Eine Krankheit auf Nerven und Nieren

seite 4 / freitag, 11. september 2015
NordeN
Ostfriesischer Kurier
Eine Krankheit auf Nerven und Nieren
Veranstaltung
adipositas-treff präsentiert sich am 26. september – infos zu bewegung und ernährung
sport im alltag, Vitamine
zur Nahrungsergänzung
und chirurgische
eingriffe: beim tag der
offenen tür stellt sich die
selbsthilfegruppe vor.
NordeN/Asc – Sich gegenseitig beim Abnehmen und
Halten eines gesunden Gewichts zu unterstützen: Das
ist die Grundidee des Adipositas-Treffs Norden. Am 26.
September will er sich von 11
bis 17 Uhr in der Kreisvolkshochschule vorstellen. Die
Veranstaltung steht unter dem
Motto „Adipositas muss nicht
sein – bei Groß und Klein“.
„Wenn man abnimmt, verändert man sich – körperlich
und psychisch“, sagt Heidi
Berger. Zusammen mit Birgit
Osterkamp-Fliegert und weiteren Ehrenamtlichen leitet
sie die Selbsthilfegruppe, die
sich jeden dritten Donnerstag
im Monat im Mehrgenerationenhaus trifft. „Der Austausch mit anderen steht im
Vordergrund“, betont Berger.
Die Gruppenmitglieder würden Rezeptideen und gesunde
Produkte miteinander teilen
und sich gegenseitig darin be-
stärken, einen gesunden Lebensstil aufrechtzuerhalten.
Maßnahmen zur Bekämpfung von Adipositas. Wie man
sich richtig ernährt, um nicht
wieder zuzunehmen, erklärt
Ernährungsberaterin Gabriele
Meyerhoff um 15 Uhr. Abschließend hält der Chirurg
Dr. Jan Esters um 16 Uhr einen Bildvortrag zu Wiederherstellungsmaßnahmen nach
massiver Gewichtsabnahme.
Möglicherweise gibt es auch
eine Ernährungsberatung für
Kinder und Jugendliche.
„Wir bieten eiweißhaltige
Nahrungsmittel wie Thunfisch, Käsechips und Bratlinge
an, die das Gewicht stabil
halten. Das sind supertolle
Naschereien“, so OsterkampFliegert.
Mitglieder stellen sich vor
Beim Tag der offenen Tür
wollen sich einige der Gruppenmitglieder selbst vorstellen. „Es wird dabei VorherNachher-Bilder von uns zu
sehen geben“, kündigt Osterkamp-Fliegert an. Viele Einrichtungen haben sich bereit
erklärt, an dem Tag mitzuwirken. „Im Forum können sich
die Besucher an den Ständen eines Sportstudios, einer Krankenkasse sowie eines
Herstellers von speziellen Produkten der Adipositasmedizin informieren“, erklärt die
Organisatorin des Treffs. Ein
Kleiderflohmarkt ergänzt das
Angebot.
Adipositashilfe seit 2010
Vielfältiges Programm
Nach der Vorstellung der
Mitglieder um 11 Uhr treten
um 12 Uhr die Cheerleader des
Kindergartens Hooge Riege
auf.„Darauf freue ich mich besonders, denn mein Enkelkind
ist auch dabei“, sagte Berger.
Um 12.30 Uhr hält Margarete Tuinmann einen Vortrag,
wie extremes Übergewicht am
besten zu behandeln ist. Sie
ist als Beraterin in der Praxis
Den Tag der offenen Tür organisieren unter anderem Birgit
Osterkamp-Fliegert (links) und Heidi Berger.
FOTO: scHrAnk
Dr. Elmar Scheche in Norden
angestellt. Das Norder Sportstudio „Clever fit“ zeigt um 13
Uhr, wie man sich im Alltag
bewegen kann. Um 14 Uhr
berichtet ein Mitarbeiter der
chirurgischen Abteilung von
Dr. Ralf Weise über operative
Die Geschichte der Selbsthilfegruppe begann im November 2010, als sich eine
Handvoll Leute in Norden
zusammenfand, um regelmäßig über Adipositas zu sprechen. Diese ist inzwischen
als Krankheit anerkannt.
„Mittlerweile haben wir vier
Zweige: zwei Gruppen in Emden, eine in Norden und eine
in Südbrookmerland“, berichtet Berger über den größer
werdenden Zustrom an Teil-
nehmern. Zwischen 28 und 35
Personen im Alter von 21 bis
60 Jahren kämen regelmäßig
zu den Treffen, die meisten
von ihnen hätten eine Operation hinter sich, zum Beispiel
eine
Magenverkleinerung
oder einen Bypass. „Doch danach fängt die Arbeit erst an“,
sind sich die beiden Gruppenleiterinnen einig. Schließlich
sei die plötzliche Gewichtsreduktion eine riesige Veränderung für den Körper, die
Ernährung müsse komplett
umgestellt werden. „Adipositas ist eine Krankheit auf
Nerven und Nieren“, fasst Osterkamp-Fliegert zusammen,
die mithilfe einer Operation
110 Kilogramm abgenommen
hatte. Darauf folgten zwei
Wiederherstellungs-OPs. „Der
Körper ist im Stress und arbeitet auf Hochtouren“, stimmt
Berger zu, die ebenfalls dank
OP 57 Kilogramm weniger auf
die Waage bringt.
Am wichtigsten sei es, ein
Bewusstsein für die Krankheit
zu entwickeln und dauerhaft
aktiv zu bleiben, um Rückfälle
zu vermeiden. Ihr Aufruf: „Jeder ist willkommen, der sich
über Adipositas informieren
will – und wie man die Krankheit vermeiden kann.“
Modekatalog der etwas
anderen Art und Riesenporträts
Woche der Diakonie unter dem
Motto: Zusammen besser leben
ausstellung
engagement
fotografien von gerd-Dieter Köther in der Vhs
NordeN/isH – Kaufen wir
Kleider oder kaufen wir Haltungen, Träume, Sehnsüchte
und Stimmungen? Gefällt uns
dieses Kleid oder jene Hose,
Jacke, Bluse wirklich, oder finden wir tatsächlich vor allem
das toll, was das Model darstellt? Vielleicht keine direkte
Antwort darauf, aber eine
Aufforderung zum Nachdenken darüber gibt Gerd-Dieter
Köther mit neuen fotografischen Arbeiten. Bis Anfang
Oktober stellt er Werke zum
Thema „Mode und Porträt“
im ersten Stock der Norder
Volkshochschule (VHS) aus.
Gerd-Dieter Köther ist keiner, der sich Models sucht,
um schicke Klamotten an den
Mann oder an die Frau zu
bringen. Er zeigt vielmehr,
was Mensch mit sich machen lässt. Kleider verändern
Haltungen, Accessoires beeinflussen. Kaufen wir Hemd
x, weil wir unbewusst den
Menschen auf dem Plakat so
toll finden, dass wir genau
diese Haltung auch mit in der
Einkaufstüte finden wollen?
Dieser Norder Künstler liebt
es ironisch und auch gern ein
bisschen provokant.
Da gibt es doch Konzerne,
die mit lockerem roten
Schriftzug in der Plakatecke
für die eigene Marke werben? Man achtet gar nicht
mehr darauf, was da steht.
Erst beim zweiten Blick bemerkt man in Köthers Bildern
unbekannte Abkürzungen in
der bekannten Schriftfarbe:
MuM steht da zum Beispiel.
Kein Rechtschreibfehler und
kein Bezug zu irgendeiner
Sektmarke – Köther hat beim
sozialen Kaufhaus der VHS
am Gartenweg „Möbel und
mehr“ gebrauchte Kleidung
ausgeliehen und seine Models damit eingekleidet. Wobei: Models passt sicher nicht
in diesem Zusammenhang.
Es sind Frauen und Männer, die Spaß daran haben,
mit Köther zusammen etwas
Künstlerisches zu gestalten.
Bei der Eröffnung erklärte
der Künstler seine Intention.
Dasserbeispielsweiseklarmachen möchte, wie Menschen
in Rollen schlüpfen, dass
Kleidung und Accessoires etwas mit uns machen. Köther
sprach von einer„illusionären
Welt für illusionäre Rollen“.
Und: Ihm sind Institutionen
wichtig wie das „Mum“ oder
„MuM“, wo es nicht um Konsum geht, sondern darum,
gut Erhaltenes weiterzugeben
und eben nicht im Kleidercontainer zu entsorgen.
Seit zehn Jahren präsentiert Köther einmal jährlich
seine neuen Arbeiten. Immer ein anderes Thema habe
er sich gestellt, erzählt er.
Diesmal Mode. Es ging ihm
dabei jedoch nicht um die
Kleidung, sondern um die
Menschen. Die begleiten ihn
ohnehin in seinen Arbeiten
seit 2005. Damals schon präsentierte er Großformate mit
Porträts. Und das tut er auch
diesmal.
Ein mal zwei Meter groß
blicken zusätzlich zum etwas anderen Modekatalog
derzeit Männer und Frauen
im ersten Stock auf den
Besucher herab. Ihre Blicke sind durchdringend. Oft
selbstbewusst, manchmal
aber auch verschlossen, mal
keck, mal einfach gewinnend lächelnd und auch mal
ausweichend. Davon habe
er 120 oder 130 Stück. Und
immer mal zeigt er welche
davon. Druckt sie auf große
Plakatwände. Köther ist kein
Mensch, der „Normales“ zeigen will. Durch seine pointierte Art der Darstellung
zeigt er, dass nichts einfach
normal ist, dass alles immer
wieder hinterfragt, überdacht, neu gedacht werden
sollte.
Gerd-Dieter köther zeigt großformatige Porträts und etwas andere Modeaufnahmen im ersten
stock der norder Volkshochschule.
FOTO: HArTMAnn
Norder treffpunkt besteht seit 20 Jahren
NordeN/elA – Bereits vor Öffnung der Einrichtung trafen
sich am Mittwoch die ersten Männer auf und vor der
Eingangstreppe des Hauses.
Zwei Stunden später als gewöhnlich öffnete der Treffpunkt Diakonie – erst musste
das Büfett aufgebaut werden.
Die andere Öffnungszeit und
die Köstlichkeiten machten
deutlich, dass Mittwoch ein
ungewöhnlicher Tag für den
Tagesaufenthalt und die Tafel
an der Kreuzung Norddeicher
Straße/Brummelkamp waren.
Die diakonische Einrichtung
besteht seit 20 Jahren, sagen
die beiden Leiterinnen, die Sozialarbeiterinnen Alma Nordwall und Helga Pieper.
Auch wenn der freundliche
und saubere Aufenthaltsraum
auf den ersten Blick allein
den Eindruck macht, als wenn
hier Bekannte und Freunde zu
Kaffee, Tee und Essen zusammenkommen, bietet er doch
so viel mehr. „Man bekommt
Hilfe bei den Ämtern“, sagt
einer. Eine Frau ergänzt: „Viele
waschen hier.“ Und die, die
neben ihr sitzt, meint: „Es gibt
hier billiges Mittagessen.“ Es
koste 1,80 Euro. „Dafür kann
man es nicht selber machen.“
Der Mann ihr gegenüber hat
weitere gute Gründe, warum
er regelmäßig in den Treffpunkt kommt: „Der soziale
Umgang untereinander ist es,
dass man sich trifft.“
Der Treffpunkt Diakonie
ist nicht allein Tagesaufenthalt. „Wir können hier auch
plattdeutsch sprechen“, sagt
Alma Nordwall. „Es ist ein
niederschwelliges Angebot.“
Die beiden Sozialarbeiterinnen merkten schnell, ob
jemand Hilfe brauche. Dann
werden sie aktiv, kümmern
sich um die Betroffenen: „Wir
bieten eine schnelle, unbürokratische Hilfe.“ Dazu gehört das Erklären von „Behördendeutsch“, hier gibt es
Bewährungshilfe, Vermittlung
an psychologische Beratungsstellen, ans Gesundheitsamt,
an die Polizei und vieles, vieles
mehr. Selbst eine gemeinsame
Weihnachtsfeier gehört dazu.
Weiteres Angebot des Treff-
punktes der Kirche: Montags
bis freitags verkaufen Ehrenamtliche in der Tafel günstige
Lebensmittel. Dieses Angebot,
so erklärt Alma Nordwall, sei
nach der Einrichtung des Tagesaufenthaltes als Erstes neu
dazugekommen. „Dann folgte
die Schuldnerberatung.“ Erwin Bogena ist dafür zuständig. Häufig fange der erste
Kontakt im Eingangsraum an:
„Die Leute wollen angeblich
für eine Freundin fragen – sie
wollen nicht zugeben, dass
sie selbst betroffen sind“, so
Erwin Bogena. Aber er merke
schnell, dass es eigentlich um
den Fragenden selbst gehe.
Werde es konkret, gehe er mit
ihm in sein Büro. Dabei mache
er deutlich, dass er keine Behörde sei. Seit dem 1. Februar
gibt es auch eine Flüchtlingsberatung, so Helga Pieper.
Dass das Angebot allein des
Tagesaufenthaltes ankommt,
wird an einer Zahl deutlich:
Im Jahr 2014 zählten die Mitarbeiter 10 714 Besuchskontakte von 679 verschiedenen
Besuchern. „Täglich kommen
also 25 bis 50 Besucher“, sagt
Alma Nordwall. Dazu kom-
men 700 Personen, die von
der Tafel mit Lebensmittelspenden versorgt werden. Die
beiden Sozialarbeiterinnen
weisen auch darauf hin,
dass es in Norden „besonders schwierig ist, eine Wohnung zu finden“. Vor allem
junge, bereits wohnungslose
Menschen hätten ihre Probleme: „Ein Pärchen hat beispielsweise ein halbes Jahr
gesucht. In der Zwischenzeit
hat es unter anderem gezeltet
und ist bei Freunden untergeschlüpft.“ Es gebe immer
mehr Menschen, die eine Unterkunft in Norden suchten:
„Sie sind auf eine zentrale Unterbringung angewiesen, um
ihren Pflichten nachzukommen und ihre Rechte in Anspruch nehmen zu können“,
fordern die beiden Sozialarbeiterinnen Alma Nordwall
und Helga Pieper. Angesichts
dieses Engagements der beiden versteht man, dass einer
der Besucher des Tagesaufenthaltes zum Schluss noch
unbedingt etwas sagen muss:
„Das soziale Engagement der
beiden ist wirklich toll. Wir
verdanken ihnen viel.“
Die beiden leiterinnen des Treffpunktes Diakonie, die sozialarbeiterinnen Helga Pieper (links) und Alma nordwall, am
Büfett, das eigens aus Anlass des 20-jährigen Bestehens des
Treffpunktes Diakonie angeboten wurde.
FOTO: kruse