«Meistens hatte ich etwas Besseres zu tun» Das Erleben eines Schulabbruchs aus der Sicht von Jugendlichen und deren Lehrperson Masterarbeit an der Pädagogischen Hochschule Zürich Abteilung Sekundarstufe I vorgelegt von: Johanna John Rütihofstrasse 36 8049 Zürich HS 09 eingereicht bei: Prof. Dr. Patricia Schuler Lic. Phil. Manuela Depauly Zürich, Dezember 2014 VORWORT Vorwort Auf das Problem des Drop-Outs bin ich zum ersten Mal durch meinen Vater aufmerksam geworden, der selber Sekundarlehrer ist. Ich konnte mitverfolgen, wie ein Jugendlicher aus seiner ehemaligen Klasse immer mehr auf die schiefe Bahn geriet und nach mehreren Integrationsversuchen sowie einem schulischen Time-Out schliesslich ausgeschult wurde. Dieser Vorfall weckte mein Interesse an der Thematik sehr. Überdies bin ich während meiner Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule in Zürich bin ich kaum mit dem Thema Schulabbruch in Berührung gekommen. Als ich im Sommer 2013 eine Anstellung als Klassenlehrerin in Regensdorf annahm, ereignete sich ein ähnlicher Vorfall im Schulhaus. Im Lehrerzimmer bekam ich die Gespräche zwischen den Lehrpersonen mit und hörte aufmerksam zu – doch was dachte der betroffene Schüler über seine Situation? Wie erlebt er diese aufreibende Zeit? Wie geht es ihm? Wie sieht seine Zukunft aus? Diese und weitere Fragen beschäftigten mich und ich bekam keine Antworten darauf. So entschloss ich mich, im Rahmen meiner Masterarbeit diesen und anderen Fragen auf den Grund zu gehen und meine Arbeit über das Thema Drop-Out zu schreiben. Meine Wissenserweiterung zu diesem Thema verdanke ich vor allem den drei Jugendlichen sowie den Lehrpersonen, welche sich dazu bereit erklärt haben, mir von ihren Erfahrungen zu erzählen. Auch möchte ich mich bei meinen zwei Betreuerinnen für die gute Beratung und fachliche Unterstützung bedanken. Ein grosser Dank gilt natürlich auch meinem sozialen Umfeld, welches mich während diesem Prozess stets unterstützt hat und mir mit Rat und Tat zur Seite stand. Johanna John, im Dezember 2014 INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 7 2. Theoretischer Teil 9 2.1.1 Historische Entstehungsgeschichte 9 2.1.3 Formen schulabsenten Verhaltens 2.1.4 Folgen von Schulabsentismus 2.1.5 Schulabsentismus in der Schweiz 10 15 16 2.2.1 Individuelle Bedingungsfaktoren 2.2.2 Bedingungsfaktoren im System Familie 2.2.3 Bedingungsfaktoren im System Peer-Group 2.2.4 Bedingungsfaktoren im System Schule 2.3 Drop-Out 2.3.2 Theoretische Erklärungsmuster 2.3.3 Drop-Outs: Was wird aus ihnen? 2.3.4 Drop-Outs: eine Typologie 3. Forschungsfragen 3.1 Forschungsfrage 1 3.2 Forschungsfrage 2 3.3 Forschungsfrage 3 4. Empirischer Teil 4.1. Qualitative Forschungsmethode 4.2 Das Leitfadeninterview 4.3 Forschungsprozess und Forschungsverfahren 4.3.1 Forschungsablauf 4.3.2 Der Interviewleitfaden 4.4 Erhebung der Daten 4.4.1 Die Interviewsituation 4.4.2 Die Interviewdurchführung 4.4.3 Aufbereitung der Daten 4.5 Auswertung der Daten 4.5.1 Vorgehen bei der Auswertung 4.5.2 Kategoriensystem 4.6 Herausforderungen 4.7 Fehlerquellen 17 18 19 20 22 24 27 28 30 30 30 31 32 32 33 34 35 36 37 37 37 38 38 38 38 44 45 I INHALTSVERZEICHNIS 5.1.1 Kategorie: Schulkarriere allgemein 5.1.2 Kategorie: Verhältnis zu Lehrpersonen 5.1.3 Kategorie: Peergroup 5.1.4 Kategorie: Freizeit/ausserschulische Aktivitäten 5.1.5 Kategorie: Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss 5.1.6 Kategorie: Ausschlaggebender Faktor für den Drop-Out 5.1.7. Kategorie: Umgang und Reaktion der Eltern und Freunde 5.1.8 Kategorie: Situation nach dem Schulausschluss 5.1.9 Kategorie: Situation heute 5.1.10 Kategorie: Bedingungsfaktoren für ein positives Gelingen 5.2.1 Kategorie: Schulkarriere allgemein 5.2.2 Kategorie: Verhältnis zu Lehrpersonen 5.2.3 Kategorie: Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss 5.2.4 Kategorie: Ausschlaggebender Faktor für den Drop-Out 5.2.5 Kategorie: Umgang und Reaktion der Eltern 5.2.6 Kategorie: Situation heute 5.2.7 Kategorie: Bedingungsfaktoren für ein positives Gelingen 6. Beantwortung der Forschungsfragen 46 48 49 51 51 53 54 54 55 56 57 57 59 60 61 62 62 62 64 6.1 Forschungsfrage 1 6.2 Forschungsfrage 2 6.3 Forschungsfrage 3 64 66 68 7.1 Ursachenzuschreibung 7.2 Drop-Out-Typologien 72 74 8. Schlussbetrachtung 76 9. Literaturverzeichnis 78 10. Anhang 80 II ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Gründe für das Schwänzen Entwicklungsmodell bei Drop-Out Phasen des Forschungsablaufs Ablaufmodell deduktiver Kategorienanwendung 12 23 34 38 Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Schulabsentismusformen nach Ricking (1997) Wo wurde die Zeit während des Schwänzens verbracht? Formen des Schulschwänzens Übersicht über die Stichproben der Jugendlichen Übersicht über die Stichproben der Lehrpersonen Auszug aus dem Interviewleitfaden für Jugendliche Ausschlaggebender Faktor für den Drop-Out Übereinstimmung Typologien J1_m_1 Übereinstimmung Typologien J2_m_2 Übereinstimmung Typologien J3_m_2 11 13 14 36 36 37 61 68 69 70 III Abstract Im Kanton Zürich beträgt die obligatorische Schulzeit für Schülerinnen und Schüler rund neun Jahre, ohne Einbezug der zwei Jahre Kindergarten. Der tägliche Schulbesuch wird von den Jugendlichen, den Eltern, den Lehrpersonen sowie von Freunden und Bekannten als selbstverständlich angesehen. Eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Schülerinnen und Schüler bleibt jedoch dem Unterricht stunden- oder tageweise fern. In diesem Fall spricht man von Schulabsentismus. Erschreckender ist aber, dass hierzulande rund 5% der Jugendlichen die Schule nicht nur schwänzen, sondern ganz abbrechen und somit über keinen Schulabschluss verfügen (vgl. Stamm, 2012, S. 25). Nicht nur für den betroffenen Schüler oder die betroffene Schülerin ist dies ein einschneidendes Erlebnis, sondern auch die Lehrperson ist davon tangiert. Diese Arbeit befasst sich einerseits mit den Gründen für einen solchen Schulabbruch und untersucht, welche Motive zu einem Schulabbruch führen können. Andererseits diskutiert sie, ob und inwiefern sich das Erleben eines Drop-Outs von Jugendlichen und deren Lehrpersonen unterscheidet. Im Sinne der qualitativen Forschung wurden Leitfadeninterviews mit drei Jugendlichen sowie einer ehemaligen Lehrpersonen durchgeführt. Die Auswertung und Analyse der erhobenen Daten bestätigt teilweise die Erkenntnisse der Forschungsliteratur, dass sowohl individuelle als auch institutionelle Faktoren einen Schulabbruch bedingen. Die Umfrage führt zum Schluss, dass die Beziehungsfähigkeit zwischen den Jugendlichen und den Lehrpersonen grundlegend für eine erfolgreiche schulische Laufbahn ist. IV EINLEITUNG 1. Einleitung «Jedes Jahr brechen in der Schweiz mehrere tausend Jugendliche die Schule ab. Das kostet das Land mehrere hundert Millionen Franken», berichtet die Berner Zeitung im Februar 2010. Die Bewältigung der schulischen Aufgaben wird für Schülerinnen und Schüler immer anspruchsvoller und endet nicht selten in einem Abbruch. Eine Schweizerische Nationalfonds-Studie spricht von rund 4% Schulabbrechern (vgl. Stamm et al., 2009). Doch schulaversives Verhalten ist nicht ein Kind unserer Zeit, denn seit der Einführung der obligatorischen Schulzeit gibt es immer wieder Jugendliche, die durch das Raster des Schulsystems fallen. Schulabsentismus und Drop-Out sind sehr komplexe Phänomene, die sich nicht einfach durch eine einzelne Ursache erklären lassen. Die Gründe für dieses Problemverhalten liegen in erster Linie bei den Schülerinnen und Schülern selbst, aber, wie die neuste Forschung zeigt, auch bei der Institution Schule (Schulklima, Schüler-Lehrer-Beziehung, pädagogische Leitgedanken einer Schule etc.). Weiterhin haben die familiäschlimmsten Fall in einem Schulausschluss enden kann, verbauen sich die Jugendlichen Berufschancen und nicht selten sogar auch ihre Zukunft, doch oftmals sind sie sich dessen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst und erfahren die Tragweite ihres Handelns erst später. Zur Erforschung der Thematik bieten sich folglich eine Vielzahl von Fragen an: • Was versteht man in der Forschung unter Schulabsentismus, schulaversivem Verhalten und Drop-Out? • Wie kommt es zu einem Schulausschluss? • Wie erleben Schülerinnen und Schüler einen Schulabbruch? • Wie erleben Lehrpersonen einen Schulabbruch eines/einer Jugendlichen? • Was sind die Bedingungsfaktoren für Drop-Out? • Wie sieht die aktuelle Situation in der Schweiz aus? Diese und viele weitere Fragen stellen sich im Zusammenhang mit der Untersuchung von Schulabsentismus und Drop-Out. Im theoretischen Teil dieser Arbeit wird auf einige dieser Fragen eingegangen und nach Antworten gesucht. Sie sind wichtig, da sie helfen, einen allgemeinen Überblick über die Thematik zu erhalten. Die Hauptfragestellung dieser Arbeit ist folgende: «Wie wird ein Schulabbruch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen erlebt?» Im Rahmen dieser Arbeit soll herausgefunden werden, wie Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen legt und exemplarisch betrachtet. Hierbei werden auch Bedingungsfaktoren für einen Schulausschluss eruiert und diese zwei in der aktuellen Forschung vertretenen Perspektiven zugeordnet: der individuellen und der institutionellen Perspektive. Während sich die individuelle Perspektive mit Merkmalen des Individuums befasst (Alter, Intelligenz, Leistung, familiäres Umfeld, Peers), stehen bei der institutionellen Perspektive Faktoren innerhalb der Institution Schule im Zentrum. EINLEITUNG Relevanz und Bezug zum Berufsfeld Jede Lehrperson der Oberstufe wird sehr wahrscheinlich früher oder später mit dem Thema Drop-Out in Berührung kommen. Sei es durch eine Schülerin oder einen Schüler der eigenen Klasse oder innerhalb des Schulhauses und sollte deshalb für diese Thematik sensibilisiert sein. Das Thema Schulabsentismus lässt sich mehreren Ausbildungsstandards der Pädagogischen Hochschule Zürich zuordnen: V. Soziales Umfeld, VI. Kommunikation, VII. Sicherung der Qualität und professionelle Weiterentwicklung. Um betroffene Jugendliche aufzufangen und die Situation frühzeitig zu erkennen, ist eine gute und professionelle Zusammenarbeit im Team unabdingbar. Ziele und Vorgehensweise Anhand aktueller Forschungsliteratur zu den Themen Schulabsentismus, schulaversives Verhalten sowie Drop-Out verschaffte ich mir einen ersten Überblick über die allgemeine Situation. Der weitere Verlauf der Arbeit orientiert sich an meinem persönlichen Forschungsinteresse, dem auch die Hauptfragestellung «Wie wird ein Schulabbruch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen erlebt?» entspringt. Anhand eines Leidfadeninterviews, welches Teil der qualitativen Forschung ist, wurden Gespräche mit drei Jugendlichen sowie drei Lehrpersonen geführt und anschliessend transkribiert. Im Sinne der qualitativen Inhaltsanalyse wurden diese in einem weiteren Schritt anhand eines Kategoriensystems ausgewertet, interpretiert und unter Einbezug der Theorie diskutiert. Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Der theoretische Teil befasst sich mit den Themen des Schulabsentismus sowie des schulischen Drop-Out. Zu Beginn werdie aktuelle Situation in der Schweiz Bezug genommen. Die aktuelle Forschung von Stamm (2009/2012) gibt Ausschluss über Bedingungsfaktoren für schulabsentes Verhalten und Schulabbrüche. Im Kapitel zum Drop-Out wird näher auf die Drop-Out-Typologie von Stamm (2012) eingegangen. Als Überleitung in den empirischen Teil dieser Arbeit werden die Forschungsfragen sowie die daraus entstandenen Hypothesen erklärt. Der empirische Teil befasst sich als erstes mit der Einführung der qualitativen Forschungsmethode. Darauf folgen die Erläuterung des Forschungsablaufes, die Auswertung der Daten sowie die Diskussion der Fehlerquellen. Anschliessend werden die gewonnenen Ergebnisse präsentiert und in einem weiteren Schritt diskutiert, worauf auf die aktuelle Forschungstheorie Bezug genommen wird. THEORETISCHER TEIL 2. Theoretischer Teil Im theoretischen Teil dieser Arbeit werden zwei Begriffe geklärt: Schulabsentismus und Drop-Out. Es wird auf deren Ursprung, die Bedeutung, die jeweiligen Bedingungsfaktoren sowie die Folgen eingegangen. Da der Begriff Schulabsentismus in der Forschung unterschiedlich verwendet wird, ist eine Erläuterung der verschiedenen Bedeutungen notwendig, denn er wird oftmals mit dem bekannten Schulschwänzen gleichgestellt. Unter schulabsentem Verhalten wird jedoch viel mehr verstanden, als nur das Schwänzen an sich. So werden verschiedene Formen des schulabsenten Verhaltens dargestellt und deren Ursachen aufgezeigt. Anschliessend folgt eine Erläuterung der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Schulabsentismus und Drop-Out. Unter Drop-Outs fasst man Schülerinnen und Schüler zusammen, welche die Schule abgebrochen haben oder von ihr ausgeschlossen wurden. Hier wird vor allem auf die Längsschnittstudie «Die Zukunft verlieren?» von Stamm (2012) Bezug genommen. Der Abschluss des theoretischen Teils dient der Zusammenfassung und Überleitung im Hinblick auf den methodischen Teil dieser Arbeit. Der Begriff Schulabsentismus wird in der Forschung unterschiedlich ausgelegt und auch verwendet. Deshalb ist eine eingehende Betrachtung und Eingrenzung des Begriffs unabdingbar und gilt als Grundlage für die weitere Arbeit. 2.1.1 Historische Entstehungsgeschichte Dass Schülerinnen und Schüler dem Unterricht fernbleiben und schwänzen ist ein Phänomen, das seit der es wohl auch kaum wegzudenken sein. Im Mittelalter war der Schulbesuch nur einem kleinen Teil der Bevölkerung gestattet. Bildung wurde daS. 27). Dies änderte sich durch die Reformation und die Aufklärung. Während der Reformation war es ein wichtiges Anliegen, die Inhalte der Bibel möglichst der ganzen Bevölkerung zugänglich zu machen und galt nach Luther als «essentielle Voraussetzung für ein christliches Leben» (Ricking, 2003, S. 28). Erst in der Neuzeit, während der Aufklärung, wich man von diesem Denken ab und änderte die Einstellung zur Schulbildung. Man war der Meinung, «das Mittel, sich dem Ideal zu nähern und damit eine bessere Gesellschaft umsetzbar schien» (Ricking, 2003, S. 28). Ohne ein Mindestmass an Bildung wäre die Gesellschaft nicht den neuen Herausforderungen gewachsen und früher oder später zum Scheitern verurteilt. 1619 entstand die erste, von Kirchen unabhängige Schulordnung (Weimarsche Schulordnung von 1619), in mindestens am Vormittag zum Schulunterricht zu schicken und sie somit von der Feldarbeit, dem Bergbau Gunsten des Schulbesuchs nahm jedoch noch einige Zeit in Anspruch. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam man zum Schluss, dass sich zwölf Stunden tägliche Arbeit in Fabriken oder der Landwirtschaft nicht mit dem nötigen Mass an Bildung vereinbaren liess. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden staatliche Stellen zur Vernetzung der Schulen und Erfassung der Schülerzahlen. Erst 1920 wurde durch die Reichsgrundgesetze Schulzeit neun Jahre, wovon sechs in der Primarschule und drei in der Sekundarschule absolviert werden (vgl. hierzu Ricking, 2006, S. 14ff.). THEORETISCHER TEIL Wer sich mit dem Thema Schulabsentismus befasst, wird schnell mit ähnlichen Begriffen wie Schulverweigerung, Schulschwänzen, Schulmüdigkeit und Schulphobie in Berührung kommen. Dies kommt daher, dass international keine Kategorisierung dieser Begriffe besteht und dass die Bezeichnungen zu Beginn von Untersuchungen sowie Forschungsprojekten jeweils individuell erläutert und eingegrenzt werden. Mit dem Begriff Schulabsentismus ist im Allgemeinen durchaus das gemeint, was man im Volksmund unter «Schulschwänzen» versteht (vgl. Stamm et al., 2009, S. 15). Den Ausdruck des Schulschwänzens gibt die mit Schwänzen das Versäumen einer Vorlesung bezeichneten. Bis ins 20. Jahrhundert hinein galt das Schulschwänzen «als Ausdruck kindlichen Ungehorsams oder eines ausgeprägten, instinktgeleiteten Wandertriebs der Kinder und Jugendlichen» (Stier 1913 in Ricking, 2003, S. 17). Heutzutage umfasst Schulabsentismus «alle vielfältigen Formen unerlaubten Fernbleibens von der Schule» (Stamm et al., 2009, S. 15). Stamm et al. (2009) verwenden den Begriff Schulabsentismus in ihrem Projekt als «Oberbegriff für das Fernbleiben vom Unterricht aus einem gesetzlich nicht vorgesehenen Grund [verwendet], unabhängig davon, ob die Eltern informiert sind und dies durch Entschuldigungen legitimieren». Schulabsentismus als Oberbegriff bezeichnet in diesem Fall in neutraler Art und Weise das Fernbleiben können noch keine Aussagen zu den Bedingungsfaktoren, dem Aufenthaltsort oder der Abwesenheitsdauer gemacht werden. Ebenfalls ist nicht geklärt, ob und wer für das Verhalten der/des Lernenden verantwortlich ist und ob diese Person/en allenfalls zur Rechenschaft gezogen werden können. Schüler, die sich während der Unterrichtszeit weder im Klassenraum noch in der Schule aufhalten, sondern gleichzeitig alternative Räume bevorzugen. Sie ist klar charakterisiert durch die physische Abwesenheit aus dem Wirkbereich Schule.» Neben dem physischen Fernbleiben der Kinder und Jugendlichen wird hier auf die Räume eingegangen. Es wird klar zum Ausdruck gebracht, dass alternative Räume bevorzugt werden und dass sich Schulschwänzerinnen und Schulschwänzer fern von Schulgebäuden aufhalten. Im nachfolgenden Kapitel wird anhand der Forschungsliteratur auf die unterschiedlichen Formen des schulabsenten Verhaltens eingegangen. 2.1.3 Formen schulabsenten Verhaltens Wie im letzten Kapitel beschrieben, wird der Begriff «Schulabsentismus» als Sammel- sowie Oberbegriff für verschiedene Phänomene schulabsenten Verhaltens von Kindern und Jugendlichen verwendet. Deshalb werden in der Forschung unterschiedliche Formen und Ausprägungen beschrieben. Der Grund, weshalb es verschiedene Formen des Schulabsentismus gibt, liegt darin, dass die Motive der Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlich sind. Aus welchen Gründen bleiben die Jugendlichen dem Unterricht fern? Wo halten sie sich stattdessen auf? Hat ihr Verhalten Konsequenzen? Wenn ja, welche? THEORETISCHER TEIL Ricking (2003) verwendet den Terminus «Schulabsentimus» als allgemeinen Oberbegriff für Schwänzen und Schulverweigerung (Ricking, 2003, S. 17). Die Motive, welche zu diesen Verhaltensweisen führen, sind vom Individuum und seiner Umgebung abhängig und dementsprechend von Fall zu Fall verschieden. Stamm (2009) fasst unter Schulabsentismus «all die vielfältige Formen unerlaubten Fernbleibens von der Schule» (Stamm et al. 2009, S. 15). Sie versteht ihn, wie Ricking (2003), als Oberbegriff für das Fernbleiben vom Schulunterricht aus einem gesetzlich nicht vorgesehenen Grund. Weiter unterscheidet sie zwischen «Schulschwänzen» und «Schulverweigerung». Während Schulschwänzen ein «bewusstes, aber verdecktes und möglicherweise genüssliches Aufbegehren gegen die Autoritäten, welche diese Regeln aufgesetzt haben», bezeichnet Schulverweigerung das Verhalten von «Kindern und Jugendlichen mit enormen emotionalen Verhaltensproblemen, die – mit Wissen der Eltern – nicht mehr imstande sind, zur Schule zu gehen und in diesem Zusammenhang auffällige psychogene oder psychosomatische Veränderungen zeigen» (Stamm et al., 2009, S. 17). Stamm et al. (2009) fassen zusammen, dass international nur ein minimaler Konsens über einerseits die ätiologische Kategorisierung als auch andererseits über die Schulabsentismus konstituierenden Faktoren bestehe (vgl. Stamm et al., 2009, S. 25). Inzwischen hat sich jedoch der Begriff Schulabsentismus als Oberbegriff eingebürgert. Es wird dabei zwischen Schulschwänzen (engl. truancy) und Schulverweigerung (engl. school refusal, school phobia) unterschieden. Einigkeit besteht in dem Punkt, dass es gewisse Überschneidungsbereiche zwischen diesen zwei Polen gibt. Während Stamm et al. (2009) unter Schulabsentismus das unentschuldigte und bewusste Fehlen eines Schülers oder einer Schülerin aus einem gesetzlich unvorhergesehenem Grund, unabhängig davon, ob dies einzelne Fehlstunden betrifft oder ganze Schultage, verstehen, umfasst Schulverweigerung hingegen nicht zwingend die physische Abwesenheit, sondern eher den Boykott im Unterricht, durchaus auch den Aufenthalt auf dem Schulgelände, nicht aber im Unterricht. Schulschwänzen und Schulverweigern wird also unter dem Begriff «Schulabsentismus» zusammengefasst. (2003) und Stamm et al. (2009), so erkennt man gewisse Parallelen. Gleichzeitig wird einem aber bewusst, wie fein die Unterschiede und wie gross die Überschneidungsbereiche sind. Die folgende Tabelle nach Ricking (1997) fasst die Phänomene schulabsenten Verhaltens übersichtlich zusammen: Schulverweigerung Initiative des Schülers Initiative des Schülers Initiative der Eltern oder der Eltern und des Schülers Eltern wissen in der Regel nichts vom Fehlen Eltern wissen um die Schulverweigerung, aber missbilligen sie Oft Einverständnis zwischen Eltern und Schüler Aufenthalts ausserhäuslich Aufenthalt zu Hause Aufenthalt in der Regel zu Hause Tendenz: vernachlässigen Tendenz: Überprotektion Uneinheitlich Kontext: dissoziale Störung (Disziplinprobleme, Delinquenz, Aggression) Kontext: a) Trennungsangst b) Angst vor der Schule, vor der Lehrperson, vor den Mitschülern Uneinheitlich Schulversagen Kein Schulversagen Uneinheitlich Uneinheitlich Keine ausgeprägte Schulangst somatischen Beschwerden maskiert; schwere Angstsymptome vor dem Schulbesuch Tendenz: niedriger sozio-ökonomischer Status Tendenz: mittlerer sozio-ökonomischer Status Tabelle 1: Schulabsentismusformen nach Ricking (1997) in Ricking 2006, S. 28 Uneinheitlich THEORETISCHER TEIL Man darf beim Betrachten der obigen Übersicht nicht vergessen, dass die Übergänge zwischen den unterSchulschwänzer oder Schulschwänzerinnen geboren, sondern können während der Schulzeit über Phasen des Schulschwänzens oder der Schulverweigerung verfügen, dieses Verhalten aber auch wieder ablegen. Ebenso ist eine Verstärkung des Absentismus nicht ausgeschlossen. So kann beispielsweise aus einem gelegentlichen Schulschwänzen ein massives Schulschwänzen werden und umgekehrt, oder zu einer Schulverweigerung und allenfalls bis zu einem Drop-Out (Schulausschluss) führen. In Bereichen der Terminologie scheint laut Ricking (2006) zumindest bezüglich des Schulschwänzens Einigkeit zu bestehen: «Von Schulschwänzen wird gesprochen, wenn Kinder und Jugendliche zeitweilig oder anhaltend – in der Regel – ohne Wissen der Eltern die Schule nicht besuchen und während der Unterrichtszeit einer für sie angenehmeren Beschäftigung meist im ausserhäuslichen Bereich nachgehen.» (Preuss, 1978, zit. nach Ricking, 2006, S. 37) Beim Schulschwänzen geht es nicht alleine um das Fehlen im Unterricht, sondern darum, dass man diese Zeit, in der man eigentlich in der Schule wäre, «besser» nutzen kann und die Jugendlichen ihren Interessen nachgehen und sich anderweitig beschäftigen. Es ist also nicht einfach nur eine Vermeidungshaltung. Die Gründe für das Schulschwänzen sind sehr unterschiedlich und variieren von Fall zu Fall. Stamm et al. (2009) fanden heraus, dass die Schülerinnen und Schüler verschiedene Motive hatten. Am meisten genannt wurde der Grund «keine Lust auf Schule» (knapp 60%), gefolgt von «ausschlafen wollen» (ca. 42%), «Langweile im Unterricht» (ca. 36%) und «eine Prüfung nicht schreiben wollen» (ca. 28%). Weitere genannte Gründe waren «Probleme mit einer Lehrperson», «schwänzende Freunde», «nicht gemachte Hausaufgaben» oder Hänseleien unter Mitschülern (vgl. Stamm et al., 2009, S. 74). Eine detaillierte Auf- weil ich Geld verdienen wollte/musste Eltern wollten das so wurde bedroht oder gehänselt für eine Prüfung lernen Hausaufgaben nicht gemacht weil ein/e Freund/in dies auch machte Probleme mit einer Lehrperson wollte eine Prüfung nicht schreiben Unterricht langweilig wollte ausschlafen keine Lust auf Schule 0% 10% 20% Abbildung 1: Gründe für das Schwänzen, N=1840, missing=8.9% (164) in: Stamm et al. 2009, S. 74 30% 40% 50% 60% grundlegendes Niveau erweitertes Niveau THEORETISCHER TEIL Wie folgende Abbildung zeigt, bleibt der mit Abstand grösste Teil der Schülerinnen und Schüler während halten sich die meisten Jugendlichen im ausserhäuslichen Bereich auf (vgl. Preuss, 1978, zit. nach Ricking, 2006, S. 37). Jeweils rund ein Drittel gab an, irgendwo draussen auf öffentlichen Strassen, auf Plätzen oder in Parks «rumzuhängen». Nur ein sehr kleiner Teil der Jugendlichen hielt sich während dem Schwänzen auf dem Schulareal auf. Niveau weiblich E G K 78,0% 76,2% 60,9% 72,8% 75,0% 64,2% E G K 27,2% 30,9% 39,1% 33,3% 32,5% 32,8% Total Ich bin einfach zu Hause geblieben. 75,3% 75,7% 62,3% Ich bin irgendwo draußen herumgehangen. 30,4% 31,7% 36,5% Ich war auf dem Schulgelände. E G K 3,7% 4,9% 4,3% 4,0% 1,2% 10,4% E G K 6,4% 11,1% 9,8% 3,8% 3,6% 1,5% 3,8% 3,2% 6,9% Ich habe in der Zeit etwas Verbotenes gemacht. 5,0% 7,7% 6,3% Darstellung der Zustimmung (<trifft zu>) zu den Antwortmöglichkeiten, unterteilt nach Schulniveau und Geschlecht. N = 1801, missing = 3,9% (70). Niveau E: n männlich = 482, n weiblich = 530; Niveau G: n männlich = 307, n weiblich = 252; Niveau K: n männlich 92, n weiblich = 67 Tabelle 2: Wo wurde die Zeit während des Schwänzens verbracht? In: Stamm et al., 2009, S.76 Ricking (2006) beschreibt, dass Schulschwänzen mit ansteigendem Alter zunimmt und in der Sekundarstufe die höchsten Werte erreicht. Viele Schülerinnen und Schüler haben zwischen der 4. und 6. Klasse zum ersten Mal geschwänzt: Knapp 35% des erweiterten Niveaus, fast 40% des grundlegenden Niveaus und gut 31% der Schülerinnen und Schüler aus Kleinklassen. Nur sehr wenige Jugendliche fangen in den letzmehr Jungen als Mädchen zwischen der 4. und 6. Klasse mit dem Schwänzen anfangen (vgl. hierzu Stamm et al. 2009, S. 74 f.). Zu beachten ist, dass beim Schulschwänzen zwischen gelegentlichem Schwänzen (Stunden, Halbtage oder ein Schüler oder eine Schülerin schwänzt, kann unterschiedliche Gründe haben. Klauer (1963) erklärt dies mit einem Teufelskreis. Anfangs schwänzt ein Kind beispielsweise, weil es die Hausaufgaben nicht gemacht somit nehmen auch das Schwänzverhalten sowie die Gründe für das Fernbleiben des betreffenden Kindes stetig zu (vgl. Klauer, 1963, zit. nach Ricking, 2006, S. 39). THEORETISCHER TEIL • (Eck)Stundenschwänzen als sporadisches, ggf. kalkuliertes Schwänzen besonders von Einzelstunden bei ungeliebten Lehrkräften bzw. in ungeliebten Fächern • Gelegentliches Tagesschwänzen • • Regelmässiges Schwänzen von Fächern • • Intervallschwänzen (Schülerinnen und Schüler fehlen mit einer gewissen Regelmässigkeit einige Tage) • Reversible Schulverweigerung (Durch die sozialen Kontakte in der Schule halten sich die Jugendlichen im schulnahen Umfeld auf und wägen ab, ob ein gelegentlicher Schulbesuch nicht doch als lohnenswert erachtet wird) • Tendenziell irreversible Schulverweigerung (Abbruch) Kurzzeitschwänzen von mehreren Tagen (Schülerinnen und Schüler fehlen in einer einmaligen Absentismusperiode während einer bis zwei Wochen) Gelegentliches Langzeitschwänzen (Schülerinnen und Schüler besuchen während längerer Zeit regelmässig die Schule, weisen anschliessend aber einmalige oder periodische Fehlzeiten von einigen Tabelle 3: Formen des Schulschwänzens, vgl. Thimm, 2000, S. 162 Schulverweigerung Als «längerfristiges und wiederholtes Fernbleiben vom Unterricht ohne ausreichende Begründung» versteht Bührmann (2009) den Begriff Schulverweigerung (Bührmann, 2009, S. 7). Auch er betont, dass dies mit Wissen oder Einverständnis der Eltern geschehen kann, aber die Begründung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Schulverweigerung meint in seinen Augen jedoch mehr, als «nur» die physische Abwesenheit der Schülerinnen und Schüler, sondern auch das Verweigern von Unterricht und Aufgaben bei gleichzeitiger nach Preuss wie folgt: «Als Schulverweigerer sollten diejenigen beschrieben werden, deren Schulabwesenheit den Eltern bekannt ist und deren Verhaltensprobleme sich im emotionalen Bereich so verdichten, dass das Nicht-zur-Schule-gehen-können mit auffälligen psychogenen und/oder psychosomatischen Veränderungen einhergeht.» (Ricking, 2006, S. 50) Die beinahe zwanghafte Unfähigkeit zum Unterrichtsbesuch und das an die Stelle des Unterrichtbesuchs tretende Verbleiben zu Hause sowie emotionale Ausbrüche beim anstehenden Schulbesuch können als zentrale Kennzeichen der Schulverweigerung, oftmals auch Schulphobie genannt, gesehen werden (vgl. Ricking, 2006, S. 50). Für schulverweigernde Jugendliche stellt vor allem die Angst vor der Schule das grösste Problem dar. Die Gründe für diese Angst mögen verschiedene Ursachen haben. Einige fürchten von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern gehänselt zu werden, andere haben Versagensängste und wieder andere kommen mit der Lehrperson nicht zurecht. Diese Ängste führen somit zu einem Vermeiden von Situationen, Orten und Handlungen (vgl. Ricking, 2006, S. 50). Was aber allen Schulverweigerern gemein ist, ist, dass sie immense Schwierigkeiten haben, den Unterricht zu besuchen oder sich der Schule zu nähern. THEORETISCHER TEIL Ergänzend hierzu unterscheidet Bührmann (2009) zwei Formen der Schulverweigerung: Die aktive sowie die passive Schulverweigerung. Unter aktiven Schulverweigerer fasst Bührmann Kinder und Jugendliche, kommen. Hierzu gehören ebenfalls die massive Störung des Unterrichts sowie Regelübertretungen, Leistungsverweigerungen und aggressive Verhaltensweisen gegenüber Lehrpersonen (vgl. Bührmann, 2009, S. 8). Der Ausdruck der passiven Schulverweigerung beschreibt also einerseits die physische Abwesenheit von Schülerinnen und Schüler, bezieht aber gleichzeitig physisch anwesende Kinder und Jugendliche ein, die aber eine aktive Teilnahme am Schulbetrieb verweigern. Die passive Schulverweigerung hingegen bezieht sich auf Schülerinnen und Schüler, die zwar physisch im Unterricht anwesend, jedoch sehr ruhig und zurückgezogen sind und allenfalls durch ihre mentale Abwesenheit, ihre «Träumerei», auffallen. «Des Weiteren handelt es sich um SchülerInnen, die formal entschul- Das Zurückhalten von Jugendlichen durch deren Eltern ist ebenfalls eine Form schulabsenten Verhaltens. bringen es um essentielle Bildungschancen (vgl. Ricking, 2006, S. 62). Dieses Verhalten der Eltern und ihre Einstellung gegenüber der Schule können die Kinder und Jugendlichen zu verstärkt schulabsentem Verhalten animieren. Oftmals werden sie von den Eltern zu Hause behalten, damit sie beispielsweise Hausarbeiten erledigen. Eine leichte, weniger gravierende Form des Zurückhaltens wäre beispielsweise das zu frühe in die Ferien gehen oder das Verlängern der Ferientage. «Schwerwiegend sind jedoch die Fälle, in denen die Eltern der Schule gleichgültig gestimmt sind oder diese gar ablehnen oder auch offen feindlich gegenüber stehen» (Ricking, 2006, S. 63). Ein weiterer Grund für das Zurückhalten eines Kindes können kulturelle Werte oder Traditionen sein. Stammen Eltern aus einem anderen Kulturkreis, in welchem die Schule nicht den gleichen Stellenwert hat wie bei uns oder der Schulbesuch allenfalls den Knaben vorbehalten wird, kann es dazu führen, dass sie die Institution Schule «nicht als einen geeigneten Lern-, Sozialisations- und Aufenthaltsort für ihre Kinder erachten» und sie von der Schule fern halten (Ricking, 2006, S. 63). Hiervon sind nicht nur Kinder ausländischer Familien betroffen, sondern auch Kinder, deren Eltern beispielsweise speziellen Sekten angehören. 2.1.4 Folgen von Schulabsentismus Hört man Erzählungen über Schulschwänzen oder denkt man an seine eigenen Erfahrungen aus der Schulzeit zurück, neigt man oft dazu, schulabsentes Verhalten zu verharmlosen und als «normal» einzustufen. Die Teilnahme am Schulunterricht ist jedoch die Voraussetzung für ein integriertes Leben in der heutigen nicht mehr am Unterricht teilnehmen, begeben sich laut Ricking (2006) in pädagogisch äusserst negativ einzuschätzende Entwicklungskreisläufe. Für viele schwänzende Jugendliche wird der Übergang in die Berufswelt äusserst schwierig, da man mit einer hohen Zahl Absenzen, vielleicht sogar einigen unentschuleventuell ein Leben in Randständigkeit zu führen (vgl. Ricking, 2006, S. 9). Ein weiterer Punkt besteht darin, dass das Schwänzen den Jugendlichen oftmals nicht den erwünschten Effekt bringt. Aus Unlust, weil Hausaufgaben nicht gemacht wurden oder weil man eine Prüfung nicht schreiben möchte, bleiben Schülerinnen und Schüler dem Unterricht fern. Während der neu ergatterten Freizeit werden sie aber teilweise von ihrem schlechten Gewissen eingeholt und merken früher oder später, dass die nicht gemachten Hausaufgaben oder die verpasste Prüfung dennoch nachgeholt werden müssen. THEORETISCHER TEIL Die versäumte Zeit bringt somit nicht den erwünschten Effekt. Durch das Fehlen wird der schulische Druck nur erhöht. Ebenfalls werden achtsame Lehrpersonen in gut organisierten Schulen auf das Vermeidungsverhalten der Jugendlichen aufmerksam und benachrichtigen das Elternhaus, was zu weiteren Spannungen führen kann. Es liegt auf der Hand, dass Schülerinnen und Schüler mit stark schulabsentem Verhalten ihre Zukunft gefährden und langfristige Risiken eingehen, deren sie sich zum aktuellen Zeitpunkt oftmals noch nicht bewusst sind. Hinzu kommt, dass dieses Verhalten nicht von einem Tag auf den anderen wieder abgelegt werden kann. Auch verfügen diese Jugendlichen oftmals über ein schwächeres Selbstkonzept und weniger Selbstbewusstsein als Schülerinnen und Schüler, die eine problemlose Schulkarriere durchlaufen. Weiter kann es vorkommen, dass Probleme im sozialen Bereich auftreten, da sich diese Jugendlichen an ihr Vermeidungsverhalten gewöhnt haben und sich gewohnt sind, unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen. Ebenfalls besteht eine grössere Tendenz zu Aggression, Delinquenz oder Drogenkonsum/-missbrauch (vgl. Herz, 2004, S. 49). Des Weiteren schätzen Tyrer & Tyrer (1974), dass Absentismus in der Schule «als Wegbereiter sozialer Negativkarrieren mit kumulierenden und interagierenden Lebensproblemen, überschattet von psychischen, psychiatrischen und familiären Schwierigkeiten» agiert (zit. nach Ricking, 2006, S. 50). Schulische Desintegration ist somit nicht nur ein Problem der Schule, sondern ein Problem der ganzen Gesellschaft. Sie geht oftmals mit einer sozialen Desintegration einher, da diese Schülerinnen und Schüler in ihrer Zukunft vermehrt von Arbeitslosigkeit bedroht sind, oder vorwiegend eine Beschäftigung als Hilfsarbeiter oder in 2.1.5 Schulabsentismus in der Schweiz Auch an Schweizer Schulen sind Schulabsentismus und schulabsentes Verhalten ein Thema. Stamm et al. (2009) fanden im Rahmen ihres Forschungsprojektes «Schulabsentismus in der Schweiz – ein Phänomen und seine Folgen» heraus, dass fast jeder zweite Schüler und jede zweite Schülerin im Verlaufe ihrer Schulzeit schon die Schule geschwänzt hat. Zwischen Herbst 2005 bis Anfang 2008 führte Margrit Stamm, Professorin für Erziehungswissenschaften an der Universität Fribourg, verschiedene Untersuchungen zu Schulabsentismus in der Schweiz durch. Für diese Studie wurden insgesamt 4‘000 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen und Schulleitungen befragt (vgl. Stamm et al., 2009, S, 14). Zu den massiven Schulschwänzern, das heisst, dass mehr als fünf mal ein halber Tag innerhalb der letzten sechs Monate geschwänzt wurde, gehören rund 4.7% der befragten Jugendlichen (vgl. Stamm et al., 2009, S. 18). Interessant ist, dass diese Gruppe von massiven Schulschwänzern vor allem in den Schulformen mit Anstieg des Schwänzens mit zunehmendem Alter» hingegen in allen Schulformen anzutreffen sei (Stamm et al., 2009, S. 18). sehr gering ist. Anders sieht jedoch das Resultat bei den massiven Schulschwänzern aus. Hier liegt der Knabenanteil mit durchschnittlich 6.6% höher als bei den Mädchen (3.8%) (vgl. Stamm et al., 2009, S. 18). Betrachtet man die Motive, aus welchen die Jugendlichen der Schule fern bleiben, lässt sich eine grosse chern und das Vermeiden von Prüfungen (10% bis 40%). Ablehnung der Schule als solche (33% bis 36%), (1% bis 19%) zählen ebenfalls zu den genannten Motiven (vgl. Stamm et al., 2009, S. 18). THEORETISCHER TEIL In der Forschung wird das Phänomen Schulabsentismus anhand verschiedener theoretischer Erklärungsansätze untersucht. Es gibt verschiedene Perspektiven, aus denen das Thema betrachtet wird, unter anderem sozialpädagogischer, sozialwissenschaftlicher, lernpsychologischer, psychologischer oder medizinischer Natur. Bei den Fragen: Wie entsteht Schulabsentismus? Welches sind die ursächlichen Komponenten? wird davon ausgegangen, dass es sich dabei um einen Bedingungskomplex handelt, der aus vielen Komponenten zusammengesetzt ist. Zu diesem Bedingungsgefüge gehören die allgemeine schulische Sozialisation, die Beziehungsstruktur sowie individuelle Schüler- und Familienmerkmale (vgl. Stamm et al., 2009, S. 19 f). In der Literatur wird in diesem Zusammenhang von so genannten «Multiproblemlagen» gesprochen (vgl. Bührmann, 2006, S. 16). Die einzelnen Faktoren liegen in verschiedenen Systemen verortet und stehen in stetiger Wechselwirkung zueinander. Sie sind vor allem in der Persönlichkeit des/der Jugendlichen, im sozialen Umfeld wie der Familie oder dem Freundeskreis, aber auch im System Schule begründet. Ricking (2003) betont in diesem Zusammenhang, dass es so etwas wie den typischen Schulschwänzer oder die typische Schulschwänzerin nicht gibt, da die Jugendlichen trotz Risikobelastungen Spielräume für Verhaltensalternativen zum Schulabsentismus haben (vgl. Ricking, 2003, S. 123). Im Folgenden werden nun die einzelnen Systeme genauer betrachtet. Zuerst wird auf die individuellen Variablen wie Alter, Geschlecht und Intelligenz eingegangen, anschliessend werden die Bedingungsfaktoren in den Systemen Familie, Peer-Group und Schule erläutert. Alter Über den Zusammenhang zwischen Alter und Schulschwänzen ist man sich in der Forschung nicht ganz einig. Besonders englischsprachige Untersuchungen zeigen, dass mit steigendem Alter auch die Zahl der Absenzen zunimmt (vgl. Stamm et al., 2009, S. 36f). Jedoch liegen auch Forschungsresultate vor, die das Gegenteil aufzeigen (vgl. Ricking, 2006, S. 70f). Klauers (1963) beispielsweise ermittelte für damalige Hilfsschülerinnen und Hilfsschüler in der Vorpubertät zwischen 10 und 11 Jahren einen Absentismusgipfel von 15.7%. Die jüngeren Schülerinnen und Schüler (8-9 Jahre) sowie ältere (12-13 Jahren) schwänzten mit 12.1% und 10.6% deutlich weniger (zit. nach Ricking, 2006, S. 70). Vergleicht man aber die Resultate der internationalen Absentismusforschung, kommt man zum Schluss, dass «unerlaubtes Fernbleiben mit dem Alter ansteigt und in den letzten Schuljahren höher ist als zu früheren Schulzeiten» (Galloway, 1967, 1982, Prichard et al., 1992, Jardine, 1987, Zieman & Benson, 1980, Levanto, 1975, Eder, 1981 zit. nach Ricking, 2006, S. 124). Schwierigkeiten in der Schule machen dementsprechend vor allem die älteren Schülerinnen und Schüler. Je älter sie werden, desto schwieriger wird es, das schulabsente Verhalten zu verhindern und die Eltern für das Verhalten ihrer Kinder verantwortlich zu machen. Geschlecht Weder in der deutschen noch in der angloamerikanischen Forschung kann eine eindeutige Aussage darüber gemacht werden, ob Schulabsentismus eher eine Domäne weiblicher oder männlicher Schüler ist (Fogelman et al., 1980, Levanto, 1975, Blagg, 1987, zit. nach Ricking, 2006, S.71 und Ricking, 2003, S. 125). Dennoch wird in der Literatur den Jungen eine tendenziell höhere Bereitschaft zum Schwänzen zugewiesen. ten werden, während Jungen hingegen mehr aus Eigeninitiative schwänzen (vgl. Berg u.a., 1988, Sommer, 1985a, Collins, 1990 zit. nach Ricking, 2003, S. 125). THEORETISCHER TEIL Unter dem Selbstkonzept versteht man das Bild einer Person von sich selbst, bestehend aus Ideen, Gefühlen, Erlebnissen, Einstellungen und Erwartungen. Es ist Teil der persönlichen Identität jedes Menschen und handlungsleitende Grösse in unserem Alltag (vgl. Woolfolk, 2008, S. 760). In der Schule treffen die Schülerinnen und Schüler jeden Tag neue Wettbewerbssituationen an. Sie müssen sich unter ihren Mitschülerinnen und Mitschülern behaupten, wollen möglichst gut dastehen, buhlen um soziale und schulische Anerkennung und müssen dem Leistungsdruck genügen. Der ständige Wettbewerb bringt eine latente Gefahr des Versagens mit sich. Dieser Druck ist besonders für leistungsschwache Jugendliche anstrengend und kann zur Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls führen. Ricking (2006) weist onsmuster erleben und daher die […] als die eigenen Identität nicht förderlich empfundene Schule meiden» (Ricking, 2006, S. 74). Reid (1982) ging der Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Selbstkonzept der Jugendlichen und deren Selbstkonzept nach und fand heraus, dass die Mehrheit der chronischen Schulschwänzer im Gegensatz zu den Schülerinnen und Schülern, welche regelmässig den Unterricht besuchen, zwischen den Geschlechtern konnte aber nicht gemacht werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Forschung zum Ergebnis gekommen ist, dass Jugendliche mit schulabsentem Verhalten ein geringeres akademisches Selbstkonzept und weniger Selbstbewusstsein haben, grössere Probleme im Kontakt mit anderen Menschen aufweisen und in höherem Ausmass dissoziale Verhaltensformen aufweisen als Schülerinnen und Schüler ohne markantem Absentismus (vgl. Ricking, 2003, S. 129 und Ricking, 2006, S. 75). Ein grosser Teil im Leben einer/eines Jugendlichen nimmt neben dem Schulalltag und den Freunden die Je nach dem, in welchem sozioökonomischen Kontext ein Kind aufwächst, ist es mit anderen Problemen konfrontiert. Desolate Familienverhältnisse, die sich meist in sozial schwachen und benachteiligten Familien (vgl. Bührmann, 2009, S. 17). Bedingungsfaktoren im System Familie sind laut Bührmann (2009) folgende: • der sozioökonomische Status: Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen usw. • die (sehr hohe) Anzahl Kinder Wohnungen in Stadtteilen mit hoher Delinquenzbelastung • Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch • familiäre Zerrüttung, andauernder Ehestress, Trennung oder Scheidung Erklärungsansätze werden in der Einstellung der Eltern und in deren Wertesystem gesucht. Manche Eltern betrachten das Schulschwänzen ihrer Kinder als kein grosses Problem, da die Schule in ihrem Leben keine herausragende Bedeutung hat und nicht zur erfolgreichen Bewältigung des Alltags sowie zur Existenzsicherung gehört. Diese ablehnende oder gleichgültige Haltung der Eltern kann das schulabsente Verhalten der Jugendlichen verstärken (vgl. Ricking, 2003, S. 46). Nielsen & Gerber (1979) berichten von Familien, in denen Schulschwänzen über mehrere Generationen aufgetreten ist (zit. nach Ricking, 2003, S. 143). In solchen Familien ist dieses Verhalten somit in deren Wertesystem fest integriert. Folglich zeigen die Eltern Verständnis für das Schwänzen der Kinder. THEORETISCHER TEIL Die Unterstützung und das Interesse der Eltern am Leben der Kinder sind für die Jugendlichen sehr wichtig. Elterliches Desinteresse am Alltag der Kinder sowie an schulischen Lernfortschritten ist somit ein weiterer Risikofaktor. Warum die Eltern nicht am Leben ihrer Kinder teilhaben wollen oder können, mag aus um einige Beispiele zu nennen (vgl. Bührmann, 2009, S. 19). Eng damit zusammen hängen auch die Struktur sowie die elterliche Kontrolle, welche Kinder und Jugendliche in diesem Alter brauchen. Zu strenge Regeln werden genau so negativ erlebt wie inkonsequentes bzw. willkürliches Verhalten der Eltern. Immer wieder werden Grenzen ausgetestet und geschaut, zu welchen Reaktionen oder Konsequenzen das jeweilige bar und bestehen keine verlässlichen Grenzen für das soziale Zusammenleben, führt das zu einer starken Verunsicherung bei den Kindern (vgl. Bührmann, 2009, S. 19f). Ricking (2003) spricht in diesem Zusammenhang einen weiteren, interessanten Punkt an: «So wie häusli- miert, führt dies zu neuen Spannungsfeldern, was die Situation weiter verschärfen kann. Es wird deutlich, wie komplex und wechselseitig dieses Gefüge ist. Während in der Sozialisationsforschung die Peers schon seit langem als eine der klassischen Bezugsgruppen der Jugendlichen gelten, wird die Rolle der Peers im Kontext der Schulverweigerung erst seit kurzem in Betracht gezogen (vgl. Bührmann, 2009, S.77). Die Peers sind aus mehreren Gründen sehr wichtig für die Jugendlichen. Einerseits werden sie oft zu einer zweiten Familie, wenn die Eltern abwesend sind, andererseits erlernen sie in diesem Umfeld wichtige soziale Regeln. Unter dem Begriff «Peers» werden nicht einfach nur Gleichaltrige gefasst, sondern diejenigen, die von den Jugendlichen als ein «[…] als Interaktionspartner akzeptierter Gleichaltriger» bezeichnet werden (Krappmann, 1998, S. 364 zit. nach Bührmann, 2009, S. 77). Die Peer-Gruppen entstehen somit aufgrund von gemeinsamen Interessen, Vorstellungen sowie Sympathien und Vergleichbarkeiten. Solche Gruppen entwickeln eigene Normen und Verhaltensregeln, welche es den Jugendlichen ermöglichen, sich aneinander zu orientieren und bestenfalls Bestätigung Gleichaltriger zu erhalten. Zudem können die Peer-Groups ganz verschiedene Qualitäten aufweisen. nen sich die Jugendlichen nicht öffnen und die überwiegend durch gemeinsame Aktivitäten zusammengehalten werden, bis hin zu intimen Freundschaften, in denen sind und zudem von verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise dem Alter und der Persönlichkeit der Jugendlichen abhängen.» (Samjeske in Wagner, 2007, S. 178). haben. Vor allem die Cliquenzugehörigkeit spielt eine wichtige Rolle, denn oftmals wird schulabsentes Verhalten als statusfördernd angesehen und gilt als Mutbeweis (vgl. Stamm 2008, S. 92). So können sich die Jugendlichen beispielsweise auch gegenseitig zum Fernbleiben des Unterrichts motivieren. Nach Stamm (2008) haben gerade schulfeindlich eingestellte Jugendliche eine verstärkende Wirkung auf schulabsentes Verhalten, weil sie die eher zufällig schwänzenden Kinder in ihre Kreise aufnehmen und gezielt ein- THEORETISCHER TEIL schliessen. So werden diese Gruppen immer mächtiger und die Gruppendynamik wächst. Auch Bührmann (2009) bekräftigt diese Aussage, denn es «[…] ist zu vermuten, dass sich (gelegentliches) individuelles Schulschwänzen durch Gruppenkontakte verstärkt und schliesslich in Schulverweigerung übergehen kann» (Bührmann 2009, S. 78). «In einer schulaversiven Gruppe Gleichgesinnter kann ihr Verhalten eine identitätssteigernde und selbstwertstabilisierende Wirkung entfalten» (Dölle, 2010, S. 90). Die Studie von Schreiber-Kittl/Schröpfer (2002) zeigt auf, dass die befragten Jugendlichen das Schulschwänzen zu Beginn eher ein Spiel gewesen sei, zu welchem man sich gegenseitig ermutigt habe. Somit können (zit. nach Bührmann, 2009, S. 79). Ein weiterer Grund, weshalb Jugendliche der Schule fern bleiben, ist die Angst vor andern Mitschülerinnen und Mitschülern. Schülerinnen und Schülern verweigern teilweise die Schule, weil sie beispielsweise von anderen bedroht, erpresst oder geschlagen werden (Schreiber-Kittl/Schröpfer, 2002, S. 141). Die Opfer sehen irgendwann oftmals keinen anderen Ausweg aus dieser Situation mehr, als der Schule fern zu bleiben. Nur in seltenen Fällen wenden sich die Betroffenen an ihre Lehrperson oder an die Eltern, denn die Angst, als Verräter dazustehen und weiter gehänselt zu werden, ist grösser als die Annahme, dass ihnen in ihrer Situation geholfen werden könnte. In solchen Fällen wird von «Bullying» und «Mobbing» gesprochen (vgl. Schreiber-Kittl/Schröpfer, 2002 und Stamm, 2008). Jugendliche, die der Schule fern bleiben, schaffen sich neue, zusätzliche Freizeit, die sie füllen und gestalten müssen. Hier kommen die Peers wieder zum Tragen, denn nur selten wird die gewonnene Zeit alleine zu Hause verbracht. Des Öfteren müssen auch die Eltern getäuscht werden, damit das Schulschwänzen erst möglich wird. Somit sind die Jugendlichen auf ausserschulische und ausserhäusliche Aktivitäten angewieSchule (vgl. Bührmann, 2009), um dennoch mit den anderen Schülerinnen und Schülern in Kontakt bleiben zu können. Schreiber-Kittl/Schröpfer (2002) zeigen auf, dass rund 69% bzw. 65% der befragten Schülerinnen und Schüler angaben, «Freunde besucht» zu haben oder «mit dem Freund/der Freundin zusammen» gewesen zu sein (Schreiber-Kittl/Schröpfer, 2002, S. 177). Die Jugendlichen nutzen die Zeit, um sich mit Gleichgesinnten zu treffen, die Zeit positiv zu nutzen und Spass zu haben. Welche Rolle die Peers im Bezug auf Schulschwänzen nun genau einnehmen, ist schliesslich schwierig zu sagen und sehr individuell. Unbestritten ist jedoch, dass sich die Jugendlichen in ihrem Verhalten gegensei- in der Forschung immer wieder. In diesem Abschnitt wird auf diese Frage eingegangen und versucht, einige Antworten darauf zu geben. den Umgang mit Regeln, die Lehrpläne sowie die Einstellung und das Verhalten der Lehrperson sowie die Schüler-Lehrer-Beziehung. Grundsätzlich kommt Schulabsentismus in allen Schulformen vor (vgl. Ricking, 2006). Bührmann (2009) weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass «die aktive Verweigerungsquote umso geringer ist, je höher das Bildungsniveau und damit die Ausbildungs- und Beschäftigungsperspektiven der Jugendlichen weigerung» (Bührmann, 2009, S. 37). Auch Stamm (2008) unterstreicht diese Aussage. Schulen, die «ein THEORETISCHER TEIL Ein Hauptgrund des Schulschwänzens ist oft ein negatives Schulklima. Fühlen sich Jugendliche bedroht und haben Angst vor dem Schulbesuch, liegt ein früher oder später eintretendes Vermeidungsverhalten darauf, ob sich die Jugendlichen in der Schule wohl fühlen und ob sie diese gerne besuchen. Folglich macht es für die Schülerinnen und Schüler einen grossen Unterschied, • • • ob sie sich in der Schule wohl fühlen, oder ob sie diese lieber meiden würden. ob sie aktiv und entspannt am Unterrichtsgeschehen teilnehmen können oder ständig auf der Hut sein müssen. ob sie «mit der Sicherung ihrer sozialen Existenz beschäftigt sind oder Aufmerksamkeit für andere Themen frei haben» (Bührmann, 2009, S. 39). Weiter spricht Stamm (2008) davon, dass eine klare Präsenzordnung der Schulen sehr wichtig sei. Die Schulen haben oftmals unterschiedliche Präsenzsysteme. Weniger geschwänzt wird, wenn «die Präsenz verbindlich, systematisch und umfassend festgehalten und überprüft wird und Absenzen unmittelbar geahndet werden» (Stamm, 2008, S. 101). Wie streng die Absenzenregelung eines Schulhauses gehandhabt wird, hängt auch stark von den einzelnen Lehrpersonen ab. Ein Präsenzsystem kann sehr strikt vorgegeben sein, wenn die Lehrkraft jedoch dazu neigt, die Augen zu verschliessen und dem Schwänzen nicht nachzugehen, haben die Jugendlichen gute Möglichkeiten, sich diesem System zu entziehen. Ebenfalls eine wichtige Rolle spielt die Lehrer-Schüler-Beziehung. Jugendliche schwänzen seltener, wenn die Beziehung zur Lehrperson stimmt, sie sich ernst genommen fühlen und die Beziehung auf gegenseitiger Wertschätzung basiert (vgl. Stamm, 2008, S. 100f und Schreiber-Kittl/Schröpfer, 2002, S. 144f). Auch hinsichtlich des Umgangs mit den Schulverweigerern nimmt die Lehrperson eine zentrale Rolle ein. Wird das schulabsente Verhalten eines Schülers oder einer Schülerin einfach akzeptiert, kann dies zu einer Verstärkung dieser Handlung führen. Erfahren Jugendliche keine Konsequenzen, werden sie ihr Verhalten kaum ändern, denn «Wenn Jugendliche einen Schlupfwinkel entdecken, die Schule zu schwänzen, dann tun sie dies eben auch» (Bührmann, 2009, S. 42). Laut Berichten von einigen Schulverweigerern wurde als positiv erlebt, wenn sie von der Lehrperson das Gefühl vermittelt bekamen, eine ehrlich gemeinte, zweite Chance zu bekommen und ihnen gleichzeitig Unterstützungsangebote gemacht wurden (vgl. Bührmann, 2009, S. 42f). Überleitung Wie in diesem Kapitel dargelegt wurde, ist Schulabsentismus ein sehr komplexes Phänomen, welches aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und betrachtet werden muss. Ursächlich für schulabsentes Verhalten von Schülerinnen und Schüler sind nicht einfach nur das Kind, die Eltern, die Peers oder die Schule an sich, sondern das Zusammenspiel dieser Faktoren. In diesem Zusammenhang ist es von zentraler Bedeutung, das Bewusstsein dafür zu erlangen, dass schulabsentes Verhalten multikausal bedingt ist und oftmals eine Vielzahl von Gründen für das Schwänzen vorhanden ist. Durch die genaue Betrachtung des Terminus Schulabsentismus wurde deutlich, dass sich hinter dem Begriff Schulabsentismus weit mehr als nur das Fehlen im Unterricht verbergen. Schulversäumnisse und schulabsentes Verhalten gelten nach Ehmann/Rademacker (2003) als Hinweise auf ein erheblich erhöhtes Risiko schulischen Scheiterns (in Herz/Puhr/Ricking, 2004, S. 185). Im nächsten Kapitel steht der DropOut, das frühzeitige Verlassen der Schule, im Zentrum. THEORETISCHER TEIL 2.3 Drop-Out und Phänomene erläutert sowie auf theoretische Erklärungsmuster eingegangen. Anschliessend wird auf die Drop-Out-Typologien von Stamm Bezug genommen, da diese Teil der Grundlagen für den zweiten, praktischen Teil der Arbeit sind. Während in den vorhergehenden Abschnitten vor allem der Schulabsentismus im Zentrum stand, wird nun der Augenmerk auf ein weiteres Phänomen gelegt: der vorzeitige Abbruch des Schulbesuchs (Drop-Out). In Europa sind es jährlich durchschnittlich 18.5% der Jugendlichen, welche die Schule trotz der bestehenden zer Studie von Eckmann-Saillant et al. (1994) geht man hierzulande von 5% aus (Stamm, 2012, S. 25). Die Reduktion dieser Schulabbrüche stellt eine Herausforderung für das Schweizer Bildungssystem dar, denn es gilt einerseits die Qualität der Schulen sowie die Zukunft der Jugendlichen zu sichern. anschliessend, aufbauend auf den theoretischen Grundlagen, das Phänomen erläutert. Im weiteren Verlauf sollen Erklärungsmuster aufgezeigt werden. Weiter wird der Frage nachgegangen, was denn mit den so genannten Drop-Outs, den Schülerinnen und Schülern, welche die Schule frühzeitig abgebrochen haben, passiert. Abschliessend werden aktuelle empirische Erkenntnisse von Stamm (2012) zusammengefasst und in Zusammenhang mit dem empirischen Teil dieser Arbeit gebracht. Unter Drop-Out versteht man grundsätzlich den vorzeitigen Abbruch des obligatorischen Schulbesuchs (vgl. Stamm, 2012, S. 25, Ricking/Schulze/Wittrock, 2009 S. 24). Der Drop-Out stellt somit ein «desintegratives Verhalten dar, das in der letzten Phase der Schulzeit zumeist nach einer längeren Phase der Distanzierung auftritt» (Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S. 24). In der aktuellen Forschung werden zwei Formen des Drop-Outs unterschieden (vgl. Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S. 24): ohne Abschluss die Schule verlassen» (Stamm, 2012, S. 31). Viele Jugendliche, die die Schule vorzeitig verlassen, sind durch Schulversagenserlebnisse belastet und zeigen Merkmale von Schulaversion und Schuldistanz auf (vgl. Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S. 24f). somit das Risiko ein, ohne Schulabschluss da zu stehen und auf dem Arbeitsmarkt auf erschwerte Bedingungen zu stossen. Diese Schülerinnen und Schüler weisen meist deutliche Probleme auf, den schulischen Anforderungen, sei es sozial oder im Bereich der schulischen Leistungen, zu genügen. Der Schulabbruch ist also eine Folge des Zusammenspiels zwischen persönlichen Eigenschaften und Umweltbedingungen (vgl. Ricking/Schulze, 2012, S. 15). In der Entwicklung vom anfänglich schulmeidenden Verhalten bis hin zum Schulabbruch sind diverse rin wie beispielsweise Schulversagen, Lernbeeinträchtigungen, Schwierigkeiten, sich sozial zu integrieren, familialer Interaktions- und Lebensbedingungen (instabile Familienverhätlnise, wenig Unterstützung und THEORETISCHER TEIL Aufsicht, Armut), schulischer Rahmen und Einbindung (negatives Schulklima, kaum oder ungenügende Unterstützungs- und Förderangebote) und Wirkungszusammenhänge, die von Gleichaltrigen ausgehen (vgl. Hammod et al., 2007; Beekhoven/Dekkers, 2005, in Ricking/Schulze, 2012, S. 15f). Durch den Eintritt in die Schule werden die Kinder mit neuen Herausforderungen konfrontiert und es werden zunehmend Erwartungen an sie gestellt: Hausaufgaben machen, gute schulischen Leistungen bringen, dem Leistungsdruck genügen und sich sozial eingliedern. Mit zunehmendem Alter und höherer Schulstufe steigt auch der Druck auf die Schülerinnen und Schüler. Insbesondere Kinder, die aus bildungsfernen Familien stammen, haben Mühe, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen und den Anforderungen zu genügen. Nicht selten äussern sich diese Adaptionsschwierigkeiten in einer «zunehmenden Distanzierung vom Unterricht und der Schule weg ggf. hin zu subjektiv interessanteren Situationen» (Ricking/Schulze, 2012, S. 16). Viele Jugendliche, die die Schule vorzeitig verlassen, sind durch Schulversagenserlebnisse belastet und zeigen Merkmale von Schulaversion und Schuldistanz (vgl. Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S. 24f). DropOut ist somit nicht als ein «situatives Ergebnis», sondern als ein «Entwicklungsergebnis, das in eine Lebensperspektive zu setzen ist», zu sehen (Ricking/Schulze, 2012, S. 16). Die untenstehende Abbildung zeigt eine modellhafte Entwicklung, wie es zu einem Drop-Out kommen könnte. Wichtig ist hierbei zu berücksichtigen, dass es eine Häufung und ein Zusammenspiel verschiedener Aspekte braucht, bis ein Schulabbruch eintritt. Oftmals ist ein Abbruch dadurch gekennzeichnet, dass «die entstehen und Leistungsprobleme kumulieren» (Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S. 25). Geringe soziale Kompetenz (Macht-) Lehrern Schulabsentismus Familie: wenig Aufsicht und Schulischer Misserfolg, Schulaversive Haltung Schule Reintegration Bildungsfernes Milieu außerschulische Situation Dropout Emotionale Entlastung «Befreiung» von Schule Option Arbeit und Verdienst Wenig Unterrichtsinteresse und -motivation Abbildung 2: Entwicklungsmodell bei Drop-Out, in: Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S.26 Oftmals wird den Kindern schon von zu Hause eine Grundhaltung gegenüber der Schule und dem Bildungssystem mitgegeben. Von dieser Haltung geprägt starten die Kinder ihre Schulkarriere mit bereits teilweise negativen Gefühlen. Vor allem Familien aus einem bildungsfernen Milieu sind der Schule kritisch ihren Familien kaum Unterstützung, führt dies zu einem Frustrationserlebnis und das Interesse gegenüber der Schule und die Motivation nehmen stetig ab. Der Lernrückstand wird immer grösser und eine aversive Haltung gegenüber der Schule beginnt sich zu verstärken. Auch eine geringe Sozialkompetenz kann zu einen Fluchtdruck, denn sie möchten die negativen Erlebnisse meiden und sehnen sich nach Anerkennung Kreislauf, der nur schwer zu durchbrechen ist. Ricking/Schulze (2012) sprechen von einer «Abwärtsspirale aus Leistungsversagen, geringer Selbstwirksamkeitserwartung und Demotivation» (Ricking/Schulze, 2012, THEORETISCHER TEIL S. 16). Neben den individuellen Faktoren der Jugendlichen können auch die Schule sowie die Lehrpersonen aktiv an einem Schulabbruch mitwirken. Ignorieren oder missachten Lehrkräfte bewusst die Bedürfnisse dieser Risikoschüler, führt dies zu einer Bestärkung ihres schulabsenten und schulaversiven Verhaltens. In der Literatur wird dabei vom so genannten «push-effect» gesprochen (Ricking/Schulze, 2012, S. 16). Neben dem push-effect gibt es auch den pull-effect. Hierunter zählt man die Bedingungen ausserhalb der Schule, welche die Jugendlichen von der Schule fernhalten. «Für Schüler mit Lern- und Verhaltensbeeinträchtigungen steigt das Risiko für Schulabsentismus und Schulabbruch deutlich an» (vgl. Stearns et al., 2007, zit. nach Ricking/Schulze, 2012, S.16). Ebenfalls in diese Risikogruppe fallen Schülerinnen und Schüler mit gesundheitlichen Problemen wie chronischen Erkrankungen, Suchtproblematiken oder mit Eltern, welche übernehmen müssen. Drop-Out kann für diese Jugendliche und ihre Zukunft schwerwiegende Folgen haben, denn der Weg ins soziale Abseits und in die Delinquenz ist naheliegend. Ricking/Schulze (2012) fassen die Zukunftsaussichten dieser Jugendlichen folgendermassen zusammen (Ricking/Schulze, 2012, S. 16): «Für den Einzelnen ergibt sich durch den Bildungsnachteil im Rahmen sozialer Ausgrenzung ein Leben mit geringer wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Teilhabe. Der sich oft schon früh anbahnende Weg der Desintegration zieht gesundRandständigkeit und Abhängigkeit vom sozialen Netz des Staates.» Drop-Outs unterscheiden sich nicht nur in den Gründen, aus denen es zu einem Schulabbruch kam, sondern auch in der Art und Weise des Ausstieges. Stamm hat in ihrer Langzeitstudie «Die Zukunft verlieren? Schulabbrecher in unserem Bildungssystem» folgendes herausgefunden: In rund 45% der Drop-Outs handelt es sich um einen klassischen Schulabbruch, 21.8% der Jugendlichen wurden von der Seite der Schule her ausgeschlossen, in 25% um einen als «Schulwechsel» und in 8.2% der Fälle als einen «Wechsel in eine Privatschule» kaschierten Abbruch (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S.99f). Dieser Ergebnisse lassen erkennen, dass es auch bezüglich der Art und Weise eines Ausstieges grosse Unterschiede gibt. Es scheint, als gäbe es den einen Grund für einen Schulabbruch ebenso wenig wie die eine Art und Weise, wie die Schule verlassen wird. Wie kann man sich in der Theorie erklären, dass Jugendliche die Schule verfrüht und ohne Abschluss verlassen? Diese Frage wird im folgenden Kapitel unter Einbezug theoretischer Erklärungsmuster zu beantworten versucht. Abbrüche, Ausstiege und Ausschlüsse werden als Formen abweichenden Verhaltens bezeichnet, was gegen die sozialen Normen verstösst (vgl. Stamm, 2012, S.47). Um sich ein solches Verhalten zu erklären, bedarf es verschiedener Theorien. Stamm (2012) verweist im Zusammenhang mit der Problematik des Drop-Out auf die soziale Kontrolltheorie, die Anomietheorie sowie die Etikettierungstheorie als grundlegende Erklärungsansätze. Soziale Kontrolltheorie Der Ansatz der sozialen Kontrolltheorie geht auf Hirschi (1969) zurück. Abweichendes Verhalten wird damit begründet, dass ein Mensch wenig Bindung an die Gesellschaft sowie Familie, Freunde und Schule hat, welche eigentlich dazu da wären, ihm Werte zu vermitteln und eine soziale Kontrolle auf ihn auszuüben (zit. nach Stamm, 2012, S. 47). Durch verschiedene Kontrollmechanismen wie beispielsweise soziale Werte versucht die Gesellschaft, die Einhaltung der sozialen Normen zu gewährleisten. Fehlt aber einem Individuum diese Bindung, verspürt dieser Mensch die ständige Motivation zu abweichendem Verhalten und verfügt über keine Mechanismen, die ihn von diesem abhalten würden (vgl. Stamm, 2012). In der THEORETISCHER TEIL sozialen Kontrolltheorie von Hirschi (1969) werden vier Bindungstypen an die gesellschaftliche Struktur unterschieden (Stamm, 2012, S.47): • • • • die emotionale Bindung an Bezugspersonen (Attachement) die Investition in Lebensziele und Laufbahn (Commitment) die Integration in institutionalisierte Aktivitäten (Involvement) das Ausmass der Internalisierung von Werthaltungen (Beliefs) Laut der sozialen Kontrolltheorie tendieren also sozial gut eingebundene, interessierte und engagierte Jugendliche weniger zu sozial abweichendem Verhalten als kaum oder schlecht in ihr gesellschaftliches die Beziehung der Kinder zur Schule und auf die soziale Einbindung jener im schulischen Umfeld. Das Verhältnis zum schulischen Kontext ist wiederum entscheidend dafür, wie intensiv sich ein Kind mit der auszusteigen. Anomietheorie Eine weitere Theorie, die nach Erklärungen für abweichendes Verhalten sucht, ist die Anomietheorie. Im Gegensatz zur sozialen Kontrolltheorie sucht die Anomietheorie nach gesellschaftlichen Gründen, die bei einem Individuum ein abweichendes Verhalten hervorrufen können (vgl. Stamm, 2012). Merton (1968) erklärt dieses Verhalten «als Folge der Differenz von kulturellen Zielen (wie Wohlstand und soziale Anerkennung) und den Mitteln, wie diese Ziele erreicht werden können (wie etwas Bildungschancen oder Schulabschlüsse)» (zit. nach Stamm, 2012, S. 48). Merton (1968) geht davon aus, dass die gesellschaftliche Position, welche eine Person einnimmt, der Schlüssel ist und diese Zugänge reguliert. Wird ein bestimmtes Ziel angestrebt, ohne dass die betreffende Person über die dazu benötigten Mittel verfügt, wird sie früher oder später nach anderen Wegen suchen, um die gewünschte gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung zu erlangen. In der Anomietheorie werden von Merton fünf verschiedene Reaktionsformen von Menschen auf anomische Zustände unterschieden: Konformität, Innovation, Rituale, sozialer Rückzug und Rebellion (Stamm, 2012, S. 48). Betrachtet man einem Schulabbruch aus dem Standpunkt der Anomietheorie, so kann gesagt werden, dass Drop-Out so etwas wie eine «sozio-ökonomische Mangelerscheinung» ist (Stamm, 2012, S. 48). Jeder/jede Jugendliche hat Ziele in seinem/ihrem Leben, die erreicht werden ökonomischer Wohlstand. Einigen Jugendlichen gelingt es nicht, diese Ziele auf legale Art und Weise zu erreichen und versuchen deshalb, die gewünschte Bestätigung im ausserschulischen Umfeld zu erreichen. Ansehen wird oftmals durch den Zeitvertreib mit den Peers angestrebt und ökonomischer Wohlstand kann über kleinere, nicht selten illegale Tätigkeiten erreicht werden. Der dadurch zunehmende Rückzug aus dem schulischen Umfeld bewirkt auch, dass sich die betroffenen Jugendlichen sozial wie auch emotional von der Schule distanzieren, was die Wahrscheinlichkeit eines Schulausstiegs erhöhen kann (vgl. Stamm, 2012). Die Etikettierungstheorie ist in der Wissenschaft auch unter dem Begriff Labeling Approach bekannt und prozesse (Stamm, 2012, S. 49). Dadurch, dass gesellschaftliche Normen bestehen, wird deviantes Verhalten überhaut erst erzeugt. Devianz ist also das Resultat unserer Normvorstellungen. Stamm (2012) erklärt, dass in der Etikettierungstheorie zwischen primärer und sekundärer Devianz unterschieden wird. Unter primärer Devianz wird abweichendes Verhalten zusammengefasst, das zum ersten Mal auftritt. Sekundäre Devianz entsteht «aus der Reaktion und den Etikettierungen seitens der sozialen Umwelt» (Stamm, 2012, S. 49). Die Etikettierungstheorie befasst sich vorwiegend mit der sekundären Devianz. THEORETISCHER TEIL Im Zusammenhang mit schulabsentem Verhalten und Drop-Out würde Schulschwänzen somit in den Bereich der primären Devianz fallen. Durch die Stigmatisierung als Schulschwänzer oder Problemschüler wird der/die betroffene Jugendliche nun dazu gedrängt, sein/ihr abweichendes Verhalten zu verstärken, sich vermehrt aus der Schule zurück zu ziehen und eventuell zu einem Schulabbruch animiert werden (vgl. Stamm, 2012). ben und dass kaum ein Schüler oder eine Schülerin als Schulschwänzer/Schulschwänzerin oder als Schulabbrecher/Schulabbrecherin geboren wird, sondern sich schleichend, durch positive Verstärkung seitens der Gesellschaft, zu solchen entwickelt. Diese drei Theorieansätze unterstreichen, wie komplex das Ursachen-Wirkungsgefüge ist und wie vielseitig die Gründe für einen Schulabbruch sind. In der Forschung werden neben den oben genannten Theorieansätzen auch Erklärungsansätze aus der institutionellen sowie der individuellen Perspektive beigezogen. Im folgenden Abschnitt wird auf die Ursachen und Hintergründe dieser zwei Perspektiven eingegangen und versucht, die Frage nach den Motiven für Schulabbrüche zu beantworten. In der sozialwissenschaftlichen Drop-Out-Forschung sind zwei Ansätze zur Erklärung von Schulabbrüchen verbreitet: die individuelle sowie die institutionelle Perspektive (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 107). Das Augenmerk wird jedoch vorwiegend auf die individuelle Perspektive gelegt. Dieser Ansatz vertritt die Ansicht, dass die Verantwortung in der Entscheidung zum Schulabbruch vorwiegend bei den betroffenen Jugendlichen sowie der Familie liegt. Drop-Out wird als ein «weitgehend freiwilligen Akt indisätzlich lassen sich die Ursachen fünf Kategorien zuordnen (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 106): • sozialer Hintergrund: sozioökonomische Herkunft, Migrationsstatus, • Familienmerkmale: zerrüttete Familienverhältnisse, fehlender oder nachlässiger Bezug der Eltern zur Schule sowie ein autoritärer oder permissiver Erziehungsstil Schulleistungen: kognitive Fähigkeiten, Schulnoten Persönliche und soziale Anpassungsschwierigkeiten: geringe Leistungsmotivation, Disziplin- und Delinquenzprobleme, Schulschwänzen Peers: ähnlich gesinnte Gleichaltrige, Aussenseiter • • • jedoch darin, dass es sich bei Drop-Out um einen «multifaktoriellen Zusammenhangskomplex» handelt ten sowie die kognitiven Fähigkeiten. Unter den Schülerinnen und Schüler, welche die Schule abgebrochen haben, sind mehr Jugendliche mit schlechten als mit guten Schulleistungen vertreten (vgl. Traag & van der Velden, 2006, zit. nach Stamm, 2012, S. 37). Auch Jugendliche, welche eine diskontinuierliche Schullaufbahn durchlaufen haben (Versetzung, Wiederholung einer Klasse), gehören zur Risikogruppe der potentiellen Schulabbrecher. Rumberger (1995) stellt fest, dass solche Kinder und Jugendliche im Vergleich zu nicht versetzten Schülerinnen und Schülern ein viermal höheres Risiko zum Schulabbruch aufweisen als diejenigen, welche eine normale, geregelte Schullaufbahn absolviert haben (vgl. Stamm, 2012). THEORETISCHER TEIL Grundsätzlich kann man sagen, dass Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher die Schule negativer wahrnehmen als die anderen Jugendlichen, welche ihre Schulzeit normal durchlaufen. Vor diesem Hintergrund ist es also nicht erstaunlich, dass Drop-Outs vor ihrem Schulabgang immer wieder die Schule geschwänzt haben (vgl. Stamm, 2012). Schulschwänzen kann als ein deviantes Verhalten angesehen werden. Zu diesem von der Norm abweichenden Verhalten werden im Bezug auf Drop-Outs grundsätzlich schulaversives, asoziales, selbstverletzendes und delinquentes Verhalten gezählt. Jugendlichen mit einem devianten Verhalten weisen ein bis zu 17-fach erhöhtes Drop-Out-Risiko auf (vgl. Glueck zit. nach Stamm, 2012, S. 38). Weitere wichtige Faktoren sind der sozio-ökonomische Hintergrund sowie die Familie der Jugendlichen. Vor allem in ihrer sozialen Herkunft unterscheiden sich Drop-Outs von den Gleichaltrigen. Stamm (2012) fasst die Erkenntnisse aus der Forschung wie folgt zusammen: «Wenngleich Schulabbrecher aus allen Schichten stammen, sind Jugendliche, deren Eltern dem Arbeitermilieu angehören, tiefere Schulbildung Im Gegensatz zur individuellen Perspektive geht die institutionelle Perspektive davon aus, dass verschiedene Faktoren im direkten schulischen Umfeld und der Schule selbst ein Drop-Out-Verhalten bei Schülerinnen und Schülern hervorrufen, verstärken oder im Optimalfall auch mindern können (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012). Die Ursachen sind somit nicht primär bei den Jugendlichen selbst zu suchen, sondern bei Institutionen. Strukturelle Merkmale von Schulen, schulische Normen, Werte und Regeln, die grössen der institutionellen Perspektive (vgl. Stamm, 2012). Die Forschungsergebnisse zur institutionellen Perspektive belegen, dass sich Schulen einerseits in ihrer Struktur unterscheiden und dadurch einen SchulSchülerinnen und Schülern umgehen. So werden Regeln, Standards und Vorgehensweisen im Prozess der und gehandhabt. Die Institution Schule ist an sich nicht grundlegend für das Scheitern einer Schülerin oder Schule bleiben oder sie verlassen, als auch, ob sie Abbrüche geschehen lassen wollen oder nicht.» (Stamm, 2012, S. 46). Auch aus der Langzeitstudie von Stamm resultiert, dass sich ein Schulabbruch als «multifaktorieller Komplex aus individuellen und institutionellen Merkmalen» erweist (Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S.110). So werden wohl bei einigen Jugendlichen die institutionellen Merkmale einen wesentlich grösseren EinPeers oder familiäres Umfeld mehr zum Tragen kam. Alle schulabbrechenden Jugendlichen haben ihre eigene Entwicklungsgeschichte, die sich in gewissen Bereichen überschneiden können, deren Motive aber unterschiedlich zu gewichten sind. 2.3.3 Drop-outs: Was wird aus ihnen? Dieser Abschnitt befasst sich mit der Zukunft der Jugendlichen, welche die Schule abgebrochen habe. Es wird auf aktuelle Studien Bezug genommen und einige Resultate aufgezeigt. Ein Schulabbruch bringt eine grosse Veränderung in das Leben eines/einer Jugendlichen und seiner/ihrer Familie. Die bisher bekannte Tagesstruktur fehlt, niemand nimmt ihn/sie in die Verantwortung, kein Lehrer fordert etwas von den Jugendlichen und sie werden aus dem ihnen bisher bekannten, vertrauten Rahmen herausgenommen. Doch ein Schulabbruch muss nicht immer in sozialer Abschottung oder in der Arbeitslosigkeit enden. Es gibt Jugendliche, die nach einem Drop-Out in die Schule zurückkehren, um den Schulabschluss nachzuholen oder direkt in eine Berufsausbildung einsteigen (vgl. Chib/Jacobi, 2011, zit. nach Stamm, 2012, S.51). Man schätzt, dass rund 60% der Drop-Outs den Schulabschluss nachholen (vgl. Stamm, 2012). In der Forschung ist dieses Themenfeld jedoch leider noch sehr wenig erforscht und THEORETISCHER TEIL es gibt kaum Studien darüber, wie viele Schulabbrecher oder Schulabbrecherinnen einen Schulabschluss nachgeholt, welche direkt eine Ausbildungsstelle gefunden oder welche den Wiedereinstieg nicht geschafft haben. Stamm (2012) erklärt sich diese Tatsache damit, dass viele Länder über eine ungenügende Datenbasis bezüglich Drop-Outs verfügen, da diese nur schwer zu erreichen sind. In den USA sind jedoch einige Studien im Gang, welche die Anzahl der Wiedereinsteiger und Wiedereinsteigerinnen untersuchen. Im deutschsprachigen Raum existiert lediglich eine Studie von Stamm/Holzinger/Suter/Stroezel (2011) die eine Rückkehrrate von 66% ermittelte (Stamm, 2012, S. 51). 2.3.4 Drop-Outs: eine Typologie Stamm hat in ihrer Langzeitstudie «Die Zukunft verlieren? Schulabbrecher in unserem Bildungssystem» eine Drop-Out-Typologie entwickelt. Es entstanden insgesamt fünf Typen von Schulabbrechern und Schulabbrecherinnen, welche im folgenden Abschnitt erläutert werden (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S.110f). Schulmüde Drop-Outs charakterisieren sich durch eine ausgeprägte Schulmüdigkeit. In den meisten Fällen resultiert diese aus einer negativen Schüler-Lehrer-Beziehung und aus hohen Erwartungen seitens der Eltern. Für die Jugendlichen ist die Situation sehr belastend, da einerseits der Umgang in der Schule mit den Lehrpersonen als negativ erlebt wird und andererseits der Druck der Eltern auf ihnen lastet. Nicht selten zeigen diese Jugendlichen ein schulaversives Verhalten, da sie die Schule als sehr belastend erleben. Ein statt (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 110). In der Studie von Stamm gehörten rund 30% der befragten Jugendlichen diesem Typus an. Gemobbte «Dieser 2012, S. 110). Oftmals beginnt das schuldistanzierte Verhalten dieser Jugendlichen in der Primarschule, wenn sie von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern gehänselt werden. Dies zieht sich meist durch die ganze Schulzeit. Das dadurch entstehende schlechte Schulklima, die belastete Zusammenarbeit mit den Klassenkameradinnen und -kameraden, die Ausgrenzung aus der Klassengemeinschaft, Angstzustände sowie persönliche Motivationsprobleme sind die Hauptgründe für einen Schulabbruch. Weil sie sich als Mobbingopfer fühlen, brechen sie, meist eigeninitiiert, aber mit Unterstützung der Eltern, die Schule ab. Rund 16% der befragten Jugendlichen gehörten zu den Gemobbten (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 110f). Ausgeprägte familiäre Probleme, die starke psychische Auswirkungen auf die Jugendlichen haben, gehören zu den Kennzeichen dieses Typus, welchem rund 18% angehören. Nicht selten verunmöglicht diese psychische Belastung einen Schulerfolg und das Genügen an die schulischen Anforderungen. Die «Zergliederung der Familie» stellt das eigentliche Problem dieser Jugendlichen dar (Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 111). Die Trennung oder Scheidung der Eltern, der Verlust eines Familienmitgliedes oder auch häusliche Gewalt können Gründe für die familiäre Zergliederung sein. In der Schule fühlen sich Jugendliche des Typus familiär Belastete zu Beginn meist wohl. Doch durch die schulischen Misserfolge und das Nicht-Genügen an die gestellten Anforderungen und dadurch entstehende Überforderungsgefühle entstehen negative Gefühle gegenüber der Schule. Der Schulabbruch, meist in Form einer Fremdplatzierung, wird oftmals durch eine Fachperson aufgrund der belastenden Situation initiiert (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 110). THEORETISCHER TEIL Delinquente Zu den Delinquenten zählen Jugendliche mit abweichendem Verhalten sowie hohem Aggressionspotential. «Der Konsum sowie der Verkauf illegaler Drogen, Körperverletzung und Diebstähle, insbesondere auch in der Schule, sind keine Seltenheit. Die problematische Vorgeschichte beginnt in der Regel bereits in der frühen Kindheit in Form aggressiven und rebellischen Verhaltens, das sind dann in der Schule als Unterrichtsstörungen, Disziplinprobleme, Schulschwänzen und Schlägereien aber auch Respektlosigkeit gegenüber Erwachsenen fortsetzt.» (Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 111). Die Abneigung und auch das schuldistanzierte Verhalten dieser Jugendliche nimmt von Jahr zu Jahr zu. Der Schulabbruch ist somit der letzte Akt in einer langen Abwärtsspirale negativer Verhaltensweisen seitens des Jugendlichen. Stamm zählt rund 16% der Drop-Outs zu den Delinquenten (vgl. Stamm in Ricking/ Schulze, 2012, S. 111). 20% der Drop-Outs können zu den Hängern gezählt werden. Diese Jugendlichen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Zeit lieber ausserhalb der Schule verbringen. Oftmals «hängen» sie in der neu gewonnenen Freizeit mit ihren Freunden herum und konsumieren Alkohol sowie Cannabis. Bei ihren Peers sind sie beliebt und nicht selten Anführer einer Clique. In der Schule fallen sie durch Disziplinarprobleme negativ auf. Ihr schulaversives Verhalten zeigt sich vor allem im Schulschwänzen. In ihrem Fall ist es meist die Schule, welche die Abbruchentscheidung trifft und die Jugendlichem einem Time-Out zuweist (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 111). FORSCHUNGSFRAGEN 3. Forschungsfragen Zu Beginn dieser Arbeit wurden Fragestellungen erarbeitet, welche grundlegend für den theoretischen sowie den empirischen Teil sind. Nachfolgend werden ebendiese Forschungsfragen präsentiert und kurz erläutert. 3.1 Forschungsfrage 1 Die Forschungsfrage 1 gilt als die übergeordnete Fragestellung dieser Arbeit. An einem Schulabbruch sind zwei Hauptakteure beteiligt: zum einen die betroffenen Schülerinnen und Schüler und zum anderen die Lehrperson. Beide Akteure sollen in der übergeordneten Fragestellung berücksichtig werden: Wie wird ein Schulabbruch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen erlebt? Ein Schulabbruch wird von den Lehrpersonen und den Jugendlichen unterschiedlich erlebt. Das subjektive Zusammenhang wurde folgende Hypothese formuliert: Lehrpersonen nehmen einen Schulabbruch negativer wahr als die betroffenen Jugendlichen. Nebst der übergeordneten Fragestellung wird im empirischen Teil dieser Arbeit auch noch zwei weiteren Fragestellungen nachgegangen. Während die erste Fragestellung vorwiegend das Erleben eines Schulabbruchs dokumentiert, geht die zweite Fragestellung den Ursachen eines Schulabbruchs auf den Grund. Die dritte Fragestellung befasst sich mit den von Stamm (2012) erstellten Drop-Out-Typologien und vergleicht diese mit den erhobenen Stichproben. 3.2 Forschungsfrage 2 Wie erklären sich Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen einen Schulabbruch? Stamm (2012) beschreibt, dass einem Schulabbruch unterschiedliche Ursachen zu Grunde liegen (vgl. Kapitel 2.3.2). Da verschiedene Bedingungsfaktoren ursächlich für einen Drop-Out sind, entstand entsprechende Hypothese: Der ausschlaggebende Faktor für einen Schulabbruch ist die Beziehung zwischen dem/der Jugendlichen und der Lehrperson. FORSCHUNGSFRAGEN 3.3 Forschungsfrage 3 Die dritte Forschungsfrage befasst sich mit den Drop-Out-Typologien von Stamm (2012). Stamm hat im Rahmen ihrer Langzeitstudie «Die Zukunft verlieren? Schulabbrecher in unseren Bildungssystem» Typologien von Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher entwickelt (vgl. Kapitel 2.3.4). Entsprechen die Jugendlichen den Drop-Out-Typologien von Stamm? Wenn ja, wo liegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede? Im Sinne der dritten Forschungsfrage gilt dementsprechend folgende Hypothese: Die drei Jugendlichen sind eindeutig den von Stamm festgelegten Typologien zuzuordnen. 4. Empirischer Teil In diesem Teil der Arbeit wird der forschungsmethodische Ansatz erläutert. Es wird hierbei auf die Grundlagen der qualitativen Forschung eingegangen, das Leitfadeninterview als Datenerhebungsinstrument und das wissenschaftliche Vorgehen erklärt. 4.1. Qualitative Forschungsmethode quantitative und die qualitative Inhaltsanalyse. Während die quantitative Forschungsmethode auf ein hohes Mass an Standardisierung der Datenerhebung angewiesen ist (vgl. Flick et al., 2000, S. 25) und den Anspruch erhebt, vorangestellte Theorien und Hypothesen zu prüfen (vgl. Atteslander, 2010, S. 76), hat sich die qualitative Forschung zum Ziel gesetzt, «Lebenswelten ‹von innen heraus› aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben» (Flick et al., 2000, S. 14). Zentral in der qualitativen Forschung ist die Annahme, dass soziale Akteure handelnde Akteure sind. Sie geben bestimmten Objekten eine Bedeutung, handeln nicht immer nach den vorgegebenen Normen und Regeln, sondern interpretieren ihre soziale Umgebung und konstruieren sich eine eigene Wirklichkeit (vgl. Atteslander, 2010, S. 77). Folgende Forschungsprinzipien gelten als gemeinsame Basis der qualitativen Forschungsmethoden (vgl. Atteslander, 2010, S. 77f): I. II. Offenheit Prozesscharakter von Gegenstand und Forschung IV. V. VI. Explikation des Vorgehens Forschung ist Kommunikation Problemorientierung Das Prinzip der (I) Offenheit garantiert, dass der Untersuchungsgegenstand und nicht zuvor entwickelte Theorien oder Hypothesen die Forschung bestimmen. Er ist ausschlaggebend für den Forschungsablauf, (vgl. Atteslander, 2010, S. 77). Soziale Akteure interpretieren ihre Umwelt ständig und gestalten daraus ihre persönliche Wirklichkeit. Um das Ziel der qualitativen Sozialforschung, eben diese Prozesse zu erfassen, zu gewährleisten, gilt das Prinzip (II) des Prozesscharakters von Gegenstand und Forschung. «Empirische Sozialforschung bildet […] nicht einfach objektive Realität ab, sondern rekonstruiert Konstitutionsprozesse sozialer Realität» (Atteslander, 2010, S. 77). Hypothesen und Theorien werden während des laufenden Forschungsprozesses gebildet. Die Wahl der Methode, der Untersuchungspersonen und auch die Formulierung von Thesen werden ständig (III) und verläuft parallel. Durch die (IV) Explikation des Vorgehens werden theoretisches Vorwissen offen gelegt, die einzelnen Forschungsschritte dokumentiert sowie die Interpretationen der Daten ermöglicht. Interviews sind Kommunikationssituationen, die nach bestimmtem Regeln ablaufen. (V) Forschung ist Kommunikation meint, dass in der qualitativen Sozialforschung ein Zusammenspiel zwischen den Alltagstheorien und wissenschaftlichen Aussagen unterstellt wird (vgl. Atteslander, 2010, S. 78). Durch die (VI) Problemorientierung formuliert und das Forschungsfeld abgegrenzt. Der Forscher oder die Forscherin greift dabei auf von ihm wahrgenommene Probleme der Gesellschaft zurück und verbindet diese mit aktueller Theorie. Wichtig dabei ist das Verfolgen eines kritischen und praktischen Erkenntnisziels und nicht die Theorieüberprüfung (vgl. Atteslander, 2010, S. 78). Ein Schwerpunkt der qualitativen Sozialforschung ist die Inhaltsanalyse. Ziel der Inhaltanalyse ist es, aus Kommunikationssituationen gewonnenes Material zu analysieren (vgl. Mayring, 2010, S. 11). Hierbei wird dem Kategoriensystem eine zentrale Bedeutung zugeschrieben. Zur Auswertung des erhobenen Materials werden Kategorien entwickelt, denen die Aussagen der Interviewpartner zugeordnet und anschliessend interpretiert werden. Es werden zwei Ansätze unterschieden: die deduktive und die induktive Kategori- dem gewonnenen Datenmaterial ab, ohne sich auf Theoriekonzepte zu stützen (vgl. Mayring, 2010, S. 83). In Anbetracht der vorhandenen Forschungsliteratur wurde in dieser Arbeit deduktiv vorgegangen. Folgende Kriterien muss ein Kategoriensystem erfüllen (vgl. Mayring, 2010, S. 104): • • • • • Das Kategoriensystem muss aus den Untersuchungshypothesen theoretisch abgeleitet sein. Die Kategorien eines Kategoriensystems müssen voneinander unabhängig sein. Die Ausprägungen jeder Kategorie müssen vollständig sein. Die Ausprägungen jeder Kategorie müssen wechselseitig exklusiv sein, sie dürfen sich nicht überschneiden und müssen trennscharf sein. Die Ausprägungen jeder Kategorie müssen nach einer Dimension ausgerichtet sein. Die Festlegung der Kategorien dient als Selektionskriterium für den weiteren Verlauf der Interpretation. So kann Unwichtiges, Ausschmückendes und vom Thema Abweichendes bereits aussortiert werden. Durch die Technik der Strukturierung kann eine gewisse Struktur an das Material herangetragen werden (vgl. Mayring, 2010, S. 92). Passende Textbestandteile aus dem Datenmaterial werden aus dem Material systematisch extrahiert und den Kategorien zugeteilt. Wurden die Kriterien festgelegt, gilt es, das gewonnene Material Zeile für Zeile durch zu arbeiten. Anhand eines Probedurchlaufes wird geprüft, ob die bestehenden Kategorien greifen, ob eindeutige Zuteilungen möglich sind. Dies ist auch bei der deduktiven Vorgehensweise sinnvoll. Zur Erhebung von Daten stehen dem Forscher oder der Forscherin verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: die Beobachtung, die Befragung und das Experiment, um hier einige Beispiele zu nennen (vgl. Atteslander, 2010). 4.2 Das Leitfadeninterview Bei einem Leitfadeninterview werden die Personen anhand von Leitfaden befragt (vgl. Atteslander, 2010). Die befragte Person hat dadurch die Möglichkeit, offen und in eigenen Worten auf die Fragen zu antworten (vgl. Kleemann et al., 2009, S. 208). Ein Leitfadeninterview kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn es darum geht, besondere «individuelle Erfahrungen zu eruieren», setzt jedoch eine hohe Bereitschaft des Befragten voraus (Atteslander, 2010, S. 142). Der Leitfaden bringt die Vorteile mit sich, dass durch ihn einerseits die Vergleichbarkeit der Daten erhöht wird und andererseits das Gespräch an Struktur gewinnt (vgl. Mayer, 2008, S. 37). Die Rolle der interview- ten Person ist bei dieser Art von Interview nicht zu unterschätzen. Atteslander (2010) (zit. nach Friedrichs, 1973, S. 227) unterstreicht, wie wesentlich die Fähigkeit des Forschers/der Forscherin ist, zentrale Fragen im geeigneten Moment zu stellen und die Diskussion auszuweiten. Wichtig ist dabei, in allen Gesprächen bestimmte, zuvor festgelegte Schlüsselfragen zu stellen. Es liegt demzufolge bei der befragten Person durch Nachfragen weitere Informationen einzufordern oder aber zum ursprünglichen Leitfaden mithilfe der Schlüsselfragen zurück zu kehren (vgl. Mayer, 2008, S.37). «Diese Einzelentscheidungen, die nur in der Interviewsituation selbst getroffen werden können, verlangen vom Interviewer ein grosses Mass an Sensibilität in den konkreten Interviewverlauf und für den Interviewten. Darüber hinaus verlangen sie ein grosses Mass an Überblick über das bereits Gesagte und seine Relevanz für die Fragestellung der Untersuchung. Dabei ist eine permanente Vermittlung zwischen dem Interviewverlauf und dem Leitfaden notwendig.» (Flick et al. zit. nach Mayer, 2008, S. 37) Um einen sinnvollen Leitfaden zu entwerfen, muss dieser einigen Anforderungen entsprechen. Hierbei kann man sich an folgenden Punkten von Helfferich (2011) orientieren (vgl. Helfferich, 2011, S. 180): • • • • • • Ein Leitfaden muss Offenheit ermöglichen und den Grundprinzipien der qualitativen Forschung gerecht werden. Seine Struktur soll übersichtlich und gut zu handhaben sein, um den Blick des Interviewers nicht ständig an den Leitfaden zu heften. Er darf nicht zu viele Fragen enthalten. Am Anfang sollen Fragen gestellt werden, welche ausführlichere Antworten erwarten; er soll nicht zu abrupten Sprüngen und Themenwechseln zwingen. Es dürfen keine Fragen abgelesen werden. Er soll den Interviewer nicht daran hindern, nachzufragen oder Fragen zu stellen, welche über den Leitfaden hinausgehen, abzublocken. Oftmals eignen sich offene Fragen für ein Leitfadeninterview, da die Antworten des/der Befragten nicht in ein vorgegebenes Schema eingeordnet werden müssen sondern vielmehr «in der vom Befragten gebrauchten Formulierung und mit den von ihm erwähnten Fakten […] aber auch seine Bedeutungsstrukturierungen, aufmöglich, so strukturiert wie aufgrund des Forschungsinteresses notwendig» sein (Helfferich, 2011, S. 181). 4.3 Forschungsprozess und Forschungsverfahren In der empirischen Sozialforschung gelten generell die gleichen Regeln. Der Forschungsablauf lässt sich in fünf Phasen gliedern: Problembenennung, Gegenstandsbenennung, Durchführung, Analyse und Verwendung. (vgl. Atteslander, 2010, S. 21ff). Folgende Abbildung zeigt die Phasen des Forschungsablaufs: I II Problembenennung IV III Gegenstandsbenennung V Analyse Auswertungsverfahren Abbildung 3: Phasen des Forschungsablaufs (in: Atteslander, 2010, S. 21) Verwendung von Ergebnissen Durchführung Anwendung von Forschungsmethoden Unter der Problembenennung wird die «Formulierung sozialer Probleme in Form wissenschaftlicher Fragestellungen» verstanden (Atteslander, 2010, S. 22). Die weiteren, einzelnen Phasen sind gekennzeichnet durch vorgegebene Strukturen und Methoden. In den folgenden Abschnitten wird der Forschungsablauf dieser Arbeit erläutert. 4.3.1 Forschungsablauf Folgende Schritte wurden im Rahmen dieser Untersuchung durchlaufen: 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) Problem- und Gegenstandsbenennung Formulierung des Forschungsinteresses Erarbeitung der Theorie mit Hilfe bestehender Forschungsliteratur Entwicklung eines Interviewleitfadens mit Einbezug der Theorie sowie Entwicklung eines Kategoriensystems Suche und Anfrage von geeigneten Jugendlichen und deren Lehrpersonen Durchführung der Interviews Transkription der durchgeführten Interviews Codierung des erhobenen Materials mittels MAXQDA Auswertung und Diskussion der durchgeführten Interviews in Bezug auf die Forschungsfragen Im Rahmen dieser Arbeit wurden drei Jugendliche sowie eine ihrer damaligen Lehrpersonen interviewt. Eine grössere Stichprobe wäre auf jeden Fall interessant und sinnvoll, jedoch war dies im Anbetracht der Rahmenbedingungen nicht möglich. Die Stichprobe Schulzeit abgebrochen haben, sowie eine ihrer Lehrpersonen, interviewt. Zwei der Jugendlichen wurden ziellen Schuljahr ausgeschlossen wurden. Der dritte wurde aus der Regelschule ausgeschlossen, nachdem das schulische Time-Out fehlgeschlagen war. Bei den befragten Lehrpersonen handelte es sich einerseits um eine ehemalige Klassenlehrperson und in den beiden anderen Fächern und die Schulleitung, welche die betroffenen Schüler aber in mehreren Fächern unterrichtet hatte. Folgende Kriterien dienten zur Auswahl der Jugendlichen: • Die Lernenden besuchten eine Volksschule im Kanton Zürich. • aus der Schule ausgeschlossen. Die Jugendlichen nehmen freiwillig am Interview teil und sind bereit, ihre Geschichte zu erzählen. Folgende Kriterien dienten zur Auswahl der Lehrpersonen: • • • Die Lehrperson unterrichtet an einer Volksschule im Kanton Zürich. Es handelt sich entweder um die ehemalige Klassenlehrperson oder um eine Fachlehrperson, die den Jugendlichen in mindestens einem Fach unterrichtete. Die Lehrpersonen nehmen freiwillig am Interview teil und sind bereit, ihre Geschichte zu erzählen. Um an die Jugendlichen zu kommen richtete ich mich an die Schulleitung zweier Schulen, mit welchen ich bereits im Voraus Kontakt hatte. Sie informierten die Jugendlichen über mein Vorhaben und gaben mit ihrem Einverständnis die Kontaktdaten an mich weiter. Anschliessend setzte ich mich mit den Jugendlichen in Verbindung, erklärte ihnen meine Situation und wir vereinbarten einen Interviewtermin an einem ihnen günstigen Ort. Im Rahmen des Interviews erfuhr ich die Namen der ehemaligen Lehrpersonen. Darauf meldete ich mich bei der Schulleitung und bat um die Kontaktdaten der jeweiligen Lehrperson, damit ich mich mit ihnen in Verbindung setzen konnte. In zwei Fällen war es so, dass die Jugendlichen in zwei Fächern von der Schulleitung unterrichtet wurden, was mir mein Vorhaben sehr erleichterte und einen weiteren Schritt der Kontaktaufnahme erliess. Die Jugendlichen sowie die Lehrpersonen werden nachfolgend tabellarisch vorgestellt. Bei den Jugendlichen werden die Kategorien Geschlecht (m/w), das Schulhaus (1/2), die Klasse sowie der Zeitpunkt des Schulausschlusses in Betracht gezogen. Interview Jugendlicher, Schulhaus (1/2) Klasse 1 J1_m_1 Sek B Dezember/Januar der 3. Sek 2 J2_m_2 Kleinklasse im Verlauf der 3. Sek 3 J3_m_2 Kleinklasse Zwei Wochen vor Ende der 3. Sek Tabelle 4: Übersicht über die Stichproben der Jugendlichen Bei den Lehrpersonen werden folgende Kategorien betrachtet: das Geschlecht (m/w), das Schulhaus (1/2), sowie die Funktion/Rolle. Interview Lehrperson, Schulhaus (1/2) 1 LP1_w_1 Klassenlehrperson 2 LP2_m_2 Fachlehrperson/Schulleitung 3 LP3_m_2 Fachlehrperson/Schulleitung Tabelle 5: Übersicht über die Stichprobe der Lehrpersonen 4.3.2 Der Interviewleitfaden Die Befragung der Jugendlichen sowie der Lehrpersonen wurde anhand eines Interviewleitfadens durchgeführt. In der qualitativen Forschung werden Interviewleitfäden verwendet, wenn es darum geht, besondere «individuelle Erfahrungen zu eruieren» (Atteslander, 2010, S. 142) und sobald «subjektive Theorien und Formen des Alltagswissens zu rekonstruieren und so maximale Offenheit gewährleistet werden soll» (Helfferich, 2011, S.179). Aufgrund der bereits genannten Kriterien für Interviewleitfäden (vgl. Kapitel 4.2) erschien es sinnvoll, eine geeignete Mischung aus offenen Fragen, die es den Interviewten ermöglichen, frei und offen zu antworten, sowie auch Schlüsselfragen, welche es der fragenden Person erleichtern, wieder zum Leitfaden zurück zu Die Einstiegsfrage war bewusst sehr offen formuliert («Versuche einmal, deine Schulkarriere zusammenzufassen. Was ist alles passiert?»), um den Befragten die Möglichkeit zu lassen, ihre Geschichte zu erzählen und frei zu entscheiden, was sie als erstes preisgeben möchten. Ziel diese Frage war, dass möglichst viel erzählt und damit schon grosse Bereiche zur Beantwortung der Leitfragen abgedeckt werden. Die anschliessenden, meist geschlossenen Fragen dienten mehr zum «Füllen der Lücken» («Wie war dein Verhältnis zu Lehrpersonen?»). Allgemein wurde bei den Fragen jedoch darauf geachtet, ein möglichst breites Spektrum an Antwortmöglichkeiten offen zu lassen. Dies führte dazu, dass Kategorien entstanden sind, die nicht zur Beantwortung der Leitfragen hinzugezogen wurden. Zentral war auch, allen die selbe Abschlussfrage zu stellen und ihnen die Chance zu geben, über das Geschehene nachzudenken und allenfalls zu sagen, was sie im Nachhinein verändern oder sich wünschen würden. Während dem Gespräch war es wichtig, dass die wesentlichen Punkte für die anschliessende Auswertung erfragt werden. Die genaue Reihenfolge dieser Fragen spielte jedoch keine Rolle. Zwischenfragen sowie Nachfragen waren während den Gesprächen immer möglich. Mögliche Formulierungen Einstiegsfrage Abschliessende Frage • Versuche einmal, deine Schulkarriere zusammenzufassen. • Was verbindest du mit der Schule? Wie war die Schule für dich? • Wie war dein Verhältnis zu den Lehrpersonen? • Wie kam es schlussendlich dazu, dass du die Schule verlassen hast? • Hast du noch Kontakt zu SuS/Freunden/LPs? • Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, würdest du etwas anders machen? Tabelle 6: Auszug aus dem Interviewleitfaden für Jugendliche 4.4 Erhebung der Daten In diesem Kapitel werden die Interviewsituation sowie die Durchführung der Interviews beschrieben. 4.4.1 Die Interviewsituation Interviews mit Jugendlichen Die Interviews mit den Jugendlichen wurden zu einer Zeit und an einem Ort durchgeführt, die für sie günstig waren. Ungefähr ein bis zwei Wochen im Voraus wurde der Termin festgelegt. Zwei Interviews fanden bei den Jugendlichen zu Hause statt, eines in einem Café in der Stadt Zürich. Dadurch, dass die Jugendlichen sich Ort und Zeit aussuchen konnten, wurde der Aufwand für sie so gering wie möglich gehalten. Dennoch wurde versucht, eine möglichst ruhige Örtlichkeit zu suchen, um allfällige Nebengeräusche sowie Ablenkungen zu vermeiden. Zwei der drei Interviews konnten problemlos durchgeführt werden. Das Interview mit J3_m_2 gestaltete sich etwas schwieriger, da er anfangs kam zu erreichen war und anschliessend den ersten Interviewtermin vergass. Dank eines Erinnerungs-SMS am Morgen des Interviewtages konnte Interviews mit Lehrpersonen Die Interviews mit den Lehrpersonen gestalteten sich wesentlich einfacher. Telefonisch wurden Zeit und Ort vereinbart. Die Interviews wurden in den jeweiligen Schulhäusern der befragten Lehrpersonen durchgeführt. Es wurde stets nach einer ruhigen Örtlichkeit im Schulhaus gesucht (freistehender Klassenraum, Sitzungszimmer). Die insgesamt sechs Gespräche fanden in den Monaten Ende August bis Ende September statt. Die Jugendlichen wurden zuerst von einer Kontaktperson (Schulleiter, Schulsekretärin) und anschliessend von mir angefragt, ob sie zu einem persönlichen Interview bereit wären. Die Lehrpersonen wurden über die Schulleitung sowie von mir persönlich kontaktiert. Die Interviewfragen wurden zu Beginn nicht bekannt gegeben. Dies sollte zu möglichst spontanen, ehrlichen und offenen Antworten führen. Das Interview folgte nachgefragt. Die einzelnen Interviews dauerten in der Regel zwischen fünfunddreissig und fünfzig Minuten. Die Gesprächsteilnehmer zeigten sich sehr offen und gesprächsfreudig. Es wurde viel erzählt und keine Frage unbeantwortet gelassen. Die Jugendlichen erzählten viel von ihren Erfahrungen, wodurch interessante, vorwiegend themenbezogene Gespräche entstanden. Die Konversationen mit den Lehrpersonen gestalteten sich etwas schwieriger, da sie nicht selten dazu neigten, Erlebnisse zu vermischen und vom Thema abzuschweifen. 4.4.3 Aufbereitung der Daten Die Interviews wurden mittels Laptop und dem QuickTime Player aufgenommen. Anschliessend wurden die Gespräche transkribiert. Der Dialekt wurde dabei beibehalten, um allfällige inhaltliche Abweichungen bestmöglich zu verhindern. Dies geschah ohne Rücksicht auf Zwischenlaute, lediglich Pausen sowie Lachen wurden festgehalten. Alle Interviews sind anonymisiert. Für die Ankerbeispiele zu den einzelnen Kategorien sowie für Zitate für die Diskussion wurden die Aussagen der Jugendlichen sowie der Lehrpersonen in die Standardsprache übersetzt. 4.5 Auswertung der Daten In diesem Kapitel wird auf die Auswertung der Daten im Sinne der qualitativen Forschungsmethoden eingegangen. Einerseits soll aufgezeigt werden, wie die erhobenen Daten ausgewertet wurden und andererseits das Kategoriensystem vorgestellt wird. 4.5.1 Vorgehen bei der Auswertung Nach der Durchführung wurden die Interviews transkribiert und anonymisiert. Anschliessend wurden die Aussagen den im Voraus gebildeten Kategorien mit Hilfe des Programmes MAXQDA zugeordnet. Nach einem ersten Durchgang wurden die Kategorien überarbeitet, die Zuteilung der Aussagen überprüft und allenfalls neu codiert. Dies geschah einerseits mit den Interviews der Jugendlichen sowie auch denen der Lehrpersonen. 4.5.2 Kategoriensystem Das Kategoriensystem wurde wie in Kapitel 4.1 beschrieben gemäss der deduktiven Vorgehensweise formuliert. Bei einem deduktiven Vorgehen wird das Kategoriensystem wie folgt entwickelt: Theoriegeleitete Festlegung der Fragestellung Theoriegeleitete Formulierung von dimensionen (Hauptund Kodierregeln Abbildung 4: Ablaufmodell deduktiver Kategorienanwendung (vgl. Mayring, 2000) Zusammenstellung eines Kodierleitfadens formative Relia- summative Relia- Überarbeitung der Kategorien und des Kodierleitfadens Materialdurchgang Auswertung Kategoriensystem Jugendliche Die Kategorien wurden während der Formulierung des Interviewleitfadens unter Einbezug der aktuellen Theorie gebildet. Als das erste Interview durchgeführt war, wurde das ursprüngliche Kategoriensystem überprüft und überarbeitet. Nachstehend ist das Kategoriensystem mit einem Ankerbeispiel, übersetzt in Dieser Kategorie werden Aussagen der Jugendlichen bezüglich ihrer allgemeinen Schulkarriere sowie Mittelstufe, Oberstufe), Schulhauswechseln sowie Aussagen dazu, ob sie die Schule gerne besucht haben oder nicht, zusammengefasst. Ankerbeispiele: «Ähm erste Klasse Primar bis ja, hm, ja bou, am Anfang war ich so der Streber (lacht). Äh vierte Klasse, also erste bis dritte, war ich irgendwie so bisschen der Beliebte wegen meinem Bruder, weil er schon in der dritten Klasse war, während ich in der ersten war. In der vierten Klasse bin ich wiederum gemobbt worden. Dann in der fünften Klasse schon wieder nicht mehr, weil ich dann quasi den Mitläufer gespielt habe. Ähm in der sechsten Klasse habe ich nicht mehr den Mitläufer gespielt. In der sechsten Klasse wurde ich auch nicht mehr gemobbt. In der sechsten Klasse war ich schon älter, immer noch ein Kind aber schon älter. Also man checkt schon mehr und nachher habe ich mein eigenes Ding durchgezogen, war immer noch beliebt.» (J1_m_1) «Oke also erste bis sechste Klasse war ich im ähm Schanzengraben, dann bin ich - In diese Kategorie fallen Äusserungen, die ausschlaggebend für das Verhältnis der Jugendlichen zu ihren ehemaligen Lehrpersonen sind. Dies bezieht sich einerseits auf die Klassenlehrperson, aber auch auf die einzelnen Fachlehrpersonen oder den Schulleiter. Ankerbeispiele: «Ja und eben dann (Pause) haben mich die Lehrpersonen nicht respektiert und dann habe ich sie auch nicht respektiert.» (J1_m_1) Die Kategorie Peergroup beinhaltet alle Aussagen der Jugendlichen, welche Hinweise über ihre Peergroup enthalten. Dies umfasst sowohl Mitschülerinnen und Mitschüler, welche die gleiche Klasse besucht haben, als auch Freunde, die nicht zu ihrem schulischen Umfeld gehören. Ebenfalls gehören Aktivtäten, die gemeinsam mit den Peers unternommen wurden, in diese Kategorie. Ankerbeispiele: «Also meistens war ich der Chef in der Klasse (lacht). Also eigentlich immer.» «Ja aber ich habe auch viele arbeitslose Freunde. Also ich habe Freunde, die sind in der Lehre, die arbeitslos sind, die so reich sind, dass sie nicht arbeiten müssen.» (J1_m_1) In dieser Kategorie werden die Freizeitaktivitäten sowie allgemeine ausserschulische Aktivitäten der Jugendlichen zusammengefasst. Es kann zu Überschneidungen kommen zwischen der Periode kurz vor dem Schulausschluss sowie nach dem eigentlichen Drop-Out. Ebenfalls besteht ein starker Bezug zur Kategorie: Peergroup, da vermutlich viele Aktivitäten in der Freizeit zusammen mit Freunden unternommen werden. Ankerbeispiele: Die Kategorie Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss beinhaltet alle Aussagen der Jugendlichen, welche Hinweise über die Ursachen ihres Drop-Outs geben. Ebenfalls werden Äusserungen gesammelt, die etwas über die Entstehung des Verhaltens aussagen und ursächlich für den schulischen Misserfolg sind. Die einzelnen Bedingungsfaktoren können sowohl individueller, schulischer, als auch institutioneller Art sein. Ankerbeispiele: «Sie haben schon gemerkt, dass ich mehr zu sagen hatte als sie, aber sie haben «Ich habe immer wieder verschlafen am Morgen, Hausaufgaben und so vergessen. Sozialverhalten war nie schlimm bei mir, das einzige, was ich gemacht habe, war Schlafen während dem Unterricht.» (J1_m_1) Hier wird nach dem ausschlaggebenden Faktor für den Schulausschluss gesucht. Dies ist im Optimalfall ein Ereignis, welches das Fass zum überlaufen gebracht hat. Ankerbeispiel: In dieser Kategorie liegt der Augenmerk auf dem Umgang und den Reaktionen der Eltern sowie der Freund der befragten Jugendlichen. Es wird festgehalten, wie diese auf den Schulausschluss reagiert haben und wie sie damit umgegangen sind. Ankerbeispiele: «Es war zwei Wochen vor Schulende, ich habe das niemandem gesagt. Den Eltern «Meine Eltern waren wirklich ziemlich enttäuscht von mir, muss ich sagen. Meine VIII. Kategorie: Situation nach dem Schulausschluss Innerhalb der Kategorie Situation nach dem Schulausschluss werden Aussagen zusammengefasst, die Aufschluss über die Situation der einzelnen Jugendlichen nach dem schulischen Drop-Out geben. Es kann sich einerseits auf private Aktivitäten, als auch auf weiteführende Angebote beziehen. Ankerbeispiele: «Als ich einen Monat arbeitslos war (Pause) dann habe ich ein bisschen Scheiss «... dann war ich drei Jahre arbeitslos (Pause). Habe äh Drogen konsumiert, also Cannabis, nichts Schlimmes und das war auch genau der Grund, warum ich so lange arbeitslos war, weil ich alles auf den nächsten Tag verschoben habe.» IX. Kategorie: Situation heute Äusserungen bezüglich der aktuellen Situation fallen in diese Kategorie. Hier wird zusammengefasst, was die einzelnen Jugendlichen heute machen, welchen Weg sie nach ihrem Schulausschluss eingeschlagen haben und wo sie heute in ihrem Leben stehen. Zu dieser Kategorie gehört, ob sie noch Kontakt mit ehemaligen Schulkameraden oder Lehrpersonen haben. Ankerbeispiele: «... ich bin jetzt beim RAV angemeldet, Motivationssemster. So für den Abschluss.» (J1_m_1) Zuletzt werden Formulierungen gesammelt, welche Informationen darüber geben, was die Jugendlichen gebraucht hätten oder hätten machen können, um den Schulausschluss zu verhindern. Die einzelnen Faktoren können sowohl individueller, schulischer, als auch institutioneller Art sein. Ankerbeispiele: «Also ich wäre nicht mehr so frech. Wenn die Lehrpersonen mir nicht sagen, wenn ich frech bin, dann ja tschau, dann sind sie selber Schuld, wenn ihre Schüler ma- «Phu das ist schwierig zu sagen. Ja was hätte man machen können (Pause). Alle Kategoriensystem Lehrpersonen Die Kategorien wurden während der Formulierung des Interviewleitfadens unter Einbezug der aktuellen Theorie gebildet. Als das erste Interview durchgeführt war, wurde das ursprüngliche Kategoriensystem Dieser Kategorie werden Aussagen der Lehrpersonen bezüglich der allgemeinen Schulkarriere des Jugendlichen zugeordnet. Es werden Äusserungen zur Entwicklung des Schülers sowie Zwischenfällen oder Massnahmen festgehalten. Ankerbeispiele: «Marco hatte eine ganz schwierige Vergangenheit hinter sich (Pause). Ich tippe darauf, dass, wenn die Schwierigkeiten zu gross geworden sind, hat seine Mutter einen Ortswechsel vollzogen. […] zuerst waren sie in Luzern oder in Bern und dann sind sie nach Zürich gekommen und dann sind sie einfach (Pause). Sie hat sich entzogen, sie war eine alleinerziehende Mutter und der Vater starb schon früh und Marco war natürlich das ein und alles und wurde verwöhnt und dann kam er «Er kam nach der Zweiten zu uns, oder in der Zweiten. Ja, ich würde sagen in der In diese Kategorie fallen Äusserungen, die ausschlaggebend für das Verhältnis der Schüler-Lehrer-Beziehung sind. Dies bezieht sich einerseits auf die Klassenlehrperson, aber auch auf die einzelnen Fachlehrpersonen oder Schulleiter. Ankerbeispiele: «Ich konnte ihn gar nicht greifen, das war richtig schwierig.» (LP1_w_1) «Es war eine Einzelmaske, die Person von mir und der Rest hat versucht, mit ihm in Beziehung zu kommen (Pause). Seine Bezugsperson, der schulische Heilpädagoge, ja, der hat es nicht wirklich geschafft. Ich war, glaube ich, der einzige, auf Die Kategorie Peergroup beinhaltet Aussagen der Lehrpersonen, welche Hinweise über das Verhalten sowie die Rolle des Jugendlichen innerhalb und ausserhalb der Klasse sowie das Verhältnis zu den Klassenkameraden enthalten. Ankerbeispiele: «Jaja, jaja und die sind also verhaftet worden, also aufgezeichnet worden und alles. Die Kategorie Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss beinhaltet alle Aussagen der Lehrperson, welche Hinweise aus ihrer Sicht über die Ursachen des Drop-Outs des betreffenden Schülers geben. Ebenfalls werden Äusserungen erfasst, die etwas über die Entstehung des Verhaltens aussagen und ursächlich für den schulischen Misserfolg sind. Die einzelnen Bedingungsfaktoren können sowohl individueller, schulischer, als auch institutioneller Art sein. Ankerbeispiele: «Nichts auf dem Tisch gehabt und immer ähm (Pause). Er hat, es ging immer nur um ihn (Pause). Er war zwar nicht laut, das nicht, aber ich meine, der hat dann so, wenn du dann gesagt hast ‚hol dein Zeug raus’, hat er wirklich (stöhnt), also wirklich laut rumgestöhnt. Bis der mal sein Zeig draussen hatte. Der hat nie was gemacht, wirklich nichts, einfach nichts.» (LP1_w_1) «Aber er ist immer extrem ausfällig geworden bei Leuten, bei denen er, bei denen er (Pause) den Respekt nicht hatte. Nicht ein bisschen, sondern einfach verweigert.» Hier wird nach dem ausschlaggebenden Faktor für den Schulausschluss gesucht. Dies ist im Optimalfall ein Ereignis, welches das Fass zum überlaufen gebracht hat. Ankerbeispiele: «Da mussten wir gar nicht viel dazu beitragen (Pause). Wenn einer von der Polizei abgeführt wird und eine Woche in U-Haft ist, dann ist das natürlich für uns, da «Irgendwann ging es dann wirklich nicht mehr. Dann wurde auch der Druck des In dieser Kategorie liegt der Augenmerk auf dem Umgang und den Reaktionen der Eltern sowie der Freund der befragten Jugendlichen. Es wird festgehalten, wie diese auf den Schulausschluss reagiert haben und wie sie damit umgegangen sind. Auch wird auf den allgemeinen Kontakt zwischen der Schule und den Eltern des Betroffenen Bezug genommen. Ankerbeispiel: «Sie ist sehr nett. Wir haben auch oft telefoniert, sie war einfach völlig überfordert.» (LP1_w_1) VII. Kategorie: Situation heute Äusserungen bezüglich der aktuellen Situation fallen in diese Kategorie. Hier wird zusammengefasst, ob die ehemaligen Lehrpersonen wissen, was aus den Jugendlichen geworden ist. Auch in diese Kategorie fällt, ob sie noch Kontakt mit ihnen haben. Ankerbeispiele: «Er kam dann trotzdem nochmal (Pause). Und auch später stand er öfters vor der Schule mit einer Zigi und so und einmal ist er mit uns zum Bahnhof gelaufen und hat die ganze Zeit gepafft.» (LP1_w_1) «Beim Jugendhaus […] dann habe ich Luca gesehen und Luca mich und dann haben wir uns gefreut, uns wieder zu sehen und er war stolz, dass er nicht mehr im Elend ist, arbeitet und dass er Gas gibt.» Abschliessend werden Aussagen gesammelt, welche Informationen darüber geben, was nach Meinung der Lehrperson der betroffene Schüler gebraucht hätte, um den Schulausschluss zu verhindern. Die einzelnen Faktoren können sowohl individueller, schulischer, als auch institutioneller Art sein. Ankerbeispiele: Ziel ist. Du kannst nicht einfach einen Schüler bekommen und dann heisst es, mal schauen (Pause). Ja, mit der Idee ‚es läuft eh nicht’, das ist echt ein bisschen schwierig.» (LP1_w_1) «Sie wollen ganz klar wissen, wo sind meine Grenzen. Aber irgendwo wollen sie auch spüren, dass du ihnen, dass du sie schon respektierst und dass du ihnen helfen möchtest, dass das ein gewisses Grundmotiv ist. Verachtung, wenn du einen jungen Menschen verachtest, dann, dann wird er dir eines Tages das Leben auch «Also ich denke, mit dem Team, das wir jetzt haben (Pause), wäre Marco, hätte er es geschafft. Also mit den Lehrpersonen, mit denen ich jetzt zusammenarbeite 4.6 Herausforderungen Die erste und grösste Herausforderung stellte sich im Finden von Jugendlichen, welche die Schule abgebrochen haben und bereit waren, ein Interview zu geben und über ihre Erfahrungen zu sprechen. Es war schwierig, da man diese Jugendliche ja nicht in Schulhäusern antrifft. Einige sind in Heimen, Institutionen oder Projekten untergebracht, andere «hängen herum» oder sind anderweitig beschäftigt. Anfangs wurden Institutionen, die Brückenangebote für Jugendliche in schwierigen Situationen anbieten, wie beispielsweise die Jugendvilla in Regensdorf, das Vertigo oder das Casemanagement Netz2 angefragt. Viele dieser Institutionen zeigten kein Interesse, da sie entweder schon ausgelastet waren oder weil die Jugendlichen dort nicht für ein Gespräch bereit waren. Erst das Anfragen von Schulleitern, zu denen bereits ein Kontakt bestand, zeigte sich erfolgreich. Um zu vermeiden, dass die Jugendlichen mit einer negativen Haltung an das Gespräch kommen, war ein sensibler Umgang mit der Thematik unabdingbar. Auch mussten ihnen viele Freiheiten betreffen Zeit und Ort gegeben werden sowie der vertrauliche Umgang mit dem Datenmaterial versichert werden. Viel Geduld war vor allem in einem Fall gefragt, da der Jugendliche anfangs kaum zu erreichen war, da er entweder arbeitete oder mit Freunden unterwegs war, was ein seriöses Telefonat unmöglich machte. Ebenfalls vergass er den ersten Interviewtermin und wollte anschliessend mit einem «Erinnerungs-SMS» am Morgen des neuen Termins erinnert werden. Andernfalls sei es ihm nur schwer möglich, Verabredungen einzuhalten. Die Interviews mit den Lehrpersonen gestalteten sich deutlich einfacher. Das erste Gespräch zeigte, welche Herausforderungen eine professionelle Interviewleitung mit sich bringt. Einerseits mussten die im Voraus formulierten Fragen des Leitfadens beantwortet werden, andererseits sollte das Interview möglichst offen, einem natürlichen Gespräch ähnlich, und für die Befragten angenehm gestaltet werden. Dies erfordert viel Einfühlungsvermögen, Aufmerksamkeit und Flexibilität seitens der Interviewerin. Im Gegensatz zu den Jugendlichen neigten die Lehrpersonen dazu, vom Fall abzuschweifen und sich in Grundsatzdiskussionen zu verstricken. 4.7 Fehlerquellen Bei einer Stichprobe von jeweils drei Jugendlichen und drei Lehrpersonen sind grosse Einschränkungen bezüglich der Generalisierbarkeit vorhanden. Einerseits wurden nur männliche Jugendliche befragt, andererseits ist die Stichprobe sehr klein. Somit können keine Aussagen bezüglich Schülerinnen gemacht werden, die die Schule abgebrochen haben. Auch sind die Äusserungen der Jugendlich nicht allgemein gültig, sondern beziehen sich ausschliesslich auf ihre Person. Des Weiteren kann der Wahrheitsgehalt der Interviews in Frage gestellt werden. Bei den Erzählungen der Jugendlichen wurde nicht immer deutlich, ob sie ihre Erlebnisse etwas überspitzt erzählten, verharmlosten oder wirklich wahrheitsgetreu wiedergaben. Einige dieser Unklarheiten konnten durch die Gespräche mit den Lehrpersonen geläutert werden, da eine Übereinstimmung erkennbar war, aber andere Fragen blieben offen. Nicht selten neigten die Interviewten zu einer gewissen «Beschönigungstendenz», da es sich bei Schulabbruch und Drop-Out doch um ein negativ behaftetes und von der Gesellschaft missachtetes Thema handelt. Weiter ist es denkbar, dass beim Transkribieren der Interviews der Aussagegehalt leicht verändert wurde, da Tonlagen nur schwer festzuhalten sind. Mimik und Gestik wurde ganz ausser Acht gelassen. Auch könnte es beim Übersetzen vom Dialekt in die Standardsprache zu inhaltlichen Abweichungen gekommen sein. Zusätzlich kann es beim Codieren des gewonnenen Interviewmaterials zu Verzerrungen kommen, welche anschliessend Auswirkungen auf die Ergebnisse haben. Um dies zu verhindern, wäre es sinnvoll, die gleichen Interviews von mehreren Personen auswerten und codieren zu lassen. DOKUMENTATION In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der durchgeführten Interviews präsentiert. Dies geschieht anhand der gebildeten Kategorien. Innerhalb der Kategorien werden die Aussagen der Jugendlichen sowie der Lehrpersonen deskriptiv zusammengefasst und mit einzelnen Beispielen dokumentiert. Im ersten Teil wird auf die Interviews mit den drei Jugendlichen eingegangen, im zweiten Teil auf die Gespräche mit den Lehrpersonen. Die Ergebnisse der Interviews mit den Jugendlichen werden in diesem Kapitel in deskriptiver Form erläutert und zusammengefasst. a) Schulwechsel Alle drei Jugendlichen hatten mehrere Schulwechsel hinter sich. Das Schulhaus wurde in allen Fällen mindestens einmal gewechselt und dies nicht aufgrund eines Stufenüberganges (Unterstufe – Mittelstufe, Mittelstufe – Oberstufe) sondern wegen einer Versetzung, wie folgendes Beispiel zeigt: «Oke, also erste Auch besuchten die Jugendlichen schulische Time-Outs sowie Schlaufenschulen: «Dann haben sie mich vom Ruggenacher aus Hochwald.» (J1_m_1) Die Schulwechsel wurden sehr unterschiedlich erlebt. Während ein Jugendlicher sie positiv in Erinnerung hat , war es für einen anderen negativ: «Ich habe dort die Schule angefangen und eigentlich ging immer alles tiptop. Dort ging es mir gut, auch von den Schulnoten her. Dann bin ich nach Regensdorf gezogen. Dort war ich so wie ein Einzelgänger, war auf dem Pausenplatz und ich bin... ich habe mich immer alleine gefühlt. Ich kannte niemanden. Ich war Während der Sekundarstufe nahmen alle drei Knaben an einem schulischen Time-Out teil. Die Gründe für die Schulwechsel liegen einerseits im Wohnortwechsel der Familie, aber auch darin, dass die Jugendlichen als Schüler in den einzelnen Klassen aufgrund ihres Verhaltens oder ihrer ungenügenden Leistungen nicht mehr tragbar waren. Dies soll im nächsten Kapitel detailliert erläutert werden. Die Jugendlichen nannten unterschiedliche Gründe für die Schulwechsel. Grundsätzlich waren die meisten aber disziplinarischer Natur, oder weil sie die Mitarbeit im Unterricht verweigerten und ihre Leistungen «Hauptgrund ). Auch ein weiterer Jugendlicher nahm das Thema Hausaufgabe und das Lernen nicht sonderlich ernst: «Ja, das war bisschen ein Thema. Das ist, also, ich weiss auch nicht. Ich war nicht so der Typ, der gerne Hausaufgaben gemacht hat. Ich DOKUMENTATION Des Weitern zeigten sich disziplinarische Probleme als Grund für einen Schulhauswechsel. Einerseits beziehen sich die disziplinarischen Schwierigkeiten auf den respektlosen Umgang mit den Lehrpersonen («Ja, ich in der fünften Klasse, da war ich immer das Arschloch, das wirklich andere Schüler geschlagen hat und den Lehrern Probleme gemacht hat.» (J1_m_1)), andererseits auch auf Ausfälligkeiten und Zwischenfälle unter den Schülerinnen und Schülern. «Also einerseits Schlägereien. Nachher so Aktivitäten auf dem WC, aber das nur einmal (Pause) […] Geschlechtsverkehr mit einer Frau aus der Klasse. Das war nicht Hier ist klar zu sehen, dass Regeln des schulischen Zusammenlebens missachtet und Grenzen überschritten wurden. lerinnen und Schüler hat: «In der Oberstufe war unsere Klasse eine Katastrophenklasse. Die musste sogar zweigeteilt werden, weil sie so eine Katastrophe war (Pause). Und ja, man hat sich einfach dieser Klasse angepasst und ja (Pause). Was soll ich erzählen (Pause). Dann hat der Scheissdreck gemacht und du hast Scheissdreck gemacht, der andere hat Scheissdreck gemacht und ja. Ich kam immer am meisten dran, ich Bezüglich des Schwänzens und Fernbleibens der Schule kann keine einheitliche Aussage gemacht werden. Während ein Jugendlicher kaum gefehlt und auch nie geschwänzt hat («Ja, mal gab es Tage, an denen war ich krank, aber dann war ich auch wirklich krank. Geschwänzt habe ich nie, wirklich nie. Das frage ich mich sogar heute noch, warum ich nie geschwänzt habe. Nein, geschwänzt habe ich nie, ich ging immer , blieben die anderen beiden regelmässig dem Unterricht fern: «... der andere Grund «Dann habe ich dort ab und zu geschwänzt, um nicht in die Schule zu gehen. Ich habe Ausreden gefunden, damit ich nach Hause gehen kann.» (J1_m_1). Ein weiterer Grund für Schulhaus- und Umgebungswechsel waren kriminelle Aktivitäten. Dies betrifft hauptsächlich einen der drei Interviewten, der regelmässig Auseinandersetzungen mit der Polizei hatte und auch von der Polizei in der Schule aufgesucht wurde: «Und dann ja, ich war ein ziemliches Problemkind, also wirklich (Pause). Im Monat wurde ich vielleicht zwei oder drei Mal verhaftet, aber wegen sinnlosen Er musste unter anderem aufgrund seiner delinquenten Handlungen in eine Kleinklasse wechseln. Ein weiterer Jugendlicher machte Andeutungen, dass sie gelegentlich kifften und bewegte Wochenenden hatten. Hieraus konnte jedoch kein direkter Bezug zum Schulhauswechsel hergestellt werden, da dies vor allem die unterrichtsfreie Zeit betraf. Gemein ist den drei Jugendlichen, dass ihre schulische Entwicklung von Hochs und Tiefs sowie Rollenwechseln innerhalb der verschiedenen Klassen und Stufen geprägt war: «Ähm erste Klasse Primar bis ja, hm, ja bou, am Anfang war ich so der Streber (lacht). Äh vierte Klasse, also erste bis dritte war ich irgendwie so bisschen der Beliebte wegen meinem Bruder, weil er schon in der dritten Klasse war, während ich in der ersten war. In der vierten Klasse bin ich wiederum gemobbt worden. Dann in der fünften Klasse schon wieder nicht mehr, weil ich dann quasi den Mitläufer gespielt habe. Ähm in der sechsten Klasse habe ich nicht mehr den Mitläufer gespielt. In der sechsten Klasse wurde ich auch nicht mehr gemobbt. In der sechsten Klasse war ich schon älter, immer noch ein Kind aber schon älter. Also man checkt schon mehr und nachher habe ich mein eigenes Ding durchgezogen, war immer noch beliebt.» (J1_m_1) Die meisten erlebten die Unterstufe positiv, was sich auch in ihren Leistungen widerspiegelte. Durch den Ortswechsel und den dadurch bedingten Schulwechsel kam es in einem Fall zu einer drastischen Verschlechterung («Weil als ich das Zeugnis in Dielsdorf bekam und nachher das Zeugnis von Regensdorf, da sieht man den Unterschied extrem (Pause). Ich weiss jetzt nicht, was passiert wäre, wäre ich dort geblieben DOKUMENTATION während es bei einem anderen Jugendlichen aufwärts ging: «In der sechsten Klasse wurde ich auch nicht mehr gemobbt. […] schulmässig ok. Also eigentlich wäre ich in die Sek B eingeteilt worden, dann kam ich aber in die Privatschule. Zürich, Lernstudio. Äh, dort ging es dann wieder bergauf.» (J1_m_1). Die schulische Entwicklung wurde aber in allen drei Fällen Weiter hing die schulische Entwicklung in einem Fall auch von der familiären Situation ab: «Und äh nachher kam ich nach Wallisellen zu meinem Vater. In Wallisellen gewohnt, in Wallisellen in die Schule. Ungefähr ein Monat. Dann ging es nicht in der Schule nicht mehr, sondern zu Hause. Und dann hatte das natürlich auch Ausmacht auf die Schule, ich konnte mich nicht mehr richtig konzentrieren und nichts.» (J1_m_1). Aufgrund der schwierigen familiären Situation verschlechterten sich auch die schulischen Leistungen sowie die allgemeine Lage in der Schule. Die Primarschulzeit wurde von den drei Jugendlichen unterschiedlich erlebt. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie alle früher oder später, wenn auch in unterschiedlicher Form, aufgefallen sind. Keiner von ihnen war ein unauffälliger, sorgenloser Schüler, der seine ersten Schuljahre problemlos durchlaufen hatte. Ein Jugendlicher beschreibt seine Erlebnisse in der Primarschule wie folgt: «In der Primarschule wurde ich immer geärgert. Dann haben sie mich, haben sie mich immer so hinten am Ohr geschlagen und ich habe ihnen gesagt, sie sollen aufhören und sie wollten einfach nicht aufhören. Und dann war irgendwann der Kessel auch voll, wie man so schön sagt (lacht). Dann habe ich mir nichts mehr gefallen lassen und dann Für ihn waren der Wohnortwechsel und die dadurch entstandenen Probleme mit den Peers während der Primarschulzeit ursächlich für seine gescheiterte Schullaufbahn. Er nimmt an, dass vieles anders verlaufen wäre, wenn er weiterhin in der ersten Schule, die er besucht hatte, hätte beschult werden können: «Ja es ist einfach, ich weiss es nicht. Vielleicht sind die Regeln dort so komisch, oder ich weiss es nicht. Weil als ich das Zeugnis in Dielsdorf bekam und nachher das Zeugnis von Regensdorf , da sieht man den Unterschied extrem (Pause). Ich weiss jetzt nicht, Während dieser Knabe zu Beginn eher eine Opferrolle einnahm, bezeichnete sich ein anderer von Beginn weg als Täter: «In der Primarschule habe ich viel Scheiss gemacht. Habe gegen die Wand gepinkelt, kletterte auf Dächer und habe mich ausgezogen, also nicht ganz nackt (lacht). Ich habe immer wieder so behinderte Spässe gemacht, Kreiden geworfen. Mit Schülern hatte ich an einem Tag drei Schlägereien und ähm (Pause). Auf dem Pausenplatz, wirklich, die kleinen Kinder haben auf den Boden geschaut, wenn sie mich gesehen haben.» (J1_m_1) Auf die Frage, ob Schule allgemein für ihn etwas Negatives sei, antwortete ein Jugendlicher wie folgt: «Das Eine weitere Äusserung war jene: «KGS-Zeiten, das sind gute Zeiten. Ja, da denke ich gerne daran zurück (lacht). Aber ich Wie folgende Aussagen zeigen, haben die Jugendlichen, trotz ihrer abgebrochenen Schulkarriere, nicht zwingend negative Gefühle gegenüber der Institution Schule. Kategorie Verhältnis zu den Lehrpersonen zeigen wird. Die Verhältnisse der Jugendlichen zu ihren ehemaligen Lehrpersonen waren sehr unterschiedlich. Einerseits gab es Lehrpersonen, vor denen sie Respekt hatten, von denen sie sich ernst genommen fühlten und bei denen sie sich dementsprechend anständig verhielten: «Zu Spori sehr gut, aber der Rest, das sind kleine DOKUMENTATION Andererseits war das Verhältnis zu Lehrpersonen, die sie aus verschiedenen Gründen nicht respektierten, schlecht Das liessen sie die betroffenen Lehrkraft auch spüren. Ihr Sozial- und Arbeitsverhalten war dementsprechend ungenügend und sie wurden des Öfteren ausfällig und frech. Respekt und Ansehen verschaffte sich in ihren Augen eine Lehrperson, die sie ernst nahm sich für sie interessiere («Aber ich meine, sie haben mich nichts gefragt, wie es mir geht, was los ist zu Hause, wieso ich so bin. Sie fanden nur ‚Du bist so.’ (J1_m_1)), ihnen Grenzen setzte, aber dennoch gut gewillt war. Auf die Frage, wovon es denn abhänge, ob er einen Lehrer ernst nähme oder nicht, antwortete einer der Jugendlichen Folgendes: «Wenn er mir sagt, wenn ich aufhören soll. Wenn ich, wenn ich das Gefühl habe in der Klasse, dass ich nicht der Chef bin. Dann arbeite ich. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass ich der War dies nicht der Fall, konnte keine konstruktive Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler entstehen und die Situation eskalierte nicht selten: «Haben mich die Lehrpersonen nicht respektiert, dann habe ich sie auch Die Jugendlichen fühlten sich oft unfair behandelt, da sie in den betreffenden Schulhäusern schon nach folgende Aussage zeigt: «Dann sagt er mir einfach gnadenlos: ‚Wissen Sie was, mir ist egal, wer Sie sind, was Sie machen, was Sie sagen. Ich werde Ihnen kein Wort glauben, Sie sind ein verdammter Lügner für mich.’ Gnadenlos. Der kannte mich ja nicht mal. Also er kannte mich vom Hören und dann ist klar, dass ich mich nachher erniedrigt fühlte und dann habe ich gesagt: ‚Wissen Sie was, wenn Sie mir nicht glauben, dann, wie Sie die Treppe runter gekommen sind, können Sie sie auch wieder hinaufgehen, weil wir müssen Desinteresse der Lehrpersonen gegenüber ihrer Schülerinnen und Schüler schürten Frustration und Aggression, was das negative Verhältnis verstärkte: «Also sie haben sich wirklich einen Scheiss darum gekümmert, was bei mir los ist. Kurz gesagt, also meine Lehrerin hat sich nicht interessiert, meine Klassenlehrerin. Niemand. Niemand. Niemand. Und ich meine, wenn sie sich nicht interessieren, dann ist das nicht mein Problem, dass erzähl ich denen das auch nicht, dann mach ich so weiter, wie ich weitermachen will und dann interessiert es mich auch nicht, was sie dann sagen.» (J1_m_1). Wichtig sei es auch, dass die Lehrperson ihr Gesicht wahre. Eine Lehrerin hätte des Öfteren geweint, weil die Schülerinnen und Schüler der Klasse sie an ihre Grenzen gebracht hätten: «Sie hat jede Stunde geheult Daraufhin haben die Jugendlichen gemacht, was sie wollten: «Wenn die Lehrpersonen mir nicht sagen, wenn ich frech bin, ja dann Tschau, dann sind sie selber Schuld, wenn ihre Schüler machen, was sie wollen. Wenn ich während der Stunde schlafe und sie mir nichts sagen, a) Rolle innerhalb der Klasse Die Rolle der drei Jugendlichen innerhalb ihrer Klassen war unterschiedlich. Während sich einer eher als beliebter Schüler bezeichnete («Ich meine, ich war immer ein beliebter Schüler, aber das ist wie wenn du, also nicht aus Eingebildetheit, weisst du, aber ich war nicht nur beliebt in Regensdorf, ich war beliebt in Wallisellen, ich war beliebt in Zürich und ich habe meine Kollegen überall.» (J1_m_1)), haben sich die anderen beiden ihren Status mit Gewalt erarbeitet: «Ich habe irgendwann, ja, also irgendwann hat es dann halt gereicht und wenn ich die ganze Zeit, wenn ich das immer mitgemacht hätte, hätten die das ausge- DOKUMENTATION nützt und dann wär das weitergegangen und weiter und ich bin (Pause). Ich bin halt nicht, äh, ich wollte halt nicht das Opfer sein, wollte eigentlich ganz normal in die Schule gehen und machen und tun, aber die Leute haben das nicht verstanden und haben das und mussten mich auf die Probe stellen und irgendwann reichte es mir und dann kam es so weit, dass alle Schüler Angst vor mir hatten. Aber so weit wollte Im Gegensatz zum oben dargestellten Beispiel wollte sich ein andere Jugendlicher aktiv seine «Chef-Rolle» erarbeiten und hat dies auch bewusst durchgesetzt: «Also ich war meistens der Chef in der Klasse (lacht). Also eigentlich immer. Ja, und wenn ich es nicht von Anfang an Keiner der drei Interviewten war ein unscheinbarer, untergeordneter Schüler, sondern sie nahmen alle starke Positionen im Klassenverband ein. Es ist anzunehmen, dass der Jugendliche, welcher aufgrund seiner kriminellen Aktivitäten in U-Haft kam und somit von der Schule gewiesen wurde, die Tat nicht alleine begangen hat. Einer der Jugendlichen hatte «viele arbeitslose Kollegen» (J1_m_1). Inwiefern sie ihn in seiner schulaversiven Haltung bestärkt hatten, ist unklar. Freunde hatten alle in der Schule. Das Gefühl der Klassengemeinschaft schien wichtig zu sein, denn man verbrachte sehr viel Zeit in der Schule: Auch wurden teilweise Freundschaften fürs Leben geschlossen, wie folgender Jugendlicher beschreibt: «Ja, also, als gelernt, er heisst R????? und ich bin gerade raufgelaufen, also wirklich ziemlich nervös, weisst du, erster Schultag, keiner kennt mich, bin ich raufgelaufen und dann sagte er mir: ‚Hey, bist du der Neue?’ und ich so ‚Ja, voll’ und er ‚Bei wem gehst du in die Schule?’ und ich habe ihm dann gesagt bei dem und dem Lehrer und er so ‚Boah das ist ein strenger Siech und so viel Glück’ und ich so ‚Danke’ und nachher (Pause). Nachher ist das weiter gegangen, sind Jahre vergangen, haben wir uns kennen gelernt, gemacht und getan . Mit anderen wurde der Kontakt aber auch wieder abgebrochen («Mit sehr vielen Herrschaften haben wir den Kontakt abgebrochen.» Schulabbruch hatten, ist unklar. Der Kontakt zu Jugendlichen aus dem ausserschulischen Umfeld bestand bei allen drei Probanden. Oftmals handelte es sich hierbei um ältere («Ja sicher, ich war immer mit älteren Leuten draussen, ich war nie , teilweise auch arbeitslose («Ja aber ich habe auch viele arbeitslose Kollegen.» (J1_m_1)) oder drogenabhängige Personen. Der Kontakt zu diesen Personen entstand meistens durch den Konsum von Cannabis: «Ja was soll ich sagen, das kommt von alleine, der Kontakt. Wenn du kiffst und der andere auch kifft, dann habt ihr schon mal zusammen einen Joint geraucht und dann das nächste Mal rufst du ihn an und dann ist er mit Älteren und dann gehe ich dort hin und dann bin ich schon . Ob und inwiefern diese Personen die Jugendlichen in ihrer Entwicklung Tagesablauf und Leuten, die Drogen konsumierten, bestand. DOKUMENTATION Ihre Freizeit haben alle drei oft mit «Herumhängen» und «Chillen» verbracht («Ja mit Kollegen chillen» . Die Freizeitaktivitäten des einen Jugendlichen haben sich mit dem Umzug und dem damit verbundenen Standortwechsel stark verändert: «Ich hatte schon relativ grosse Freiheiten, aber ich habe sie, früher hatte ich sie nicht gross, früher habe ich sie auch respektiert, früher war es ‚Du bist um zehn zu Hause’. Ich war um zehn zu Hause. Ich meine, in der zweiten Sek, da bin ich, keine Ahnung, gegen acht Uhr kam ich schon nach Hause, eben, ich war immer um diese Zeit zu Hause und nachher, seit ich bei meinem Vater zu Hause war, weil, ich habe es wirklich nicht ausgehalten zu Hause bei meinem Vater, bin ich immer gegen zehn, elf nach Hause gekommen, sogar unter der Woche und seit ich dort war, bin ich, war ich nur so daran gewöhnt, um diese Uhrzeit nach draussen zu gehen, dass ich auch hier um diese Zeit rausgegangen bin.» (J1_m_1). Kriminelle Aktivitäten haben zumindest zwei der drei Probanden zugegeben. Folgendes war die Antwort auf die Frage, ob er schon einmal Kontakt mit der Polizei gehabt habe: «Ein bisschen […] Also richtige Wie schwer die jeweiligen Vergehen waren, ist zumindest bei einem Jugendlichen unklar, da die Verhaftung durch die Polizei und die anschliessende Untersuchungshaft beim anderen Nur einer der drei Jugendlichen gab an, keine Drogen konsumiert zu haben. Anscheinend hatte er aber Freunde in seinem Umfeld, die sowohl Drogen konsumierten als auch in Geschäfte mit Drogen involviert waren: «Drogen und solche Sachen?» – «Nein, das nicht.» – «Gedealt und kleine Geschäfte gemacht, gekifft?» – «Nein, das nicht, nein. Ich nicht.» – «Du nicht, aber andere?» . Nein, also (Pause). Da war Die anderen beiden haben regelmässig gekifft («Ich habe gekifft, gemacht Einer der Jugendlichen gab an, regelmässig Alkohol zu sich genommen zu haben, was teilweise auch ausartete: «Äh ein bisschen zu viel getrunken und nachher gab es einen Unfall (Pause). Während der Gespräche konnten eine Vielzahl von individuellen Ursachen für den Drop-Out herauskristallisiert werden. Zur Übersicht werden diese einzeln aufgezeigt und mit Äusserungen dokumentiert. Fernbleiben des Unterrichts • • konnte nicht mehr schlafen und äh, ich habe immer wieder verschlafen am Morgen.» (J1_m_1) «Ich bin wirklich eingeschlafen, weil ich zu Hause den Schlaf nicht gefunden habe.» (J1_m_1) «Keine Ahnung, also, ich hatte ein Arztzeugnis, dann ging ich logischerweise nicht in die Schule. […] Ja, ich habe das Arztzeugnis schon ausgenutzt. Also das fand ich natürlich schon bequem. Natürlich ging ich dann nur, wenn ich nichts Besseres zu tun hatte und DOKUMENTATION Sozialverhalten • «... war ich immer das Arschloch, das wirklich andere Schüler geschlagen hat und Lehrern Probleme gemacht hat.» (J1_m_1) • «... irgendwann hat es gereicht und dann kam es so weit, dass alle Schüler Arbeitsverhalten • «Ja einfach eingeschlafen. Das war eben wegen dem Schlafrhythmus irgendwas. Keine Ahnung, was war.» (J1_m_1) • «Ja, das war bisschen ein Thema, das ist, eh, also, ich weiss auch nicht. Ich war nicht so ein Typ, der gerne Aufgaben gemacht hat. Ich sag’s auch ehrlich. • «Äh der andere Grund war die Noten, weil ich nie etwas an Hausaufgaben • «Und halt Hausaufgaben nicht gemacht und Einträge […] ich hatte rund • «Ja wenn ich gearbeitet habe, haben die anderen auch gearbeitet. • «Eben und wenn sie mir nichts sagen, wenn ich am Telefonieren bin, Bedingungsfaktoren im System Familie äussern sich vor allem als Probleme innerhalb der Familie. • «Ja genau (Pause). Ich habe es gehasst, weil ich bin früher sehr viel von meinem Vater geschlagen worden, also wirklich sehr viel und auch brutal, aber darum hatte ich es nicht gern, wenn mich jemand anfasst und darum bin ich auch immer, hatte ich immer • «... dann war ich zwei Wochen nicht zu Hause, aber dann hat sich das auch geklärt.» • «Und ich meine, das ist nicht so schlimm, also es kann schon schlimm sein körperlich und es belastet einem auch, dass man nicht nach draussen gehen kann, dass man keinen Sport machen kann und so, das verstehe ich, aber es ist noch lange nicht so schlimm, wie wenn man, keine Ahnung, psychisch etwas hat wie zu Hause, wegen den Eltern oder sonst etwas.» (J1_m_1) «... seitdem ich bei meinem Vater zu Hause war, weil ich habe es wirklich zu Hause nicht ausgehalten bei meinem Vater...» (J1_m_1) «Ja, boh, ich wollte eigentlich einen Neustart machen dort, weil ich kannte niemanden, nichts und so, aber ich konnte keinen Neustart machen wegen dem Vater und der Stiefmutter. Fünf Minuten zu spät zu Hause, haben sie mich wieder zusammengeschissen und ja, hab auch mal eine Ohrfeige kassiert (seufzt).» (J1_m_1) • • DOKUMENTATION Nebst den individuellen Bedingungsfaktoren wurden auch viele institutionelle Ursachen für den schulischen Misserfolg genannt. Folgende Gründe konnten eruiert werden: • • • «Also vor «Also sie haben sich wirklich einen Scheiss darum gekümmert, was bei mir los ist. Kurz gesagt, also meine Lehrerin hat sich nicht interessiert, meine Klassenlehrerin. Niemand. Niemand. Niemand. Und ich meine, wenn sie sich nicht interessieren, dann ist das nicht mein Problem, dann erzähl ich denen das auch nicht, dann mach ich so weiter, wie ich weitermachen will und dann interessiert es mich auch nicht, was sie dann sagen.» (J1_m_1). «Haben mich die Lehrpersonen nicht respektiert, dann habe ich sie auch • «Nein, ich war am Telefon, niemand hat etwas gesagt. Ich habe geschrieben, • • «Sie hat «Das weiss ich auch nicht. Ich glaube, wegen meinem Betreuer dort in der Schule. Ja, und den habe ich nie ernst genommen und ich glaub, das hat ihn gestresst (Pause). Regelverstösse • «Ja, also ich • «Ja ich durfte gar nicht mehr, weil ich ja, sie haben mich einfach weg geschickt, weil das Time-Out ja eigentlich schon nicht funktioniert hat, ‚dann nehmen wir dich nicht mehr’.» • «Und dann ja, ich war ziemlich ein Problemkind. Also, ich bin wirklich (Pause) im Monat Entscheide der Schulleitung • «Sie haben nur gesagt, ‚für uns ist alles erledigt’. Also wir hatten schon eine Sitzung mit auch versucht zu erklären, dass ich als Mensch mich entwickelt habe und Fortschritte gemacht habe und so, aber ich glaube, sie haben schon vorher entschieden, dass sie mich nicht mehr wollen, so als Störfaktor. Aber ich verstehe nicht, warum. Ich meine, ich habe niemanden in der Schule abgeschlagen.» (J1_m_1) Jeder der drei Jugendlichen weist einen anderen ausschlaggebenden Grund für den Schulausschluss auf. Während der erste interviewte Jugendliche aufgrund des Scheiterns des schulischen Time-Outs nicht wieder in seine ehemalige Klasse zurückkehren konnte und somit ausgeschlossen wurde («Ja nachher hat es wollten sie mich dann auch nicht mehr. Und dann wurde ich ausgeschult.» (J1_m_1)), waren beim zweiten Jugendlichen die Verhaftung durch die Polizei und die anschliessende Unterbringung in Untersuchungshaft der Grund: «Ja also ich muss sagen, ich hatte viel zu tun mit der Polizei.» – «Also ab dann, als du schon DOKUMENTATION draussen warst oder schon vorher?» – «Nein, schon vorher und das war auch der Grund, wieso ich raus- Beim letzten Jugendlichen führte eine Anhäufung verschiedener Ursachen zum Drop-Out. Einerseits verhielt er sich respektlos gegenüber gewissen Lehrpersonen, verweigerte bei diesen die Mitarbeit im Unterricht und nützte gleichzeitig sein Arztzeugnis aus Diese Kategorie fasst die Reaktionen der Eltern und Freunde auf den Schulausschluss zusammen. • «Ich habe mit meiner Mutter geredet und dann hat sie gesagt ‚Ja, das kann passieren, • • «... aber sonst, als ich r «Nein, also ich habe das damals halt gemacht. Ich war der Junge von früher, aber wichtig im Leben ist, dass man aus Fehlern lernt und ehm ja (Pause) irgendwann habe ich dann mal gesagt, es kann ja nicht sein, dass sie mich immer verhaften • «Meine Eltern waren wirklich ziemlich enttäuscht von mir, muss ich sagen. Meine Eltern hatten mich gar nicht mehr gern. Also gern haben sie das Kind ja immer, • «Ja Kollegen waren enttäuscht, aber sie haben mich auch verstanden, weil ich meine, ich habe ihnen dann alles erklärt, so wie es war, so wie ich es jetzt da erklärt habe und sie fanden auch, das sei so unfair und sie verstehen mich.» (J1_m_1) «Es war zwei Wochen • 5.1.8 Kategorie: Situation nach dem Schulausschluss a) Freizeit Die erste Zeit nach ihrem Schulausschluss haben die Jugendlichen sehr ähnlich verbracht: Sie hingen herum, waren arbeitslos, machten nichts, trafen Kollegen und kifften. Seine Situation nach dem Drop-Out beschreibt einer der jungen Männer folgendermassen: «Dann bin ich, ja, (Pause) drei Jahre arbeitslos gewesen (Pause) habe, äh, Drogen konsumiert, also Cannabis, nichts Schlimmes und das war auch genau das, warum ich so lange arbeitslos war, weil ich alles auf den nächsten Tag verschoben habe. […] Ja, also Anschliessend nahm er Gelegenheitsjobs an, bis er eine feste Anstellung als Gipser auf dem Bau bekam, wo er auch heute noch arbeitet. Ähnlich erging es einem anderen Jugendlichen: «Also als ich dann einen Monat arbeitslos war (Pause), dann habe ich ein bisschen Scheiss gemacht, aber ich habe nachher schnell daraus gelernt.» Er arbeitete ein Jahr temporär, bis er eine Lehre als Heizungsmonteur begann («Ja, also, ein Jahr bin ich so, Der jüngste der drei Jugendlichen beschreibt einen seiner typischen Tagesabläufe wie folgt: «Mmmh, ich, also, mein Tagesablauf. Also dafür müsste ich am Abend vorher schon anfangen, ungefähr so um elf. Also, DOKUMENTATION vielleicht gegen eins, zwei am Morgen schlafen gehen, dann am eins, zwei mittags wieder aufstehen. Ab und zu elf, ab und zu sogar um drei Mittags, kommt drauf an. Ähm (Pause) dann bin ich am Abend raus, also parat machen, dann bin ich einfach raus nach Zürich. Ähm (Pause) dann habe ich mich mit Kollegen getroffen (Pause) und äh in dieser Zeit habe ich auch viel mehr gekifft. Nachher, weil ich eben arbeitslos war und nichts zu tun hatte, habe ich einfach viel mehr als früher. Früher war es wirklich nur am Wochenende, nachher also auch unter der Woche ein bisschen gekifft (Pause) unter der Woche läuft ja auch ab und zu Ausgang oder sonst was und dann sind wir vielleicht einmal in den Ausgang gegangen oder so und einmal auch nicht. Sonst bei Kollegen geschlafen, die am nächsten Tag frei hatten oder so. Und ja, es gab viele Varianten.» (J1_m_1) Nach dem Schulabbruch hat sich der Freundeskreis der Jugendlichen verändert, wie dieses Beispiel zeigt: «Freundeskreis verändert sich auch relativ krass, also ja. Kollegen die arbeiten sind hier und die anderen Kollegen, die nicht arbeiten, sind dort und dann hängt man eben mit denen von dort statt mit denen von hier.» (J1_m_1) 5.1.9 Kategorie: Situation heute Zwei der drei Jugendlichen haben eine Anschlussmöglichkeit gefunden. Während einer eine Lehre als Heizungsinstallateur absolviert, hat auch der andere eine Anstellung gefunden: «Und jetzt bin ich auf dem Bau als Gipser (Pause) und ehm ja, so wie ich es sehe (Pause), meine Fortschritte sehe. Ich habe sehr grosse Fortschritte gemacht. Ich arbeite, ich arbeite, ich habe auch Der dritte Jugendliche hat sich für ein Motivationssemester beim RAV angemeldet und möchte dort seinen Schulabschluss nachholen: «Ich bin jetzt im RAV angemeldet. Motivationssemester. So für den Abschluss. Eh und dann fange ich einfach mal an dort zu arbeiten, Schule und schaue für eine Lehrstelle und gut ist.» (J1_m_1). Nach dem Schulabbruch hat sich der Freundeskreis der Jugendlichen verändert. Es kam zu Brüchen, wie folgende Aussagen zeigen: • • «Ja wir haben «Ich habe auch den Kontakt abgebrochen. Also von einem Tag auf den anderen nichts mehr miteinander zu tun gehabt (Pause) weil ich kann nicht mit ihm zusammen sein und zuschauen, wie er sich kaputt macht. Das kann ich nicht und ihm das einreden In zwei Fällen besteht noch Kontakt zur ehemaligen Lehrperson, wenn auch sehr eingeschränkt («Ja, ich habe ihn letztens getroffen und dann haben wir ein bisschen geredet, aber so grossen Kontakt haben Da die Lehrkraft dem einen der Jungen nachträglich zu einer Lehrstelle verholfen hat, scheint der Kontakt gut zu sein, wie folgende Aussage zeigt: «Ja mit ihm ist es gut, habe noch Kontakt (Pause). Mit ihm habe ich schon noch ein bisschen Kontakt, auch wegen der Lehre und so. Lediglich ein Jugendlicher ist negativ auf DOKUMENTATION einzelne Lehrkräfte, wie auch auf die Schulleitung, zu sprechen: «Herrn Zappia kann ich auch nicht mehr ernst nehmen. Wenn ich ihn irgendwo auf der Strasse sehe und er sagt ,Hallo Kilian’ (Pause), dann bin ich schon weg. Ich schaue ihm nicht mal mehr in die Augen. Wenn er ‚Hoi’ sagt, sage ich ihm so ‚Hoi’ [kaum hörbar] und dann verpiss ich mich (Pause). Dann fühl ich mich arrogant zu meinen alten Lehrern, arrogant.» (J1_m_1). Aus den Gesprächen war herauszuhören, dass sich die Jugendlichen mehr Lehrpersonen wünschten, die ihnen zuhörten und mit ihnen das Gespräch gesucht hätten. Auch sinnvolle Konsequenzen wären an und für sich wichtig. Einstimmig war zu vernehmen, dass eine funktionierende Schüler-Lehrer-Beziehung der Schlüssel zum Erfolg sei. Die unterschiedlichen Aussagen der Jugendlichen wurden in die Unterkategorien Schüler-Lehrer-Beziehung, individuelle Faktoren, Familiäre Situation und institutionelle Faktoren unterteilt und mit Beispielen illustriert. • • • • • • • • • «Von einem Lehrer erwarte ich, also ich meine, die sind wirklich auf Abstand geblieben und ich war überall. Ziemlich oft war ich in Schulen. Zuerst Ruggi 1, dort waren Frau B??? und Frau B??? und die hatten einen ziemlich guten Kontakt zu Schülern und äh, wenn etwas nicht stimmte und sie gesehen haben, dass einer ein bisschen traurig ist oder sonst etwas, dann haben sie gefragt, was los ist und so und das war bis jetzt wirklich überall in der Schule so.» (J1_m_1) «Dort konnte man schauen, wem es Scheisse geht. Es gab immer wieder so Gespräche, vereinzelte Schüler an einem Freitag zum Fragen, was los ist.» (J1_m_1) «Phu, das ist schwierig zu sagen. Ja, das ist, was hätte man machen können (Pause) «Sie müssen sich einfach mal ein bisschen mehr mit den Leuten befassen, mit den Jugendlichen befassen, einfach ein bisschen mehr auf sie zugehen.» (J1_m_1) «Er hat mit uns «Also wenn es die gleichen Lehrpersonen wären, ich hätte mich glaub nicht gross verändert, weil wenn die Lehrpersonen mir nichts sagen, was ich machen soll, dann mache ich «Also was ich bei mir bemeckern kann, ist, dass ich das Gefühlt hatte, dass ich, als ich in der Sek angekommen bin, dass ich mir nicht mehr so viel Mühe geben muss. Das war auch der Grund, warum es in der zweiten Sek überhaupt bergab gegangen ist.» (J1_m_1) «Nein, das kam von mir aus (Pause). Leute können dir so viel einreden, wie du willst. Wenn ich etwas machen will, dann mach ich das. Die Person kann mir sagen, dass das schlecht ist, es interessiert mich nicht, Ich mach’s, weil ich es machen will, aber auch, wenn es schlecht ist. Aber irgendwann macht es da oben selber ‚Hey, irgendetwas stimmt nicht’.» «Im Militär ist es ja genau so bei so Spezialtruppen, dass, wenn bei einem von zu Hause etwas nicht gut ist, dann belastet das die Mannschaft, dann lenkt das ab, dann kann er sich DOKUMENTATION • • • • nicht auf das Eigentliche konzentrieren. Darum ist es wichtig, dass zu Hause alles gut ist.» (J1_m_1) «Was ich von der Seite der anderen bemeckern kann, ist eben nur das, dass ich halt vom Lernstudio raus und zum Vater gekommen bin. Beim Vater hat sich alles selber aufgebaut, gemacht und nachher ist wirklich alles, das nachher gekommen ist, ist bergab gegangen.» (J1_m_1) «Vor allem im Lernstudio war das so. Im Lernstudio waren wir ja nur fünf Schüler in der Klasse und ähm (Pause) dort konnten sie wirklich am besten auf einen schauen, das ist ja klar, fünf Schüler.» (J1_m_1) «Es war alles eine andere Atmosphäre. Also alles. So viel liebere Leute, alles so, keine Ahnung, besser erzogen, so, ja.» (J1_m_1) «Ja wären die Lehrer besser gewesen, wäre ich auch besser gewesen. Aber wenn die • «Er hat gezeigt Konsequenzen, wenn man irgendwie Scheiss gebaut hat. Ja, da hat es Konsequenzen • «... ja (lacht) die haben mich jeden Tag nach Hause geschickt, die anderen Lehrer. Und er so ‚Du bleibst jetzt länger da, bis das fertig ist und das nach der Schule.’ (Pause) Die anderen wollten nicht nach der Schule dort bleiben (Pause). So Sachen halt. Strafen, In diesem Kapitel sollen die Ergebnisse der Interviews mit den Lehrpersonen anhand der gebildeten Kategorien präsentiert und die Codes der einzelnen Kategorien zusammengefasst werden. Die Schulkarrieren der drei Jugendlichen verliefen verschieden. Der Übersicht halber und weil die Lehrpersonen unterschiedlich viele und aussagekräftige Äusserungen zu den Themen Schulwechsel/Gründe für die Schulwechsel und schulische Entwicklung gemacht haben, werden die Aussagen der Lehrpersonen jeweils zum betreffenden Schüler der Reihe nach dokumentiert. Laut Beschreibung der Lehrperson kam der Schüler «nach den Herbstferien irgendwann, zweite, dritte Woche nach den Ferien» (LP1_w_1) zu ihr in die Klasse. Wie folgt beschrieb sie den Schulwechsel: «Er war in einer Privatschule und sie fanden, sie haben keinen Platz mehr für ihn und dann ist er zum Vater nach Wallisellen […] also sie haben ihn nicht rausgeschmissen, sie haben nur gesagt, im nächsten Jahr nicht mehr und dann ist er, fand er ‚Beim Vater ist es dann eh besser’ und ist freiwillig zum Vater nach Wallisellen. Dann hat der Vater ihn ja von zu Hause rausgeworfen und nicht, weil’s nicht geklappt hat, und dann ist er wieder zur Mutter und sie wohnt ja eben in Regensdorf.» (L1_w_1). DOKUMENTATION Das grundsätzliche Problem dieses Schülers war, dass er laut Aussagen der Lehrperson weder sein Material dabei gehabt, noch während dem Unterricht mitgearbeitet hat («Er hatte halt nie sein Zeug. Er hat grundsätzlich nie etwas gemacht.» (LP1_w_1). Dennoch wunderte sie sich, dass seine schulischen Leistungen so schlecht waren, da sie ihn eigentlich für einen intelligenten, kreativen Jungen hielt («Ich fand’s krass, dass er in der Schule so schlecht ist, weil er ist glaub schon intelligent.», «Er ist extrem kreativ.»(LP1_w_1)). Der Jugendliche J2_m2 kam in der zweiten Klasse der Oberstufe von einer öffentlichen Sekundarschule in eine Kleingruppenschule da er in der Volksschule nicht mehr tragbar war. Gründe für diesen Schulwechsel waren folgende: • «Er hat sich sehr viele Respektlosigkeiten, du musstest ihm schon zeigen, wer da der • «Also der Heinz Köbeli war ja ein Master of Investigation, der hat da wie ein Kriminalpolizist hat er da akribisch seine Dings (Pause), seine Netze ausgelegt und weiss ich nicht was und Luca war halt einer, der ist vermutlich regelmässig dort reingetreten Zur schulischen Entwicklung dieses Jugendlichen wurden während dem Interview kaum bis keine relevanten Aussagen gemacht. Aus den Erzählungen des Jugendlichen lässt sich jedoch erkennen, dass er seine Hausaufgaben nicht gemacht hat und seine schulischen Leistungen dementsprechend ungenügend waren (vgl. Kapitel 5.1.5). Wie auch der Jugendliche J2_m2 kam J3_m_2 in der Oberstufe von einer öffentlichen Sekundarschule in eine Kleingruppenschule, da er in der Volksschule nicht mehr tragbar war. • «Marco hatte ganz eine schwierige Vergangenheit hinter sich (Pause). Ich tippe darauf, dass, wenn die Schwierigkeiten zu gross geworden sind, hat seine Mutter einen Ortswechsel vollzogen. Also sie war immer ein bisschen umher, zuerst waren sie in Luzern oder in Bern und dann sind sie nach Zürich gekommen • «Dann Die schulische Entwicklung war sehr stark von der Lehrperson abhängig, die ihn in dem entsprechenden Fach unterrichtete. Während er in den einen Fächern Fortschritte machte, verweigerte er in anderen Lektionen die Mitarbeit. DOKUMENTATION • «Als kleines Beispiel: Er durfte sicher monatelang nicht mitturnen, musste immer zuschauen. Er war ein bisschen, er ist ein bisschen, ist ein bisschen unkoordiniert gewesen in seinen Bewegungen, aber durchaus motivierbar (Pause) und er hat am Schluss sehr gerne Sport gemacht. In meinen Sportstunden ist er aufgeblüht und ich meine, in einer Volksschule, in einer Primarschule, auch in einer Sek, einfach monatelang nur zuschauen lassen im Sport, also wenn der dann ein bisschen komisch wird, das ist • «Ich habe eigentlich sein Talent immer erkannt und wollte ihn fördern, aber er wurde immer extrem ausfällig bei Leuten, vor denen er einfach keinen Respekt hatte. Nicht ein Die Lehrpersonen beschreiben das Verhältnis der Jugendlichen zu den Lehrpersonen unterschiedlich. Während die Lehrpersonen LP2_m_2 und LP3_m_2 eine gute Beziehung zu den jeweiligen Jugendlichen hatten, sagen sie auch offen, dass das Verhältnis zu anderen Lehrkräften im Team sehr schwierig war: «Ich glaube, der einzige, auf den er wirklich gehört hat, war schon ich und ich konnte ihm auch irgendwo eine Auch war sich das Kollegium im Falle des Schülers J3_m_2 uneinig, wie man aufgrund seines Verhaltens mit ihm verfahren musste. Auch die Meinungen über den Schüler an sich gingen auseinander, wie folgende Aussage zeigt: «Meine Teamkollegen würden sagen ‚Ja schon viel früher hätten wir ihn rausstellen müssen’, aber das ist nicht mein Credo. Ich versuche, bis zum letzten Atemzug versuche ich meine Schüler irgendwo ans Ziel zu bringen. Aber leider gelingt es mir auch nicht immer.» Die Abneigung des Schülers J3_m_2 gegenüber einer seiner Lehrpersonen konnte von seiner ehemaligen Lehrkraft ein Stück weit nachvollzogen werden. Laut ihrer Aussagen hatte sie auch im Kollegium nicht sehr viel Rückhalt: «Weisst du, die, die wir jetzt hatten, von der Marco erzählt hat, weisst du, schon am Morgen früh mimimimimimi [genervte Tonlage] (lacht). Das war wirklich so eine, oder. So eine, die mir, allen auf Heute arbeitet sie nicht mehr an dieser Schule. Eine andere Lehrperson beschreibt, dass der Jugendliche J2_m_2 grosse Aversionen gegenüber der Lehrkraft hatte, die veranlasste, dass er von der Volksschule in die Kleingruppenschule versetzt wurde. Er erzählt bezüglich dieser Situation: «Der hat sich verbissen. Sagen wir in seiner Idee, einerseits den Köbeli auf den Mond zu schicken und andererseits (Pause) dem Ruggenacher Böses zu tun und die haben, die sind dann da eingestiegen und haben dann da Zeug geklaut und also, das waren schon ziemlich schwere Anscheinend war er aber nicht der einzige Jugendliche in diesem Umfeld, der einen Groll gegen diese Lehrperson hegte («Also ich habe mehr als einen müssen oder dürfen beruhigen, dass er «Wie gesagt, ich bin an ihn gar nicht rangekommen (Pause).» (LP1_w_1), sagte die Lehrperson im Falle des Knaben J1_m_1 über ihn. Sie beschreibt ihn als einen Jugendlichen, der sehr schwer zu greifen gewesen sei, was das Aufbauen einer Beziehung zu ihm erschwerte («Ich konnte ihn gar nicht greifen. Das war richtig schwierig.» (LP1_w_1)). Weil der Schüler schwer zu fassen war, keine Hausaufgaben machte und sich auch nicht am Unterrichtsgeschehen beteiligte, neigte seine Klassenlehrperson dazu, ihn zu ignorieren: «Ich hab ihn halt viel ignoriert im Unterricht, weil wenn er dann da rumgestöhnt hat, dann, dann hab ich ihn am besten einfach ignoriert und dann irgendwann war’s mir dann egal, ob er seine Hausaufgaben hat oder nicht, dann habe ich ihn halt heimlich leise aufgeschrieben und gefunden ‚du, nichts gemacht’ (Pause)» (LP1_w_1). Mit der Zeit begann sie zu resignieren, da er auf ihr Verhalten ebenfalls keine Regung zeigte und sie nicht wusste, was man noch machen könnte oder welche Reaktionen in seinem Fall sinnvoll gewesen wären («Okay ich habe ihn nicht jedes Mal zusammengeschissen, vielleicht hätte er das gebraucht, dass DOKUMENTATION ich ihn anschreie, wieso er seine Hausaufgaben nicht hat, aber ich habe nur gefunden, ja. Und irgendwann fängt man dann halt an zu sagen, ‚Ja macht er halt wieder nicht mit, kuckt wieder aus dem Fenster, hat er halt sein Zeug nicht dabei, hat er seine Hausaufgaben nicht gemacht, okay’.» (LP1_w_1)). Während der Gespräche konnten eine Vielzahl von Ursachen für den Drop-Out herauskristallisiert werden. Zur Übersicht werden diese einzeln aufgezeigt und mit Äusserungen dokumentiert. Fernbleiben des Unterrichts Nur eine der interviewten Lehrpersonen hat erwähnt, dass der Schüler den Unterricht aktiv geschwänzt hat: «Er hat geschwänzt. Er hat, das hat sich alles kumuliert.» (LP1_w_1) Sozialverhalten Zum Sozialverhalten der Jugendlichen in den jeweiligen Klassen im Bezug auf ihre Mitschülerinnen und Mitschüler wurden seitens der Lehrkräfte keine Aussagen gemacht. Arbeitsverhalten Während der Schüler J3_m_2 je nach Lehrperson gut oder schlecht mitarbeitete, verweigerte der Jugendliche J1_m_1 eigentlich so gut wie jegliche Beteiligung am Unterrichtsgeschehen («Der, der hat einfach nichts gemacht.» (LP1_w_1)). Zum Schüler J2_m_2 liegen keine konkreten Informationen vor. Es wurden lediglich über zwei Familien Aussagen gemacht. In beiden Fällen (J1_m_1, J3_m_2) handelte es sich um sehr nette, zuvorkommende, alleinerziehende Mütter, die mit der Situation ihrer Jungen überfordert waren niert. Sie ist einfach völlig überfordert.» (LP1_w_1) Nebst den individuellen Bedingungsfaktoren wurden auch viele institutionelle Ursachen für den schulischen Misserfolg genannt. Folgende Gründe konnten eruiert werden: • «Aber er ist immer extrem ausfällig geworden bei Leuten, vor denen er einfach den (Pause) Regelverstösse • «Jaja, jaja und die, die sind also verhaftet worden, also aufgezeichnet worden und alles. • «Wir waren noch im Skilager mit ihm und dann kam er in U-Haft und dann haben wir ihn nie mehr gesehen (Pause). Wenn einer in U-Haft kommt, dann äh, dann hat er keine • «Wir wussten, und das war ganz klar, er schwänzt und das, das, das ist halt auch ausschlaggebend, wenn jemand immer nicht in die Schule kommt und wenn er kommt, dann ist er nicht äh vorbereitet und ich denke, das, das reicht dann wahrscheinlich schon.» (LP1_w_1) DOKUMENTATION Entscheide der Schulleitung • «Es war von ja und eben, ich hab das dann gar nicht gecheckt, dann hiess es auf einmal, ‚Der kommt am Montag nicht mehr’ und ich war wirklich gespannt, kommt er noch oder kommt er nicht. Ich war gar nicht richtig informiert. Ich wusste das nicht (Pause) ja wirklich, ich bin am Montag in die Schule ‚Ist er jetzt da oder nicht da?’» – «Auf jeden Fall mit der nicht eingeladen, das ist gar nicht mit mir gelaufen.» (LP1_w_1) schluss: Zitat «Das ging extrem schnell. Das ging selbst für mich ein bisschen schnell. Da ist ehm (Pause) glaub nichts passiert. Er hat geschwänzt, er hat, das hat sich alles kumuliert (Pause)» (LP1_w_1) J1_m_1 Nichteinhalten der Regeln im schulischen Time-Out «Das schulische Time-Out, das ging extrem schnell. Das haben sie mir, ich war nur die Person, die noch schnell etwas dazu gesagt hat (Pause) aber ich war gar nicht in die Entscheidung involviert.» (LP1_w_1) «Ich hab das gar nicht gecheckt, was das für eine Schule genau ist und ‚aha, das ist ein Time-Out, aber kommt der wieder?’ – ‚Ne, der kommt nicht mehr’, das war von Anfang an klar, der kommt nicht mehr.» (LP1_w_1) J2_m_2 J3_m_2 Verhaftung durch die Polizei und anschliessende Inhaftierung in Untersuchungshaft Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tabelle 7: Ausschlaggebender Faktor für den Drop-Out «Wir waren noch im Skilager mit ihm und dann kam er in U-Haft und dann haben wir ihn nie mehr gesehen (Pause). Wenn einer in U-Haft kommt, dann äh, dann hat er keine Berechtigung mehr heute bei uns weiter ei- «Wenn einer von der Polizei abgeführt wird und eine Woche in U-Haft ist, dann ist das natürlich für uns, da haben wir keine weitere Grundlage mehr, ihn weiter zu «Es ist auch die Schwierigkeit in so einer Schule, wenn ich Schulleiter bin und ich (Pause) ich will die Schüler ja alle irgendwo ans Ziel führen. Wenn die mir einfach am Schluss die Situation verunmöglichen (Pause), dann muss ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen und muss dann halt die Leute, auch wie jetzt bei Marco, kurz vor vor vor Schulschluss, einen Monat vor Schulschluss, musste ich ihn dann von der Schule DOKUMENTATION Zwei der drei Lehrpersonen machten keine konkreten Aussagen betreffend des Umgangs und der Reaktioleitung. Einzig die Lehrperson LP1_w_1 gab an, auch nach dem Drop-Out noch telefonischen Kontakt mit der Mutter des Schülers gehabt zu haben: «Ich habe später nochmals mit ihr telefoniert. Ich weiss gar nicht mehr, ich glaube, ich habe mich verwählt, irgendwie so und dann haben wir lange gesprochen und sie so, sie konnte sich gar nicht mehr bei mir bedanken, ich habe mich ja eingesetzt. Das war auch so.» (LP1_w_1) 5.2.6 Kategorie: Situation heute Die Situationen der Lehrkräfte heute sehen sehr unterschiedlich aus. Was allen gemein ist, dass es auch nach dem Schulausschluss wieder Zusammentreffen der Jugendlichen mit den Lehrpersonen gab. Während LP2_m_2 und LP3_m_2 ihre ehemaligen Schüler in der Freizeit trafen («Ich habe ihn dann irgendwann , suchte der Knabe J1_m_1 das Schulhaus auf. Das Verhältnis zu dieser Lehrperson schien angespannt, wie ihre Erzählungen annehmen lassen: «Er war ein paar Mal da und dann, wann war das, in der letzten Schulwoche sind wir (Pause) war es der letzte Schultag? (Pause) Oder am vorletzten Schultag sind wir zum Bowlen nach Dielsdorf , da ist er mit uns zum Bahnhof und hat dort gewartet, bis wir gehen. Er hat halt eine nach der anderen geraucht. Der kam eigentlich gar nicht zu mir und ich bin dann zu ihm hin, hab ihm die Hand gegeben ‚Wie geht’s dir?’ und er wollte eigentlich nicht mit mir reden.» (LP1_w_1). Im Gegensatz zum obigen Beispiel war in den ersten beiden Fällen das Zusammentreffen positiv. Man freute sich, sich zu sehen. Ein Knabe war sehr stolz darauf, dem Lehrer erzählen zu können, dass er eine Anstellung gefunden habe und nun seinen eigenen Weg gehe: «Dann sehe ich den Luca und dann hatten wir Freude, uns wieder zu sehen und er war stolz darauf, dass er nicht mehr im Elend ist und dass er krampft und dass er Gas gibt.» Im Gegensatz zu ihm konnte dem Jugendlichen J3_m_2 die Lehrperson im Nachhinein sogar eine Lehrstelle vermitteln: «Und jetzt auch später noch, als ich ihn wieder einmal gesehen habe, irgendwo in der Stadt herumbambeln, konnte ich ihm den Steilpass geben für sein Vorpraktikum für die Lehre, in «Eine Beziehung. Es geht ja eben immer wieder um die Beziehungsfähigkeit.» Grundlegend für einen schulischen Erfolg und eine positive Zusammenarbeit sei die Beziehungsfähigkeit. Dadurch wird erreicht, dass die Jugendlichen die Lehrperson respektieren. Somit kann eine Grundlage geschaffen werden, auf der man aufbauen kann: «Das sage ich jetzt einfach mal aus dem Bauch heraus. Auf der Basis, dass du mit ihm in eine Beziehung gekommen bist und dass er einen gewissen Respekt vor dir hat und gegenseitig und gespürt hat, dass du ihn, gewisse Sachen respektierst. Und das ist der Schlüssel, der Boden, dass du mit diesen jungen Menschen arbeiten kannst und wenn sie das Gefühl haben, dass du Wichtig sei ebenfalls, dass eine Lehrperson ihre Schülerinnen und Schüler fair behandle («Ja weil sie sich . Andernfalls führt dies zu negativen Gefühlen und Frustrationen seitens der Jugendlichen, wodurch eine fruchtbare Zusammenarbeit verunmöglicht wird. Auch dürfe man diese jungen Leute auf keinen Fall verachten: «Verachtung. Wenn du einen jungen Menschen verachtest, dann, dann wird er dir eines Tages das Leben auch schwer machen (Pause). DOKUMENTATION Diese Lehrperson berichtete davon, dass einem ehemaligen Kollegen mehrehemaligen Schüler unfair behandelt gefühlt hatten und sehr frustriert waren. Des Weiteren ist es unabdingbar, den Schülerinnen und Schülern klare Grenzen zu setzen, die Rollenverteilung innerhalb der Klasse zu klären und sinnvolle Konsequenzen für Widerhandlungen oder Regelverstösse aufzuzeigen. LP2_m_2 beschreibt dies wie folgt: «Ja, absolut, absolut. Sie wollen ganz klar wissen, wo sind meine Grenzen. Aber irgendwo wollen sie auch spüren, dass du, dass du ihnen, dass du sie schon respektierst und dass du ihnen helfen willst, eigentlich. Dass das ein gewisses Grundmotiv ist.» Zwei Lehrpersonen gaben an, dass auch die Zusammenarbeit im Team ausschlaggebend sei: «Also ich denke, mit dem Team, was wir jetzt haben (Pause) wäre der Marco, hätte er, hätte er es geschafft. Also Auch die krete Angaben, wie mit den einzelnen Schülern, besonders im Falle eines Schulwechsels, zu verfahren sei: einfach einen Schüler bekommen und dann heisst’s ‚Mal schauen’ (Pause). Ja, mit der Idee, es läuft eh nicht, ist das echt ein bisschen schwierig.» (LP1_w_1). Auch würde sie als Lehrperson an ihrem Verhalten zwei Dinge in Zukunft ändern: • «Was die Schulleitung sagt, war für mich damals ‚Okay, Finger weg, das ist nicht deine Aufgabe’. Und heute würde ich, glaube ich, mehr auf den Tisch hauen ‚Hey, was lauft? Was ist das Ziel? Was ist meine Aufgabe?(Pause) Und was passiert?’ (Pause) Weil ich einfach inzwischen nicht mehr alles glaub, was die sagen.» (LP1_w_1) • «Heutzutage würde ich jetzt sagen, würde er halt nochmals eine Extrastunde mit dem IF, mit dem Heilpädagogen bekommen, oder keine Ahnung, wo er wirklich betreut wird, von der Sozialarbeit, weil ich war damals alleine. Ich hatte niemanden.» (LP1_w_1) BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN 6. Beantwortung der Forschungsfragen In diesem Kapitel werden die Forschungsfragen anhand der gewonnenen Ergebnisse beantwortet. 6.1 Forschungsfrage 1 Wie wird ein Schulabbruch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen erlebt? Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage werden vor allem die Ergebnisse aus den Kapiteln 5.1.1 bis 5.1.7 für die Jugendlichen sowie 5.2.1 bis 5.2.5 im Bezug auf die Lehrpersonen zusammengefasst. Die Dokumentation umfasst das Erleben der allgemeinen schulischen Laufbahn bis zum Moment des Schulausschlusses und bezieht auch Reaktionen von Eltern und Freuden mit ein. Zudem wird berücksichtig, was als ausschlaggebenden Faktor genannt wurde, da dies oftmals auch zusammenhängend mit dem subjektiven Erleben und der Wahrnehmung des Drop-Outs ist. Die Berichte der Lehrpersonen sowie der Jugendlichen werden der Übersicht halber getrennt ausgewertet und aufgeführt. Abschliessend wird auf die anfangs gestellte Hypothese eingegangen: Lehrpersonen nehmen einen Schulabbruch negativer wahr als die betroffenen Jugendlichen. a) Berichte der Jugendlichen Keiner der drei Jugendlichen berichtete, dass seine Schulzeit ausschliesslich positiv oder negativ war. Bei allen gab es Abschnitte, die sie durchaus positiv in Erinnerung haben und sie gerne zur Schule gingen. Dieernst genommen, war der Schulbesuch keine Qual. Anders ging es ihnen, wenn sie sich von Lehrpersonen unfair behandelt gefühlt oder den Eindruck hatte, dass man sie nicht respektiere. Diese negativen Gefühle fanden auch ihn ihrem Verhalten Ausdruck. Einerseits wurde die Mitarbeit im Unterricht verweigert, andererseits wurden sie ausfällig gegenüber der Lehrkraft. Die Phase kurz vor dem Schulausschluss wurde von den drei Jugendlichen sehr unterschiedlich erlebt. Ein Knabe (J1_m_1) fühlte sich unfair behandelt. Er hatte den Eindruck, man wolle ihn möglichst schnell abfertigen und loswerden. Für ihn war das Durchlaufen dieser Phase schlimm. Er war der Meinung, dass man ihn nicht ernst nahm, nicht auf seine persönliche Situation einging und dass sich die Lehrpersonen inklusive Schulleitung schon von Beginn an vorgenommen hatten, ihn möglichst schnell auszuschulen. Auch den Besuch eines schulischen Time-Outs empfand er als kontraproduktiv. Er fühlte sich übergangen. Die Mutter bestätigte, dass alle Entscheidungen in seinem Fall sehr schnell getroffen wurden und für sie che keine Anschlusslösung hat und zur Zeit zu Hause ist, hat der Schulabbruch für ihn nur negative Seiten. Die anderen beiden Jugendlichen berichten anderes. Während ein Knabe (J2_m_2) für alle Betroffenen ziemlich unerwartet ausgeschult wurde, da er aufgrund eines Deliktes von der Polizei aufgegriffen und in Untersuchungshaft genommen wurde, war der Schulausschluss beim Jugendlichen J3_m_2 absehbar. Beide empfanden den Schulabbruch nicht als ausschliesslich negativ. Sie sagten, er war für sie wichtig, damit sie BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN den Ernst der Lage erkennen und aus diesem Fehler lernen konnten. Dass der Drop-Out in ihren Augen nicht grundsätzlich schlecht ist, könnte auch damit zusammenhängen, dass beide Jugendlichen heute eine Anschlusslösung gefunden haben (J3_m_2 absolviert eine Lehre als Heizungsinstallateur, J2_m_2 arbeitet auf dem Bau als Gipser). Den Interviews ist zu entnehmen, dass vor allem die Familien der betroffenen Jugendlichen diesen Einschnitt als negativ erlebten. b) Berichte der Lehrpersonen Wie auch die Jugendlichen erlebten die Lehrpersonen den Schulabbruch ihres damaligen Schülers unterschiedlich. Die Lehrkraft LP1_w_1 hat den Drop-Out als schlechte Erfahrung in Erinnerung. Dies kommt daher, dass sie einerseits kaum in das Verfahren sowie die Entscheidung miteinbezogen wurde und andeden Eindruck hatte, den Schüler erreichen und im Zeichnen fördern zu können. Der Informationsaustausch sowie die betroffene Klassenlehrperson kam der Entschluss überraschend und sie fühlten sich überrumpelt. Im Nachhinein würde sie gerne einiges ändern, mehr für ihren Schüler einstehen und konkrete Informationen einfordern. Die Lehrperson LP2_m_2 hingegen machte keine konkrete Aussage darüber, ob sie den Schulabbruch das Recht verlieren, weiter in der öffentlichen Schule beschult zu werden. Schade sei es trotzdem, dass der betroffene Jugendliche die Schule verlassen musste. einen guten Draht zu diesem Schüler und förderte ihn, soweit es ihm möglich war. Auch stand er immer letzte Phase auch noch mit ihm durchzustehen. Letztendlich musste er jedoch dem Druck des Teams nachgeben und den Entschluss, dass der Junge nicht mehr tragbar sei, akzeptieren. Die Hypothese, dass Lehrpersonen einen Schulabbruch negativer wahrnehmen als die betroffenen Jugendlichen, kann nicht eindeutig bestätigt werden. Das Erleben und die Gefühle, die mit einem Schulabbruch zusammenhängen, sind sehr individuell und von verschiedenen Faktoren abhängig. Man kann sagen, dass nehmen können. Des Weiteren fällt es schwer, einen Schüler oder eine Schülerin gehen zu lassen, zu dem/ der man eine gute Beziehung hat oder sich erste Erfolgserlebnisse erkennen lassen. BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN 6.2 Forschungsfrage 2 Wie erklären sich Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen einen Schulabbruch? Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage sind vor allem die Kapitel 5.1.5 und 5.1.6 sowie 5.2.3 und 5.2.4 von Bedeutung. Die Hypothese zur oben genannten Fragestellung lautet: Der ausschlaggebende Faktor für einen Schulabbruch ist die Beziehung zwischen dem/der Jugendlichen und der Lehrperson. Meist handelt es sich um eine Akkumulation von verschiedenen Ereignissen, die dazu führt, dass ein Schüler oder eine Schülerin von der Schule ausgeschlossen wird. Ein Tropfen also, der das Fass zum Überlaufen bringt. Nur in seltenen Fällen lässt sich der Drop-Out auf ein einzelnes Ereignis zurückführen. Bezüglich der Gründe, wieso es zum Ausschluss kam, konnte durch die Gespräche eine Vielzahl von Erkenntnissen gewonnen werden. Den Interviews war zu entnehmen, dass es in allen Fällen zu einer Anhäufung verschiedener Faktoren kam, die sich negativ auf die Schullaufbahn der Jugendlichen auswirkten. Zum einen waren dies individuelle Bedingungsfaktoren wie beispielsweise das Arbeits- und das Sozialverhalten der Jugendlichen in der Schule, Probleme im System Familie, aber auch institutionelle Faktoren wie Probleme mit den Lehrpersonen oder Regelverstösse. Zur übersichtlichen Darstellung werden die individuellen, die familiären sowie die institutionellen Bedingungsfaktoren getrennt ausgewertet. Bei den individuellen Bedingungsfaktoren spielen vor allem das Sozial- sowie das Arbeitsverhalten eine wichtige Rolle. Sozialverhalten Aufgrund der Aussagen kann festgehalten werden, dass die Jugendlichen sozial auffällig waren. Die Jugendlichen hatten einen wichtigen Status in der Klasse und waren sich ihrer Machtposition bewusst. Nicht selten strebten sie aktiv danach, das Alphatier in der Klasse zu sein. Es wurde auch teilweise Gewalt angewendet, um diese Rolle zu erlangen. Gegenüber den Lehrpersonen verhielten sie sich respektlos und wurden ausfällig, sofern sie das Gefühl bekamen, man würde sie nicht ernst nehmen oder man behandle sie unfair. Gegenseitige Achtung und Respekt sind die Grundlagen für eine funktionierende Beziehung zwischen den Jugendlichen und den Lehrkräften. Das Sozialverhalten sowie die Umgangsformen hingen stark von den einzelnen Lehrpersonen ab. Während sie sich bei einer Lehrperson, von der sie sich ernst genommen und respektiert gefühlt haben, anständig verhielten, wurden sie bei Lehrkräften, die sie nicht mochten, frech und provozierten stark. Alle drei Jugendlichen waren sich bewusst, dass sie sich teilweise unangebracht verhielten und nannten dies als einen Grund, weshalb sie ausgeschult wurden. Aktiv etwas an ihrem Verhalten wollten sie jedoch nicht ändern, da sie den Eindruck hatten, dass die Lehrpersonen sich auch nicht ändern würden. Somit fühlten sie sich im Recht. Ebenfalls nannten die Lehrpersonen Ausfälligkeiten und respektloses Verhalten gegenüber Lehrpersonen als Gründe für den Schulausschluss. Wie auch die Schüler gaben sie an, dass das Sozialverhalten der Ju- BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN gendlichen stark von den Bezugspersonen abhängig war. Konnte eine positive Beziehung zum Schüler aufgebaut werden, hielten sich auch die disziplinarischen Schwierigkeiten im Rahmen. Entstand keine oder eine negativ geprägte Beziehung, eskalierte die Situation des Öfteren. Arbeitsverhalten Alle drei Jugendlichen gaben an, kaum Hausaufgaben zu machen und teilweise die Mitarbeit im Unterricht verweigert zu haben. Einer der Jungen gab an, er sei nicht so der Typ gewesen, der Hausaufgaben gemacht hätte (J2_m_2). Die Aussagen der Schüler stimmen auch mit den Berichten der Lehrpersonen überein. Während der Schüler J3_m_2 je nach Lehrperson bewusst jegliche Mitarbeit verweigerte oder sich aktiv beteiligte, verweigerte der Jugendliche J1_m_1 eigentlich jegliche Beteiligung am Unterrichtsgeschehen. Das Arbeitsverhalten ist also genau wie das Sozialverhalten von der Beziehung zwischen der Lehrkraft und den Schülerinnen und Schülern abhängig. das Verhalten in der Schule, die Schulleistungen sowie den allgemeinen Schulerfolg hatte. Der betroffene Jugendliche empfand seine familiäre Situation als so belastend, dass er an Schlafproblemen litt und sich während dem Unterricht nicht konzentrieren konnte. Auch im Bereich der institutionellen Bedingungsfaktoren sind verschiedene Faktoren für das Verhalten der Jugendlichen und deren Lehrpersonen von Bedeutung. Hierzu gehören vor allem Probleme mit den Lehrpersonen sowie diverse Regelverstösse. Probleme mit den Lehrpersonen basierten auf mangelndem Respekt. Somit besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Beziehungsstruktur zwischen den Jugendlichen und den Lehrpersonen und den Regelverstössen. Eine gute Beziehung vermindert also das regelwidrige Verhalten der Schülerinnen und Schüler. Nebst Regelverstössen in der Schule kamen bei einem der Jugendlichen auch Auseinandersetzungen mit dem Gesetz dazu. Er wurde vermehrt von der Polizei aufgegriffen und verhaftet. Auch die anderen beiden gaben an, schon Kontakt mit der Polizei gehabt zu haben. Wie intensiv dieser Kontakt jedoch war, wurde aus ihren Angaben nicht ersichtlich. Zwei der drei Jugendlichen blieben dem Unterricht fern. Teilweise haben sie am Morgen verschlafen oder schwänzten aktiv. Nur einer der Knaben gab an, die Schule lückenlos besucht zu haben, ausser im Krankheitsfall. Die Hypothese, der ausschlaggebende Faktor für einen Schulabbruch sei die Beziehung zwischen dem/der Jugendlichen und der Lehrperson, kann insofern bestätigt werden, als dass sie ursächlich für das Verhalten der Jugendlichen gegenüber ihrer Lehrkraft ist. Besteht eine gute Schüler-Lehrer-Beziehung, verhält sich der Schüler angemessen und arbeitet mit. Ist die Beziehung schlecht, verweigert er die Mitarbeit, wird ausfällig und provoziert. Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen betonten die Wichtigkeit dieser funktionierenden Beziehung. BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN 6.3 Forschungsfrage 3 Entsprechen die Jugendlichen den Drop-Out-Typologien von Stamm? Wenn ja, wo liegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede? Zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage muss auf alle Interviews Bezug genommen werden. Nur so kann ein differenziertes Bild des betreffenden Jugendlichen entstehen. Anschliessend wird dieses Bild mit den Drop-Out-Typologien von Stamm (2012) verglichen und die daraus folgenden Ergebnisse dokumentiert. Folgende Hypothese ist dabei leitend: Die drei Jugendlichen sind eindeutig den von Stamm festgelegten Typologien zuzuordnen. Stamm (2012) entwickelte aufgrund ihrer Ergebnisse fünf Typen von Schulabbrechern: Schulmüde, Gemobbte, familiär Belastete, Delinquente und Hänger (vgl. Stamm in Ricking/Schulze 2012, S. 110f sowie Theorieteil Kapitel 2.3.4). Der Übersicht halber werden die Übereinstimmungen der drei Probanden mit den einzelnen Typologien aufgezeigt und anschliessend diskutiert. a) Jugendlicher 1 (J1_m_1) Im Folgenden wird in einer tabellarischen Übersicht dargestellt, ob und mit welchen der von Stamm entwickelten Typologien eine Übereinstimmung besteht. Typologie Schulmüde Übereinstimmung • ausgeprägte Schulmüdigkeit • negative Schüler-Lehrer-Beziehung • schulaversives Verhalten aufgrund hoher Belastung • Schulabbruch wird erwartet oder Übereinstimmung vorhanden • Gemobbte • wird gehänselt, Mobbingopfer • Ausgrenzung, Angstzustände, persönliche Motivationsprobleme • brechen Schule meist eigeninitiiert und mit Unterstützung der Eltern ab • ausgeprägte familiäre Probleme haben starke psychische Auswirkungen, welche den Schulerfolg beeinträchtigen/ verunmöglichen Familiär Belastete • Schulabbruch/Fremdplatzierung geschieht durch Fachperson Keine Übereinstimmung Partielle Übereinstimmung BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN Fortsetzung Typologie Delinquente Hänger Übereinstimmung • abweichendes Verhalten • hohes Aggressionspotential • Konsum und Verkauf illegaler Drogen, Körperverletzung und Diebstahl • Unterrichtsstörung, Disziplinprobleme, Schulschwänzen, Schlägereien sowie Respektlosigkeiten gegenüber Erwachsenen • Schwänzen, verbringen Zeit lieber ausserhalb der Schule • konsumieren Cannabis und Alkohol • beliebt bei den Peers, nicht selten Anführer einer Clique • Abbruchsentscheidung/Time-Out wird durch Schule initiiert Kaum Übereinstimmung Partielle Übereinstimmung Tabelle 8: Übereinstimmung Typologien J1_m_1 Der Jugendliche J1_m_1 weist am meisten Gemeinsamkeiten mit dem Typus des Schulmüden auf. Ebenfalls sind partielle Übereinstimmungen mit den Kategorien familiär Belastete und Hänger festzustellen. Eine eindeutige Zuteilung kann jedoch nicht gemacht werden. b) Jugendlicher 2 (J2_m_2) Nachfolgend wird in einer tabellarischen Übersicht dargestellt, ob und mit welchen Typologien eine Übereinstimmung besteht. Typologie Schulmüde Übereinstimmung • ausgeprägte Schulmüdigkeit • negative Schüler-Lehrer-Beziehung • schulaversives Verhalten aufgrund hoher Belastung • Schulabbruch wird erwartet oder Keine Übereinstimmung • Gemobbte • wird gehänselt, Mobbingopfer • Ausgrenzung, Angstzustände, persönliche Motivationsprobleme • brechen Schule meist eigeninitiiert und mit Unterstützung der Eltern ab • ausgeprägte familiäre Probleme haben starke psychische Auswirkungen, welche den Schulerfolg beeinträchtigen/verunmöglichen Familiär Belastete • Schulabbruch/Fremdplatzierung geschieht durch Fachperson Keine Übereinstimmung Keine Übereinstimmung BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN Fortsetzung Typologie Delinquente Hänger Übereinstimmung • abweichendes Verhalten • hohes Aggressionspotential • Konsum und Verkauf illegaler Drogen, Körperverletzung und Diebstahl • Unterrichtsstörung, Disziplinprobleme, Schulschwänzen, Schlägereien und Respektlosigkeiten gegenüber Erwachsenen • Schwänzen, verbringen Zeit lieber ausserhalb der Schule • konsumieren Cannabis und Alkohol • beliebt bei den Peers, nicht selten Anführer einer Clique • Abbruchsentscheidung/Time-Out wird durch Schule initiiert Übereinstimmung vorhanden Keine Übereinstimmung Tabelle 9: Übereinstimmung Typologien J2_m_2 Der Jugendliche J2_m_2 kann dem Typus des Delinquenten zugeteilt werden. Hier sind eindeutig am meisten Gemeinsamkeiten zu erkennen. c) Jugendlicher 3 (J3_m_2) Die Gemeinsamkeiten mit den Typen der Drop-Out-Typologie von Stamm (2012) werden anhand der untenstehenden Tabelle aufgezeigt. Typologie Schulmüde Übereinstimmung • ausgeprägte Schulmüdigkeit • negative Schüler-Lehrer-Beziehung • schulaversives Verhalten aufgrund hoher Belastung • Schulabbruch wird erwartet oder Übereinstimmung vorhanden • Gemobbte • wird gehänselt, Mobbingopfer • Ausgrenzung, Angstzustände, persönliche Motivationsprobleme • brechen Schule meist eigeninitiiert und mit Unterstützung der Eltern ab • ausgeprägte familiäre Probleme haben starke psychische Auswirkungen, welche den Schulerfolg beeinträchtigen/verunmöglichen Familiär Belastete • Schulabbruch/Fremdplatzierung geschieht durch Fachperson Keine Übereinstimmung Keine Übereinstimmung BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN Fortsetzung Typologie Delinquente Hänger Übereinstimmung • abweichendes Verhalten • hohes Aggressionspotential • Konsum und Verkauf illegaler Drogen, Körperverletzung und Diebstahl • Unterrichtsstörung, Disziplinprobleme, Schulschwänzen, Schlägereien und Respektlosigkeiten gegenüber Erwachsenen • Schwänzen, verbringen Zeit lieber ausserhalb der Schule • konsumieren Cannabis und Alkohol • beliebt bei den Peers, nicht selten Anführer einer Clique • Abbruchsentscheidung/Time-Out wird durch Schule initiiert partielle Übereinstimmung partielle Übereinstimmung Tabelle 10: Übereinstimmung Typologien J3_m_2 Auf den Jugendlichen J3_m_2 trifft der Typus des Schulmüden am ehesten zu. Jedoch sind auch Parallelen zu den Delinquenten und den Hängern erkennbar. Eine eindeutige Zuteilung kann in diesem Fall nicht vorgenommen werden. Wie oben ersichtlich kann die Hypothese, dass drei Probanden eindeutig den von Stamm festgelegten Typologien zuzuordnen sind, nicht bestätigt werden. Während zwar in einem Fall eine eindeutige Zuordnung möglich war, bestehen bei den beiden anderen Probanden Parallelen zu mehreren Typen, was eine eindeutige Einteilung unmöglich macht. DISKUSSION Innerhalb dieses Kapitels werden die Ergebnisse der Forschung mit der Theorie verknüpft und interpretiert. Anschliessend soll ein Ausblick auf die Weiterführung dieser Arbeit gegeben werden. 7.1 Ursachenzuschreibung Sucht man nach den Gründen für schulabsentes Verhalten und Drop-Out, muss man von einem Bedingungskomplex ausgehen, der aus vielen verschiedenen Komponenten zusammengesetzt ist. Nach Stamm et al. (2009) gehören die allgemeine schulische Sozialisation, die Beziehungsstruktur sowie die individuellen Schüler- und Familienmerkmale zu diesem Bedingungsgefüge. Weiter muss man beachten, dass es so etwas wie den typischen Schulschwänzer/die typische Schulschwänzerin oder den typischen Schulabbrecher/die typische Schulabbrecherin nicht gibt (vgl. Ricking, 2003). Die folgenden Ergebnisse sind also nicht absolut geltend, sondern Resultate einer qualitativen Vorgehensweise und basieren auf Interviews mit drei Jugendlichen sowie drei Lehrpersonen. In Bezug auf die individuellen Bedingungsfaktoren hat sich gezeigt, dass die einzelnen Faktoren wie das Verhalten der Jugendlichen haben. Während bei einem der Jugendlichen instabile Familienverhältnisse ein wichtiger Grund für seine schulischen Misserfolge waren, spielte diese Variable bei den anderen beiden kaum eine Rolle oder wurde von ihnen zumindest nicht als ursächlich für ihr Verhalten erachtet. In seinem Fall empfand der eine Jugendliche die Probleme innerhalb der Familie als so belastend, dass er sich nicht mehr auf seine schulischen Aufgaben konzentrieren konnte. Durch die psychische Belastung verbrachte er kaum mehr Zeit zu Hause, was dazu führte, dass er immer erst sehr spät ins Bett ging. Dieses Verhalten ten aufzustehen und pünktlich in der Schule zu erscheinen. Als Folge seiner Übermüdung war er schnell reizbar und konnte sich kaum bis gar nicht konzentrieren. Auch schlief er immer wieder während dem Die Lehrpersonen hingegen waren in zwei von drei Fällen der Ansicht, dass die familiäre Situation ebenDie Mütter der beiden Jugendlichen sind beide alleinerziehend und schienen laut Aussagen der Lehrpersonen mit der Situation ihrer pubertierenden Söhne überfordert zu sein. Die Annahme, dass schwierige oder inkonstante Familienverhältnisse ursächlich für ein schulverweigerndes oder schulaversives Verhalten sind, bejaht auch Bührmann (2009). Unter den von ihm genannten Bedingungsfaktoren spielen besonders die unsteten Wohnverhältnisse sowie die familiäre Zerrüttung eine wichtige Rolle. Lediglich einer der drei Probanden hat eine intakte Familie. Als einen weiteren wichtigen Faktor für Drop-Out sieht Stamm (2012) den sozio-ökonomischen Hintergrund der Familien. Vor allem in ihrer sozialen Herkunft würden sich Drop-Outs von den Gleichaltrigen unterscheiden: Schulabbrecher sind zwar in allen sozialen Schichten vertreten, so stammen jedoch die meisten schulabbrechenden Jugendlichen aus Elternhäusern, die dem Arbeitermilieu angehören, über eine tiefe Schulbildung verfügen oder deren Eltern arbeitslos sind (vgl. Stamm, 2012, S. 39). Dieses Forschungsergebnis von Stamm (20012) stimmt mehrheitlich mit den drei Probanden überein, welche im Rahmen dieser Arbeit befragt wurden. Zwei der drei Familien sind Familien, in denen die Eltern über eine tiefe Schulbildung verfügen. Lediglich in einem Fall hat die Mutter ein Studium absolviert und arbeitet als Italienischlehrerin. DISKUSSION Gemeinsam ist ihnen, dass alle Probanden eine schulische Laufbahn aufweisen, die von Schulversagenserlebnissen geprägt ist. Diese Charakteristik zeigen auch Ricking et al. (2009) auf. Sie besagen, dass viele der Jugendlichen, welche die Schule vorzeitig verlassen, Merkmale von Schulaversion und Schuldistanz haben. Weiter haben alle drei Jugendlichen mindestens einmal während der Oberstufe das Schulhaus gewechselt. Während zwei von ihnen von einer Regelschule in eine Kleinklasse wechseln mussten (J2_m_2, J3_m_2), erfolgte beim anderen Schüler der Übertritt aus einer Privatschule in eine Regelschule (J1_m_1). Weiter waren allen drei Fällen die schlecht ausfallenden schulischen Leistungen gemein. Auch hatten sie viele Einträge aufgrund der nicht gemachten oder vergessenen Hausaufgaben. Die Jugendlichen gaben alle an, kaum Hausaufgaben gemacht oder auf Prüfungen gelernt zu haben. Wieso sie dies so machten, haben sie nicht erklärt. Lediglich einer sagte, dass er einfach nicht so der Typ dazu gewesen wäre. Heute würde ihn aber interessieren, zu welchen schulischen Leistungen er fähig gewesen wäre, hätte er etwas gelernt. Es ist anzunehmen, dass das Selbstkonzept der Jugendlichen nicht auf dem Schulerfolg basiert, sondern anhand von anderen Kriterien gebildet wird. Nicht bestätigt werden kann, dass die Peers in den drei Fällen verstärkend auf das schulabsente Verhalten der Jugendlichen gewirkt haben, wie dies Stamm (2008) aufzeigt. Nach Stamm (2008) haben schulfeindlich eingestellte Schülerinnen und Schüler eine verstärkende Wirkung auf schulabsentes Verhalten und sie können sich gegenseitig zu Fehlverhalten motivieren. In den Interviews jedoch gaben die Jugendlichen an, dass sich ihr Freundeskreis erst nach dem Schulausschluss stark verändert habe. Während die Freunde aus der ehemaligen Klasse weiter täglich die Schule besuchten, verbrachten sie hingegen die Zeit mit arbeitslosen Bekannten. So verschob sich der Freundeskreis und man passte sich dem Alltag sowie der Lebensweise der «neuen Freunde» an. Die «alten Freunde» besuchten weiterhin die Schule und waren somit nicht verfügbar. Demzufolge musste die neue Freizeit anderweitig und mit anderen Personen gefüllt werden. Die Aussage von Stamm (2008), es sei schwierig zu sagen und sehr individuell, welche Rolle die Peers im Bezug auf schulaversives Verhalten genau einnehmen, kann bestätigt werden. Je nach dem, im welchen Kreisen sie sich bewegen und welches Selbstkonzept sie haben, verhalten sich die Jugendlichen anders. In keinem der Fälle war die Angst vor Mitschülerinnen und Mitschülern ein Grund für ihr ablehnendes Verhalten. Sie alle hatten einen angesehenen Status in der Klasse, waren sich ihrer Machtposition bewusst und nutzten diese gezielt aus. So gang mit Regeln, die Lehrpläne, das Verhalten der Lehrperson sowie die Schüler-Lehrer-Beziehung wichtige Grössen dafür sind (zit. nach Ricking, 2006, S.77). Da Jugendliche, welche aus der Schule ausgeschlossen wurden, oft auch schulabsente Verhaltensweisen aufweisen, kann angenommen werden, dass die von Sommer eruierten Faktoren im Bereich des Drop-Outs ebenfalls zum Tragen kommen. Probleme mit schulaversiven Schülerinnen und Schülern haben als Schulen mit weniger anspruchsvollen ben überein. Alle drei Knaben besuchten eine Klasse des Niveau B, was im Kanton Zürich dem weniger In der Forschung wird vermehrt darauf hingewiesen, dass Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher anSchulze, 2012). Diese Aussage kann anhand der durchgeführten Untersuchung nur teilweise bestätigt werden. Einer der drei Jungen gab an, die Schule bewusst geschwänzt zu haben, um Spass in der Freizeit zu haben und die Zeit mit seinen Freunden zu verbringen (J3_m_2). Auch nutzte er sein Arztzeugnis aus, um DISKUSSION dem Unterricht fern bleiben zu können, obwohl er eigentlich gesundheitlich im Stande gewesen wäre, die Schule zu besuchen. Ein anderer Jugendlicher schwänzte laut Angaben der Lehrperson. Sie sagte, es wäre bekannt gewesen, dass er schwänze. Er selber machte jedoch keine eindeutige Aussage zu diesem Thema. Er sagte lediglich, dass er morgens oft zu müde gewesen sei, um pünktlich zum Unterricht zu erscheinen. Nur einer der drei gab an, nie geschwänzt zu haben. Er sei nur zu Hause geblieben, wenn er auch ernsthaft krank gewesen sei. Gründe für seinen regelmässigen Schulbesuch könnte die gute Beziehung zu seiner Klasse und seinen Freunden gewesen sein. Stamm et al. (2009) weisen darauf hin, dass die Zahl der schulabsenten Schülerinnen und Schüler an Schulen, in denen eine enge Beziehung zwischen den Lehrpersonen und den Jugendlichen besteht, tendenziell tiefer ausfällt. Wenn sich die Schülerinnen und Schüler von ihren Lehrkräften ernst genommen fühlen und die Beziehung auf gegenseitiger Wertschätzung basiert, gehen sie lieber zur Schule und schwänzen weniger (vgl. Stamm, 2008, S.100f und Schreiber-Kittl/Schröpfer, 2002, S. 144f). Dies bestätigten auch die interviewten Jugendlichen. Sie gaben an, sich im Unterricht angemessen verhalten und mitgearbeitet zu haben, sofern die Beziehung zur Lehrperson positiv war und sie sich ernst genommen fühlten. Hatte die Lehrkraft keinen Respekt vor ihnen, brachten sie ihr auch keinen Respekt entgegen und die Situation eskalierte des Öfteren. Dies trifft auch auf die generelle Mitarbeit im Unterricht zu. Auch die Lehrpersonen gaben an, dass eine funktionierende Schüler-Lehrer-Beziehung grundlegend für den schulischen Erfolg sei. Man müsse den Jugendlichen grundsätzlich wohlwollend gegenüber treten und sie unterstützen, ihnen aber auch klare Grenzen aufzeigen und sie angemessene Konsequenzen für Fehlverhalten spüren lassen. Tut man dies nicht, ist eine produktive Zusammenarbeit nur schwer möglich. Besonders hinderlich sei, wenn man den Jugendlichen mit Verachtung gegenüber trete. Fühlen sich die Jugendlichen tendieren in einzelnen Fällen auch zu einem Meidungsverhalten. Die Schüler-Lehrer-Beziehung hat also positive Verhalten der Jugendlichen verstärkt werden soll, damit dadurch die Motivation gesteigert werden kann. In einem guten Klima ist es für die Jugendlicher einfacher, die von ihnen erwarteten Leistungen zu erbringen, sei es im schulischen oder im sozialen Bereich. Fazit Anhand der Untersuchung konnte aufgezeigt werden, dass sowohl individuelle als auch institutionelle Faktoren ausschlaggebend für einen Schulausschluss sind. Zu beachten gilt, dass die Bedeutung der einzelnen Grössen je nach Individuum sehr variieren. Während beispielsweise die familiäre Situation bei einem der eine Rolle. Weiter ist es wichtig zu beachten, dass Drop-Out ein Phänomen ist, dem unterschiedliche Ursachen zu Grunde liegen und deshalb eine differenzierte Betrachtungsweise unabdingbar ist. Die Beziehung zwischen den Jugendlichen und den Lehrkräften ist ausschlaggebend für den Schulerfolg. 7.2 Drop-Out-Typologien Mit Hilfe der Langzeitstudie «Die Zukunft verlieren? Schulabbrecher in unserem Bildungssystem» hat Stamm (2012) eine Drop-Out-Typologie entwickelt, der Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher zugeteilt werden können. Es entstanden fünf Typen von Drop-Outs: Schulmüde, Gemobbte, familiär Belastete, DeJugendlichen innerhalb eines Typus sind. Aus den Ergebnissen von Stamm scheint ableitbar zu sein, dass sich Schulabbrecherinnen und Schulabder Untersuchung hat sich jedoch herausgestellt, dass sich die Jugendlichen kaum eindeutig einem solchen DISKUSSION Typus zuschreiben lassen. Sie weisen oftmals verschiedene Merkmale auf, was zu Überschneidungen innerhalb der verschiedenen Kategorien führt. Der Jugendliche J1_m_1 beispielsweise weist am meisten Übereinstimmungen mit dem Typus des Schulmüden auf, denn es lässt sich in seinem Fall eine ausgeprägte Schulmüdigkeit erkennen. Auch hat er eine negative Beziehung zur Lehrperson. Die entstehende hohe Belastung führt bei ihm zu einem schulaversiven Verhalten. Gleichzeitig sind aber auch Merkmale des familiär Belasteten sowie des Hängers erkennbar, da er einerseits ausgeprägte familiäre Probleme hat, welche starke psychische Auswirkungen auf seinen Schulerfolg haben, und andererseits aktiv die Schule schwänzt. Das Time-Out sowie die Abbruchsentscheidung wurden durch die Schule initiiert. Auch im Falle des Jugendlichen J3_m_2 kommt es zu Mehrfachnennungen. Er weist partielle Übereinstimmungen mit den Typen der Delinquenten sowie der Hänger auf. Zum einen legt er ein abweichendes Verhalten an den Tag, verfügt über ein hohes Aggressionspotential und ist in Unterrichtsstörungen, Disziplinprobleme, Schlägereien sowie Respektlosigkeiten gegenüber Erwachsenen verwickelt. Auch kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, wie seine Äusserungen vermuten lassen. Ebenfalls schwänzt er die Schule, konsumiert Cannabis und Alkohol. Zudem ist er bei den Peers beliebt und gilt in ihren Augen als Anführer. Weitere Gemeinsamkeiten weist er zudem mit dem Typus der Schulmüden auf. In seinem Fall wurden die Schulwechsel sowie der Abbruchsentscheid durch die Schule eingeleitet. Am eindeutigsten scheint die Zuteilung im Falle des Jugendlichen J2_m_2. Er kann ziemlich deutlich dem Typus der Delinquenten zugewiesen werden. Er zeigt ein hohes Aggressionspotential, Disziplinprobleme, stört den Unterricht, ist in Schlägereien verwickelt und verhält sich respektlos gegenüber gewissen beschriebenen Typologie ist, dass er den Unterricht nicht schwänzt, sondern ihn nach seinen Angaben regelmässig besucht hat. Er gab an, nie die Schule geschwänzt zu haben. Der Abbruchsentscheid wurde Untersuchungshaft genommen wurde. Diese drei Beispiele zeigen auf, dass Drop-Out ein Phänomen ist, dem unterschiedliche Ursachen zu Grunde liegen und diese sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Deshalb ist eine differenzierte Betrachtungsweise notwendig. Jeder einzelne Fall muss folglich genau betrachtet werden. Eine qualitative Betrachtungsweise ist in diesem Zusammenhang von Nöten. Fazit Die von Stamm (2012) entwickelten Typologien sind zutreffend und auf die Stichproben anwendbar. Jedoch lassen sich die Jugendlichen nicht eindeutig den Beschreibungen zuordnen und es kommt zu Überschneidungen mit mehreren Typen. Dies verdeutlicht die Vielschichtigkeit des Phänomens Drop-Out sowie die Individualität der Erzählungen der einzelnen Jugendlichen. Multiproblemlagen auf Seiten der Jugendlichen Probleme nicht gelöst werden können. Weiter wird bestätigt, dass individuelle sowie institutionelle Fakto- SCHLUSSBETRACHTUNG 8. Schlussbetrachtung formulierten Ziele erreicht worden sind, welche Erkenntnisse daraus gewonnen wurden und welche Bedeutung diese für die Tätigkeit als Lehrperson haben. Im letzten Abschnitt werden die Grenzen der Arbeit aufgezeigt und ein Ausblick auf eine mögliche Weiterführung gegeben. Ziel der Arbeit Ziel dieser Arbeit war es, zu erfahren, wie Jugendliche und Lehrpersonen einen Schulabbruch erleben. Der Fokus lag dabei auf der subjektiven Wahrnehmung der einzelnen Personen. In diesem Zusammenhang kam auch die Frage auf, worin sie die Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss sehen. Um Antworten auf diese anderen anhand der qualitativen Inhaltsanalyse weitere Erkenntnisse gewonnen. Durch offene Gespräche mit drei Jugendlichen sowie drei Lehrpersonen konnten viele Informationen gewonnen werden. Diese konnten anschliessend mit der aktuellen Theorie verknüpft und diskutiert werden. Die Bedingungsfaktoren für einen Schulausschluss wurden in individuelle und institutionelle Faktoren unterteilt. Somit wurde deutlich, dass es sich um einen multikausalen Bedingungskomplex handelt. Das Ziel, durch qualitative Interviews Informationen über das Erleben eines Drop-Outs sowie Erklärungen zu erhalten, ist somit erfüllt. Während dem Verfassen des Theorieteils stiess ich auf die Drop-Out-Typologien von Stamm. In diesem Zusammenhang wurde die Forschungsfrage ausgeweitet. In einem weiteren Schritt sollte nun analysiert werden, ob die drei Probanden mit den Typologien übereinstimmen oder ob sich Unterschiede erkennen lassen. Zu Beginn der Arbeit wurde davon ausgegangen, dass die Gründe für einen Schulausschluss einerseits bei den Schülerinnen und Schülern selbst, aber andererseits auch bei der Institution Schule liegen. Jugendliche Schulabbrecher begründen ihr Verhalten anhand verschiedener Faktoren. In den meisten Fällen stimmen diese mit den Ansichten der jeweiligen Lehrperson überein. Teilweise waren aber auch Abweichungen erkennbar oder die Gründe wurden unterschiedlich gewichtet. Durch die Interviews wurde ersichtlich, wie unterschiedlich ein Schulabbruch erlebt und erklärt werden kann. Dies verdeutlicht, dass das Phänomen des schulischen Drop-Outs aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden muss. Nebst den individuellen und den institutionellen Faktoren spielen auch die familiäre Situation eine Rolle. Des Weitern wurde deutlich, wie wichtig eine funktionierende Schüler-Lehrer-Beziehung ist. Sie ist die Basis für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Vor allem gegenseitiger Respekt und Achtung sind grundlegend. Fühlen sich die Jugendlichen unfair behandelt, nicht respektiert oder missachtet, verweigern sie die Mitarbeit im Unterricht und verlieren ebenfalls den Respekt gegenüber der betreffenden Lehrkraft. Innerhalb der Arbeit konnte aufgezeigt werden, wie unterschiedlich ein Schulausschluss ablaufen kann, wenngleich die Ausgangslagen sehr ähnlich sind. Anfangs wurde angenommen, dass einem Schulabbruch eine klare Abfolge von Vorfällen zu Grunde liegen muss, bis ein Schüler oder eine Schülerin von der Schule ausgeschlossen wird. Die Interviews belegen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Bei jedem der drei Jugendlichen wurde unterschiedlich vorgegangen. Für die zukünftige Tätigkeit als Lehrperson ist es wichtig, für die Problematik des Drop-Outs sensibilisiert zu sein. Man sollte sich bewusst sein, dass ein Schulausschluss ein sehr einschneidendes und wegweisendes Erlebnis für einen/eine Jugendlichen sein kann. Zudem hat man als Lehrperson eine Verantwortung gegenüber den Schülerinnen und Schülern. Man sollte fähig sein, den Jugendlichen mit Respekt und Achtung gegenüber zu treten und eine wohlwollende Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Die Beziehungsfähigkeit ist grundlegend für den schulischen Erfolg. Wichtig ist auch, den Jugendlichen klare Grenzen aufzuzeigen und sie angemessene Konsequenzen bei Fehlverhalten spüren zu lassen. SCHLUSSBETRACHTUNG Grenzen der Arbeit Die Grenzen dieser Arbeit sind deutlich erkennbar. Zum einen ist die Stichprobe von drei Jugendlichen sowie drei Lehrpersonen relativ klein, was die Aussagekraft erheblich einschränkt. Zum anderen wurde die Arbeit alleine verfasst, weshalb die Interpretation und die Analyse der Aussagen subjektiv geprägt sind. Die Ergebnisse sind somit nicht repräsentativ. Weiter wurden nur Knaben befragt. Der Grund dafür ist, dass es einem Interview über ihre Erlebnisse zu berichten. Weiter wurden aus den Aussagen der Probanden allgemeingültige Schlüsse gezogen, welche aufgrund der Subjektivität verfälscht sein könnten. Es wäre demnach wichtig, in einem weitern Schritt die Umfrage auf beide Geschlechter auszuweiten und in einem Team zu diskutieren. Das Thema des schulischen Drop-Outs würde sich für weitere Forschung sehr gut eignen. Die zur Verfügung stehende Literatur ist beschränkt, obwohl es ein Thema ist, das für das Bildungssystem von zentraler Bedeutung sein sollte. Demzufolge wäre es sinnvoll und erwünscht, diesen Gegenstand weiter zu verfolgen, um wichtige Erkenntnisse zu gewinnen. Es sollte ein zentrales Anliegen der Schule sein, die Zahl der schulabbrechenden Jugendlichen so weit möglich zu reduzieren. Um dies zu gewährleisten, sind weitere Informationen bezüglich der Bedingungsfaktoren des Drop-Outs sowie Gelingensfaktoren für den Schulerfolg nötig. In einer weiteren Arbeit könnte der Fokus auf die Elemente gelegt werden, die es aus Sicht grössen der Institution Schule sowie von Lehrkräften betrachtet werden, da auf individuelle Faktoren sowie QUELLEN 9. Literaturverzeichnis Buchquellen Atteslander, Peter: Dölle, Monika: Der Weg zurück zur Schule. Schulverweigerung als Herausforderung für Berufsbildende Schulen. Marburg: Tectum Verlag 2010 Flick, Uwe, Von Karderoff, Ernst & Steinke, Ines: Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2000 Gentner, Corina: Null Bock auf Schule?: Schulmüdigkeit und Schulverweigerung aus Sicht der Wissenschaft und Praxis. Münster : Waxmann 2006 Helfferich, Cornelia: Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Inter- Herz, Birgit, Puhr, Kirsten, Ricking, Heinrich: Problem Schulabsentismus : Wege zurück in die Schule. Bad Heilbrunn : J. Klinkhardt 2004 Barth, Gernot: Jugendliche in Krisen: über den pädagogischen Umgang mit Schulverweigerern. Baltmannsweiler : Schneider Verlag Hohengehren 2005 Kleemann, Frank, Krähnke, Uwe, Matuschek, Ingo: Interpretative Sozialforschung. Eine praxisorientierte Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009 Lamnek, Siegfried: 2010 Bührmann, Thorsten: Erfolgreicher Umgang mit schulmüden Jugendlichen und Schulverweigerern : Forschungsergebnisse und Empfehlungen für die schulische und sozialpädagogische Praxis. Paderborn : InVia-Verlag 2009 Mayer, Horst Otto: Interview und schriftliche Befragung: Entwicklung, Durchführung und Auswertung. München: Oldenbourg 2008 Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 11. aktualisierte und überarbei- Mayring, Philipp: scher Studien Verlag 2000 - Ricking, Heinrich: Schulabbruch – ohne Ticket in die Zukunft?. Bad Heilbrunn : Julius Klinkhardt 2012 Ricking, Heinrich: Wenn Schüler dem Unterricht fernbleiben : Schulabsentismus als pädagogische Herausforderung. Bad Heilbrunn : Klinkhardt 2006 Ricking, Heinrich: Schulabsentismus als Forschungsgegenstand. Oldenburg : BIS, Bibliotheks- und Informationssystem der Universität 2003 QUELLEN Schreiber-Kittl, Maria, Schröpfer, Haike: Abgeschrieben? Ergebnisse einer empirischen Untersuchung über Schulverweigerer. Übergänge in Arbeit, Band 2. München: DJI Verlag Deutsches Jugendinstitut 2002 Stamm, Margrit: Schulabbrecher in unserem Bildungssystem. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2012 Stamm, Margrit: Die Psychologie des Schulschwänzens: Rat für Eltern, Lehrer und Bildungspolitiker. Bern: Verlag Hans Huber 2008 Stamm, Margrit, Ruckdäschl, Christine, Templer, Franziska, Niederhauser, Michael: Schulabsentismus. Ein Phänomen, seine Bedingungen und Folgen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009 Thimm, Karlheinz: Schulverweigerung: zur Begründung eines neuen Verhältnisses von Sozialpädagogik und Schule. Münster : Votum 2000 Wagner, Michael: deskreis. Weinheim : Juventa 2007 Woolfolk, Anita: Pädagogische Psychologie. München: Perason Studium 2008 Internetquelle: Berner Zeitung: http://www.bernerzeitung.ch/28759449/print.html, zuletzt eingesehen: 22.11.2014 - ANHANG 10. Anhang Schulkarriere allgemein Verhältnis zu Lehrpersonen Peergroup Freizeit/ausserschulische Aktivitäten Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss Ausschlaggebender Faktor für den Dropout I. II. III. IV. V. VI. Kategorien Rolle in der Klasse Freunde/Aktivitäten der Freunde Alter/Umfeld Drogen Kriminalität Drogen Schwänzen Hausaufgaben Arbeitsverhalten allgemein Sozialverhalten - Wie war dein Verhältnis zu den Mitschülern? Wie kam es schlussendlich dazu, dass du die Schule verlassen musstest? Was machst du in deiner Freizeit? Was hast du damals in deiner Freizeit gemacht? Was hat dazu geführt, dass du von der Schule ausgeschlossen wurdest? Wie war dein Verhältnis zu den Lehrpersonen? - Versuche deine Schulkarriere zusammenzufassen? Was ist bis jetzt alles passiert? Primarschulzeit Mittelschulzeit Übergang Sek Schulwechsel Zwischenfälle Time-Out Verschiedene Lehrpersonen KLP/FLP Kernpunkte Konkrete Fragen Leitfadeninterview Jugendliche A Leitfadeninterview Jugendliche - - - - - - - - Hast du geschwänzt? Hast du Hausaufgaben gemacht? Denkst du, jemand ist Schuld daran, dass es soweit gekommen ist? Was war es, dass das Fass zum überlaufen gebracht hat? Kiffst du/Hast du gekifft/Drogen genommen? War dein Verhältnis zu allen gleich? Mochtest du gewisse LPs mehr/weniger? Beispiele nennen Was machen deine Freunde? Gehen sie noch zur Schule? Wie war es damals in der Primarschule? Gingst du gerne zur Schule? Steuerungsfragen ANHANG Situation heute Bedingungsfaktoren für ein positives Gelingen X. Situation nach dem Schulausschluss VIII. IX. Umgang und Reaktion der Eltern und Freunde VII. MASTERARBEIT PHZH – DROP-OUT - Beschreibe deine derzeitige Situation Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, was würdest du anders machen? 87 - Was hast du nach dem Schulausschluss gemacht? Was hättest du gebraucht, dass es nicht soweit gekommen wäre? - Wie waren die Reaktionen? Lehre/Arbeit/Anschlussmöglichkeit Zwischenzeitlich Tagesablauf Familie Freunde JOHANNA JOHN - - Was hast du den ganzen Tag gemacht? Beschreibe einen Tagesablauf Was machst du heute? ANHANG Schulkarriere allgemein Verhältnis zu Lehrpersonen Peergroup Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss Ausschlaggebender Faktor für den Dropout Umgang und Reaktion der Eltern Situation heute I. II. III. IV. V. VI. VII. Kategorien - Wie war sein Verhältnis zu Ihnen? Wie war sein Verhältnis zu den anderen Lehrpersonen? Wie war sein Verhältnis zu den Mitschülern? - Wissen Sie etwas über die aktuelle Situation von XY? 88 - Wie waren die Reaktionen? Wie kam es schlussendlich dazu, dass XY die Schule verlassen musste? Was hat dazu geführt, dass XY von der Schule ausgeschlossen wurde? - Versuchen Sie die Schulkarriere von XY zusammenzufassen - - - - Besteht noch Kontakt? Was war es, dass das Fass zum überlaufen gebracht hat? Hat er geschwänzt? Hat er Hausaufgaben gemacht? Hatte er sein Material etc. dabei? Beispiele nennen War sein Verhältnis zu allen gleich? Steuerungsfragen Lehre/Arbeit/Anschlussmöglichkeit Kontakt Kontakt zur Familie Rolle in der Klasse Alter/Umfeld Drogen Schwänzen Hausaufgaben Arbeitsverhalten allgemein Sozialverhalten Pünktlichkeit Verschiedene Lehrpersonen KLP/FLP Schulwechsel Zwischenfälle Time-Out Kernpunkte Konkrete Fragen Leitfadeninterview Lehrpersonen B Leitfadeninterview Lehrpersonen ANHANG VIII. Bedingungsfaktoren für ein positives Gelingen MASTERARBEIT PHZH – DROP-OUT Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, was würden Sie anders machen? Was hätte es gebraucht, dass es nicht soweit gekommen wäre? 89 JOHANNA JOHN ANHANG Urheberschaftsbestätigung Erklärung Hiermit erkläre ich, dass die vorliegende Arbeit von mir eigenständig verfasst wurde und keine anderen als die von mir angegebenen Hilfsmittel verwendet wurden. Alle Stellen der Arbeit, die aus anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach übernommen wurden, sind mit Angaben der Quellen als Zitate bzw. Paraphrasen gekennzeichnet. Ich nehme zur Kenntnis, - dass Arbeiten, die unter Beizug unerlaubter Hilfsmittel entstanden sind, und insbesondere fremde Textteile ohne entsprechenden Herkunftsnachweis enthalten, als „nicht bestanden“ bewertet und ungültig erklärt werden. - dass unredliches Verhalten bei Leistungskontrollen und unredliche Verwendung fremder Arbeitsergebnisse ohne Quellenangabe als Disziplinarverstoss gelten und zur Anordnung einer Disziplinarmassnahme führen können (vgl. §§ 8 ff. Verordnung zum Fachhochschulgesetz). _______________________________________________________________ Name Vorname _______________________________________________________________ Ort, Datum, Unterschrift Überprüfung der Arbeit mit einer Plagiatssoftware Einwilligung Hiermit erkläre ich mich damit einverstanden, dass die vorliegende Arbeit mit einer Plagiatserkennungssoftware überprüft werden darf. _______________________________________________________________ Name Vorname _______________________________________________________________ Ort, Datum, Unterschrift
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