Vortrag mit Diskussion

Freiheit und Selbstbestimmung
in der Behindertenhilfe
Perspektiven zeitgemäßer
Behindertenarbeit
Georg Theunissen
Professor für Geistigbehindertenpädagogik und Pädagogik bei Autismus
Zur Geschichte:
Unterbringung und Versorgung
behinderter Menschen in Anstalten
(Institutionalisierung)
Christliche Vorstellungen: Barmherzigkeit und
Heilungsabsichten
Nützlichkeitsgedanke
Zwei-Teilung des Anstaltswesens in:
Bildungs-/arbeitsfähige Menschen und
bildungsunfähige Pflegefälle (Idioten)
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Philosophische Fakultät III - Erziehungswissenschaften
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Nachkriegszeit:
zunächst keine Veränderungen
Bezugskonzept: Psychiatrisches Modell
Behinderung (einschl. Verhaltensauffälligkeiten) als
Krankheit
Negatives Menschenbild: „Da kann man nichts mehr
machen“ (biologistisch-nihilistisches Bild)
Bestrafungspraxis (individualistisch-disziplinierend)
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Philosophische Fakultät III - Erziehungswissenschaften
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Konsequenz: „Totale Institution“ (Goffman)
Menschenunwürdige Zustände (z. T. wie eine Tierhaltung)
Freiheitsberaubung (gesellschaftliche Isolation)
Erlernte Fügsamkeit
Erlernte Hilflosigkeit
Erlernte Bedürfnislosigkeit
Kein Privatleben und keine Rechte
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Philosophische Fakultät III - Erziehungswissenschaften
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Scharfe Kritik in allen führenden westlichen
Industrienationen
Vor allem durch Eltern behinderter Kinder
und
Menschen mit Körper- und
Sinnesbehinderungen
Ziel: Normalisierung der Lebensverhältnisse
Enthospitalisierung und Deinstitutionalisierung
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Philosophische Fakultät III - Erziehungswissenschaften
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Kritik an der hiesigen
Normalisierungspraxis
Von Profis bestimmt (Top-down-ausgerichtet von Trägern;
Betreuern etc.) ; keine Betroffenenbeteiligung
Behinderungsverständnis im Lichte von Defiziten
‚Normal-machen‘ behinderter Menschen
Normierung (z. B. in Bezug auf Ausstattungen)
Verbesserungen von Anstalten statt Auflösung
Neue Wohnheime statt selbstbestimmtes Wohnen
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Wachsende Einflussnahme von sogenannten
Empowerment-Bewegungen
Ziel: Selbstbestimmtes, unabhängiges, häusliches
Wohnen und Leben im Gemeinwesen
(1) Bewegung von Eltern behinderter Kinder
(2) Bewegung von Menschen mit Körper- oder
Sinnesbehinderungen
(3) Bewegung von Menschen mit Lernschwierigkeiten
(People First Organisationen)
(4) Bewegung autistischer Menschen
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Empowerment - ein schwieriges Wort
Drei Zugänge:
(1) Sich selbst mit Stärken und Schwächen
vorstellen, sich selbst vertreten
(2) Gemeinsam als Gruppe auftreten, sich politisch
einmischen, mit Politikern reden und Wünsche
nennen
(3) Sich etwas beibringen (z. B. gemeinsam in einer
Gruppe) = Experte in eigener Sache
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Zur Geschichte von Empowerment
1. In den USA: Schwarze Menschen, die auf die
Straße gingen und für Rechte eintreten
2. In Südamerika: Menschen, die unterdrückt
werden, setzten sich für ihre Rechte ein und
bringen sich selbst etwas bei
3. Psychologen sagen, dass es besser ist,
Stärken eines Menschen zu beachten, als nur
nach Fehlern zu suchen
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Menschenbild und Stärken-Perspektive
Einen behinderten Menschen so annehmen wie er ist
Einem behinderten Menschen gegenüber Respekt
zeigen
Einem behinderten Menschen etwas zutrauen
Behinderung nicht mit Kranksein verwechseln
Nicht nach Schwächen suchen
Stärken von behinderten Menschen beachten
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Was für Empowerment wichtig ist
(1) Sicherung des Rechts auf Selbstbestimmung
(2) Eintreten für das Recht auf Teilhabe (Partizipation)
(3) Eintreten für Selbstvertretung
(4) Eintreten für soziale Gerechtigkeit
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Wertebasis
(1) Selbstbestimmung (Autonomie) als
Potenzial zur Realisierung von Freiheit
(2) Teilhabe durch Zusammenarbeit und
demokratische Entscheidung
(Kollaborative und demokratische Partizipation
durch Mitbestimmung, Mitsprache,
Mitgestaltung)
(3) Verteilungsgerechtigkeit
(Zugänglichkeit, Chancengleichheit)
Selbstbestimmung
verweist von der Wortgeschichte her auf einen
einzelnen Menschen, der sich erkennt, indem er
über sich selbst nachdenkt, nach eigenen
Vorstellungen handelt und sich dabei ermächtigt.
Selbstbestimmung bezieht sich „auf Einstellungen
und Fähigkeiten, die für einen Menschen nötig sind,
um als erste, entscheidende Person das eigene
Leben zu gestalten und in Bezug auf die eigene
Lebensqualität frei von allen unnötigen
Einmischungen oder Beeinträchtigungen von außen
eine Auswahl von Dingen und Entscheidungen zu
treffen“ (Definition nach Michael Wehmeyer 1992)
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Selbstbestimmung bezieht sich auf
Entscheidungsautonomie (freie Willensbekundung) und
Handlungsautonomie (Selbstständigkeit)
gehört zum wesenhaft Menschsein (Autonomie als Potenzial)
ist ein Grundbedürfnis - muss aber erlernt werden
hält das ganze Leben an
Wichtige Merkmale auf der Grundlage der
„freien“, autonomen Entscheidung der Person
(1) eine bewusste Nutzung eigener Stärken, Fähigkeiten
(2) Selbstbeobachtung und Selbstkontrolle
(3) sich selbst Ziele zu setzen und danach handeln
(4) Äußerungen oder Handlungen, die vom Betroffenen
ausgehen
(5) das Erleben der Selbstwirksamkeit
(6) die Kontrolle und Verfügung über die eigenen
Lebensumstände
(7) eine Lebensverwirklichung nach eigenen Vorstellungen
Damit wird von M. Wehmeyer die Richtung für pädagogische
Unterstützungsleistungen angegeben.
Schaffung von (Lern-)Situationen durch Angebote, die ein Auswahl
und Entscheidung ermöglichen.
Wie sich die Selbstbestimmung entfalten und äußern kann, ergibt
sich somit aus dem Zusammenspiel individueller und sozialer
Faktoren.
Problem
Selbstbestimmung als bloße individuelle Kategorie
Selbstbestimmung
Empowerment)
als
sozialbezügliche
Kategorie
(im
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Philosophische Fakultät III - Erziehungswissenschaften
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Arbeitsschwerpunkte von Empowerment
(1) Arbeit mit dem Einzelnen
(2) Arbeit mit Gruppen
(3) Arbeit in Institutionen oder Organisationen
(4) Arbeit im Bereich der Politik (im Gemeinwesen)
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Forderungen der Empowerment-Bewegungen
behinderter Menschen
(z. B. Behindertenkongress 2002 in Madrid mit dem
Ergebnis der „Deklaration von Madrid“)
Inklusion (gesellschaftliche Zugehörigkeit) &
Partizipation (Teilhabe) am Leben in der Gesellschaft
Errungenschaften:
The Americans Disability Act (ADA) (ein Gesetz gegen
Diskriminierung behinderter Menschen in der Gesellschaft)
UN- Behindertenrechtskonvention
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 19
Die Vertragsstaaten … treffen wirksame und geeignete
Maßnahmen, um die volle Inklusion im Gemeinwesen
und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu
erleichtern, indem sie unter anderem gewährleisten,
dass Menschen mit Behinderungen (1) gleichberechtigt
die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen
und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht
verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben;
(2) Zugang (auch zu Hause) zu einer Reihe von
gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben
(einschließlich der persönlichen Assistenz)… (sinngemäße
Übersetzung der Originalversion, kursiv GT).Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Philosophische Fakultät III - Erziehungswissenschaften
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Zur bisherigen Praxis der Integration
1. Integration als Eingliederung
2. Vernachlässigung des Umfeldes
3. Zwei-Welten-Theorie
4. Integration durch Aussonderung und Ausgrenzung
5. „Von oben herab“ (Top-down-)Praxis und
Profizentrierung (Träger/Mitarbeiter-bestimmt)
6. Zusätzliche Angebote
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Zur Inklusion
1. Recht auf Zugehörigkeit, Selbstbestimmung und
Partizipation
2. Akzeptanz von Unterschiedlichkeit und Individualität
3. Nicht-Aussonderung
4. Barrierefreiheit / Zugänglichkeit
5. Bürgerzentrierung und Umfeldorientierung
6. Überwindung der Zwei-Welten-Theorie
7. Angebote aus der Sicht behinderter Menschen
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Zu Missverständnissen:
(I) Inklusion als Einbeziehung
(II) Inklusion als Integration
(III) Inklusion als Eingeschlossensein
(IV) Partizipation
1. Teilhabe als bloße Teilnahme
2. Teilhabe als Top-down-Prinzip („von oben herab“)
Stattdessen geht es um
eine Bottom-up Partizipation („von unten her“)
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Wohnen aus der Sicht behinderter
Menschen
Die meisten wünschen sich kein Leben in einer Institution
(in einem Heim, in einer großen Einrichtung)
Stattdessen wünschen sich die meisten ein häusliches
(selbstbestimmtes) Wohnen inmitten einer Gemeinde
- Unterstütztes Einzelwohnen
- Unterstütztes Wohnen zu zweit
- Unterstützes Wohnen in kleinen Gruppen (2 – 3
Plätze)
- Unterstütztes Wohnen in großen Gruppen (4 – 6 Plätze)
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Entscheidend ist das persönliche Wahlrecht
-
-
Wenngleich sich Befragungen und
Selbstvertretungsgruppen zufolge die meisten Menschen mit
Behinderungen (einschl. Autismus) für ein selbstbestimmtes
Wohnen in der eigenen Wohnung und nicht für ein
Gruppenwohnen aussprechen, möchten manche in einer
Wohnanlage für behinderte Menschen leben (häufig mit 16
bis 18 Wohnungen), in der eine Assistenzzentrale verankert
ist, die aufsuchende Hilfe anbietet (Service-Wohnen).
In ähnlicher Bahn bewegt sich das Leben in einer
Mehrgenerationenwohnanlage.
Ferner bevorzugen manche Personen mit
Lernschwierigkeiten und/oder Autismus das Leben auf dem
Land (Landwirtschaft, Dorfgemeinschaft).
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Forschungsbefunde als Orientierungshilfe
- Je kleiner die Gruppe, desto größer individuelle
Selbstbestimmungsmöglichkeiten
- Menschen mit schweren Behinderungen profitieren von
kleinen Gruppen (mehr individuelle Zuwendung, Rückgang
an Verhaltensauffälligkeiten)
- Kleine Gruppen verringern Lärm-, Stress und
Konfliktpotenzial
- Einzelwohnen oder Wohnen zu zweit muss nicht zur
Vereinzelung führen und kann für schwer behinderte
Menschen (auch mit Autismus) von Vorteil sein
- Mehr Selbstbestimmung verringert Verhaltensauffälligkeiten
- Personzentrierte Planung als zentrale Richtschnur
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Folgerung: Personzentrierte Planung (Ein Beispiel)
Ablauf und Themen:
(1) Vorstellung der anwesenden Personen
(2) Geschichte der Person (wer ist die Person)
(3) Stärken/Fähigkeiten/Lebensstil
(4) Traum/Wünsche/Ziele
(5) Gesundheit
(6) Beziehungen/ Netzwerke
(7) Gegenwärtige Situation (was klappt, was klappt nicht)
(8) Ideale Situation (wie soll es sein)
(9) Aktionsplan
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Anlaufstellen (Beispiele):
(1) Kontakt-, Koordinations- u. Beratungsstellen (NRW/Rheinl.)
(2) Regional Center (Kalifornien/USA)
(3) Stütz- bzw. Treffpunkte (Hamburg)
(4) Zentren für Unterstützungsangebote oder Teilhabezentren
(vereinzelt im ländlichen Raum in Süddeutschland/Bayern/D)
(5) Autismus-Ambulanzen (für Autist(inn)en) (D)
(6) Pflegestützpunkte für Senioren (D)
(7) Demenz-Servicestellen (D)
(9) Stadtteilbüro (Lebenshilfe Braunschweig)
Zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention und des SGB IX
(in Bezug auf Selbstbestimmung und Teilhabe)
Sozialraumorientierung als Aspekt
lebensweltbezogener Behindertenarbeit
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Philosophische Fakultät III - Erziehungswissenschaften
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Zwei Handlungsebenen der SRO
1) Subjektzentrierte Ebene
Personzentrierte Planung
(Persönliche Zukunfts- oder Lebensstilplanung
in Verbindung mit einer Netzwerkanalyse)
wie zuvor beschrieben
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
2) Lebensraumbezogene Ebene
(wichtig für die Kommunen)
Gleichberechtigte Teilhabe aller Bürger/innen am
soziokulturellen und politischen Leben
(z. B. Sicherung von Zugangsmöglichkeiten im Sinne
der UN-Behindertenrechtskonvention)
Mitwirkungs-, Mitgestaltungs- und
Mitbestimmungsmöglichkeiten möglichst vieler
Menschen auf lokaler Ebene
(z. B. Verbesserung eines Stadtteils; Behindertenbeiräte
durch Betroffene)
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Untersuchung des Sozialraums
Bildung eines Sozialraum-Teams
z. B. Mitglieder einer People First Gruppe,
eines Heimbeirats oder einer WG., Stadtteil-,
Teilhabe- oder Sozialraumbeauftragte, Fachkräfte,
Unterstützungsmanager, lokale Persönlichkeiten;
Personen aus einem lokalen Bürgerverein
alternativ: Zukunftswerkstatt, Runder Tisch,
Lokale Teilhabekreise
Aufgabe: Stadteilbegehung, Sozialraumerkundung,
Sozialraumanalyse
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Das Umfeld untersuchen, um den Stand
und die Entwicklungsmöglichkeiten eines
„inklusiven Sozialraums“ zu erkunden
(1) Schauen, was es gibt /nicht gibt (z. B. Altentagesstätte
für Bewohner/innen eines Stadtteils)
(2) Nach den Problemen/ Auswirkungen fragen
(z. B. Ausschluss behinderter Menschen von
allgemeinen Einrichtungen aufgrund von Vorurteilen;
Diskriminierung)
(3) Nach den Chancen fragen (z. B. soziale Zughörigkeit,
sozio-kulturelle Vielfalt; inklusive Kultur)
(4) Nach Win-Win-Möglichkeiten Ausschau halten
(Chancen gegenseitiger Unterstützung; inklusive Gemeinde)
(5) Aktionen planen und umsetzen (z. B. Öffnung der
Altentagesstätte für behinderte Menschen)
Aktionsplan
(1) Öffentliche Bekanntmachung im Rahmen von
Regional- oder Stadtteilkonferenzen; Treffen mit
Bürgervereinen
(2) Runder Tisch mit Behindertenbeirat und
Behindertenvertreter
(3) Runder Tisch mit Vertretern von relevanten
Verbänden, Organisationen, Einrichtungen o. ä.
(4) Teilhabekonferenz mit politischen
Entscheidungsträgern (Gemeinderäte o. ä.)
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Grundsätzliche Überlegungen zur Beteiligung
behinderter Menschen als Expert(inn)en in
eigener Sache
Verschiedene Beteiligungsverfahren
(1) Hearing (im Ausschuss; Behinderte Menschen als
sachkundige Bürger; Vorsitz: Politiker/in)
(2) Forum (offene Beteiligung behinderter Menschen;
Vorsitz: Moderator/in)
(3) Beirat (z. B. Behindertenbeirat)
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Beispiel I:
Kommission zur Förderung der Inklusion von
Menschen mit Behinderungen KIB
von
Doris Rüter: Örtliche Teilhabeplanung am
Beispiel der Stadt Münster, in: Lampke, D.;
Rohrmann, A.; Schädler, J. (Hrsg.): Örtliche
Teilhabeplanung mit und für Menschen mit
Behinderungen, Wiesbaden 2011 (VS Verlag
für Sozialwissenschaften), Seite 201
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Folgende Gruppen sind durch je ein Mitglied in
der KIB vertreten:
Körperbehinderte Menschen
Seelisch behinderte/ psychisch kranke Menschen
Geistig- / lernbehinderte Menschen
Blinde und sehbehinderte Menschen
Gehörlose Menschen
Schwerhörige Menschen
Chronisch kranke Menschen
Frauen und Mädchen mit Behinderung
Zu kritisieren ist das Fehlen von Autist(inn)en
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Zur KIB (nach Rüter 2011, 200ff.):
Vorsitzende/r der KIB ist ein Ratsmitglied
Auftrag: Themen beraten, die die Belange von
Menschen mit Behinderungen betreffen
Erarbeitung von Empfehlungen und
Stellungnahmen an die Ausschüsse des Rates
bzw. der Stadtverwaltung
Beratung von Beschlussvorlagen (z. B.
Stadtentwicklung, Baubeschlüsse)
Jeweils ein KIB-Vertreter in einem Ausschuss (z.
B. für Bauwesen, Schule, Stadtplanung,
Soziales/Gesundheit)
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Zur KIB (nach Rüter 2011, 200ff.):
Arbeitsgruppen der KIB, die auch für andere
interessierte Personen offen sind, z. B.:
(1) Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene
(2) Wohnen, Pflege, Gesundheit
(3) Arbeit
(4) Freizeit, Sport, Kultur, Weiterbildung
(5) Stadtplanung, Verkehr
(Jährlich 6 – 8 Sitzungen der einzelnen AG‘s)
Zusätzlich in Zusammenarbeit mit KIB eine
Selbstvertretungsgruppe von Menschen mit
Lernschwierigkeiten
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Möglichkeiten der Wahl von Beiratsmitgliedern
(1) Urwahl (z. B. durch Briefwahl; angeschrieben werden
alle nach §§1 und 2 SchwbG anerkannten
Schwerbehinderten und Gleichgestellte bzw. gesetzl.
Vertreter)
Nachteil: hoher Aufwand, hohe Kosten; Wichtig: Sicherung
der Repräsentanz aller unterschiedlichen Gruppen
behinderter Menschen
(2) Versammlungswahl (nach einer öffentlichen Einladung
werden Personen gewählt)
Nachteil: Zufällige Beteiligung; Wichtig: faire Wahl s. o.
(3) Delegiertenwahl (aus Wohlfahrtsverbänden,
Selbsthilfegruppen, Fraktionen etc.)
Nachteil: Ausschluss nicht organisierter Personen
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Kommunalisierung der Behindertenhilfe
1. Versorgungsverpflichtung
2. Orientierung an Grundzügen moderner
Behindertenarbeit
3. Respektierung der Stimme behinderter Menschen
4. Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerzentrierung
5. Finanzielle Unterstützung
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Bezugsliteratur:
Theunissen, G.: Empowerment und Inklusion
behinderter Menschen, Freiburg 2013 (Lambertus)
(3. Aufl.)
Theunissen, G.: Lebensweltbezogene
Behindertenarbeit und Sozialraumorientierung.
Eine Einführung in die Praxis, Freiburg 2012
(Lambertus)
Theunissen, G.: Umgang mit Autismus in den USA.
Das Beispiel Kalifornien (Los Angeles), Stuttgart
2013 (Kohlhammer)
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]
Vielen Dank für
Ihre Aufmerksamkeit!
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
FB Erziehungswissenschaften/
Institut für Rehabilitationspädagogik
E-Mail: [email protected]