ERASMUS-Bericht über mein Auslandssemester in Lille, Frankreich Bereits als wir die Liste mit den Partneruniversitäten erhielten war mir klar, dass ich mein ERASMUS+ Semester nicht in Paris oder Bordeaux, sondern in einer weniger bekannten Stadt Frankreichs verbringen wollte: Lille. Die meisten, die von der Stadt an der Grenze zu Belgien gehört haben, kennen sie sicher aus der Komödie „Willkommen bei den Sch’tis“. Mich reizte es, den eher unscheinbaren Norden Frankreichs besser kennenzulernen und mir selbst ein Bild von den Sch’tis (frz. Ch’tis) und ihrer Kultur zu machen. Hinzu kommt, dass die Partneruniversität in Lille nicht die Université du Droit et de la Santé Lille II – so wie sie beim Bewerbungsprozess auf Mobility Online angegeben wird - ist, sondern das Insitut d’études politiques de Lille, auch bekannt als Sciences Po Lille. Mittlerweile gibt es frankreichweit zehn dieser Sciences Pos, die als Kaderschmiede französischer Politiker bekannt sind. Die Herausforderung, mein Auslandssemester an einem politischen Grande école zu absolvieren, war ebenfalls einer der Gründe nach Lille zu gehen. Vorbereitung Der Bewerbungsprozess teilt sich auf in zwei Ebenen. So muss man sich zum einen über das International Office in Bremen für einen ERASMUS-Platz an einer Partneruniversität bewerben und sobald man die Zusage für das ERASMUS-Stipendium erhalten hat, noch zusätzlich an der jeweiligen Gasthochschule. Es ist also wichtig, dass man sich mit ausreichend Zeit für das ERASMUS-Stipendium bewirbt, damit man sich den Platz an der Gasthochschule sichert. Die Bewerbung für ERASMUS wird über das Internetportal Mobility Online1 abgewickelt, wo auch die nötigen Sprachnachweise hochgeladen werden müssen. Die Deadline zur Bewerbung für die Sciences Po Lille ist auf der Internetseite, aber auch auf dem Bewerbungsformular zu finden, welches man per Post nach Lille schicken muss. Erst nach der Zusage aus Lille und mit der Unterzeichnung des Grant Agreements kann man das Auslandssemester offiziell antreten. Circa einen Monat nachdem ich mich über Mobility Online für einen Platz in Lille beworben hatte, erhielt ich die Zusage seitens des International Offices. Diesen Platz musste ich dann offiziell annehmen. Drei Wochen später gab der in Bremen zuständige Koordinator meinen Namen an die Universität in Lille weiter, worauf ich dann die erste Mail aus Frankreich erhielt, in der die wichtigsten Informationen zum Auslandssemester an der Sciences Po in PDF-Form enthalten waren. Hierbei muss gesagt werden, dass ein großer Teil der enthaltenen Daten veraltet war. Die Kurse, die zum damaligen Zeitpunkt angeboten wurden, standen für das Semester, in welchem ich in Lille studierte, 1 https://www.service4mobility.com/europe/LoginServlet 1 zum Teil nicht mehr zur Auswahl. Auch die geschätzten Preise für Lebensmittel entsprechen nicht wirklich denen im Supermarkt. Ferner sind viele Links, die bei der Wohnungssuche helfen sollen, nicht mehr existent. Die Wohnungssuche war alles andere als einfach. Ich hatte mir fest vorgenommen, mit Einheimischen zusammenzuwohnen, sodass internationale Studentenwohnheime für mich nicht in Frage kamen. In Frankreich hat sich erst in den letzten Jahren der Trend hin zur Wohngemeinschaft entwickelt; die Mehrheit der französischen Studierenden bevorzugt(e) ein eigenes Appartement. Leider hatte ich aufgrund der Klausuren in Bremen nicht die Möglichkeit, einige Tage nach Lille zu reisen, um Wohnungen zu besichtigen. Was mir darüber hinaus die Wohnungssuche erschwerte war die Tatsache, dass ich nur für circa vier ein halb Monate in Frankreich wohnen wollte (die Semester in Frankreich sind sehr kurz). Die meisten Wohngemeinschaften suchen aber nach MitbewohnerInnen, die mindestens ein Jahr in der WG wohnen werden. Drei Monate vor Semesterbeginn begann ich mit der Suche, was sich aber im Nachhinein als aussichtslos erwies, da die meisten Anzeigen einen knappen Monat vor Mietbeginn ins Internet gestellt werden. Die meisten Franzosen nutzen die Internetseite http://www.leboncoin.fr, um nach Wohngemeinschaften und Zimmern zu suchen. Ich jedoch habe meine WG über http://www.appartager.com gefunden. Auf Appartager kann man sich ein kostenloses Konto erstellen und dann mit dem eigenen Profil als Suchende_r andere anschreiben, oder von Anbietern kontaktiert werden. Je mehr Informationen man über sich preisgibt (Alter, Geschlecht, Studiengang, Hobbies etc.), desto mehr Nachrichten erhält man von anderen. Vor allem ein Profilbild scheint Wunder zu bewirken… Apropos Bilder: Lasst Euch nicht von schönen Wohnungsbildern in die Irre führen! Bevor bei Airbnb die Verifizierung durch einen Personalausweis eingeführt wurde, bin ich dort beinahe auf einen Betrüger reingefallen. Sollte der Preis zu gut klingen und die Fotos der Wohnung professionell wirken, handelt es sich wahrscheinlich um eine Falle. Auch auf Facebook wimmelt es nur von Betrügern, die selbst in die internen ERASMUS-Facebookgruppen Angebote posten, um ahnungslose internationale Studierende über den Tisch zu ziehen, die aufgrund des Zeitdrucks dringend eine Wohnung benötigen. Auch drei Wochen nach Studiumsbeginn gab es an der Sciences Po Lille immer noch internationale Studierende, die keine Unterkunft hatten und zum Teil noch in Hostels wohnten. Studierende vor Ort aus dem BDI2 und Herr Buteau3 halfen ihnen bei der Suche nach einer Wohnung. Ab und zu erhielten wir Internationale auch eine Mail mit Wohnungsangeboten von Herrn Buteau. Bei den Anzeigen sollte man darauf achten, dass „TTC“ (toutes charges comprises) dabeisteht, damit man nicht mit zusätzlichen Kosten neben der regulären Miete rechnen muss. Von einer Freundin aus Lille erhielt ich den Hinweis, eine Wohnung in den Stadtteilen Moulins, Wazemmes und Fives zu vermeiden, da dort die Kriminalität im Vergleich zu den anderen Stadtteilen sehr hoch ist. Meine WG war in La Madeleine; ein Ort, der offiziell nicht mehr zur Stadt Lille gehört, 2 3 Die Studierendengruppe, die zuständig für die Internationalen zuständig ist http://bdisciencespolille.e-monsite.com Der Erasmus Koordinator an der Sciences Po Lille 2 aber nur eine Haltestelle von der Stadt entfernt ist. Man sollte also genauer auf die Karte schauen, ob es sich nicht lohnt etwas abseits zu wohnen, um Geld bei der Miete zu sparen. In Bremen erhielten alle ERASMUS-Studierenden Mitte Juni auf einer Pflichtveranstaltung von International Office Informationen für den restlichen Ablauf des Auslandssemesters (Deadlines, benötigte Dokumente etc.). Im gleichen Zeitraum erhielt ich per Mail die Zusage aus Lille, dass ich im kommenden Semester an der Sciences Po studieren darf. Auch das BDI meldete sich und gab mir den Namen und die E-MailAdresse meines Paten für das Auslandssemester bekannt. Der „Parrain“ beziehungsweise die „Marraine“ beantworten ihren „Patenkindern“ die Fragen die sie haben und unternehmen in den meisten Fällen etwas mit ihnen (Museumsbesuche, Einkauf im Marché de Wazemmes…), um ihnen unter anderem die Stadt aus der Sicht französischer Studierender näher zu bringen. Formalitäten Zu den Unterlagen, die man auf jeden Fall mit nach Frankreich nehmen muss, gehören unter anderem zwei Passbilder, die europäische Versichertenkarte, zwei Kopien der eigenen Geburtsurkunde und eine Kopie des Personalausweises oder des Reisepasses. Wenn man diese bei Monsieur Buteau im Büro abgegeben hat, erhält man nach sehr langem Warten eine Studentenkarte (ca. einen Monat nachdem die französischen Studierenden ihren erhalten haben). Mit dieser Karte kann man dann an den vom SCAPS4 angebotenen Sportkursen teilnehmen (nicht verwechseln mit den Sportkursen vom BDS5!), in der Mensa (außerhalb der Sciences Po) essen und Ermäßigungen in Kinos erhalten. Aufgrund meiner Erfahrung, empfehle ich den Abschluss einer extra Auslandsversicherung. Vor allem wenn man einen Sportunfall hat, ist es wichtig einen Arzt aufzusuchen. Man wird zwar erfahrungsgemäß in Krankenhäusern und bei Hausärzten aufgenommen, muss aber meistens die Kosten für die Konsultation aus eigener Tasche zahlen, da die Ärzte selten die deutsche gesetzliche Krankenkassenkarte akzeptieren. Hinzu kommen die Kosten der Medikamente, für die man aufkommen muss, da wir Deutsche keine Carte Vitale besitzen. Auch ist es wichtig, den Semesterbeitrag für das Semester, in welchem man im Ausland ist, trotzdem an die Universität Bremen zu überweisen, da man für das Bewerbungsverfahren auf Mobility Online die aktuelle Bremer Immatrikulationsbescheinigung hochladen muss, um das ERASMUS-Geld zu 4 5 Kostenfreie Sportkurse, die für Studierende in Lille (aus verschiedenen Fakultäten) Pflicht sind Die Studierendengruppe, die für die Sportmannschaften zuständig sind, die dann gegen andere Sciences Po antreten 3 erhalten6. Es ist einem selbst überlassen, ob man nur den Pflichtbetrag überweisen möchte, oder den normalen Preis zahlt, in welchem dann auch ein Semesterticket enthalten ist, dass man nach der Rückkehr noch gute drei Monate für die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen kann. Meist reicht der unterschriebene Wohnungsvertrag als Ersatz einer Meldebescheinigung aus, die man für den Antrag einer Carte Pass Pass (das Abonnement für die öffentlichen Verkehrsmittel) benötigt. Eine Monatskarte kostet nur 28€7. Will man V‘Lille (Fahrräder, die man an Stationen überall in der Stadt und in angrenzenden Ortschaften leihen und abgeben kann) abonnieren, so braucht man zusätzlich noch ein französisches Bankkonto. Ich habe mein Semester in Frankreich auch ohne französisches Bankkonto überlebt. Weiß man jedoch im Voraus, dass man ein Jahr dort verbringen möchte, so ist ein solches Konto von Vorteil, da man dann auch französische Finanzierungshilfen die der CAF8 - beantragen kann, wenn man kein Auslands BAföG o.ä. erhält. Abgesehen von diesen Formalitäten, hat man es als Europäischer Studierender in Frankreich relativ leicht und umgeht die Visa-Antragsprobleme, mit denen sich nicht EU-Studierende herumplagen müssen. Die Universität Circa 250 internationale Studierende sind jedes Semester an der Sciences Po Lille eingeschrieben. Die junge Universität (gegründet 1991) ist sehr klein, ungefähr 1.850 Studierende gibt es dort, die entweder im Bachelor (1ère, 2ème année) oder im Master (4ème und 5ème année) sind9. Alle Verwaltungs-, Vorlesungs- und Seminarräume befinden sich in einem Gebäude in der 84, rue de Trévise. Sciences Po Lille besitzt, wie jede Fakultät, eine Cafeteria. Dort erhält man zwischen 11 Uhr und 14 Uhr Sandwichs (belegte Baguettes), Nudelboxen und andere Kleinigkeiten zum Mittag. Davor und danach kann man sich auch an Automaten (Müsliriegel, Chips…) bedienen. Will man jedoch etwas Warmes zum Mittag haben, so muss man entweder zur Mensa in der Nähe der „Fac du Droit“ laufen, oder man holt sich Pommes, Döner oder andere Sandwiches am anderen Ende der Straße. Preislich gesehen ist das Essen außerhalb der Universität auf Dauer jedoch nicht gerade günstig. Das Semester beginnt normalerweise Anfang September (mit der Einführungswoche) und endet kurz vor Weihnachten. Die Klausurenphase erstreckt sich über die ersten zwei Januarwochen. Internationale Studenten können jedoch mit den Professoren sprechen und ihre Leistungen vor den Weihnachtsferien absolvieren, falls sie nur ein Semester an der französischen Universität studieren. 6 Die erste Rate erhält man Anfang Oktober. Die Karte kostet weitere 4€, da auf diese Name und Passbild aufgedruckt werden. 8 caisse d’allocations familiales 9 Die Studenten, die im 3ème année studieren, verbringen das Jahr im Ausland, entweder an einer Gasthochschule oder bei einem einjährigen Praktikum. 7 4 Die Universität erreicht man sowohl mit der Metro (Haltestelle Porte de Valenciennes) als auch mit dem Bus (siehe http://www.transpole.fr). Direkt vor dem Eingang befinden sich auch Fahrradständer und eine V‘Lille Station, sodass man auch mit dem Fahrrad zur Universität radeln kann. Der Weg dorthin ist aber nicht sehr sicher, da Fahrradwege eher die Ausnahme in Lille sind. Viele Studenten laufen daher auch zur Universität, da Lille nicht groß ist und sich viele WGs in der Nähe befinden. Nachts sollte man jedoch das eigene Fahrrad besser in den eigenen vier Wänden aufbewahren. Obwohl man auch Zugriff zur Bibliothek der Faculté de Droit hat, besitzt auch die Sciences Po eine Bibliothek im eigenen Gebäude, mit einigen Büchern auf anderen Sprachen, wobei die Mehrheit der Literatur auf Französisch ist. Ein separater Bibliotheksausweis ist zum Ausleihen der Bücher nicht nötig. Will man etwas in der Universität drucken, so muss man nur eigenes Papier mitbringen; das Ausdrucken von den Computern in der Bibliothek oder denen im Informatikraum (2. Etage) ist kostenlos. Bevorzugt man den eigenen PC, kann man über das Uni-WLAN im Internet surfen. Weitere Informationen über die Universität und das universitäre Leben erhalten die internationalen Studierenden in Form von Broschüren in der Einführungswoche. Das Auslandssemester Zur Anreise: Um nach Lille zu kommen kann man entweder mit der Bahn (über Köln und Brüssel) fahren, oder von Bremen nach Paris fliegen und von dort aus den TGV nach Lille nehmen. Die zweite Variante verläuft wesentlich entspannter, ist aber teurer, je kurzfristiger man sie bucht. Es lohnt sich, einige Tage vor Beginn des Semesters in Lille anzukommen, da man so genug Zeit hat, die Stadt im Vorhinein zu erkunden und mit etwas Glück die Braderie10 – Europas größten Flohmarkt – zu erleben. Das „Welcome Meeting“, welches zwei Wochen vor offiziellem Semesterbeginn stattfindet, ist der erste Universitätstag für internationale Studierende und findet Anfang September statt. An dem Tag erhalten die Internationalen alle wichtigen Informationen, es stellen sich die wichtigsten Ansprechpersonen vor, das BDI berichtet, welche Veranstaltungen in der Integrationswoche anstehen und man erhält wichtige Dokumente, die man ausgefüllt zurückgeben muss. Ein Methodenkurs in der Folgewoche soll den Internationalen dabei helfen, das französische Bildungssystem und die Politik des Landes besser zu verstehen. 10 Weitere Informationen im letzten Kapitel 5 Einen Tag nach der Begrüßung findet der Französisch-Sprachtest statt. Er dient der Einstufung, damit jeder Studierende in einen Französischkurs kommt, der seinen Sprachkenntnissen angemessen ist. Der Sprachkurs, der sich über das komplette Semester zieht, ist kostenlos und beginnt zwei Wochen vor offiziellem Semesterstart. Da keine Anwesenheitspflicht herrscht, ist es dem Studierenden selbst überlassen, ob sie das Angebot in Anspruch nehmen oder nicht. Mir persönlich hat der Kurs viel gebracht, da ich dort die Möglichkeit hatte, Französisch zu sprechen. Dies war in den Vorlesungen nicht möglich, da dort nur die Professoren zur Sprache kamen. Die Conférences de méthodes sind vergleichbar mit Seminaren, da diese Kurse klein gehalten werden und die Studierenden aktiv teilnehmen können. Da man an der Sciences Po aber davon ausgeht, dass die geringen Französischkenntnisse der internationalen Studierenden den Lernprozess der französischen Studierenden verlangsamt, werden getrennte Conférences de méthodes angeboten; so gibt es Angebote die nur für die französischen und andere die nur für die internationalen Studierenden angedacht sind. Alle anderen Kurse (sowohl die aus dem Bachelor, als auch die im Master) sind für die Internationalen frei zugänglich. Die Kursanmeldung ist bereits vor Semesterbeginn möglich. Die Auswahl der Kurse muss nicht unbedingt übereinstimmen mit dem Angebot aus dem vorherigen Jahr. Einige Veranstaltungen werden von Gastprofessoren aus Großbritannien und anderen Ländern angeboten, die dann meist in Form einer Blockveranstaltung angeboten werden, da die Professoren danach an ihre Heimuniversität zurückkehren. Die Vorlesungen werden nicht nur auf Französisch gehalten; einige Veranstaltungen finden auch auf Englisch und Spanisch statt. Ferner werden Sprachkurse auf Deutsch, Arabisch und Chinesisch angeboten. Man kann sich für bis zu maximal zehn Kurse anmelden. Nicht nur die Blockveranstaltungen, sondern auch andere reguläre Veranstaltungen finden nicht unbedingt wöchentlich von Anfang bis zum Ende des Semesters statt. So kann eine Veranstaltung zwei Mal in der Woche stattfinden, dafür aber über einen kürzeren Zeitraum. Ein paar Vorlesungen finden auch freitagabends und/ oder samstags statt. Es ist also nicht möglich einen einheitlichen Stundenplan zu erstellen. Je nach Dauer der Gesamtzahl an Stunden erhält man zwischen zwei und fünf Credit Points pro Veranstaltung. Es ist davon abzuraten mehr als sieben Kurse zu belegen, wenn man neben dem Studium auch noch ein bisschen Zeit in Frankreich genießen möchte... Ist man sich sicher, welche Kurse man belegen möchte (es besteht in der ersten Woche noch die Möglichkeit, Kurse abzuwählen und neue hinzuzufügen), sollte man so schnell wie möglich (aller spätestens einen Monat nach Beginn des Studiums!) das zuvor abgesprochene Learning Agreement aktualisieren und sowohl vom ERASMUS-Koordinator an der Heim- als auch an der Gastuniversität absegnen lassen und es dann auf Mobility Online hochladen. 6 Der Arbeitsaufwand für eine Veranstaltung an der Sciences Po ist um einiges größer als der an einer deutschen Hochschule. So ist eventuell der Inhalt einer Veranstaltung (je nachdem, ob man sich für Bachelor- oder Masterkurse entscheidet) nicht so anspruchsvoll, aber es werden mehr Prüfungsleistungen erwartet. Im Französischunterricht wird die mündliche Mitarbeit bewertet, man muss ein Referat halten, dazu eine Zusammenfassung verfassen und am Ende des Semesters eine Klausur schreiben. Bei den Seminaren werden ebenfalls mindestens zwei Leistungen erwartet. So muss neben einem mündlichen Vortrag immer eine schriftliche Version des referierten Themas an den Dozenten geschickt werden. In Vorlesungen wird jedoch meist nur eine Hausarbeit verlangt. Die Bewertung der erbrachten Leistungen unterscheidet sich grundsätzlich von der deutschen Art, da in Frankreich ein 20-Punkte-System angewendet wird. Erhält man weniger als zehn Punkte für seine Arbeit, fällt man durch die Veranstaltung durch. Entscheidet sich ein Dozent, einem Studierenden 19 oder 20 Punkte für eine Leistung zu geben, so muss sich dieser vor höheren Instanzen rechtfertigen, weshalb der Studierende die höchstmögliche Punktezahl bekommen soll. Aus diesem Grund sind in der Regel 18 Punkte so gesehen die beste Note, die ein Studierender für eine erbrachte Leistung erreichen kann. Ein kleiner Vortrag, der jedoch freiwillig ist, findet im November statt. Die internationalen Studierenden werden gebeten, ihre Heimuniversität den französischen Studierenden vorzustellen, da diese sich in den darauffolgenden Wochen für ihr Auslandsjahr an Partnerhochschulen bewerben müssen. Es ist eine schöne Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und ein bisschen Werbung für eher unbekannte Städte wie Bremen zu machen. Wer weiß, vielleicht sieht man im Jahr darauf bekannte Gesichter an der Uni Bremen… Frühestens eine Woche vor Abreise, aber spätestens am letzten Vorlesungstag muss man sich das Dokument „Confirmation of Erasmus Study Period“ von Herrn Buteau unterzeichnen lassen und dieses Original in Bremen beim International Office abgeben. Die Rückkehr Einmal zurück in Bremen angekommen, erhält man eine Mail zur freiwilligen Umfrage des Erasmus Student Networks. Diese hilft einem bei der Verarbeitung der Erfahrungen, die sich über die vergangenen Monate angesammelt haben und dient der Verbesserung der Veranstaltungen, die das ESN vor Ort (auch in Lille) anbietet. Einen weiteren Evaluierungsbogen findet man auf Mobility Online, den man nach der Rückkehr ausfüllen muss. 7 Ein Rückblick und Dinge, die Lille zu einer einzigartigen Stadt machen Meine Zeit als ERASMUS-Studentin in Lille wird für immer eine unvergessliche Erinnerung und ein besonderer Teil meines Lebens bleiben. Vor allem das WG-Leben mit meinen französischen Mitbewohnern hat mir erlaubt, nicht nur sprachlich immense Fortschritte zu machen, sondern Frankreich und insbesondere Lille aus Sicht der Einheimischen kennenzulernen. Die Aperos vor dem Essen und der Vorschlag „de boire un verre“ werden mir fehlen, sowie die traditionellen darunter der Speisen, Welsh, der Ch’tiramisu, die Carbonnade flamande, die Tarte au Maroilles und die Moules Frites. Den Beste Welsh der Stadt erhält man in der Auberge du Temps Jadis. © 2014 RSC Lille hat so vieles zu bieten! Jede Woche gibt es Events für jeden Geschmack: Von Musik-Festivals in Parks über Demonstrationen und Ausstellungen auf der Place de la République bis hin zu Kleidertauschtreffen. In Vieux-Lille befinden sich die besten Bars. Dort trifft man sich gerne mit Freunden unter der Woche. Das Nachtleben findet überwiegend im Stadtzentrum statt, in der berühmt berüchtigten Rue Solferino. Donnerstags ist in Lille Studentennacht, da die französischen Studierenden die Wochenenden meist bei ihren Familien in der Heimat verbringen. Auch was Clubs betrifft hat die kleine Stadt eine große Auswahl: So befinden sich Karaoke Bars im Zentrum, ein Elektroclub direkt neben der Universität und ein alter Bahnhof wurde zur Partyhalle umfunktioniert. Die Geburtsstadt De Gaulles hat darüber hinaus sehr viele Museen, die man an bestimmten Tagen im Monat/ als Studierender sogar kostenlos besuchen kann. Vieux-Lille im Herbst 2014. © RSC 8 Einmal im Jahr verwandelt sich die Stadt für ein Wochenende in einen Flohmarkt: Die Braderie von Lille zieht jährlich mehrere Millionen Schatzsucher und Neugierige an, die auf über 100 Kilometern im Stadtinneren herumstöbern können. Mir haben die drei Tage nicht gereicht, sodass ich auf jeden Fall einmal im September wieder zurückkehren werde, um weiter auf Erkundungtour zu gehen. Durch die Willkommenswoche, die das BDI für die internationalen Studierenden gestaltet, schaut man auch über den „Liller Tellerand“ hinaus und besichtigt in der Umgebung Orte wie Roubaix, die man mit der Metro in kurzer Zeit erreichen kann. Lille hat ferner den Vorteil, so platziert zu sein, dass man in zehn Minuten per Auto in Belgien ist und mit dem Zug nur eine halbe Stunde nach Brüssel beziehungsweise eine Stunde nach Paris benötigt. Mit unterschiedlichen (Bus-)Anbietern kommt man sehr kostengünstig nach Amsterdam, Luxemburg und London und hat so die Gelegenheit, auch andere Städte oder Länder zu besuchen, zu denen man sonst nicht so leicht kommt. Hat man aber die Möglichkeit mit dem Auto zu fahren, so sollte man unbedingt den wunderschönen Norden und auch weniger bekannte Städte anschauen. Mich beeindruckte vor allem das Cap BlancNez in der Nähe von Calais mit der atemberaubenden Küstenlandschaft. © 2014 RSC 9 Aber auch ohne Spritztouren lernt man in Lille vieles kennen zum Beispiel durch die Veranstaltungen, die die Studentenverbindungen der Sciences Po anbieten (Stadtführungen, Museumsbesuche, Wettbewerbe etc.). Der Abschlussball der Studierenden an der Sciences Po, bekannt als Gala, findet jährlich an einem anderen (geheimen) Ort statt. Für diesen Abend werden Busse organisiert, die auch noch spät in der Nacht fahren. Dies ist leider bei den öffentlichen Verkehrsmitteln in Lille nicht der Fall. Die letzten Busse fahren gegen halb eins, die Metros sind ebenfalls nur bis kurz nach Mitternacht aktiv. Da die Stadt aber nicht sonderlich groß ist, kann man in den meisten Fällen einfach nach Hause laufen, sollte aber dennoch nachts vorsichtig sein. Lille bei Nacht – Palais de Beaux Arts und das Riesenrad des Weihnachtsmarktes © 2014 RSC Wenn ich auf mein Auslandssemester in Lille zurückblicke, so würde ich es genau so wieder durchleben wollen, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte. Ich muss aber zugeben, dass mir ein Semester gereicht hat, um mir ein umfangreiches Bild zu verschaffen und ausreichend Erfahrungen zu sammeln. Ich habe vieles erlebt, aber auch vieles gelernt: Frankreich ist ohne Zweifel ein teures Pflaster. Dies betrifft nicht nur Kleidung, sondern auch die (Grund-)Nahrungsmittel, sodass ich im Schnitt rund 100 € mehr pro Monat ausgegeben habe als in Bremen. Ein weiterer Unterschied betrifft das Bildungssystem: In Frankreich ist die Struktur innerhalb der Bildungsinstitute aus meiner Sicht extrem hierarchisch aufgebaut. So hinterfragen französische Studierende nie die Aussagen ihrer Dozenten und stellen ihnen auch keine (Verständnis-)Fragen, sondern tippen fleißig mit, was ihre Professoren wortwörtlich sagen. Dementsprechend problematisch wurde es in einigen Veranstaltungen, wenn internationale Studierende nicht die Meinung ihrer Dozenten vertraten und diese kritisch hinterfragten. Es schadete aber nicht auch mal diese Perspektive zu erleben, da man so das deutsche Bildungssystem nun umso mehr schätzt. Dies betrifft auch die Produktivität des Verwaltungsapparates. Bereits im Bewerbungsprozess wurde deutlich, dass einige Schritte mehr Zeit in Anspruch nahmen, als man dies von den deutschen Universitäten gewohnt ist. Mein Auslandssemester hat insofern meine nahe Zukunft geprägt, als dass ich nun meine BachelorThesis über ein Thema verfassen werde, das Inhalt einer der Vorlesungen an der Sciences Po war. 10 Aber auch für die weit entfernte Zukunft hat mich die Zeit in Lille geprägt: Ich habe Sprachkenntnisse erworben, die ich niemals in dem Maße durch reine Sprachkurse erreicht hätte. Ich habe eine Kultur kennengelernt, die alles andere als ihren Vorurteilen entspricht. Ich habe ein Land erkundet, das unglaublich schöne Landschaften zu bieten hat. Ich habe mich durch die kulinarische Welt der Nordfranzosen probiert und sie in Form von Rezepten mit zurück nach Deutschland geholt. Ich habe Menschen aus aller Welt kennengelernt und ich habe Menschen in mein Herz geschlossen, die mich jederzeit in Lille wieder mit offenen Armen willkommen heißen werden. 11
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