Justitia ist blind - Deutscher Theaterverlag

Kurzspiele und Sketche - 240
Personen
Werner Lachmann
Der Richter
Justitia ist blind
Die Staatsanwältin
Kurzspiel
Der Angeklagte
Die Zeugin
ISBN 3-7695-0932-3
Bühnenbild
Bestimmungen über das Aufführungsrecht
Zwei Tische und drei Stühle. Der Tisch und der Stuhl für
Das Recht zur einmaligen Aufführung dieses Stückes
den Richter sollte auf einem Podest stehen. Rechts
wird durch den Kauf der vom Verlag vorgeschriebenen
daneben der Tisch für den Staatsanwalt. Vor dem
Bücher erworben. Für jede Wiederholung bzw. weitere
Richtertisch steht der Stuhl für den Angeklagten.
Aufführung des Stückes muß eine vom Verlag
(Wenn der Vorhang sich öffnet, sitzen Richter und
festgesetzte Gebühr vor der Aufführung an den
Staatsanwältin auf ihren Plätzen. Der Stuhl des
Deutschen Theaterverlag PF 10 02 61, D-69442
Angeklagten ist frei)
Weinheim/Bergstraße gezahlt werden, der dann die
RICHTER:
Aufführungsgenehmigung erteilt.
Wenn er in zwei Minuten nicht da ist, muß ich ihn
Für jede Aufführung in Räumen mit mehr als 300 Plätzen
wieder von der Polizei holen lassen.
ist außer dem Kaufpreis für die vorgeschriebenen
STAATSANWÄLTIN:
Rollenbücher eine Tantieme an den Verlag zu
(seufzend)
entrichten.
Warum müssen wir uns das überhaupt antun? Es kommt
Diese Bestimmungen gelten auch für
ja doch nichts dabei heraus. Man sollte ihn wirklich in
Wohltätigkeitsveranstaltungen und Aufführungen in
eine geschlossene Anstalt einweisen.
geschlossenen Kreisen ohne Einnahmen.
RICHTER:
Unerlaubte Aufführungen, unerlaubtes Abschreiben,
Den Antrag können Sie stellen, so oft Sie wollen. Das
Vervielfältigen oder Verleihen der Rollen müssen als
klappt nicht. Das haben auch schon einige von Ihren
Verstoß gegen das Urheberrecht verfolgt werden. Den
Vorgängern merken müssen. Er müßte schon eine
Bühnen gegenüber als Handschrift gedruckt.
erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit sein. Aber das
Alle Rechte, auch die der Übersetzung, Verfilmung,
ist er nicht und war es nie. Ein psychologisches
Rundfunk- und Fernsehübertragung, sind vorbehalten.
Gutachten bescheinigt ihm seelisch bedingte
Das Recht zur Aufführung erteilt ausschließlich der
Staatsverdrossenheit.
Deutsche Theaterverlag PF 10 02 61, D-69442
STAATSANWÄLTIN:
Weinheim/Bergstraße.
Man müßte noch einmal von vorn anfangen ...
Für die einmalige Aufführung dieses Stückes ist der Kauf
(Angeklagter kommt herein. Er hat noch gehört, was die
von 5 Textbüchern vorgeschrieben. Zusätzliche Rollen
Staatsanwältin sagte)
können zum Katalogpreis nachbezogen werden.
ANGEKLAGTER:
Kurzinformation
(bleibt unter der Tür stehen)
Wegen "seelisch bedingter Staatsverdrossenheit" ist der
Wegen mir braucht ihr nicht noch mal von vorne
Angeklagte in diesem Sketch schuldunfähig. Doch das
anfangen. Wenn ich gewußt hätte, daß ihr schon fertig
genügt ihm nicht. Es ist ihm eine Lust, das Gericht zu
seid, wäre ich gar nicht gekommen.
beschäftigen, weshalb er auch seinen Freispruch
RICHTER:
schließlich nicht annimmt.
(streng)
Spieltyp: Sketch
Kommen Sie herein und setzen Sie sich!
Spielanlaß: Theaterabende aller Art
ANGEKLAGTER:
Spielraum: Freie Fläche genügt
(kommt ganz herein, dreht den Stuhl um, so daß er mit
Darsteller: 2m 2w
der Lehne zum Richtertisch steht, setzt sich rittlings
Spieldauer: Ca. 15 Minuten
drauf)
Aufführungsrecht: Bezug von 5 Textbüchern
Heute hast du aber einen recht strengen Ton an dir ...
1
STAATSANWÄLTIN:
Vorsitzender!
(scharf)
ANGEKLAGTER:
Sie können doch den Vorsitzenden nicht duzen! Das
(deutet mit dem Finger nach oben)
heißt Euer Ehren oder Herr Vorsitzender!
Also, ich weiß nicht, ob ihm das recht ist. Hast du
ANGEKLAGTER:
unseren Vater schon gefragt, ob er das will?
(in vertraulichem Ton zum Richter, deutet mit dem
STAATSANWÄLTIN:
ausgestreckten Finger auf die Staatsanwältin)
Zum Richter sollen Sie das sagen!!
Darf die auch schon was sagen? Die ist doch noch gar
RICHTER:
nicht dran.
(ermahnend)
RICHTER:
Frau Staatsanwältin, bitte!
(seufzend zur Staatsanwältin)
ANGEKLAGTER:
Lassen Sie das, Frau Staatsanwältin. Ich kann mich selber
(dreht seinen Stuhl wieder zum Richter)
wehren.
Können wir nicht eine andere nehmen, Euer Ehrenwart?
(zum Angeklagten)
(wirft der Staatsanwältin einen kurzen Blick zu)
Sie dürfen mich nicht duzen.
Die ist mir zu laut. Ich bin ein schwerarbeitender
ANGEKLAGTER:
Landwirt. Ich sitze nicht den ganzen Tag auf dem faulen
(verwundert)
Arsch wie die da...
Warum nicht? Meinen Herrgott darf ich auch duzen. Bist
RICHTER:
du mehr als der?
(hindert die Staatsanwältin mit einer kurzen
RICHTER:
Handbewegung daran, darauf etwas zu erwidern)
Bitte, Frau Staatsanwältin, beantworten Sie die Frage.
Kommen wir zu der Anklage!
ANGEKLAGTER:
ANGEKLAGTER:
(dreht sich mitsamt dem Stuhl in Richtung
Aber erst, wenn die andere Sache geklärt ist!
Staatsanwältin)
RICHTER:
Das fängt ja gut an. Jetzt darf die schon so früh was
Was für eine andere Sache?
sagen. Ich weiß nicht, ob ich das durchstehe.
(ahnt, was da auf ihn zukommt)
STAATSANWÄLTIN:
ANGEKLAGTER:
(versucht es zu erklären)
(energisch)
Sehen Sie, zu unserem Herrgott sagen wir alle du, weil
Die Sache mit dem Grundstück, das mir die unnahbare
wir alle Kinder Gottes sind ...
Kirche gestohlen hat! Ich habe mit unserem Herrgott
ANGEKLAGTER:
darüber geredet. Der war entsetzt über die Raffgier
Siehst du, jetzt hast auch du es begriffen. In diesem Fall
seiner Vertreter auf dieser Welt. Er war sehr verärgert
ist der da ...
über die Kirche im allgemeinen und die Behörden im
(deutet auf den Richter)
besonderen ...
... mein Bruder, und du bist meine Schwester. Und wo
RICHTER:
gibt es das, daß man zu seinen Geschwistern "Sie" sagt
Wir kennen Ihre Meinung über die Kirche und die
...
Behörden. Und die Sache mit dem Grundstück ist längst
STAATSANWÄLTIN:
erledigt.
So können Sie das nicht sehen ...
ANGEKLAGTER:
RICHTER:
Für dich vielleicht, Herr Oberrichter, aber für mich nicht.
(fällt ihr ins Wort)
Der Bischof hat mir das Grundstück eindeutig gestohlen.
Lassen Sie es gut sein, Frau Staatsanwältin!
RICHTER:
STAATSANWÄLTIN:
Ihre Tante hat das Grundstück der Kirche vermacht ...
(will es so noch nicht stehen lassen. Streng zum
ANGEKLAGTER:
Angeklagten)
Sie war zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr im
Dann sagen Sie wenigstens Euer Ehren oder Herr
Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Ich werde das beweisen.
2