Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe

HAMLET
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HAMLET
von William Shakespeare
in einer Übertragung von Hans Rothe
Hamlet
Claudius
Polonius /Totengräber
Ophelia /Totengräber
Gertrud
Laertes
Rosenkranz
Güldenstern
Geist / ein Schauspieler / Fortinbras
Bernardo
Marzellus
SASCHA TUXHORN
FRANK WIEGARD
ANDRÉ WAGNER
MARTHE LOLA DEUTSCHMANN
ANNETTE BÜSCHELBERGER
LUIS QUINTANA
MAXIMILIAN GRÜNEWALD
MICHEL BRANDT
RONALD FUNKE
JONATHAN BRUCKMEIER
LARISSA WÄSPY
Regie Künstlerische Mitarbeit
Bühne & Kostüme Musik
Licht
Dramaturgie Theaterpädagogik
PREMIERE 2.10.15 KLEINES HAUS
CSABA POLGÁR
ILDIKÓ GÁSPÁR
LILI IZSÁK
TAMÁS MATKÓ
CHRISTOPH HÄCKER
ILDIKÓ GÁSPÁR, MICHAEL GMAJ
VERENA LANY
Aufführungsdauer 2 Stunden 50 Minuten, eine Pause
Aufführungsrechte: Thomas Sessler Verlag, Wien
Regieassistenz NORMAN SCHOCK Bühnenbildassistenz LINDA GAGELMANN Kostümassistenz STEFANIE HOFMANN Soufflage HANS PETER SCHENCK Inspizienz JULIKA VAN
DEN BUSCH Dramaturgiehospitanz SUSANNE BETTELS
Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühne Kleines Haus
HENDRIK BRÜGGEMANN, EDGAR LUGMAIER Leiter der Beleuchtungsabteilung STEFAN
WOINKE Leiter der Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton TILL MEILER, DIETER SCHMIDT,
FELIX WAGNER Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Requisite CLEMENS WIDMANN
Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ Konstrukteur MICHAEL KUBACH Malsaalvorstand
GIUSEPPE VIVA Leiter der Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN
BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG
Kostümdirektorin CHRISTINE HALLER Gewandmeister/in Herren PETRA ANNETTE
SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN
WÖRNER, ANNETTE GROPP Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER
Schuhmacherei THOMAS MAHLER, VALENTIN KAUFMANN, NICOLE EYSSELE Modisterei DIANA FERRARA, JEANETTE HARDY Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG
Maske RENATE SCHÖNER, LILLA SLOMKA, MARINA ZIEBOLD
Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer
Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind.
DIE WELT IST IM ZERFALL,
O FLUCH, O GRAUEN,
DASS ICH GEBOREN BIN
SIE NEU ZU BAUEN
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Sascha Tuxhorn, Ronald Funke
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WER STEHT FÜR DIESEN
BLUTIGEN
EIN?
FREVEL
ZUM INHALT
Akt I
Seit der alte König gestorben ist herrscht
Unruhe in Dänemark. Norwegen rüstet unter dem kampfeslustigen Prinzen Fortinbras
auf. Marzellus und Bernardo halten nachts
in Helsingör Wache. Sie sind verängstigt,
denn zum wiederholten Mal erscheint ihnen
der Geist des alten König Hamlet.
Zur Beerdigung des verstorbenen Königs
tritt die neue königliche Familie zum ersten
Mal gemeinsam auf. Claudius, der Bruder
des Toten, zeigt sich als neuer König und
frisch vermählt mit der Königin. Alle Anwesenden stützen die neue Regentschaft.
Einzig Hamlet rebelliert und verschließt sich
der Feier.
Der königliche Berater Polonius und seine
Kinder Laertes und Ophelia treten auf. Das
Geschwisterpaar streitet. Anlass ist Ophelias Liebe zu Hamlet, die dem Bruder Sorge
bereitet. Laertes weiß, dass die Stellung
seiner Schwester am Hof nicht ausreicht,
um den Prinzen heiraten zu können. und
warnt sie vor ihren Gefühlen.
Laertes verlässt Dänemark. Ophelia bleibt
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allein mit ihrem pedantischen Vater zurück,
der die junge Liebe ebenfalls heftig ablehnt.
Er misstraut den Motiven des Prinzen,
glaubt, dessen Gefühle seien oberflächlich
und fürchtet um die Ehre seiner Tochter.
Polonius verbietet dem Mädchen jeden
weiteren Kontakt zu Hamlet.
Der junge Prinz zieht sich in die Einsamkeit
zurück. Er monologisiert aufgebracht über
die Schande seiner Mutter und die Verderbtheit der Welt. Plötzlich erscheint ihm
der Geist seines Vaters und offenbart, dass
er durch die Hand seines Bruders getötet
wurde. Er fordert Hamlet auf, den begangenen Mord zu rächen. Im Anschluss kommt
es zum wohl berühmtesten Monolog des
Stücks: Sein oder nicht sein. Der dänische
Prinz steht vor der Entscheidung, in die Zukunft seiner Familie und damit des ganzen
Königreiches einzugreifen oder nichts zu
tun und damit der Tat und ihrer Folgen ihren
Lauf zu lassen
Akt II
Ophelia berichtet ihrem Vater aufgewühlt
von einer Begegnung mit Hamlet. Er verhält
sich eigenartig. Das Mädchen erzählt,
Hamlet habe nicht gesprochen, sie nur
angestarrt und sei vollkommen von Sinnen
gewesen. Polonius nimmt an, dass Prinz
Hamlet aufgrund der Trennung von Ophelia
den Verstand verloren hat.
Ein Brief aus Norwegen trifft ein, in dem
Prinz Fotrtinbras darum bittet, für einen
Krieg gegen Polen mit seinen Truppen
durch Dänemark marschieren zu dürfen.
Claudius gewährt die Bitte.
Auch das Königspaar hat die Veränderung
an Hamlet bemerkt und bittet seine Studienfreunde Rosenkranz und Güldenstern
um Hilfe. Sie sollen herausfinden, was im
Prinzen vorgeht.
Polonius bekräftigt den König in seiner
Beunruhigung über Hamlets Verhalten und
schlägt vor, sich selbst ein Bild von der
Gefühlslage des Prinzen zu machen. Erfolglos versucht er, Hamlet in ein Gespräch zu
verwickeln. Doch Hamlet spielt vor Polonius
den Wahnsinnigen. Auch Rosenkranz und
Güldenstern scheitern an ihrem Auftrag.
Ein Schauspieler kommt an den Hof und
Hamlet plant mit ihm die Aufführung
eines Theaterstücks, mit dessen Hilfe er
die Wahrheit über den Tod seines Vaters
herauszufinden hofft. Während des Stücks
will er Claudius beobachten und prüfen, ob
das Schauspiel Schuldgefühle beim König
hervorruft.
Akt III
Rosenkranz und Güldenstern berichten
dem Königspaar von ihrem missglückten
Versuch, den Grund für Hamlets Unruhe zu
erfahren. Ophelia muss das Gespräch mit
dem Prinzen suchen: Sie wird von Claudius
und ihrem Vater als Lockvogel eingesetzt,
um Hamlet aus der Reserve zu locken. Die
Unterhaltung zwischen dem jungen Paar
scheitert. Hamlet verliert die Fassung, da
er sich von Ophelia hintergangen fühlt, und
beschimpft sie heftig. Über die Reaktion
seines Neffen schwer bestürzt beschließt
Claudius, Hamlet unter einem Vorwand
nach England zu schicken.
Der gesamte Hofstaat kommt zu Hamlets
Theaterstück zusammen. Claudius und
Gertrud werden vom jungen Prinzen dazu
aufgefordert, selbst im Stück mit dem Titel
die Mausefalle zu spielen. Ein König und
eine Königin schwören sich darin ewige
Treue. Darauf wird der König von einem
gemeinen Mörder vergiftet, genau so, wie
es Claudius zuvor mit seinem Bruder getan
hat. Im Spiel mit ihrer realen Situation konfrontiert, realisieren Gertrud und Claudius
die Gemeinsamkeiten des Stücks mit ihrer
eigenen Situation. Als Claudius, in der Rolle
des Theaterkönigs, Gift ins Ohr geträufelt
wird, verlässt er ertappt und in Panik den
Saal. Hamlet sieht sich darin bestätigt, dass
Claudius seinen Vater ermordet hat.
PAUSE
Der König zieht sich zurück, versucht zu beten und beichtet seine Tat vor Gott. Hamlet
erkennt die Möglichkeit der Rache, zögert
und erschlägt den wehrlos betendenen
Claudius doch nicht.
Königin Gertrud empfängt ihren Sohn aufgewühlt in ihren Gemächern. Sie ermahnt
ihn, nicht weiter seinen Onkel zu beleidigen.
Hamlet wirft seiner Mutter, die schnelle
Heirat mit Claudius vor. Er zeigt ihr zwei
Portraits auf denen beide Könige zu sehen
sind, führt ihr vor, wie schwach ihr neu
gewählter Mann ist.
Um das Gespräch zu belauschen, versteckt
Polonius sich im Raum. Auf ein Geräusch
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hin tötet Hamlet ihn im Glauben, seinen
Onkel zu ermorden.
Akt IV
Als Gertrud ihrem Ehemann von den Geschehnissen berichtet, realisiert Claudius,
dass der Angriff ihm gegolten hat.
Er stellt Hamlet zur Rede und fordert ihn
auf, den Verbleib von Polonius Leichnam
zu verraten. Hamlet antwortet ihm, er solle
im Himmel nachsehen lassen oder selbst
in der Hölle suchen. Eile sei nicht geboten,
denn der tote Körper beginne in kurzer Zeit
zu verwesen und der Geruch erleichtere die
Suche. Er spricht den König mit „Mutter“ an
und argumentiert, dass König und Königin
durch ihre Heirat zu einer Person geworden sind. Claudius sieht in den Antworten
Hamlets nur Wahnsinn.
Aus Angst vor dem jungen Prinzen und um
seinen Thron schickt Claudius ihn zusammen mit Rosenkranz und Güldenstern nach
England. Er verfasst einen geheimen Brief,
in dem der Tod des Prinzen angeordnet
wird, sobald dieser englischen Boden
betritt und übergibt ihn Hamlets Schulfreunden.
Während der Überfahrt nach England entdeckt Hamlet den Mordbefehl gegen sich.
Er schreibt den Brief um. Nun lautet die
Anweisung, Rosenkranz und Güldenstern
bei ihrer Ankunft zu töten.
Ohne Hamlet in Helsingör zurückgeblieben,
müssen sich König und Königin mit sich
selbst beschäftigen und nach den vergangenen Ereignissen neu zu finden. Die
Königin zweifelt an Claudius' Ehrlichkeit.
Ophelia hat nach dem Mord an ihrem Vater
den Verstand verloren. Die Nachricht vom
Tod von Polonius hat Laertes in Frankreich
erreicht. Er ist nach Dänemark zurückgekehrt und sinnt nach Rache an Claudius,
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den er für verantwortlich hält.
Gleichzeitig mit ihm trifft die Nachricht am
Hofe ein, dass Hamlet aus England zurückgekommen ist.
Claudius, der erneut um sein Leben fürchten
muss, schafft es, Laertes' Wut auf Hamlet
umzulenken und ihn von einer Verschwörung gegen den Prinzen zu überzeugen.
Königin Gertrud unterbricht Pläne der beiden und bringt Nachricht von Ophelias Tod.
Das Mädchen hat sich im nahegelegenen
Bach ertränkt.
Akt V
Hamlet trifft auf zwei Totengräber, die
Ophelias Grab ausheben. Die Beerdigung
findet heimlich statt, denn der Selbstmord
des Mädchen soll verschleiert werden.
Nach der Zeremonie begegnen sich Hamlet,
Laertes und das Königspaar erneut. Als
Bruder und Liebhaber um die Liebe des
toten Mädchens buhlend, gehen die jungen
Männer aufeinander los. Claudius beschwichtigt Laertes und bittet ihn, sich auf
den gemeinsamen Plan zu besinnen.
Vom Geist seines Vaters erfährt Hamlet,
dass der König auf einen bevorstehenden
Kampf zwischen ihm und Laertes gewettet hat. Bei Hofe treffen beide zum Duell
aufeinander. Claudius hat seinen Plan
gegen Hamlet abgesichert: Laertes tritt mit
vergiftetem Degen an. Zusätzlich steht ein
Giftkelch bereit, der dem Prinzen als Erfrischung gereicht werden soll. Doch aus dem
Kelch trinkt Königin Gertrud. Hamlet, selbst
tödlich getroffen, verwundet Laertes und
ersticht Claudius bevor er selbst stirbt.
Am Ende bleiben nur Marzellus und Bernardo übrig. Prinz Fortinbras trifft auf seinem
Marsch am Hof ein und besteigt den leeren
dänischen Thron.
Frank Wiegard, Annette Büschelberger
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André Wagner, Marthe Lola Deutschmann, Larissa Wäspy, Jonathan Bruckmeier, Maximilian Grünewald,
Michel Brandt, Frank Wiegard, Annette Büschelberger
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WAS FÜR EIN
MEISTERWERK
IST DER MENSCH
ZUM AUTOR
Um den elisabethanischen Dramatiker
William Shakespeare ranken sich zahlreiche Legenden und Spekulationen. Wer der
Dichter tatsächlich war, ist heute schwer
zu sagen. Zwar gibt es für einen Mann des
16. Jahrhunderts vergleichsweise viele
Dokumente aus seinem Leben, daraus
lässt sich jedoch nur ein lückenhafter
Lebenslauf zusammensetzen.
Es ist sicher, dass William Shakespeare im
Jahr 1564 in Stratford-upon-Avon getauft
wurde. Es existieren mindestens zwei
Shakespeare-Versionen: der reale Mann,
der als Verfasser der bekannten Bühnenwerke gilt, und der Mythos Shakespeare,
der jeweils zeitgemäß in das bestehende
Werk hineininterpretiert wird.
Als Sohn eines Handschuhmachers
verlebt Shakespeare seine Jugend in der
englischen Provinz und heiratet, noch
minderjährig, die acht Jahre ältere Anne
Hathaway. Im darauffolgenden Frühjahr
kommt die gemeinsame Tochter Susanna
zur Welt. Es folgen die Zwillinge Hamnet
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und Judith. In seinem Heimatdorf kommt
Shakespeare mehrmals mit dem Gesetz
in Konflikt. Möglicherweise bringen die
dörflichen Streitereien den jungen Mann
auf die Idee, Familien- und Landleben hinter sich zu lassen und sich der Großstadt
London zuzuwenden.
Der Lebenslauf Shakespeares weist
zwischen seinem 19. und 28. Lebensjahr
eine Lücke auf. Aus dieser Zeit sind kaum
Informationen über sein Leben überliefert.
Erst im Jahr 1592 gibt es wieder Hinweise
auf den Dramatiker.
Kaum ein Ort ist in dieser Zeit so anonym
und gleichzeitig erfüllt von Leben wie
London. Das wilde Treiben um ihn herum
inspiriert Shakespeare. Hier kann er beinahe ohne Einschränkung leben und schreiben. Die Stadt selbst kommt in den Werken
des elisabethanischen Autors tatsächlich
kaum vor. Das liegt unter anderem daran,
dass Shakespeare wie damals üblich viele
seiner Ideen nicht von Grund auf neu erfin-
det, sondern Erzählungen oder historische
Geschehnisse aufgreift und literarisch
verarbeitet. Für einige Charaktere Shakespeares, wie z.B. die Könige Henry V und
Richard III, hat es reale Vorbilder gegeben.
Auch die Geschichte um den dänischen
Prinzen Hamlet ist zu Lebzeiten Shakespeares verbreitet. Der Schriftsteller Saxo
Grammaticus verfasst bereits im 12. Jahrhundert die Erzählung um einen Prinzen,
dessen Vater ermordet wird und der sich
in den Wahnsinn stürzt. Saxos Version
der Geschichte, die dem nordischen
Volksmund entspringt, wird im elisabethanischen England von fahrenden Schauspieltruppen aufgeführt. Der junge William
Shakespeare hat eine solche Aufführung
wahrscheinlich selbst erlebt und entwickelt aus ihr die Idee für seinen Hamlet.
Die Figuren Shakespeares bewegen sich
oft in der Natur oder sind von Einsamkeit
und Stille umgeben, Situationen, die es im
überfüllten London nur selten gab. Ebenso
wie die Orte weichen auch die Charaktere
häufig vom Alltagsbild des elisabethanischen Bürgertums ab. Shakespeare
schreibt von Königen und Herrschern. Das
Volk selbst kommt kaum zu Wort. Dennoch
hat es den Anschein, als habe Shakespeare jede Bekanntschaft und jedes Erlebnis aus seiner Zeit und seinem Umfeld auf
seine Werke übertragen und verarbeitet.
Immer wieder finden sich in Shakespeares
Werken Hinweise auf Ereignisse oder
Personen, die es tatsächlich in seinem
eigenen Umfeld gegeben hat.
Ende der 1590er Jahre durchlebt William
Shakespeare eine außergewöhnlich
produktive Phase seines Schaffens. Aus
dieser Zeit stammen beispielsweise die
Komödien Viel Lärm um nichts, Wie es
euch gefällt und auch die Tragödie Hamlet.
Der Shakespeare-Biograf Stephen Greenblatt findet den Ursprung dieser Kreativität
in der Familie des Dramatikers.
Vermutlich im Jahr 1596 erreicht Shakespeare die Nachricht von der schweren
Krankheit seines Sohnes Hamnet. Ob er
Stratford noch vor dem Tod des Jungen
erreicht, ist nicht überliefert. Mit hoher
Wahrscheinlichkeit nimmt er jedoch an
Hamnets Beerdigung teil. Es gibt keine
Berichte darüber, wie Shakespeare auf
den Tod seines Kindes reagiert hat. Die
Kindersterblichkeit ist hoch, jedes dritte
Kind stirbt vor Erreichen des zehnten Lebensjahres. Vermutlich hat ihn der Verlust
seines einzigen Sohnes und Erben trotzdem sehr schwer getroffen.
Gleich zwei Werke Shakespeares aus den
Jahren nach Hamnets Tod beschäftigen
sich direkt mit der Beziehung zwischen
Vater und Sohn. Während sich Brutus im
Drama Julius Caesar gegen die Vaterfigur wendet, entscheidet sich Hamlet im
gleichnamigen Stück für den Vater und
damit gegen seine eigene Zukunft.
Der Autor erinnert sich beim Schreiben der
Dramen möglicherweise an seinen eigenen
Sohn. Tatsächlich sind die Namen Hamnet
und Hamlet praktisch identisch, denn es
existiert in dieser Zeit keine einheitliche
Rechtschreibung.
Das elisabethanische Zeitalter ist aus heutiger Sicht eine politisch, wirtschaftlich
und sozial unbeständige Welt. Veränderungen prägen den Alltag William Shakespeares in London. Dies spiegelt sich auch
im weiten Spektrum unterschiedlicher
Schauplätze und Szenarien wider, die
Shakespeare in seinen Stücken verarbeitet. Bei aller Vielfalt gibt es dennoch immer
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eine kontinuierliche Größe: Im Zentrum
steht der Mensch und die Beziehung zu
seinem Umfeld. Die zahlreich auftretenden
extremen Charaktere Shakespeares leben
im starken Gegensatz zu ihrem Schöpfer.
Der Autor war wahrscheinlich kein Mann
der Massen und lebte abseits der Bühne
eher zurückgezogen. Exzesse oder Skandale um den Dramatiker aus seiner Zeit in
London sind nicht überliefert.
Im Jahr 1599 entsteht das heute weltberühmte Globe Theatre an der Londoner
Southbank, damals ein Vergnügunsbezirk
außerhalb der Stadtgrenzen. Als Teilhaber
und Dramatiker tritt Shakespeare dort
wahrscheinlich selbst gelegentlich als
Schauspieler auf. Um finanziell zu überleben, muss die Schauspieltruppe des Globe
zusätzlich zu einem umfangreichen Repertoire jährlich zwanzig Premieren präsentieren. Für den Bühnenautor bedeutet das
rund um die Uhr ein enormes Arbeitspensum. Das Publikum setzt sich ebenso aus
dem einfachen Volk wie auch Vertretern
des Adels zusammen.
Nicht selten genießen Theatermacher die
Aufmerksamkeit und den Schutz einflussreicher Aristokraten, Minister oder gar der
Königin selbst. Eine besondere Beziehung
verbindet Shakespeare mit dem Earl of
Southampton. Ihm widmet der Dramatiker
mehrere Gedichte, darunter Venus und
Adonis, das erste Werk das mit Sicherheit
Shakespeare zugeordnet werden kann.
In Zeiten der Pest, in denen Theater immer
wieder geschlossen werden müssen, dient
das Schreiben für den Adel als reiner Broterwerb. Finanziell bedeutet die Gönnerschaft Southamptons für Shakespeare vor
allem Sicherheit. Gleichzeitig bietet ihm
seine Dichtung die Möglichkeit, Anspielungen auf das Privatleben seines Förderers
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zu verstecken. Die Biografie des Grafen
lässt vermuten, dass Shakespeare dem
jungen Mann fast väterliche Gefühle entgegenbringt und durch mehrere Sonette zu
einem gezügelten Lebensstil rät.
Doch nicht nur Southampton fühlt sich von
der Dichtung Shakespeares angesprochen,
insbesondere das junge männliche Publikum ist von seinen Werken begeistert.
Zum Gentleman geadelt und als berühmter
Dichter bei Hof und im Volk hoch angesehen, ist Shakespeare in London umgeben
von den Intellektuellen seiner Zeit, wie
dem Schauspieler Richard Burbage oder
dem Dichter Christopher Marlowe. Im Gegensatz zu den meisten seiner berühmten
Freunde besitzt er selbst vermutlich ein
Mindestmaß an bürgerlicher Bildung, eine
Universität hat Shakespeare mit großer
Wahrscheinlichkeit jedoch nie besucht.
Schon während Shakespeares Aufenthalt
in der Großstadt werden Umfeld und Werk
des Theatermachers vielerorts diskutiert.
Über hundert Verweise verschiedener
Autoren belegen die Berühmtheit Shakespeares noch zu seinen Lebzeiten.
William Shakespeare wird heute als Dramatiker dem elisabethanischen Zeitalter
zugeordnet. Viele berühmte Werke wie
Othello, König Lear oder Macbeth entstehen aber erst nach dem Tod von Königin
Elisabeth I. Mit der Krönung James I finden
im Land große Veränderungen statt. Um
seine gesellschaftliche Stellung nicht zu
verlieren, muss sich Shakespeare dem
neuen System anpassen. Seine Theatertruppe, die Lord Chamberlains’s Men,
rückt fortan die politischen und religiösen
Ansichten des neuen Regenten ins Zentrum ihres Schaffens und nennt sich, ihm zu
Ehren neu The Kings’s Men.
Nach beinahe zwei Jahrzehnten des Erfolgs
und der Anerkennung, aber auch der
Einsamkeit, kehrt William Shakespeare der
Großstadt den Rücken und widmet sich fortan wieder dem Familienleben. Aus seinen
letzten Lebensjahren sind mehrere Belege
erhalten, die den Bürger Shakespeare in
erster Linie als regen Geschäftsmann, nicht
aber als Dichter ausweisen. Das ausführ-
lichste Schriftstück aus dieser Zeit ist
Shakespeares dreiseitiges Testament. Die
darin aufgelisteten Besitztümer vermachte
er zu großen Teilen seiner ältesten Tochter.
Am 23. April 1616 stirbt William Shakespeare.
Sieben Jahre nach seinem Tod erscheint die
erste Gesamtausgabe seiner Dramen, die
heute als First Folio bekannt ist.
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Annette Büschelberger, Frank Wiegard, Marthe Lola Deutschmann, Larissa Wäspy, Maximilian Grünewald,
Jonathan Bruckmeier, Michel Brandt
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SHAKESPEARES
ENTDECKUNG
ZUM STÜCK
Von Stephen Greenblatt, aus seiner
Shakespeare-Biografie Will in der Welt
Versenkung zu holen und sie in ein verblüffend neues Gewand zu kleiden.
Die Abfassung eines Stückes über Hamlet
im Jahre 1600 oder ungefähr um diese Zeit
war möglicherweise nicht Shakespeares
eigene Idee. Mindestens ein – heute nicht
mehr erhaltenes – Stück über den dänischen Prinzen, der den Mord an seinem
Vater rächt, war bereits auf der englischen
Bühne aufgeführt worden und muss so
großen Erfolg gehabt haben, dass zeitgenössische Autoren darauf Bezug nahmen,
so als hätte es jeder gesehen oder wüsste
zumindest davon. Vielleicht hat irgendjemand von den Lord Chamberlain’s Men,
Shakespeares Schauspieltruppe, ihm
gegenüber die Ansicht geäußert, die Zeit
könnte für eine neue, verbesserte Version
des Hamlet reif sein. Shakespeare mit
seinem starken Interesse am Profit des Unternehmens verfügte über ein einzigartiges
Gespür für alles, was in London Menschenmengen anzog, und er hatte mittlerweile
große Erfahrung darin, alte Stücke aus der
Shakespeare hatte das frühe HamletStück sicher gesehen, wahrscheinlich
mehrmals. Es ist durchaus möglich, dass er
darin aufgetreten war, und in diesem Falle
hätte er die Rolle aus zusammengeklebten
Papierstreifen in seinem Besitz gehabt, auf
der seine Rolle und die Stichworte für seine
Auftritte und Abgänge verzeichnet waren.
Elisabethanische Schauspieler hatten
gewöhnlich nur Zugang zu ihrer jeweiligen
Rolle und nicht zum Gesamttext; es war zu
teuer, ihn vollständig abzuschreiben, und
die Schauspielertruppen hüteten sich, ihre
Texte allgemein in Umlauf gelangen zu lassen. Zu besonderen Anlässen konnten sie
Abschriften für bevorzugte Schirmherren
anfertigen lassen, und in Zeiten finanzieller
Engpässe verkauften sie manchmal Texte
von Schauspielern an Drucker. Doch sie
wollten, dass die Öffentlichkeit Stücken in
erster Linie im Schauspielhaus und nicht im
Studierzimmer begegnete.
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Shakespeare kannte sicher auch noch
weitere Versionen der alten dänischen
Geschichte. Dem Stück nach zu urteilen,
las er zumindest sorgfältig die Geschichte,
wie sie auf französisch von Francois de
Belleforest wiedergegeben wird, dessen
Sammlung tragischer Geschichten gegen
Ende des 16. Jahrhunderts ein Phänomen
auf dem Buchmarkt war. Belleforest hatte
den Hamlet-Stoff einer lateinisch geschriebenen Chronik Dänemarks entnommen, die
der Däne Saxo Grammaticus Ende des 12.
Jahrhunderts kompiliert hatte. Und Saxo
wiederum hatte schriftlich und mündlich
überlieferte Sagen verarbeitet, die einer
noch Jahrhunderte weiter zurückliegenden
Zeit entstammten. Wie so oft in seiner
Laufbahn arbeitete Shakespeare hier also
mit bekanntem Material – es gab eine fest
umrissene Geschichte, vertraute Personen
und eine Reihe vorhersehbarer Erregungen.
König Horwendil, das Pendant zum alten
König Hamlet, wird von seinem neidischen
Bruder Feng nicht heimlich, sondern vor
aller Augen umgebracht. Der Bruder
benutzt eine durchsichtige Geschichte als
Vorwand – er sagt, Horwendil habe seine
edle Gattin Gerutha brutal missbraucht –,
aber die Wirklichkeit sieht so aus, dass der
skrupellose Feng derart mächtig ist, dass er
die Krone, das Reich und die Gattin seines
Bruders an sich reißen und ungestraft
davonkommen kann. Das einzige potentielle Hindernis ist Horwendils junger Sohn
Amleth, denn in dieser vorchristlichen Welt
von Verrat und Rache weiß jeder, dass ein
Sohn den Mord an seinem Vater rächen
muss. Amleth ist noch ein Kind und stellt
für niemanden eine Gefahr dar, doch was
er zu tun hat, wenn er herangewachsen ist,
steht außer Frage. Der mörderische Feng
ist sich über diesen strengen sozialen Code
natürlich ebenfalls im Klaren, und wenn der
Knabe nicht schnell eine Kriegslist entwickelt, ist sein Leben nichts mehr wert. Um
so lange leben zu können, dass er seine
gerechte Rache nehmen kann, stellt Amleth
sich wahnsinnig und überzeugt seinen
Onkel davon, dass er für ihn niemals eine
Bedrohung darstellen könnte. Er bewirft
sich mit Schmutz und Schleim, sitzt am Feuer und schnitzt lustlos an kleinen Stöcken
herum, aus denen er Haken mit Widerhaken
macht. Obgleich der argwöhnische Feng
ihm wiederholt Fallen stellt, um hinter dem
scheinbaren Schwachsinn seines Neffen
verborgene Funken von Intelligenz aufzuspüren, entgeht Amleth listig der Entdeckung. Als Narr verspottet, mit Hohn und
Verachtung behandelt, gelingt es ihm endlich, Fengs gesamtes Gefolge zu verbrennen und seinen Onkel mit einem Schwert zu
durchbohren. Er beruft eine Versammlung
von Adeligen ein, erklärt, weshalb er seine
Tat getan hat, und wird begeistert zum neuen König ausgerufen. Viele wunderten sich,
wie er einen so geschickten Plan über einen
derart langen Zeitraum hinweg verborgen
gehalten hatte.
Schon bei Julius Cäsar hatte Shakespeare
an einer solchen Figur gearbeitet: Bei Brutus' Monolog im Obstgarten taucht etwas
Neues auf. Shakespeare lässt eine Figur
denken, mit Fragen ringen. Die Zuschauer
werden geradezu unheimlich nahe herangeholt, sie können die Herausbildung eines
schicksalshaften Entschlusses, der die
Welt verändern wird, aus nächster Nähe
beobachten. Dachte hier Shakespeare zum
ersten Mal an die Möglichkeit, über eine Figur zu schreiben, die praktisch das gesamte
Stück hindurch in diesem eigentümlichen
Zwischenstand verharrt? Er hatte die dramatischen Mittel entwickelt, um die psychische Realität eines derartigen Zustands
darzustellen – eine Fähigkeit, von der weder
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Saxo Grammaticus noch seine Nachfolger
auch nur träumen konnten. Er sah, dass die
Hamlet-Geschichte, die zur Überarbeitung
reif war, es ihm ermöglichen würde, ein Stück
darüber zu schreiben, wie es sich anfühlt ,
innerlich in dem unbehaglichen Zwischenstadium zwischen einem mörderischen Plan und
seiner Ausführung zu leben.
Das Neue an Hamlet war nicht, neue
Themen zu entwickeln, oder zu lernen, wie
man wohlgeformtere, straffere Handlungen konstruiert; das Neue war, wie man
Innerlichkeit darstellte, die mit einer neuen
radikalen Technik des Weglassens erreicht
wurde. Shakespeare hatte die Fragen
überdacht, wie man eine Tragödie aufbaut
– insbesondere hatte er sich Gedanken
darüber gemacht, wieviel kausale Erklärung
eine tragische Handlung braucht, um effektiv zu funktionieren, und wieviel explizite
psychologische Begründung eine Figur
braucht, um überzeugend zu sein. Er fand,
dass er die Wirkung seiner Stücke maßlos
steigern konnte, wenn er ein entscheidendes Erklärungselement fortließ und dadurch
die Begründung, die Motivation oder das
ethische Prinzip, das für die Entfaltung der
Handlung verantwortlich war, verdeckte.
Es ging nicht darum, ein Rätsel aufzugeben,
das gelöst werden musste, sondern darum,
eine strategische Undurchsichtigkeit zu
schaffen. Shakespeare verlässt sich jetzt in
zunehmendem Maße auf die innere Logik,
auf die poetische Kohärenz. In dem er die
Struktur der oberflächlichen Bedeutungen niederreißt, konstruiert er durch das
nachhallende Wiederholen von Schlüsselbegriffen, die geschickte Entwicklung von
Bildern, die brillante Orchestrierung von
Szenen, die komplexe Entfaltung von Ideen,
die Verflechtung paralleler Handlungen und
die Enthüllung seelischer Obsessionen eine
innere Struktur.
In den Jahren nach Hamlet schrieb Shakespeare eine Reihe erstaunlicher Tragödien
– Othello 1603 oder 1604, König Lear 1605
und Macbeth 1606 –, in denen er von seiner
Entdeckung Gebrauch machte. Wiederholt
nahm er seine Quelle und entfernte aus
ihr geschickt das Element, von dem man
meinen könnte, es wäre für eine kohärente
Handlung unentbehrlich.
ICH BIN WIE EINER DER
ZWEI DINGE TUN WILL AUF
EINMAL UND NICHT WEISS
WIE ZU BEGINNEN UND
BEIDE UNGETAN LÄSST
18
Ronald Funke, Sascha Tuxhorn
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FAUL
DÄNEMARK
ETWAS IST
IM STAATE
ZUR INSZENIERUNG
Jan Kott schrieb in seinem berühmten Standardwerk Shakespeare heute: „Hamlet lässt
sich nicht im Ganzen spielen, er würde sechs
Stunden dauern. Man muss eine Auswahl
treffen, Kürzungen und Streichungen vornehmen. Man kann nur einen Hamlet spielen,
einen von denen, die in diesem Super-Stück
enthalten sind. Es wird immer ein Hamlet
sein, der ärmer ist als der Shakespearsche,
aber es kann auch einer sein, der reicher
ist, reicher um unsere Zeit. Er kann, nein, er
muss es sein. Denn Hamlet lässt sich nicht
ganz einfach aufführen. Vielleicht liegt darin
seine Anziehungskraft für Regisseure und
Schauspieler. In Hamlet haben viele Generationen nach ihren eigenen Zügen gesucht.
Vielleicht beruht das Geniale Hamlets gerade
darauf, dass man sich darin spiegeln kann.“
Um die Gräben zwischen den Generationen
geht es in Csaba Polgárs Hamlet-Inszenierung. Der alte Hamlet ist tot, das alte System
abgeschafft, die Macht liegt nun in der Hand
seines jüngeren Bruders Claudius. Eine der
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ersten Handlungen nach der Trauerfeier
für den alten Hamlet ist die Übergabe eines
Geschenks von Claudius an Gertrud, die
er zur Frau genommen hat. Das Geschenk
ist die neue Burg, eine überdimensionierte
weiße Hüpfburg, die während des Aufblasens, Schritt für Schritt, einen Großteil der
Bühne des Kleinen Hauses vereinnahmt. Es
ist ein Luftschloss, ein wackeliges, instabiles
Symbol für die neue Zeit, die mit dem Tod
des alten Hamlet und der Machtübernahme
seine Bruders angebrochen ist. In einer kurzen Replik kann man ahnen, wie restriktiv,
wie brutal die alte Regentschaft war und mit
welcher Freude und Lust auf Erneuerung der
Hof den neuen Regenten annimmt – der ganze Hof mit Ausnahme des jungen Hamlet. König Claudius verspricht Freude und Freiheit,
ein Luftschloss, während an den Grenzen die
Bedrohung durch den Norweger Fortinbras wächst und in der ersten Szene schon
die Wachen vom Unbehagen berichten,
in dem sich der Staat Dänemark befindet.
Hält dieser Staat dieser Bedrohung stand,
trotz der Veränderungen, die sich gerade
im Machtgefüge vollziehen? Csaba Polgár
inszeniert eine Königsfamilie, der das Feiern
ihrer neu gefunden Freiheit wichtiger ist,
als der verantwortungsvolle Gebrauch ihrer
Machtposition. Es ist eine Familie, die sich in
den Traum, in ihre Sehnsüchte flüchtet.
Getrud und Claudius haben nur noch ihre
neu gewonnene ehrliche Liebe vor Augen,
Polonius seine Position beim neuen König. Der Sinn für Realität, der Blick für die
militärische Bedrohung ist ihnen komplett
abhanden gekommen. Polgár und sein Team
haben diese Situation selbst erlebt, als
Kinder, als Teenager, als 1989 der Sozialismus in Ungarn abgeschafft wurde, die Lage
unsicher war und keiner wusste, was auf das
Land zukommen würde.
In der Inszenierung wird der faule Staat
Dänemark von einer Hüpfburg symbolisiert.
Daneben, viel kleiner und älter, steht ein
Wachhäuschen, ein letzter Grenzposten, mit
Patina belegt, ein Rest des alten Systems.
Hierher zieht sich Hamlet zurück, und hier
findet auch die schicksalshafte Begegnung
mit dem Geist seines Vaters statt. Diese Begegnung ändert alles. Denn sie reißt Hamlet
aus seiner Trauer um den Vater und stellt
ihm eine Aufgabe: Der Vater wurde vom
Onkel ermordet, Hamlet soll die Tat rächen.
Das Dilemma: seine Tat wäre nicht nur ein
folgenschwerer Eingriff in das Gefüge der
Familie, sondern auch in das des Staates.
Doch Zweiteres scheint auch Hamlet nicht
wirklich zu interessieren. Das persönliche
Schicksal, die eigene Befindlichkeit ist
wichtiger.
Polgár zeigt einen verlassenen Prinzen,
der allein ist und sich in Opposition zu den
Festlichkeiten um den neuen Thronfolger im
Wachhäuschen verbarrikadiert. Um diese
Einsamkeit zu verstärken wurde für die
Fassung sein wichtigster Vertrauter und
Freund, Horatio, gestrichen. Hamlet ist ein
Denker und wird in vielen Inszenierungen so
gezeichnet, dass er entweder den Wahnsinnigen spielt oder wahnsinnig ist. In Polgárs
Konzept spielt er nicht und ist es nicht, nein,
er erscheint den anderen nur wahnsinnig,
wie jeder große und empfindsame Geist
andern oft als geistesgestört erscheinen
kann. Er wird unfähig, Gewalt auszuüben und
scheitert damit als erstes schon an Ophelia.
Dieser Zug der Inszenierung liegt vor allem in
der Auswahl der Fassung begründet, für die
sich das Regieteam entschieden hat.
Wir kennen Hamlet im Original in drei Ausgaben, den ersten beiden Einzelausgaben,
den Quartos von 1603 und 1604 und in der
Gesamtausgabe, dem First Folio von 1623. In
keiner dieser Ausgaben kann man Shakespeares Originalmanuskript erkennen. Die
erste Quarto-Ausgabe ist eine der interessantesten. Sie ist unvollständig, die erste
Szene mit den Wachen fehlt z. B. komplett,
sie ist die kürzeste von allen und beruht auf
einer für Bühnenzwecke bearbeiteten und
gekürzter Aufführungsfassung. Sie wurde
erst 1823 entdeckt, als die Forschung des
19. Jahrhunderts sich bereits zu Hamlet
eine Meinung gebildet hatte; Schlegel hatte
seine berühmte Hamletübersetzung längst
beendet. Goethe hat 1825 von dem neuen
Fund berichtet: „Das erste unbefangene
Lesen gab mir einen wundersamen Eindruck … Das Stück war behaglich und ohne
Anstoß zu lesen, man glaubte in einer völlig
bekannten Welt zu sein; dem ohngeachtet
aber empfand sich dabei etwas Eigenes, das
sich aussprechen ließ und zu einer näheren
Betrachtung, ja einer genaueren Vergleichung Anlass gab.“
Die erste Quarto weist im Vergleich zu den
21
anderen Ausgaben deutliche inhaltliche
Unterschiede auf. Am stärksten in Claudius'
Gebetsmonolog und in der Szene in Gertruds
Gemach. Die Königin gilt als unbefriedigende
Rolle. Sie hat eigentlich nur diese eine große
Szene. In den andern Texten endet diese
Szene ohne Resultat. Im ersten Quarto wird
klar formuliert, dass die Königin nichts von
der Ermordung ihres Mannes weiß, und der
Text macht es sogar möglich, dass die Mutter
sich zum Ende der Szene mit ihrem Sohn versöhnt. Der Geist selbst bittet Hamlet, seine
Mutter zu schonen.
Der berühmte Monolog „Sein oder Nichtsein“, der in den andern Ausgaben keinen
festen Platz hat und meistens nicht dorthin
gehört, wo man ihn platziert, dieser Monolog
befindet sich ziemlich am Anfang des Stücks
und setzt damit das Leitmotiv für Hamlets
ganzes Sein, direkt nach der Begegnung mit
dem Geist. Das STAATSTHEATER zeigt den
Hamlet in dieser ersten Quarto-Fassung in
einer Übertragung von Hans Rothe. Max
Reinhardts Dramaturg und späterer Chefdramaturg der Ufa stellte für eine Vielzahl von
Shakespeares Texten Neufassungen her.
Die besondere und einzigartige Schlüsselszene in Hamlet bleibt die Mausefalle. Das
Stück im Stück, das Theater auf dem Theater,
in dem Hamlet das Wort seines Vaters auf
den Prüfstand stellt und damit die politische
Funktion des Theaters buchstäblich ins Zentrum des Stückes. Wenn Theater Zuschauer
dazu bewegen kann, über ihre Verfehlungen
nachzudenken und sich dann die eigene
Schuld einzugestehen, dann ist es wirklich
eine der stärksten Kunstformen die es gibt.
Polgár treibt das Spiel noch weiter. In seiner
Inszenierung schaut die königliche Familie
nicht nur zu, sondern Claudius und Getrud
spielen selbst den alten König und die alte
Königin. Der Hofstaat stellt den Garten der
Handlung dar und ist gezwungen, untätig zuzuschauen. Polgár bedient sich des
Mittels der Familienaufstellung, der sich
selbst spielenden Familie, um direkt mit
den eigenen Taten konfrontiert zu werden.
Claudius, in der Rolle des alten Königs, erlebt nun, wie ihm das Gift ins Ohr geträufelt
wird, erschrickt und flüchtet von der Bühne.
Es gibt einen zeitgenössischen Bericht von
einer Frau aus Norfolk, die, nachdem sie
einer Aufführung von Hamlet beigewohnt
hatte, den Mord an ihrem Ehemann gestand.
Ausgelöst hatte ihre Schuldgefühle, ihrer Aussage nach, die Aufführung der Mausefalle.
Polgár erzählt von einem Spiel der Generationen, von Lügen und falschen Identitäten
und der fanatischen Sehnsucht Hamlets
nach der Wahrheit. Hamlet ist hier nicht
wahnsinnig, Hamlet ist es einfach nicht
möglich zu lügen. Eine einfache Setzung, die
zur Tragödie eines ganzen Staates wird.
GIBT ES ERBARMEN
SOLANG WIR VORTEIL
ZIEHEN AUS UNSERER
SCHULD?
22
Luis Quintana
23
IN SEINEN ARMEN
DAS
KIND
WAR
TOT
GOETHES ERLKÖNIG
In der Inszenierung Csaba Polgárs spricht
der Schauspieler nicht wie bei Shakespeare den Monolog über Priamus und
Hekuba, sondern rezitiert Goethes Ballade
Der Erlkönig. Der ursprüngliche Stoff
stammt aus dem Dänischen, dort heißt der
Erlkönig Ellerkonge, also „Elfenkönig“. Die
Ballade wurde von Goethes Freund Johann
Gottfried Herder übersetzt. Dabei entstand
der Begriff „Erlkönig“ angeblich aus der
falschen Übersetzung des Wortes Eller als
„Erle“, das er dann mit „König“ kombinierte. Goethe schuf die Ballade als Einlage
zu seinem Singspiel Die Fischerin, in dem
die Darstellerin die Ballade bei der Arbeit
singt. Zum Erlkönig inspiriert worden sein
soll Goethe während seines Aufenthaltes
in Jena durch eine Nachricht, nach der
ein Bauer aus dem nahen Dorf Kunitz mit
seinem kranken Kind zum Arzt an der Universität ritt.
Die meisten Interpretationen des Gedichts
gehen von der Nicht-Existenz dessen aus,
24
was der Knabe wahrnimmt. Sie sehen wie
der Vater den Erlkönig als bloße Ausgeburt
von Angst- und Fieberträumen und als
Ausdruck der Krankheit des Knaben, die
ihn am Schluss des Gedichts tötet.
Wiederum anderen Interpreten zufolge
verkörpert die Figur des Erlkönigs die
männliche Natur des Knaben. Diese locke
den widerspenstigen Knaben zunächst mit
mütterlichen, dann mit erotischen Phantasien in ihr Reich und gewinne schließlich gewaltsam die Oberhand. Durch den
nächtlichen Ausflug ins dämonische Leben
werde der Knabe seiner Unschuld beraubt
und letztlich gezwungen, seine wohlbehütete Kindheit zu verlassen. Sein Tod symbolisiere das unaufhaltsame Ende seiner
naiven Integrität und seinen zwangsläufigen Eintritt in die Welt der Erwachsenen.
Seine männliche Natur hole den fliehenden
Knaben buchstäblich ein. Da helfe kein
noch so schneller Galopp des Vaters, der
seinen Sohn ins beschützende elterliche
Heim zurückholen und so retten wolle.
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.
Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? –
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. –
„Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel’ ich mit dir;
Manch’ bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.“ —
Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht? –
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind. –
„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“ –
Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort? –
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh’ es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau. –
„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt.“ –
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan! –
Dem Vater grauset’s; er reitet geschwind,
Er hält in Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.
25
26
Jonathan Bruckmeier, Larissa Wäspy, Marthe Lola Deutschmann, Sascha Tuxhorn, André Wagner,
Frank Wiegard, Michel Brandt, Annette Büschelberger, Maximilian Grünewald
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VATER,
MEIN VATER
VON ILDIKÓ GÁSPÁR
23. Oktober 1989. Der 23. Oktober ist ein
wichtiger Tag in der ungarischen Geschichte. Es ist der Tag, an dem 1956 die Revolution
ausbrach. 33 Jahre später wurde an diesem
Tag die neue ungarische Republik gegründet
und der 23. Oktober wurde zum Gedenktag
ernannt. Ich kann mich sehr gut an diesen
Tag erinnern: Ich war damals vierzehn Jahre
alt, saß in meinem Klassenzimmer, dieses
Mal nicht in schwarz und weiß gekleidet,
da wir unsere Pionieruniformen nicht mehr
tragen mussten. Auch ein rotes Tuch musste
um den Hals getragen werden, ohne dieses
wäre es kein Pionieruniform gewesen, sondern eine einfache Festkleidung. Vielleicht
haben sich einige Lehrer gedacht, die neue
Freiheit würde nicht lange andauern, bald
käme eine neue Uniform, vielleicht die alte
wieder zurück? Eine eindeutige Entscheidung könnte zu unvorhersehbaren Konflikten führen, die beste Entscheidung war, erst
mal alles offen zu lassen.
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Wir saßen also in der Klasse in unserer
Alltagskleidung. Es gab einen Lautsprecher
über dem Türeingang, durch den man sonst
das sogenannte Schulradio hören konnte.
Es war ein Mittel der Propaganda: nicht nur
Musik, Nachrichten und wichtige Informationen über das Schulleben, sondern auch
die Namen der guten und der schlechten
Schüler wurden regelmäßig verkündet. Mit
sieben Jahren wurde ich einmal unter den
schlechten Schülern erwähnt, ich kroch
vor Scham unter die Bank und bin bis zum
Ende der Pause dort geblieben. Dieses Mal
wurde aber durch den Lautsprecher eine
Sendung des offiziellen ungarischen Radios
übertragen. Mátyás Szúrös, Präsident des
Parlaments und provisorischer Präsident
der Republik, teilte uns mit, dass Ungarn von
nun an nicht mehr eine Volksrepublik sondern eine Republik sei. Ich verstand nicht,
was der Unterschied war, und fragte mich,
warum es besser wäre, eine Republik ohne
Volk zu haben.
Unsere Klassenlehrerin stand uns gegenüber. Sonst trug sie bei Schulzeremonien
auch eine Pionieruniform, was ich lächerlich
fand. Besonders, wenn sie sich so vor den
Russischlehrer stellte und ihm salutierte.
Er hatte wenig Haare, trug einen dunkelbraunen Anzug, lächelte nie und genoss
offensichtlich das größte Ansehen an der
Schule; größeres als der Direktor selbst, da
er nicht nur der Russischlehrer war, sondern
auch der offizielle Vertreter der Ungarischen
Sozialistischen Arbeiterpartei. Wir dachten
damals, er sei in die Klassenlehrerin verliebt
– ich glaubte das nicht.
Jetzt, wo sie vor der Klasse stand, war sie
anders. Sie hatte Musik und Geschichte
unterrichtet, und da in den Wirren der
letzten Monate kein richtiges Lehrbuch zu
den letzten 50 Jahren Geschichte gedruckt
worden war, hatte sie es nicht gewagt
irgendetwas zu unterrichten, so endete für
uns die ungarische und die Weltgeschichte
mit dem zweiten Weltkrieg. Was später
geschehen ist, war uns ein Rätsel. Was
wir bis dahin selbst aufgeschnappt hatten,
wurde jetzt als Lüge bezeichnet. Wenn wir
nachfragten, bekamen wir keine Antworten
nur Ausreden. Diese fünfzig Jahre sind für
mich ein Mythos geworden, in dem lauter
alte Männer mit oder ohne Haare, mit oder
ohne Brille, im schwarzen Anzug und ohne
Lächeln auf überdimensionalen Bildern im
Straßenbild zu sehen waren. Bei Zeremonien wurden ihre Bilder in verschiedenen
Größen, nicht je nachdem, wie groß der
Mensch, sondern wie wichtig seine Position
in der politischen Hierarchie war, über
dem großen Tisch aufgehängt wurden, an
dem die Politiker saßen. Man wusste nie,
welcher von den großen und den größeren
Männern auf den Bildern schon gestorben
und welcher noch am Leben war. Als ich
danach fragte, wurde mir immer nur gesagt,
ich sei eine schlechte Schülerin.
Fünfzig Jahre. In genau diesen fünfzig
Jahren ist mein Vater aufgewachsen, hat
zusammen mit meiner Mutter unsere Familie
gegründet. Sie haben früh geheiratet und
haben vom Staat eine Wohnung bekommen.
Auf ein Auto oder Telefon hätten sie ewig
warten müssen. Da beide keinen Führerschein hatten – mein Vater wollte keinen,
ein Auto und der Sprit kosteten zu viel,
meinte er – haben beide nie eins beantragt.
Ein Telefon benötigte man auch nicht. Wer
uns gesucht hatte, konnte uns finden.
Ich bin sicher, dass er davor Angst hatte,
er sei nicht genug wert, diese Sachen zu
bekommen. Er verdiene sie nicht. Ein kleiner
Mann, der sich damit abzufinden hat, was er
vom Staat bekommt. Seinen eigenen Vater
hatte er sehr früh verloren.
Wenn wir versuchen, uns daran zu erinnern, wie unsere Eltern in unserer Kindheit
waren, bauen wir ein Mythos um sie auf. Für
uns waren sie damals die Großen, die stark
sind und fast alles tun konnten, was wir
nicht konnten. Wir möchten uns dieses Bild
bewahren: Eine Idee des guten Vaters und
der guten Mutter. Der gute Vater ist weise
und kräftig, er verteidigt uns, er zeigt uns
wie ein echter Mann zu sein hat. Einfach
weil er es ist – ein echter Mann, ein echter
Mensch.
Was passiert, wenn wir in unserer Kindheit
keinen Vater hatten?
Der Filmregisseur István Szabó, 1938 geboren, gehört zu einer sogenannten vaterlosen Generation. Die Väter sind im zweiten
Weltkrieg gestorben oder verschollen. Oder
sie sind vielleicht zurückgekehrt, aber zu
sich selbst und ihrem Leben konnten sie nie
29
wieder zurückfinden. Diese Generation ist
die, die ohne Väter aufgewachsen ist, und
deren Geschichte – mit oder ohne Väter –
als Lüge dargestellt wurde.
In einem seiner frühen Filme, Vater von 1966,
erzählt er über diese Erfahrung. Sein Alter
Ego im Film hat seinen Vater am Ende des
Kriegs verloren, und wenn er seine Mutter
fragt, wie sein Vater gestorben sei, erhält er
keine Antwort, nur Ausreden. Er stellt sich
immer wieder neue Geschichten zu seinem
Vater vor – so wird der Vater zum Mythos,
zum Helden. Der Sohn nimmt an der Revolution von 1956 mit seinen Mitstudenten teil,
und erlebt die Unabhängigkeitsbestrebungen des ungarischen Staates unter des Präsidentschaft von Imre Nagy, einem „Guten
Vater“, als einen Akt des Erwachsenwerdens, die Erlangung der Unabhängigkeit von
seinem Vater.
Vierzig Jahre später, 2006, hat sich herausgestellt, dass István Szabó von 1957 an
– möglich gemacht durch seine Teilnahme
an der Revolution – über seine Mitstudenten
Berichte für die ungarische Staatsicherheit
schrieb. Auf diesen Vorwurf hin antwortete
er, dass diese Berichte fiktive Erzählungen
waren, um die Aufmerksamkeit von den
wirklich wichtigen Personen und Ereignissen abzulenken.
Was passiert, wenn in unserer Kindheit
ein Vater vorhanden war, den wir aber nie
kennenlernen konnten? Was, wenn sein
Dasein eine Lüge war? Was, wenn er etwas
vorspielen musste, damit er seine Arbeit –
seine Macht – nicht verlöre? Hatte er sich
als etwas anderes gezeigt, als er ist, da er
selbst in Gefangenschaft der Sehnsucht
nach Anerkennung von seinem eigenen,
längst verstorbenen Vater, lebte?
30
Péter Esterházy, 1950 geboren, stellt in
seinem Roman Harmonia Caelestis von 2000
seinen Vater nicht nur durch die verschiedensten Geschichten dar wie István Szabó
seinen Vater zeigte, sondern beschreibt
ihn immer wieder als eine neue Figur: mal
ist er ein Mann, dann eine Frau oder auch
ein Kind. Die Vaterfigur – die einmal sogar
selbst Imre Nagy sein kann – wird zum Mythoshelden und allgemein kollektiven Vater.
Kurz nachdem er den Roman beendete,
machte er die Entdeckung, dass sein eigener
Vater in Wahrheit 22 Jahre lang ein Spion für
das Kádár-Regime war – 1956 bis 1988 war
János Kádár die Hauptsekretär der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei. Neben
all den verschiedenen Figuren, als Spion
hat er seinen Vater in dem Roman nicht
beschrieben. Zwei Jahre später verfasste
er anhand der Berichte seines Vaters einen
neuen Roman mit dem Titel Verbesserte
Ausgabe. Die Grenze zwischen Wirklichkeit
und Fiktion, die beiden Vorstellungen der
gekannten und der nicht gekannten Vaterfiguren lässt er im Werk miteinander verschmelzen. Und so entsteht der Vater dieser
Epoche: der Vater der Opposition der sich
selbst verleugnen muss, um sich zu schützen, und der Spion-Vater, der sich genauso
selbst verleugnen muss, um sich zu schützen, jeweils vor der anderen Seite. Was ist
hinter der Maske, hinter der Lüge?
„Auf meinen Schultern sitzt mein Vater
und darauf mein Großvater, und auf dem
Großvater sitzt der Vater meines Großvaters. Ich trage einen Turm,” sagt eine Figur
in Tankred Dorsts Theaterstück Merlin. Man
möchte als Kind natürlich entsprechen. So
sein, wie der Vater, man will der Mächtigste
sein. Man denkt nicht, der Vater müsste
sich auch seinem Vater und der jeweiligen
Autorität anpassen. Und so trägt man einen
Turm von Vätern auf den Schultern, die in
gewisser Weise alle miteinander identisch
sind: sie finden ihre Identität in der Annahme
und der Anerkennung von Autorität. Man
wird von dieser Sehnsucht nach Anerkennung erdrückt oder vertilgt. Der Vater bleibt.
Der Böse. Das Monster. Die Angst vor dem
Versagen. Die reine Furcht.
Damals, als unsere Klassenlehrerin vor der
Klasse stand, und zuhörte, wie die neue
ungarischen Republik ausgerufen wurde,
blickte sie uns sehr ernst an. Ihre Augen
drehte sie in Richtung der Fenster. Die
nackten Äste im Schulhof spiegelten sich
in ihrer goldgerahmten, etwas zu großen
Brille, hinter der ihre Augen plötzlich voller
Tränen waren. Die Tränen rannten ihre
Backen herunter, aber sie stand weiter regungslos da, bewegte sich nicht, stand vor
der ganzen Klasse, die ihr erstaunt zusah
und schwieg, und sich weder in Alltagsnoch in Festkleidung niemals so festlich gefühlt hat wie in diesem Moment. Hier habe
ich etwas über die verschollenen 50 Jahre
verstanden. Unsere Lehrerin trug ihren
Ring immer verkehrt, damit man denkt, sie
sei verheiratet. Sie war es aber nie. Es gab
eine Legende in der Schule über sie: einmal
wollte sie ein Mann aus der DDR heiraten.
Vielleicht war ihr halbes Jahrhundert Leben
auch nur eine Lüge, aber die Tränen waren
echt.
SEIN WAHNSINN
IST DES ARMEN
HAMLETS FEIND
31
32
Frank Wiegard, Maximilian Grünewald, Michel Brandt, Jonathan Bruckmeier, Sascha Tuxhorn
33
ENGE GRENZEN
FÜR
WEITE
HORIZONTE
EIN GESPRÄCH ÜBER THEATER
UND POLITIK IN UNGARN
Seit 2010 regiert die rechts-konservative
Partei Fidesz in Ungarn und sorgt mit radikalen Gesetzesänderungen unter ihrem Ministerpräsidenten Viktor Orbán regelmäßig
für Unruhe in der Bevölkerung und provoziert
laute Kritik in ganz Europa. Der Dramaturg
Michael Gmaj hat sich bei einem Arbeitstreffen in Budapest mit dem Hamlet-Regisseur
Csaba Polgár und seiner künstlerischen Mitarbeiterin Ildiko Gáspár über die politische
Lage in ihrer Heimat unterhalten, die großen
Einfluss auf ihre Arbeiten hat. Csaba Polgár,
auch Schauspieler am renommierten Budapester Örkény Theater, hat sich dem Karlsruher Publikum beim PREMIÈRES-Festival 2013
mit dem ungarischen Gastspiel von Tankred
Dorsts Merlin oder Gott, Heimat, Familie
vorgestellt. Die Inszenierung thematisierte den Verlust demokratischer Vorgänge in
Ungarn.
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Michael Gmaj: Wie schwer ist es derzeit,
in Ungarn als Künstler unter der rechtskonservativen Regierung zu arbeiten?
Csaba Polgár: Im Moment ist es sehr hart,
mit freien Gruppen in Ungarn zu arbeiten,
da es unklar ist, ob man noch staatliche
Förderung erhält oder nicht. Die freie Szene wird dadurch konsequent zerstört. Die
Truppe um Viktor Bodó, dem wohl derzeit
international bekanntesten ungarischen
Regisseur, musste sich vor kurzem auflösen, da die weitere Finanzierung einfach
gekippt wurde. Unsere erste Arbeit mit meiner freien HOPPart-Truppe haben wir ohne
jegliche Unterstützung gemacht, Kleists
Hermannsschlacht. Für die folgende Arbeit
Korijolanusz haben wir ein wenig Geld für
das Bühnenbild bekommen, was aber hinten
und vorne nicht gereicht hat. Also mieteten
wir mit den Mitteln einfach einen Raum, der
als Bühne funktioniert hat.
Ildiko Gáspár: Es war dann absurd. Als wir
mit Korijolanusz international großen Erfolg hatten, und zu einem Gastspiel nach
Paris eingeladen wurden, wo das Team vor
Ort uns diesen hier angemieteten Raum als
Bühnenbild komplett nachgebaut hat.
Die erste Bühne des Landes hatte unter ihm
eine starke Besucherauslastung. Zugleich
stand der Theaterleiter, dessen Homosexualität bekannt war, im Kreuzfeuer der
rechtskonservativen und rechtsextremen
Parteien.
CP: Das war fantastisch – Sie haben uns
daraufhin dieses Bühnenbild für weitere
Gastspiele überlassen. Für das Geld hätten
wir wahrscheinlich eine ganze Produktion
in Budapest finanzieren können.
MG: „Etwas ist faul im Staate Ungarn …?“
MG: Was sind die Gründe hierfür?
CP: Das Erste, was die neue Regierung 2010
formuliert hatte, war ein Statement, dass
freie Gruppen keine Gelder mehr kriegen
sollen, weil sie nicht Teil des offiziellen
Theatersystems in Ungarn seien.
IG: Es ist reine Eifersucht des Intendanten
des ungarischen Nationaltheaters, Attila
Vidnyánszky. Durch seine politische Nähe
zur Fidesz-Partei wurde ihm teilweise auch
die Verantwortung über die Verteilung der
Fördermittel an die Kulturszene übertragen. Er selbst wurde unter der letzten Regierung von der ungarischen Theaterszene und den damaligen Verantwortlichen
schlecht unterstützt, vielleicht sogar als
Künstler verkannt. Nun macht er mit der
ihm zustehenden Macht das Gleiche mit
uns. Nach dem Regierungswechsel 2010
wurde immer deutlicher, dass Vidnyánszky
der Wunschkandidat der neuen Machthaber für die Nationaltheater-Intendanz war.
2013 wurde er dann als dessen Intendant
berufen. Er versprach im Unterschied zu
seinem Vorgänger Róbert Alföldi die von
ihm konstatierte „Entwertung der ewig
geglaubten europäischen Werteordnung“.
Der ehemalige Intendant machte ein weltoffenes und anti-nationalistisches Programm.
CP: So einfach kann man das nicht sagen!
Der Staat funktioniert nicht erst seit dieser
Regierung so schlecht. Das geht schon seit
10 Jahren so, ja vielleicht hat diese Entwicklung schon 1989, direkt nach dem Fall des
Eisernen Vorhangs, begonnen.
IG: Ungarn besitzt keine starke Identität.
Seit Jahrzehnten hegt man den Wunsch,
etwas Größeres zu sein, eine große Nation.
Das ist natürlich Futter für die Nationalisten. Zudem ist für viele unklar, ob wir Teil
des Westens oder Teil des Ostens sind. Wir
können uns selbst nicht finden.
CP: Als sich Österreich-Ungarn aufgelöst
hat, war das ein Schock. Dann kam der
Zweite Weltkrieg, danach der Sozialismus
mit den Russen. Seitdem gab es gar keine
Möglichkeit, eine eigene Identität zu entwickeln.
IG: Die Ungarn haben einen Minderwertigkeitskomplex, deswegen halten sie sich so
stark an die Konservativen, hängen an den
alten Werten, wollen auch auf den Bühnen
nichts Neues ermöglichen. So viele Theaterleute, die im Ausland erfolgreich arbeiten, erhalten hier in der Heimat überhaupt
keine Anerkennung.
MG: Wie verhält es sich mit dem umstrittenen neuen Medienrecht in Ungarn? Beschränkt das den Informationsfluss?
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IG: In den Fernsehnachrichten wird z. B.
nicht über die Proteste gegen die Regierung Orbán berichtet. Aber Tageszeitungen
funktionieren zensurfrei.
CP: Schlimmer ist die Zunahme der Selbstzensur. Dazu wurden die Ungarn schon im
Sozialismus gut erzogen, und jetzt trifft das
auf fruchtbaren Boden.
MG: Aber auch die Verfassung wurde geändert, oder? Bürgerrechte werden beschnitten.
CP: Mich stört allein, dass in der Verfassung
Gott als Instanz genannt wird. Ungarn ist
ein säkularer Staat, was hat Religion in der
Verfassung verloren? Das größere Problem ist, dass es nur noch eine große, starke
Partei gibt. Die Opposition wurde praktisch
mundtot gemacht.
IG: Selbst die Fidesz-Partei war ja bei ihrer
Gründung 1988 eine liberale linke Partei. Sie
war die Protestorganisation junger, linker
Intellektueller. Dann hat nach und nach unter dem Parteivorsitzenden Orbán eine neue
Ausrichtung nach rechts stattgefunden,
mit der sie dann auch erst an die Macht
gekommen ist.
CP: Und sie werden mit diesen Wählern
auch noch lange an der Macht bleiben.
IG: Die Jobbik-Partei könnte stärker werden, da Fidesz „nur“ nationalkonservative,
aber keine rechtsextremen Ansichten vertritt. Wobei Jobbik jetzt auch gemäßigte
Wahlwerbung macht, die auf das konservative Familienbild setzt.
MG: Wie versucht ihr als Theatermacher
auf die Missstände aufmerksam zu machen?
36
CP: Wir versuchen, Stücke zu zeigen, die
subtil die wichtigen und kritischen Fragen
stellen.
IG: Aber wir erreichen hier in Budapest
nicht die Leute, die wir haben müssten:
Die da draußen auf dem Land leben und die
Fidesz und Jobbik wählen. Vor allem müssten wir in die Schulen gehen. Ich habe ein
Klassenzimmerstück gemacht, mit dem wir
durch kleinere Städte getourt sind, was ein
schockierendes Erlebnis für mich war. Teenager können mit 15, 16 Jahren noch gar nicht
richtig schreiben. Sie waren apathisch,
wussten, dass sie nach ihrem Abschluss
keine Arbeit kriegen würden, hatten jede
Hoffnung verloren. In einer Schule hat noch
nicht einmal ein geregelter Unterricht stattgefunden. Der Lehrer kam einfach nicht. Im
Stück ging es um obdachlose Kinder. Nach
der Aufführung haben wir sie immer gefragt,
wo die Geschichte hätte spielen können. In
Budapest haben die Jugendlichen immer
geantwortet: „Irgendwo weit weg!“ Auf
dem Land haben sie die Geschichte als ihre
eigene gesehen. Das Gefühl des Verlassenseins ist stark ausgeprägt.
CB: Es ist zu einfach zu sagen: „Die Regierung ist schlecht“. Es ist unser aller Fehler.
In Korijolanusz sind z. B. alle zu schwach
zum Kämpfen. Sobald sie Freibier und etwas zu essen kriegen, hören sie auf mit den
Protesten. Brot und Spiele reichen zwar nur
für einen Tag, aber sie reichen als Bestechungsmittel. Das findet gerade in Ungarn
statt. Die Wirtschaft geht den Bach runter
und die Regierung baut im ganzen Land
überdimensionierte Fußballstadien.
Das Interview führte Michael Gmaj im Mai
2015.
Sascha Tuxhorn, Annette Büschelberger
37
CSABA POLGÁR Regie
Der Ungar Csaba Polgár wurde 1982
geboren und studierte an der Universität
für Theater und Film in Budapest. 2007
gründete er mit Kommilitonen die HOPPart
Independent Company. Im selben Jahr
wurde er Ensemblemitglied des Örkény
István Theaters, wo er neben zahlreichen
weiteren Hauptrollen derzeit den Hamlet
spielt. Seine Inszenierung von Tankred
Dorsts Merlin oder Gott, Heimat, Familie
war zum PREMIÈRES-Festival 2013 eingeladen. 2008 arbeitete er das erste Mal
als Regisseur und brachte Die Hermannsschlacht von Heinrich von Kleist auf die
Bühne. Es folgten 2010 Rechnitz von Elfriede Jelinek und Korijolanusz nach Shakespeares Tragödie Coriolanus. Mit dieser
Arbeit war er eingeladen zu den Festivals
Fast Forward in Braunschweig und Radikal
Jung in München. Am Münchener Volkstheater inszenierte er Julius Caesar und
Kinder der Sonne. Hamlet ist seine erste
Arbeit am STAATSTHEATER.
38
ILDIKO GÁSPÁR Künstlerische Mitarbeit
& Dramaturgie
Ildikó Gáspár wurde 1975 geboren und
ist eine ungarische Theaterregisseurin
und Dramaturgin. Bis 2003 studierte sie
an der Universität für Film und Theater
in Budapest. Seit 2001 arbeitet sie an
Theaterproduktionen aller Genres. Seit
2005 ist sie Dramaturgin, später auch
Regisseurin am Örkény István Theater,
wo sie auch regelmäßig mit Csaba Polgár
zusammenarbeitet. Zudem war sie auch
an einigen Arbeiten der HOPPart Company beteiligt. 2013 wurde sie beim Treffen
der ungarischen Theater (POSZT) als
Beste Dramaturgin für ihre Arbeit an Peer
Gynt und Amphitryon ausgezeichnet. In
Budapest inszenierte sie u. a. Schillers
Maria Stuart und betreute dramaturgisch
die Hamlet-Inszenierung in der Polgár die
Hauptrolle spielt und Merlin oder Gott,
Heimat, Familie. Demnächst inszeniert sie
das Porträt einer ungarischen Familie Die
Vaterlosen.
LILI IZSÁK Bühne & Kostüme
TAMÁS MATKÓ Musik
Lili Izsák, geboren 1981 in Ungarn, studierte Architektur an der Ungarischen Universität der Gewerbekünste. Sie machte ihre
ersten Arbeiten als Kostüm- und Bühnenbildnerin 2004 und arbeitete seitdem
u. a. mit Viktor Bodó, Árpád Schilling und
Andrej Serban zusammen. 2007 gewann
sie den Preis für das Beste Kostüm beim
Ungarischen Theatertreffen (POSZT),
2013 den Preis für das Beste Bühnenbild
der ungarischen Theaterkritiker und 2014
den Kritikerpreis „Kostümbildnerin des
Jahres“ für ihre Arbeit am Örkény Theater
in Budapest. Mittlerweile zeichnet sie für
über 50 Produktionen an Theatern und
Opernhäusern in Deutschland und Ungarn
verantwortlich. Für Csaba Polgár, mit dem
sie regelmäßig arbeitet, entwarf sie die
Ausstattung für Merlin oder Gott, Heimat,
Familie, das das Premières-Festivals 2013
in Karlsruhe eröffnete.
Tamás Matkó wurde 1981 in Debrecen,
Ungarn, geboren. Schon mit 9 Jahren
erhielt er Musikunterricht auf der Violine
und dem Klavier. Er studierte Komposition
an der Franz Liszt Hochschule für Musik
in Budapest. Nach dem Studium arbeitete
er regelmäßig als Musikalischer Leiter
und Pianist an verschiedenen Theatern in
Budapest. Csaba Polgár kennt er schon
aus der Schulzeit, später die enge gemeinsame künstlerische Arbeit. Mit ihm
zusammen entwickelte er die für Polgárs
Regie so typischen A-cappella-Gesänge.
Zusammen erarbeiteten sie in Deutschland
zuletzt die musikalischen Konzepte für
Julius Caesar und Kinder der Sonne am
Volkstheater München. Matkó entwickelte auch die Musik für Merlin oder Gott,
Heimat, Familie. Seit 2014 lebt und arbeitet
Matkó in Berlin.
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Luis Quintana, Marthe Lola Deutschmann, Annette Büschelberger, Larissa Wäspy, Sascha Tuxhorn,
Jonathan Bruckmeier, Maximilian Grünewald, Michel Brandt
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ANNETTE BÜSCHELBERGER Gertrud
Annette Büschelberger studierte Schauspiel in Leipzig. Sie spielte u. a.
in Dresden, Darmstadt und am Theater Heidelberg. Dort leitete sie von
2001 bis 2011 das Kinder- und Jugendtheater „zwinger3“. Seit 2014 ist
sie im Ensemble des STAATSTHEATERS und spielt die ältere Hannah
Arendt in Die Banalität der Liebe. Außerdem ist sie in Richtfest, Schatten (Eurydike sagt) und demächst Die Troerinnen zu sehen.
MARTHE LOLA DEUTSCHMANN Ophelia, Totengräber
Marthe Lola Deutschmann wurde 1991 in Hamburg geboren. Von 20112015 studierte sie am Max Reinhardt Seminar in Wien. Mit der Spielzeit
2015/16 stellt sich Marthe Lola Deutschmann als Ophelia dem Karlsruher
Publikum vor. Sie ist außerdem in Dantons Tod, als Irina in Drei Schwestern, und demnächst in Die Kinder des Musa Dagh zu sehen.
LARISSA WÄSPY Marzellus
Larissa Wäspy war von der Spielzeit 2011/12 bis 2013/14 Mitglied des
Opernstudios am STAATSTHEATER. Die Sopranistin studierte bis 2015
Gesang an der Musikhochschule in Karlsruhe. Die Stipendiatin der
Hildegard Zadek Stiftung war in Karlsruhe als Xenia in Boris Godunow,
Taumännchen in Hänsel und Gretel und Max in Wo die Wilden Kerle
wohnen zu erleben.
MICHEL BRANDT Güldenstern
Michel Brandt, geboren 1990, studierte bis 2012 Schauspiel in Stuttgart.
In der Spielzeit 2011/12 war er Mitglied am Schauspiel Stuttgart. Seit
2012 ist er fest in Karlsruhe engagiert und spielt u.a. die Titelrolle in Die
Leiden des jungen Werther, außerdem ist er in Die Räuber, Tschick,
Dantons Tod und Ein Sommernachtstraum zu sehen.
JONATHAN BRUCKMEIER Bernardo
Jonathan Bruckmeier, geboren in Wien, schloss 2013 an der Zürcher
Hochschule der Künste sein Schauspielstudium ab und ist seit der Spielzeit 2014/15 in Karlsruhe engagiert. Zu sehen ist Jonathan Bruckmeier
aktuell in den Produktionen Stolpersteine Staatstheater, Drei Schwestern, Dantons Tod und als Schweizer in Die Räuber.
RONALD FUNKE Geist, ein Schauspieler, Fortinbras
Ronald Funke wurde 1954 in Berlin geboren. Er arbeitete u.a. in Magdeburg, am Nationaltheater Mannheim, am Volkstheater Rostock und in
Heidelberg. 2011 wurde er für seine Rolle in Der Mann der die Welt aß
als Schauspieler des Jahres nominiert. Aktuell ist er in Drei Schwestern,
Kabale und Liebe und der Komödie Zuhause zu sehen.
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MAXIMILIAN GRÜNEWALD Rosenkranz
Geboren in Coburg, studierte Maximilian Grünewald bis 2013 Schauspiel
in Leipzig. Er war Mitglied des Schauspielstudios am Maxim Gorki Theater
in Berlin und ist seit der Spielzeit 2014/15 als festes Ensemblemitglied am
STAATSTHEATER als Franz in Die Räuber zu erleben. Außerdem spielt er in
Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir, Drei Schwestern und Kabale und Liebe.
LUIS QUINTANA Laertes
Luis Quintana wurde 1988 in Berlin geboren und studierte nach einer
handwerklichen Lehre Schauspiel in Rostock. Seit der Spielzeit 2014/15
ist er fest im Schauspiel-Ensemble des STAATSTHEATERS. In Die Räuber
spielt er die Hauptrolle des Karl. Weiterhin steht er in Dantons Tod, Ein
Sommernachtstraum und Zuhause auf der Bühne.
SASCHA TUXHORN Hamlet
Sascha Tuxhorn wurde 1984 in Düsseldorf geboren und studierte Schauspiel in Hannover. Von 2010 bis 2015 war er fest am Nationaltheater
Mannheim engagiert und spielte u. a. Danton, Woyzeck und Franz Moor.
2014 erhielt er den Arnold-Petersen-Preis. In der Spielzeit 2015/16 stellt
er sich in der Titelrolle des Hamlet dem Karlsruher Publikum vor.
ANDRÉ WAGNER Polonius, Totengräber
André Wagner, geboren 1963, studierte an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Es folgten Engagements in Tübingen,
Graz und Münster, bevor er 2002 am STAATSTHEATER engagiert wurde.
Aktuell ist er als Schriftsteller in Agnes, in Die Banalität der Liebe, Ein
Sommernachtstraum, Kabale und Liebe, Richtfest und Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir zu sehen.
FRANK WIEGARD Claudius
Er spielte nach seinem Studium an der Hochschule „Ernst Busch“ in Berlin u. a. am Staatstheater Kassel, Schauspiel Frankfurt und Maxim Gorki
Theater in Berlin. Von 2007–2011 war er als festes Ensemblemitglied
in Heidelberg. In der Spielzeit 2015/16 ist er in Karlsruhe als Danton in
Dantons Tod zu sehen, ebenso in Tod und Wiederauferstehung der Welt
meiner Eltern in mir, Kabale und Liebe sowie Drei Schwestern.
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BILDNACHWEISE
IMPRESSUM
UMSCHLAG
Felix Grünschloß
SZENENFOTOS Felix Grünschloß
PORTRÄTS
Felix Grünschloß,
Florian Merdes
HERAUSGEBER
STAATSTHEATER KARLSRUHE
TEXTNACHWEISE
Greenblatt, Stephen: Will in der Welt,
Wie Shakespeare zu Shakespeare wurde,
Berlin, 2004.
Nicht gekennzeichnete Texte sind
Originalbeiträge für dieses Heft von
Susanne Bettels (Zum Inhalt, Zum Autor),
Michael Gmaj (Zur Inszenierung, Interview) und Ildikó Gáspár (Vater, mein
Vater)
BADISCHES STAATSTHEATER
KARLSRUHE 2015/16
Programmheft Nr. 276
www.staatstheater.karlsruhe.de
GENERALINTENDANT
Peter Spuhler
VERWALTUNGSDIREKTOR
Michael Obermeier
SCHAUSPIELDIREKTOR
Jan Linders
LEITENDE DRAMATURGIN SCHAUSPIEL
Brigitte Angela Ostermann
REDAKTION
Michael Gmaj, Mitarbeit Susanne Bettels
KONZEPT
DOUBLE STANDARDS BERLIN
www.doublestandards.net
GESTALTUNG
Kristina Schwarz
DRUCK
medialogik GmbH, Karlsruhe
DER REST IST
SCHWEIGEN
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Sascha Tuxhorn