BRANCHE Die Denkfabrik von HELMUT ANGELI Der deutsche Werkzeugmaschinenbau gilt – und das völlig zu Recht – in Sachen Innovationskraft als die weltweite Nummer 1. Und doch bedarf es aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder Anstöße von externer Seite. Dafür greifen die Unternehmen meist auf Ingenieurbüros zurück. Zu den wenigen, die sich im deutschsprachigen Raum einen wirklich guten Namen gemacht haben, gehört dabei ohne Frage die Roschiwal + Partner Ingenieur GmbH. 78 NCF Februar | 2016 Dipl.-Ing. Helmut A. Roschiwal, Gründer und Namensgeber der 1984 gegründeten Firma. Bilder:Roschiwal gar als Personalvermittler agieren. Er sah sich und seine Mitarbeiter da schon eher als einen Entwicklungspartner auf Augenhöhe. Eine Einschätzung, die von den Kunden sehr schnell akzeptiert und honoriert wurde. So konnte schon drei Jahre nach der Gründung ein erstes eigenes Gebäude bezogen werden. Helmut Roschiwal, heute 74 Jahre alt und ,nur‘ mehr als Beirat im Unternehmen, erinnert sich: „Zu unseren ersten und dann treuesten Kunden gehörte Werner Babel, für dessen Unternehmen Maho wir einige Baugruppen entwickelten, die nicht unwesentlich zu dem rasanten Aufstieg der Maho AG beigetragen haben.“ Schwerpunkt ist der Werkzeugmaschinenbau Technischer Geschäftsführer Dipl.-Ing. Robert Merk mit einer aus CFK gefertigten Pinole. Technischer Geschäftsführer Dipl.-Ing. Günter Denuel (rechts) beim Projektgespräch. Apropos rasanter Aufstieg: Heute beschäftigt die Roschiwal + Partner Ingenieur GmbH mit Hauptsitz in Augsburg, einer Schwestergesellschaft in Berlin und zwei Tochterfirmen in Rumänien über 100 Ingenieure aus unterschiedlichsten Fachrichtungen und wird geführt von den Geschäftsführern Günther Denuel, Robert Merk und Sabine Roschiwal. Die Aufgabenstellung in den Fachbereichen umschreibt Dipl.-Ing. Robert Merk so: „Unser Schwerpunkt ist der Werkzeugmaschinenbau und hier bewegen wir uns ausschließlich im Bereich der Mechanik, unsere Schnittstelle ist der Umrichter am Motor. Dabei versuchen wir bei der Produktentwicklung wie bei Konstruktionsaufträgen, die Wissenstiefe unserer Kunden durch unsere über Jahre gewachsene branchenübergreifenden Erfahrungen zu ergänzen, um so zu innovativen Produkten zu kommen.“ Dass sich auf diese Weise gleichzeitig die Innovationsgeschwindigkeit der Kunden wesentlich erhöht, ist sicher mehr als nur ein angenehmer Nebeneffekt. Wobei, so Helmut Roschiwal, eine Einschränkung gilt: „Wir arbeiten ausschließlich für Kunden aus dem deutschsprachigen Raum. Wir haben zwar in der Vergangenheit auch schon für asiatische Firmen gearbeitet, aber sind im Laufe der Zeit zu der Überzeugung gelangt, dass es besser ist, wenn unser Know-how nicht dorthin fließt.“ Konstruktion legt 70 Prozent der Produktkosten fest G ründer und Namensgeber der 1984 gegründeten Firma ist Dipl.-Ing. Helmut A. Roschiwal. Schon bevor er sich selbstständig machte, war er als junger Dipl.-Ing. in einem Ingenieurbüro beschäftigt, aber die dortigen Arbeits- und Denkweisen entsprachen so gar nicht seinem Verständnis von anspruchsvollen Entwicklungspartnerschaften. Der Schritt in die Selbstständigkeit war dann nur konsequent. Lachend erinnert er sich an die Anfänge: „Unser erster Unternehmenssitz war eine komplette Etage mit rund 650 m2, in die ich, meine Frau und ein Mitarbeiter einzogen. Das war ein doch sehr mutiger Schritt, aber mir war schon damals eines bewusst: Wirklich anspruchsvolle Entwicklungsarbeit kann nur in einem größeren Team betrieben werden – ein Einzelner ist angesichts der Komplexität der Aufgabenstellungen schnell überfordert.“ Und so war seine Geschäftsidee nur teilweise deckungsgleich mit der ,normaler‘ Ingenieurbüros, die meist als verlängerte Werkbank nur Auftragsarbeiten abwickeln oder Aber nicht nur Komplettentwicklungen, sondern auch Teilleistungen wie zum Beispiel Projektstudien, Produktplanung, Programme zur Senkung der Herstellkosten und technische Berechnungen gehören zum Angebot der Firmengruppe. Um die Kompatibilität zu den unterschiedlichen Kunden zu gewährleisten, arbeitet das Unternehmen mit durchschnittlich zehn verschiedenen CAD-Systemen. Berechnungen werden erstellt mit Hilfe von bewährten Programmen – zum Beispiel KISSsoft – bis hin zu umfangreichen FEM-Analysen. Die Vorgehensweise umschreibt Robert Merk so: „Heute müssen Produkte nicht nur innovativer sein als die der Konkurrenz, sie müssen auch zu wettbewerbsfähigen Kosten hergestellt werden. Zirka 70 Prozent der Kosten eines Produktes werden bereits in der Konstruktion festgelegt und sind später kaum noch beeinflussbar. Deshalb hat sich bei uns die Vorgehensweise, die festgesetzten Zielkosten einer Maschine auf Baugruppen und Einzelteile herunterzubrechen, um dann nach dem Bottom-Up-Prinzip die Zielkosten auch NCF Februar | 2016 79 Erstmals auf der EMO 2013 präsentiert: Patentierte Werkzeugaufnahme mit CFK-Elementen. Alle gängigen CAD-Systeme stehen den Entwicklern zur Verfügung. wirklich zu erreichen, als die deutlich beste erwiesen.“ Auftragsarbeiten sind aber längst nicht alles bei Roschiwal + Partner. Dipl.-Ing. Günther Denuel: „Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir auf eigene Rechnung Grundlagenforschung betreiben und dem Markt so immer wieder Pionierarbeiten präsentieren können und deshalb im Fokus vieler potentieller Kunden bleiben.“ Helmut Roschiwal: „Für uns ist das sehr wichtig, denn vergangene, sprich realisierte und in Produkte umgesetzte Entwicklungsaufträge sind Stand der Technik. Über aktuelle Aufgaben dürfen wir nicht reden. Also bleiben nur zukunftsorientierte Themen, mit denen wir auf unsere Möglichkeiten aufmerksam machen können.“ CFK-Hülse reduziert Masse um die Hälfte Dass dies dem Unternehmen durchaus gelungen ist, lässt sich an Beispielen belegen. So beim Einsatz neuer Werkstoffe wie dem CFK. Wer den Stammsitz in Augsburg besucht, dem fällt sehr wahrscheinlich sofort eine aus CFK gefertigte Pinole ins Auge. Oder die Entwicklung einer Werkzeugaufnahme mit CFK-Elementen. Die Lizenzrechte dafür sind bereits an einen Hersteller vergeben. Diese Innovation wurde auf der EMO 2013 erstmals präsentiert. Robert Merk erinnert sich: „Unser Ziel damals war, die rotierenden Massen der Werkzeugaufnahme zu reduzieren und zugleich ihre Steifigkeit zu gewährleisten. Deshalb hat das Entwicklungsteam nicht in die stark belasteten Bereiche des Hohlschaftkegels eingegriffen, sondern nur die stabilisierende Stahlmasse im Bereich der Werkzeugklemmung durch Kohlefaserlagen ersetzt.“ Untersucht wurden die heute gängigen Systeme Schrumpffutter, Spannzangenfutter und Weldon. Logische Folge der reduzierten Mas- Die Streamfinishanlage SF Pulsfinish wurde speziell auf das Anforderungsprofil von Linienfertigungen ausgelegt. se der Werkzeugaufnahme ist eine erhebliche geringere Massenträgheit: Im Vergleich zur Stahlausführung sinkt sie beim Schrumpffutter um ein Drittel. Noch drastischer fällt die Differenz zu einer Weldon-Aufnahme aus. Hier reduziert die CFK-Hülse die Masse um die Hälfte und das Massenträgheitsmoment um zwei Drittel. Projekte aus den unterschiedlichsten Bereichen Von dieser Schlankheitskur profitieren gleich mehrere Bauteile einer Werkzeugmaschine: zum einen die Spindel samt Antrieb, zum anderen das Werkzeugwechselsystem. So wirken beim Einfahren des Kegels in die Spindel geringere Massenkräfte, was sowohl die Spindel mit Lagerung als auch die Aufnahme schont. Der Antrieb muss eine geringere Beschleunigungsleistung produzieren beziehungsweise geringere Bremsmomente verkraften und kommt dadurch mit einer geringeren Kühlleistung und weniger Energieeinsatz aus. Trotz dieser Einspareffekte lassen sich die Drehzahlen in kürzerer Zeit verändern und damit die Start- und Stoppvorgänge der Spindel beschleunigen – zum Nutzen der Produktivität der Maschine. Gleiches gilt für den Werkzeugwechselvorgang. Er geht durch die geringeren zu bewegenden Massen schneller, auf die Werkzeugaufnahmen wirken geringere Kräfte, und die Antriebe von Wechsler und Magazin werden durch niedrigere Momente geschont. Neben den positiven Effekten auf der Maschinenseite bewirkt die Kohlefaserverbundkonstruktion eine Qualitätssteigerung auf Werkstückseite. Geringere oszillierende Massen senken die Unwucht und präzisieren den Rundlauf – sowohl im Sinne einer längeren Standzeit des Werkzeugs als auch einer homogeneren Oberfläche des Werkstücks. Darüber hinaus verfügt die CFK-Hülse über bessere Dämpfungseigenschaften als der Stahlkegel, was in kritischen Bereichen die Vibrationen senkt und damit ebenfalls der Oberflächengüte zugute kommt. Die begrenzte Wärmebelastbarkeit der Kunststoffkomponenten in dem CFK-Teil hat übrigens bewirkt, dass die Ingenieure von Roschiwal + Partner den herkömmlichen Schrumpfprozess zur Fixierung des Werkzeugs umgedreht haben. Anstatt den Kegel vor dem Einsetzen des Werkzeugs zu erwärmen, wird das Werkzeug abgekühlt. Auch wenn der Schwerpunkt ganz klar auf dem Umfeld Werkzeugmaschinen (und Werkzeuge) liegt, ist damit das Portfolio von Roschiwal + Partner bei weitem nicht vollständig beschrieben. Viele Projekte aus den Bereichen Verpackungs- und Prüfstandstechnik oder Automatisierung, Mechatronik und Medizintechnik belegen dies und rechtfertigen gleichzeitig das Prädikat „Die Denkfabrik“. W www.roschiwal.de 80 NCF Februar | 2016
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