Luxus Haut - Dave Hertig

MADE IN SWITZERLAND
Die Unterwäsche eines Aargauer
Unternehmens geniesst Weltruf
Luxus
auf der
Haut
FOTOS : © ZI MM ERLI
VO N DAVE H E RT IG
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HUTTWIL, Mendrisio, Coldrerio
und Aarburg. In kleinen Schweizer Orten produziert Zimmerli,
was anspruchsvolle Menschen
auch in Buenos Aires, Moskau
und Hongkong direkt auf der
Haut tragen.
Unterleibchen von Zimmerli wurden
auf der Leinwand schon von Holly­
woodgrössen wie Sylvester Stallone,
Hugh Jackman oder Nicole Kidman
getragen. Prinz Charles und Bill Clin­
ton sollen ebenfalls darauf schwören.
Die Wurzeln des Aarburger Unterneh­
mens reichen ins Jahr 1871 zurück,
und es hat in seiner Geschichte viel
Ruhm eingeheimst.
Angesichts der glamourösen Aus­
strahlung des Namens „Zimmerli of
Switzerland“ staunt der Besucher
in der Werkstatt in Mendrisio, wie
überschaubar alles ist: Eine Frau sta­
pelt mit maschineller Hilfe 30 Stoff­
bahnen von zwei mal sechs Metern
Fläche aufeinander. Oben drauf legt
sie ein ebenso grosses Schnittmuster
mit den Umrissen von Unterwäsche­
Teilen.
Mit einer kleinen elektrischen Säge
trennt sie diese grob voneinander und
reicht die Stoffstapel mit dem Muster
darauf an ihre Kollegin weiter, die
sich um den feinen Schnitt kümmert.
Rechts von dieser Szene ein Lager mit
Stoffen, die sich so gut anfühlen, dass
man sie ständig anfassen möchte.
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Wenige Kilometer entfernt arbeiten
in Coldrerio etwa 30 Frauen hinter
Nähmaschinen. Es surrt, rattert und
zischt – die Produktion steht an die­
sem Tag unter Hochdruck. Ein Foto­
shooting in Berlin steht bevor, und
die Schnittmuster für die Prototypen
der Saisonwäsche, welche die Models
tragen sollen, sind sehr kurzfristig
eingetroffen. Die Produktionsleiterin
Diana Eyer arbeitet schon 20 Jahre für
das Unternehmen: „Am Ende klappt
es, so wie immer“, sagt sie.
Standort Schweiz als Stärke
Marcel Hossli ist seit 2009 Geschäfts­
führer von Zimmerli. Auf die Frage
nach den Besonderheiten der eige­
nen Produkte sagt er: „Haptik, Ver­
arbeitung, Passform. Der Zweck von
guter Wäsche ist, dass man sich darin
extrem wohlfühlt.“ Und wie hebt sich
Zimmerli von der Konkurrenz ab?
„Andere leisten sich mehr Marketing,
wir leisten uns den Standort Schweiz.
Wir sind das einzige Wäscheunter­
nehmen, das hierzulande produziert.“
Zimmerli kauft die Stoffe zwar ein –
mit Ausnahme jener, die in einer
kleinen Fabrikation in Huttwil selbst
gefer tigt werden und rund fünf Pro­
zent der verarbeiteten Textils ausma­
chen. Dennoch ist das Meiste tatsäch­
lich „Swiss made“. 80 Prozent der
Wertschöpfung entfallen laut Eigen­
angaben auf die Schweiz. Die Pro­
duktionskosten seien im Vergleich zu
Mitbewerbern, die in Billigländern
produzieren, rund zehnmal so hoch.
Schafft es das Unternehmen trotz­
dem, in seinem umkämpften Markt
rentabel zu sein? Die Firma befindet
sich in privatem Besitz und sie behält
die Kennzahlen für sich. Doch Mar­
cel Hossli bestätigt, dass sie Gewinne
„WÜRDE DAS ASS
DER SCHWEIZER
PRODUKTION NICHT
MEHR STECHEN,
HÄTTEN WIR EIN
GROSSES PROBLEM.“
erwirtschaftet. Gleichzeitig macht er
keinen Hehl daraus, dass die Situa­
tion schwierig ist. „In den letzten fünf
Jahren sind wir stetig gewachsen und
nun befinden wir uns in einer Phase
der Stagnation.“
Weil 80 Prozent der Produkte im
Ausland abgesetzt werden, lastet der
starke Franken schwer auf der Erfolgs­
rechnung. „Wir machen uns seit fünf
Jahren Gedanken zur Währungslage
und wir mussten auch das Szenario
einer Produktionsverlagerung ins
Ausland prüfen. Doch die Schweizer
Produktion ist unsere Stärke. Würde
dieses Ass nicht mehr stechen, hätten
wir ein grosses Problem.“
Zu seinem Glück sticht das Ass der
helvetischen Fertigung. Insbesondere
in Asien, das der 47­Jährige bereits
aus seiner Zeit als Marketingchef des
Luxusuhrenherstellers Carl F. Buche­
rer gut kennt. „Asiatische Geschäfts­
leute sind wissbegierige Menschen,
und Swiss made sowie eine weit über
100­jährige Historie faszinieren sie“,
sagt er. Zudem verfüge „Greater
China“ – neben dem chinesischen
Festland zählen Hongkong, Macao
und Taiwan dazu – über eine schnell
wachsende Mittelschicht.
China ist bereits heute hinter der
Schweiz und Deutschland Zimmerlis
drittgrösster Markt.
Stolz auf den hohen Preis
Weltweit werden die Produkte über 650
Distributionspartner in 40 Ländern
In Coldrerio nähen 30 Frauen ZimmerliWäsche für den Weltmarkt
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sowie über den eigenen Online-Shop
vertrieben. Und wie findet man die
Marke im enormen Angebot? Marcel
Hossli nennt Russland als Beispiel.
„Dort fragen Konsumenten oft nach
dem teuersten Produkt und kommen
so auf uns.“
„DIE LEUTE VERLIEREN
ZUNEHMEND DIE LUST,
VON FIRMEN ZU
KAUFEN, DIE VOR
ALLEM VON LAUTEM
MARKETING LEBEN.“
Ohne falsche Scham spricht der
Geschäftsführer darüber, dass seine
Produkte die teuersten sind. „Das ist
Teil unserer Positionierung und die
Konsequenz der erbrachten Leistung“,
sagt er. Entsprechend arbeitet er seit
zwei Jahren auf eine Neupositionierung der Marke hin: Vom PremiumAnbieter hin zur Wahrnehmung als
Luxus-Marke.
Hat Marcel Hossli zuvor noch das
schwierige Umfeld und die gedämpfte
Konsumentenstimmung erwähnt, so
schätzt er sich glücklich bei der Markenführung: „Zimmerli gilt als unbestrittener Qualitätsführer. Und der
Zeitgeist spielt uns in die Karten. Die
Leute suchen nach echten Werten
und sie verlieren zunehmend die Lust,
von Firmen zu kaufen, die vor allem
von lautem Marketing leben.“
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In diesem Zusammenhang betont
Hossli, dass es sich auch bei der Präsenz in Hollywoodproduktionen immer um gekaufte Stücke handelt, nie
um zur Verfügung gestellte oder gar
bezahlte Produktplatzierung.
Die Besten sein
Dass Zimmerli die beste Unterwäsche
der Welt produziert, ist letztlich eine
Behauptung. Hossli wiederholt sie
allerdings, ohne mit der Wimper zu
zucken. Er kann sich nicht vorstellen,
dass ein Konkurrent etwas einzuwenden hätte. „Wir vergleichen unsere
Produkte regelmässig und wir sehen,
wo andere sparen.“ So bestehe eine
Herrenunterhose von Zimmerli beispielsweise aus viel mehr Einzelteilen
und sie habe auch viel mehr verdeckte
Nähte. „Da machen wir keine Kompromisse.“
Auch beim Thema Unterhemden hat
der Chef eine klare Linie: „Das ist eine
Frage des Stils. Ein Unterhemd schützt
die Oberbekleidung vor Schweiss und
Deo – ohne geht es nicht.“
Seit sieben Jahren ist Marcel Hossli
nun bei Zimmerli und er kann sich
vorstellen, bis zur Pensionierung in
rund 20 Jahren zu bleiben. „Das wünsche ich mir, und im Moment schaut
es gut aus. Wenn ich danach zurückblicke, möchte ich sagen können,
dass wir etwas Wichtiges am Leben
erhalten und weiterentwickelt haben.
Zimmerli soll prosperieren, und ich
möchte die Firma als wichtigen Teil
meines Lebenswerks sehen.“
EDLE UNTERWÄSCHE SEIT 1871
Zimmerli fertigt Unter- und Nachtwäsche und setzt dabei auf Spitzenqualität. Die höchstwertige Linie
verarbeitet die Baumwollqualität
„Sea Island“, die 0,0004 Prozent
der weltweiten Produktion ausmacht. Ein solches T-Shirt für
Herren kostet 155 Franken. Jährlich
produziert das Unternehmen rund
350'000 Wäsche-Artikel.
Die Geschichte
Nach dem Konkurs seiner Rotfärberei 1871 kauft Johann Jakob Zimmerli
eine damals gerade neu erfundene
Nadel-Strickmaschine. Seine Frau
Pauline Zimmerli arbeitet in Aarburg
bald geschickt mit der Maschine und
wird zur erfolgreichen UnternehmeHat den asiatischen
Markt im Blick:
CEO Marcel Hossli
rin. Viele Stationen als Familienbetrieb und später mit zahlreichen
Besitzerwechseln folgen. Rund
ein Jahrhundert später übernehmen
die Cousins Walter und Hans Borner,
2006 wird Walter Borner zum
Schweizer Unternehmer des Jahres
gewählt. 2007 verkauft er die
Aktienmehrheit an die deutsche
Familien-Holding Von Nordeck
International, die in Immobilien sowie in mittelständische Nischenanbieter investiert.
Swiss Made – mit 79 Angestellten
Eigenen Angaben zufolge entfallen
rund 80 Prozent der Wertschöpfung
von Zimmerli auf die Schweiz.
An den vier Standorten Aarburg
(Hauptsitz, Design, Verwaltung)
Huttwil, Coldrerio und Mendrisio
sind 79 Personen angestellt.
Aktuelle Herausforderungen
Zimmerli hat eine Wachstumskampagne gestartet. Der Fokus liegt
auf China. In „Greater China“ ist man
via Hongkong, Macao und Taiwan
bereits angekommen.
Die Firma steigt im grossen Stil in
den Online-Vertrieb ein – ein weiterer Eckpfeiler der Expansionsstrategie.
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