Leseprobe Everflame Band2

LESEPROBE
VON DER AUTORIN DES
Josephine
Angelini
everflame
Josephine Angelini
Everflame – Tränenpfad
448 Seiten · Ab 14
19,99 € [D] · 20,60 € [A]
ISBN 978-3-7915-2631-7
Auch als E-Book erhältlich
© Dressler Verlag GmbH, Hamburg 2015
Alle Rechte dieser Ausgabe vorbehalten
Originaltitel: Firewalker
Copyright ©2015 by Josephine Angelini
Aus dem Amerikanischen von Simone Wiemken
Umschlaggestaltung: Frauke Weise, Hamburg, unter
Verwendung eines Fotos von © Marta Bevacqua/Trenllion Images
Printed 2015
ISBN 978-3-7915-2631-7
www.facebook.com/EverflameTrilogie
www.dressler-verlag.de
in deiner w elt
Lily roch Sch nee und Zedernrauch . Scheite knackten
im Feuer. Sie schlug die Augen auf und stellte fest, dass sie auf dem
Fußboden ihres Wohnzimmers in Salem, Massachusetts, lag. Alle Fenster standen weit offen und im Kamin brannte ein Feuer. Rowan hockte
vor einem riesigen schmiedeeisernen Kessel, der über den Flammen
hing. Der Ruß und das Blut, die ihn bedeckt hatten, waren abgewaschen – Ruß und Blut vom Kampf gegen Lillian, wie sich Lily erinnerte.
Sie hoffte nur, dass sich ihre Kämpfer in Sicherheit gebracht hatten und
dass Alaric, Tristan und Caleb mit den Wissenschaftlern entkommen
waren.
Sie atmete tief ein und wieder aus. Dampfwolken quollen aus ihrem
Mund. Die Temperatur im Zimmer lag unter dem Gefrierpunkt. Das
Geräusch ließ Rowan herumfahren, und als er merkte, dass sie wach
war, rutschte er über den Boden zu ihr. Sie streckte ihm die Hand entgegen und sah, dass seine Hände und Arme bandagiert waren. Unter
ihr lag ein quadratisches Stück schwarzer Seide und in Salz gezeichnete
Symbole umgaben sie. Die silbernen Messer waren zu einem Muster
angeordnet und ihre Klingen funkelten im Schein des Feuers.
Nein, beweg dich nicht! Deine Haut ist noch zu empfindlich, sagte
Rowan in ihrem Kopf.
Er trug einen dicken Wollpullover gegen die Kälte. Aus den Ärmeln
und dem Rollkragen ragten Bandagen heraus. Lily konnte sehen, dass
sich die Verbände an den Händen durch das austretende wässrige Blut
bereits rosa verfärbt hatten.
Du bist verletzt ...
Es geht mir schon besser. Genau wie dir. Ruh dich aus, Lily.
Lily machte die Augen zu und ließ sie geschlossen. Vielleicht war
es nur eine Sekunde, vielleicht aber auch eine Ewigkeit, die sie auf
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ihrem Floß aus Schmerz dahintrieb. Sie hörte Diskussionen über sich
hinwegwehen wie Wolken. Immer wieder gesellte sich Lillian zu ihr
aufs Floß – aber nur, wenn Rowan gerade nicht an ihrer Seite war. Lily
spürte, wie Lillian darauf lauerte, dass Rowan sich entfernte, um dann
durch den Nebel näher zu kommen und um Zuflucht auf dem Floß zu
bitten. Lily ließ sie gewähren. Sie brauchte jemanden, der ihr in der
Dunkelheit Gesellschaft leistete.
Die Zeit verging. Der Schmerz begann an den Rändern zu jucken.
Lily hörte die Stimme ihres Vaters. Vorwurfsvoll. Ungeduldig. Und
dann die Stimme ihrer Mutter. Flehend. Verzweifelt.
»James, ich habe es dir gesagt, weil ich finde, dass du das Recht
hast, zu erfahren, dass deine Tochter am Leben ist«, sagte Samantha
mit zittriger Stimme, »aber ich habe dir nur unter der Bedingung erlaubt, herzukommen und sie zu sehen, dass du mich weiterhin für sie
sorgen lässt. So, wie ich es für angemessen halte.«
»Du hast mir erlaubt, herzukommen und sie zu sehen?«, empörte
sich James. »Bist du jetzt vollkommen verrückt geworden? Ich bin
zwar nicht oft hier, aber dieses Haus gehört immer noch mir, und ich
habe jedes Recht, meine Tochter zu sehen – die drei Monate lang vermisst wurde –, ob ich nun auf deine irrsinnigen Bedingungen eingehe
oder nicht!« Er gab einen erstickten Laut von sich, als er um Lilys ausgestreckten Körper herumging. »Seit ihrem Verschwinden bin ich von
der Polizei und dem FBI verhört worden, Samantha. Das wurden wir
alle. Wenn sie jetzt auf dem Fußboden unseres Wohnzimmers stirbt,
weil ich dich nicht dazu gezwungen habe, sie in ein Krankenhaus zu
bringen, wird man uns wegen Totschlags anklagen. Das begreifst du
doch, oder?«
»Hört auf zu streiten«, sagte Lily. Ihre Stimme war schwach und
die Anstrengung des Sprechens fast zu viel. Sie hörte Rowan in ihrem
Kopf.
Tut mir leid, Lily. Deine Mutter fand es grausam, deinen Vater im
Dunkeln zu lassen. Aber er will dich in ein Krankenhaus bringen und
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das kann ich nicht zulassen. Die haben keine Ahnung, wie sie dich heilen sollen. Deine Mutter versteht das, aber dein Vater ist ein Problem.
»Du bringst sie sofort ins Krankenhaus und ich rufe heute Abend
Spezialagentin Simms an. Ich gehe nicht ins Gefängnis, nur weil du
übergeschnappt bist, Samantha«, verkündete James voller Entschiedenheit. »Und du, Juliet. Wie konntest du –«
Lass mich das machen, Rowan.
Lily setzte sich ruckartig auf und sah ihrem Vater ins Gesicht. Es
war rot und die Zornesfalten hatten sich tief in seine Stirn gegraben.
Doch als er merkte, was seine Tochter machte, verstummte er sofort.
Lily hatte noch nie versucht, sich per Gedankenübertragung mit ihm
zu verständigen, aber sie wusste, dass es klappen konnte, denn trotz
ihrer unterschiedlichen Ansichten war er immer noch ihr Vater.
Dad. Du mischst dich in Dinge ein, die du nicht verstehst. Hör auf,
so zu tun, als hättest du hier das Kommando. Tu, was man dir sagt,
oder verzieh dich.
Sein gerötetes Gesicht erbleichte und der Unterkiefer klappte herunter. »Hast du das gehört?«, fragte er Juliet.
»Hat sie nicht. Das ging nur an dich, Dad«, sagte Lily mit so dünner Stimme, dass sie zweimal brach, bevor sie diesen Satz herausgebracht hatte.
»Leg dich wieder hin, Lily«, flüsterte Rowan ihr eindringlich ins
Ohr. »Deine Haut reißt. Du darfst dich nicht bewegen.«
Lily ignorierte ihn und starrte weiterhin ihren Vater an. Vor ihrem
linken Auge verschwamm alles, und es begann zu brennen, als Blut
hineinlief, aber sie verzog keine Miene. Lily wartete, bis sie überzeugt
war, dass sich die Entschlossenheit ihres Vaters in Luft aufgelöst hatte,
und sprach erst dann weiter.
»Wir werden das für uns behalten. Hast du das verstanden?«, wisperte sie. Ihr Vater nickte langsam. Er hatte panische Angst vor ihr.
»Gut.«
Lily ließ sich von Rowan dabei helfen, sich wieder auszustrecken.
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Das war ziemlich grob, Lily.
Hat es funktioniert?
Ja. Er ist gegangen. Das kann er gut.
Rowan lachte kurz auf und sein Atem wehte über ihre Schlüsselbeine. Seine Nähe zu spüren, hatte etwas Beruhigendes. Lily schloss
die Augen und stieg wieder auf ihr Floß. Die Schmerzen trugen sie über
das dunkle Wasser. Lillian saß ihr gegenüber.
Meine Version von James war auch nicht der Vater des Jahres.
War? Ist er tot, Lillian?
Nein. Er lebt in Richmond. Ich bezahle ihn gut, damit er da bleibt
und sich aus der Politik heraushält.
Er ist kein schlechter Mensch. Er hat einfach nur –
Kein Rückgrat.
Stimmt. Ich wünschte, er wäre ein bisschen nützlicher.
Wenn es um Männer geht, haben wir hohe Ansprüche, Lily. Für uns
beide ist Rowan das Maß der Dinge.
Du liebst ihn immer noch.
Natürlich.
Wieso hast du ihm dann so furchtbar wehgetan, Lillian? Wieso hast
du Rowans Vater hängen lassen?
Willst du es wirklich wissen? Damit du es verstehst, muss ich dir
mehr von meiner Geschichte zeigen, und die ist nicht schön. Es wird
auch dir wehtun, Lily.
Ich will es wissen, auch wenn mir klar ist, dass du mir nur die Bilder
zeigen wirst, die deine Taten rechtfertigen.
Ich zeige dir die Wahrheit, wie ich sie erfahren habe, damit du erkennst, wieso ich so handeln musste. Du kannst mir nicht vorwerfen,
dass ich dir mein Leben so zeigen will, dass es die größte Wirkung auf
dich hat. Im Endeffekt liegt es dann an dir, ob du meiner Meinung bist
oder nicht.
Also gut, Lillian. Zeig mir die Wahrheit auf die Art, die du für
richtig hältst.
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Zuerst musst du mir aber etwas versprechen. Du musst alles verbergen, was ich dir zeige. Nicht zu meinem Schutz – um Rowan zu
schützen.
Ich würde nie zulassen, dass etwas oder jemand Rowan schadet.
Nicht einmal du oder ich. Aber das weißt du, nicht wahr, Lillian?
Natürlich.
Dann zeig es mir.
Du musst erst schwören, dass du es Rowan nie sehen lässt.
Das ist viel verlangt. Ich weiß nicht, ob ich etwas vor ihm geheim
halten kann. Oder ob ich es will.
Hast du nie etwas vor ihm verborgen?
Doch, einmal. Als ich auf den Scheiterhaufen ging, um gegen dich
zu kämpfen, hat er gefragt, ob ich das für ihn mache.
Und du hast es ihm nicht gesagt.
Er sollte nicht wissen, dass ich es nur für ihn getan habe, denn dann
hätten seine Schuldgefühle ihn umgebracht.
Genau das verlange ich nun von dir – und zwar aus genau demselben Grund. Denk darüber nach und sag mir Bescheid, wenn du bereit
bist.
Juliet hörte ein Klopfen an der Tür und überließ es Rowan, sich
weiterhin mit dem Computer vertraut zu machen. Sie öffnete die Tür,
obwohl sie bereits wusste, wer auf der anderen Seite stand und sich vor
der Unterhaltung fürchtete, die sie nun führen musste.
»Hi, Tristan«, sagte sie resigniert.
»Wie lange wolltest du noch vor mir geheim halten, dass sie wieder
da ist, Juliet?«, fragte er.
»Hör mal, Tristan –«, begann sie, doch er fiel ihr ins Wort.
»Musste ich von Agentin Simms erfahren, dass sie schon vor einer
Woche wiederaufgetaucht ist? Einer Woche?«, fuhr er sie an. Juliet
musste den Blick abwenden. Der arme Tristan hatte einiges durchstehen müssen, als Lily verschwand – wahrscheinlich mehr als jeder
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andere. »Wo ist sie?«, verlangte er zu wissen.
Tristan wollte sich ins Haus drängen, doch da tauchte Rowan an
Juliets Schulter auf.
»Jetzt ist kein guter Augenblick, Tristan«, sagte er.
»Und wer zum Teufel bist du?«, fragte Tristan verblüfft und auch
gereizt, weil Rowan seinen Namen so selbstverständlich gebraucht
hatte. Als würde er ihn kennen.
»Mein Name ist Rowan Fall. Ich bin hier, um Lily beizustehen«,
antwortete er gelassen.
»Ist das so?«, höhnte Tristan. Sein Tonfall war eindeutig sarkastisch
und auch aus seiner Verachtung für Rowan machte er keinen Hehl.
Juliet empfand Mitgefühl für ihn. Nachdem James dem FBI gesagt hatte, dass Lily wieder da war, mussten sie sich eine plausible
Geschichte ausdenken, wo sie gewesen war und wieso niemand sie besuchen durfte. Das Ganze war noch nicht ausgereift, aber zumindest
hatten sie sich darauf geeinigt, dass sich Lily wegen ihrer Allergien
einer radikalen Behandlung unterzogen hatte und aufgrund ihrer nach
wie vor schlechten Verfassung noch keine Besucher empfangen konnte
– nicht einmal Tristan oder die FBI-Agentin, die ein beunruhigend starkes Interesse an diesem Fall an den Tag legte.
»Das ist so«, bestätigte Rowan und wich keinen Millimeter zurück.
»Sie meldet sich bei dir, wenn es ihr besser geht.«
Vollkommen unerwartet holte Tristan zu einem Schlag aus. Juliet
schnappte erschrocken nach Luft, aber bevor sie oder Tristan wussten,
wie ihnen geschah, hatte Rowan den Fausthieb abgeblockt und Tristan
zur Tür hinausgedrängt.
»Das hilft niemandem, Tristan«, sagte Rowan. Er wirkte nicht
überrascht. Juliet fragte sich wieder einmal, wer dieser Kerl war und
welches Leben er wohl in dieser anderen Welt geführt hatte. Auf jeden
Fall wusste er, wie man sich in einem Kampf behauptete.
Tristan sah Rowan fassungslos an und befreite sich aus dessen
Griff. »Ich habe ein Recht, sie zu sehen«, fauchte er.
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»Ja, das weiß ich«, antwortete Rowan und fuhr sich mit einer Hand
durch die Haare. »Und wenn sie bereit ist, mit dir zu reden, wird sie
sich melden.«
Tristan wich zurück, immer noch nicht sicher, was er von Rowan
halten sollte. Seine Verwirrung und die Eifersucht waren nicht zu übersehen und Juliet konnte ihm deswegen keinen Vorwurf machen. Rowan sah nicht einfach nur gut aus, sondern geradezu umwerfend, und
es musste Tristan so vorkommen, als würde er Lily ganz für sich allein
beanspruchen. Zwar hatte Tristan nie wirkliches Interesse an Lily gezeigt, aber das hatte sich jetzt geändert. Um seine wahren Gefühle zu
erkennen, gab es nichts Besseres, als ein Mädchen an einen anderen zu
verlieren, vermutete Juliet.
»Sag ihr, dass sie mich anrufen soll, Jules«, verlangte Tristan, bevor
er in sein Auto stieg und wegfuhr.
Rowan kam wieder herein und schloss die Haustür. »Das war nicht
schön«, sagte er mit einem Seufzen. »Aber es war nicht anders zu erwarten.«
»Du kennst ihn, oder?«, fragte Juliet.
»Allerdings«, sagte Rowan und verdrehte die Augen. »Er ist einer
meiner besten Freunde – eher so etwas wie ein Bruder.
***
»W ir sind identisch, Lily, w ir sind eins ...«
Während ihre Wunden unter Rowans Pflege langsam heilen,
treibt Lily weiter zwischen ihrer Familie und Lilian hin und
her. Zwischen den Fragen und dem Misstrauen hier und dem
Lauern, dem Warten, der Macht dort. Wird Lily ihre Verbündeten wiedersehen und kann sie Lilian entkommen?
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Neu entflammter look
für alle Bände
Mit den neuen Covern der Trilogie ergibt sich ein cooler »PosterLook«, alle drei Bände nebeneinander gelegt. Auch die CoverRückseiten formieren sich dann zu einem Gesamtbild.
Josephine Angelini
Josephine Angelini
Everflame – Feuerprobe
Everflame – Tränenpfad
480 Seiten · Ab 14
19,99 € [D] · 20,60 € [A]
ISBN 978-3-7915-2630-0
Auch als E-Book erhältlich
448 Seiten · Ab 14
19,99 € [D] · 20,60 € [A]
ISBN 978-3-7915-2631-7
Auch als E-Book erhältlich
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Foto © Marc Cartwright
J osephine Angelini, geboren
in Massachusetts/USA, lebt mit ihrer
Familie und drei Katzen in Los Angeles.
Sie studierte Angewandte Theaterwissenschaften in New York und veröffentlichte
mit der »Göttlich«-Reihe ihr sensationelles Debüt. »Everflame – Tränenpfad«
ist der zweite Band ihrer neuen Trilogie.
Übersetzt von Simone Wiemken
GE W IN NSP IEL
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Mit letzter Kraft rettet sich die 17-jährige Lily Proctor aus dem
Reich der Crucibles zurück in die wirkliche Welt. An ihrer Seite ist
Rowan, dem plötzlich Lily und auch ihre reale Heimatstadt Salem
mehr und mehr gefallen. Doch Lilys Doppelgängerin, die mächtige
Lillian, zwingt Lily zur Rückkehr – dorthin, wo die Zerstörung immer
größer wird und schließlich auch Rowan und Lily entzweit.
Die beiden Hexen werden sich immer ähnlicher und Lily stellt
mittlerweile selbst Gut und Böse infrage. Wird Lily sich für die
richtige Seite entscheiden?
Umschlagmotiv: © Marta Bevacqua/Trevillion Images
schicKsal spaltet.
Macht ma nipuliert.
liebe lOdert.