Bundesgerichtshof entscheidet: Eine einzige Benutzungshandlung

Bundesgerichtshof entscheidet:
Eine einzige Benutzungshandlung sichert den
Rechtserhalt einer Marke
Von Dr. Thomas Kloiber,
vkk Patentanwälte
Im Rechtsstreit I ZR 156/10 „ORION“ gab uns der BGH den folgenden Leitsatz mit:
Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls kann auch ein einziger Liefervertrag
mit einem einzelnen Kunden für eine ernsthafte Benutzung der Marke ausreichen, wenn der
Vertrag einen nach den Verhältnissen des Markeninhabers erheblichen Umfang hat.
In dem Rechtsstreit, an dem der Autor dieses Artikels auf der Klägerseite beteiligt
war, nahm die Klägerin die Beklagte auf Einwilligung in die Schutzentziehung der
internationalen Registrierung Nr. 211 014 „ORION“ in Deutschland in Anspruch,
weil die Beklagte ihre Marke im Inland nicht rechtserhaltend benutzt habe. Nachdem
das Landgericht München die Schutzentziehung antragsgemäß für alle Waren
verfügt hatte, nahm das Oberlandesgericht die Waren Fernsehgeräte und Ersatzteile
von der Schutzentziehung aus. Diese Entscheidung wurde vom BGH bestätigt. Dem
lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beklagte und Markeninhaberin ist ein ungarisches Handelsunternehmen.
Wenige Monate vor Einreichung der Klage verkaufte sie 2.316 Fernsehgeräte unter
der Marke „ORION“ an eine deutsche Warenhandelsgesellschaft, die die Geräte
jedoch nicht in Deutschland auf den Markt bringen wollte. Vielmehr geht aus
formularmäßigen Vertragsunterlagen der Warenhandelsgesellschaft hervor, dass die
Waren für Tochtergesellschaften in Griechenland, Spanien und Portugal bestimmt
waren. Die Lieferung sollte aus logistischen Gründen aus Ungarn an zwei deutsche
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Cross-Docking-Lager geliefert werden, die von einer mit der
Warenhandelsgesellschaft nicht identischen Logistikfirma betrieben werden. Von
dort sollten sie durch die Auslandstöchter in Griechenland, Spanien und Portugal
abgerufen wurden. In dem „Globalauftrag“ zwischen der Beklagten und der
Warenhandelsgesellschaft war auch bestimmt, dass die Beklagte ihre Rechnungen
direkt an die ausländischen Tochtergesellschaften zu stellen habe.
Aus Sicht der Klägerin hat die Beklagte also durch Vermittlung der deutschen
Warenhandelsgesellschaft Geschäfte mit deren Tochterunternehmen in
Griechenland, Spanien und Portugal gemacht und die Ware lediglich aus
logistischen Gründen zunächst an zwei Cross-Docking-Lager in Deutschland
geliefert. Solche Lager dienen allein zum Umladen der Ware von einem LKW auf
den anderen. Sie bleiben dabei auf Normpaletten verpackt. Wie aus dem
„Globalauftrag“ hervorging, waren die Fernsehgeräte unverzüglich und in vollem
Umfang in die Bestimmungsländer zu liefern, was auch geschah.
Der BGH sieht hierin dennoch eine rechtserhaltende Benutzung der Marke
„ORION“, da die Lieferung die Absicht belegen könne, einen Absatzmarkt zu
erschließen. Vertragspartner sei die deutsche Warenhandelsgesellschaft gewesen, in
deren Entscheidungsfreiheit es gelegen habe, die Waren in Deutschland in den
Verkehr zu bringen oder an ausländische Tochterunternehmen weiterzuleiten.
Letzteres stehe einer rechtserhaltenden Benutzung der Marke in Deutschland nicht
entgegen.
Die Argumentation des BGH ist angreifbar und durchaus nicht in allen Punkten
einleuchtend. Es soll hier nicht diskutiert werden, ob 2.316 Fernsehgeräte in
Anbetracht sonst üblicher Handelsvolumina mehr als eine symbolische Benutzung
der Marke begründen können oder ob ein einziger Kunde in Deutschland genügt.
Folgende Umstände hätten aber bei der Entscheidung berücksichtigt werden
müssen:
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Ein Inverkehrbringen der Waren in Deutschland war weder seitens der
Beklagten noch seitens der Warenhandelsgesellschaft jemals beabsichtigt.
Vielmehr hatte die Warenhandelsgesellschaft bereits mit ihrem Globalauftrag
die Weiterleitung der Waren an ihre ausländischen Töchter verfügt. Die
Waren wurden auch in Deutschland nicht an die Warenhandelsgesellschaft
selbst, sondern an die beauftragte Logistikfirma und deren Cross-DockingLager geliefert und von dort weitergeleitet. Es ist lebensfremd anzunehmen,
die Warenhandelsgesellschaft könne ihre Entscheidung noch ändern und die
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Ware in Deutschland vertreiben, nachdem sie bereits über die Weiterleitung
an ihre ausländischen Töchter verfügt und dies allen Beteiligten mitgeteilt
hatte. Die vom BGH unterstellte Entscheidungsfreiheit bestand daher
praktisch nicht.
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Deutschland war vielmehr lediglich Durchgangsland. Ein markenrechtlich
relevanter Import nach Deutschland hat nicht stattgefunden, da die Ware
nicht für den deutschen Markt bestimmt war. Wäre die Ware im
Zollverschluss durch Deutschland durchgeführt worden, wäre eine
rechtserhaltende Benutzung in Deutschland nach der einschlägigen
Rechtsprechung zu verneinen gewesen. De facto haben wir es hier mit einer
Durchfuhr zu tun, die nur deshalb nicht unter Zollverschluss erfolgte, weil
alle betroffenen Länder der EU angehören.
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Selbst wenn man von einem Import nach Deutschland ausgehen wollte, wäre
hierin nur eine einzige Benutzungshandlung der Marke zu sehen, die für eine
rechtserhaltende Benutzung nicht ausreichend ist, weil nicht 2.316
Fernsehgeräte an 2.316 Kunden geliefert worden sind, die alle die Marke
wahrgenommen hätten. Vielmehr konnte die Marke, wenn sie denn
überhaupt unter der Umverpackung der Paletten erkennbar war, lediglich
von ein paar wenigen Lagerarbeitern wahrgenommen werden. Gemäß einer
Entscheidung des EuGH (GRUR 2003, 425 Rn. 43 – Ansul/Ajax) können
Verwendungen, die in dem betreffenden Wirtschaftszweig nicht als
gerechtfertigt anzusehen sind, um Marktanteile für die durch die Marke
geschützten Waren zu gewinnen, gegen eine ernsthafte Benutzung sprechen.
Dies ist hier der Fall. Durch die Lieferung der Fernsehgeräte in das CrossDocking-Lager, das Umladen auf andere LKW und den Transport ins Ausland
lassen sich keine Marktanteile in Deutschland für die mit der Marke „ORION“
versehenen Fernsehgeräte gewinnen.
Laut der o.g. Entscheidung des EuGH ist die Frage der rechtserhaltenden Benutzung
anhand sämtlicher relevanter Umstände zu prüfen. Der BGH scheint im
vorliegenden Fall einige relevante Umstände nicht berücksichtigt zu haben.
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