LEBEN & KULTUR MONTAG, 15. FEBRUAR 2016 | Zufall ließ das Schloss beinahe berühmt werden Ostelbische Schlösser und Rittergüter im Blickpunkt / Herrschaftliches Anwesen in Adelwitz hat bewegte Zeiten hinter sich und steht jetzt zum Verkauf Das Schloss Adelwitz steht seit einiger Zeit leer. Links ein Bierdeckel, der die Rückseite des Gebäudes zeigt. Die Krostitzer Brauerei hatte das Rittergut Ende der 90er Jahre für ihre VON TZ- REDAKTEUR NICO WENDT ADELWITZ. Es gab eine Zeit, da war das Rittergut Adelwitz fast täglich im Fernsehen zu sehen. Zumindestens bei den großen Sendern wie Sat 1, Pro 7, RTL oder MDR. Für Momente tauchten die ehrwürdigen Mauern auf und ein Millionenpublikum blickte auf die prachtvolle Rückseite des ostelbischen Schlosses. Allerdings: die meisten nahmen das bauliche Ensemble nur unbewusst war. Denn vordergründig ging es in dem Werbespot um eine Biermarke. Die Krostitzer Brauerei warb für ihr feinherbes Pilsner vom Lande: das Ur-Krostitzer. Außendienst-Mitarbeiter Michael Monat hatte den Tipp Ende der 90er Jahre mit in die PR-Abteilung der Firma gebracht. Er kann sich noch gut erinnern: „Die hatten eigentlich schon ein Schloss in Brandenburg für die Dreharbeiten ausgesucht. Aber das war wenig authentisch, weil wir doch mit unserem Bier einen Bezug zu Sachsen und zur ländlichen Region herstellen wollten.“ Durch Kun- den-Akquise und Belieferung von Gaststätten in seinem Gebiet, das bis Cottbus reichte, kannte der Leipziger das Rittergut von ein oder zwei Besuchen. Es war ihm eindrucksvoll in Erinnerung geblieben. Also rückte schon bald ein großes Fernsehteam in Adelwitz an. „Die kamen mit 20 bis 30 Leuten, mit jeder Menge Technik und einer riesigen Hebebühne“, lächelt Klaus Langbein, Miteigentümer des Anwesens. Ortsangabe fehlte Weil aber jegliche Ortsangabe oder ein Schriftzug in dem Clip fehlte, half es nicht, den Bekanntheitsgrad des Rittergutes und der Region Ostelbien zu stärken. Die meisten Fernsehzuschauer wussten einfach nicht, dass es Adelwitz ist. Klaus Langbein war trotzdem stolz. Noch heute verteilt er gern die Bierdeckel mit seinem Schloss und dem Ur-Krositzer Schriftzug. Über Tausend Stück hatte er von der Brauerei erhalten. „Jetzt habe ich vielleicht noch zwischen 50 und Alte Postkarte vom Rittergut Adelwitz/ Frontseite um 1925. Historische Ansicht des Schlosses in sehr idyllischem Umfeld. Alte Postkarte vom Rittergut Adelwitz/ Rückseite um 1925. Fotos: Archiv Langbein 100 übrig“, sagt er. Ohnehin ist es auf dem herrschaftlichen Anwesen sehr ruhig geworden. Der Gaststättenbetrieb steht still. „Das Grundstück steht zum Verkauf und das zieht sich hin“, lässt Familie Langbein mitteilen. Immerhin: Interesse ist da. Im vergangenen Jahr hätte man 15 Anfragen und zehn Besichtigungen gehabt, heißt es. Und aktuell gibt es fünf bis sechs potenzielle Bewerber. „Die meisten sind auch völlig begeistert, wenn sie die Schloss-Anlage gesehen haben. Aber es ist eine Frage des Preises. Wir mussten nach der Wende gut sechs Millionen D-Mark in den Wiederaufbau investieren, zum Teil mit Eigenkapital, zum Teil mit Fördermitteln, zum Teil auch über Schulden. Da können wir das Grundstück nicht für 300 000 Euro verkaufen. Das geht nicht“, machen die Langbeins klar. Glücklicherweise habe man inzwischen den größten Teil der Schulden begleichen können. Es bleibe noch eine Bürgschaft und ein Darlehen innerhalb der Familie. Das Rittergut ist bundesweit i bundesweite Werbekampagne gewählt. Oben rechts: So bekam ein Millionenpublikum das ostelbische Anwesen präsentiert. Fotos: TZ/N. Wendt (1), Brauerei Krostitz ausgeschrieben. Doch es kamen sogar auch schon Interessenten aus Osteuropa. In den 90er Jahren hatte das Schloss noch einmal glanzvolle Zeiten erlebt. Mit viel Aufwand und Liebe waren die verfallenen Gebäude saniert worden. Es gab ein Restaurant, ein integriertes Hotel mit 14 Zimmern, eine zu vermietende Dachgeschosswohnung und zwei Säle zur Nutzung. Hinter dem Gut schloss sich ein herrlicher Park mit Teich und Garten an. Die perfekte Kulisse für Hochzeiten und für romantische Familienfeiern. Im Januar 1994 war Eröffnung, 2010 folgte die Schließung. Klage eingereicht „Wir hatten verschiedene Pächter, zuletzt habe ich selber den Betrieb geführt“, sagt Klaus Langbein. „Der Zweckverband hat uns reingerissen“, nimmt der gebürtige Münchner Bezug auf horrende Anschlusskosten. „Mit unserer Klage zogen wir bis vor das Oberverwaltungsgericht Bautzen, das zu un- seren Gunsten entschied. Die Beschwerde des Wasserzweckverbandes beim Bundesverwaltungsgericht wurde abgewiesen.“ Dennoch musste man einen Teil des Geländes an die benachbarte Pferdepension verkaufen. „Es wäre der Betrag gewesen, mit dem wir hätten weiterarbeiten können. Aber das Geld war keine drei Tage auf dem Konto. Dann wurde es eingezogen“, schildert Familie Langbein die Dinge aus ihrer Sicht. Auch um das Technologiezentrum im vorderen Teil des Grundstückes sei ein Rechtsstreit entbrannt. Es steht mittlerweile ebenfalls leer. Da ist Klaus Langbein, gelernter Physiker, der mit dem Restaurantbetrieb berufliches Neuland beschritten hatte, sehr froh, dass der Adelwitzer Reitverein so aktiv ist. Die Mitglieder veranstalten jedes Jahr ein großes Turnier und nutzen einen Teil des Hofes als Sandplatz für die Pferde. Ansonsten wäre es schön, wenn sich ein Käufer findet, der die herrschaftliche Anlage aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Wissenswert Die Besitzer des im Laufe des 17. Jahrhunderts gebildeten Rittergutes stammten aus den Familien von Hartitzsch, von Metzsch, Marschall von Bieberstein, Klotzsch, Neubaur und Nette. Einst war das Anwesen mit Schloss, Brennerei, Ziegelei, den vielen Tieren, der herrlichen Parkanlage und riesigen Ländereien ein Musterbeispiel für eine gut geführte Gutswirtschaft. Philipp Nette sowie anschließend sein Sohn Hermann, Major des Torgauer Reiterregiments, und dessen Frau Brunhild von Bonin achteten sehr auf Ordnung und Sauberkeit. Die Familie flüchtete mit vier Kindern 1945 vor den anrückenden Russen. Diese erreichten am 28. April Adelwitz und bezogen im Rittergut Quartier. Bis 1947 war das Schloss Stützpunkt der sowje- tischen Kommandantur. Brennerei und Ziegelei wurden stillgelegt, die Tierbestände geschlachtet. Später zogen Umsiedlerfamilien aus Schlesien und anderen Ostgebieten ein. 1960 übernahm die LPG das Grundstück, nutzte die Ställe zur Tierhaltung und die Ziegelei zur Unterbringung einer Maschinen-Traktoren-Station (MTS). Die Anlage verfiel. Nach der Wende kaufte Familie Langbein das Areal. Wissenschaftler Dr. Gerhard Langbein und dessen Frau Ingrid, die Tochter der ehemaligen Hauslehrerin der Nette-Kinder, steckten viel Kraft und Geld in die Sanierung der Anlage. In der alten Brennerei entstand ein Technologiezentrum für Werkstoffentwicklung auf dem Gebiet der Hochtemperatur-Supra-Leiterkeramik. Links: Hochzeitstag Hermann Nette und Brunhilde Nette geb. von Bonin, um 1914. Rechts: Dr. Gerhard Langbein und dessen Frau Ingrid übernahmen das Rittergut Anfang der 90er Jahre. Foto: TZ/Archiv/N. Wendt 15
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