FinTechs im Lichte und Schatten des Aufsichtsrechts - quo

Seite 276
Aufsatz
Klebeck/Dobrauz-Saldapenna, FinTechs im Lichte und Schatten
des ­Aufsichtsrechts – quo vadis EU?
FinTechs im Lichte und Schatten des
­Aufsichtsrechts – quo vadis EU?
Die Digitalisierung hält Einzug – auch in der Finanzindustrie. Diese digitale Entwicklung bietet Chancen und Risiken.
Neue Finanzmarktakteure fordern sowohl die traditionellen Banken und Finanzdienstleister als auch Gesetzgeber
und Aufsichtsbehörden heraus. Der nachfolgende Beitrag setzt sich mit den neuen aufsichtsrechtlichen Herausforderungen auseinander.
Dr. Ulf Klebeck und Dr. Günther Dobrauz-Saldapenna, MBA
I. „Banking is necessary, but banks are not“
Das Bill Gates zugeschriebene Zitat wird gerne verwendet, um
den Abgesang auf die traditionellen Banken und Finanzdienstleister sowie ihre Geschäftsmodelle anzustimmen und damit
zugleich die Revolution im Finanzdienstleistungssektor auszurufen. Richtig ist, dass das Internet allgemein die Gesellschaft
und Wirtschaft in beispiellosem Ausmaß verändert. Im Finanzdienstleistungsbereich sind diese Veränderungen im Vergleich
zu anderen bereits digitalisierten Lebens- und Wirtschaftsbereichen vielleicht erst im Ansatz sichtbar: Neue technologiebasierte Anbieter, sog. Finanztechnologie-Unternehmen – kurz:
FinTechs oder FinTech-Unternehmen, oder aber auch an sich
bankenfremde IT-Unternehmen, wie Google oder Apple, drängen
mit innovativen (Online-)Dienstleistungen auf den Finanzmarkt
und geben traditionellen Geschäftsbereichen und -modellen
völlig neue Impulse.1 Neudeutsche Stichworte wie „Social Banking“, „Mobile Payment“, „Personal Finance Management“ oder
auch „Crowdfunding“ stehen beispielhaft für diese Entwicklung.
„Internetfirmen sagen der Bankenwelt den Kampf an.“ so heisst
es in der jüngsten Studie von Deutsche Bank Research.2 Mitunter branchenfremde, v. a. technologiegetriebene Akteure treten
in diese Märkte für einfache, zunehmend aber auch komplexere Finanzdienste ein. Betroffen sind derzeit v. a. nur die weniger
wissensintensiven und mehr oder minder leicht zu standardisierenden Finanzdienstleistungen.3 Das Angebot der finanztechnologiegetriebenen, aber auch mitunter gänzlich bankfremden
Dienstleister erstreckt sich von digitalen bzw. mobilen Zahlungsdienstleistungslösungen, digitalen Finanzinformationsdiensten,
über Spar- und Depositeneinlagen bis hin zu Online Banking, digitaler Vermögensverwaltung, übergreifenden Anlageberatungsund Wertpapierhandelsdienstleistungen sowie Finanzierungslösungen sowie dem Einsatz kompatibler Finanzsoftware4 – und
dies ist erst der Anfang.
Recht der Finanzinstrumente | 4.2015 | 16.11.2015
II. Gründe für die digitale (R)Evolution in der
­Finanzindustrie
Die Gründe und Treiber für diese digitale (R)Evolution in der Finanzindustrie sind mannigfaltig. Nicht anders als in anderen Bereichen des heutigen Lebens verändern die Möglichkeiten der
digitalen Technik die Art und Weise, wie Kunden und Bank zusammenarbeiten, nachhaltig und tiefgreifend. Die digitale Transformation betrifft dabei alle Funktionen, Produkte und Kanäle
insbes. einer Bank, aber auch der meisten anderen Finanzdienstleister und eröffnet neue Möglichkeiten. Angefeuert wird dieser
Prozess durch die wachsende Verfügbarkeit und Möglichkeiten
von sog. „Smart Devices“, dem Zusammenwirken von zunehmend hochspezialisierten Data-Analytics-Techniken mit nutzbaren Datenriesenmengen (big data) und der Bildung von sog.
digitalen Ökosystemen.5
Zentraler Motor dieser digitalen Entwicklung ist letztlich das Konsum- und Mediennutzungsverhalten der Kunden. Bilden heute
noch vielfach Kunden mit konservativer oder sogar ablehnender
Haltung gegenüber digitalen Möglichkeiten (digital deniers) – die
Hauptadressaten des Leistungsspektrums der Finanzindustrie,
so sollen bereits 2025 die sog. Digital Natives, also Kunden, die
in und mit der digitalen Welt aufgewachsen sind, überwiegen.
Diese Generation ist mit dem Erlebnis des Online-Konsums, seiner Direktheit und absoluten Kundenzentriertheit aufgewachsen.
1
2
3
4
5
Tagesaktuelle Entwicklungen sind abrufbar unter www.finextra.com, oder
auch www.thedigitalbankingclub.com/​news.aspx.
Vgl. Dapp, Deutsche Bank Research vom 23.9.2014, S. 1 ff.
Vgl. eingehend auch Dapp, Deutsche Bank Research vom 23.9.2014,
S. 1 ff.
Hierzu der – wenn auch nicht vollständige – Überblick über FinTech-Anbieter unter www.signed.vc/​fintech.
Vgl. auch Dobrauz-Saldapenna/​Wirth, PWC-Thesenpapier – Megatrend
Finanzplatz, Juni 2015, S. 11.
Seite 277
Aufsichtsrecht
Klebeck/Dobrauz-Saldapenna, FinTechs im Lichte und Schatten
des ­Aufsichtsrechts – quo vadis EU?
Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese neue Art von Kunden
zukünftig einfach durch eine vollständige Online-Migration der
Leistungspalette bedient werden kann. Für sie ist die Bank vielmehr eine Plattform, die ihr nach wie vor offenlassen muss zu
entscheiden, wann, wo und wie sie Dienstleistungen on- oder
offline nutzen.
Diese Kundenkategorie definiert sich gänzlich anders: Vertrauen
und vertrauten die Digital Deniers primär auf eine hohen Schutz
der Privatsphäre und Intransparenz gegen staatliche Eingriffe
in die individuelle Vermögenssituation, so vertrauen die Digital Natives eher auf Transparenz, Vergleichbarkeit und globale
Verfügbarkeit. Dabei erfinden die neuen Anbieter das Bankgeschäft nicht neu.6 Sie verstehen es jedoch, mit Hilfe moderner
Datenanalysemethoden und den zahlreichen (v. a. personenbezogenen) Datensätzen einzelne Finanzdienstleistungen digital so zu individualisieren, dass sie insbes. den Digital Natives
ein bedarfsgerechtes Angebot unterbreiten können. Sie versuchen zu antizipieren, was ein Kunde möchte, und bieten ihm
dann eine (mehr oder minder) personalisierte Dienstleistung
an.7
III.Regulatorische Antworten der und
in der EU
1. Digitale Herausforderung für Gesetzgeber und
­Aufsicht
Der Druck auf die traditionellen Bank- und Finanzdienstleister
ist ohne Zweifel bereits heute spürbar; es gelingt manchen neuen Anbietern, langjährige Bankkunden mit ihren digitalen und
bedarfsgerechten Angeboten jedenfalls für bestimmte Finanzdienstleistungen abzuwerben.8 Der Gefahr, künftig an Bedeutung
v. a. im Markt für standardisierte Finanzdienstleistungen zu verlieren, weil sie u. U. entlang des Wertschöpfungsprozesses an
das hintere Ende durchgereicht werden und – wenn überhaupt –
nur noch als ausführendes Organ die Transaktion durchführen,9 sind sich die traditionellen Banken und Finanzdienstleister
durchaus bewusst. Nicht nur die traditionellen Anbieter sehen
sich jedoch mit den neuen Herausforderungen der digitalen Welt
konfrontiert: Die Digitalisierung fordert auch Gesetzgeber und
Aufsichtsbehörden heraus – in Europa v. a. den EU-Gesetzgeber,
der sich als Taktgeber einer europaweiten Finanzmarktregulierung begreift.
Sollen, und wenn ja, wie sollen diese aufstrebenden und mitunter „disruptiven“ FinTech-Unternehmen reguliert und beaufsichtigt werden? Eine umfassende, wie auch spezifische
FinTech-Regulierung gibt es (bislang) nicht. Lediglich in Teilbereichen gibt es Ansätze für eine Regulierung von digitalen Finanzdienstleistungen. Zu nennen sind hier v. a. die E-Geld-Richtlinie10
(auch: E-Money Directive oder EMD) sowie die Richtlinie über
Zahlungsdienste11 (auch: Payment Services Directive oder PSD),
die derzeit in Überarbeitung ist, um sich u. a. den neuen, digitalen Gegebenheiten anzupassen.12 Die überkommenen, wie
aber auch die jüngsten Regulierungen des Finanzmarkts wurden
nicht vor einem digitalen, sondern v. a. vor einem finanzkriseninduzierten Hintergrund gezeichnet – wie zuletzt auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA in ihrem
aufschlussreichen Positionspapier zu Crowdfunding anerkannt
hat.13
Der Ruf nach einem Mehr an Regulierungen von digitalen Finanzdienstleistungen und Aufsicht über digitale Finanzdienstleister
wird lauter. Neben Argumente des Daten- und Verbraucherschutzes sowie der Geldwäschebekämpfung treten zunehmend auch
Forderungen nach Wettbewerbsgleichheit zwischen der „alten“
und der „neuen“ Finanzwelt. Die zunehmende regulatorische
Compliance-Last bei den traditionellen Finanzdienstleistern, die
im Fokus des bisherigen Regulierungsstrebens der EU stehen,
wirke hemmend auf die Innovationskraft in der digitalen Welt – so
der vielfach vorgebrachte Einwand.14
Und diese Bedenken lassen sich nicht von der Hand weisen,
schaut man sich nüchtern die IT-operationellen Auswirkungen der
jüngsten Transparenzvorgaben der EU-Finanzmarktregulierung
oder aber auch der USA an. Den Akronymen AIFM-RL,15 EMIR,16
6 Richtig schon Dapp, Deutsche Bank Research vom 23.9.2014, S. 26.
7 Zu dieser Entwicklung schon Dobrauz-Saldapenna/​Wirth, PWC-Thesenpapier – Megatrend Finanzplatz, Juni 2015, S. 11.
8 Schon Dapp, Deutsche Bank Research vom 23.9.2014, S. 26.
9 Zu dieser Entwicklung auch schon Dapp, Deutsche Bank Research vom
23.9.2014, S. 26.
10 RL 2009/110/​EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
16.9.2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/​EG
und 2006/48/​EG sowie zur Aufhebung der RL 2000/46/​EG, ABlEU v.
10.10.2009, L 267, 7.
11 RL 2007/64/​
EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der
Richtlinien 97/7/​EG, 2002/65/​EG, 2005/60/​EG und 2006/48/​EG sowie zur Aufhebung der RL 97/5/​EG, ABlEU v. 16. 9. 2009, L 319, 1.
12 Hierzu nur Hingst/​Lösing, BKR 2014, 315 ff.; Spindler/​Zahrte, BKR 2014,
265 ff.
13 ESMA, Opinion – Investment-based crowdfunding, vom 18.12.2014,
ESMA/2014/1378.
14 Hierzu auch Dapp/​Stobbe/​Wruuck, Deutsche Bank Research vom
5.2.2013, S. 8.
15 RL 2011/61/​
EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom
8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/​EG und 2009/65/​EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010, ABlEU v. 1.7.2011, L
174, 1.
16 VO (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, ABlEU v. 27.7.2012, L 201, 1.
Recht der Finanzinstrumente | 4.2015 | 16.11.2015
Seite 278
Aufsatz
Klebeck/Dobrauz-Saldapenna, FinTechs im Lichte und Schatten
des ­Aufsichtsrechts – quo vadis EU?
MiFID II,17 MIFR,18 FATCA19 oder AIA20 gemein sind nicht nur eine
weitergehende Aufsicht über Finanzdienstleister, sondern auch
und v. a. das Erfordernis nach mehr Transparenz und Informationsaustausch. Die Digitalisierung hat entscheidend zur Globalisierung der Finanzmärkte beigetragen; nunmehr fordern Aufsichtsbehörden weltweit aufgrund dieser globalen Vernetzung vermehrt
verschiedene Informationen von ausländischen Finanzinstituten,
die im jeweiligen Marktsegment grenzüberschreitend tätig sind.
Neben Compliancekapazitäten bindet dies v. a. IT-Ressourcen, die
an anderer Stelle fehlen.
2. Regulierungsbestrebungen und -vorhaben der EU
a) Agenda zur Schaffung eines digitalen EU-Binnenmarkts
Dass grundsätzlich ein digitales Umdenken erforderlich ist, hat
jüngst die EU-Kommission erkannt: Europa braucht einen digitalen Binnenmarkt – so heisst es in dem Strategiepapier der EUKommission für einen digitalen Binnenmarkt für Europa.21 Auch
in einem digitalen Binnenmarkt soll „der freie Verkehr von Waren,
Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet sein und
können Privatpersonen und Unternehmen unter fairen Wettbewerbsbedingungen und auf der Grundlage hoher Verbraucherund Datenschutzstandards ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit
bzw. ihres Wohn- oder Geschäftssitzes nahtlos Online-Aktivitäten
nachgehen und Internetanwendungen nutzen.“22 Mit der Vollendung des digitalen Binnenmarkts soll gewährleistet sein, dass
„Europa auch in Zukunft zu den Vorreitern der Digitalwirtschaft
gehört und den europäischen Unternehmen zur Expansion auf
den Weltmärkten verhelfen kann.“23
Dennoch werde die digitale Entwicklung in Europa durch die
Fragmentierung der Märkte und durch Barrieren, die es im
„analogen“ Binnenmarkt in dieser Weise nicht gibt, gebremst.
Mithilfe der digitalen Wirtschaft könnten Märkte expandieren,
bessere Dienstleistungen zu günstigeren Preisen bereitgestellt
sowie mehr Auswahl und neue Beschäftigungsmöglichkeiten geboten werden. Der digitale Binnenmarkt kann Möglichkeiten für
Firmengründungen eröffnen und bestehenden Unternehmen in
einem Markt mit über 500 Mio. Menschen zu Wachstum und
neuen Absatzchancen verhelfen.24
Bemerkenswert ist mit Blick auf einen europäischen Markt digitaler Finanzdienstleistungen, dass eine Verbesserung der regulatorischen Rahmenbedingungen im Strategiepapier nicht explizit erwähnt ist. Vielmehr und vielleicht zu Recht verstanden
als Grundlagenpapier, beschränkt es sich auf drei Grundpfeiler
eines digitalen europäischen Binnenmarkts: 1) einen besseren
Zugang für Verbraucher und Unternehmen zu digitalen Waren
und Dienstleistungen in ganz Europa, 2) die Schaffung der richtigen Bedingungen und gleichen Voraussetzungen für florierende
Recht der Finanzinstrumente | 4.2015 | 16.11.2015
digitale Netze und innovative Dienste und 3) die bestmögliche
Ausschöpfung des Wachstumspotenzials der digitalen Wirtschaft.25 Ohne Zweifel erweisen sich die anvisierten Verbesserungen der Rahmenbedingungen auch als Grundlage für einen
effizienten digitalen EU-Finanzmarkt. Es bleibt abzuwarten, welche Folgemaßnahmen und -regulierungen für bestimmte Märkte,
etwa den Finanzmarkt, aus der nunmehr mit Hochdruck verfolgten EU-Strategie noch resultieren werden.
Gesondert im Strategiepapier der EU-Kommission erwähnt sind
indes die jüngsten Regulierungen im Bereich von Eigen- und
Wagniskapitalgebern. Damit die innovativen Unternehmen der
digitalen Wirtschaft Erfolg haben, brauchen sie einen leichteren
Zugang zur Finanzierung – auch in Form von Eigen- und Wagniskapital.26 Die EU habe hier eine Reihe von Initiativen ins Leben gerufen, um eine Eigenkapitalfinanzierung zu unterstützen, darunter auch die Verordnung über Europäische Risikokapitalfonds.27
Weitere Arbeiten sind jedoch notwendig, um eine angemessene
Finanzierung zu ermöglichen, denn die derzeit in Europa bestehende Vielfalt an Unternehmensformen mit ihren jeweiligen
Rechtsrisiken und Kosten stellt ein Hindernis für Investitionen in
Jungunternehmen in der EU und für deren Wachstum dar.
Welche Arbeiten dies konkret sind, lässt das Strategiepapier
offen. Ob und inwieweit die Regulierungsinstrumente wie etwa
die Verordnung über Europäische Risikokapitalfonds (EuVECA)
geeignet sind, allfällige Finanzierungslücken zu schließen, ist
ebenfalls offen und zielt auf die Frage nach dem wirtschaftlichen
17 RL 2014/65/​
EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom
15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der
Richtlinien 2002/92/​EG und 2011/61/​EU, ABlEU v. 12.6.2014, L 173,
349.
18 VO (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der VO
(EU) Nr. 648/2012, ABlEU v. 12.6.2014, L 173, 84.
19 Foreign Account Tax Compliance Act; mehr Informationen hierzu unter
www.irs.gov/​Businesses/​Corporations/​Foreign-Account-Tax-Compliance-Act-FATCA.
20 Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten; mehr Informationen hierzu unter www.oecd.org/​ctp/​exchange-oftax-information/s​ tandard-fur-den-automatischen-informationsaustauschvon-finanzkonten.pdf.
21 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den
Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der
Regionen, Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa, 6.5.2015,
COM(2015) 192 final („Strategiepapier“).
22 Vgl. Strategiepapier (Fn. 21), S. 3.
23 Vgl. Strategiepapier (Fn. 21), S. 3.
24 Vgl. Strategiepapier (Fn. 21), S. 3.
25 Weitere Details unter ec.europa.eu/​priorities/​digital-single-market/​index_de.htm.
26 Vgl. Strategiepapier (Fn. 21), S. 21.
27 VO (EU) Nr. 345/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
17.4.2013 über Europäische Risikokapitalfonds, ABlEU v. 25.4.2013, L
115, 1.
Seite 279
Aufsichtsrecht
Klebeck/Dobrauz-Saldapenna, FinTechs im Lichte und Schatten
des ­Aufsichtsrechts – quo vadis EU?
Nutzen der neuen Regulierung der EU-Fondsindustrie – v. a.
durch die AIFM-RL, die EuVECA-, EuSEF28 – sowie ELTIF/​ELFIFVerordnung.29 Während die AIFM-RL auf eine umfassende und
zwingende Staatsaufsicht über die vor Ausbruch der Finanzkrise
unregulierten bzw. weniger regulierten Fondsmanager von sog.
Alternativen Investmentfonds (AIF) zielt, erweist sich v. a. die
EuVECA-Verordnung als ein optionales Regulierungsregime, dem
sich ein „kleiner“ Risikokapitalfondsmanager unterwerfen kann,
aber nicht muss.30
Anreize für eine Unterwerfung sollen nicht nur der Qualitätsstempel „EuVECA“, sondern auch der EU-Vertriebspass bieten, mit
dem ein Fondsmanager europaweit seine(n) Risikokapitalfonds
vermarkten können soll. Im Gegenzug verlangt die EuVECA-Verordnung nicht nur eine Registrierung des Fondsverwalters und
des zu vertreibenden Fonds, eine durch die EuVECA-Verordnung
mehr oder minder vorgegebene organisatorische und finanzielle
Ausstattung des Fondsmanagers, die Einhaltung von Marktverhaltens- und Transparenzpflichten, sondern auch und insbes. die
Beachtung konkreter Anlagevorgaben für den Risikokapitalfonds.
Und insbes. diese mehr oder weniger starren Anlagerestriktionen
sind es, die Zweifel an der Akzeptanz dieser optionalen Regulierung und damit am Erfolg einer verstärkten Eigenkapitalfinanzierung von digitalen Dienstleistungsprojekten und -unternehmen,
einschließlich Finanzdienstleister mittels privater Risikokapitalfonds wecken.31
Das meint auch die EU-Kommission, wenn sie in ihrem „Grünbuch – Schaffung einer Kapitalmarktunion“ der europäischen
Vermögensverwaltungsbranche mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 17 Bio. Euro eine Schlüsselrolle bei der Kanalisierung von Anlagegeldern in die Wirtschaft beimisst.32 Die
durch Rechtsvorschriften bedingten Kosten für die Errichtung
von Fonds, die Zulassung als Fondsverwalter und den grenzüberschreitenden Verkauf der Papiere variieren derzeit nach Ansicht
der EU-Kommission aber stark zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. Geringere Kosten für die Auflegung eines Fonds und
generell für den grenzüberschreitenden Vertrieb würden Marktzutrittsschranken abbauen helfen und den Wettbewerb fördern.
Neben der Zulassung neuer Marktteilnehmer soll es wichtig sein,
dass Fonds wachsen können, um von Größenvorteilen zu profitieren.33 Diese Aussagen erstaunen, da die kostenverursachenden
Rechtsvorschriften ja nicht ohne Zutun der Kommission vom Europäischen Himmel gefallen sind.
Interessant sind schließlich die Ausführungen des Grünbuchs zur
Bedeutung von bestimmten digitalen Finanzdienstleistungen als
alternative Finanzierungsformen für die Wirtschaft in der EU.34
„Der Online-Charakter von Mechanismen wie Peer-to-Peer-Darlehen und Crowdfunding lässt zwar auf ein großes Potenzial für
die Finanzierung der Wirtschaft über nationale Grenzen hinweg
schließen, doch gibt es diesbezüglich kaum Anzeichen für grenzübergreifende oder europaweite Tätigkeiten. Mehr noch: Erste
Ergebnisse einer von der Kommission initiierten Studie in Folge
der Mitteilung der Kommission zur „Freisetzung des Potenzials
von Crowdfunding in der Europäischen Union“ deuten darauf hin,
dass die unterschiedlichen nationalen Konzepte in diesen Bereichen zwar Crowdfunding auf lokaler Ebene fördern können, aber
in einem grenzüberschreitenden Kontext nicht unbedingt miteinander vereinbar sind.35 Es fehlt hier nicht an der technischen
Interoperabilität, wie dies die Kommission in einem weiteren
Grünbuch zu einem integrierten Markt für Karten-, Internet- und
mobile Zahlungen festgestellt hat,36 sondern v. a. an der regulatorischen Interoperabilität und Kohärenz.
b) Regulierungansätze für „Bitcoin“ und „Crowdfunding“
Dass es im Bereich der digitalen Finanzdienstleistungen an einem kohärenten Regulierungskonzept auf EU-Ebene fehlt, belegen zum einen das Positionspapier der Europäischen Bankenaufsicht, kurz: EBA, zum digitalen Zahlungsmittel Bitcoin und zum
anderen das Positionspapier der European Securities and Markets Authority, kurz: ESMA, zu aufsichtsrechtlichen Fragen des
Crowdfunding.37 Die EBA, die bereits am 13.12.2013 eine öffentliche Warnung herausgab, in der sie Verbraucher auf die fehlende
Regulierung hinwies,38 betont v. a. die Risiken des dezentralen
Zahlungssystems sowie der digitalen Geldeinheit Bitcoin, und
zeigt Möglichkeiten zur Risikominderung auf. Die Stellungnahme
der EBA zielt nicht nur darauf ab, eine gemeinsame Aufsichtskultur und -praxis innerhalb der EU zu bilden, sondern sie soll auch
Grundlage für die Erarbeitung eines Richtlinienentwurfs oder die
28 VO (EU) Nr. 346/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
17.4.2013 über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum, ABlEU
v. 25.4.2013, L 115, 18.
29 Zum aktuellen Stand vgl. ec.europa.eu/​finance/​investment/​long-term/​
index_de.htm (Abruf: 11.10.2015).
30 Hierzu nur Klebeck/​Kunschke, in: Beckmann/​Scholtz/​Vollmer (Hrsg.),
Investment, Stand: Dez. 2014, § 337 KAGB (Europäische Risikokapitalfonds), KZ 405, § 337 KAGB, Rn. 20 ff.
31 Zweifelnd auch schon Klebeck/​Kunschke, in: Beckmann/​Scholtz/​Vollmer
(Hrsg.), Investment, Stand: Dez. 2014, § 337 KAGB (Europäische Risikokapitalfonds), KZ 405, § 337 KAGB, Rn. 155.
32 Europäische Kommission, Grünbuch – Schaffung einer Kapitalmarktunion,
18.2.2015 COM(2015) 63 final („Grünbuch”), S. 18.
33 Vgl. Grünbuch (Fn. 33), S. 18.
34 Vgl. Grünbuch (Fn. 33), S. 20.
35 Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat,
den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss
der Regionen, Freisetzung des Potenzials von Crowdfunding in der Europäischen Union, 27.3.2014, COM(2014) 172 final.
36 Vgl. Grünbuch – Ein integrierter europäischer Markt für Karten-, Internetund mobile Zahlungen, KOM(2011)941.
37 ESMA, Opinion – Investment-based crowdfunding, 18.12.2014,
ESMA/2014/1378.
38 Hierzu schon Schenk/​Grieser, RdF 2015, 29 ff.; Sprengnether/​Wächter,
RdF 2014, 114 ff.
Recht der Finanzinstrumente | 4.2015 | 16.11.2015
Seite 280
Aufsatz
Klebeck/Dobrauz-Saldapenna, FinTechs im Lichte und Schatten
des ­Aufsichtsrechts – quo vadis EU?
Abgabe von Empfehlungen auf dem Feld der Regulierung virtueller Währungen sein und damit einen europaweit einheitlichen
Aufsichtsrahmen zu einem späteren Zeitpunkt schaffen.39
Auch die ESMA-Stellungnahme zu „Crowdfunding“ zielt auf eine
europaweit einheitliche Regulierung bzw. deren Vorbereitung.
In ihrer Analyse stellt ESMA fest, dass zahlreiche Formen des
Crowdfunding so aufgelegt sind, dass weder die Prospektrichtlinie,40 noch die europäischen Vorgaben der Finanzdienstleistungs-Richtlinie (MiFID)41 noch der AIFM-RL zur Anwendung
kommen.42 Ob und inwieweit Handlungsbedarf auf EU-Ebene
besteht, lässt ESMA in ihrer Stellung indes offen. Unbenommen
soll es aber den einzelnen Mitgliedstaaten bleiben, nationale Vorgaben für Anbieter von Crowdfunding-Plattformen zu machen.
Und ein rechtsvergleichender Blick in Europa belegt, dass die
nationalen Aufsichtsbehörden sehr unterschiedlich reagieren.
Ob dies durch die unterschiedlichen Konzepte des nationalen
Aufsichtsrechts bedingt ist oder ob lediglich eine unterschiedliche Regulierungspraxis bzw. Einschätzung der Regulierungsbedürftigkeit besteht, soll an dieser Stelle nicht weiterverfolgt
werden.43
Schaut man auf Deutschland,44 so lässt sich jedenfalls festhalten: Der Gesetzgeber wie auch die deutsche Aufsicht sind nicht
untätig geblieben. Bereits im Jahr 2012 und noch einmal im Jahr
201445 hat die BaFin zur aufsichtsrechtlichen Behandlung von
Crowdfunding Stellung bezogen. Ein einheitliches Regulierungskonzept fehlt auf nationaler Ebene – was richtigerweise dem Umstand geschuldet ist, dass es nicht nur ein Geschäftsmodell bzw.
eine Art des Crowdfunding gibt.46 Crowdfunding-Plattformen und
-Projekte lassen sich nach Ansicht der BaFin dabei nicht immer
eindeutig einem Modell zuordnen – was zu unterschiedlichen
Anforderungen und Vorgaben des nationalen Aufsichtsrechts
führt.47
Nichts Anderes gilt für eine Regulierung von Crowdfunding auf
europäischer Ebene, worauf die EU-Kommission in ihrer Mitteilung jüngst hingewiesen hat: Je nach Geschäftsmodell können
Plattformen, die erfolgreich finanzierten Projekten Gebühren
berechnen, im elektronischen Geschäftsverkehr tätig sein und
somit der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr
unterliegen.48 Zudem kann die Richtlinie über irreführende und
vergleichende Werbung49 für ein Mindestmaß an Harmonisierung
im Hinblick auf irreführende Marketingpraktiken im Zusammenhang mit Business-to-Business-Transaktionen sorgen.
Die Verbraucher könnten weiter durch die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken50 vor irreführenden und aggressiven
Crowdfunding-Praktiken geschützt werden, indem bestimmte Marketingpraktiken verboten werden. Falls die allgemeinen
Recht der Finanzinstrumente | 4.2015 | 16.11.2015
Geschäftsbedingungen der Betreiber von Crowdfunding-Plattformen unlautere Klauseln enthalten, sind diese gemäß der
Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln51 für die teilnehmenden Verbraucher ohne bindende Wirkung. Darüber hinaus sind die EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen und die EUWettbewerbsvorschriften52 auch auf Crowdfunding-Tätigkeiten
anzuwenden.
Weiter können Plattformen, die finanzielle Erträge ermöglichen,
auf EU-Ebene zusätzlichen Vorschriften unterliegen. Anwendbar könnten v. a. die Prospekte-Richtlinien,53 PSD,54 MiFID,55
AIFM-RL,56 Richtlinie betreffend Verbraucherkredite57 und den
39 Hierzu schon Schenk/​Grieser, RdF 2015, 29, 33.
40 RL 2003/71/​EG des Europäischen Parlaments und des Rates 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren
oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der RL 2001/34/​EG, ABlEU v. 31.12.2003, L 345, 64.
41 RL 2004/39/​EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/​EWG und 93/6/​EWG des Rates und der RL 2000/12/​EG
des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der RL
93/22/​EWG des Rates, ABlEU v. 30.4.2004, L 145, 1.
42 ESMA, Opinion – Investment-based crowdfunding, 18.12.2014,
ESMA/2014/1378, S. 5.
43 Bereits 2013 wurde eine Erhebung durchgeführt, um mehr Einblick in die
Anwendung des gegenwärtigen Regelungsrahmens in den einzelnen Mitgliedstaaten auf das Crowdfunding zu gewinnen; vgl. hierzu ECN (2013),
„Review of Crowdfunding Regulation“, abrufbar unter www.europecrowdfunding.org/2013/10/​review-crowdfunding-regulation-2013 (Abruf:
15.6.2015).
44 Hierzu Aschenbeck-Florange/Drefke, RdF 2015, 284 ff. (in diesem Heft).
45 Vgl. die Müller-Schmale, BaFinJournal, Juni 2014, S. 10 ff.
46 Zu verschiedenen Aspekten des Crowdfunding Meschkowski/​Wilhelimi,
BB 2013, 1411 ff.; Schmitt/​Doetsch, BB 2013, 1451 ff.; Weitnauer/​Parzinger, GWR 2013, 153 ff.; Jansen/​Pfeifle, ZIP 2012, 1842 ff.; Nietsch/​Eberle,
DB 2014, 1788 ff.; Klöhn/​Hornuf, ZBB 2012, 237 ff.
47 Vgl. Müller-Schmale, BaFinJournal, Juni 2014, S. 10 ff.
48 RL 2000/31/​
EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbes. des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABlEU v. 17.7.2000, L 178, 1).
49 RL 2006/114/​EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung, ABlEU v.
27.12.2006, L 376, 21.
50 RL 2005/29/​EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
11.5.2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen
Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur
Änderung der RL 84/450/​EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/​EG,
98/27/​EG und 2002/65/​EG des Europäischen Parlaments und des Rates
sowie der VO (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des
Rates, ABlEU v. 11.6.2005, L 149, 22.
51 RL 93/13/​EWG des Rates vom 5.5.1993 über missbräuchliche Klauseln in
Verbraucherverträgen, ABlEU v. 21.4.1993, L 95, 29.
52 S. oben Fn. 42.
53 S. oben Fn. 40.
54 S. oben Fn. 11.
55 S. oben Fn. 41.
56 S. oben Fn. 15.
57 RL 2008/48/​EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL
87/102/​EWG des Rates, ABlEU v. 28.2.2014, L 133, 66.
Seite 281
Aufsichtsrecht
Klebeck/Dobrauz-Saldapenna, FinTechs im Lichte und Schatten
des ­Aufsichtsrechts – quo vadis EU?
Fernabsatz von Finanzdienstleistungen58 sowie die EuVECA- sowie EuSEF-Verordnungen sein.59 Welche Vorschriften auf welche Geschäftsmodelle anzuwenden sind, lässt sich nicht immer
rechtssicher beantworten.60 Und diese Unsicherheit kann –
ebenso wie die nationale Fragmentierung des Aufsichtsrechts
innerhalb von Europa – grenzübergreifende Dienstleistungen
von Crowdfunding-Plattformen in den EU-Mitgliedstaaten nicht
nur einschränken, sondern auch das potenzielle Wachstum von
Crowdfunding in Europa behindern.61
c) E-Geld-Richtlinie und Zahlungsdiensterichtlinie II
In einem anderen Marktsegment digitaler Finanzdienstleistung
ist man bereits einen Schritt weiter: Für Zahlungsdienste stehen
v. a. mit der EMD sowie der PSD europäische Regelwerke zur
Verfügung – obzwar man auch hier lediglich von einer europaweiten Harmonisierung in Ansätzen sprechen kann. Ein einheitlicher
und kohärenter Rechtsrahmen für Zahlungsdienste im EU-Binnenmarkt steht noch aus – wie jüngst Spindler/​Zahrte mit Blick
auf die Überarbeitung der PSD überzeugend dargelegt haben.62
Nicht nur mit Blick auf die PSD, sondern auch mit Blick auf die
EMD lassen sich hierfür nicht nur deren sehr beschränkter Anwendungsbereich, die Möglichkeit des regulatorischen „Opt-out“
der einzelnen Mitgliedstaaten, sondern auch deren verspätete
Umsetzung in das nationale Recht anführen. Letztere war auch
der Grund, warum sich der EU-Gesetzgeber bei der Überarbeitung der PSD gegen ein Zusammenführen der PSD mit der EMD
hin zu einem einheitlichen Rechtsrahmen für alle Zahlungsdienste entschieden hat.63 Damit bleibt es nicht nur auf nationaler,
sondern auch auf europäischer Ebene bei einem regulatorischen
Flickenteppich, an der auch die Überarbeitung der PSD nicht viel
ändern wird.
Dieser negative Befund mag einerseits verwundern, zielt die PSD
doch auf eine Vollharmonisierung (Art. 86 PSD) des rechtlichen
Rahmens des Zahlungsverkehrs in Europa ab – gegen die Bedenken einzelner Mitgliedstaaten. Andererseits steht das hehre Ziel
einer Vollharmonisierung bzw. deren Erreichung in Frage, bietet
auch die überarbeitete Fassung der PSD ob der zahlreichen,
doch weit(er)hin unbestimmten Rechtsbegriffe nicht nur einen
gewissen Umsetzungsspielraum, sondern auch wegen des weiterhin möglichen, regulatorischen Opt-out für die nationalen Gesetzgeber.64 Als Belege lassen sich nicht nur die Diskussion über
die aufsichtsrechtliche Einordnung des Dienstleisters ­PayPal
oder der v. a. wettbewerbsrechtlich ausgetragene Streit über Lieferheld, sondern auch die aktuell geführte Diskussion über die regulatorische Qualifikation der Anbieter von sog. Mobile PaymentLösungen anführen.65 Die geplante Einführung von Apple Pay in
Europa wird auch aufsichtsrechtlich zum Lackmustest – v. a. mit
Blick auf die Neuerungen durch PSD II.
Und eben eine der zentralen Änderungen von PSD II ist die Erweiterung ihres Anwendungsbereichs auf sog. Dritte Zahlungsdienstleister (kurz: TTP). Darunter sind Zahlungsdienstleister
zu verstehen, die gewerbliche Tätigkeiten ausüben, bei denen
es sich um „im Zusammenhang mit dem Zugang zu Zahlungskonten stehende Dienste“ handelt, die in Form von sog. Zahlungsauslösediensten oder sog. Kontoinformationsdiensten von
einem anderen Zahlungsdienstleister als dem kontoführenden
Zahlungsdienstleister erbracht werden (Art. 4 Nr. 11 i. V. m. Anhang I Nr. 7 PSD2). Diese Dienstleister werden Teil des Zahlungsverkehrs und nutzen dessen technische Infrastruktur, ohne
aber selbst in den Besitz des Zahlungsbetrags zu gelangen.66
Bislang konnten TPP nicht eindeutig unter eine der Kategorien
von Zahlungsdienstleistern subsumiert werden, sodass die aufsichtsrechtlichen Vorschriften für sie bislang nicht einschlägig
waren.67
PSD II soll nun einerseits diese Rechtslücke schließen, andererseits aber das Geschäftsmodell der TPP unterstützen.68
Dies geschieht einerseits durch die Klarstellung, dass deren
Geschäftsmodell grundsätzlich zulässig ist, was in vielen EUMitgliedstaaten bislang nicht der Fall oder zumindest umstritten
war. Andererseits sollen kontoführende Zahlungsdienstleister
zur diskriminierungsfreien Kooperation mit den TPP verpflichtet
werden.69 Dieser Kooperationszwang ist ein Novum im Bereich
der Zahlungsdienste und wirft Folgefragen auf.70 Bislang unbeantwortet, aber zentral ist die Frage, auf welche Weise dem
Zahlungsdienstleister, dem die Bereitstellung der notwendigen
Infrastruktur und deren Entwicklung, Betrieb und Sicherung
58 RL 2002/65/​EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
23.9.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbrau­
cher und zur Änderung der RL 90/619/​EWG des Rates und der Richtlinien
97/7/​EG und 98/27/​EG, ABlEU v. 9.10.2002, L 271, 16.
59 S. oben Fn. 27 und Fn. 28.
60 Zur Rechtsunsicherheit im Bereich der digitalen Finanzdienstleistungen
vgl. auch Dapp, Deutsche Bank Research vom 28.4.2015, S. 3.
61 ESMA, Opinion – Investment-based crowdfunding, 18.12.2014,
ESMA/2014/1378, 9.
62 Spindler/​Zahrte, BKR 2014, 265 ff.
63 Vgl. hierzu schon Spindler/​Zahrte, BKR 2014, 265, 267 m. w. N.
64 Hierzu auch Hingst/​Lösing, BKR 2014, 315, 319.
65 Eingehend hierzu auch Danwerth, ZBB 2015, 119 ff.; Baumann, GWR 2014,
493 ff.
66 Vgl. Spindler/​Zahrte, BKR 2014, 265, 267 ff.
67 Vgl. Spindler/​Zahrte, BKR 2014, 265, 267 ff.; Hingst/​Lösing, BKR 2014,
315, 318 ff.
68 Spindler/​Zahrte, BKR 2014, 265, 268 m. w. N.
69 Zum sog. TTP und v. a. auch zu den Haftungsrisiken und -fragen bei der
Einschaltung eines Dritten Zahlungsdienstleister vgl. Kokert/​Held, BaFinJournal, Juni 2014, S. 26, 27 ff.
70 Hierzu schon Spindler/​Zahrte, BKR 2014, 265, 269 f.
Recht der Finanzinstrumente | 4.2015 | 16.11.2015
Seite 282
Aufsatz
Klebeck/Dobrauz-Saldapenna, FinTechs im Lichte und Schatten
des ­Aufsichtsrechts – quo vadis EU?
auferlegt wird, hierfür eine Vergütung erhalten soll.71 Sollten diese Gebühren weitverbreitet und hoch sein, könnte in der Tat der
Nutzen des Geschäftsmodells des dritten Zahlungsdienstleisters
konterkariert werden.72 Diese Diskussion wird man richtigerweise jedoch nicht isoliert, sondern v. a. im Kontext mit dem Haftungsregime der PSD II führen müssen.73
Weitere Lücken bzw. Inkohärenzen der PSD sollen auch mit Blick
auf deren Anwendung auf Zahlungsdienste geschlossen werden,
bei denen ein Beteiligter außerhalb der EU/​EWR ansässig ist –
sog. One-Leg-Approach. Nach derzeit (noch) geltender Fassung
greift nach Art. 2 Abs. 1 PSD die Richtlinie für Zahlungsdienste,
die innerhalb der Gemeinschaft geleistet werden. Mit Ausnahme
des Artikels 73 PSD gelten die Titel III (Transparenzpflichten der
Vertragsbedingungen und Informationspflichten für Zahlungsdienste) und Titel IV (Rechte und Pflichten bei der Erbringung und
Nutzung von Zahlungsdiensten) der PSD jedoch nur dann, wenn
sowohl der Zahlungsdienstleister des Zahlers als auch der des
Zahlungsempfängers in der Gemeinschaft ansässig sind oder –
falls nur ein einziger Zahlungsdienstleister an dem Zahlungsvorgang beteiligt ist – dieser in der Gemeinschaft ansässig ist – sog.
Two-Leg-Approach.
PSD II sieht insoweit eine punktuelle Ausweitung des Anwendungsbereichs vor.74 Danach soll die PSD für in der EU erbrachte
Zahlungsdienste, wenn sowohl der Dienstleister des Zahlers als
auch der des Empfängers in der EU ansässig ist oder – falls nur
ein einziger Zahlungsdienstleister an dem Zahlungsvorgang beteiligt ist – dieser in der EU ansässig ist. Art. 78 (ex-Art. 73) und
Titel III gelten indes auch für Zahlungsvorgänge, bei denen lediglich einer der beteiligten Zahlungsdienstleister in der EU ansässig
ist, in Bezug auf die Bestandteile der Zahlungsvorgänge, die in
der EU getätigt werden. Was dies für Zahlungsdienste-Anbieter
aus Drittstaaten bedeutet, ist nicht abschließend beantwortet.75
Bedeutet dies, dass diese nicht einer Zulassung als Zahlungsinstitut, den Regelungen zu Anfangskapital, Eigenmitteln oder zu
den Sicherungsanforderungen unterliegen, die der nach dem
Wortlaut nicht anwendbare Titel II der PSD vorschreibt? Dürfen
die einzelnen Mitgliedstaaten insoweit national unterschiedliche
Anforderungen stellen? Ein stimmiges Konzept für Zahlungsdienstleister aus Drittstaaten fehlt – was v. a. mit Blick auf das
gleichsam auf EU-Ebene verfolgte Ziel einer Angleichung der globalen Finanzmarktregulierungen fraglich erscheint.
d) PSD II, EMD, MIFID II, AIFM-RL etc. – Regulierung als
Chance
Vor diesem aufsichtsrechtlichen Hintergrund und Befund erstaunt
es nicht – der aktuelle Wettbewerb findet zwischen den traditionellen, stark regulierten Finanzdienstleistern und den neuen, bislang wenig oder gar nicht regulierten FinTech-Unternehmen bzw.
Recht der Finanzinstrumente | 4.2015 | 16.11.2015
gar branchenfremden Akteuren statt. Und der momentane Regulierungsunterschied hat einen wesentlichen Einfluss auf diesen
Wettbewerb.76 Eine Strategie von FinTechs, sich im Wettbewerb
mittels Regulierungsarbitrage durchsetzen zu wollen, erweist
sich als riskant. Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden werden bei
der Regulierung der digitalen Finanzdienstleister nachziehen –
was etwa PSD II mit der Erweiterung ihres Anwendungsbereichs
auf Dritte Zahlungsdienstleister im Ansatz andeutet. Bislang konzentriert sich das aktuelle Angebot der neuen, digitalen Finanzmarktakteure vielfach auf Produkte und Dienste, die nicht einer
regulatorischen Aufsicht unterliegen – wenn man das mit der
notwendigen Rechtssicherheit überhaupt sagen kann.
Rechtspolitisch steht man hier vor der nicht immer einfach zu
beantwortenden Frage nach der „richtigen“ bzw. der angemessenen Regulierung für alle Finanzmarktteilnehmer.77 Eine wettbewerbliche Angleichung der aktuell geltenden Regulierung „nach
unten“ ist unwahrscheinlicher als eine Anhebung „nach oben.“78
Zu bedenken ist aber auch hier, dass ein immer engmaschigeres
Regulierungsgeflecht – insbes. im Bereich digitaler Finanzdienstleistungen – innovationshemmend wirken kann.79 Für kleine(re)
FinTech-Unternehmen stellt sich bei einer überbordenden Regulierung vielfach die Existenzfrage.
Insoweit geniessen derzeit die traditionellen Banken und Finanzdienstleister durch die finanzmarktrechtlichen Vorgaben und Regulierungen nicht nur Kostennachteile, sondern durchaus auch
Wettbewerbsvorteile. Regulierung der Finanzmärkte kann demnach für die Akteure nicht nur Zwang bedeuten, sondern auch
71 Hierzu auch die Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft zum Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie
(PSD II), abrufbar unter www.die-deutsche-kreditwirtschaft.de/​uploads/​
media/131202_DK-Position-PSD_II.pdf (Abruf: 11.10.2015), S. 8.
72 So etwa die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen
Parlaments und des Rates über Interbankenentgelte für kartengebundene
Zahlungsvorgänge COM(2013) 550 final – 2013/0265 (COD) und zu dem
Vorschlag für eine RL des Europäischen Parlaments und des Rates über
Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/​
EG, 2013/36/​
EU und 2009/110/​
EG sowie zur Aufhebung der RL
2007/64/​EG COM(2013) 547 final – 2013/0264 (COD) vom 11.12.2013,
abrufbar unter ec.europa.eu/​internal_market/​payments/​docs/​framework/130724_proposal-revised-psd2_en.pdf (Abruf: 11.10.2015), S. 9
unter 2.29.
73 Hierzu aufschlussreich auch Kokert/​Held, BaFinJournal, Juni 2014, S. 26,
31 ff.
74 Eingehend Hingst/​Lösing, BKR 2014, 315, 316 ff.
75 Vgl. hierzu auch Hingst/​Lösing, BKR 2014, 315, 316 ff.
76 Vgl. Dapp, Deutsche Bank Research vom 23.9.2014, S. 1.
77 Vgl. auch Dapp, Deutsche Bank Research vom 28.4.2015, S. 16, der einen
für alle Akteure geltenden regulativen, fairen Rechtsrahmen fordert.
78 So auch Dapp/​Stobbe/​Wruuck, Deutsche Bank Research vom 5.2.2013,
S. 28.
79 So schon Hingst/​Lösing, BKR 2014, 315, 323; Danwerth, ZBB 2015, 119,
136.
Seite 283
Aufsichtsrecht
Klebeck/Dobrauz-Saldapenna, FinTechs im Lichte und Schatten
des ­Aufsichtsrechts – quo vadis EU?
eine Chance. Erfolg haben werden in Zukunft jene Akteure, die
die unverrückbaren Vorgaben in Form von neuen Standards und
neuen Vorschriften mit den neuen Bedürfnissen der Kunden
rechtzeitig möglichst nahe zur Deckungsgleichung bringen. Widerstand gegen neue Rechtsvorschriften und Standards ist ebenso zukunftsfeindlich wie die Aberkennung der digitalen Zukunft
im Banken- und Finanzdienstleistungssektor.80
Notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung ist freilich
ein kohärentes bzw. harmonisiertes Regulierungskonzept auf EUEbene in Form von stabileren, transparenteren und planbaren,
rechtlichen Rahmenbedingungen. Dies gilt für die traditionellen
wie auch neuen Finanzmarktakteure in gleichem Maße.
4. Regulierung der Finanzmärkte kann nicht nur Zwang bedeuten, sondern auch eine Chance. Dies setzt freilich stabile,
transparentere und planbare, rechtliche Rahmenbedingungen voraus – im Interesse aller Finanzmarktakteure.
Autoren
Dr. Ulf Klebeck ist als General Counsel
bei Woodman Asset Management AG, Zug,
im Bereich Asset Management tätig und
Mitherausgeber der RdF. Er ist spezialisiert auf das nationale und internationale
Investment-, Steuer- und Gesellschaftsrecht.
Zusammenfa ssung
1. Spezialisierte und qualifizierte Finanztechnologie-Unternehmen wie auch branchenfremde Akteure drängen auf den Finanzmarkt und sagen den traditionellen Banken und Finanzdienstleistern den Kampf an.
2. Der derzeitige Wettbewerb wird auch und insbes. durch die
EU-Finanzmarktregulierung bestimmt. Ein stimmiges Regulierungskonzept ist derzeit noch nicht erkennbar. Punktuelle
Eingriffe in Teilbereiche der digitalen Finanzmarktregulierung
sind gut gemeint; sie werfen indes Folgefragen auf.
3. Die Hoffnung, den Wettbewerb mit Hilfe von Regulierungsarbitrage zu gewinnen, ist nicht begründet. Der Gesetzgeber
wie auch Aufsichtsbehörden werden Rechtslücken schließen
und damit ein Level Playing Field herstellen.
Dr. Günther Dobrauz-Saldapenna ist
Partner der PricewaterhouseCoopers (PwC)
AG Zürich und Leiter des Bereichs Legal
Regulatory & Compliance Services. Er ist
spezialisiert auf Finanzmarkt- und Investmentrecht.
80 Vgl. Dobrauz-Saldapenna, Kerndisziplin, Magazin „Fonds“ zur Ausgabe
Nr. 9 der Finanz und Wirtschaft (FuW), 4.2.2015, 35.
Recht der Finanzinstrumente | 4.2015 | 16.11.2015
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)