Steil geneigt und hinterlüftet

T i t e lt h e m a
T i t e lt h e m a
Häufig trifft man den
„Heidefirst“ als Dach­abschluss an.
Abschluss eines Hauses erfüllen kann, hat
der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks die zuletzt im Jahr 2008
angepassten „Fachregeln für die Dachdeckung mit Reet“ entworfen.
Genäht, gebunden oder geschraubt
Grundsätzlich kann man 3 Grundarten der
Ausführung unterscheiden: die gebundene
Deckung, die genähte Deckung und die
geschraubte Deckung. Die in Deutschland
am häufigsten angewandte Befestigungstechnik ist heute das geschraubte Reetdach.
Hierbei wird mit einem Draht, der an eine
Schraube (Mindestgröße von 4,5 × 35 mm)
gedrillt ist, das Reet befestigt. Der eingesetzte Draht ist ein nicht rostender Stahldraht,
der eine Mindestdicke von 1 mm hat. Die
Decklage wird mit dieser Schraube-DrahtKombination an die Latten angeschraubt.
Der Abstand der Schraubung darf 20 cm
nicht überschreiten. Die Dauerhaftigkeit
des geschraubten Daches ist abhängig von
der Befestigung der Schrauben in den Latten und der Festigkeit der Rödelung des
Drahtes. Es gilt hierbei zu beachten, dass
die Schraubung nicht im Lattenrandbereich
eingedreht und die Latte durch die Schraubung nicht gespalten werden darf.
Lebensdauer abhängig von
Dachneigung
Fotos: Holzmann
Grundsätzlich gibt es beim Schilfrohrdach – dem Reetdach – drei Deckungsarten: die gebundene Deckung,
die genähte Deckung und, am häufigsten anzutreffen, die geschraubte Deckung.
Steil geneigt und hinterlüftet
REetdachdeckung Dachdeckungen mit Reet sind traditionelle Bedachungen, deren handwerkliche
Regeln sich über Jahrhunderte entwickelt haben. Während die fachliche Ausführung – bei einer Mindest­dachneigung
von 45° – sich nur unwesentlich veränderte, haben sich die bauphysikalischen Aspekte grundlegend gewandelt.
Gerhard Holzmann
G
rundsätzlich hat sich an der handwerklichen Arbeit über die Jahrhunderte nicht viel geändert. Hier und
da sind die Abstände von Dachelementen
perfektioniert, die ehemals reine Handarbeit
wird heute mit Kleinmaschinen wie einem
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Akkuschrauber unterstützt, aber die meisten Werkzeuge sind im Gros identisch mit
denen, die der Reetdachdecker auch schon
vor 100 Jahren oder auch noch längerer Zeit
nutzte. Was sich allerdings deutlich änderte, ist die Konstruktion unterhalb des Reets.
Während man früher in den sogenannten
Rauchhäusern keinen Kamin hatte, sondern die Abgase der Feuer- und Kochstelle
durch das Weichdach hindurch ins Freie
führte, müssen bei heutigen Neubauten
Vorgaben wie die Energiesparverordnung
berücksichtigt werden. Hierdurch werden
gewisse Dogmen eines traditionellen Reetdachhauses deutlichst verändert, so ist beispielsweise die Konstruktion unterhalb der
Dachdeckung luftdicht auszuführen und im
Sinne der Energieeinsparverordnung eine
vollflächig geschlossene Dämmlage unterhalb der Rohrdeckung, mindest aber auf
der obersten Geschossdecke, auszuführen.
Dies alles führt dazu, dass so mancher aus
dem Urlaub mitgebrachte Reetdachwunsch
eines Bauherrn nicht wirklich verordnungsgemäß auszuführen ist. Es zieht keine Luft
mehr über den Wohnraum durch das Reet
ins Freie. Die Reetdachdeckung muss so aufgebaut sein, dass die Unterseite schon durch
die Konstruktion alleine ordentlich belüftet
wird und keine Schäden durch dauerfeuchte Bereiche eintreten. Ein weiteres häufiges
Problem der Moderne ist die Gestaltung
der Dachflächen selbst. Die heutige Bauherrschaft möchte häufig möglichst viele
Gauben, damit auch der Dachraum wohnlich genutzt werden kann und entsprechend Tageslicht in die Räume eindringt.
Diese und ähnliche Bauherrenwünsche
sind jedoch beim Reetdach aus technischer
Sicht nicht immer vernünftig, wenngleich
sie vielleicht schön anzusehen sind. Damit
das traditionelle Reetdach auch heute seine
ihm zugedachten Aufgaben als oberster witterungssicherer und möglichst dauerhafter
Die Optik des Daches wird durch die
Dachform, die Art und Anzahl der Gauben sowie den oft unvermeidbaren Dachdurchdringungen bestimmt. Das typische
und traditionelle norddeutsche Reetdach
ist ein steiles, ganzeinheitlich, tief herabragendes und mit großem Dachüberstand
aufgebautes Walmdach, wobei auch Satteldächer mit steilen Giebeln und Krüppelwalmdächer sowie Zelt-, Pult-, Säge- und
Mansarddächer gebaut wurden und werden. Die eben genannten Dachüberstände
sollen das Gebäude allseitig überragen, an
der Traufe im waagerechten Abstand mindestens 50 cm. Die Regel­dachneigung für
Reetdeckungen beträgt 45° und darf auch
mit regensichernden Zusatzmaßnahmen
nicht unterschritten werden. In küstennahen
Gegenden sind sogar 50° und mehr empfehlenswert. Die Dachneigung von Dachflächen, welche in Kehlen zusammenstoßen,
muss so gewählt werden, dass die Kehlsparrenneigung mindestens 40° beträgt. Diese
40° finden sich auch als Vorgabe in Bezug
14 . 2014 DDH 9
FEDER
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Der Lüftungsquerschnitt zwischen
Reetdeckung und
der Dämmebene
muss mindestens
6 cm betragen.
luftfeuchte abgesperrt werden. Dieser Luftraum zwischen der Reetdeckung und der
Dämmebene muss, nicht nur wegen der
Hinterlüftung, auch um das Reet ordentlich binden und notfalls auch reparieren zu
können, mindestens 6 cm betragen.
BauderPIR FA überzeugt mit seiner
hohen Dämmleistung (WLS 023) und
seiner geringen Dicke.
Deckungsstärke und Überstände
Eine Reetdeckung
muss eine gewisse
Dicke aufweisen.
Die sichtbare
Traufdicke sollte
mindestens 30 cm
betragen, wobei an
der obersten Latte
(First) die Dicke 35
bis 40 cm beträgt.
auf die Dachneigung kleiner Flächen wie
beispielsweise Dachgauben. Hier darf die
vorgenannte Regeldachneigung in Ausnahmefällen entsprechend unterschritten
werden, allerdings sollte hierzu der künftige Reetdachbesitzer auch darüber (am
besten schriftlich) aufgeklärt werden, dass
die Lebensdauer des Reets in solchen Fällen
durch die dadurch erhöhte Wasseraufnahme eingeschränkt wird. Im Rahmen der
gewünschten Dachneigung spielt auch die
Halmneigung eine wichtige Rolle. Bei einer
Eindeckstärke von 35 bis 40 cm und einer
nötigen Dachneigung von 45° beträgt die
Halmneigung zwischen 30 und 35°. Grundsätzlich gilt, je steiler ein Reetdach, desto
haltbarer ist es auch.
Nutzung bestimmt energetische
Maßnahme
Eingangs bereits angesprochen, stellt die
Reetdachdeckung in Zusammenhang mit
den Vorgaben der Energieeinsparverord10 DDH 14 . 2014
nung und der zugleich oftmals genutzten
Dachgeschosse zu Wohnzwecken eine
erhöhte Anforderung an die Dachkonstruktion dar. Hier sind grundlegend bauphysikalische Anforderungen wie beispielsweise
Wärme-, Feuchte-, Schall- und Brandschutz
zu berücksichtigen. Wird das Dachgeschoss
zur Wohnzwecken ausgebaut, so muss unter
die Reetdeckung eine Wärmedämmung
eingebaut werden. Gerade diese Konstruktionen werden immer mal wieder falsch ausgeführt, wodurch im Detail Probleme mit
der Hinterlüftung der Dachhaut entstehen.
Fehlt eine ausreichende Hinterlüftung, so ist
ein Feuchtigkeitsschaden, aus dem eine Zersetzung des Reets resultiert, nahezu unausweichlich. Um den Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) zu genügen,
müssen unterhalb der Hinterlüftungszone
eine diffusionsoffene Unterspannbahn und
eine wärmedämmende Maßnahme ergriffen werden, welche von der Dachinnenseite
durch eine Dampfsperre gegen die Raum-
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Dicke
der Reetdeckung. Nach den Fachregelen
sollte die sichtbare Traufdicke mindestens
30 cm betragen, wobei an der obersten Latte (First) die Dicke der Dachfläche 35 bis
40 cm betragen sollte, gemessen im Winkel
von 90° zur Dachlatte. Zuvor wurde bereits
der Dachüberstand von mindestens 50 cm
angesprochen. Hierzu sei zu bemerkten,
dass der Abstand der Reetdeckung an der
Traufe, gemessen vom Mauerwerk oder
Gesims bis hin zum Reet mindestens 15 bis
30 cm betragen sollte. Am Ortgang werden
15 bis 25 cm vorgegeben.
Das Detail First
Besondere Detaillösungen verlangt beim
Rohrdach vor allem die Firstausbildung
ab. Was ursprünglich die regionale Besonderheit war, ist heute stark an gesetzliche
Vorschriften gebunden, die regional sehr
unterschiedlich und der jeweiligen Bauordnung zu entnehmen sind. Die häufigsten
traditionellen Firstausbildungen neben den
modernen Kupferblechfirsten sind:
▪▪ Rohr- oder Reetfirste
▪▪ Strohwulstfirste
▪▪ Rollfirste
▪▪ Sodenfirste
▪▪ Heidefirste
Wobei der zuletztgenannte, der Heidefirst,
wohl der am häufigsten auffindbare Firstabschluss in Deutschland sein dürfte. Auf
die übliche Rohrdeckung im Firstbereich
werden hierbei Ballen aus geschnittenem,
erdfeuchtem Heidekraut im Verband mit
einer beidseitigen Schenkellänge von circa
1 m aufgebracht. Die Neigung der Schenkel darf hierbei keinesfalls die Dachneigung
unterschreiten. Von der Firstspitze verjüngt
sich der Heidefirst zur unteren Kante auf
etwa 10 cm. Die beiden Firstlatten an der
Sparrenspitze stoßen bei dieser Firstausbildung zusammen. Als Schutzmaßnahme
wird unter dem Heidefirst oftmals eine
Bitumen- oder PE-Lage überlappend eingelegt und über dem Heidefirst zusätzlich
ein feinmaschiges Kunststoff- oder Draht-
www.bauder.de
LEICHT
Dabei ist es sehr leicht und dank
seiner hohen Verlegeleistung einfach
zu verarbeiten.
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geflecht gespannt und je nach Region durch
Anordnung von zum Beispiel Weichholzpflöcken (Sticken) weiter gesichert.
SanierungSpreiS Dach
Flachdach
Beispiele einiger
gängiger Konstruktionslösungen.
Quelle: Fachbuch „Natürliche und pflanzliche Baustoffe“
Grat, Pult und Kehle
Laut Regelwerk sind die Halme an den
Graten in Richtung des Gratsparrens zu
decken und allmählich in normale Richtung zu bringen. Die Gratkante wird leicht
gerundet, wobei die Mindestdicke der Reetdeckung gewährleistet sein muss. Die Kehle
liegt immer horizontaler als die Dachflächen, die sie verbinden und leiten daher
immer ein Übermaß an Niederschlagswasser ab, was sie zu einer Schwachstelle des
Daches degradiert. Die durchschnittliche
Haltbarkeit beträgt aus diesem Grunde
nur circa 7 Jahre. Kehlen sind beim Reetdach grundsätzlich so auszuführen, dass
die Decklagen in diesem Bereich immer
durchgehend gedeckt sind. Die Dicke der
Deckung muss hier in etwa das 1,5-Fache
der Dachflächendeckung betragen. Eine
Kehlsparrenneigung von 40° sollte hierbei
nicht unterschritten werden. Auch Kehlen
sind grundsätzlich ausgerundet zu decken
und können durch Einbringung einer
zusätzlichen Querlattung auch breiter
gestaltet werden. Die sogenannte untergelegte Kehle wird ausgeführt, wenn die Reetdeckung im Kehlbereich an eine andersartig gedeckte Dachfläche anschließt. Hier
Wartungsverträge sinnvoll
12 DDH 14 . 2014
Umfassende Sanierung samt
Dachaufbau als Gründach an
einem Hochschulgebäude aus
den 1950er-Jahren;
ausführend: Willy A. Löw AG,
Bad Homburg
Sanierung einer Flachdachfläche
mit umlaufender Brüstung nach
Hochhausrichtlinie;
ausführend: DREI-Dachdeckerei
GmbH, Berlin
14
❙ ❙ Praxis-Tipp
Wie jedes Bauteil eines Hauses unterliegt auch die Reetdachdeckung
einer natürlichen Alterung. Die Haltbarkeit des Dachreets bzw. eines
Reetdaches ist hierbei abhängig von den herrschenden klimatischen
Verhältnissen, den Umwelteinflüssen, der Nutzung des Gebäudes, den
mechanischen und thermischen Einflüssen wie auch der konstruktiven
Gegebenheit. Um eine möglichst lange Haltbarkeit zu erreichen, sollte
ein Reetdach in regelmäßigen Abständen gewartet werden.
Diverse Reetdachdecker schließen hier mit ihren Kunden nach dem
Neubau eines Reetdaches auch einen Wartungsvertrag. Allgemein
betrachtet umfassen solche Verträge in Bezug auf die Kontrolle der
Funktionstüchtigkeit die Dachdeckung, An- und Abschlüsse,
Dachdurch­dringungen, Dacheinbau- und Dachsystembauteile, Sicherheitsvorrichtungen oder auch die Windsogsicherungen. In den Bereich
der Wartung fallen vor allem die Erneuerung von Korrosionsschutz an
Metallen, das Ersetzen von schadhaften Vermörtelungen, der Austausch
schadhafter Dacheinbau- und Dachsystemteile und Ähnliches, natürlich
bis hin zum Austausch schadhaften Reets. In welchen zeitlichen Abständen diese Inspektionen mit ggf. nötiger Wartung vereinbart werden,
hängt wiederum von den jeweiligen regionalen Bedingungen ab, wie
die nominierten Sind:
Vermooste Flächen entstehen häufig auf der Nordseite des Gebäudes
oder/und wenn hoher Baumbestand die Dachfläche verschattet. Durch
die Vermosung ist eine Zersetzung des Reets möglich.
beispielsweise den genannten klimatischen Verhältnissen. Der, in aller
Regel aus der Region stammende Reetdachdecker weiß um die Randbedingungen und kann somit den für das individuelle Objekt passenden
Turnus wählen. Eine regelmäßige Inspektion oder Wartung liegt zwar
im Verantwortungsbereich des Eigentümers, allerdings ist dieser dann
doch gerne mal nachlässig oder gar vergesslich. Liegt ein Wartungs­
vertrag vor, so wird der Reetdachdecker diesen Termin auch im Terminkalender haben und kann den Bauherrn entsprechend erinnern.
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Tiefgaragendecke;
ausführend: Fleischmann +
Grummt GmbH, Uttenreuth
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❙ ❙ Interview
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Mehr zu Arbeit der
Bundesfachgruppe
Reet in DDH digital
„Von Lübeck bis Cape Town“
1998 wurde die Bundesfachgruppe Reetdachtechnik des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks gegründet. Direkte Mitglieder
sind in der Regel Reetdachdeckerbetriebe, die der örtlichen Dachdeckerinnung angehören. Daneben gibt es auch Gastmitgliedschaften. Die Reetdachdecker der Bundesfachgruppe treffen sich mindestens einmal jährlich
zu einer ordentlichen Mitgliederversammlung. Erstmalig wurde in 2014
der „Tag des Reetdachdeckers“ veranstaltet, organisiert vom Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) und die Qualitätssicherung Reet (QSR) GmbH (siehe DDH 07. 2014). Als technischer Berater
der beiden Landesinnungsverbände Mecklenburg-Vorpommern und
Schleswig-Holstein ist auch Dipl.-Ing., Architekt Thomas Schneider ständiger Begleiter der Bundesfachgruppe als Ansprechpartner für die Reetdachtechnik. Wir sprachen mit dem technischen Leiter und Schlichter der
Landesverbände über die Besonderheiten von Reet und über die Arbeit
der Bundesfachgruppe Reetdachtechnik.
DDH: Herr Schneider, warum sind Reetdächer insbesondere im Norden – und
hier in küstennahen Gebieten – vertreten?
Schneider: Seit der prähistorischen Zeit wird das Material als Dachdeckung genutzt. Da das Rohmaterial Schilf vornehmlich am Wasser
wächst war es als Baumaterial im Norden naheliegend, da es durch die
Küstennähe massenhaft vorhanden ist. Mit dem Reetdach hat sich eine
ganze Baukultur gebildet, die noch heute die Menschen im Norden
fasziniert. Reetdächer prägen die Landschaft und werden es auch
zukünftig weiter tun.
Ungeziefer, Vermoosung, Schimmelbefall, Brandanfälligkeit – wie
räumen Sie als Fachmann mögliche Bedenken und Vorurteile gegen eine
Reetdeckung aus?
Diese vier Schlagwörter, die Sie nennen, kann man genauso gut mit
einem Hartdach in Verbindung bringen. Es ist also kein typisches
Weichdachphänomen. Mit der Entscheidung, das eigene Dach mit
Reet decken zu lassen, fällt zugleich die Entscheidung für einen natürlichen Baustoff mit all seinen Vor- und Nachteilen. Natürlich kann ein
Reetdach von Insekten befallen werden und in verschatteten Bereichen kommt es zu Vermoosungen. Das Reetdach ist eben ein Dach,
welches durch einen Fachbetrieb regelmäßig gewartet werden muss,
um eine lange Haltbarkeit zu garantieren.
Wo liegen die häufigsten Fehler bei der Ausführung eines Reetdaches?
Ich bin mir nicht sicher, ob das Wort „häufig“ das richtige ist. Die meis­
ten Schwierigkeiten bekommen wir mit Dächern, die mit schlechtem
Material eingedeckt worden sind. Ein zu früher Erntezeitpunkt lässt
sich bei der Eindeckung nicht immer gleich feststellen, kann aber nach
Jahren noch zu Schäden im Dach führen. Auch die Bauphysik rückt in
den Fokus. Zu viel eingetragene Nutzungsfeuchte im Reetdach kann
auch hier zu Schäden führen.
Seit einigen Jahren gibt es den Lehrberuf des Reetdachdeckers. Wie ist dieser
Ausbildungszweig frequentiert?
Seit 2009 haben wir 31 jungen Menschen zum Gesellenbrief gebracht.
Gerade in diesem Jahr haben wir 9 Auszubildene durch die Prüfung
zum Reetdachdecker geführt. Für den Anteil der Reetdachdachdecker
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unter den Betrieben ist das eine
gute Zahl.
Gibt es einen internationalen Austausch zwischen Reetdachdeckern
und wenn ja, welche Erkenntnisse
und Erfahrungen haben Sie aus den
Gesprächen mitgenommen?
Es gibt in der Tat einen internationalen Austausch. Vor drei Jahren
wurde in einem Treffen in Dänemark die ITS – International-ThatchingSociety, gegründet, ein internationaler Verbund von Reetdachdeckern
aus sieben Ländern. Gerade in diesem Jahr fand das Treffen bei den
Kollegen aus Südafrika in Cape Town statt. Diese Treffen werden nicht
nur zum Besichtigen von Reetdächern genutzt, sondern im Rahmen
einer Tagung werden sowohl technische als auch rechtliche Themen
behandelt. In den abendlichen Gesprächen zeichnete sich erfreulicherweise ab, dass die Sorgen, Nöte und Wünsche der Unternehmer,
egal aus welchem Land sie kommen, alle gleich sind. Seit 2012 darf ich
Vizepräsident dieser Vereinigung sein und kann mit Katrin Jacobs als
gewählten Board-Member (Mitglied einer int. Arbeitsgruppe) aktiv die
Geschicke der Reetdachdecker mitgestalten.
Wie bilden Sie im Ausbildungszentrum in Lübeck-Blankensee aus und was
vermitteln Sie den Azubis in puncto Reetverarbeitung?
In der Vertiefungsphase ihrer Lehrzeit werden die Auszubildenden
eigens von einem Reetdachdecker unterrichtet. Schließlich haben
wir in Lübeck-Blankensee die einzige Bundesfachschule für Reet in
Deutschland. An Modellen mit verschiedensten Detailpunkten lernen
die Auszubildenden alle Inhalte aus dem Rahmenlehrplan und eben
den einen Kniff und Trick mehr. Wie muss sich das Material anfühlen,
was macht gutes Material aus, wie bilde ich fachgerecht z. B. eine
­Gaube aus. Neben den Fachregeln sind genau dies die Feinheiten, die
man bei der Arbeit mit Reet beachten muss.
Was ist die Aufgabe der Bundesfachgruppe Reetdachtechnik?
Die Bundesfachgruppe Reetdachtechnik im Zentralverband des
Deutschen Dachdeckerhandwerks ist die einzige Bundesfachgruppe
innerhalb der Berufsorganisation. Ihr können direkt Mitglieder einer
Dachdeckerinnung beitreten, die sich speziell auf dem Gebiet der Reetdachdeckung betätigen und der Berufsorganisation des Zentralverbandes angehören. Daneben gibt es aber auch Gastmitgliedschaften. Die
Mitgliedschaft in der Bundesfachgruppe ist kostenneutral. Den Vorsitz
dieser Fachgruppe hat die Dachdeckermeisterin und öbuv. Sachverständige für Reetdachdeckungen Katrin Jacobs aus Schleswig-Holstein.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Wozu würden Sie sich beim eigenen
Haus entscheiden: Reet oder harte Bedachung?
Da meine Leidenschaft dem Jugendstil gehört, muss ich mich leider
für eine harte Bedachung entscheiden. Reet würde zu einem solchen
Gebäude nicht passen. Ich bin mir aber sicher, dass das Gartenhaus
eine weiche Bedachung erhält.
schließt die Reetdeckung an der Kehle
analog der Ortgangdeckung an und muss
mindestens 15 cm, rechtwinklig zur Kehllinie gemessen, überdeckt werden. Die untergelegte Kehle muss bis auf die Auflagekante
(Kniep) heraufgeführt werden.
Ausführung von Gauben
Beim Bau von Dachgauben muss darauf
geachtet werden, dass deren Dachneigung
mindestens 40° beträgt. Dies kann durch
niedrige Fenster und hoch angeordnete
Wechsel in der Regel leicht erreicht werden, wobei die Dachf läche der Gaube
deutlich unterhalb des Firstbereiches in
die Dachfläche einlaufen soll. Die untere Kante der Gaubenfensterzarge sollte
circa 20 bis 25 cm höher als die Dachlattenoberkante (Lattenflucht) angeordnet
werden, um beim Decken das Rohr unter
die Fensterzarge schieben zu können. Auf
dem oberen Wechsel und der Fensterzarge werden die Gaubensparren nach oben
verjüngt, zusammenlaufend befestigt.
Durch die Verjüngung der Gaubensparren
fügt sich nach der Deckung die Gaubendachfläche optisch besser in die gesamte
Dachf läche ein. Anschlüsse der Reetdachdeckung an Dachgauben sind in der
Regel auch auszurunden. Es gilt, die Gaubensparren unter dem Firstscheitelpunkt
in die Dachfläche einzubinden, sodass
die letzten 3 Dachlatten nicht unterbrochen werden. Die Gaubenkonstruktionen
Eine untergelegte Kehle wird ausgeführt, wenn die Reetdeckung im Kehlbereich an eine
andersartig gedeckte Dachfläche anschließt.
müssen von Kehlen, Graten, Ortgängen
oder anderen Dachgauben so weit entfernt sein, dass die Gaubendeckung mit
einem Abstand von mindestens 1 m in die
Dachflächendeckung einbindet. Vor den
Dachgauben, am traufseitigen Anschluss,
ist die letzte, kürzere Decklage mit offener
Bindung zu befestigen. Dabei soll der Zwischenraum zwischen den Dachlatten und
der unteren Kante des Gaubenrahmens
der um circa 10 cm verringerten Dicke
der Reetdeckung entsprechen. Die Ausführung der Ab­deckung des Anschlusses
ist unterschiedlich und kann beispielswei-
se mit einem Tropfbrett, einer Heidefirstabdeckung oder einem Rohrfirst erstellt
werden. ❮❮
Autor
Bau-Ing. Gerhard
Holzmann ist geprüfter
Bausachverständiger für
Bauschäden und Baumängel mit eigenem Sachverständigenbüro in Welden.
Schlagworte fürs DDH Online-Archiv
auf www.ddh.de:
Reet, Reetdeckung, Steildach.
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