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Technik
TOP
AGRARTEST
Was taugen
Abkalbemelder?
Wenn die Kalbung beginnt,
klingelt das Telefon: Frommer
Wunsch oder technische
Innovation? top agrar hat
zwei Abkalbemelder getestet.
D
ie Idee ist genial: Damit Rinderhalter tagsüber nicht andauernd
ihre Arbeit unterbrechen oder
nachts aus dem Bett springen müssen,
um zu kontrollieren, ob ein Tier kalbt,
klingelt das Telefon, wenn die Kalbung
beginnt. So müssen sie erst wieder in
den Abkalbestall, wenn es ernst wird.
Zwei Systeme:Das versprechen zu-
mindest die Hersteller von automatischen Abkalbemeldern. Zwei davon hat
sich top agrar genauer angesehen:
Das Abkalbemelder-Set von Patura
besteht aus einer Empfängerbox mit
Antenne und Sendern. Die Sender sind
in einer Klemme integriert, die sich am
Schwanz der Tiere befestigen lässt. Die
typischen Schwanzbewegungen vor der
Geburt lösen den Alarm aus. Über die
Empfängerbox bekommt der Landwirt
eine Nachricht bzw. einen Anruf auf
sein Telefon (Festnetz oder mobil). Die
Klemmen lassen sich beliebig oft wiederverwenden.
Die Geburtsüberwachung von iVet
besteht aus einem Empfänger und Sendern. Die Sender befinden sich in einer
Vaginal-Spange, die in der Scheide der
Tiere platziert wird. Beginnt die Geburt, schiebt sich die Spange aus der
Scheide heraus. Das Licht aktiviert den
Alarm, daraufhin bekommt der Landwirt über den Empfänger eine Sprachnachricht auf sein Telefon. Das System
erfasst zusätzlich die Körpertemperatur
der Tiere. Eine Spange lässt sich maximal 24-mal nutzen.
Ergebnisse Praxis-Test:Herdenmana-
ger Hilmar Zarwel hat die beiden Systeme für top agrar in der Landesanstalt
Iden (Sachsen-Anhalt) geprüft.
• Betriebsanleitung: Die Gebrauchsanleitung von Patura ist sehr komplex und
kompliziert. Einige Punkte gehen des-
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top agrar 4/2014
Herdenmanager Hilmar Zarwel aus Iden
hat die Abkalbemelder getestet. Hier
führt er die Vaginal-Spange (iVet) ein.
halb unter, wie beispielsweise das Einlegen von Batterien in den Sender. Auf
der Firmen-Homepage gibt es keine weiterführenden Informationen. Die Betriebsanleitung von iVet ist kurz, knapp
und verständlich. Wünschenswert wäre
noch ein Hinweis auf das Anwender-Video auf der Firmen-Homepage. Nachfragen hat die Firma prompt beantwortet.
• Montage Empfänger: Für das Patu-
ra-System muss zunächst noch eine SIMKarte bzw. eine Telefonsteckdose besorgt und in den Empfänger eingelegt
bzw. angeschlossen werden. Deshalb ist
der Aufwand größer. Dafür lässt sich
über ein Telefonkabel eine Verbindung
zum Festnetz herstellen – man ist unabhängig vom Mobilfunk-Empfang. Das
iVet-System arbeitet mit einem Mobilfunk- und einem normalem Funknetz.
Patura-System: Die Sender der SchwanzKlemmen sollen bei den typischen
Bewegungen zur Geburt Alarm geben.
Fotos: Heil
Problem der Schwanz-Klemmen: Sind sie
zu locker, fallen sie ab. Sind sie zu
stramm, schnüren sie den Schwanz ab.
Problem der Vaginal-Spangen: Es gab
sehr viele Fehlmeldungen auf das
Mobilfunktelefon.
Die eigentliche Installation der Empfänger ist für beide Systeme gleich einfach. Wichtig ist bei beiden jedoch, auf
einen guten Empfang für die Mobilfunknetze zu achten. Die Empfänger
sollten so hoch wie möglich und zentral
über der Abkalbebox platziert werden.
• Anbringen
Sender:
Damit
die
Schwanz-Klemmen von Patura wirklich
fest sind, ist Klebeband nötig, das der
Hersteller direkt mitliefert. Am einfachsten ist es, die Tiere hierfür zu fixieren, wozu eine zweite Person ideal ist,
aber nicht zwingend.
Für das Einlegen der Spangen von
iVet ist immer eine zweite Person nötig.
Denn um hygienisch einwandfrei zu arbeiten, sollte eine Person die Scheide
säubern und den Schwanz weghalten,
die andere Person die Spange einfügen.
• Inbetriebnahme: Beim Patura-System
ist der Start des Systems relativ aufwendig. Denn zunächst müssen fünf Telefonnummern hinterlegt werden – wenn
man weniger nutzen möchte, muss man
die anderen mehrfach eingeben. Dann
müssen noch die Nummern der Sender
einprogrammiert werden. Das iVet-System arbeitet „nur“ mit zwei Telefonnummern. Die einzelnen Sender müssen
nicht eingegeben werden.
• Funktionssicherheit: Die Haltbarkeit
der Schwanz-Klemmen ist der größte
Knackpunkt beim Patura-System. Die
Klemmen sind zwar in verschiedenen
Größen erhältlich. Doch ohne Klebeband halten sie nicht. Einige Tiere gingen so lange unter die Kuhbürste, bis
sich die Klemmen trotz Klebeband lösten. Danach haben wir die Bürste abgebaut. Dann scheuerten sich die Kühe an
den Wänden und rissen die Klemmen
los. Wir versuchten das Klebeband
strammer zu fixieren. Dann staute sich
jedoch das Blut im Schwanz der Kühe
und wir mussten die Klemmen abnehmen. Letztlich haben 28 der 30 Kühe
ihre Klemme bereits vor der Geburt verloren bzw. wir mussten sie abnehmen.
Die Vaginal-Spange von iVet haben
wir insgesamt 40 Kühen eingeführt. Bei
einigen hat das Aktivieren des Senders
nicht geklappt. Dazu muss die Spange
bis 15 Minuten nach der Entnahme aus
der Desinfektionswanne in der Scheide
sein. Wenn das nicht eintritt, muss die
Spange herausgenommen, in der Desinfektionswanne deaktiviert und erneut
eingeführt werden. Die Meldung, dass
sich die Spange nicht aktiviert hat,
kommt ebenfalls aufs Mobiltelefon.
Ärgerlich ist nur, wenn man schon wieder weit vom Abkalbestall entfernt ist.
Eine Kuh hat ihre Spange bereits vor
der Geburt verloren, eine andere hat sie
verbogen. Sie war somit defekt.
Technik
Beste Erfahrungen mit dem Abkalbemelder Velphone der französischen
Firma Medria macht das Lehr- und
Versuchszentrum Futterkamp: Keine
Kuh kalbt mehr ohne Überwachung,
es gibt vor allem in den Abend- und
Nachtstunden keine unnötigen Beobachtungsgänge mehr, die Lebensqualität für die Mitarbeiter hat sich
somit erheblich verbessert.
Das System misst die Vaginaltemperatur. Dazu legen die Mitarbeiter jeder Kuh etwa fünf Tage vor
dem erwarteten Kalbetermin ein
Thermometer in die Scheide. Dieses
informiert zweimal täglich per Kurznachricht (SMS) über die Körper-
• Trefferquote: Wegen der schlechten
Haltbarkeit haben von den 30 Test-Kühen nur zwei mit der Schwanz-Klemme
gekalbt. Bei einer der beiden Kühe hat
das Patura-System vorher Bescheid gegeben. Bei der anderen Kalbung gab es
keine Nachricht. Allerdings gab es sehr
viele Fehlermeldungen, beispielsweise
wenn ein Tier ihre Schwanz-Klemme
verloren hat.
38 von 40 Kühen hatten die Spange
noch in der Scheide, als sie kalbten. Bei
22 Kühen funktionierte das System einwandfrei: Das Telefon klingelte, als die
Geburt begann. Doch es gab auch zahlreiche Fehlermeldungen: Vier Kühe ha-
Foto: Mahlkow-Nerge
„Gute Ergebnisse mit der
Temperatur-Messung“
Ausstoß des Thermometers und der
Spangen kurz vor der Geburt.
ben gekalbt, ohne dass das System es bemerkt hat. Bei zehn Kühen hat das System den Beginn der Kalbung gemeldet,
obwohl das Tier gar nicht am Kalben
war. Und zwei Kühe haben aufgrund der
Spange angefangen zu drängen, wodurch Licht an den Sender kam und eine
vermeintliche Kalbung gemeldet wurde.
• Besonderheiten: Die Schwanz-Klemmen haben den Vorteil, dass es ausreicht, sie irgendwann in Ruhe nach der
Geburt zu lösen. Die Spangen müssen
hingegen schnell nach der Geburt eingesammelt werden, da sonst die Gefahr
besteht, dass eine Kuh darauf tritt und
sie zerstört bzw. die Spange ganz verlo-
Das sagen die Hersteller
Die Stellungnahmen der beiden
Hersteller zu den Ergebnissen:
Patura: Das Anbringen der Sender
benötigt etwas Erfahrung. Keine
Schwanzpartie ist wie die andere. In
Abkalbebuchten mit normaler Belegung ist Abscheuern in der Regel kein
Problem. Aber klar ist: Kuhbürste
und Sender geht nicht. Die Inbetriebnahme haben unsere Kunden bisher
als sehr einfach beschrieben. Nach
Montage und Stromanschluss ist das
System in wenigen Minuten betriebsbereit. Die meisten Kunden nutzen
fünf Telefonnummern. Die Betriebsanleitung haben wir bereits auf unsere Homepage gestellt.
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iVet: Die Sender sind so konzipiert,
dass sie bei Aufweitung des Geburtsweges durch die Fruchtblase einen
Alarm auslösen. Nur so bleibt genug
Zeit, einzugreifen. In der Regel ist die
Spange dann noch in der Kuh, der
Landwirt entfernt sie von Hand.
Zu Geburt ohne Meldung: Eine
Nichtalarmierung nach positiver Aktivierung ist nicht möglich! Vielleicht
war das Ausschalten im Desinfektionsbad nicht ausreichend. In der neuen iVet-3-Serie gibt es das Bad nicht
mehr, sondern ein Formteil, in dem
der Sender reaktiviert wird. Bei iVet-3
sind weitere Punkte verbessert, die im
Test kritisiert wurden.
temperatur des Tieres. Das liefert
bereits Hinweise auf die bevorstehende Kalbung. Zudem gibt es beim
Ausstoßen des Thermometers mit
der ersten Fruchtblase eine SMS.
Dann bleibt noch ausreichend Zeit
für die Geburtskontrolle und mögliche Geburtshilfe.
Die Mitarbeiter finden die Handhabung mit dem System einfach. Die
Nachrichten lassen sich an bis zu
drei verschiedene Mobiltelefone verschicken. Das ist vor allem bei
Schichtdiensten mit Personalwechsel
hilfreich.
Probleme sind bisher kaum aufgetreten. Die Thermometer lassen sich
nach dem Einsatz reinigen, desinfizieren und dann wiederverwenden.
Das System kostet mit acht Thermometern und einem Sender samt
Zubehör rund 3 000 €.
ren geht. Diese Gefahr ist in Gruppenbuchten größer als in Einzelboxen.
Fazit für Praxis:Keiner der Abkalbe-
melder hat in unserem Test überzeugt.
Das System von Patura hat mehr oder
weniger komplett versagt: Es hat nur
eine von 30 möglichen Abkalbungen gemeldet. Bei iVet fällt die Quote mit 22
erfolgreichen Meldungen von 40 besser
aus, es stören aber die Fehlermeldungen.
Beide Hersteller müssen nachbessern,
zumal sie stolze Preise fordern: Patura
verlangt 3 000 € (inkl. Sender, ohne Telefonkosten), iVet 1 250 € (inkl. zwei Sendern und Telefonkosten). P. Liste
Schnell gelesen
• Abkalbemelder sollen über
das Telefon informieren,
sobald die Kalbung beginnt.
• Das Patura-System arbeitet
mit Schwanz-Klemmen. Setzen die Wehen-Bewegungen
ein, soll es Alarm schlagen.
• Das System iVet arbeitet mit
einer Vaginal-Spange. Weitet
sich der Geburtsweg, soll es
den Landwirt informieren.
• Beide Systeme haben im
Praxistest mehr oder weniger
kläglich versagt: viel zu viele
Fehler, viel zu wenige Treffer.
• Bei einem österreichischen
Milcherzeuger funktionieren
die Systeme etwas besser.
Klappt es bei
Fleckvieh besser?
Gerhard Schieder aus Österreich nutzte bei
seinen Fleckvieh-Kühen die Vaginal-Spangen
und die Schwanz-Klemmen.
Foto: Nöherer
Durchwachsene
Erfahrungen
mit den
Abkalbemeldern hat
Gerhard
Schieder
gemacht.
Hier bringt er
gerade die
SchwanzKlemme an.
I
n unserem Stall stehen
30 Fleckvieh-Kühe. Neben
der Milchproduktion ist die
Jungkuhvermarktung
ein
wichtiges Standbein. Deshalb ziehen wir alle weiblichen Kälber auf, die dann
auch auf unserem Betrieb
kalben. So kommen wir auf
etwa 45 bis 50 Abkalbungen
pro Jahr.
Das i-VET System (Vaginal-Spange) habe ich ein Jahr
lang eingesetzt. Das Vorbereiten der Kuh und das Einführen des Senders ist um einiges aufwendiger als beim
Patura-System
(Schwanzklemme). Auch die Nachbereitung des Senders nach erfolgter Meldung ist zeitaufwendig, dennoch ist Hygiene
sehr wichtig. Etwa 30 % der
Kühe haben den Sender
schon weit vor der tatsächlichen Geburt ausgestoßen.
Das führe ich zum Teil auf
die Rasse zurück. Die ausgeprägte
Beckenmuskulatur
bei Fleckvieh wird vor der
Geburt sehr schlaff.
In den regulären Fällen erfolgte die Alarmierung in einem Zeitfenster von zwei
Stunden bis unmittelbar vor
dem Platzen der Fruchtblase.
Damit bleibt genügend Zeit,
um noch helfend eingreifen
zu können.
Das Meldesystem von Patura hatte ich etwa sieben
Monate im Einsatz. Mit etwas Übung ist das Anbringen
des Senders auch ohne weitere Fixierung des Tieres
möglich. Wenn die Kuh in
der Liegebox steht, ist der
Sender in zwei Minuten angebracht. Abgeschüttelt hat
den Sender nur eine Kuh. Die
Kühe haben ihn rasch akzeptiert und nicht absichtlich abgestreift, obwohl sie sich sogar an einer starren Kuhbürste scheuern konnten.
Fehlalarm gab es zweimal
– obwohl gar kein Sender in
Betrieb war. Ansonsten war
die Meldung sehr verlässlich
und auch früh genug. Bei
Erstkalbinnen erfolgte die
Alarmierung
tendenziell
früher, also weit mehr als
eine Stunde vor der tatsächlichen Geburt. Die älteren
Kühe blieben da etwas gelassener, hier war beim Eintreffen in der Abkalbebox die
Geburt voll im Gang.
Den Sender habe ich mit
Wasser und Bürste gereinigt,
abgetrocknet und in der
Aufbewahrungsbox verstaut.
Das finde ich sehr praktisch.