Resolution gegen die Herausnahme der schweren Verlaufsformen

28. Sitzung der Vertreterversammlung
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (14. Amtsperiode)
am 23. April 2015 in Berlin (Sondersitzung)
TOP 2
Sachstand und Positionierung zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV)
Antrag 3
Resolution gegen die Herausnahme der schweren Verlaufsformen
aus der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV)
von:
Dr. Metke, Dr. Fechner, Dr. Haack, Dr. Krombholz, Dr. Schmelz, Dr. Bärtl,
Hr. Dastych, Dr. König, Hr. Rambow, Dr. Kreye, Dr. Dryden, Dr. Nordmann
KV Baden-Württemberg, KV Bayerns, KV Hessen, KV MecklenburgVorpommern, KV Westfalen-Lippe
Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung möge beschließen:
Resolution gegen die Herausnahme der schweren Verlaufsformen aus der ambulanten
spezialfachärztlichen Versorgung (ASV)
Nach den bisher gemachten Erfahrungen in der Umsetzung des § 116b neu erweist sich die
hier gewünschte sog. sektorenübergreifende Versorgung als ausgesprochen schwierig umsetzbar und gipfelt in einer weiteren Bürokratisierung der ambulanten Versorgung, die insbesondere
bei chronisch kranken Patienten nicht wünschenswert ist. Das als Verbesserung angedachte
Konzept führt zu einer weiteren Zergliederung der medizinischen Versorgung, insbesondere für
den Patienten, und sorgt dafür, dass ein weiterer Sektor mit entsprechenden Grenz-ziehungen
entsteht, was so nicht im Sinne der Versorgungsstrukturen sein kann. Daher sollte generell über
den Sinn der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung und eventuell auch über ein „Relaunch“ der Konzepte nachgedacht werden. Allem voran stellt aber der Wegfall der schweren
Verlaufsformen als Kriterium der ASV einen unseres Erachtens schwerwiegenden Fehler dar.
Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung lehnt die Streichung der
„schweren Verlaufsformen“ aus dem § 116b SGB V konsequent ab. Durch eine solche Änderung wäre faktisch die komplette Versorgung etwa von onkologischen Erkrankungen, rheumatologischen Erkrankungen, Herzinsuffizienz oder zerebralen Anfallsleiden (Epilepsie) im Rahmen
der ASV möglich. Aufgrund der organisatorischen Herausforderungen bei der ASV, könnten
Kliniken in einem gesamten Fachgebiet in Konkurrenz zum niedergelassenen Arzt treten.
Zu den Konsequenzen stellt die Vertreterversammlung weiterhin fest:
1. Für chronisch kranke Patienten ergibt sich keine zwingende Verbesserung der Versorgung bei Verlagerung in ein Krankenhaus. Denn die individuelle Versorgung mit festen
Bezugspersonen, wie sie im ambulanten Bereich Standard ist, ist im Krankenhaus bei
längeren Behandlungszeiträumen faktisch nicht zu gewährleisten. Dabei ist gerade
diese individuelle persönliche Betreuung bei derartigen Erkrankungen von entscheidender Bedeutung.
 angenommen
 abgelehnt
 Vorstandsüberweisung
 Nichtbefassung
 zurückgezogen
39 Ja-Stimmen
1 Nein-Stimmen
6 Enthaltungen
KBV-Vertreterversammlung
Seite 2/2
2. Die Behandlung schwerer Erkrankungen wird sich auf Grund der Kosten- und Versorgungsstrukturen der Krankenhäuser perspektivisch verteuern.
3. Die faktische Einhaltung des Facharztstatus ist im Krankenhaus, in denen lediglich rund
50 % der hauptamtlichen Ärzte eine Facharzt-Weiterbildung haben, kaum zu überprüfen
und zu gewährleisten, während dies in der ambulanten Versorgung selbstverständlich
ist.
4. Eine interdisziplinäre Versorgung erfolgt auch im ambulanten Bereich kontinuierlich. Dazu bedarf es nicht der ASV. Die Kooperation von Haus- und Fachärzten ist gerade bei
besonderen Krankheitsverläufen selbstverständlich und der interkollegiale Austausch
etwa durch Qualitätszirkel findet regelmäßig statt. Eine Verlagerung von Standardbehandlungen in den Krankenhausbereich würde nur eine neue Schnittstelle vor allem zu
den Hausärzten aufmachen, die bisher noch nicht regelhaft bedient wird.
5. Eine massive Ausweitung der ASV schwächt aufgrund der bestehenden Bereinigungsregelungen die ambulante Versorgung, da die zur Verfügung stehende morbiditätsbedingte Gesamtvergütung für die „restliche“ ambulante fachärztliche Versorgung gemindert wird. Diese Bereinigungsregelung widerspricht dem Sinne des Gesetzgebers, die
haus- und fachärztliche Grundversorgung zu schützen.
6. Mangels entsprechender Fachabteilungen im stationären Bereich ist eine flächendeckende Versorgung der Patienten in der ASV durch Krankenhäuser nicht möglich. Einem Wettbewerb in städtischen Regionen mit einer besseren Ausgangslage für den stationären Sektor stünde die Sicherstellung durch niedergelassene Fachärzte in ländlichen
Regionen gegenüber. Dadurch werden neue Versorgungsungleichheiten geschaffen.
Die Vertreterversammlung der KBV fordert angesichts dieser Konsequenzen eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Intention der ASV: Ein Zusammenrücken und -arbeiten der Sektoren, um die Behandlung der Patienten mit seltenen Erkrankungen und schweren Verlaufsformen von Krankheiten mit besonderen Krankheitsverläufen zu verbessern! Dazu müssen die
schweren Verlaufsformen als Kriterium beibehalten werden.
Der im GKV-VSG vorgesehene künftige dauerhafte Bestandsschutz muss entfallen.
Die Vertreterversammlung fordert den Vorstand der KBV daher auf, sich für entsprechende Änderungen im Gesetzgebungsverfahren einzusetzen und alle Bestrebungen zur Ausweitung der
ASV zu unterlassen, bis ausreichende Erfahrungen mit der ASV vorliegen!
Darüber hinaus wird der Vorstand aufgefordert, einen neuen Vorschlag zur Bereinigung der
ASV in den Bewertungsausschuss einzubringen. Dieser muss ausschließen, dass Ärzte, die
nicht an der ASV teilnehmen, durch die Bereinigung benachteiligt werden.
Begründung:
mündlich