MADE IN SWITZERLAND Die Unterwäsche eines Aargauer Unternehmens geniesst Weltruf Luxus auf der Haut FOTOS : © ZI MM ERLI VO N DAVE H E RT IG 07•2015 | 75 H READER’S DIGEST HUTTWIL, Mendrisio, Coldrerio und Aarburg. In kleinen Schweizer Orten produziert Zimmerli, was anspruchsvolle Menschen auch in Buenos Aires, Moskau und Hongkong direkt auf der Haut tragen. Unterleibchen von Zimmerli wurden auf der Leinwand schon von Holly woodgrössen wie Sylvester Stallone, Hugh Jackman oder Nicole Kidman getragen. Prinz Charles und Bill Clin ton sollen ebenfalls darauf schwören. Die Wurzeln des Aarburger Unterneh mens reichen ins Jahr 1871 zurück, und es hat in seiner Geschichte viel Ruhm eingeheimst. Angesichts der glamourösen Aus strahlung des Namens „Zimmerli of Switzerland“ staunt der Besucher in der Werkstatt in Mendrisio, wie überschaubar alles ist: Eine Frau sta pelt mit maschineller Hilfe 30 Stoff bahnen von zwei mal sechs Metern Fläche aufeinander. Oben drauf legt sie ein ebenso grosses Schnittmuster mit den Umrissen von Unterwäsche Teilen. Mit einer kleinen elektrischen Säge trennt sie diese grob voneinander und reicht die Stoffstapel mit dem Muster darauf an ihre Kollegin weiter, die sich um den feinen Schnitt kümmert. Rechts von dieser Szene ein Lager mit Stoffen, die sich so gut anfühlen, dass man sie ständig anfassen möchte. 76 | 07•2015 Wenige Kilometer entfernt arbeiten in Coldrerio etwa 30 Frauen hinter Nähmaschinen. Es surrt, rattert und zischt – die Produktion steht an die sem Tag unter Hochdruck. Ein Foto shooting in Berlin steht bevor, und die Schnittmuster für die Prototypen der Saisonwäsche, welche die Models tragen sollen, sind sehr kurzfristig eingetroffen. Die Produktionsleiterin Diana Eyer arbeitet schon 20 Jahre für das Unternehmen: „Am Ende klappt es, so wie immer“, sagt sie. Standort Schweiz als Stärke Marcel Hossli ist seit 2009 Geschäfts führer von Zimmerli. Auf die Frage nach den Besonderheiten der eige nen Produkte sagt er: „Haptik, Ver arbeitung, Passform. Der Zweck von guter Wäsche ist, dass man sich darin extrem wohlfühlt.“ Und wie hebt sich Zimmerli von der Konkurrenz ab? „Andere leisten sich mehr Marketing, wir leisten uns den Standort Schweiz. Wir sind das einzige Wäscheunter nehmen, das hierzulande produziert.“ Zimmerli kauft die Stoffe zwar ein – mit Ausnahme jener, die in einer kleinen Fabrikation in Huttwil selbst gefer tigt werden und rund fünf Pro zent der verarbeiteten Textils ausma chen. Dennoch ist das Meiste tatsäch lich „Swiss made“. 80 Prozent der Wertschöpfung entfallen laut Eigen angaben auf die Schweiz. Die Pro duktionskosten seien im Vergleich zu Mitbewerbern, die in Billigländern produzieren, rund zehnmal so hoch. Schafft es das Unternehmen trotz dem, in seinem umkämpften Markt rentabel zu sein? Die Firma befindet sich in privatem Besitz und sie behält die Kennzahlen für sich. Doch Mar cel Hossli bestätigt, dass sie Gewinne „WÜRDE DAS ASS DER SCHWEIZER PRODUKTION NICHT MEHR STECHEN, HÄTTEN WIR EIN GROSSES PROBLEM.“ erwirtschaftet. Gleichzeitig macht er keinen Hehl daraus, dass die Situa tion schwierig ist. „In den letzten fünf Jahren sind wir stetig gewachsen und nun befinden wir uns in einer Phase der Stagnation.“ Weil 80 Prozent der Produkte im Ausland abgesetzt werden, lastet der starke Franken schwer auf der Erfolgs rechnung. „Wir machen uns seit fünf Jahren Gedanken zur Währungslage und wir mussten auch das Szenario einer Produktionsverlagerung ins Ausland prüfen. Doch die Schweizer Produktion ist unsere Stärke. Würde dieses Ass nicht mehr stechen, hätten wir ein grosses Problem.“ Zu seinem Glück sticht das Ass der helvetischen Fertigung. Insbesondere in Asien, das der 47Jährige bereits aus seiner Zeit als Marketingchef des Luxusuhrenherstellers Carl F. Buche rer gut kennt. „Asiatische Geschäfts leute sind wissbegierige Menschen, und Swiss made sowie eine weit über 100jährige Historie faszinieren sie“, sagt er. Zudem verfüge „Greater China“ – neben dem chinesischen Festland zählen Hongkong, Macao und Taiwan dazu – über eine schnell wachsende Mittelschicht. China ist bereits heute hinter der Schweiz und Deutschland Zimmerlis drittgrösster Markt. Stolz auf den hohen Preis Weltweit werden die Produkte über 650 Distributionspartner in 40 Ländern In Coldrerio nähen 30 Frauen ZimmerliWäsche für den Weltmarkt READER’S DIGEST sowie über den eigenen Online-Shop vertrieben. Und wie findet man die Marke im enormen Angebot? Marcel Hossli nennt Russland als Beispiel. „Dort fragen Konsumenten oft nach dem teuersten Produkt und kommen so auf uns.“ „DIE LEUTE VERLIEREN ZUNEHMEND DIE LUST, VON FIRMEN ZU KAUFEN, DIE VOR ALLEM VON LAUTEM MARKETING LEBEN.“ Ohne falsche Scham spricht der Geschäftsführer darüber, dass seine Produkte die teuersten sind. „Das ist Teil unserer Positionierung und die Konsequenz der erbrachten Leistung“, sagt er. Entsprechend arbeitet er seit zwei Jahren auf eine Neupositionierung der Marke hin: Vom PremiumAnbieter hin zur Wahrnehmung als Luxus-Marke. Hat Marcel Hossli zuvor noch das schwierige Umfeld und die gedämpfte Konsumentenstimmung erwähnt, so schätzt er sich glücklich bei der Markenführung: „Zimmerli gilt als unbestrittener Qualitätsführer. Und der Zeitgeist spielt uns in die Karten. Die Leute suchen nach echten Werten und sie verlieren zunehmend die Lust, von Firmen zu kaufen, die vor allem von lautem Marketing leben.“ 78 | 07•2015 In diesem Zusammenhang betont Hossli, dass es sich auch bei der Präsenz in Hollywoodproduktionen immer um gekaufte Stücke handelt, nie um zur Verfügung gestellte oder gar bezahlte Produktplatzierung. Die Besten sein Dass Zimmerli die beste Unterwäsche der Welt produziert, ist letztlich eine Behauptung. Hossli wiederholt sie allerdings, ohne mit der Wimper zu zucken. Er kann sich nicht vorstellen, dass ein Konkurrent etwas einzuwenden hätte. „Wir vergleichen unsere Produkte regelmässig und wir sehen, wo andere sparen.“ So bestehe eine Herrenunterhose von Zimmerli beispielsweise aus viel mehr Einzelteilen und sie habe auch viel mehr verdeckte Nähte. „Da machen wir keine Kompromisse.“ Auch beim Thema Unterhemden hat der Chef eine klare Linie: „Das ist eine Frage des Stils. Ein Unterhemd schützt die Oberbekleidung vor Schweiss und Deo – ohne geht es nicht.“ Seit sieben Jahren ist Marcel Hossli nun bei Zimmerli und er kann sich vorstellen, bis zur Pensionierung in rund 20 Jahren zu bleiben. „Das wünsche ich mir, und im Moment schaut es gut aus. Wenn ich danach zurückblicke, möchte ich sagen können, dass wir etwas Wichtiges am Leben erhalten und weiterentwickelt haben. Zimmerli soll prosperieren, und ich möchte die Firma als wichtigen Teil meines Lebenswerks sehen.“ EDLE UNTERWÄSCHE SEIT 1871 Zimmerli fertigt Unter- und Nachtwäsche und setzt dabei auf Spitzenqualität. Die höchstwertige Linie verarbeitet die Baumwollqualität „Sea Island“, die 0,0004 Prozent der weltweiten Produktion ausmacht. Ein solches T-Shirt für Herren kostet 155 Franken. Jährlich produziert das Unternehmen rund 350'000 Wäsche-Artikel. Die Geschichte Nach dem Konkurs seiner Rotfärberei 1871 kauft Johann Jakob Zimmerli eine damals gerade neu erfundene Nadel-Strickmaschine. Seine Frau Pauline Zimmerli arbeitet in Aarburg bald geschickt mit der Maschine und wird zur erfolgreichen UnternehmeHat den asiatischen Markt im Blick: CEO Marcel Hossli rin. Viele Stationen als Familienbetrieb und später mit zahlreichen Besitzerwechseln folgen. Rund ein Jahrhundert später übernehmen die Cousins Walter und Hans Borner, 2006 wird Walter Borner zum Schweizer Unternehmer des Jahres gewählt. 2007 verkauft er die Aktienmehrheit an die deutsche Familien-Holding Von Nordeck International, die in Immobilien sowie in mittelständische Nischenanbieter investiert. Swiss Made – mit 79 Angestellten Eigenen Angaben zufolge entfallen rund 80 Prozent der Wertschöpfung von Zimmerli auf die Schweiz. An den vier Standorten Aarburg (Hauptsitz, Design, Verwaltung) Huttwil, Coldrerio und Mendrisio sind 79 Personen angestellt. Aktuelle Herausforderungen Zimmerli hat eine Wachstumskampagne gestartet. Der Fokus liegt auf China. In „Greater China“ ist man via Hongkong, Macao und Taiwan bereits angekommen. Die Firma steigt im grossen Stil in den Online-Vertrieb ein – ein weiterer Eckpfeiler der Expansionsstrategie. DH 07•2015 | 79|
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