INDISCHER EXPANSIONISMUS ODERNEPALISCHE EMPFINDLICHKEIT ? - Zu den Streitigkeitender asiatischenNachbarn- Wirtschaftllch abgeschnitten von der Außenwelt Leben seit dem19. März 1989 achtzehn Mlllionen Nepali, weil Indien fast alle Grenzübergängeentlang der sonst offenen gemeinsamen Grenze geschlossen hat. Nur an zwei lJbergängen- nämllch Raxaul, an der Straße nach Kathmandu,und Jogbanl lm östlichen Tarai., nahe der zweitgrößten nepallschen Stadt, Bi.ratnagar - erlaubt Indlen noch elnen sehr elngeschränkten Warenverkehr, der zur Versorgung der nepalischen Bevölkerung bel weitem nlcht ausreicht. Indlen will damlt Nepal zwingen, einen neuen Handels- und Transitvertrag abzuschließen, der Indiens Vormachtstellung auf dem Subkontinent weiter stärken soII. Nepal lst ein reines Blnnenland, kann seinen Außenhande1 deshalb nur über ausländisches Territorium abwickeln. Diese besondereLage bringt es mit sich, daß alle Handelswege über indisches Gebiet führen. Am 2J. Mätz 1989 sind die beiden gesondertenindo-nepalischen Verträge über Handel und Transitrechte ausgelaufen. Bei den Verhandlungenüber die Fortsetzung der Verträge forderte Indien erweiterte Rechte, um den Handel Nepals mlt anderen Staaten wirksamer kontrol.lleren zu können. Unausgesprochen strebt die indische Reglerungdanach, mitzubestirrnen, mit welchen Ländern und in welchemtlnfang Nepa1.Außenhandelbetreibt. Da dle nepalische Regierungjedoch ihre Eigenständigkeit bewahrenwill, ist es bisher zu keiner Einigung gekommen. tln dle KompromißbereitschaftNepals zu erzwingen, entschloß sich Indien, dle geographischbedingte Abhänglgkeit Nepals auszunutzenund das Land durch Sperrung der Grenzenbis auf weiteres vomWelhandel auszuschl-leßen.Vor allem die BevöIkerungleidet auf mehrfacheArt: wlchtlge Nahrungsnittel und Medikamente sind nlcht oder nut unzureichendvorhanden, das knappe Brennmaterial wird durch noch stärkere Abholzungder ohnehin schon Iebensbedrohenddezlmierten Wälder beschafft. Friedensund Freundschaftsvertrag Indien hat blsher weder die Internatlonale Konvention über den Transithandel der Binnenstaatenvon 1955 noch dle Internationale Konvention zw Seerecht von 1982 unterzelchnet, welche mittlerweil.e von 157 Staaten ratiflzlert wurdenund u.a. dem Interessenschutz der il Binnenstaatender Erde dienen. Daher habe es, so wird betont, keinerlei rechtliche Verpflichtungen gegeniiber Nepal und sämtliche Translterleichterungen früherer Jahre selen ledlglich "ein Ausdruck der Wärme und Freundschaft", wie sie durch den Friedens- und Freundschaftsvertragvon l95o symbolisiert seien, der slch durch unübersehbareUnausgewogenheitzugunsten Indlens auszelchnet. Diesbezügllch mußbetont werden, da0 der Vertrag noch zur Zeit der Rana-Oligarchie südasien5-6/99 abgeschlossenwurde und der damalige Rana-premierminister MohanShamsherdie deutliche Benachteiligung Nepals nur deshalb ln Kauf nahm,weil er sich der irrlgen Hoffnung hingab, Indien würde nach der unterzeichnungdie Unterstützung der von indischem Territorium aus opperierendenOppositlonsgruppeneinstellen. Bevölkerungsdruck l{ie korrnt es, daß Nepal.nun dem t'großen Bruder" die Stirn bietet und auf einer größeren Selbständigkeit beharrt? AIs besondersschwerwiegendste1lt sich für Nepal das Bevölkerungsprobtem dar. Nepal hat eine jährliche Zwachsrate von über 2,6 % und weiß in Anbetracht des sehr begrenzten Kulturlandes auf längere Sicht seine elgene Bevölkerungnlcht mehr zu AREA _6OOMIS DTSPUTEO '-t-t | 9OOkm llcldlvcr: lndlan roop! qusth snempted coup Die Dispute Indiens mit seinen Nachbarnnehmenzu. Die weitere Zusarnmenarbeit der Länder der südasiatischen Staatengemeinschaft(SAARC)ist bedroht. ernähren. Die KornkanmerNepals ist seit der Bekämpfung der Malaria der Tarai, jener südliche Flachlandstreifen, mit demNepal Anteil an der nordindischen Gangesebene hat. Die hier ansässige BevöIkerunggehört auf belden Seiten der indo-neoalischen Grenzeden gleichen ethnischen Gruppenan, nämJ.ichüberwiegend nordindischen Hindu- und MosLemkasten. Die Tatsache, daß der Tarai noch in den fünfziger Jahren weitgehend unbesiedelt war, weist darauf hin, daß die indische BevöIkerungerst ln jüngerer Zeit unter Ausnutzungder im Friedens- und Freundschaftsvertrao von I95o verein- Sarten Freizügigkeitsregelungen nach Nepal eingewandert ist. Solange die BevöIkerungszahlNepals noch relativ gering war, stellte dies kein sonderliches orobl.emfür den kleinen Gebirgsstaat dar, aber mit Zunahme des sozialen Drucks sah sich die nepalische Regi.erungin den letzten Jahren zw Handelngezwungen. l4anführte landesweit eine Art Personalausweisein, €ür dessenErwerb eine eindeutige Nepal.stänrnigkeit nachgewiesen werdenmußte. Gleichzeitig wurden alle in Nepal ansässigenAusländer - also auch die Inder aufgefordert, sich um eine besondereArbeitserlaubnis zu bemühen,wenn si.e welterhi.n in Nepal tätig sein wolIten. Daß diese Arbeitserlaubnis bisher nur wenigen Indern in Nepal mit der Folge der Ausweisungverweigert wurde,wlrd auchvon Indien nicht bestritten. U b e r s e h e na b e r w e r d e ne t w a I b i s 4 M i l l i o n e n - d i e i n d i s c h e R e g i e r u n gs p r i c h t g a r v o n 5 , 4 8 M i l l i o n e n I n d e r , d i e s c h o ns e i t e i n i g e n J a h r e n i n N e p a l l e b e n und sich selbst a1s Nepali bezeichnen, von der nepaIischen Regierungaber nicht als solche anerkannt werdenund deshalb auch keinen Personalausv{eiserhielt e n . I m G e g e n s a t zd a z u n e n n t d i e i n d i s c h e R e g i e r u n g nur l5o.ooo Inder in Nepal, womit lediglich die jüngsten Zuwanderergemeint sind; demgegenüber würden in Indien zur Zeit ),5 bis 5 Milllonen l',lepali leben, die natürlich auch nach jahrzehntelangem Aufenthalt von Indien inrner noch als Nepall angesehenwerden, wle die Ausweisungzahlreicher l'lenschenaus den lndischen Nordostprovinzenvor zwei Jahren bewlesenhat. Dle Zeitschrift 'India Today' malt ln ihrer Ausgabevom 1o. April 1989 gar das Horrorbild der Flucht von weiteren I Milllonen "Nepall" an dle Wand,wornlt eben jene 3 Milllonen Menschenlndlscher Abstarnmung in Nepal gemeint sind. Setzt mandie zur Zeit von Indien angegebenen 3,5 bls 5 Milllonen Nepali in Relation zu den etwa 82o Millionen Indern, so macht dies etwa o,5 % der indischen GesamtbevöIkerungaus. Llngekehrt bedeuten die über I Millionen Inder in Nepal I7,5 % der neoalischen Gesamtbevölkeruno. brlirtschaftliche Dominanz von Indern Der starke Zustrom indlscher Bevölkerungnach Nepal viurde von der indischen Reglerungdurchaus befürwort e t , d a e r d i e ' I n d i s i e r u n g ' N e p a l sb e s e h l e u n l g t eu n d es der indischen Regierungerlelchterte, das poJ.itlsche und wirtschaftliche SystemNepals zu unterwanoern. ok .*ß #' {* *d' t" D:e Streitigkeiten zwischen Indien und Nepal haben für den Himalayastaat zu ernsthaften Versorgungsschwlerigkeiten geführt. Hier Iange Schlangen vor einer Ausgabestelle für Kerosinöl (Foto: Rolf Schmelzer) 55 südasien5-6/89 W ä h r e n dN e p a l w e g e nd e s i n n e n p o l i t . i . s c h - s i c h e r l i c h stark wstrittenen parteilosen Panchayat-Systems i.m p o l i t i s c h e n B e r e i c h t r o t z m a n c h e rK r i s e n b i s h e r s e i n e Unabhängigkeithat bev{ahienkönnen, ist die aufgrund der geographischenLage ohnehin übermächtigewirts c h a f t l i c h e A b h ä n g i g k e i tv o n I n d i e n m i t t l e r w e i l e f a s t erdrückend. An beinahe allen größeren Unternehmen in Nepalsind Inder beteiligt. Meist sind es lndisches Kapital. und indische Manager,die das Geschäftsleben Nepals bestirnmen.Indien gibt a'ls einen der Gründe, warumes auf einer ZusammenJ-egung von Handels- und T r a n s i t v e r t r a g b e s t e h t , a n , d a ß d i e n e p a l . i s c h eR e g i e rung trotz vielfacher Versprechungen nicht in der Lage sei, den starken Schmuggelüber die offene indo-nepaI i s c h e G r e n z ez u u n t e r b i n d e n , D a ße s i n e r s t e r L i n i e di.e indischen Kaufleute sind, wölche die steüerbeqüns t i g t v o n I n d i e n n a c h N e p a l e x p o r t i e r t e n t , , l a r enni e O e r iJ.Iegal über die Grenzenach Indien zurückbefördern. w i r d v o n d e r l n d i s c h e n R e g i e r u n gi n a l l e n i h r e n S t a t e m e n t sg e f l i s s e n t l i c h v e r s c h w i e g e n . Arbeitslosigkeit Arbeltslosigkeit lst ej.n relativ neues, aber in Anbetracht der Tatsache, daß 4o % der Bevölkerungunter 15 J a h r e a 1 t s i n d , ä u ß e r s t b e d r o h t i c h e ss o z i a l e s p r o b l e m i n N e p a l . D i e n e p a l i s c h eR e g i e r u n gh a t s i . c h e r s t i n jüngerer Zeit dieses Problemsangenommen. Eine der wenigen rasch zu real-isierenden-lfiaßnahmen ist die R e s e r v i e r u n gd e r s e h r b e g r e n z t e nA r b e i t s p l ä t z e f ü r n e p a l i s c h eS t a a t s b ü r g e r .W ä h r e n d i e I n d e r i n N e p a l b i s 1 9 8 7m i t d e n N e p a l i g l e i c h g e s t e l l t w a r e n , w e r d e n sie seithel wie alle anderenAusländer behandel.t. Indien beruft sich in seinen Protesten irnmerwieder a u f d e n F r i e d e n s - u n d F r e u n d s c h a f t s v e r t r a gv o n 1 9 5 o , wonachden Angehörigenbeider Nationen im jeweils anderenLand die gleichen Rechte hinsichtlich Wohnsitz, Besitzstand, Freizügigkeit und Beteiligung an Wirtschaft und Handel zustehen. Internationale Rechte und Pflichten I n d i e n m u ßr e s p e k t i e r e n , d a ß N e p a l i n t e r n a t i . o n a l a n e r kannte Rechte der Binnenländerohne Gegenleistungzustehen. Der nun ausgelaufeneTransitvertrag räumt Nepal bestirnmteRechte nur unter gewissenAuflagen ein, und dieser Vertrag geht Indien bereits zu weit. Entsprechendden in der Konvention zw Seerecht verank e r t e n B e s t i n r n u n g esno l l t e N e p a l d a s a l l e i n i g e R e c h t z u s t e h e n , s e i n e T r a n s i t r o u t e z u . h p s t i m m e un n d s i c h d e n Hafen auszusuchen,der seinen Bedürfnissen am ehesten g e r e c h t w i r d . V o n I n d i e n w i r d N e p a l .l e d i g l i c h d i e Nutzungdes Hafens von Kalkutta zugestanden.Auch die b i s z u 1 B v e r s c h i e d e n e nd a b e i z u e n t r i c h t e n d e nZ ö l l e u n d G e b ü h r e ns i . n d e i n V e r s t o ß g e g e nd i e i n t e r n a t i o n a l anerkanntenRechte der Binnenstaaten. 41s Nepal vers u c h t e , a I s A l t e r n a t i v e z u K a l . k u t t a , d e n H a f e nv o n Dhakkain Bangladeshfür seinen Handel mit Drittländern zu. nutzen, wurde die Durchquerungdes nur 4o km breiten indischen Landkorridors zwischenBanoladesh u n d N e p a l g r u n d s ä t z i c ha b g e l e h n t . Neue Bindungen zu China Territorium umgebenist, verblieb ifrn als Alternative nur eine Verbesserungder Handelsbeziehungen zu seinem nördlichen NachbarnChina. Bereits Mitte der sechziger Jahre hatten die Chineseneine Straße von Lhasa in Tibet über den Grenzübergang von Kodari bis nach Kathmandu gebaut. Da diese Straße jedoch durch sehr s c h w i e r i g e sG e I ä n d ef ü h r t , i s t s i e h ä u f i g e n S c h ä d e n durch Uberschwemmung und Erosion ausgesetzt und daher wirtschaftlich nicht inrner nutzbar. Dennochhat NeoaI gerade in den fetzten Jahren seine Beziehungenzu C h i n a e r h e b l i c h v e r b e s s e r t . I n s b e s o n d e r ei s t e s e i n D o r n i m A u g ed e r I n d e r , d a ß d i e E i n f u h r c h i n e s i s c h e r W a r e n ' i n N e p a l . s e i t 1 9 8 7s t e u e r l l c h e r h e b l i c h s t ä r k e r begünstigt wird aIs die indischer Produkte.Da wirkt der Vorwurf des nepalischen I'rlaffenkaufsin China zu B e g i n nd i e s e s J a h r e s e h e r 1 ä c h e r l i c h , z u m a l N e p a I d i e s e W a f f e nz u n ä c h s ti n I n d i e n k a u f e n w o l l l e u n d s i c h e r s t a n C h i n a w a n d t e , n a c h d e mI n d i e n N e p a l d i e gewünschtenl,laffen nicht verkaufen wollte, Außerdem i s t n i c h t z u v e r s t e h e n , w i e v o n N e p a l a u f g r u n dd i e s e s W a f f e n k a u f se i n e B e d r o h u n gf ü r I n d i e n a u s g e h e ns o l I , da die Mengeverschwindendgering war und wertmäßig rrur den Bruchteil des Kaufprei.seseines Kampfflugzeug e s a u s m a c h t ev, o n d e n e nN e p a l n i c h t e i n e i n z i g e s , I n d i e n a b e r d a f ü r ' u m s om e h r b e s i t z t , m i t d e n e ne s v o n Z e i t z u Z e i t a u c h i l l e g a l - e r w e i s en e p a l i s c h e sT e r r i t o rirrm iihcrflienf Nepals Annäherungsbestreben an China ist aufgrund der P o l . i t i k I n d i e n s v e r s t ä n d l i c h . D e n n o c hs o l l t e d i e nepalische Regierungnicht über das Ziel hinausschießen und auch ihrerseits Menschenrechtsverstöße begehen, w i e s i e e s v o r k u r z e mm i t d e r A u s l i e f e r u n g t i b e t i s c h e r F I ü c h t l i n g e a n d i e C h i n e s e ng e t a n h a t . E i n s o l . c h e s Verhalten könnte nur neue Abhängigkeitenschaffen. WennNepal jedoch eine größere Abhängigkeit von Indien erreichen will, danngeht das sicherl.ich nur auf dem Wegüber ein besseres Verhältnis zu China. Aber Nepal mu6dabei seine Souveränität bezeugen,indem es sich c h i n e s i s c h e nF o r d e r u n g e n widersetzt, die eine Mißachtung der international anerkanntenMenschenrechte bedeuten. L ä n g e r f r i s t i g s p r e c h e nd i e a u g e n b l i c k L i c h e nE n t w i c k Iungen für die Möglichkeit einer zukünftig größeren UnabhängigkeitNepals von Indien. Die Chinesenhaben sich nämlich angeboten, eine Anschlußstraßevon Nepal über tibetisches Gebiet bis an die pakistanischchinesische Straße zu bauen, so daß Nepal in Zukunft sei.nenHandel zum Teil auch über Pakistan abwickeln könnte. Da die pakistanisch-chinesische paßstraße aber aus klimatischen Gründennicht ganzjährig befahrbar i s t , w ä r e d i e s e A l t e r n a t i v e j e d o c h m i t g e w i s s e nE i n schränkungenversehen; sie wäre aber erheblich kürzer als die oft unpassierbare Straße von Kathmandu über Lhasa nach China. Vor a1lem aber brächte diese neue Straßekeine Erleichterung der derzeitigen nepalischen Zwangslage,da auch innerhalb Nepal-seine völIig neue Straße durch das Gebirge gebaut werdenmüßte, was sehr z e i t - u n d k o s t e n a u f w e n d iw o äre. Da Nepal im lrlesten, Süden und Osten von indischem 9. Jahrgang, hh. 5-G/89 ISSN 0923-s196 K a r I - H e i n zK r ä m e r 56
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