wo ist die zukunft geblieben 2.2.

2.2.
Vor dem Überholen
empfiehlt sich ein Blick
in den Rückspiegel
Über die Literatur als
Medium des Gedächtnisses und der Gegenwartswahrnehmung
Einführung:
Michael Krüger
Vortrag:
Ijoma Mangold
Dienstag, 2. 2. 2016
Beginn 19 Uhr
Das Beruhigende an der Zukunft ist, daß sie in jedem
Fall kommt. Es ist dieser Umstand zugleich das Beunruhigende an der Zukunft. Wer mehr von ihr will,
als daß sie nur kommt, beschwört sie entweder als
Morgenröte eines neuen Zeitalters oder malt sie mit
düsteren Zeichen als letzte Tage der Menschheit
an die Wand, bevor dann der Letzte das Licht ausmacht. Utopie oder Apokalypse sind zwei Seiten
der selben Medaille:
Ein Ungenügen an der
Gegenwart, deren Gebrechen entweder zum
großen Knall hochgerechnet oder aber siegreich überwunden werden sollen. Am Ende aber
kommt immer nur die
Zukunft, die in jedem Fall
kommt. Sie spart zwar
wahrlich nicht mit atemverschlagenden Innovationen,
ist aber doch nicht das, was sich der Utopiker wie
der Apokalyptiker von ihr versprochen hatte. Deswegen brauchen wir die Literatur, weil sie mehr Komplexität verarbeiten kann und so unseren Blick auf
Winkel unserer Gegenwart lenkt, aus denen das
Neue entsteht, ohne daß es sich laut ankündigt. I. M.
© CHRISTIAN KAUFMANN
WO
IST DIE
ZUKUNFT
GEBLIEBEN
Ijoma Mangold, ist nach Stationen bei der Berliner
Zeitung und der Süddeutschen Zeitung Literaturchef
der ZEIT. Geboren 1971 in Heidelberg, hat er Literaturwissenschaft und Philosophie in München, Berlin
und Bologna studiert. Er ist Träger des Berliner Preises für Literaturkritik, war Gastprofessor für Literaturkritik an der Universität Göttingen und moderierte
zusammen mit Amelie Fried die ZDF-Literatursendung
»Die Vorleser«. Lebt in Berlin.