das sie um ihre
Hand gewickelt hat, wischt sie sich die Tränen von den Augen, dabei hält sie ihren
Kopf gebeugt, so dass der Betrachter ihre gescheitelte Frisur und den Haarkranz
am Hinterkopf zu Gesicht bekommt. Das Kind in ihrem Schoß streckt beide Ärmchen der Mutter entgegen: es will gehalten werden. Doch die Frau ist zu sehr in
ihre Trauer versunken, dass sie es wohl nicht bemerkt und mit dem linken Arm
147
Allioli, J. Franz von: Der Psalter, mit Originalzeichnungen von Joseph Ritter von Führich, In
Holzschnitt ausgeführt von Kaspar Oertel, Leipzig 1875. Vgl. dazu Wörndle 1914, S. 142, Nr.
725 a.
148
Allioli 1875, S. 337.
100
VI. KATALOG DER WERKE
JOSEPH FÜHRICH
selbst Halt bei dem ihr benachbarten Mann sucht. Dieser lehnt am Stamm der
Weide. Seine Beine sind angewinkelt, so dass sich die Frau auf sein Knie stützen
kann. Von Kopf bis Fuß ist er in ein Gewand gehüllt. Sein Profil bleibt dem Betrachter verborgen, nur die langen Barthaare zeugen von einer männlichen Person.
Hinter ihm, etwas erhöht, sitzt ein weiterer Mann. Mit gefalteten Händen umspannt er die Knie und zieht seine Beine an den Rumpf heran. Sein Kopf ist leicht
angehoben; denn sein Blick ist auf die Harfe gerichtet, die über ihm an einem abgebrochenen Ast hängt. Der Mann neben ihm weist mit ausgestreckten Armen in
die Ferne. In der Figurenabfolge erzählt Führich die Verse von Psalm 137. Jede
Person erfüllt eine bestimmte Funktion, die genau auf die Darstellung im Text
passt: die Frau weint, die in ein Gewand gehüllte Person denkt an Zion, der Mann
dahinter hat seine Harfe an die Weide gehängt, während der letzte auf das fremde
Land weist, in dem er keine Lieder singen will.
Literatur
Osswald 1926, Abb. S. 101.
101
VI. KATALOG DER WERKE
AIMÉ MOROT
26. PRIX DE ROME DE LA PEINTURE HISTORIQUE 1873
1. AIMÉ NICOLAS MOROT (1850–1918)
A. La Captivité des Juifs à Babylone, 1873
Bild K64
Premier Grand Prix
Öl auf Leinwand
145,1 x 113 cm
Unsigniert
Provenienz: Paris, Ecole Nationale Supérieure
des Beaux–Arts
Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts
1850 in Nancy geboren, wurde der Künstler Aimé Morot 1869 Schüler des Alexandre
Cabanel an der Ecole des Beaux–Arts 149 und erlangte Berühmtheit durch die Erringung
des Rompreises 1873 zum Thema „Captivité des Juifs à Babylone“. 150 Ein Brief, den
Morot während des Wettbewerbs an einen Freund geschrieben hat, zeigt eine Skizze zum
vorgegebenen Thema. Die Konkurrenten mussten isoliert von der Außenwelt ihre
Entwurfsskizzen anfertigen.
„Nous sommes entrés en loge le 18 pour faire le concours de 36
heures. Le sujet donné est ceci
La Captivité des Juifs
Voici le passage souligné. (Nous nous sommes assis auprès
d’une fleuve de Babylon, et là nous avons pleuré en nous souvenant de Cion)
Je suis peut–être très prétentieux car je ne suis pas très mécontent de mon esquisse ou projet. Je t’en fais le croquis c’est
pour que tu me donnes des conseils. J’espère que tu me rendras
ce service; si tu me connais tu ne douteras pas que je parle très
sérieusement. Je vais sérieusement bûcher en loge. Ah si tu étais
en loge avec moi en compagnie de ta muse et de ton piano je serais presque sûr d’avoir le prix.“ 151
Die hochformatige Komposition zeigt eine Gruppe von Männern, Frauen und Kindern, die an einem steinigen, vegetationslosen Ufer lagern und sich, betrübt über
ihr Schicksal, in den Armen halten und trösten. Von der rechten Bildecke stößt der
Fluss an einen seichten, aber zerklüfteten Strand. Auf der linken Seite wird die
149
150
151
Vgl. Rienzi, Emile, Michelis di: Panthéon des lettres, des sciences et des arts, profils contemporains, Paris 1893; Curinier, C. E.: Dictionnaire national des contemporains, Paris 1889-1906.
Vgl. Les Prix de Rome en 1873, in: Le Monde illustré, Journal hebdomadaire, 4. Oktober 1873,
S. 214.
Chu, Petra Ten–Doesschate: Unsuspected Pleasures in Artists’ Letters, in: Apollo 1976, Bd.
104, S. 303.
102
VI. KATALOG DER WERKE
AIMÉ MOROT
Szenerie von einer steilen, alles in ihren Schatten werfenden Felswand hinterfangen. Daran führt ein schmaler Pfad – bevölkert von weiteren Israeliten – serpentinenartig nach oben. Rechts verläuft der Fluss, im Hintergrund erstrahlt in Sonnenlicht getaucht Babylon. Ein Wachsoldat, dessen Silhouette sich kontrastreich von
der goldenen Stadt abhebt, beaufsichtigt die Gefangenen.
Die Hauptgruppe am vorderen Bildrand ist eine junge Familie, die frontal zum
Betrachter auf einer gemusterten, mit Fransen verzierten Decke lagert. Der Mann,
nur mit einem blauen Lendenschurz bekleidet, hält seine Frau im Arm, die ihrerseits zwei Kinder auf dem Schoß hält. Das Paar verkörpert das Leid über das Exil
in zwei gegensätzlichen Weisen: zum einen die männliche Dynamik eines gefesselten Heros, zum anderen die Erschöpfung und der Schmerz der Frau. Er hat das
linke Bein angewinkelt, stützt sich mit dem Ellenbogen darauf ab und blickt versonnen nach rechts aus dem Bild. Ein schwarzes Stirnband hält die dunklen Locken aus seinem Gesicht mit den schönen klassischen Zügen. Über seinem Rücken – von den Schultern schon herabgerutscht – hängt ein heller, mit Mustern
verzierter Umhang, der gerade noch seinen rechten, seitlich auf einem Stein ausgestreckt ruhenden Arm bedeckt und sich am Boden ausbreitet. Eisenfesseln am
rechten Handgelenk und an beiden Fußgelenken haben seine braune Haut aufgeschürft.
Sein dunkelhäutiger, muskulöser Körper steht im Kontrast zu der hellen Weichheit seiner Frau. Sie lehnt ihren Kopf an die Schulter des Mannes. Erschlaffte
Glieder und die geschlossenen Augen zeugen von körperlicher Entkräftung. Ihr
entblößter Oberkörper zeigt elfenbeinfarbene Haut, die einen leuchtenden Akzent
setzt. Auf dem Kopf trägt sie ein Schmuckband mit Goldscheiben, das den braunen Schleier über ihren langen, schwarzen Haaren fixiert. Kreolen mit Edelsteinen
schmücken die Ohren. Über ihre Beine hat sie eine wertvolle, dunkelblaue, mit
breiten Goldstreifen gemusterte Draperie gebreitet, auf der zwei sich zärtlich zueinander wendende Kinder liegen. Die Frau hat die Arme um die Kinder gelegt,
deren Aussehen gegensätzlicher nicht sein könnte: Während das eine blondgelockt und hellhäutig auf dem Schoß der Frau liegt, eingehüllt in ein grün–weiß
gestreifes Tuch, ist das andere, etwas größere, von dunkler Hautfarbe und hat
schwarze Haare. Nackt liegt es seitlich – im Profil gesehen – halb auf dem Boden.
Liebevoll greift es das Ärmchen des blonden Kindes und drückt ihm einen Kuss
auf die Wange, was das Kleine auflachen lässt: Ein fröhlicher Moment in einer
103
VI. KATALOG DER WERKE
AIMÉ MOROT
trostlosen Situation. Auch die körperliche Plastizität, hervorgerufen durch die unterschiedlichen Hauttöne, verlebendigt den Bildgegenstand. Die orientalistischen
Details kulminieren in der mit Elfenbein inkrustierten kostbaren Harfe, die neben
dem Vater achtlos halb im Wasser liegt.
In der zweiten Raumebene sind die Juden paarweise auf dem Uferstück verteilt.
Rechts kniet eine rassige Frau. Die reich mit Silberreifen geschmückten Arme
ausgestreckt in den Schoß gelegt, hebt sie mit geschlossenen Augen und halb
geöffnetem Mund den Kopf. Tücher bedecken ihre Haare. Üppige Silberketten mit
großen Scheiben fallen in das tiefe Dekolleté, wo nur noch ein kleines Stück Stoff
die letzte Blöße verdeckt. Der dunkle Umhang scheint über die Schulter gerutscht
zu sein, so dass er nunmehr über den Beinen liegt. Rechts neben ihr liegt, parallel
zum Bildgrund, ein Mann auf dem Bauch. Er ist zur Hälfte vom rechten Bildrand
überschnitten, man sieht nur seinen Oberkörper rückansichtig. Eine orangefarbene Draperie umhüllt seine untere Rückenpartie. Im Gegensatz zu seiner weiblichen Begleitung, in deren Gesicht Hoffung geschrieben steht, hat er den Kopf in
seinen Armen vergraben.
Auf der linken Seite – entlang der Felswand – befindet sich eine Reihe von einander umarmenden Paaren. Den Anfang macht eine im Halbprofil nach rechts
kauernde Frau, die ihr Kind in den Armen hält. Sie trägt ein blaues Kleid, das an
Brust und Seite aufklafft. Ein Kopftuch in der derselben Farbe ergänzt die Gewandung. Beschützend drückt sie den Kopf des Kindes an ihre Wange. Schräg hinter
ihr stehen zwei bärtige, in lange, dunkle Gewänder gehüllte Männer. Der Mann
links lehnt niedergeschlagen den Kopf an die Wange seines Gefährten, in der
rechten Hand hält er ein hölzernes, schlichtes Saiteninstrument. Der andere erwidert die Geste, indem er den Arm um die Schultern des Mannes legt und seine
linke Hand ergreift. Dennoch blickt er wachsam nach rechts aus dem Bild.
Die Figurenfolge wird fortgesetzt durch zwei am Boden sitzende Männer. Der
eine sitzt mit nacktem Oberkörper in Dreiviertelrückansicht zusammengekauert
und hat seinen Kopf auf die Knie gelegt, die Arme umspannen dabei seine angezogenen Beine. Dem Betrachter zugewandt lagert ein anderer Mann seitlich am
Boden und stützt sich mit dem Ellenbogen an einem Felsvorsprung ab. Das orangerote Gewand bildet einen leuchtenden Kontrast zu seiner dunklen Haut. Wirre
Haare und ein trübsinniger Blick geben ihm ein wehmütiges Aussehen.
104
VI. KATALOG DER WERKE
AIMÉ MOROT
Nun geht der Blick weiter in den Bildmittelgrund, wo der Pfad den Felsen hinauf
führt. Am Anfang der Steigung steht – frontal zum Betrachter – ein Hebräer. Gekleidet in eine Toga, hängt er gerade eine Harfe in den aus einer Felsspalte wachsenden, spärlich belaubten Baum. Neben und hinter ihm lagern weitere Juden, bis
der Weg hinter dem Felsen verschwindet. Rechts im Hintergrund liegt in einer Talsenke das sonnenbestrahlte Babylon. Der bewaffnete Babylonier, der rechts auf
einem etwas abschüssigen Gelände in Wassernähe steht, beobachtet die Gefangenen aufmerksam. Er trägt eine assyrische Tracht, die aus einem kurzen, silberverbrämten Rock, einem reichverziertem Hemd und einem Nemes besteht. An
seiner Seite hängt ein Rundschild, in den vor seinem Körper verschränkten Händen hält er ein Schwert mit der Spitze nach oben.
Literatur
Archives de l’Ecole Nationale Supérieure des Beaux–Arts AJ52 1 à 1415. · Le
Monde illustré 4. Oktober 1873, Bd. 32, S. 214, Stich S. 213. · Rozier 1873, S. 99,
Stich S. 224. · Lermina 1884. · Martin 1887. · Rienzi 1893. · Vapereau 1893. · Curinier 1889–1906. · Moreau–Vauthier 1906, S. 4, 6, T. 1. · Guiffrey, Barthelemy
1908, S. 134. · Widor 1926. · Chu 1976, S. 301, Abb. 7 und 8, S. 303. · Harding
1980, S. 100.
·
Entwürfe
B. Pause, 19. April 1873
Bild K65
Bleistift auf Transparentpapier
45 x 34,5 cm
Signatur unten rechts: A.Morot, bezeichnet
oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 1
Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts
Die Pause zeigt mit lockeren Strichen die genaue Figurenkonstellation an. Morot
zeichnet die Köpfe gemäß seiner akademischen Ausbildung als Ovale mit darin
eingeschriebenen Kreuzen, die die Gesichtszüge markieren sollen. Details und
Hintergrundgestaltung lässt er im Ungewissen: So fehlt die auffallend verzierte
Harfe im Vordergrund und der von Juden bevölkerte Pfad.
·
105
VI. KATALOG DER WERKE
C. Gesamtstudie, 1873
AIMÉ MOROT
Bild K66
Öl auf Leinwand
45 x 34,5 cm
Signatur unten links: A.Morot 73, auf der
Rückseite Hommage à Madame Paton/A. Morot
Provenienz: Kunsthandel
Da durch das Reglement des Wettbewerbs keine Veränderungen vom ersten
Entwurf bis zur finalen Fassung vorgenommen werden durften, bereitet die Ölstudie das Gemälde detailliert vor. Selbst Muster und Verzierungen der Stoffe hat
Morot exakt übernommen. Auf der Rückseite der Leinwand hat Morot eine Widmung geschrieben. „Hommage à Madame Paton“. 152
Literatur
Sotheby’s Auktion Tableaux et dessins anciens et du XIXe siècle principalement
de l’école Française 2003, S. 86, Nr. 98 Abb.
152
Dabei könnte es sich um eine zeitgenössische Schriftstellerin handeln. Jacqueline Paton, die
spätere Frau von Leon Comerre, wurde als Bildhauerin durch das Bronze–Medaillonbildnis der
Schriftstellerin Mme Paton auf deren Grab auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris (1887) bekannt. Vgl. ThB 1912, Bd. 7; Stolpe, Elmar: Art. zu „Comerre-Paton“, in: AKL 1998, Bd. 20.
106
VI. KATALOG DER WERKE
EDOUARD DEBAT-PONSAN
2 . E D O U A R D – B E R N A R D D E B AT – P O N S A N ( 1 8 4 7 – 1 9 1 3 )
A. Super Flumina Babylonis, 1873
Bild K67
Premier Second Grand Prix
Öl auf Leinwand
145 x 115 cm
Unsigniert
Provenienz: Ankauf vom Staat, seit 1884 in
der französischen Botschaft Berlin, März 1926
im Pertuis Centre hospitalier de Pertuis (Vaucluse)
Verschollen
Edouard Debat–Ponsan, geboren 1847 in Toulouse, erhielt seine akademische
Ausbildung bei Alexandre Cabanel an der Ecole des Beaux–Arts in Paris. Beim
alljährlichen Grand Prix de Rome de la Peinture gewann der Künstler 1873 zum Thema
„Captivité des Juifs à Babylone“ nach Aimé Morot den zweiten Preis. 153 In einem
zeitgenössischen Bericht wird das Gemälde gelobt: „M. Ponsan fait un bon tableau, dans
lequel j’ai remarqué une excellente figure de vieillard, espèce de Jérémie, assis à gauche
près d’un groupe bien composé et habilement executé. (...)“ 154
Die Komposition breitet sich in einem Figurenhalbrund vor dem Betrachter aus.
Am Ufer, das am rechten unteren Bildrand ausschwingt und wellenartig rechts in
den Hintergrund tritt, sitzen mehrere Israeliten, bewacht von einem babylonischen
Soldaten zu Pferd. Der aufrecht im Sattel sitzende Reiter, der hinter der Gruppe
Posten bezogen hat, dominiert die Mittelachse, aber die gefangenen, trauernden
Juden beachten ihn nicht. Im Hintergrund erheben sich die Bauten Babylons.
Aus der zentralen Gruppe hebt sich eine Frau hervor, die, aus der Mittelachse
etwas nach links gerückt, frontal zum Betrachter sitzt und diesen mit ernstem Blick
ansieht. Mit ihren Armen umfängt sie zwei Personen. Links einen kleinen Jungen,
der nackt an ihrer Seite steht und sich schutzsuchend an ihre Brust drückt, während er den Kopf über die Schulter wendet und nach oben blickt. Rechts lagert
eine junge Frau und stützt sich auf den Schoß der Älteren. Ihre Arme liegen ausgestreckt über den Beinen der Frau und die Finger ihrer übereinanderliegenden
Hände greifen ineinander. Ihr Kopf ist aufgerichtet und sie blickt nach oben zu der
153
154
Vgl. Album Mariani: Figures contemporaines tirées de l’Album Mariani, Paris 1901; ThB 1913;
Edouard–Joseph, René: Dictionnaire biographique des artistes contemporains, Paris 1930. AKL
2000 (Hier ist der Titel, zu dem Debat–Ponsan 1873 den 2. Rompreis gewonnen hat, als „Priam
venant réclamer le corps d’Hector à Achille“ falsch vermerkt.)
Rozier, Jacques: Ecole des Beaux-Arts, Les Prix de Rome, in: L’Illustration, Journal universel,
4. 10. 1873, Bd. 62, S. 99. Der Prophet Jeremias war niemals in babylonischer Gefangenschaft.
Siehe hierzu S. 26 im Textteil.
107
VI. KATALOG DER WERKE
EDOUARD DEBAT-PONSAN
sitzenden Jüdin. Vor dieser Dreiergruppe liegt diagonal zum Bildgrund nach links
gerichtet ein Mann auf dem Bauch und hält sich mit beiden Händen den Kopf. Die
Beine sind von einem Tuch bedeckt, der nackte Oberkörper zeigt ein gewaltiges
Muskelspiel. Kontrastierend dazu wirkt der alte Jude, der am linken Bildrand ins
Profil nach rechts gerückt sitzt und das Bildgeschehen abschließt. Ein zu Boden
geneigter Kopf, eingefallene Schultern und schlaffe Haut über dem zusammengesunkenen Brustkorb signalisieren Niedergeschlagenheit und ein Sich–Aufgeben.
Dahinter, in der zweiten Bildebene, steht ein sich umarmendes Paar.
Auf der rechten Bildhälfte sind noch weitere Juden unmittelbar am Ufer versammelt: eine anscheinend schlafende Frau mit geneigtem Kopf, daneben eine
Gestalt, den Kopf auf den Knien, die Arme um den Kopf geschlungen. Vor der Hintergrundsilhouette heben sich zwei frontal zum Betrachter stehende Juden ab. Sie
stehen eng nebeneinander, einer blickt gen Himmel.
Literatur
Rozier 1873, S. 99. · Guiffrey, Barthelemy 1908, S. 134. · ThB 1913.
·
Entwürfe
B. Pause, 19. April 1873
Bild K68
Bleistift auf Transparentpapier
45 x 34,5 cm
Signatur unten rechts: E.Ponsan, bezeichnet
oben links: 19 avril 1873 A. Lenoir,
mittig und rechts 3
Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts
Die Pause zeichnet sich durch eine präzise Malweise aus: Klar gezeichnete Linien, die vollständige Körper und Gesichter formen, zeugen von einer sicheren
Hand und scheinen mühelos ausgeführt zu sein. Ähnlich wie sein Konkurrent Morot führt er in der Zeichnung schon viele Details auf. Dennoch sind Unterschiede
zu erkennen: So sitzt ganz rechts, zu Füßen des Pferdes, eine Frau auf ihre Harfe
gestützt am Ufer; sie wurde im Gemälde durch mehrere Personen, wie oben erwähnt, ersetzt.
108
VI. KATALOG DER WERKE
JEAN-ANDRÉ RIXENS
3. JEAN–ANDRE RIXENS (1846–1925)
A. Super Flumina Babylonis, 1873
Bild K69
Deuxième Second Grand Prix
Öl auf Leinwand
145,1 x 113 cm
Unsigniert
Provenienz: 1876 Geschenk vom Staat
Saint–Gaudens, Hôtel de Ville
1846 in Saint–Gaudens, einem Dorf im Departement Haute–Garonne, geboren, besuchte
Rixens zunächst die Kunstakademie in Toulouse. Dort erhielt er den Second Grand Prix
de la Ville für „La Mort d’Alcibiade“ und ein Stipendium für die Ausbildung an der Pariser
Ecole des Beaux–Arts. 1867 trat er in das Atelier von Jean–Léon Gérôme (1824–1904)
ein. 155 Beim Prix de Rome de la Peinture historique 1873 erhielt er zum Thema „Captivité
des Juifs à Babylon“ nach Morot und Debat–Ponsan den dritten Preis. 156 Das Gemälde
wurde auf Wunsch des Abgeordneten Lassus in den Geburtsort des Künstlers, Saint–
Gaudens, gebracht. 157 In seinem Jugendwerk thematisierte Rixens den Tod. Gemälde wie
„La Mort de Cléopatre“ (Toulouse, Musée des Augustins), „Le Cadavre de César“ (Niort,
Musée) und „La Mort d’Agrippine“ (Musée de Béziers) folgten. 158 Der Anspruch der
Akademie, Gemütsbewegungen leidenschaftlicher Art darzustellen, 159 hat bei Rixens
zunächst gefruchtet, bis er sich der Porträtmalerei zuwendete.
Eine mit Rosetten verzierte Mauer schiebt sich von rechts diagonal in das querformatige Gemälde und wird bis in den Mittelgrund optisch verlängert durch einen
Uferstreifen, auf dem Menschen dicht an dicht lagern. Ein ruhiger Fluss, vom linken Bildrand überschnitten, wird im Hintergrund von der monumentalen Stadtbefestigung Babylons begrenzt. Im vorderen Raumplan breitet sich rahmenparallel
zum unteren Bildrand ein sandiges Uferstück aus, auf dem sich etliche Juden im
Schatten eines Weidenbaumes niedergelassen haben.
Die Ausrichtung des Bildpersonals gehorcht der schräg ins Bild geführten Mauerarchitektur. An einem niedrigen Aststumpf der dicken Weide jenseits der Mauer
hängt eine Harfe mit hölzernen Schellen. Ein babylonischer Soldat mit einer Peitsche in der Hand steht erhöht hinter der Mauer und beobachtet – auf den Sims
155
156
157
158
159
Vgl. Vapereau 1893; Curinier 1889-1906.
Vgl. Rozier 1873, S. 99.
Vgl. Archives Nationales F/21/471.
Vgl. Rivet, Barlangue Luce: La vie artistique à Toulouse 1888–1939, Toulouse 1989, S. 817f.
Siehe hierzu die Niederschriften der 1667 an der Pariser Académie Royale de Peinture et de
Sculpture abgehaltenen Conférences, in: Félibien, André: Conférences de l’Académie Royale
de Peinture et de Sculpture 1667, in Ders.: Entretiens sur les vies et sur les ouvrages de plus
excellents peintres anciens et modernes, Farnborough 1967, (Nachdr. der Ausgabe Trévoux
1725). Siehe außerdem Montagu, Jennifer: The Expression of the Passions, The Origin and Influence of Charles le Bruns’s Conférence sur l’expression générale et particulière, New Haven,
London 1994, S. 58ff.
109
VI. KATALOG DER WERKE
JEAN-ANDRÉ RIXENS
gelehnt – die Gefangenen. Dahinter sieht man den unteren Teil eines massiven
Befestigungswalls. Optischer Protagonist ist die halbprofilansichtige Gestalt eines
bartlosen Priesters, der in der Mittelachse des Bildes steht. Er trägt ein nemesartiges Kopftuch, ist in ein langes, dunkelblaues Gewand gekleidet, dessen
V–förmiger Ausschnitt orangefarben verbrämt ist, und hat den rechten Arm ausgebreitet; er blickt entrückt in eine für den Betrachter nicht sichtbare Ferne. Mit der
anderen Hand stützt er den nackt vor ihm stehenden, in Dreiviertelrückansicht gezeigten Knaben. Kraftlos ist der Kopf des schmalen Jünglings mit den halblangen
braunen Locken zu Seite gesunken, während er sich noch mit dem linken Arm an
der Schulter des Mannes festhält.
Hinter dem Priester spielt sich eine ähnliche Szene ab. Auf den Stufen einer
Treppe, die vom Ufer auf den Mauerring führt, liegt ein Jude. Verzweifelt vergräbt
er seinen Kopf in den Armen. Ein älterer bärtiger Mann beugt sich über ihn und
spendet Trost. Weiter links sitzt ins Halbprofil gekehrt auf der untersten Stufe der
Treppe ein bärtiger Greis. Erschüttert über sein Schicksal hat er den Kopf zurückgeworfen und die Hand auf Stirn und Augen gelegt. Das bräunliche Gewand ist
ihm bis zur Taille gerutscht. Sein zusammengesunkener, nackter Oberkörper zeigt
die Spuren des Alters.
Ein besonderes Augenmerk hat der babylonische Krieger auf einen jungen
Mann und eine Frau mit Kind geworfen, die in der rechten Bildecke am Fuße der
Mauer sitzen. Der Mann hat sich abgewandt, so dass er nun frontal zum Betrachter lagert. Seine gefalteten Hände umspannen das schräg aufgestellte, linke Bein,
während das andere ausgestreckt ist. Mit gebeugtem Kopf blickt er zu Boden. Das
nachdenkliche Gesicht rahmen halblange, dunkle Haare. Der Oberkörper ist nackt,
als Beinkleid fungiert ein hellblaues Gewebe, das mit einer buntgemusterten Borte
verziert ist. Die Frau, gekleidet in ein bräunliches, langes Gewand mit tiefem
V–Ausschnitt, lehnt dahinter mit dem Rücken an der Mauer, die Beine ausgestreckt. Auf ihrem Schoß sitzt ein schlafendes, nacktes Kind. Zärtlich umfängt sie
es mit dem Arm an der Schulter, so dass das Köpfchen des Kindes – leicht nach
hinten gefallen – an ihrer Brust liegt. Mit zur Seite geneigtem Haupt, dessen braune Locken von einem Band aus der Stirn gehalten werden, betrachtet sie das
Kind.
Direkt am Stamm des Baumes sieht man die vom Schatten verdunkelte Gestalt
einer Frau, die zwischen der Gruppe in vorderster Ebene und dem Priester vermit110
VI. KATALOG DER WERKE
JEAN-ANDRÉ RIXENS
telt. Mit angewinkelten Beinen stützt sie sich mit dem rechten Arm am Boden auf.
Der Kopf, auf dem sie einen Nemes trägt, ist zum Betrachter geneigt; die Augen
sind geschlossen. Das bläuliche Gewand ist ihr heruntergerutscht und entblößt
ihre Brust. Vor ihr liegt ein Mann horizontal nach links gerichtet auf dem Bauch.
Der Kopf ruht auf dem rechten Arm mit dem Gesicht nach unten, während die Ellenbogen aufgestellt und die Hände zum Gebet gefaltet sind: ein Flehen um Befreiung. Das rote Gewand, das nur noch um Hüfte und Beine geschlungen ist, gibt
einen muskulösen Oberkörper frei. Nun schweift der Blick des Betrachters über
die Uferböschung, wo ein weiterer Jude – im Halbprofil gesehen – kauert, bis zu
der entfernten Landzunge. Dort befindet sich, wiederum im Schatten einer Weide,
ein Szenenrapport von Israeliten, die ihre Instrumente in den Baum gehängt haben und der fernen Heimat nachtrauern.
Literatur
Archives Nationales F/21/4910A, Dossier 1, Pièce 12. · Archives Nationales
F/21/0471. · Rozier 1873, S. 99. · Guiffrey, Barthelemy 1908 S. 134. · Décap 1932,
S. 1, 7. · Abadie 1925, S. 232. · Mange 1987, S. 264. · Rivet 1989, S. 817. · Mange o. J., S. 5.
·
Entwürfe
B. Pause, 19. April 1873
Bild K70
Bleistift auf Transparentpapier
45 x 34,5 cm
Signatur unten rechts: Rixens, bezeichnet
oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig und
rechts 2
Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts
Mit unsteten Formen arbeitet Rixens die figurale Komposition grob heraus. Gesichter und Körperkonturen sind nur vage definiert. Dennoch lassen sich Unterschiede zur Ölfassung erkennen: der Entwurf zeigt eine nicht so rechtslastige Anordnung des Bildpersonals. Die Figur des Priesters ist weiter nach links versetzt,
so dass die Treppe mit dem darauf liegenden Juden als Mittelpunkt fokussiert
wird. Zudem ist zwischen dem Figurenpaar in der rechten Bildecke und der Frau
111
VI. KATALOG DER WERKE
JEAN-ANDRÉ RIXENS
zu Füßen des Priesters eine weitere, halbansichtige Liegefigur konzipiert worden.
Der Hintergrund und vegetabile Elemente sind nicht angedeutet.
ENTWÜRFE DER ÜBRIGEN TEILNEHMER AM WETTBEWERB
1873
Hierbei handelt es sich ausschließlich um Pausen, französisch Calques. Dies sind
Bleistiftzeichnungen auf transparentem Papier. Der teilnehmende Schüler musste
im 1. Teil der 3. Prüfung des Grand Prix de Rome de la peinture historique, die
insgesamt 72 Tage dauerte, innerhalb von 12 Stunden einen Entwurf anfertigen.
Dazu saßen die Schüler isoliert in Logen. Die Nummerierung der Pause entspricht
derselben Logennummer. Die Skizzen wurden eingesammelt und vom zuständigen Professor und dem Wettbewerbsteilnehmer signiert. Danach wurde die Bleistiftskizze auf eine kleinformatige Leinwand appliziert. Dieser Vorgang wurde als
„decalquer“, durchpausen, bezeichnet, in dem die wesentlichen Umrisse übernommen wurden: Es entstand die Ölskizze, in der das Hinzukommen der Farbe
eine Rolle spielte. Durch dieses Vorgehen konnte der kompositorische Aufbau bis
zum fertigen Gemälde nicht mehr verändert werden. Der erste Entwurf war also
der maßgebende. Zum Schluss wurden die Skizzen mit der finalen Ausführung
verglichen. Bei zu großen Abweichungen sowie bei einer zu unklaren Skizze wurde der Teilnehmer disqualifiziert. 160
160
Vgl. Grunchec, Phillipe: Les concours des Prix de Rome 1797–1863, Paris 1986, Bd. 1, S. 27ff.
Nach freundlicher Auskunft von Madame de Couëssin, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts Paris sind alle Ölskizzen verschollen bzw. befinden sich unbekannterweise in Privatbesitz.
112
VI. KATALOG DER WERKE
EDOUARD VIMONT
4. EDOUARD VIMONT (1846–1930)
A. Pause, 19. April 1873
Bild K71
Bleistift auf Transparentpapier
45 x 34,5 cm
Signatur unten rechts: Vimont, bezeichnet
oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 4
Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts
Schon 1869 kam Edouard Vimont, 1846 in Paris geboren, als Schüler von Alexandre
Cabanel mit dem Thema „Le Soldat de Marathon“ auf den 2. Platz des Prix de Rome. 161
Sein querformatiger Entwurf zeigt eine pyramidale Figurenkomposition. Eine architektonische bzw. landschaftliche Umgebung ist nicht definiert; lediglich die Konturen eines Baumes auf der rechten Seite deuten eine Örtlichkeit an. Die Gruppe
der Juden besteht aus sieben Personen, deren Gesichter nicht gezeichnet sind.
Allein durch die Körperhaltung vermittelt das Bildpersonal Gemütsbewegungen.
Die figurale Komposition entwickelt sich rechts bei der sitzenden Frau mit Kind zu
einer über Eck gestellten Pyramide, die genau das Zentrum des Entwurfes bildet.
Hinter der kauernden Frau liegt – ähnlich wie bei der Komposition von Debat–
Ponsan (KATALOG 26 2A, BILD K67) – ein Mann diagonal zum Bildgrund auf dem Bauch
und birgt seinen Kopf unter den Händen. Dahinter bauen sich zwei Figurenpaare
auf: Ein Mann sitzt erhöht frontal zum Betrachter und hat seinen rechten Arm erhoben; am Handgelenk sieht man eine Fessel hängen. An seine Seite gelehnt lagert ein weiterer Mann. Schräg dahinter sitzt eine Person im Halbprofil nach links
gewandt und hält eine Frau im Arm. In leichten Umrissen sind am linken Bildrand
in einem weiten bildparallelen Raumplan weitere Figuren zu erkennen.
Literatur
Rozier 1873, S. 99.
161
Vgl. Bellier 1882–87; Edouard–Joseph 1934; ThB 1940, Bd. 23.
113
VI. KATALOG DER WERKE
THÉOBALD CHARTRAN
5. THÉOBALD CHARTRAN (1849–1907)
A. Pause, 19. April 1873
Bild K72
Bleistift auf Transparentpapier
45 x 34,5 cm
Signatur: unten rechts Chartran, bezeichnet
oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig und
rechts 5
Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts
Fünf Jahre nach Aimé Morots Erfolg beim Prix de Rome errang Chartran aus Besançon
den Rompreis mit einer Darstellung „Prise de Rome par les Gaulois“. In den Jahren darauf
wurde Chartran mit Preisen und Medaillen überhäuft. Die akademische Malerei bestimmen
vor allem historische Themen aus der Zeit der französischen Gotik. Mit zahlreichen
Wandgemälden bestückte er öffentliche Gebäude. In den 90er Jahren widmete er sich der
Porträtmalerei und machte sich damit in der höheren Gesellschaft Frankreichs, Englands
und besonders der USA einen Namen. 162
Die Zeichnung Chartrans zum Grand Prix 1873 lässt schon endgültige Formen
erkennen: Zusammengeballt im Zentrum des querformatigen Blattes, tummelt sich
vor dem Hintergrund zweier Sphinxen eine große Anzahl von Israeliten. Babylonische Wachsoldaten mit Lanzen drängen die Juden zusammen. Ein seine Lanze
schwingender Reiter mit sich aufbäumendem Pferd ragt hinter der angsterfüllten
Menschenmenge auf. Links im Hintergrund sieht man tempelartige Gebäude, die
zur Stadt Babylon gehören. Im Vordergrund, wo die Figuren in eine Kreiskomposition eingeschrieben sind, dominiert die Darstellung eines jungen Paares. Mit
angstverzerrtem Gesicht stehen beide einander umarmend in der Mittelachse.
Rechts neben dem Mann sitzt eine ältere Frau. Schützend umfängt sie das an ihrer Seite stehende Kind. Links peinigt ein Soldat einen Gefangenen. Dieser, sich
wehrend, versucht das vor ihm stehende Kind zu schützen. Ein anderes flieht im
Laufschritt über die linke Flanke in Richtung der alten Frau. Durch Schattierungen,
die Licht und Schatten imaginieren, schafft Chartran eine bewegte Zeichnung.
Literatur
–
162
Vgl. Curinier 1889-1906; ThB 1912, Bd. 6; Fourquet, Emilie: Les Hommes célèbres et les personnalités marquantes de Franche–Comté du IVe siècle à nos jours, Besançon 1929; Weisberg, Gabriel P.: Art. zu „Chartran“ in: AKL 1998, Bd. 18.
114
VI. KATALOG DER WERKE
FERNAND EMMANUEL PELEZ
6. FERNAND EMMANUEL PELEZ (1843–1913)
A. Pause, 19. April 1873
Bild K73
Bleistift auf Transparentpapier
45 x 34,5 cm
Signatur: unten rechts Pelez, bezeichnet oben
links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig und rechts
6
Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts
Fernand Pelez wurde als Sohn des Landschaftsmalers und Aquarellisten Fernand Pelez
de Cordova (1820–1899) 1843 in Paris geboren. Als Schüler des Alexandre Cabanel
nahm er 1873 am Prix de Rome teil. Danach gewann er mit Genreszenen Auszeichnungen. 163
Die von Pelez entworfene Pause geometrisiert und vereinfacht die Darstellung der
„Gefangenschaft der Juden in Babylon“. Ausschließlich gradlinige Striche formen
menschliche Körper. Keine Rundungen sind zu erkennen. Selbst die Kontur der
Köpfe ist eckig. Neun Personen finden in einem nahfokussierten Ausschnitt auf
der querformatigen Zeichnung Platz. Auf der linken Seite bildet der aus zwei Strichen bestehende Umriss eines Baumstammes die senkrechte Koordinate. Ein
Jude lehnt daran. Am Boden lagern fünf Personen. Von rechts nähern sich zwei
weitere Menschen der Gruppe unter dem Baum. Links im Hintergrund sieht man
mehrere Figuren sitzen.
Literatur
Album Mariani 1901.
163
Vgl. Lermina 1884; Vapereau 1893; Album Mariani 1901.
115
VI. KATALOG DER WERKE
EUGÈNE MEDARD
7. EUGÈNE MÉDARD (1847–1887)
A. Pause, 19. April 1873
Bild K74
Bleistift auf Transparentpapier
45 x 34,5 cm
Signatur: unten rechts Medard, bezeichnet
oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 7
Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts
Eugène Médard gewann schon 1872 den Premier Second Grand Prix mit „Une Scene du
Deluge“. 1847 in Paris geboren, erhielt er seine akademische Ausbildung unter Léon
Cogniet (1794–1880), Sébastien–Melchior Cornu (1804–1870) und Jean–Léon Gérôme
(1824–1904). 164
Médard zeigt die Szenerie der Trauernden Juden in einem Weitwinkel. Unter einem Baum in der Mittelachse, dessen Blattwerk vom oberen Rand überschnitten
wird, ist eine große Gruppe von Juden versammelt. Links ist abschüssiges Gelände markiert: das Ufer. Die Hauptszenerie ist mit Bleisitft dunkel schraffiert und dominiert so über die in Umrissen gehaltene Hintergrundbühne. Dem Betrachter am
nächsten, etwas abseits der Gruppe, lagert rechts ein Paar. Die Frau liegt mit aufgestellten Beinen parallel zum unteren Bildrand auf dem Boden, den Kopf im
Schoß des Mannes. Dieser – frontal gesehen – sitzt seitlich verlagert und stützt
sich mit der rechten Hand auf. Am Baumstamm drängen sich Frauen, Männer und
Kinder zusammen, einer hängt gerade eine Harfe in die Äste des Baumes. Von
rechts kommt ein Reiter an die Juden heran. 165
Literatur
Rozier 1873, S. 99.
164
165
Vgl. Bellier 1882–87; ThB 1930, Bd. 24.
In einem Brief des französischen Kultusministeriums von 1888 ist vermerkt, dass Médard dem
Staat eine Zeichnung „Captivité des Juifs à Babylone“ geschenkt habe. Diese solle dem Musée
Nationale du Luxembourg übergeben werden. Vgl. Archives Nationales F/21/2099. Hierbei handelt es sich vermutlich um die Ölskizze, die sich heute mit ziemlicher Sicherheit (keine Bestätigung) im Depot des Musée d’Orsay befindet.
116
VI. KATALOG DER WERKE
LÉON-FRANCOIS COMERRE
8. LEON–FRANÇOIS COMERRE (1850–1916)
A. Pause, 19. April 1873
Bild K75
Bleistift auf Transparentpapier
45 x 34,5 cm
Signatur: unten rechts L.Comerre, bezeichnet
oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 8
Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts
Der 1850 in Trélon geborene Léon Comerre erhielt einen prägenden Einfluss durch
Alexandre Cabanel an der Akademie in Paris. Für seine Komposition der Trauernden
Juden 1873 in „L’Illustration, journal universel“ schon lobend erwähnt, 166 gewann er 1875
den Grand Prix de Rome mit der Darstellung „L’Ange annonçant aux bergers la naissance
du Christ“. In Rom freundete er sich u.a. mit Aimé Morot an. Der Maler heiratete 1881
seine Künstlerkollegin Jacqueline Paton. 167
In dem grobskizzierten, querformatigen Entwurf lässt sich eine Gruppe von Juden
erkennen, die vor einer Mauerarchitektur lagern. Rechts im Hintergrund steht die
monumentale Skulptur einer Sphinx. Die Figuren sind kantig gezeichnet und zum
Teil ausschraffiert. Comerre hat keine Gesichter ausgeführt, und Männer und
Frauen sind zum Teil nicht deutlich definiert. Die zentrale Gruppe besteht aus vier
Personen, von denen eine in der Mittelachse frontal zum Betrachter steht. Sie wird
zu beiden Seiten von Trauernden gerahmt. Rechts eine sitzende Gestalt, vor der
eine Person halb am Boden liegt. Links sitzt ein Mann ins Profil nach rechts gekehrt. Neben ihm befinden sich weitere Gefangene, die sehr undeutlich gezeichnet
sind. Über ihnen lehnt ein Babylonier über dem Mauervorsprung und versucht einen Gegenstand, vielleicht eine Harfe, herunterzureichen.
Literatur
Rozier 1873, S. 99.
166
167
Vgl. Rozier 1873, S. 99.
Vgl. Rienzi 1893; Vapereau 1893; Vibert, Paul: Silhouettes contemporaines des hommes de
mon temps, Paris 1900; ThB 1912, Bd. 7; Stolpe, Elmar: Art. zu „Comerre“ in: AKL 1998, Bd.
20.
117
VI. KATALOG DER WERKE
LÉONARD JARRAUD
9. LÉONARD JARRAUD (1848–?)
A. Pause, 19. April 1873
Bild K76
Bleistift auf Transparentpapier
45 x 34,5 cm
Signatur: unten links Jarraud, bezeichnet
oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 9
Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts
Léonard Jarraud, 1848 in Couronne (Charente) geboren, ging zunächst den akademischen Weg und war Schüler bei Jean–Léon Gérôme an der Ecole des Beaux–Arts. Später
zeigte er sich mehr von Gustave Courbets (1819–1877) Realismus beeinflusst und zog
sich in sein Heimatdorf zurück, wo er sich, abgeschnitten von jeder Berührung mit den
neueren Kunstströmungen, der Darstellung ländlicher Motive widmete. 168
Seine im Hochformat gewählte Darstellung zeichnet sich durch eine klare Strukturierung und eine weiche, runde Formgebung der Figuren aus. Vor und auf einem
über Eck gestellten kubischen Mauerblock stehen, sitzen und liegen Personen. Im
Gegensatz zu den Entwürfen seiner Konkurrenten stellt Jarraud das biblische Sujet sehr vereinfacht dar und lässt sich somit viel Spielraum für die Gemäldeausführung. Immerhin wird aber eine gewisse Niedergeschlagenheit oder Bedrücktheit
der Personen durch ihre Haltung und Gebärdensprache vermittelt.
Literatur
–
168
Vgl. ThB 1925, Bd. 19.
118
VI. KATALOG DER WERKE
LÉON DU PATY
1 0 . L É O N D U PAT Y ( 1 8 4 9 – C A . 1 9 2 0 )
A. Pause, 19. April 1873
Bild K77
Bleistift auf Transparentpapier
45 x 34,5 cm
Signatur: unten links L. du Paty, bezeichnet
oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 10
Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–
Arts
Der 1849 in Paris geborene Maler Léon du Paty war Schüler des Isidore Pils (1813–1875)
und machte sich – durch den Einfluss seines Lehrers – in seiner späteren künstlerischen
Laufbahn einen Namen durch Genrebilder militärischer Art. 169 Diese Manier tritt schon in
der Darstellung zum Wettbewerb um den Rompreis 1873 zu Tage.
Die Komposition lebt von dem rechts in die bedrückte Trauerszenerie eindringenden babylonischen Soldaten, der den Juden befiehlt, Lieder zu spielen. Energisch
deutet er mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand zu dem Baum, wo einer der
Juden gerade eine Harfe in die Äste hängt. Rechts wahrt ein zweiter Baum die
Bildsymmetrie. Dazwischen ist eine landschaftliche Struktur angedeutet. Die von
dem Babylonier angesprochenen Juden reagieren nicht auf die Forderung. Stattdessen geben sie sich ihrem Kummer hin. In der Mittelachse kniet eine Frau im
Halbprofil nach links gekehrt. Ihr Gesicht, dessen Züge nicht gezeichnet sind, ist
dem Betrachter zugewandt. Vor ihr in Dreiviertelrückansicht sitzt eine weitere
Frau, auf ihre Harfe gestützt. Ihr gegenüber birgt eine Person den Kopf in den Armen. Auf der linken Seite lehnt ein Mann am Baumstamm. Ein Kind drückt sich an
seine Seite. Das figürliche Gleichgewicht der Komposition wiederherstellend, steht
hinter dem Soldaten am rechten Bildrand eine hölzerne Wiege; zwei Kreise deuten
wohl die Köpfe der darin sitzenden Kinder an.
Literatur
–
169
Vgl. Bellier 1882–87; Edouard–Joseph 1930; ThB 1914, Bd. 10; Robichon, François: Art. zu „Du
Paty“, in: AKL 2002, Bd. 31.
119
VI. KATALOG DER WERKE
EVELYN DE MORGAN
2 7 . E V E LY N D E M O R G A N , G E B . P I C K E R I N G ( 1 8 5 5 – 1 9 1 9 )
A. By the Waters of Babylon, 1882/83
Bild K78
Öl auf Leinwand
88,9 x 167 cm
Signatur: unten rechts EP 1882–83
Provenienz: aus dem Besitz Mrs Wilhelmina
Stirling (Schwester der Künstlerin)
London, de Morgan Foundation
Die außerordentlich erfolgreiche Malerein Evelyn de Morgan gehörte zur zweiten
Künstlergeneration der Prä–Raphaeliten. 170 Als ältestes Kind des Anwaltes Percival
Pickering QC und Nichte des prä–raphaelitischen Malers John Roddam Spencer–
Stanhope (1829–1908), wurde Evelyn de Morgan 1855 in London geboren. Mit 17 wurde
sie als erste Frau Studentin an der Slade School of Art unter Edward Poynter, von dessen
Akademismus sie zunächst sehr geprägt wurde. Doch schon die Reise nach Italien, die sie
1875 antrat, veranlasste die Künstlerin, ihre Vorbilder in ihrem Onkel Spencer Stanhope
und in den Meistern der florentinischen Frührenaissance mit Botticelli zu suchen. Ein
eigener, distinguierter Stil mit überlängten Figuren, grazilen Posen und gesuchten Gesten,
der sich durch eine Synthese von Allegorie und Symbolismus auszeichnet, begann sich
fern von den klassischen Themen der Slade School zu entwickeln. 171
1877 eröffnete als avantgardistische Alternative zur Royal Academy die Grosvenor
Gallery 172 , bei deren erster Ausstellung die junge Künstlerin Evelyn Pickering eingeladen
wurde, ihr Debüt mit dem Gemälde „Ariadne at Naxos“ (London, The de Morgan
Foundation at Old Battersea House) zu geben. 173 Auch „By the Waters of Babylon“ wurde
1883 zuerst in der Grosvenor Gallery gezeigt. 174 In den folgenden Jahren war es in
Manchester und Liverpool zu sehen. 175
Das Gemälde ist eines der wenigen im Oeuvre der Malerin, dem ein biblisches Sujet
zugrunde liegt. Die zeitgenössische Kritik, die auf das Gemälde wie auf kein anderes ihrer
Werke reagierte, war ambivalent: Zum einen wurde die „dramatic intensitiy“ 176 gelobt, zum
170
171
172
173
174
175
176
Die Präraffaelitische Bruderschaft wurde 1848 von Dante Gabriel Rossetti (1828–1882) und
William Holman Hunt (1827–1910) gegründet. Vgl. Bate, Percy H.: The English Pre–Raphaelite
Painters, their Associates and Successors, London 1901, S. 3–14. Zur zweiten Generation gehören u. a. Spencer Stanhope (1829–1908), Charles Fairfax Murrey (1849–1919), John Melhuish Strudwick (1849–1935), Thomas Matthews Rooke (1842–1942), Marie Stillman (erwähnt
1867–1885) und Evelyn de Morgan. Vgl. Bate 1901, S. 111–115. Siehe außerdem Marsh, Jan,
Nunn, Pamela Gerrish: Women Artists and the Pre–Raphaelite Movement, London 1989, S.
77–113.
Vgl. Gaze, Delia (Hg.): Dictionary of Women Artists, Bd.1, London, Chicago 1997.
Sir Coutts Lindsey und seine Frau Blanche gründeten die Grosvenor Gallery als offizielle Alternative zu der Royal Academy. Siehe dazu Casteras, Susan, Denney, Colleen (Hg.): The Grosvenor Gallery, a Palace of Art in Victorian England, New Haven 1996, S. 9ff. Siehe außerdem
Denney, Colleen: At the Temple of Art, the Grosvenor Gallery, 1877–1890, London 2000.
Vgl. Marsh, Jan, Nunn, Pamela Gerrish: Pre-Raphaelite Women Artists, Ausst., London1998, S.
47.
Vgl. Blackburn, Henry (Hg.): Illustrated Catalogue of the Summer Exhibition at the Grosvenor
Gallery (Grosvenor Notes), London 1883, Nr. 43. Wiederabdruck bei Newall, Christopher: The
Grosvenor Gallery Exhibitions, Change and Continuity in the Victorian Art World, Cambridge
1995, S. 68.
Vgl. Gordon, Catherine (Hg.): Evelyn de Morgan Oil Paintings, London 1996, S. 16, Nr. 19, S.
28; Marsh, Nunn 1998, S. 140, Nr. 60.
Art Chronicle, in: The Portfolio, Juni 1883, S. 125.
120
VI. KATALOG DER WERKE
EVELYN DE MORGAN
anderen empfand man die stilistische Nähe zu Spencer–Stanhope und Burne–Jones als
„second–hand“ 177 .
In einem lang gezogenen Querformat bevölkern trauernde Juden als figurales Ornament eine italienisch anmutende Flussebene im Licht der untergehenden Sonne. Es ist eine zeitlos ruhige und durch die herbstlichen Farbtöne düstere Szenerie, in der sich ein Personenrapport – eingefasst von zwei Rahmenfiguren – präsentiert. Keine zentrale Gruppe zieht den Blick des Betrachters zunächst auf sich.
Juden in antikisierenden Gewändern lagern verstreut unter Weiden zu beiden Seiten eines Flussarms, der horizontal durch das Gemälde läuft. Der Hauptstrom
windet sich rechts durch die Ebene. Sonnenstrahlen lassen die Wasseroberfläche
glitzern. Rechts in der Ferne sieht man die Silhouette einer Berglandschaft, während sich links die mit Fialen bekrönten Türme Babylons von dem gelben Himmel
abheben.
In der ersten Bildebene sind sieben stereotype Frauen und zwei Männer isoliert
in ihrer Trauer vorgeführt. Verschiedenartige Instrumente liegen auf dem Boden
verstreut. Links und rechts rahmen zwei Figuren durch ihre nach innen gebeugte
Körperhaltung die Komposition. Es gibt keine Rahmenüberschneidungen, so dass
das Gemälde formal abgeschlossen wirkt. Am linken Bildrand steht gebeugt eine
Frau in Profilansicht und stützt sich mit dem Kopf auf eine beinahe mannshohe
Harfe, deren Fuß mit Blätter– und Früchteranken verziert ist. Ihre Arme hat sie um
das Instrument gelegt, ihre Finger elegant ineinander verschlungen. Das dunkelrote, in der Taille geraffte Gewand haftet zartfaltig an ihrem Körper und betont die
weiblichen Formen. Vor dem Saiteninstrument knien zwei Frauen: die eine, in einem grünen Gewand mit brauner Schärpe, frontal zum Betrachter; ihr Kopf mit
den braunen Locken ist nach rechts geneigt. Blaue Augen blicken trübselig zu Boden. Die andere kniet rechts daneben und blickt den Betrachter an. Trostspendend umarmt sie die Frau, doch drückt ihre Miene die gleiche Traurigkeit aus.
Über einem weißen Unterkleid, das an ihrem Arm sichtbar ist, trägt sie ein dunkelblaues Gewand mit fliederfarbenem Gürtel. Die schwarzen Haare sind gescheitelt
und im Nacken zusammengebunden. 178 Zwei Flöten liegen zu Füßen der beiden.
Ein Stück weiter vorne befindet sich halb auf einem Rasenstück eine Leier.
177
178
The Grosvenor Gallery Exhibition, in: The Athenaeum, 12. Mai 1883, S. 609.
Dabei handelt es sich um ihr Lieblingsmodell Jane Hales, das ehemalige Kindermädchen ihrer
Schwester. Vgl. Gordon 1996, S. 16.
121
VI. KATALOG DER WERKE
EVELYN DE MORGAN
Die Bogenform der Harfe wiederaufnehmend, folgt eine im Profil nach rechts
gekehrt kniende Frau. Sie ist die einzige Figur im vorderen Bereich, die durch akzentuiertes Tun als gestalterische Figur ausgewiesen ist: Zusammengekauert und
doch mit erhobenem Kopf betet sie inbrünstig und gibt sich nicht wie die übrigen
Gefangenen einer starren Passivität hin. Das dunkelrote, geraffte Gewand klafft an
der Seite unter dem Arm auf und gibt den Blick auf ihre Brust frei. Ein bräunlicher
Umhang fällt über den Rücken bis zum Boden. Die rötlichen Haare sind zu einem
Zopf gebunden. Keineswegs lethargisch als vielmehr leidenschaftliches Empfinden bekundet eine parallel zum Bildgrund liegende Frau und stellt so eine Verbindung zwischen der Frau links und der rechten Bildseite her. Die Beine angewinkelt, liegt sie mit nacktem Oberkörper halb auf dem Schoß der Betenden und birgt
ihr Haupt in den Händen, so dass die braunen Haare kopfüber auf den Boden fallen. Beine und Hüften verhüllen ein gelbes Gewand.
Dahinter lagert unter dem vom oberen Bildrand überschnittenen Laubdach der
Weide eine Gruppe von vier Juden im Kreis. Direkt am knorrigen, gespaltenen
Stamm, an dem eine schwarze Laute lehnt und vor der zwei Flöten liegen, sitzt ein
Greis ins Halbprofil nach links gekehrt. Sein blaues Gewand bildet zu den buschigen weißen Haaren und dem krausen Bart einen markanten Kontrast. Sein Haupt
ist gesenkt; er blickt niedergeschlagen zu Boden. Während er sich mit seinem linken Arm aufstützt, ruht sein rechter auf dem Knie. Im Gegensatz zu seiner isoliert
wirkenden, meditativen Trauer ergänzen sich die beiden Frauen, die schräg vor
ihm sitzen, in ihrer Haltung und ertragen das Leid gemeinsam. Die eine ist als Rückenfigur seitlich lagernd positioniert und stützt sich mit dem linken Arm am Boden
ab. Ein pinkfarbenes Gewand umspielt in feinen Falten ihren Körper, drei dünne
Bänder sind um die Taille geschlungen. Ihr Haar ist zu einem Knoten hochgesteckt. Sie hält das Haupt gesenkt, so dass die sichtbare Nackenpartie ein gewisses Maß an Verletzlichkeit verrät. Gefühlvoll hat sie den rechten Arm auf die
Schulter ihrer Freundin gelegt, die ihr beinahe spiegelbildlich – bis auf die die
Symmetrie störenden Hände – schräg gegenüber sitzt. Auch sie blickt zu Boden.
Sie trägt über einem weißen Unterkleid ein orangefarbenes Gewand. Zu Füßen
der Frauen, am rechten Bildrand, liegt eine Panflöte.
Der gebückt stehende Mann rechts schließt nicht nur den kleinen Personenkreis, sondern rahmt die Komposition als Pendant zu der am linken Bildrand stehenden Frau. In ein rotes Gewand gehüllt, birgt er sein Gesicht in den Händen,
122
VI. KATALOG DER WERKE
EVELYN DE MORGAN
dabei schreitet er in Richtung des Flusses. Jenseits des Ufers, im zweiten rahmenparallelen Raumplan, der sich im seichten Wasser des Flussarmes spiegelt,
sieht man weitere Juden damit beschäftigt, Harfen in die Bäume zu hängen: Im
Gegensatz zur statischen Szenerie im Vordergrund herrscht im Mittelgrund ein
aktives Bildgeschehen.
Ganz am linken Bildrand steht ein junger Mann in Dreiviertelrückansicht. In eine
kurze braune Tunika gekleidet, hängt er eine Harfe in die Zweige einer Weide. Die
Künstlerin hat durch die Spiegelung der Beine des Mannes auf der Wasseroberfläche und die Aufwärtsbewegung der Arme seine Erscheinung optisch vergrößert,
so dass sein die Bildsymmetrie wahrendes Pendant der Baumstamm auf der rechten Seite ist. Weiter zur Mitte hin befindet sich eine Gruppe von acht Juden unter
einem Baum. Zwei von ihnen, ein Mann und eine Frau, heben gemeinsam ein Saiteninstrument in die Äste des Baumes. Das Paar ist von sitzenden und stehenden
Juden, meist Männern umgeben. Nun verdeckt der gespaltene Baumstamm im
Vordergrund die Sicht auf das Uferstück. Weiter rechts erblickt man tiefer im Mittelgrund, wo der Fluss im Abendlicht aufleuchtet, einige Gestalten in langen Gewändern auf einer Landzunge.
Literatur
Blackburn 1883, Nr. 43, (Wiederabdruck Newall 1995, S. 68). · The Athenaeum
12. Mai 1883, S. 609. · The Portfolio Juni 1883, S. 125. · The Spectator 9. Juni
1883, S. 738. · Champlin 1886–87. · Bate 1901, S. 115. · Stirling 1922, S. 201. ·
Marsh, Nunn 1989, S. 109. · Gordon 1996, S. 16, Nr. 19, S. 28, 54f., Abb. 11. ·
Marsh, Nunn 1998, S. 47, 140, Nr. 60 Abb. · Smith 2002, S. 38f., 79ff., 82 Abb. 22.
123
VI. KATALOG DER WERKE
KATE GARDINER HASTINGS
2 8 . K AT E G A R D I N E R H A S T I N G S ( 1 8 3 7 – 1 9 2 5 )
A. By the Waters of Babylon, 1883
Bild K79
Öl auf Leinwand
53 x 77 cm
Provenienz:–
Privatbesitz, USA
Kate Gardiner Hastings, eine in Vergessenheit geratene Künstlerin des viktorianischen
Englands, war die Schwester des Managers der Grosvenor Gallery. Sie studierte an der
Slade School of Art. Ihr Stil wurde geprägt durch Edward Poynter, Lord Leighton und
Edwin Long (1829–1891). 179 Mit Stillleben, Porträts und Landschaften war sie 1871 bis
1910 regelmäßig in den Ausstellungen der Londoner Galerien vertreten. So auch 1883 mit
dem Gemälde „By the Waters of Babylon“ in der Sommerausstellung der Grosvenor
Gallery. 180 Eine Zeichnung von Henry Blackburn aus den Grosvenor Notes von 1883
vermittelt eine Vorstellung von dem Gemälde, das sich heute in Privatbesitz in den USA
befindet. 181
In einer parallel zum Bildgrund verlaufenden Landschaftsbühne werden vier Frauen gleichberechtigt nebeneinander dargestellt: Sie treten nicht miteinander in Interaktion, jede scheint für sich die Hauptrolle zu spielen. Sie befinden sich am jenseitigen Ufer des Flusses, der am unteren Bildrand verläuft. Der Zuschauer sieht
das Szenario also vom diesseitigen Ufer aus. Hinterfangen werden die Jüdinnen
von einer Mauer, hinter der man ein städtebauliches Umfeld erkennen kann. Drei
der Frauen sitzen, während die vierte am linken Bildrand unter einem Baum steht,
der – die gesamte Bildhöhe einnehmend – eine rahmende Funktion innehat. Auf
der gegenüberliegenden Seite säumen hohe Schilfgräser den Rand des Gemäldes. So wird ein achsialsymmetrischer Charakter angedeutet.
Die Frau in der Mittelachse sitzt im Schneidersitz frontal zum Betrachter. Sie hat
die Hände erhoben und hinter den Kopf an den Haaransatz gelegt. Die weiten Ärmel ihres langen Gewandes hängen herab. Rechts daneben sitzt eine ihr zugewandte, im strengen Profil gezeigte Frau. In ein langes Gewand gehüllt, sitzt sie
mit angezogenen Beinen zur Mitte gewandt; ihre Arme umspannen die Knie. Ihr
Kopf – bedeckt von einem Tuch – ist gesenkt, so dass herabhängende Haare ihr
Gesichtsprofil nur undeutlich erkennen lassen.
179
180
181
Vgl. ThB 1923, Bd. 16; Schriftliche Auskunft von Deborah Cunerd, die eine Monografie über die
Künstlerin verfasst.
Vgl. Blackburn 1883, Nr. 156. Wiederabgedruckt bei Newall 1995, S. 83.
Vgl. ebd.
124
VI. KATALOG DER WERKE
KATE GARDINER HASTINGS
Die Frau links der Mitte hingegen blickt versonnen auf das Wasser. Ein Bein hat
sie aufgestellt, das andere darunter gelegt; die Arme liegen locker schräg über
ihrem aufgestellten Bein. Den Kopf hat sie in einer diametralen Bewegung nach
rechts ins Halbprofil gedreht. Auch sie trägt ein langes, ärmelloses Kleid und eine
haubenartige Kopfbedeckung. Neben ihr liegt ein ovales Instrument im Gras.
Die schmale, in ein langes, ärmelloses Gewand gekleidete Frau, die links unter
dem Baum steht, gleicht in ihrer Haltung, die sich der gewachsenen Form des
Baumes anpasst, einer Karyatide. Mit beiden Händen hält sie sich an einem Ast
fest und lehnt den Kopf daran, so dass der Eindruck entsteht, sie würde die Weide
stützen. Eine Harfe hängt an ihrem linken Arm.
Literatur
Blackburn 1883, Nr. 156, (Wiederabdruck Newall 1995, S. 83). · Smith 2002, S.
81f., Abb.
125
VI. KATALOG DER WERKE
PIERRE LAGARDE
29. PIERRE LAGARDE (1854–1910)
A. Super Flumina Babylonis, 1885
Bild K80
Salon 1885
Öl auf Leinwand
365 x 445 cm
Signatur: unten rechts Pierre Lagarde 1885
Provenienz: 1886 Geschenk vom Staat an
das Musée de Provins et du Provinois
Unbekannt
Der Maler und spätere künstlerische Direktor der Pariser Oper Pierre Lagarde hat
zeitlebens in Paris gewirkt. Als Schüler des Landschaftsmalers Charles Busson (1822–
1908) und der Historienmaler und Dekorateure Alexis Joseph Mazerolle (1826–1889) und
Ferdinand Humbert (1842–?) schuf er in seinen Werken eine Synthese dieser Genres.
Von 1878 bis 1893 stellte er ohne Unterbrechung historische und religiöse Gemälde im
Pariser Salon aus. 182 Darunter war 1885 „Super Flumina Babylonis“ 183 , das auch auf der
Internationalen Kunstausstellung 1889 zu sehen war und durch einen Stich von August
Hilaire Léveillé (1840–1900) publiziert wurde. 184
Lagarde hat das Thema „Die trauernden Juden im Exil“ als Nachtszene umgesetzt: Die Darstellung zeigt ein diagonal nach links verlaufendes Uferstück unter
nächtlichem Sternenhimmel. Vor Flussweiden, die von Buschwerk umwuchert
sind, befinden sich Juden. Die obere rechte Hälfte des Bildes wird vom Fluss eingenommen, der von einer Berglandschaft hinterfangen wird. Im Mittelgrund ragt
eine Landzunge, auf der ein Lagerfeuer brennt, weit ins Gewässer. Rauchfäden
steigen nach oben. Die Figuren im vorderen Raumplan bilden in ihrer Anordnung
eine Diagonale, die von der linken Bildecke bis zum rechten Bildrand führt und
sich diametral zur landschaftlichen Umgebung verhält.
Das Hauptaugenmerk liegt auf einer jungen Frau, die im Schnittpunkt der Diagonalen, in der Mittelachse steht. In Profilansicht nach links gezeigt, hängt sie eine
Leier in die Äste einer Weide: Lagarde hat Vers 2 von Psalm 137 als zentrales
Motiv gewählt. Der Oberköper der Frau ist nackt. Lange, im Nacken zusammengebundene Haare fallen ihr über den Rücken. An ihren Körper drängt sich ein
kleines Mädchen. Mit geschlossenen Augen hat es den Kopf an den Bauch der
Mutter gelegt. In der Ecke links kauert ein alter bärtiger Mann ins Halbprofil nach
rechts gekehrt auf dem Boden. Sein nackter Oberkörper ist zusammengesunken,
182
183
184
Vgl. Edouard–Joseph 1931; ThB 1928, Bd. 22.
Vgl. Archives Nationales F/21/4909B, Dossier 10, Pièce 79.
Vgl. „Super flumina Babylonis.“ Tableau de M. Pierre Lagarde, in: Le Monde illustré 7. 9. 1889,
S. 153.
126
VI. KATALOG DER WERKE
PIERRE LAGARDE
die Arme liegen kraftlos überkreuzt im Schoß seiner übereinandergeschlagenen
Beine. Auf seinem Kopf trägt er eine Schalkappe. Niedergeschlagen starrt er zu
Boden. Neben ihm sitzt eine alte Frau. Mit ihrer weißen, schulterfreien Bluse, dem
Kopftuch und den Kreolen gleicht sie einer Zigeunerin. Während in ihrem Schoß
der Kopf einer schlafenden Frau ruht, die parallel zum Bildgrund in Rückansicht
gezeigt liegt, presst sie mit ihrem linken Arm ein in Decken gewickeltes, schlafendes Kind an ihre Brust. Der Kopf der Alten ist ins Profil nach rechts gewandt, um
das Geschehen im Bildmittelpunkt zu beobachten.
Frontal zum Betrachter sitzt auf einer natürlichen Erhebung dahinter eine in
weiß gekleidete Frau am Stamm der Weide. Den Fuß unter den linken Oberschenkel geschoben, blickt sie – vom Schatten des Baumes aus – auf die unter ihr
befindlichen Personen. Ein Pendant findet sie in der schwarz gekleideten Frau, die
schräg gegenüber an der Uferböschung auf dem Bauch liegt. Mit aufgestütztem
Kopf schaut auch sie zu ihren Gefährten.
Lagarde hat durch die Blickrichtungen des Bildpersonals ein Koordinatensystem
gebildet, dessen Mittelpunkt die agierende junge Frau ist.
Literatur
Archives Nationales F/21/4909B, Dossier 10, Pièce 79. · Lafenestre 1885. · Le
Monde illustré, Nr. 1693, 7. 9. 1889, S. 155, Stich S. 153. · Martin 1897. ·
Edouard–Joseph 1931. · ThB 1929. · LeLeyzour 1997, S. 121.
127
VI. KATALOG DER WERKE
THOMAS BOWMAN GARVIE
30. THOMAS BOWMAN GARVIE (1859–1944)
A. By the Waters of Babylon, 1887
Bild K81
Öl auf Leinwand
102,5 x 127,8 cm
Signatur: unten rechts T.B. Garvie 1887
Provenienz: 1939 Geschenk von Mrs I. W.
Dick
Newcastle upon Tyne, Laing Art Gallery
Der heute unbekannte Künstler Thomas Bowman Garvie wurde 1859 in Northumberland
geboren und machte sich vor allem als Porträtmaler lokaler Persönlichkeiten aus seiner
Heimat einen Namen. Er genoss die übliche klassische Ausbildung an den Schulen der
Royal Academy und in Paris an der Académie Julian 185 unter Robert Fleury (1797–1890)
und William Bouguereau. Ab 1886 stellte Garvie an der Royal Academy aus. Nach kurzem
Wirken in London kehrte er in seine Heimat in Nordengland zurück, wo er zeitlebens tätig
war. 186 Aus seinem übrigen Oeuvre ragt das 1887 entstandene und ein Jahr später
ausgestellte Gemälde „By the Waters of Babylon“ heraus. 1940, kurz nachdem es aus
Privatbesitz ins Museum gekommen war, wurde das Gemälde vom Künstler selbst
restauriert. 187
Das nahezu quadratische, im Stil von Lawrence Alma–Tadema (1836–1912) gehaltene Gemälde bietet dem Betrachter den Blick auf eine prächtige Treppe, die
diagonal von rechts oben zu einem ruhigen, von Seerosen bedeckten Gewässer
am unteren Bildrand führt. Mit Götterdarstellungen reliefiertes Mauerwerk fasst die
Freitreppe ein. Auf den fünf untersten, wassernahen Stufen befinden sich in unterschiedlicher Höhe fünf Frauen und ein Mann. Die Abenddämmerung ist hereingebrochen und wirft einen goldenen Schleier über die Szenerie, erhöht gleichsam
das Pathos. Rechts im Hintergrund erscheint vor dem hellgelb getönten Himmel
die Silhouette eines gewaltigen Bauwerks mit mehreren stufenartig abgesetzten
Geschossen und dazugehörigem Garten. Lichtdurchflutete, fragil wirkende Baumkronen stellen einen reizvollen Kontrast zu der Schwere und Dichte der Palast-
185
186
187
Von Rodolphe Julian 1868 in Paris gegründete private Kunstschule. Sie stand in dem Ruf,
avantgardistisches Gedankengut zu vermitteln, weil viele Absolventen später als Avantgardisten
berühmt wurden. Siehe dazu Fehrer, Catherine: New Light on the Académie Julian and its
Founder (Rodolphe Julian), in: Gazette des Beaux–Arts, 1984, Bd. 13, S. 207–216.
Vgl. Dolman, Bernard (Hg.): Who’s Who in Art, a Series of Alphabetically-Arranged Biographies
of the Leading Men and Women in the World of Art To-day (Artists, Collectors, Critics and Curators) London 19344; Hall, Marshal: The Artists of Northumbria, a Dictionary of Northumberland
and Durham Painters, Draughtsmen and Engravers, born 1647-1900, Newcastle upon Tyne
1982, S. 68f.
Schrifliche Auskunft von Marie–Thérèse H. Russell, Assistant Keeper of Fine and Decorative
Arts der Laing Art Gallery.
128
VI. KATALOG DER WERKE
THOMAS BOWMAN GARVIE
mauern dar. Links am Horizont, wo der Himmel rot erstrahlt, erspäht man gerade
noch die Gebäude Babylons.
Am obersten Treppenabsatz steht eine majestätische Gestalt in rotem Gewand
und ebensolchem Kopfputz: Es ist der König, der mit einem kleinen Gefolge aus
der Kühle seines Palastes herausgetreten ist und nun im Begriff steht, die Treppe
herabzuschreiten und seine Gefangenen aufzusuchen. Die Juden nehmen die
Anwesenheit des Monarchen nicht wahr. Sie sitzen fast zwanglos am Ufer, bis auf
die linke Frau, die ihren Kopf an die Mauer lehnt. Zuerst bemerkt man den links
am Mauersockel lehnenden jungen Mann in Frontalansicht. Er trägt eine weiße
Tunika, die in der Taille gegürtet ist. Seine dunklen Haare sind zu einem Lockenkranz frisiert. Ein hellbrauner Umhang liegt auf dem Mauersims unter seinem Ellenbogen und fällt hinter den bloßen Füßen des Mannes auf die Stufen. In seiner
linken Hand hält er eine Harfe. Der Blick des Mannes zielt rechts am Betrachter
vorbei aus dem Bild. Die Figur eines diagonal zum Bildgrund liegenden steinernen
Löwen mit aufgerissenem Maul, die den Sims dahinter bekrönt, betont die stoische
Präsenz des Juden. Als skulpturales Spiegelbild seiner Haltung und seines Gesichtsausdruckes erscheint das Relief eines geflügelten Genius, das sich auf der
Frontseite des vom linken Bildrand überschnittenen Sockels direkt am Wasser
befindet.
Ein paar Stufen höher sitzt eine blonde Jüdin, die, sich kraftlos nach links wendend, an der Mauer Halt sucht, um ihren Kopf auf den Sims zu stützen. Lange
Haare verbergen ihr Gesicht und fallen über ihre nackten Schultern und Brüste.
Das weiße Gewand ist bis zur Taille heruntergerutscht. Das lindgrüne Tuch um
ihre Hüften fließt über die Stufen. Fortgesetzt wird die Personenfolge von einer
dunkelhaarigen Frau, die auf einem buntgemusterteten Fransenteppich auf der
untersten Stufe der Treppe im Halbprofil nach links gekehrt lagert. Eine Ecke des
Teppichs hängt ins Wasser, so dass man das bunte Farbspiel des Spiegelbildes
auf der Oberfläche beobachten kann. Während sich die Frau mit dem linken Arm
aufstützt, wendet sie ihren Kopf leicht über die Schulter und blickt traurig nach
rechts aus dem Bild. Dunkle, lockige Haare fallen über ihr weißes Kleid. Um den
Unterkörper trägt sie ein beigegestreiftes Übergewand. Links neben ihr liegt ihr
Instrument.
Rechts hinter der Frau sitzen zwei weitere Jüdinnen in Profilansicht nach links
gewendet auf den Stufen. Zuunterst sieht man eine in ein dunkelgrünes Gewand
129
VI. KATALOG DER WERKE
THOMAS BOWMAN GARVIE
gehüllte Frau, die, seitlich verlagert sitzend, ihr rechtes Bein unter das linke geschoben hat. Das weiße Unterkleid lässt die Füße frei. Ihren Kopf, um den sie ein
weißes Tuch geschlungen hat, hat sie nach rechts geneigt, so dass nur Kinn– und
Halspartie zu sehen sind. Zwei Stufen weiter oben sitzt aufrecht ihre Leidensgenossin in strenger Profilansicht. Ihr rotes Oberkleid bildet einen Komplementärkontrast zum Grün des Kleides der zwei Stufen tiefer sitzenden Jüdin. Mit der linken
Hand hält sie ein Saiteninstrument vor ihren angewinkelten Beinen, während sie
mit der rechten an den Saiten zupft. Dunkle lockige Haare rahmen ihr Gesicht.
Vom rechten Bildrand überschnitten steht eine Jüdin auf der obersten Stufe
frontal zum Betrachter und blickt mit geneigtem Haupt auf die zu ihren Füßen sitzenden Frauen. Sie trägt ein blaues Kleid; ein Umhang derselben Farbe verhüllt
ihre Haare und fällt über Schultern und Rücken fast bis auf den Boden herab. Ihre
Hände sind vor dem Bauch gefaltet. Mit ihrer Haltung schließt sie genau wie ihr
männliches Pendant auf der linken Seite das Geschehen im Vordergrund ab; der
König wird nicht mit einbezogen. Dennoch schwingt ein Personenbogen, links mit
dem stehenden Jüngling beginnend, über die sitzenden Frauen zu der rechts im
Halbschatten stehenden Jüdin am Treppenabsatz. Von dort wird der Blick zurückgelenkt auf das figurenreiche Relief an der Mauerwand bis zu der schemenhaften
Gestalt des Königs.
Literatur
Wood 1989², S. 170.
130
VI. KATALOG DER WERKE
ARTHUR HACKER
31. ARTHUR HACKER (1858–1919)
A. By the Waters of Babylon, 1888
Bild K82
Öl auf Leinwand
104 x 66 cm
Signatur: unteres Drittel rechts Arthur Hacker
1888
Provenienz: Collection of James Hudson,
Esq., 1911 Geschenk von Robert T. Heape 188
Manchester, Rochdale Art Gallery
Arthur Hacker, 1858 geboren, hat in London gelebt und gewirkt. Er studierte ab 1878 an
der Royal Academy und von 1880–81 in Paris im Atelier des Orientalisten Léon Bonnat
(1833–1922). Von London aus, wo er an der Royal Academy mit Genreszenen schon
erfolgreich war, unternahm Hacker Mitte der 80er Jahre Studienreisen in den Orient.
Danach wandte sich der Künstler der klassischen und biblischen Historienmalerei zu. 189
Ein weiterer maßgebender Einfluss war die Freilichtmalerei, mit der er durch den Maler
Stanhope Alexander Forbes (1857–1947) in Berührung kam. 190
Das Gemälde „By the Waters of Babylon“, das 1888 entstand und in demselben Jahr in
der Grosvenor Gallery zu sehen war 191 , ist eine Synthese zwischen Impressionismus und
der französischen Akademiemalerei.
Im Zentrum des nahfokussierten, hochformatigen Bildes thront eine Frauengestalt
erhöht auf einer zweistufigen Uferbefestigung, die von hohen, bis zum oberen
Bildrand reichenden Schilfgräsern umwachsen ist. Ein Eisenring links im Steinsockel verrät, dass es sich um eine Bootsanlegestelle handelt. Eine Treppe, auf der
abgebrochenes Schilf liegt, führt vom Wasser nach rechts aus dem Bild. Im Hintergrund links sieht man durch das Gestrüpp die Silhouette eines Stadttores und
die emporragenden Gebäude Babylons. Diffuses Licht lässt die Gebäude und die
Blüten der Schilfgräser mit dem Himmel verschmelzen.
188
189
190
191
1911 kam das Gemälde durch ein Geschenk zur Rochdale Art Gallery. Der Stifter war Robert
Taylor Heape, ein Textilfabrikant, der viktorianische Kunst sammelte. Ob dieser auch der Auftraggeber des Bildes war, kann leider nicht bestätigt werden. Die “Rochdale Times” vom 6. Mai
1911, S. 6 berichtet in dem Artikel “New Art Gifts, Another Valuable Present by Mr. R. T. Heape,
a Pleasing Substitution”: „This is the largest of the present gifts, and will probably come to be
regarded as one of the finest in the permanent collection. (…) Hacker’s was a very large and
very beautiful painting.”
Vgl. Pratt 1897; Plarr, Victor G. (Hg.): Men and Women of the Time: a Dictionary of Contemporaries, London 1899; ThB 1922, Bd. 15.
Hacker lernte Forbes in Paris bei Bonnat kennen. Das spätere Haupt der vom Impressionismus
beeinflussten Newlyn School gehörte neben Whistler, Sicker und Steer zu den Mitgründern des
New English Art Club, der als Opposition zur konservativen Royal Academy 1886 ins Leben gerufen wurde. Vgl. Fox, Caroline: Stanhope Forbes and the Newlyn School, Newton Abbot,
Devon 1993, S. 13.
Vgl. Blackburn 1888, Nr. 93. Wiederabgedruckt bei Newall 1995, S. 80
131
VI. KATALOG DER WERKE
ARTHUR HACKER
Mit gesenktem Kopf blickt die Frau dem Betrachter direkt in die Augen und bezieht ihn somit in das Bildgeschehen mit ein. Der schwarz–blaue, durchsichtige
Umhang, in den die Frau gehüllt ist, sticht aus der pastellfarbenen Umgebung des
schilfbewachsenen Ufers heraus und intensiviert ihren traurigen Blick. Aufrecht,
mit geschlossenen Beinen und aufgestellten Zehenspitzen sitzt sie auf dem steinernen Wall. Die Hände sind unter dem Kinn aufeinander gelegt. Der rechte Unterarm schaut aus dem an der Seite aufklaffendem Umhang hervor und bildet zu
dem anderen, unter dem blauen Gewebe durchscheinenden Arm einen reizvollen
Farbkontrast. Durch das über den Kopf gezogene Gewand wirkt das Gesicht wie
gerahmt, so dass die großen Augen zur Geltung kommen. Auf einer weißen Draperie neben der jungen Frau liegt ein umgefallener Krug.
Am Sockel rechts zu ihren Füßen lehnt ein kleines Mädchen, das mit einer Laute in der linken Hand eingeschlafen ist. Die andere Hand ruht auf dem Bauch. Der
Kopf ist zur Seite gelehnt. Ein orangefarbenes Stirnband mit einer Schleife ziert
die dunklen Haare, von denen eine Strähne ins Gesicht gefallen ist. Die Brust des
Mädchens ist nackt; ein zartgrünes, gemustertes Tuch ist mehrfach um die Hüften
geschlungen.
Links sieht man zwei weitere Frauen traurig im Schilf sitzen. Mit ihren Kopftüchern setzen sie die einzigen buntfarbigen Akzente im Gemälde. Die Vordere lagert ins Profil nach links gewandt und starrt niedergeschlagen zu Boden. Ein blaues, aufwendig geknotetes Tuch schmückt ihren Kopf. Ihre Kleidung schimmert
bläulich durch die Gräser. Ihre Gefährtin, von der nur der Oberköper aus dem
Schilf ragt, sitzt mit gesenktem Haupt frontal zum Betrachter. Eine rote Schärpe
durchzieht ihren Kopfputz. Eine Gestalt in schwarzem Umhang, in Rückansicht zu
sehen, entfernt sich von den beiden Frauen und hat den Weg in Richtung Stadttor
eingeschlagen.
Literatur
Blackburn 1888, Nr. 93, (Wiederabdruck Newall 1995, S. 80). · Pratt 1897. · Plarr
1899. · Sparrow 1907, S. 21. · Catalogue of the Tenth Spring Exhibition of Modern
Pictures 1913, S. 23.
132
VI. KATALOG DER WERKE
HERBERT SCHMALZ
3 2 . H E R B E R T G U S TAV C A R M I C H A E L S C H M A L Z ( 1 8 5 6 –
1935)
A. The Daughters of Judah in Babylon, 1918 192
Bild K83
Öl auf Leinwand
157,5 x 81 cm
Signatur: unten links Herbert Carmichael
Provenienz: Kunsthandel Royal Academy,
1991 versteigert bei Sotheby’s für 23.100 BP
Privatbesitz
Herbert Gustav Schmalz wurde 1856 in England als Sohn eines Deutschen geboren. Nach
dem Ersten Weltkrieg 1918 änderte er seinen Namen in Carmichael, den Mädchennamen
seiner Mutter. Schmalz’ künstlerische Ausbildung war konventioneller Art: Er studierte an
der Kensington Art School und der Royal Academy und danach in Antwerpen. 193 Auf
Anraten seines Freundes Frederick Lord Leighton unternahm der Künstler 1890 Reisen
nach Palästina und Jerusalem, auf denen er Material für biblische Szenen sammelte. 194
Kurz davor heiratete Schmalz Edith Pullen, die Schwester von Dorothy Dene (1861–1899),
eines von Leightons Lieblingsmodellen. 195 Nach seiner Rückkehr entstanden viele Bilder
mit biblischen Sujets. „The Daughters of Judah in Babylon“ wurde 1892 in der Royal
Academy ausgestellt. 196 Schmalz verband den Stil der Prä–Raphaeliten mit archäologischem Detailreichtum, den er von Lawrence Alma–Tadema kannte. 197 1918 überarbeitete
der Künstler das Gemälde und nahm einige Änderungen vor, u. a. auch die Signaturänderung von Schmalz in Carmichael . 198
In einem steilen Hochformat zeigt Schmalz die Begegnung junger, schöner Jüdinnen mit dem babylonischen König Nebukadnezar. Das Bild ist horizontal geteilt: In
der unteren Hälfte sind am schattigen, üppig grünen, mit Irisblumen bewachsenen
Ufer eines der zahlreichen Kanäle, die Babylon durchfließen, trauernde Frauen am
Fuß einer Treppe versammelt. Dunkle, satte Farben herrschen vor. Im oberen Teil
steht auf dem sonnenbestrahlten Treppenabsatz unter einem Baldachin der König
in Begleitung des Hohepriesters und des Hofstaats. In den kühleren Abendstunden ist er von seinem Palast heruntergekommen, um die Lieder der gefangenen
192
193
194
195
196
197
198
Hierbei handelt es sich um die überarbeitete Fassung. Die ursprüngliche Fassung entstand
1892 und wurde im selben Jahr in der Royal Academy gezeigt. Sie liegt hier in schwarz–weiß
vor und wird unter 32B beschrieben.
Vgl. Pratt 1897; Frank, Kristiane: Art. zu „Carmichael“, in: AKL 1997, Bd. 16. Phillipa Tutt forscht
über Leben und Werk des Künstlers.
Vgl. Schmalz, Herbert: A Painter’s Pilgrimage, in: The Art Journal 1893, S. 97–102 und
337-342.
Vgl. Blakemore, Trevor: The Art of Herbert Schmalz, London 1911, S. 53f.
Vgl. Graves 1905/1906, S. 49, Nr. 983.
Vgl. Blakemore 1911, S. 51.
Vgl. Sotheby’s Sales Catalogue Nineteenth Century European Paintings, Drawings and Watercolours, Juni 1991, London 1991, Nr. 238.
133
VI. KATALOG DER WERKE
HERBERT SCHMALZ
Jüdinnen zu hören. Im Hintergrund erhebt sich vor der Silhouette eines Gebirgspanoramas mit untergehender Sonne ein Stufentempel. Das letzte Sonnenlicht hat
alles in Pastelltöne getaucht. Rechts steht die monumentale Architektur eines von
zwei Löwenskulpturen bewachten Baaltempels, zu dem eine dreiläufige Treppe
mit gezargter Brüstung führt. Das Relief des Adlers ist an der Blendwand der
Treppe zu sehen.
Die Jüdinnen, die zum größten Teil das prunkvolle Erscheinen des Königs nicht
wahrnehmen, sitzen in Trauer versunken mit ihren Saiteninstrumenten unterhalb
der Treppe auf der Wiese. Am auffälligsten ist die Jüdin, die inmitten der Frauen
frontal zum Betrachter kniet und versonnen auf das Wasser blickt. Sie hat die
Hände in den Schoß gelegt. Vermutlich gehört ihr die hölzerne, mit Schnitzwerk
verzierte Leier, die halb im seichten Wasser liegt. Dunkle Locken rahmen ein
schönes Gesicht. Sie trägt ein dunkelblaues Gewand mit einem Silbergürtel. Am
Ausschnitt und an den Ärmeln ist es mit einer Borte aus roten Punkten eingefasst.
Die Frau rechts daneben hat sich nach rechts umgewandt und ist im Begriff – erschreckt von der beeindruckenden Präsenz des Königs – aufzuspringen. Dabei
stützt sie sich mit der einen Hand auf ihrem Knie auf, während sie mit der anderen
ein auf dem Boden aufgestelltes Instrument hält. Vor ihr, direkt am Wasser, wo ein
Busch pinkfarbener Wasserlilien wächst, lagert eine Frau im hellgrünen Gewand.
Ins Profil nach links gekehrt, stützt sie sich – die Hände gefaltet – auf die Harfe
und hat ihren Kopf auf den hölzernen Fuß des Instruments gelegt. Dunkle Haare
fallen ihr ins Gesicht. Antithetisch zu ihr kauert etwas weiter hinten eine Frau mit
brünetten Haaren und blauem Gewand.
Von diesen Frauen geht der Blick des Betrachters nun zu der in der zweiten
Bildebene am Rande der Wiese seitlich verlagert knienden Frau ganz links. Das
Lila der Iris und das Rosa der Wasserlilie wieder aufgreifend, leuchtet ihr Gewand
auf dem grünen Untergrund. Ihr Kopf ist nach links gewandt. Ihr Blick zielt aus
dem Bild. In ihrer rechten Armbeuge lehnt eine Harfe, ihre Finger sind in den Saiten verfangen. Schräg hinter ihr sitzt eine Jüdin in grünem Gewand. Sich mit dem
Ellenbogen auf das Knie stützend, träumt sie von der fernen Heimat. Achtlos liegt
ihre Harfe auf den Stufen neben ihr.
Nun schweift der Blick des Betrachters die mit Figuren– und Ornamentfriesen
geschmückte Treppe hinauf bis zur majestätischen Gestalt des Königs. Über einer
weißen Robe trägt er eine goldene, mit Quasten besetzte Toga. Sein Haupt mit
134
VI. KATALOG DER WERKE
HERBERT SCHMALZ
den schwarzen Haaren schmückt eine Tiara. Frontal zum Betrachter stehend, beobachtet er die jüdischen Frauen unten am Fluss. Seine rechte Hand hat er in die
Hüfte gestemmt, seine Linke hält den Knauf seines Schwertes. Der Hohepriester
steht in weißem Ornat – einen Stab mit geschwungenem Adlerflügel in der Hand
haltend – neben ihm. Diener halten einen großen, mit Ornamenten verzierten Baldachin über die beiden höchsten Personen des Landes. Eine Frau mit grünem
Gewand trägt einen Wedel aus Pfauenfedern. Mit ihrem grünen Kleid setzt sie unter der weiß–golden gehaltenen Palette der Königsgesellschaft einen farblichen
Akzent. Die prunkvolle Kutsche, gezogen von Schimmeln mit rotem Kopfputz aus
Straußenfedern, steht hinter der Gesellschaft. Ein Wagenlenker steht noch in der
Kutsche, um die Pferde zu zügeln. Babylonische Soldaten in Reih und Glied säumen die Treppe des Baaltempels. Das Podest, auf dem der König steht, wird zu
beiden Seiten von Postamenten flankiert. Darauf befinden sich riesige Bronzeskulpturen in Form von zusammengerollten Schlangen mit aufgestellten Köpfen.
Zwei geharnischte Wächter mit Spitzhut, Speer und Rundschild stehen bewegungslos davor. Der König scheint im Begriff zu sein, an den rechts im Bild demutsvoll vor ihm knienden Personen vorbei die Treppe herabzuschreiten.
·
B. The Daughters of Judah in Babylon, 1892
Bild K84
Öl auf Leinwand
157,5 x 81 cm
Signatur: unten links Herbert Schmalz 1892
Die Fassung von 1892, die in der Royal Academy zu sehen war, teilt die Komposition noch nicht in zwei Schauplätze: Im Gegenteil, die Figuren bilden einen perspektivischen Halbkreis, der in der unteren Hälfte mit den Jüdinnen beginnt und
sich links über die auf den Treppenstufen befindlichen Personen bis zum König
und seinem Gefolge hinaufzieht. Rechts – unter den Trauernden am Flussufer –
fehlt die nach rechts ins Profil gewandte, kauernde Jüdin mit dem blauen Gewand,
die die nach links führende Bewegungsachse abschwächt. Ebenso fehlt der später
eingefügte Absatz in der Treppe, der den Abstand von der königlichen Gesellschaft zu den Frauen vergrößert. Um diesen zu unterstützen, entfernte der Maler
die am linken Bildrand stehende Gestalt einer Mutter, die ihren Sohn schützend in
den Armen hält, und tauschte sie gegen die einzelne, sitzende Frau aus; in der
135
VI. KATALOG DER WERKE
HERBERT SCHMALZ
frühen Fassung sitzt neben der erwähnten Mutter eine weitere Frau direkt zu Füßen des Wachtpostens und stützt verzweifelt ihren Kopf in beide Hände. Die Jüdin
mit dem lilafarbenen Kleid ist hier noch eine voluminöse Erscheinung: Der Künstler hat später ihren Umhang entfernt, den sie mit der linken Hand unter dem Kinn
zusammenzieht. Unter der Dienerschaft des Königs fehlt die Frau mit dem Wedel.
Die Unterschiede der ersten Fassung zu der von 1918 zeigen, dass Schmalz den
Abstand zwischen Herrschern und Gefangenen auch räumlich im Bild aufzeigen
wollte.
Literatur
Royal Academy Pictures 1892, Abb. S. 139. · Graves 1905/1906. · Sparrow 1907,
S.13, Abb. S. 22. · Blakemore 1911, S. 96f., Abb. S. 197. · Sotheby’s Sales Catalogue 1991, Nr. 238 mit Abb. · Wood² 1989, S. 417. · Clarke 1998, S. 24 Abb.
136
VI. KATALOG DER WERKE
LESSER URY
33. LESSER URY (1861–1931)
A. Jerusalem, 1896
Bild K85
Öl auf Leinwand
170 x 283 cm
Signatur: Links unten L. Ury
Provenienz: 1903 Geschenk des Herrn Kommerzienrats Henneberg an das Kaiser–
Friedrich–Museum, Görlitz, bis 1945, galt
danach als Kriegsverlust, 2001 im Berliner
Kunsthandel wieder aufgetaucht. 199
Klärung der Eigentumsfrage
Lesser Ury, der 1861 in Birnbaum bei Posen in ärmlichen Verhältnissen geboren wurde,
gehört zu den Wegbereitern des deutschen Impressionismus. 200 Ury begann zunächst an
der Düsseldorfer Kunstakademie zu studieren, ging aber schon nach einem Jahr nach
Brüssel zu dem Maler Jean François Portaels (1818–1895). 1881 zog er nach Paris, um in
Jules–Joseph Lefèbvres (1836–1912) Atelier zu studieren. In dieser Zeit wandte er sich
verstärkt biblischen Themen zu, und es entstanden u. a. zwei Skizzen zu dem 1896
ausgeführten Gemälde „Jerusalem“. 201 Der jüdische Schriftsteller und Religionsphilosoph
Martin Buber (1878–1965) beschrieb diese zwei verschollenen Skizzen, die die Genese
des Werkes nachvollziehen lassen. „Auf der ersten ist links der zerstörte Tempel zu
sehen; auf einer großen Freitreppe, vor der Leichen der Verteidiger, zerbrochene
Opfergeräte und zerrissene Priestergewänder durcheinander liegen, sitzen jüdische
Frauen und Kinder in bleichem, stummem Gram; rechts die Trümmer der Stadt,
erschlagene Krieger zwischen den Steinen ihrer Häuser, und, im Hintergrunde eine
Gruppe von Frauen und Kindern mit Säcken auf dem Rücken, in die unbekannte Ferne
hinauswandernd.“ (…) Die zweite Skizze verdichtet die Szenerie des ersten Entwurfs.
„Wieder im Vordergrund eine Treppe, auf der ein Toter liegt; ganz hinten eine zertrümmerte Säulenhalle mit großen regungslosen Greisen, die dem Tode ins dunkle Wunderauge
zu schauen scheinen; in der Mitte aber, zwischen Leichen, eine kahle, lange Bank, darauf
einige Frauen: die einen niedergebeugt, die anderen ins Weite starrend.“ 202
Wiederum als Resumée dieser Skizze konzentrierte sich Ury in „Jerusalem“ auf das
Motiv der Bank, die dem Gemälde formal und inhaltlich die Struktur verleiht. „Jerusalem“
ist das erste der Öffentlichkeit präsentierte Werk mit religiöser Thematik in einer Zeit, in
der sich der jüdische Künstler mit dem Schicksal des jüdischen Volkes in symbolistischen
Monumentalwerken auseinandergesetzt hat. 203 Kurz nach seiner Fertigstellung wurde das
199
200
201
202
203
Vgl. Winters, Peter Jochen: Auch der Maler soll das Menschentum erhöhen. Lesser Ury als
Dichter der Bibel: Berliner Streit um ein lang verschollenes Monumentalbild, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. Juni 2002, Nr. 145, S. 56.
Vgl. Wrede, Richard, Reinfels, Hans von (Hg.): Das geistige Berlin, eine Encyklopädie des geistigen Lebens Berlin, Berlin 1897. Ury gehörte zur Berliner Sezession, die sich gegen das konventionelle Kunstverständnis Wilhelms II. stellte und 1898 gegründet wurde. Die Sezession galt
als Avantgarde, die sich am französischen Impressionismus orientierte. Bilder aus der Alltagswelt mit Hinwendung zu rein visuellen Phänomenen und der Abkehr von geometrischen Idealfigurationen. Siehe dazu Paret, Peter: Berliner Sezession, Berlin 1981, o. S.
Vgl. Buber, Martin: Lesser Ury, in: Ost und West, 1901, Jg. 1, Heft 2, Sp. 115. Vgl. außerdem
Buber, Martin (Hg.): Jüdische Künstler, Berlin 1903, S. 50.
Buber 1903, S. 51.
Vgl. Servaes, Franz: Moderne Monumentalmalerei, in: Neue Deutsche Rundschau (Freie Bühne), 7. Jg. Berlin 1896, S. 19f.
137
VI. KATALOG DER WERKE
LESSER URY
Gemälde „Jerusalem“ in der Galerie Gurlitt ausgestellt, wo es große Beachtung und auch
sogleich einen Käufer in dem aus Görlitz stammenden Seidenfabrikanten und Kunstsammler Gustav Henneberg (1847–1918) fand. 204
Wie der ursprüngliche Titel „Jerusalem“ andeutet, handelt es sich um eine symbolistische Darstellung des vertriebenen jüdischen Volkes. 205 Das querformatige
Gemälde zeigt in starkem Gegenlicht eine Gruppe von neun Frauen und Männern,
die vor zwei Bäumen an einem Gewässer auf einer parallel zum Bildgrund stehenden Bank sitzen und trauern. Ury hat mit diesem Gemälde ein zeitloses Werk
geschaffen: Juden in antiker und zeitgenössischer Gewandung sitzen stumm nebeneinander, nicht miteinander auf einer lang gestreckten Bank, die das Gemälde
waagerecht teilt und deren Anfang und Ende nicht sichtbar sind. Die friesartige
Figurenanordnung, die von der Horizontalität einer nicht näher bestimmten Landschaft hervorgehoben wird, ist durch eine achsialsymmetrische Struktur bestimmt:
Diesseits der Bank befinden sich drei Personen. In der Mittelachse sitzt eine alte
Frau flankiert von zwei Greisen, die am rechten und linken Bildrand sitzen. Dazwischen sieht man weitere Personen, die auf der anderen Seite der Bank sitzen und
dem Betrachter den Rücken zukehren.
Die alte Jüdin kauert nach rechts ins Profil gerückt barfuß mit übereinander geschlagen Beinen und stützt ihren Kopf ab. Über einem langen Gewand trägt sie
einen Überwurf, der auch ihre Haare bedeckt. Die Wangen ihres faltigen Gesichts
sind eingefallen. Dumpf zielt ihr Blick zu Boden. Am rechten Bildrand sitzt ihr zugewandt ein barhäuptiger Greis auf einem Hocker. Er betet, die Ellenbogen auf die
Beine gestützt und die Hände vor dem Gesicht gefaltet; der Mund ist schmal und
die Unterlippe nach vorne geschoben. Ein weißer Backenbart ziert sein Gesicht.
Der Anzug, den der Alte trägt, und die Schuhe scheinen ihm viel zu groß zu sein.
Unförmig hängt die Kleidung an seinem Körper. Sein Pendant ist der bärtig Alte,
der am linken Bildrand frontal zum Betrachter auf dem Boden sitzt. Auch er trägt
Hose und Jacke, ist aber barfuß. Seine Körperhaltung ist angespannt: Mit hochgezogenen Schultern und sich mit den Händen an den Knien seiner angewinkelten
204
205
Vgl. Bertz, Inka: Mitarbeit an der Erhöhung des Menschentums, Lesser Urys Monumentalgemälde und ihre Rezeption, in: Schütz, Chana C. (Hg.): Lesser Ury, Bilder der Bibel, Der Malerradierer, Berlin 2002, S. 45.
Vermutlich zur Unterscheidung des ebenfalls von Henneberg dem Museum geschenkten Jerusalem–Panoramas von Bruno Piglheim (1848–1894), bürgerte sich für das Bild von Ury der Titel
„Trauernde Juden oder An den Wassern zu Babylon“ ein. Von diesem Gemälde existiert eine
Fassung, die in Urys Besitz verblieben ist und anstelle des Gemäldes als Reproduktionsvorlage
für Publikationen diente. Der Verbleib ist unbekannt. Vgl. Schütz 2002, S. 85.
138
VI. KATALOG DER WERKE
LESSER URY
Beine festklammernd, starrt der Mann am Betrachter vorbei aus dem Bild. Sein
Blick ist leer. Eingefallene Wangen und ein faltiges Gesicht zeugen von einem Leben voller Entbehrungen. Für Ury war die ausdrucksstarke Darstellung der Gesichter der beiden vom Leben gezeichneten, alten Männer entscheidend. In Porträtstudien (KATALOG 33C–H, BILD K87–93) arbeitete er die Physiognomie der beiden
Greise heraus, die mit ihren Charakterköpfen das Gemälde dominieren.
Links am Boden, zu einem großen Teil vom Bildrand überschnitten, sitzt ein
Jüngling in Profilansicht, der von der ersten Raumebene zu den jenseits der Bank
befindlichen Personen überleitet. Seinen Kopf mit den Händen haltend, ist er in
Gedanken versunken. Ihm in einer Vierteldrehung nach links zugewandt sitzt ein
Mann auf der Bank, der das Gesicht mit der Hand bedeckt. Über einem Hemd
trägt er eine Weste. Schulterlange Haare fallen bis in den Nacken. Daneben trauert eine junge barfüßige Frau. Den Oberkörper nach rechts gebeugt und das gesenkte Haupt ins Profil gekehrt, wischt sie sich die Augen mit dem Saum ihres
Kleides. Ihre langen Haare wirken strähnig und ungekämmt. Ihre verzweifelte Lage lässt es nicht zu, dass sie sich um ihr Äußeres kümmert.
In einer Lücke zwischen den Trauernden auf der Bank erblickt der Betrachter
den Kopf eines Knaben, der etwas abseits sitzt. Er betet mit zum Himmel gerichteten Augen, die Hände vor dem Gesicht gefaltet. Rechts vor ihm auf der Bank sitzt
eine verhüllte Frauengestalt in strenger Rückansicht. Ihre linke Hand deutet nach
links. Der bartlose Mann neben ihr schließt mit seiner nach links ins Halbprofil gerückten Haltung das Gemälde im zweiten Bildgrund ab. Im Gegensatz zu den
gramgebeugten Personen, die die Stimmung des Bildes bestimmen, hat er stolz
den Kopf erhoben. Sein bartloses Profil ist markant. Hoffnungsvoll blickt er in die
lichte Ferne. 206
Literatur
Servaes 1896, S. 281–286. · Wrede, Reinfels 1898. · Buber 1901, Heft 2, S. 155ff.
· Ders. 1903, S. 46, 50ff., Abb. S. 56. · Feyerabend 1910, S. 13, Nr. 16. · Ders.
1912, S. 21. · Donath 1921, S. 10, 37ff., Abb. 49 S. 101. · Wininger 1930. · Lesser
206
Der Kritiker und Philosoph Alfred Kerr (1867–1948) schrieb in seiner Kolumne für die Breslauer
Zeitung am 23. Februar 1896, dass ihm „ein Kopf von dieser bemalten Leinwand im Gedächtnis
haften geblieben“ ist. „Ich kann ihn nicht vergessen, und in gewissen Stunden, wenn er heraufsteigt, scharf umrissen und ernst, führt er eine seelische Erschütterung herbei. Er gehört einem
Manne unbestimmten Alters. Dieser Mann steht seitwärts und blickt ins Licht, in das ferne Licht
jenseits des Wassers. Neben ihm eine Schar von Genossen: beschmutzte, elende Juden.“. zitiert bei Schütz 2002, S. 13. Kerr hatte das Bild wohl nicht mehr ganz richtig in Erinnerung. Der
Mann ist mittleren Alters und steht nicht, sondern sitzt.
139
VI. KATALOG DER WERKE
LESSER URY
Ury, Memorial 1961, o.S. · Lesser Ury 1961, o.S. · Seyppel 1987, S. 107f., 202. ·
Bertz 1995, S. 66f Abb. · Schlögl, Schwarz 1995, S. 29f., 82f. · Schlögl, Katzenstein 2000, S. 22. · Schütz 2002, S. 12ff. Abb., 27, 30ff. Abb., 45f., 84ff., 114. ·
Winters 2002, Nr. 145, S. 56.
·
Entwürfe
B. Studie der Mittelgruppe, 1896
Bild K86
Kohlezeichnung
81,3 x 74,9 cm
Signatur: rechts unten L.Ury
Provenienz: 1990 Ankauf des Jüdischen Museums New York
New York, Jewish Museum
Bei der Studie handelt es sich um den mittigen Ausschnitt des Gemäldes, der die
ins Profil nach rechts gekehrte, auf der Bank kauernde Frau, gerahmt von zwei
Rückenfiguren zeigt. Beinahe identisch erscheint die Kohlezeichnung zum Ausschnitt, bis auf ein entscheidendes Detail: Die Augen der alten Frau im Zentrum
sind geschlossen, wodurch der Ausdruck des dumpfen Brütens abgemildert wird.
Literatur
Schütz 2002, Abb. S. 45, Abb. S. 114.
·
C. Kopf des bärtigen Mannes, um 1896
Bild K87
Kohlezeichnung
44,5 x 33,5 cm
Signatur: unten rechts L. Ury
Provenienz: Galerie Paffrath 1961
Privatbesitz Süddeutschland
Die Studie zeigt ein Porträt des bärtigen Mannes, der im Gemälde links auf dem
Boden kauert. Vermutlich hat Ury mit einem lebenden Modell gearbeitet, da individuell markante Gesichtszüge das Porträt eines verbitterten alten Mannes schaffen, der beinahe anklagend blickt. Wirre Haare und ein buschiger Bart unterstreichen die mürrische Ausstrahlung des Mannes. Im Gemälde scheint Ury die Züge
140
VI. KATALOG DER WERKE
LESSER URY
stereotypisiert und vereinfacht zu haben, denn zwischen dem Porträt der Studie
und dem alten bärtigen Mann im Gemälde herrscht keine Ähnlichkeit mehr. Zudem
fokussiert letzterer in der finalen Fassung nun nicht mehr den Betrachter, sondern
blickt ängstlich nach links aus dem Bild heraus.
Literatur
Lesser Ury 1961, Nr. 55. · Seyppel 1987, S. 202, Nr. 144. · Schütz 2002, Abb. S.
44, S. 114.
·
D. Kopf des bärtigen Mannes, 1896
Bild K88
Kohlezeichnung auf Papier, 44,5 x 33,5 cm
Signatur und Bezeichnung: unten links Studie
zu Jerusalem 1896 S. l. Lilien L. Ury
Provenienz: –
Privatbesitz
Diese Kopfstudie des bärtigen Mannes ist näher fokussiert als 30C und im Ausdruck intensiviert. „Der Studienkopf (…) erinnert fatal an den verbitterten Abraham
Lincoln, Märtyrer auf dem Präsidentenstuhl.“ 207
Literatur
Buber 1903, S. 53 Abb. · Seyppel 1987, S. 108, 202, Nr. 137. · Schlögl, Schwarz
1995, S. 201, 173 Abb. 84.
·
E. Kopf des alten Mannes im Profil, 1896
Bild K89
Kohlezeichnung
20 x 33 cm
Signatur: unten rechts L. Ury
Provenienz:–
Privatbesitz
Die Studie arbeitet im Wesentlichen die Gesichtszüge des am rechten Bildrand
sitzenden barhäuptigen Greises mit Backenbart heraus. Ähnlich wie bei der Kopf-
207
Seyppel 1987, S. 108.
141
VI. KATALOG DER WERKE
LESSER URY
studie des bärtigen Mannes minimiert Ury das Porträthafte zugunsten einer Abstraktion der markantesten Gesichtsmerkmale.
Literatur
Lesser Ury 1961, Nr. 52 Abb.
·
F. Kopf des alten Mannes im Profil, 1896
Bild K90
Kohlezeichnung
20 x 33 cm
Signatur und Bezeichnung: unten links Studie
zu meinem Bilde Jerusalem L. Ury
Provenienz: –
Unbekannt
Diese Studie des alten Mannes in Profilansicht ist nur durch eine Abbildung in der
1903 erschienenen Ausgabe „Jüdische Künstler“ von Martin Buber bekannt. Ury
hat im Gemälde einiges verändert bzw. die Züge des Mannes zugunsten eines
unglücklicheren Ausdrucks verhärtet: Die Zeichnung zeigt den Kopf gebeugt.
Freundlicher blickt er drein, man könnte ein Lächeln in seinen Mundwinkeln vermuten. Im fertigen Bild hat Ury dem Mund diese Milde genommen und die Unterlippe nach vorne geschoben, so dass die Mimik weitaus verbissener und fast fordernd wirkt.
Literatur
Buber 1903, S. 46 Abb. · Seyppel 1987, S. 202, Nr. 142.
·
G. Kopf des alten Mannes im Profil, 1896
Bild K91
Kohlezeichnung
Signatur: –
Provenienz: –
Unbekannt
Im Ausdruck identisch mit dem vorhergehenden Porträt, zeigt diese Zeichnung
noch den Brustansatz, so dass der hochgeschlagene Kragen der Jacke zu sehen
ist.
142
VI. KATALOG DER WERKE
LESSER URY
Literatur
Buber 1901, Heft 2, S. 121.
·
H. Kopf des alten Mannes im Profil, 1896
Bild K92
Kohlezeichnung
Signatur: –
Provenienz: –
Unbekannt
In einem größeren Bildausschnitt studiert Ury Kopf und Oberkörper des Alten in
einem kompositionellen Umfeld. Die zum Gebet gefalteten erhobenen Hände sind
überdimensioniert und erscheinen unförmig. Ury versucht die Symbiose zwischen
Gesichtsausdruck und Gestik zu betonen.
Literatur
Buber 1901, Heft 2, S. 122.
·
I. Kopf des Mannes mittleren Alters, 1896
Bild K93
Kohlezeichnung
Signatur:–
Provenienz: –
Unbekannt
Ury studiert den nach links ins Halbprofil gekehrten Kopf des Mannes mittleren
Alters, des „Hoffnungstrunkenen“ 208 , als direktes Profil. Die überspitzte jüdische
Physiognomie tritt deutlich hervor.
Literatur
Buber 1901, Heft 2, S. 125.
208
Buber 1903, S. 56.
143
VI. KATALOG DER WERKE
JAMES TISSOT
34. JAMES–JOSEPH–JACQUES TISSOT (1836–1902)
A. By the Waters of Babylon, 1896/97
Bild K94
Farbige Gouache aus „La Sainte Bible", 1904
18,1 x 25,8 cm
Unsigniert
Provenienz: 1952 Geschenk der Erben Jacob
H. Schiffs/Fifth Avenue Art Galleries
New York, Jewish Museum
Veranlasst durch eine religiöse Offenbarung in der Kirche S. Sulpice in Paris, widmete sich
der durch gesellschaftliche Szenen an Bord von Schiffen und Darstellungen des
mondänen Lebens im 19. Jahrhundert bekannt gewordene Maler James Tissot in den
letzten 15 Schaffensjahren der Bibelillustration. 209 1836 in Nantes geboren, genoss Tissot
ab 1857 eine konventionelle Ausbildung in Paris bei Louis Lamothe (1822–1869) und
Hippolyte Flandrin (1809–1864). 1871 siedelte er nach London über. Der Tod seiner
Lebensgefährtin Kathleen Newton 1882 veranlasste ihn nach Paris zurückzukehren. 210 Ab
1886 fing er an, das Leben Christi zu illustrieren. Auf der Suche nach exakten historischen
Örtlichkeiten und Details reiste der Künstler nach Palästina. Tissot, der 1896 eine dritte
Palästinareise unternahm, um mehr Material für die Illustration des Alten Testaments zu
sammeln, lag die wirklichkeitsgetreue Wiedergabe von biblischen Schauplätzen und auch
die Darstellung der Einheimischen am Herzen. 211 1896 erschien der erste Band der
Tissot–Bibel. 212 Die anschließend unternommene Illustrierung des Alten Testaments
hinterließ der Künstler unvollendet. 213 Sechs Künstler, die von Tissot selber ausgewählt
waren, vollendeten die Bibelserie nach Skizzen und Fotos, die Tissot auf seiner letzten
Palästinareise gesammelt hatte. 214 1904 publizierte Tissots Freund Maurice de Brunoff
das Alte Testament in zwei Bänden. 215 „By the Waters of Babylon“ gehört zu 20
Psalmenillustrationen von insgesamt 400 geplanten Darstellungen, die sich vor allem auf
die geschichtlichen Bücher der Bibel konzentrieren. 216
Diagonal durchzieht der Fluss Euphrat das kleinformatige Aquarell, in dem ein lockerer Pinselstrich und helle Farben dominieren. Eine Schar ausschließlich männlicher Gestalten bevölkert das fruchtbare, satte, grüne Ufer. Weiden, deren Blatt209
210
211
212
213
214
215
216
Vgl. Wood, Christopher: Tissot. The Life and Work of Jacques Joseph Tissot 1836–1902, London 1986, S. 143f.
Vgl. ThB 1939, Bd. 33.
Vgl. Hughes, John Henry: Tissot’s Contribution to Religious Art, in: Brush and Pencil, an Illustrated Magazine of Art, 1902, Bd. 10, S. 364: “Tissot, who studied for years in the Holy Land,
came still nearer to the possible type, for he painted the Jew of Palestine, while the crowds that
figure in the sacred pictures are not clean persons, glowing in robes of crimson and blue, but
are like low–grade crowds everywhere dirty, unkempt, halfclothed, and low browed.”.
Vgl. Wood 1986, S. 147.
Kurz vor seinem Tod, am 8. August 1902, hatte Tissot etwa die Hälfte der 400 Illustrationen
zum Alten Testament fertig. Vgl. Thomson, Ian: Tissot as a Religious Artist, in: Matyjaszkiewicz,
Krystyna (Hg.): James Tissot, New York 1984, S. 93.
Vgl. ebd.; Wentworth, Michael: James Tissot, Oxford 1984, S. 195.
James Tissot, La Sainte Bible: Ancien Testament, 2 Bde., hrsg. von Brunoff, Maurice de, Paris,
London, New York 1904.
Vgl. Thomson 1984, S. 93.
144
VI. KATALOG DER WERKE
JAMES TISSOT
werk vom oberen Bildrand überschnitten ist, stehen in regelmäßigen Abständen
an der Uferböschung und spenden Schatten. Harfen und Leiern hängen in den
untersten Ästen. Auf der Wasseroberfläche des Flusses spiegeln sich die turmartigen Gebäude Babylons vom jenseitigen Ufer. Zwei kleine Segelschiffe ankern
dort. Die Juden in ihren orientalischen Gewändern und Kopfbedeckungen sitzen
oder liegen in einer Reihe – dem Betrachter den Rücken zukehrend – nah am
Wasser und blicken niedergeschlagen in die Fluten.
Eine einzige Person rechts hat den Kopf umgewandt und blickt in Richtung des
Betrachters, der sich beinahe als Voyeur ertappt fühlen könnte. Noch weiter hinten
ist ein Jude in einem weißen Gewand gerade dabei, seine Harfe in den Baum zu
hängen. Die Diagonale des Flusses wird also vom Bildpersonal aufgegriffen und
unterstützt. Keine zentrale Gruppe hierarchisiert das Geschehen. Vielmehr ist das
Aquarell ein kleinformatiger Ausschnitt, der zu beiden Seiten beliebig erweiterbar
ist.
Literatur
Muffs, Schiff, 1982, S. 60. · Thomsen 1984, S. 93. Abb. 42.
145
VI. KATALOG DER WERKE
GUSTAV EBERLEIN
3 5 . G U S TAV H E I N R I C H E B E R L E I N ( 1 8 4 7 – 1 9 2 6 )
A. Skulpturengruppe: Die gefangenen Juden von Babylon –
„An den Wassern Babylons…“, 1899
Bild K95
Gips
Provenienz: bis 1938 in Hann. Münden, Eberlein Museum
Zerstört 217
Der 1847 geborene Bildhauer, Maler und Dichter Gustav Eberlein gehörte zu den großen
Künstlern der „Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts“ 218 und zu den bedeutendsten Bildhauern des Wilhelminischen Zeitalters. 219 Zunächst als Goldschmied ausgebildet,
besuchte er von 1866–69 die Kunstschule in Nürnberg. Durch ein Stipendium konnte er
sein Studium an der Kunstakademie in Berlin fortsetzen. Dort war er in der Werkstatt von
Gustav Bläser (1813–1874), der dem Klassizismus Rauchs verpflichtet war, beschäftigt.
Maßgeblichen Eindruck aber hinterließen die neubarocken Werke von Reinhold Begas
(1831–1911). Die Reise nach Rom im Jahre 1873 vertiefte die Eindrücke des antikisierenden Genres, das sich in seinem ersten bedeutenden Werk „Der Dornauszieher“ (Berlin,
National–Galerie) von 1880 widerspiegelt. In den 90er Jahren erhielt er eine Reihe
repräsentativer Denkmalaufträge, die ihn zu einem gefragten Bildhauer machten. 220 Von
1895 bis 1900 war sein Oeuvre weitgehend unabhängig von finanziellen Überlegungen:
Ohne Auftraggeber schuf er die Mehrzahl der Werke, die von der Darstellung religiöser
Themen geprägt sind. 221 Die trifigurale Skulpturengruppe „An den Wassern Babels“ –
entstanden 1899 – gehört zu Eberleins „Freien Werken“ . 222 1900 war es auf der Großen
Internationalen Kunstausstellung in Berlin zu sehen. 223
217
218
219
220
221
222
223
1894 richtete Eberlein auf eigene Kosten ein "Eberlein-Museum" in Hann. Münden ein. Von den
ehemals dort vorhandenen über 300 Gipsunikaten, es waren die vom Ton abgenommenen
Erstabgüsse, nach denen die Marmorfassungen bzw. Bronzegüsse entstanden sind, blieben
nur 15 Skulpturen unbeschädigt. Über 120 wurden 1960 in eine Schuttdeponie geworfen und
sind unwiederbringlich verloren. Vgl. Grimm, Rolf: Gustav Heinrich Eberlein, Zum Schicksal seiner Werke, Sonderdruck, in: Spectrum, 1990, Bd. 5, Heft 2, S. 32–34. Allgemein zu Eberlein
und seinen Werken bietet die Gustav–Eberlein–Forschung e.V. Informationen unter www.g–r–i–
m–m.de.
Die Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts umfasst den Zeitraum von etwa 1786 bis
1914, der sich in fünf Phasen unterteilen lässt: 1. Schadow und seine Zeit 2. Christian Daniel
Rauch 3. Die Rauch–Schule 4. Der Neubarock 5. Beginn der Moderne. Vgl. dazu Bloch, Peter:
Die Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts. Ein Überblick, in: Bloch, Peter, Einholz, Sibylle, Simson, Jutta von (Hg.): Ethos und Pathos, Die Berliner Bildhauerschule 1786–1914, Berlin 1990, S. 37.
Vgl. Bloch, Peter; Einholz, Sibylle; Simson, Jutta von (Hg.): Ethos und Pathos. Die Berliner
Bildhauerschule 1786–1914, Berlin 1990, S. 441.
Vgl. Das geistige Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts, Enzyklopädie des deutschen
Geisteslebens in biographischen Skizzen, Leipzig 1898; ThB 1914, Bd. 10; Hünigen, Ute,
Grimm, Rolf: Art. zu „Eberlein“, in: AKL 2002, Bd. 31.
Vgl. Grimm, Rolf: Werkverzeichnis des Bildhauers, Malers und Dichters Prof. Gustav Heinrich
Eberlein, Hemmingen 1983, S. 12.
Darüber entsteht eine Dissertation von Claudia Boedecker.
Vgl. Grosse Berliner Kunst–Ausstellung, Berlin, Stuttgart, Leipzig 1900, S. 92, Nr. 1563. Über
die Hälfte der 24 eingesandten Werke wurde wieder entfernt. Die stilistische Wende zu einem
krassen Realismus wurde weder vom Publikum noch von seinen Kollegen verstanden. Anstoß
hatte eine Skulptur gegeben, die den „Geist Bismarcks“ darstellte. Sie wurde auf Wunsch der
146
VI. KATALOG DER WERKE
GUSTAV EBERLEIN
Die Skulptur ist dreistufig konzipiert: Auf grobbehauenem Stein, der einen Felsen
imaginiert, thront eine junge Frau mit übereinander geschlagenen Beinen. Links
hinter hier steht ein alter ausgemergelter bärtiger Mann, vor ihm eine große Harfe
mit gerissener Saite. Rechts steht ein nacktes Kind in Profilansicht und kehrt dem
Paar – sich die Tränen abwischend – den Rücken: „Es sind Königsmenschen der
altjudischen Zeit“. 224
Die Frau, frontal zum Betrachter sitzend, hat ihren nackten Oberkörper leicht
nach vorne gebeugt und die Arme vor ihren üppigen Brüsten verschränkt. So kann
sie sich auf den Oberschenkel des übergeschlagenen Beines stützen. Den Kopf
hält sie leicht erhoben nach links gewandt, so dass der Betrachter ein Profil mit
klassisch schönen Zügen zu Gesicht bekommt. Strähnen ihres Haares haben sich
von der am Hinterkopf zu einem Knoten hochgesteckten Frisur gelöst und fallen
über ihren Hals und das Dekolleté. Um die Beine hängt ein weites Tuch, das ihr
gleichzeitig als Unterlage für den Stein dient. Das Gewebe fällt lang über den frei
in der Luft hängenden Fuß, von dem nur noch die Zehen hervorschauen, um am
Sockel mit dem Stein des Felsens zu verschmelzen. Zu ihrer sinnlichen Fleischlichkeit kontrastiert der hagere Alte hinter ihr, der tröstend die linke Hand auf ihre
linke Schulter gelegt hat. Es ist der „geblendete, gefesselte Königsgreis Zedekia,
zum Hohn den Herrscherreif um die Stirn gelegt“. 225
Sein nackter Oberkörper zeigt die Spuren des Alters: Sehnige Muskeln treten
unter schlaffer Haut hervor. Auch sein Gesicht ist von Falten gezeichnet. Lange
wirre Haare und ein wallender Bart fallen über seine Brust. Er steht seitlich nach
links versetzt mit dem linken Bein auf einem kleinen Vorsprung und scheint sich
dabei an den Gesteinsbrocken zu lehnen. Vor ihm steht eine große Harfe. Lässig
liegt sein rechter Arm auf dem Instrument, so dass die dicke Eisenkette seiner
Fessel sich um den Rahmen der Harfe windet. Um die Hüften trägt er ein bauschiges Gewand.
Auf der anderen Seite steht der Knabe. Sich abwendend und doch schutzsuchend die Hand auf das Gewand der Frau gelegt, weint er als Einziger über sein
Schicksal. Er steht kontrapostisch da. Lange, lockige Haare umschmiegen den
Kopf.
224
225
Angehörigen Bismarcks aus der Ausstellung genommen. Siehe hierzu Rosenberg, Adolf: Eberlein, Bielefeld, Leipzig 1903, S. 84.
An den Wassern Babels, in: Ost und West, 1901, Jg. 1, Heft 1, Sp. 72.
Ebd.
147
VI. KATALOG DER WERKE
GUSTAV EBERLEIN
In den Figuren, die sich im Halbkreis vom Kind zum Alten emporwinden, spiegeln sich die drei Lebensalter 226 wider.
Literatur
Grosse Berliner Kunst–Ausstellung 1900, S. 92, Nr. 1563. · Ost und West 1901,
Jg. 1, Heft 1, Sp. 72, Abb. Sp. 17/18. · Rosenberg 1903, S. 111, Abb. S. 99. ·
Grimm 1983, Abb. S. 43, Nr. 58, S. 214.
226
Siehe dazu Molsdorf, Wilhelm: Christliche Symbolik der mittelalterlichen Kunst, Leipzig 1926²,
Nr. 1130–45.
148
VI. KATALOG DER WERKE
MAURICE DENIS
36. MAURICE DENIS (1870–1943)
A. A l’automne. La musique adoucit les regrets, les tristesses
ou Super Flumina Babylonis, 1905
Bild K96
Kohle auf Papier
150 x 350 cm
Unsigniert, aber bezeichnet mit Bleistift in Majuskeln mittig unten A l’automne. La musique
adoucit les regrets, les tristesses
Provenienz: Geschenk der Familie Denis
Saint–Germain–en–Laye,
Musée Départemental Maurice Denis
Maurice Denis, der Hauptvertreter der Nabis, wurde 1870 geboren. Ab 1888 studierte er
an der Pariser Académie Julian, wo er die Bekanntschaft von Bernard (1868–1941),
Bonnard (1967–1947) und Sérusier (1863–1927) machte. Mit Vuillard (1868–1940) war er
bereits seit der Schulzeit befreundet. Die Maler von Pont–Aven, vor allem Gauguin (1848–
1903), gewannen Einfluss auf ihn. 1890 gründete Denis mit seinen Freunden die Gruppe
der Nabis. 227 Auf Italienreisen hatte sich Denis von den Malern der Frührenaissance,
besonders Piero della Francesca und Fra Angelico, für seine religiöse Kunst inspirieren
lassen, die in großen Dekorationsszenen für Kirchen kulminierte.
1904 sollte Denis ein Thema aus dem Bereich von Musik und Religion in formaler
Hinsicht als Modell dienen: 228 Der Wiesbadener Theaterintendant Kurt von Mutzenbecher
engagierte Denis zusammen mit Maillol (1861–1944) und van de Velde (1863–1957) für
die Gestaltung des Musikzimmers in seiner Villa. Der praktizierende Katholik Denis war
von dem vorgeschlagenen religiösen Thema begeistert und tauschte sich darüber mit
seinem Freund Jan Verkade (1868–1946) aus, der als Malermönch im Kloster Beuron
lebte. 229 Denis bat Verkade bei den Themen um Rat und empfing entscheidende
Anregungen: In einem Brief vom Dezember 1904 schlug Jan Verkade seinem Freund
Denis vor, sich von Psalm 137 inspirieren zu lassen. 230 Maurice Denis griff das Thema für
seinen ersten Entwurf auf und versah diesen mit der Inschrift unten mittig in Majuskeln „A
l’Automne, la musique adoucit les regrets, les tristesses“ (An den Herbst, die Musik mildert
den Jammer, die Traurigkeit). Als Pendant dazu stellte sich Verkade ein Gefolge von
Jungfrauen im Himmel vor: „étant donné que l’exil des Juifs est le symbole de notre exil
sur cette terre, exil, qui aura sa fin lorsque nous serons au ciel“ 231 Der Entwurf wurde
verworfen, bevor schließlich das Ensemble von fünf aufeinander abgestimmten Gemälden,
„L’éternel été“, entstand. 232
227
228
229
230
231
232
Vgl. Frèches–Thory, Claire, Perucchi–Petri, Ursula (Hg.): Les Nabis, Paris 1990, S. 9–27.
Vgl. Boullion, Jean Paul: Art. zu „Denis“, in: AKL 2000, Bd. 26.
Vgl. Frèches–Thory, Perucchi 1993, S. 298f.
Vgl. Maurice Denis 1870–1943, Ausst., Gent 1994, S. 307.
Ebd.
Vgl. Schäfer, Carina: Theaterintendant mit Faible für Französische Kunst. Die Sammlung von
Kurt von Mutzenbecher in Wiesbaden, in: Pophanken, Andrea, Billeter, Felix (Hg.): Die Moderne
und ihre Sammler, Französische Kunst in deutschem Privatbesitz vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, München 2001, S. 107f. In einem Brief an Madame de La Laurencie äußert sich
Denis erfreut über die Bedeutung seiner Arbeit.
Letztendlich aber war des Künstlers Urteil im Januar 1907 über das soeben fertig eingerichtete
Musikzimmer vernichtend: „Wiesbaden. Ma désillusion: ridicule entourage de mes panneaux“.
Schäfer 2001, S. 105.
149
VI. KATALOG DER WERKE
MAURICE DENIS
In dem lang gezogenen Querformat sind vier Farbtöne kombiniert: grün, blau,
gelb und weiß. Rot fehlt. Frauen in langen Gewändern stehen und sitzen im Halbkreis in einem zum Betrachter geöffneten Hain, durch den sich die Ausläufer eines
Flusses ziehen. Gesichter sind nur angedeutet. Die Bäume nehmen die gesamte
Höhe des Bildes ein. Dazwischen leuchtet der von der untergehenden Sonne gefärbte Himmel gelb auf. Hinten öffnet sich zwischen den Stämmen der Bäume der
Blick auf spiegelnde Wasserflächen und die Silhouette einer von Bäumen bewachsenen Insel.
Der erste Titel des Entwurfes „A l’Automne, la musique adoucit les regrets, les
tristesses“ geht mit dem Inhalt von Psalm 137 nicht konform. Im linken Bildbereich
stehen zwei Frauen Rücken an Rücken und hängen Harfen in die herabhängenden Äste einer Trauerweide. Die Juden wollen keine Lieder für ihre Eroberer singen und hängen deswegen ihre Harfen in die Bäume. Eine der Frauen ist weiß
gekleidet und steht im Halbprofil nach rechts gekehrt. Ihr Pendant, in ein blaues
Gewand gehüllt, kehrt dem Betrachter den Rücken zu. Der figürliche Bogen führt
vom linken Vordergrundbereich in die zweite Bildebene, wo zwei blau gewandete
Frauen im Profil nach rechts gekehrt am Boden kauern. Ihre Ebenbilder spiegeln
sich auf der Oberfläche des kleinen Wasserlaufs. Die Hände vors Gesicht haltend,
geben sie sich ihrer Trauer hin. Daneben stehen drei Frauen in weißen Gewändern frontal zum Betrachter. Zwei von ihnen halten sich an den Händen. Ihre erhobenen Köpfe und die offenen Münder vermitteln den Eindruck, als würden sie
Klagelieder singen: eine theatralische Szenerie.
Nun wandert der Blick über einige im Hindergrund emporragende Platanen zum
rechten Bildrand, wo an einem Baumstamm ein junger Mann lehnt. Gekleidet in
eine kurze weiße Tunika, birgt er sein Gesicht in den Händen. Von links kommt ein
nackter Jüngling mit erhobenen Armen auf ihn zugelaufen. Dahinter sieht man
weitere stehende Personen vage skizziert.
Der Personenhalbkreis endet im rechten Vordergrundbereich. Zwei Frauen sitzen sich gegenüber und klagen. Ihre Positionierung im Bildgefüge verhält sich
diametral zu den beiden stehenden, die Harfen aufhängenden Frauen links. Die
vordere, in blau gekleidete Frau sitzt, in Rückansicht gesehen, seitlich verlagert
auf dem Boden und stützt sich mit ihrem linken Arm ab. Sie wendet ihren Kopf
nach links einem kleinen Jungen zu, der an ihrer Seite steht und sie umarmt. Mit
dem Zeigefinger des rechten Armes weist sie nach oben, wo eine Harfe in den
150
VI. KATALOG DER WERKE
MAURICE DENIS
Zweigen des Baumes zu sehen ist. Ihre Leidensgenossin sitzt schräg gegenüber.
Sie ist mit einem grünen Kleid und einem blauen Kopftuch bekleidet und stützt
ihren Kopf mit der Hand.
Obgleich die Skizze ihren unfertigen Charakter beibehält, ist die Symmetrie der
Komposition offensichtlich. Verhaltene Farbtöne und das fehlende Rot vermitteln
eine kühle und distanzierte Stimmung.
Literatur
Maurice Denis 1870–1943 1994, S. 307f., Abb. Nr. 167. · Bouillon 1993, S. 120. ·
Schäfer 2001, S. 105ff.
151
VI. KATALOG DER WERKE
WILHELM WACHTEL
3 7 . W I L H E L M WA C H T E L ( 1 8 7 5 – 1 9 4 2 )
A. An den Wassern zu Babylon, 1906–10
Bild K97
Öl auf Leinwand
79,5 x 100 cm
Unsigniert
Provenienz: Ankauf vom Künstler in Jerusalem
Kunsthandel
Der polnische Maler, Graphiker und Buchillustrator Wilhelm Wachtel, 1875 in Lemberg
geboren, studierte an der Krakauer Akademie; später in München, Wien und Paris. Sein
Oeuvre ist vorwiegend von jüdischen Themen bestimmt. 233
Die Komposition ist Eduard Bendemanns Gemälde „Die trauernden Juden im Exil“
entlehnt. Über dem halbrunden Bildabschluss stehen die ersten beiden Verse des
137. Psalms in Hebräisch; in den beiden Zwickeln ist je ein Davidstern gemalt.
Die bei Bendemann vorherrschenden ungebrochenen Buntfarben der Gewänder hat Wachtel unter einem grau-grünlichen Grundton vereinheitlicht. In dem hinter der Figurengruppe stehenden Baum hängen drei Musikinstrumente, wie sie
auch auf den Wandmalereien in den Synagogen zu finden sind.
Literatur
Vollmer 1961, Bd. 5.
233
Vgl. Vollmer, Hans (Hg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts,
1961, Bd. 5; Fuchs, Heinrich: Die österreichischen Maler des 19. Jahrhunderts, Ergänzungsbd.
2, Wien 1979.
152
VI. KATALOG DER WERKE
EPHRAIM MOSES LILIEN
38. EPHRAIM MOSES LILIEN (1874–1925)
A. An den Wassern zu Babylon, 1910
Bild K98
Radierung und Aquatinta
33,5 x 59 cm
Signatur: auf Kupferdruckkarton (52,5 x 76
cm) unten links E.M.Lilien, unten rechts gezeichnet: Käfig mit Löwen
Donath Nr. 43 234
Der aus einer Handwerkerfamilie stammende jüdische Künstler Ephraim Moses Lilien
wurde 1874 in Galizien, der heutigen Ukraine, geboren. Zunächst ging er auf die
Kunstschule in Krakau, versuchte aber schon kurze Zeit später – 1894 – in München Fuß
zu fassen. Dort wirkten die aus England kommende Entdeckung des Buches als
Gesamtkunstwerk und der Jugendstil nachhaltig auf ihn ein. 235 So erkennt man den Stil
Aubrey Beardsleys in Liliens Werk wieder. 236
Sein Oeuvre, das aus Radierungen und Schwarzweißzeichnungen besteht, ist der
Vermittlung einer kollektiven Botschaft, der zionistischen Idee gewidmet. 237 In Briefen an
Helene Magnus, seine spätere Frau, schrieb er von seiner zionistischen Überzeugung. 238
Diese veranlasste ihn, mehrere Reisen nach Palästina zu unternehmen, die die Wahl
seiner Motive nachhaltig beeinflussten. Bereits 1907, nach seiner ersten Reise, begann
der Plan der illustrierten Bibel in Lilien feste Gestalt zu gewinnen. Im selben Jahr schloss
Lilien mit dem Braunschweiger Verleger Georg Westermann (1869–1945) einen
achtseitigen Vertrag, der ihn in 22 Paragraphen zur Ausgestaltung einer acht– bis
zehnbändigen Bibelausgabe verpflichtete. Bei dieser Ausgabe ist, wie aus dem Vorwort
zum ersten Band hervorgeht, weniger an ein Erbauungsbuch gedacht, als vielmehr an die
Bibel als eines der ältesten und bedeutendsten Werke der Weltliteratur: 239 In Liliens Hand
lagen Papier und Schriftwahl, Gestaltung der Einbanddeckel, die Initialen und die
Vollbilder. Jeweils zu Ostern und zu Weihnachten, beginnend 1908, sollte ein Band
geliefert werden. Lilien hat diesen Vertrag nicht gehalten, es erschienen nur drei Bände
234
235
236
237
238
239
Da es sich um eine Originalradierung handelt, gibt es eine Anzahl von Exemplaren. Deswegen
soll hier das Werkverzeichnis der Radierung, Donath, Adolph: Verzeichnis der Radierungen von
E. M. Lilien, Wien 1919, Nr. 43, zitiert werden.
Vgl. Zweig, Stefan: E. M. Lilien, Sein Werk, Berlin, Leipzig 1903, S. 9–29.
Vgl. E. M. Lilien Zeichnungen, Ausst., München 1987, o. S.; Heyd, Milly: Lilien and Beardsley
„To the pure all things are pure“, in: Journal of Jewish Art, 1980, Bd. 7, S. 58–69. Den Werdegang Liliens, seine ersten zehn Künstlerjahre, skizziert der Dichter Stefan Zweig in der ersten
Lilienmonographie von 1903, vgl. Anm. 235.
Die zionistische Bewegung setzte sich für die Gründung eines selbständigen jüdischen Staates
Israel ein. Siehe dazu Stanislawski, Michael: Vom Jugendstil zum „Judenstil“: Universalismus
und Nationalismus im Werk Ephraim Moses Liliens, in: Brenner, Michael, Yfaat Weiss (Hg.): Zionistische Utopie – Israelitische Realität. Religion und Nation in Israel, Bremen 1999, S. 70ff.
Vgl. Lilien, Otto M., Strauss, Eve (Hg.): E.M. Lilien Briefe an seine Frau 1905–1925, Königstein
1985, S. 36ff.
„Dieses Buch (ist) voll Kampf und Leidenschaft, voll von Widersprüchen und Gegensätzen, von
Fragen und sehnsüchtigem Gottsuchen. Es ist eben kein ausgeklügelt Buch, es ist ein Stück lebendiger Menschheitsgeschichte, das wir hier vor uns haben. Wahrlich kein Buch der Erde
spiegelt ein so gewaltiges Stück menschlichen Ringens wie diese heilige Schrift.“ Die Bücher
der Bibel, hrsg. von Rahlwes, Ferdinand, Bd. 1: Überlieferung und Gesetz, Das Fünfbuch Mose
und das Buch Josua, nach der Übersetzung von Reuss, Eduard, Braunschweig 1908, S. 12.
153
VI. KATALOG DER WERKE
EPHRAIM MOSES LILIEN
der geplanten Ausgabe und auch diese im weiten zeitlichen Abstand 1908, 1909 und
1912. 240
Über die Zeichnung zu Psalm 137 ist in einem Brief aus Berlin an Helene Magnus im
Spätsommer 1909 zu lesen: „Die neue Zeichnung ist gestern fertig geworden, und nun
sitze ich an Babels Wassern und zeichne an Frauchen denkend“. 241
In einem Querformat zeigt Lilien sieben Frauen, die mit gesenkten Häuptern in
sich gekehrt auf den Stufen eines befestigten Ufers nach rechts ins Profil gekehrt
sitzen. Rechts am Horizont taucht die untergehende Sonne – ein riesenhafter
Kreis – ins Wasser. Seerosen zieren die Wasseroberfläche. Den unteren Bildrand
ornamentieren zur Bildmitte an Höhe zunehmende Schilfgräser. Am oberen Treppenabsatz, wo der Sockel eines Palastes noch angeschnitten ist, wächst eine
Trauerweide. Harfe und Leier hängen in den Ästen. Die Frauen scheinen zu weinen. Kein Gesicht ist zu sehen, eine jede ist in ihr Leid versunken. Einige der Jüdinnen haben kunstvoll verzierte Saiteninstrumente, auf die sie sich stützen.
Die Figurenanordnung gehorcht dem Stufenbau des befestigten Ufers und bildet ein pyramidales Gefüge; es konstruiert ein figürliches Ornament, das dem Kanon des Jugendstils entspricht. Die Spitze der Pyramide bildet eine Frau, die am
obersten Absatz ein großes Saiteninstrument auf ihren Knien hält und ihren Kopf
auf dem langen Holzrahmen aufstützt. Die linke Hand greift in die Saiten des Instruments. In ähnlicher Pose sitzt eine Stufe weiter unten nach links versetzt eine
weitere Frau. Ebenso in ein langes Gewand gehüllt und den Kopf mit einem Tuch
bedeckt, ruhen die Hände auf einer am Boden stehenden Leier.
Gleichmäßig verteilt auf der nächsten Stufe befinden sich drei trauernde Frauen, die somit die Form der figuralen Pyramide vervollständigen: Ganz links eine
Jüdin, die ihre Augen mit einem fransenverzierten Mantel bedeckt, der auf dem
Boden aufliegt. Der Oberkörper ist nackt, das Kopftuch fällt ihr über den Rücken.
Weiter nach rechts zur Mitte des Bildes kauert eine dem Betrachter frontalansichtig gezeigte Frau mit dem Kopf auf den Knien. Der Saum ihres Gewandes ist mit
Ornamenten verbrämt.
Am Ende der Treppenstufe, nach rechts ins Profil gerückt, sitzt eine Frau mit
entblößtem Oberkörper. Auch die Beine sind sichtbar, da ihr Gewand wegen der
240
Vgl. Brieger, Lothar: E. M. Lilien, Eine künstlerische Entwicklung um die Jahrhundertwende,
Berlin, Wien 1922, S. 209–232. Außerdem Hieronimus, Ekkehard: Der Graphiker E.M. Lilien
(1874–1925), Braunschweig 1974, S. 7f. Für diese Arbeit – es wurde mit 50 bis 100 Zeichnungen gerechnet – erhielt der Künstler bei einer Auflage von 5000 Exemplaren pro Band 300
Mark. Der Honorarberechnung waren 8 Bände zugrunde gelegt.
241
Lilien, Strauss 1985, S. 116, Nr. 133.
154
VI. KATALOG DER WERKE
EPHRAIM MOSES LILIEN
aufgestellten Beine zur Hüfte gerutscht ist. Mit den Armen stützt sie sich auf eine
Leier, die an ihrer linken Seite steht. Auf dem untersten Absatz kauern zwei Jüdinnen. Die eine kniet links zu Füßen der eine Stufe höher sitzenden Frau. Vornübergebeugt mit nacktem Oberkörper hält sie ihre Hände vors Gesicht. Lange dunkle
Haare, die ein Band schmückt, fallen in Locken über ihren Kopf. Die andere sitzt
ganz rechts am Ende des Absatzes und klammert sich an die neben ihr stehende
Harfe.
Literatur
Berliner Illustrierte 28. Juli 1911, 20. Jg., Nr. 31, S. 617 Abb. · Donath 1919, S. 13
Abb., 20, Nr. 43. · Brieger 1922, S. 85 Abb., S. 224f. · Hieronimus 1974, Abb. S.
20, 21. · Lilien, Strauss 1985, S. 116, Nr. 133, 150, Abb. 40. · Almog, Milchram
1998, Abb. S. 52/53. · E. M. Lilien, Unterwegs im alten Orient 2004, S. 16, S. 17
Abb. 18.
155
VI. KATALOG DER WERKE
PAUL KLEE
3 9 . PA U L K L E E ( 1 8 7 9 – 1 9 4 0 )
A. Skizze zu Psalm 137, 1913
Bild K99 242
Feder
9,3 x 5,2 cm
Signatur: links unten Klee, bezeichnet auf
dem Karton mit Randleiste links unten: 1913.
156. Am Kartonrand links unten mit Bleistift
Psalm
Provenienz: Geschenk von Lily Klee, Bern
Bern, Sammlung Felix Klee
Paul Klee, der 1879 als Sohn eines Musiklehrers und einer Sängerin in der Nähe von Bern
geboren wurde, begann seine Künstlerlaufbahn bei Franz von Stuck (1868–1928) in
München. Seine ersten Arbeiten zeigen starke Beziehungen zum Jugendstil. Durch
Freundschaft mit den Künstlern des „Blauen Reiters“, die 1908 begann, und eine 1914
zusammen mit August Macke (1887–1914) und Louis Moilliet (1880–1962) unternommene
Tunisreise fand Klee zu einem abstrahierenden Bildaufbau, in dem die Farbe dem linearen
Gerüst gleichwertig wurde. 1921–1931 wirkte er als Lehrer am Bauhaus, danach bis 1933
an der Akademie in Düsseldorf. 243
Die kleinformatige Skizze entstand im Rahmen des Vorhabens einer Illustrierung der
Bibel. Im Frühling 1913 forderte Franz Marc seine Freunde Kandinsky (1866–1944), Klee,
Heckel (1883–1970), Kokoschka (1886–1880) und Kubin (1877–1959) zur Mitarbeit auf,
die Bibel zu illustrieren. Diese sollte vom „Blauen Reiter“ herausgegeben werden. Das
Vorhaben zerschlug sich aber bei Ausbruch des Krieges. Paul Klee wählte das Thema der
Psalmen und führte zwischen 1913 und 1915 acht Blätter aus. Die erste Illustration war
eine Skizze zum 137. Psalm. 244
Die Darstellung kann nicht als Illustration im herkömmlichen Sinne bezeichnet
werden. Erst die Kenntnis des Bildtitels erlaubt, in dem Figurengeflecht ohne Tiefe
und taktile Stofflichkeit fragmentarische Gebärden und Physiognomien zu erkennen. In der linken oberen Ecke dominieren die erhobenen gedunsenen Arme einer
Gestalt. Darunter vom linken Bildrand überschnitten sitzt eine Frau mit entblößten
Brüsten. Ihr Haupt ist gebeugt und ihre Augen sind geschlossen. Die Atmosphäre
der Trauer durchdringt die abstrakten Formen, runde Blattformen suggerieren riesenhafte Tränen. 245
242
Die Wiedergabe im Abbildungsband ist etwas größer als das Original.
Vgl. ThB 1927, Bd. 20.
244
Vgl. Lankheit, Klaus: Bibel–Illustrationen des Blauen Reiters, in: Anzeiger des Germanischen
Nationalmuseums, Nürnberg 1963, S. 199ff. Die anderen Illustrationen sind: 1913: 168 Fanfarenklänge (zum Psalm), 169 Ohnmacht der Widersacher (zum Psalm), 1914: 161 Jerusalem
meine höchste Wonne, 1915: 23 Psalm, geblasen (23. Psalm), 144 Skizze zu den Psalmen,
1917: 33 Schöpfungspsalm 24 c Insekten, 1918: 21 Psalm.
245
Vgl. Hexthausen, Charles Werner: Klees künstlerisches Verhältnis zu Kandinsky während der
Münchner Jahre, in: Paul Klee, Das Frühwerk 1883–1922, München 1979, S. 123f. Lankheit
1963, S. 204 bezeichnet die Zeichnung sehr passend als „tränenschwer“ und verweist auf die
243
156
VI. KATALOG DER WERKE
PAUL KLEE
Literatur
Lankheit 1963, S. 199ff., Abb. · Kröll 1968, S. 34. · Geelhaar 1975, S. 17, Abb. 29.
· Hexthausen 1979, S. 123, Abb. · Haenlein 1980, Nr. 125. · Tower 1981, S. 69–
71, 75. · Jordan 1984, S. 99f., Abb. 36. · Helfenstein 2000, Bd. 2, S. 101, Nr. 1058,
Abb.
·
B. An den Wassern Babylons 1918
Bild K100
Aquarell und Feder auf Papier, zerschnitten
und neu kombiniert, auf Karton
25 x 19 cm
Unsigniert, aber bezeichnet auf dem Karton
mit Randleiste unten links: 1918, 34
Provenienz: 1958–1991 im Besitz von Dorothea Freifrau von Schrenck–Notzing
Privatbesitz, Deutschland
Das kleinformatige Aquarell gehört zu den so genannten Schriftbildern, die zwischen 1916
und 1918 Klees Oeuvre bestimmen. Sie sind aus dem Erleben chinesischer Gedichte
entstanden und illustrieren Klees Verhältnis zu Buchstaben, Wort und Sinn. Ein Text ist
der Ausgangspunkt. Sie sind gleichzeitig Schrift und Bild. 246
„An den Wassern von Babel“ steht in Großbuchstaben in einem Gittergeflecht aus
Linien rechts im Bild. Auf Aquarellfarbfeldern, die links einen Sonnenball und einen
Palmenbaum formen, spinnt sich eine zarte Linienpyramide, in der die Morphologie von Händen das einzig substantiell Wahrnehmbare zu sein scheint. Eine
wahrhaftige Pyramide über dem Gerüst aus dünnen Strichen soll ein architektonisches Umfeld andeuten. Der aquarellierte Unter– bzw. Hintergrund suggeriert mit
hellen und dunklen Farbtönen Räumlichkeit, während die Darstellung der trauernden Juden abstrakt und nicht greifbar ist. Der Betrachter erfasst bruchstückhafte
Gesten und den ins Bild integrierten Titel simultan. Aus den ungegenständlichen
Gebilden, wie z. B den riesenhaften runden Blattformen, die Tränen suggerieren,
gestaltet sich ein verständlicher Bildinhalt.
Literatur
Paul Klee, Lyonel Feininger 1919/20, Nr. 34. · Lankheit 1963, S. 202. · Kröll 1968,
S. 34. · Helfenstein 2000, Bd. 2, S. 446, Nr. 1881, Abb.
246
enge Verwandtschaft der Skizze zu Psalm 137 mit der Zeichnung „Lied des Jammers“, 1913,
163, Feder auf Papier, 6,8 x 9,8 cm, Privatbesitz. Siehe dazu Helfenstein, Josef (Hg.): Paul
Klee, Catalogue raisonné, Bd. 2: 1913–1918, Bern 2000, S. 104, Nr. 1065.
Vgl. Grohmann, Will: Paul Klee, Stuttgart 1954, S. 144.
157
VI. KATALOG DER WERKE
JOSEPH BUDKO
40. JOSEPH BUDKO (1888–1940)
A. Der 137. Psalm, 1921
Bild K101
Illustration für „Die Psalmen” 247
Holzschnitt
Unsigniert
Hebräische Umschrift das Medaillons: An den
Strömen Babels – dort saßen wir und weinten,
indem wir Zions gedachten.
Provenienz: Antiquariat, Jerusalem
Berlin, Jüdisches Museum
Der russische Maler und Graphiker Joseph Budko, geboren 1888, begann 1902 mit dem
Kunststudium in Wilna und kam 1910 nach Berlin, wo er bei Hermann Struck (1876– 1944)
die Radierkunst lernte. 1933 emigrierte der Künstler nach Palästina und wurde 1935
Direktor der Kunstschule Bezalel. Budko entwickelte eine dekorative Kleinkunst, die sich
durch die Verwendung der hebräischen Schrift und die Stilisierung jüdischer Symbolik in
Verbindung mit Figurendarstellungen auszeichnet. 248 Der Holzschnitt zu Psalm 137 ist die
Schlussillustration zu einer 1921 erschienenen Neuauflage der Psalmen in der
Übersetzung von Moses Mendelssohn (1729– 1786), die erstmalig 1783 in Berlin
herauskam. 249
Das mit Psalm 137, 1 in Hebräisch umschriebene Medaillon zeigt fünf Greise mit
langen Bärten vor einer großen Harfe in einer Blumenwiese sitzen, die das untere
Drittel der Rundform einnimmt. Die Männer, gekleidet in lange Gewänder und
Kopftücher, sind scheinbar symmetrisch angeordnet: doch ist es vielmehr so, dass
die vier Männer, die den mittleren, frontal zum Betrachter sitzenden Greis umgeben, einander entgegengesetzt zugeordnet sind. So ist der eine Alte im Halbprofil,
sein Gegenüber aber im Profil zu sehen; mit den beiden äußeren Greisen verhält
es sich genau umgekehrt. Die Augen der Männer sind geschlossen, ihre Gesichtszüge kantig. Das Medaillon charakterisiert sich durch die dicken Linien des
Holzschnitts, die Budko auch für die Darstellung des Himmels verwendet hat.
Die Komposition ist der Rahmenform des Kreises untergeordnet. So bilden die
Köpfe keine Linie, sondern einen leichten Bogen; auch die Harfe antwortet in ihren
konvexen und konkaven Formen der Rundform des Rahmens.
Literatur
247
Neuauflage zu „Die Psalmen“, übertragen von Moses Mendelssohn, Berlin 1921, S. 283 Abb.
Friedeberger, Hans: Joseph Budko, in: Jüdische Bücherei, Bd. 19, Berlin 1920; Wininger 1925;
Schwarz, Karl: Die Juden in der Kunst, Berlin 1928, S. 169f.
249
Bendt, Vera: Judaika Katalog, Abteilung Jüdisches Museum, Berlin 1989, S. 91, Kat. 37.
248
158
VI. KATALOG DER WERKE
JOSEPH BUDKO
Bendt 1989, S. 91, Kat. 37, Abb.
159
VI. KATALOG DER WERKE
RENÉ PIOT
41. RENÉ PIOT (1866–1934)
A. La Captivité à Babylone, um 1930
Bild K102
Aquarell
31 x 27,7 cm
Signatur: –
Provenienz: 1961 Geschenk von Albert François–Poncet, Fond du Musée d’Orsay
Paris, Musée du Louvre, Cabinet des Dessins
Obgleich Piot zur Generation der Nabis und der Fauves gehörte, arbeitete der 1866 in
Paris geborene Maler und Theaterdekorateur bevorzugt abseits der avantgardistischen
Gruppierungen. Mit dem Eintreten in die Ecole des Beaux–Arts 1888 begann Piot eine
klassische Malerausbildung. 1890 aber besuchte er regelmäßig die Académie Julian, wo
er die Nabis kennen lernte und ein Schüler von Pierre Andrieu (1821–1892) 250 , des
ehemaligen Assistenten von Delacroix, wurde. Nach dessen Tod 1892 trat er in das Atelier
von Gustave Moreau (1826–1898) ein. Auf einer Reise nach Italien, die er ein Jahr später
unternahm, studierte er die Technik der Fresko– und Temperamalerei, die Piot später in
seinen Wandmalereien anwandte. 251 1931 erschien sein Buch „Les Palettes de
Delacroix“. 252 Im selben Jahr wurde der Künstler beauftragt, die Malereien Delacroix’ in
der Bibliothek des Palais Bourbon zu restaurieren: 22 Kopien in Aquarell und Gouache
nach den 20 Pendentifs und zwei Halbkuppeln in der Chambre des Députés zeugen von
der großen Bewunderung Piots für Delacroix. 253
Die Komposition der Babylonischen Gefangenschaft, die Eugène Delacroix als
Pendentif für die Kuppel der Theologie ersonnen hatte, erscheint in der kleinformatigen Kopie von Piot in den Stil der Nabis umgesetzt zu sein: Eine arabeskenhafte Linie und die Reduktion der Farben modernisieren die Komposition von Delacroix, dessen ruhige, sanfte Darstellung Piot durch die Verwendung von Weiß
aufbricht. Das Aquarell wird lebendig und scheint zu flirren.
Literatur
Monnier 1968. S. 109f., S. 112. · Legrand 1997, S. 386, Nr. 1579.
250
Siehe KATALOG 12D.
Vgl. Edouard–Joseph 1934; Zur Erneuerung des Freskos und zu den Theaterdekorationen siehe René Piot 1866–1934, Les dossiers du Musée d’Orsay, Paris 1991.
252
Piot, René: Les Palettes de Delacroix, Paris 1931.
253
Vgl. Monnier, Geneviève: Dessins de René Piot, in: Revue du Louvre et des Musées de France,
Nr. 2, Paris 1968, S. 112.
251
160
VI. KATALOG DER WERKE
CECIL COLLINS
42. CECIL COLLINS (1908–1989)
A. By the Waters of Babylon, 1932
Bild K103
Öl auf Leinwand, 76 x 50 cm
Signatur: auf der Rückseite oben links cecil
collins 1932, bezeichnet mittig By the Waters
of Babylon
Provenienz: Besitz des Künstlers
Exeter, Royal Albert Memorial Museum
Der als Neoromantiker bezeichnete Maler Cecil Collins wurde 1908 in Plymouth, Devon,
geboren und studierte an der Plymouth School of Art und am Royal College of Art in
London. Er orientierte sich Anfang der 30er Jahre an Klee, Picasso und kurze Zeit am
europäischen Surrealismus, von dem er sich jedoch am Ende des Jahrzehnts wieder
abwandte. 254 In dieser Zeit, 1932, entstand das Gemälde „By the Waters of Babylon“, das
bis zum Tod des Künstlers1989 in dessen Besitz verblieb.
Das querformatige Bild zeigt eine grüne Hügellandschaft mit Baumgruppen und
einem windungsreichen Fluss, der von der linken unteren Bildecke diagonal zur
rechten oberen Ecke verläuft. Diesseits des Stromes, im Vordergrund, lagern auf
einer Wiese mit pinkfarbenen Blumen fünf nackte, in verschiedenen Körperstellung trauernde Gestalten. Dahinter stehen drei Bäume; in den Ästen des vorderen
hängt eine Harfe. Direkt davor, in der rechten Bildecke, sitzen frontal zum Betrachter eine Frau und ein Mann und lehnen ihre Köpfe aneinander. Die Gesichter mit
den offenen roten Mündern und die langen, schwarzen Haare mit Mittelscheitel
sind nicht nur bei diesen beiden Figuren gleich gestaltet, sondern bei allen Personen auf dem Bild; sie unterscheiden sich ausschließlich durch die manchmal mehr
oder weniger sichtbaren Merkmale ihres Geschlechts. Schräg hinter der Frau sitzt
eine weitere Person, vermutlich eine Frau, und hält ihre Arme vor dem Oberkörper
verschränkt. Ihr zur Seite kniet eine nach links gewandte Figur, die Oberkörper
und Arme vornüber auf den Boden gelegt hat. Die Gruppe der Juden schließt ein
parallel zum Bildgrund liegender Mann ab; seinen Kopf in die Armbeuge gelegt,
fasst er sich mit der anderen Hand an die Wange.
Jenseits des Flusses auf einer Wiese mit weißen Blumen steht ein über Eck
gestellter Turm mit Zinnen. Darauf stehen drei weitere nackte Juden, von denen
der eine frontal zum Betrachter mit erhobenen Händen wehklagt, während die beiden anderen links daneben im Profil stehen und mit gesenkten Häuptern trauern.
254
Vgl. Bohm-Duchen, Monica: Art. zu „Collins, Cecil“, in: Dict. of Art 1996, Bd. 7; Rohrschneider,
Christine: Art. zu „Collins“, in: AKL 1998, Bd. 20.
161
VI. KATALOG DER WERKE
CECIL COLLINS
Im Hintergrund ziehen sich die Berge am Horizont wie ein Wellenband horizontal
über das Bild. Nur noch ein schmaler Streifen Himmel, in dem die Sonne als orangeroter Ball leuchtet, ist zu sehen.
In dem kleinformatigen Ölgemälde herrscht nur geringe Tiefenräumlichkeit. Die
Figuren fallen nicht nur durch ihr weiß-graues Inkarnat und ihre Stereotypie, sondern auch durch ihre unstimmigen Proportionen auf. Im Verhältnis zur umgebenden Landschaft und Architektur sind sie zu groß.
Literatur
–
162
VI. KATALOG DER WERKE
ANDRÉ BAUCHANT
43. ANDRE BAUCHANT (1873–1958)
A. Israélites exilés à Babylone, 1937
Bild K104
Öl auf Leinwand
35,5 x 46 cm
Signatur: mittig unten ABauchant 1937
Provenienz: ehem. Slg. Poissonnier, 1961
Lempertz–Auktion, Köln
Privatbesitz, Deutschland
Geboren am 24. April 1873 in Châteaurenault in der Nähe von Paris, ist Bauchant einer
der „Fünf primitiven Meister“ 255 , die vom Kunsthändler Wilhelm Uhde (1874–1947)
gefördert wurden.
Der ursprüngliche Baumschulgärtner begann während des Ersten Weltkrieges mit dem
Malen. Bei seiner ersten Ausstellung 1921 im Pariser Salon d’Automne wurde er von Le
Corbusier entdeckt und gefördert. Ein breit gefächerter Themenbereich bestimmte das
Oeuvre des Autodidakten Bauchant: Zwischen Blumen– und Früchtestillleben und
Landschaften widmete sich der Maler mythologischen und historischen Szenen sowie
alttestamentarischen Motiven, die er auch in Großformaten ausführte. 256 1937 entstand
das Gemälde „Israélites exilés à Babylone“. 1949 in der Pariser Galerie Charpentier
ausgestellt, gelangte es 1961 in deutschen Privatbesitz. 257
Im mittigen Vordergrund des kleinformatigen Bildes lagern zwischen üppig orangerot blühenden Klivien neun Juden, die von zwei großen, die gesamte Bildhöhe
einnehmenden Bäumen links und drei zerklüfteten spitzen Felsen rechts hinterfangen werden. Dahinter zieht sich der Fluss horizontal durch das Gemälde. Jenseits des Flusses erhebt sich zwischen grünen Hügeln die Stadt mit ihrem markantesten Bauwerk: dem Turm zu Babel. Der wolkendurchzogene Himmel leuchtet
hellblau zwischen den Blättern der Bäume hindurch.
In der Gruppe der Juden konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf den blaugewandeten Mann, der inmitten seiner Leidensgenossen auf dem Wiesenstück sitzt
und den Betrachter mit weitaufgerissenen Augen anblickt. Auf dem Kopf trägt er
einen orangeroten Turban mit blauen Bändern. Die übrigen Männer und Frauen
sind in orangefarbene oder rosa Gewänder gekleidet und tragen die gleichen
Kopfbedeckungen über dunklem Haupthaar. Die Männer sind bärtig. Rechts neben dem blaugekleideten Mann sitzt eine ältere Jüdin erhöht auf einem moosbe255
256
257
Neben Bauchant sind dies: Camille Bombois (1883–1970), Henri Rousseau (1844–1910), Seraphine Louis (1864–1942), Louis Vivin (1861–1936). Vgl. Uhde, Wilhelm: Fünf primitive Meister: Rousseau, Vivin, Bombois, Bauchant, Seraphine, Zürich 1947, S. 95ff.
Vgl. Breitmoser-Bock, Angelika, Sagner-Düchting, Karin: Art. zu „Bauchant“, in: AKL 1993, Bd.
7; Vierny, Dina: André Bauchant, Catalogue raisonné, Paris, Bern 2005, S. 33ff.
Vgl. André Bauchant, Catalogue de l’exposition Bauchant, Ausst., Paris 1949, Nr. 100.
163
VI. KATALOG DER WERKE
ANDRÉ BAUCHANT
wachsenen Felsen. Die Hände im Schoß gefaltet, blickt sie mit geneigtem Kopf zu
dem Mann hinab.
Auf der anderen Seite sitzt ein Mann in Begleitung eines Kindes. Beide haben
ihre Köpfe nach rechts ins Profil gekehrt. Das Kind trägt ein orangerotes Band im
Haar, das gleich einem Diadem seinen Kopf schmückt. Schräg gegenüber, nach
rechts versetzt lagern weitere Personen. Eine der Jüdinnen liegt mit übereinandergeschlagenen Beinen diagonal zum Bildgrund. Sie trägt ein orangerotes kurzes
Kleid. Über ihr, ein Figurenkreuz bildend, liegt eine weitere Frau in Frontalansicht:
eine Pose, die dem Betrachter den Eindruck vermittelt, sie würde nach hinten fallen. Das Dekolleté ihrer rosafarbenen Tunika ist so tief ausgeschnitten, dass ihre
Brüste zu sehen sind. Im Unterschied zu den übrigen Figuren trägt sie eine dunkelrote Kappe. Rechts neben ihr befindet sich eine weitere Frau, die aufrecht sitzend geradeaus blickt. Das Kind neben ihr lehnt sich nach hinten, um über die
Schulter der Frau einen Blick auf die beiden Liegenden zu werfen. Ganz rechts
lehnt ein Mann mit dem Rücken am Felsen. Den Kopf gebeugt und die Augen geschlossen, scheint er zu schlafen.
Bauchant kombiniert zu verhaltenen Grüntönen der Vegetation und dem Grau
der Felsen als einzige Buntakzente orange, rosé und blau, die er durch die Kleidung der Figuren, die Blumen und durch einzelne Tupfer im Himmel vermittelt.
Literatur
André Bauchant 1949, Nr. 100. · Lempertz Auktion 467 1961, Nr. 20, Abb. T. 28. ·
Vierny 2005, S. 321, Nr. 37–06.
164
VI. KATALOG DER WERKE
LESLIE CHARLOTTE BENENSON
44. LESLIE CHARLOTTE BENENSON (GEBOREN 1941)
A. By the Waters of Babylon, 1959
Bild K105
Wasserfarbe, weiß gehöht (mit Bodycolour)
auf Karton
Signatur: unten rechts Leslie C. Benenson
1959, bezeichnet darüber By the Waters of
Babylon
England, La Artier Fine Art Gallery
Die englische Zeichnerin, Graphikerin, Bildhauerin und Kalligraphin Leslie Charlotte
Benenson, 1941 in London geboren, lebt seit 1963 in Sussex. Sie studierte neben
Zeichnung und Bildhauerei auch Schriftgestaltung und Heraldik und erlernte den
Kunstharzguss. Bekannt geworden ist sie vor allem durch die Gestaltung von Exlibris, die
Motive aus der englischen Literatur und der Märchenwelt zeigen, und durch Pferdedarstellungen in Pastell und Aquarell. 258 „By the Waters of Babylon“ ist ein sehr frühes Werk –
die Künstlerin war damals 19 Jahre alt.
Die hochformatige, beige grundierte Karte zeigt vier in lange Gewänder vollständig
eingehüllte Trauergestalten, die sich am Ufer eines Flusses befinden. Drei von
ihnen stehen frontal zum Betrachter, wobei nicht nur ihre Körpergröße, sondern
auch ihr seelisches Innenleben, das ihre Haltung widerspiegelt, an Widerstandskraft von links nach rechts sukzessive zunimmt. Eine sitzende Person in Dreiviertelrückansicht nach links gewandt schließt die Gruppe nach vorne hin ab, so dass
die vier Personen zu einem turmartigen Korpus verschmelzen. Während die Figuren plastisch und farblich herausgearbeitet sind, ist das landschaftliche Umfeld mit
zarten braunen Strichen skizziert und weiß gehöht. Der von einer hohen, am jenseitigen Ufer befindlichen Felswand gesäumte Fluss verläuft von links diagonal ins
Bild und verschwindet im Mittelgrund nach einer Linksbiegung hinter den Klippen
aus dem Blickfeld des Betrachters. Vom diesseitigen Ufer fällt eine steile Böschung zum Fluss hin ab. Ein junger Weidenbaum ragt links hinter einem Felsvorsprung empor.
Die am Boden kauernde Person sitzt mit angezogenen Beinen da. Den Kopf mit
wirren, kurzen Haaren sieht man von hinten. Das weite, braune Gewand lässt keine Körperformen erkennen. Einzig der auf den Boden aufgestellte Fuß ist zu sehen. Etwas hoffnungsvoller wirkt die Person links mit dem bläulichen Gewand. Mit
gebeugtem Kopf steht sie da, den Umhang vor der Brust zusammenhaltend, und
blickt zu Boden. Leicht ins Halbprofil nach links gerückt präsentiert die Person in
der Mitte ihr verhärmtes Gesicht; zugekniffene Augen blicken aus dem Bild in
258
Vgl. Witte, Klaus: Art. zu „Benenson“, in: AKL 1994, Bd. 9.
165
VI. KATALOG DER WERKE
LESLIE CHARLOTTE BENENSON
Richtung des Betrachters. Ganz rechts steht aufrecht und mit erhobenem Haupt,
beinahe stolz, die letzte Person des Quartetts. Das blaue Gewand ist etwas nachlässiger um die Schultern gezogen, so dass Hals und Brustansatz zu sehen sind.
Im Gegensatz zu den anderen hat sie 259 ein junges Gesicht und scheint den ihr
auferlegten Leiden zu trotzen.
Literatur
–
259
Die Geschlechtlichkeit ist nicht deutlich. Der kräftige, sehnige Hals und auch die Größe würden
für einen Mann sprechen.
166
VI. KATALOG DER WERKE
PATRICK HAYMAN
4 5 . P A T R I C K H A Y M A N ( 1 9 1 5 –1 9 8 8 )
A. By the Waters of Babylon, um 1958–64
Bild K106
Öl auf Leinwand
25,5 x 35,5 cm
Signatur: unten rechts Hayman
Provenienz: Besitz des Künstlers
Neuseeland, Ferner Galleries
Der jüdische Künstler, Dichter und Illustrator Patrick Hayman wurde als Sohn einer
neuseeländischen Familie 1915 in London geboren. 1936 emigrierte er nach Neuseeland
und studierte dort Kunst an der Dunedin School of Art. 1947 kehrte er nach England
zurück, wo er sich den St Ives Malern und Bildhauern in Cornwall 260 anschloss. 261 In den
Jahren 1958 bis 1964 beschäftige er sich mit religiösen Bildinhalten, die vor allem mit
jüdischen Motiven angereichert sind. 262 Das kleinformatige Gemälde „By the Waters of
Babylon“ entstand vermutlich in dieser Zeit.
Das ausschließlich in Braun-, Blau- und Weißtönen gehaltene Bild zeigt im nahen
Fokus die Köpfe zweier Personen, die die Bildmitte vom unterem bis zum oberen
Rand ausfüllen.
Der Titel des querformatigen Gemäldes steht links und nimmt ein Drittel der
Bildfläche ein. In der oberen Bildecke steht in braunen Lettern „BY THE WATERS OF
BABYLON“, in der unteren Bildecke folgt in einer Kombination von Kleinbuchstaben
und Lettern „I Sat Down & WEPT“. Dazwischen sind die Gesetzestafeln mit einem
Davidstern zu sehen. Der als Titel verwendete erste Vers von Psalm 137 macht
deutlich, dass es sich um trauernde Juden handeln muss. Der linke Kopf, vermutlich ein Mann, ist größer und von einem braunen Tuch umgeben, in das sich der
kleinere Kopf rechts einfügt. Es scheint eine Frau zu sein, die ihre Stirn an die
Wange des Mannes lehnt. Die Physiognomien sind ähnlich: geschlossene Augen,
eine eckige Nase und ein schmaler, geschlossener Mund in einem langen, schmalen Gesicht. Am rechten Bildrand ist vermutlich Wasser angedeutet.
Literatur
–
260
261
262
Die St Ives Maler und Bildhauer waren eine Künstlerkolonie für abstrakte Kunst um die englische Bildhauerin Barbara Hepworth (1903-1975), ihren Ehemann, der Maler und Objektkünstler
Ben Nicholson (1894-1982) und den russischen Maler, Bildhauer und Architekt Naum Gabo
(1890-1977). Vgl. hierzu Creating a Splash, The St Ives Society of Artists, The first 25 Years
(1927–1952), Exhibition Catalogue and Dictionary of Members, Tewkesbury 2003, S. 11ff.
Vgl. Windsor, Alan: Handbook of Modern British Painting and Printmaking 1900-1990, Ashgate
1998².
Vgl. Vann, Philip: A Voyage of Discovery, in: Patrick Hayman, a Voyage of Discovery, Ausst.,
London 1990, S. 21.
167
VI. KATALOG DER WERKE
JULIAN WALTER
4 6 . J U L I A N WA LT E R ( G E B O R E N 1 9 3 5 )
A. Babylonische Gefangenschaft, 1987
Bild K107
Holz farbig, Eisenketten
273 x 165 x 40 cm
Besitz des Künstlers
Der seit 1964 in seiner Heimat Vasbühl bei Schweinfurt als freischaffender Bildhauer
lebende Julian Walter wurde 1935 geboren. Zunächst besuchte er die Holzschnitzschule
in Bischofsheim/Rhön. Danach studierte er sowohl an der Kunstschule in Würzburg bei
Richard Rother (1890–1980) als auch an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg
bei Hermann Schorer (geboren 1909). Unzählige Ausstellungen und erste Preise bei
Wettbewerben zeugen vom Erfolg des Bildhauers. 263 Das Hauptthema Walters ist der
Mensch in seiner gesellschaftlichen Unfreiheit, in der es keine Hoffnung auf Befreiung gibt.
Seine 1987 entstandene Arbeit „Babylonische Gefangenschaft“ von 1987 ist beispielhaft
dafür. 264
Das in Seitenansicht konzipierte Werk zeigt drei in Ketten gelegte, voneinander
ununterscheidbare grüne Gestalten, die synchron mit hängenden Köpfen auf einer
massiven Holzbank, bühnenartig erhöht, nach rechts auf das scheinbare Ende der
Bank zutrotten. Es ist nicht das Ende, sondern ein Abgrund, denn die Bank ist
nicht unterbrochen, sondern verläuft am Boden entlang weiter und steigt nach einem kurzen Stück wieder senkrecht an, um in derselben Höhe wie zuvor fortzuführen.
Die Figuren sind ungeschlechtlich und die menschlichen Formen abstrahiert:
Eine Halbkugel bilden den Schulter- und Oberarmbereich, an dem hinten sehr
lange Arme mit großen Händen senkrecht herabhängen; vorne sind an waagrecht
ausgestreckten Hälsen die Köpfe, spitz zulaufende Halbkugeln, angebracht. Drei
Eisenringe mit schweren, bis auf den Boden reichenden Ketten ziehen die Köpfe
herunter bis in die Waagrechte und implizieren ein geducktes Laufen mit gesenktem Kopf. Gesichtszüge gibt es nicht, einzig Augen sind angedeutet. Ihre Gewänder bilden bodenlange Eisenketten, so dass nur der untere Teil des nachziehenden Beines mit dem bloßen Fuß zu sehen ist.
Als Inkarnat hat der Künstler die Farbe grün gewählt, was die Abstraktion weiter
überhöht.
263
Vgl. Spannungsfelder, Helmut J. Gehrig, Malerei und Zeichnung, Julian Walter, Skulptur und
Relief, Ausst., Schweinfurt, Aschaffenburg 1997, S. 11.
264
Ich bedanke mich bei Herrn Julian Walter für die Informationen zu seinem Werk anlässlich eines
Besuches in seinem Atelier. Vgl. außerdem Spannungsfelder 1997, S. 16.
168
VI. KATALOG DER WERKE
JULIAN WALTER
Literatur
Julian Walter Plastiken `87 1987, o. S., Abb. · Spannungsfelder 1997, S. 16.
·
Entwürfe
B. Entwurfszeichnung, 1987
Bild K108
Bleistift auf Papier, 74 x 40 cm
Signatur: unten mittig Julian Walter 1987, bezeichnet oben mittig Babylonische Gefangenschaft
Besitz des Künstlers
Der Entwurf arbeitet die Skulptur in einer lockeren Zeichnung schon genau heraus. Jedoch wird hier noch eine von hinten nach vorne abnehmende Größe und
ein schwindendes Volumen der Figuren deutlich; auf beides wurde im fertigen
Werk zu Gunsten der abstrakten Einheitlichkeit verzichtet. Auch die Ketten sind
noch nicht gezielt gezeichnet; am Hals hängen jeweils mehrere Ketten.
Ganz links ist die Skizze einer der Figuren in Rückansicht zu sehen. Hierbei
kam es Walter vor allem auf die Gestaltung des Oberkörpers und der Arme an.
Die von der Seite wahrgenommene Halbkugel erweist sich von hinten als geteiltes
Gebilde, d. h. Arm und Schulterteil sind jeweils aus einem Stück gefertigt, das an
dem von den Ketten verdeckten Korpus angebracht wurde.
Literatur
–
·
C. Werkszeichnung, 1987
Bild K 109
Bleistift auf Papier, 61 x 43 cm
Signatur: unten mittig Julian Walter `87
Besitz des Künstlers
Die Werkzeichnung ist die genaue Vorgabe für das plastische Werk und gibt alles
detailliert vor. Eine Studie der Eisenkette am rechten Bildrand zeigt, wie die einzelnen Glieder miteinander verbunden sind.
Literatur
–
169
VI. KATALOG DER WERKE
ALPHABETISCHES REGISTER
Alphabetisches Register
Amores, Germán Hernández (1823–1894)…………………………..
S. 71
Bauchant, André (1873–1958)……..................................................
S. 163
Bendemann, Eduard (1811–1889) ……...........................................
S. 15
Benenson, Leslie Charlotte (geboren 1941)………………………….
S. 165
Blake, William (1757–1827) ………................................................
S.
1
Bossi, Giuseppe (1777–1815) ………..............................................
S.
4
Budko, Jospeh (1888–1940)…………………………………………...
S. 158
Calderon, Philip Hermogenes (1833–1898) …….............................
S. 68
Cazes, Romain (1810–1881) …….................................................... S. 42
Chartran, Théobald (1849–1907) …….............................................
S. 114
Collins, Cecil (1908–1989)……………………………………………..
S. 161
Comerre, Léon–François (1850–1916)…….....................................
S. 117
Couture, Thomas (1815–1879)………………………………………..
S. 45
Debat–Ponsan, Edouard–Bernard (1847–1913)…………………….
S. 107
Delacroix, Eugène (1798–1863)……………………………………….
S. 49
Denis, Maurice (1870–1943)…………………………………………..
S. 149
Eberle, Adam (1805–1832)…………………………………………….
S. 31
Eberlein, Gustav Heinrich (1847–1926) ……................................... S. 146
Feuerbach, Anselm (1829–1880)……..............................................
S. 97
Führich, Joseph von (1800–1876)……............................................. S. 12, 38,
100
Garvie, Thomas Bowman (1859–1944)………………………………. S. 128
Girodon, Anne–Joseph–Alphonse (1812–1896)…………………….
S. 92
Hacker, Arthur (1858–1919) ………………………………………….
S. 131
Hastings, Kate (Gardiner) (1837–1925)……....................................
S. 124
Hayman, Patrick (1915–1988)…………………………………………
S. 167
Jarraud, Léonard (1848–?)…...........................................................
S. 118
Klee, Paul (1879–1940)…................................................................
S. 156
Lagarde, Pierre (1854–1910)…........................................................
S. 126
Landelle, Charles–Zacharie (1821–1908)…………..........................
S. 81
Lozano, Isidoro (1826–?)..................................................................
S. 71
Lilien, Ephraim Moses (1874–1925)….............................................
S. 153
170
VI. KATALOG DER WERKE
ALPHABETISCHES REGISTER
Martin, John (1789–1854)……………………………………………… S. 36
Medard, Eugène (1847–1887) ………………………………………. S. 116
Millet, Jean–François (1814–1875)……………………………………
S. 57
Morgan, Evelyn de (1855–1919)……………………………………....
S. 120
Morot, Aimé Nicolas (1850–1918)…………………………………….. S. 102
Oesterley, Carl (1805–1891)…………………………………………... S. 47
Olivier, Ferdinand (1785–1841)………………………………………..
S.
8
Paty, Léon du (1849–um 1920)…..................................................... S. 119
Pelez, Fernand Emmanuel (1843–1913)……………………………..
S. 115
Piot, René (1866–1934)………………………………………………... S. 160
Planet, Louis de (1814–1875)………………………………………….
S. 54
Poynter, Edward (1836–1919)…………………………………………
S. 94
Puccinelli, Antonio (1822–1897)……………………………………….
S. 63
Ramírez, Joaquín (1834–1866)………………………………………..
S. 74
Richard–Cavaro, Charles Adolphe (1819–?)………………………… S. 59
Rixens, Jean–André (1846–1925)…………………………………….. S. 109
Schmalz, Herbert Gustav Carmichael (1856–1935).........................
S. 133
Solomon, Simeon (1840–1905)........................................................
S. 77
Tissot, James–Joseph–Jacques (1836–1902).................................
S. 144
Ury, Lesser (1862–1931)..................................................................
S. 137
Vimont, Edouard (1846–1930)…………………………………………
S. 113
Wachtel, Wilhelm (1875-1942)…………………………………………
S. 152
Walter, Julian (geboren 1935)………………………………………….
S. 168
171
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1. Abbildungsverzeichnis der Katalogabbildungen
Bild K1–K109
Bild K1
Katalog 1A
Blake
Bild K2
Katalog 2A
Bossi
Bild K3
Katalog 3A
Olivier
Bild K4
Katalog 4A
von Führich, Entwurf für 1. Fassung
Bild K5
Katalog 5A
Bendemann
Bild K6
Katalog 5B
Bendemann, Gesamtstudie
Bild K7
Katalog 5C
Bendemann, Akt
Bild K8
Katalog 5D
Bendemann, Studie Faltenwurf Mutter
Bild K9
Katalog 5E
Bendemann, Studie Kopftuch Mutter
Bild K10
Katalog 5F
Bendemann, Studie Faltenwurf Harfner
Bild K11
Katalog 5G
Bendemann, Kopfstudie Mutter
Bild K12
Katalog 5H
Bendemann, Kopfstudie Mutter
Bild K13
Katalog 5I
Bendemann, Kopfstudie Mutter
Bild K14
Katalog 5J
Bendemann, Ölstudie
Bild K15
Katalog 5K
Bendemann, Rasterzeichnung
Bild K16
Katalog 5L
Bendemann, Schweinfurt
Bild K17
Katalog 5M
Bendemann, Kopie Privatbesitz
Bild K18
Katalog 5N
Bendemann, Kopie Erfurt
Bild K19
Katalog 5O
Bendemann, Kopie Frankfurt
Bild K20
Katalog 5P
Bendemann, Kopie Kreide, Minneapolis
Bild K21
Katalog 5Q
Bendemann, Kopie, Kunsthandel
Bild K22
Katalog 5R
Bendemann, Kopie, Kunsthandel
Bild K23
Katalog 5S
Bendemann, Kopie, Münster
Bild K24
Katalog 6A
Eberle
Bild K25
Katalog 7A
Martin
Bild K26
Katalog 8A
von Führich, 2. Fassung
Bild K27
Katalog 8B
von Führich, Gesamtstudie
Bild K28
Katalog 9A
Cazes
Bild K29
Katalog 10A
Couture
Bild K30
Katalog 11A
Oesterley
Bild K31
Katalog 12A
Delacroix, Pendentif
Bild K32
Katalog 12B
Delacroix, Gesamtstudie
Bild K33
Katalog 12C
Delacroix, Aquarell
Bild K34
Katalog 12D
Delacroix, Ölstudie
Bild K35
Katalog 13A
de Planet
Bild K36
Katalog 14A
Millet
172
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Bild K37
Katalog 15A
Richard-Cavaro
Bild K38
Katalog 16A
Puccinelli
Bild K39
Katalog 16B
Puccinelli, Studie Mann
Bild K40
Katalog 16C
Puccinelli, Studie Paar
Bild K41
Katalog 17A
Calderon
Bild K42
Katalog 18A
Lozano und Hernández Amores
Bild K43
Katalog 19A
Ramírez
Bild K44
Katalog 20A
Solomon
Bild K45
Katalog 21A
Landelle
Bild K46
Katalog 21B
Landelle, Gesamtstudie
Bild K47
Katalog 21C
Landelle, Studie Frauenpaar Mitte
Bild K48
Katalog 21D
Landelle, Studie Frauenpaar Mitte
Bild K49
Katalog 21E
Landelle, Studie Frauenpaar Mitte
Bild K50
Katalog 21F
Landelle, Studie Frauenpaar Mitte
Bild K51
Katalog 21G
Landelle, Studie Frauenpaar links
Bild K52
Katalog 21H
Landelle, Studie Frauenpaar links
Bild K53
Katalog 21I
Landelle, Studie Frauenpaar links
Bild K54
Katalog 21J
Landelle, Studie Frau links
Bild K55
Katalog 21K
Landelle, Studie Frau rechts
Bild K56
Katalog 21L
Landelle, Ölstudie Frau links
Bild K57
Katalog 21M
Landelle, Ölstudie
Bild K58
Katalog 21N
Landelle, 2. Fassung
Bild K59
Katalog 21O
Landelle, 3. Fassung
Bild K60
Katalog 22A
Girodon de Pralong
Bild K61
Katalog 23A
Poynter
Bild K62
Katalog 24A
Feuerbach
Bild K63
Katalog 25A
von Führich, Psalm
Bild K64
Katalog 26A
Morot
Bild K65
Katalog 26B
Morot, Pause
Bild K66
Katalog 26C
Morot, Ölstudie
Bild K67
Katalog 26 2A
Debat-Ponsan
Bild K68
Katalog 26 2B
Debat-Ponsan, Pause
Bild K69
Katalog 26 3A
Rixens
Bild K70
Katalog 26 3B
Rixens, Pause
Bild K71
Katalog 26 4A
Vimont, Pause
Bild K72
Katalog 26 5A
Chartran, Pause
Bild K73
Katalog 26 6A
Pelez, Pause
173
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Bild K74
Katalog 26 7A
Medard, Pause
Bild K75
Katalog 26 8A
Comerre, Pause
Bild K76
Katalog 26 9A J
Jarraud, Pause
Bild K77
Katalog 26 10A
du Paty, Pause
Bild K78
Katalog 27A
de Morgan
Bild K79
Katalog 28A
Hastings
Bild K80
Katalog 29A
Lagarde
Bild K81
Katalog 30A
Garvie
Bild K82
Katalog 31A
Hacker
Bild K83
Katalog 32A
Schmalz, 2. Fassung
Bild K84
Katalog 32B
Schmalz, 1. Fassung
Bild K85
Katalog 33A
Ury
Bild K86
Katalog 33B
Ury, Studie Mittelgruppe
Bild K87
Katalog 33C
Ury, Kopfstudie bärtiger Mann
Bild K88
Katalog 33D
Ury, Kopfstudie bärtiger Mann
Bild K89
Katalog 33E
Ury, Kopfstudie Mann Profil
Bild K90
Katalog 33F
Ury, Kopfstudie Mann Profil
Bild K91
Katalog 33G
Ury, Kopfstudie Mann Profil
Bild K92
Katalog 33H
Ury, Kopfstudie Mann Profil
Bild K93
Katalog 33I
Ury, Kopfstudie Mann
Bild K94
Katalog 34A
Tissot
Bild K95
Katalog 35A
Eberlein
Bild K96
Katalog 36A
Denis
Bild K97
Katalog 37A
Wachtel
Bild K98
Katalog 38A
Lilien
Bild K99
Katalog 39A
Klee, Psalm
Bild K100
Katalog 39B
Klee
Bild K101
Katalog 40A
Budko
Bild K102
Katalog 41A
Piot
Bild K103
Katalog 42A
Collins
Bild K104
Katalog 43A
Bauchant
Bild K105
Katalog 44A
Benenson
Bild K106
Katalog 45A
Hayman
Bild K107
Katalog 46A
Walter
Bild K108
Katalog 46B
Walter, Entwurfszeichnung
Bild K109
Katalog 46C
Walter, Werkszeichnung
174
BILD K1 William Blake „By the Waters of Babylon”, 1806
Harvard University Cambridge, Mass., Fogg Art Museum
BILD K3 Ferdinand Olivier „Landschaft mit trauernden Juden“, 1825/30
Lübeck, Behnhaus
175
BILD K5 Eduard Bendemann „Die trauernden Juden im Exil“, 1832
Köln, Wallraf-Richartz-Museum
BILD K24 Adam Eberle „Die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft”,
1832
Basel, Kupferstichkabinett
176
BILD K28 Romain Cazes „Captivité des Juifs à Babylone“, 1837
Montauban, Musée Ingres
BILD K31 Eugène Delacroix „Captivité à Babylone“, 1842-44
Paris, Palais Bourbon, Bibliothek
177
BILD K35 Louis de Planet „Dernière Halte des Juifs
emmenés en Captivité“, 1842/43
Toulouse, Musée des Augustins
BILD K38 Antonio Puccinelli „La Schiavitù degli Ebrei in Babilonia”, 1851
Florenz, Galleria dell’Accadèmia
178
BILD K44 Simeon Solomon „By the Waters of Babylon”, 1858
verschollen
BILD K45 Charles Landelle „Les Femmes de Jérusalem
captives à Babylone“, 1861
Montauban, Musée Ingres
179
BILD K62 Anselm Feuerbach „Die trauernden Juden”, 1869
Privatbesitz
BILD K69 Jean-André Rixens „Super Flumina Babylonis”, 1873
Saint–Gaudens, Hôtel de Ville
180
BILD K78 Evelyn de Morgan „By the Waters of Babylon”, 1882/83
London, De Morgan Foundation
BILD K80 Pierre Lagarde „Super Flumina Babylonis”, 1885
Unbekannt
181
BILD K83 Herbert Gustav Schmalz
„The Daughters of Judah in Babylon“,
1918 überarbeitet,
Privatbesitz
BILD K84 Herbert Gustav Schmalz
„The Daughters of Judah in Babylon”,
Original von 1892
182
BILD K95 Gustav Heinrich Eberlein
„Die gefangenen Juden von Babylon“, 1899
zerstört
BILD K98 Moses Ephraim Lilien „An den Wassern zu Babylon“, 1910
Donath Nr. 43
183
BILD K99 Paul Klee
Skizze zum 137. Psalm, 1913, 156
Bern, Slg. Felix Klee
© VG Bild-Kunst, Bonn 2008
BILD K100 Paul Klee „An den Wassern Babylons“,
1918, 34
Privatbesitz
© VG Bild-Kunst, Bonn 2008
184
BILDNACHWEIS
BILDNACHWEIS
BILD K1 aus: Butlin 1981, Bd. 2, Abb. 541.
BILD K3 aus: Archiv der Verfasserin.
BILD K5 aus: Locher 2005, S. 74, Abb. 46.
BILD K24 aus: Möseneder 1996, S. 113f, Abb. 13.
BILD K28 aus: Vigne 1995, S. 31, Abb. 2.
Bild K31 aus: Daguerre 1993, S. 264 unten.
BILD K35 aus:Archiv der Verfasserin.
BILD K38 aus: Maestà di Roma da Napoleone all’Unità d’Italia 2003, S. 292.
BILD K44 aus: Kleeblatt 1995, S. 123 Abb. 7.
BILD K45 aus: Vigne 2002, S. 11.
BILD K62 aus: Neumeister Auktion Sammlung Georg Schäfer 2005, S. 22, Nr. 25.
BILD K69 aus: Archiv der Verfasserin.
BILD K78 aus: Gordon 1996, Abb. 11.
BILD K80 aus: Archiv der Verfasserin.
BILD K83 aus: Clarke 1998, S. 24.
BILD K84 aus: Blakemore 1911, S. 197.
BILD K95 aus: Rosenberg 1903, S. 99.
BILD K98 aus: E. M. Lilien, Unterwegs im alten Orient 2004, S. 17, Abb. 18.
BILD K99 und BILD K100: © VG Bild-Kunst, Bonn 2008.
185