Meistens hatte ich etwas Besseres zu tun

«Meistens hatte
ich etwas
Besseres zu tun»
Das Erleben eines Schulabbruchs aus der Sicht
von Jugendlichen und deren Lehrperson
Masterarbeit an der Pädagogischen Hochschule Zürich
Abteilung Sekundarstufe I
vorgelegt von:
Johanna John
Rütihofstrasse 36
8049 Zürich
HS 09
eingereicht bei:
Prof. Dr. Patricia Schuler
Lic. Phil. Manuela Depauly
Zürich, Dezember 2014
VORWORT
Vorwort
Auf das Problem des Drop-Outs bin ich zum ersten Mal durch meinen Vater aufmerksam geworden, der
selber Sekundarlehrer ist. Ich konnte mitverfolgen, wie ein Jugendlicher aus seiner ehemaligen Klasse immer mehr auf die schiefe Bahn geriet und nach mehreren Integrationsversuchen sowie einem schulischen
Time-Out schliesslich ausgeschult wurde. Dieser Vorfall weckte mein Interesse an der Thematik sehr.
Überdies bin ich während meiner Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule in Zürich bin ich kaum
mit dem Thema Schulabbruch in Berührung gekommen.
Als ich im Sommer 2013 eine Anstellung als Klassenlehrerin in Regensdorf annahm, ereignete sich ein
ähnlicher Vorfall im Schulhaus. Im Lehrerzimmer bekam ich die Gespräche zwischen den Lehrpersonen
mit und hörte aufmerksam zu – doch was dachte der betroffene Schüler über seine Situation? Wie erlebt er
diese aufreibende Zeit? Wie geht es ihm? Wie sieht seine Zukunft aus? Diese und weitere Fragen beschäftigten mich und ich bekam keine Antworten darauf. So entschloss ich mich, im Rahmen meiner Masterarbeit diesen und anderen Fragen auf den Grund zu gehen und meine Arbeit über das Thema Drop-Out zu
schreiben.
Meine Wissenserweiterung zu diesem Thema verdanke ich vor allem den drei Jugendlichen sowie den
Lehrpersonen, welche sich dazu bereit erklärt haben, mir von ihren Erfahrungen zu erzählen. Auch möchte
ich mich bei meinen zwei Betreuerinnen für die gute Beratung und fachliche Unterstützung bedanken. Ein
grosser Dank gilt natürlich auch meinem sozialen Umfeld, welches mich während diesem Prozess stets
unterstützt hat und mir mit Rat und Tat zur Seite stand.
Johanna John, im Dezember 2014
INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
7
2. Theoretischer Teil
9
2.1.1 Historische Entstehungsgeschichte
9
2.1.3 Formen schulabsenten Verhaltens
2.1.4 Folgen von Schulabsentismus
2.1.5 Schulabsentismus in der Schweiz
10
15
16
2.2.1 Individuelle Bedingungsfaktoren
2.2.2 Bedingungsfaktoren im System Familie
2.2.3 Bedingungsfaktoren im System Peer-Group
2.2.4 Bedingungsfaktoren im System Schule
2.3 Drop-Out
2.3.2 Theoretische Erklärungsmuster
2.3.3 Drop-Outs: Was wird aus ihnen?
2.3.4 Drop-Outs: eine Typologie
3. Forschungsfragen
3.1 Forschungsfrage 1
3.2 Forschungsfrage 2
3.3 Forschungsfrage 3
4. Empirischer Teil
4.1. Qualitative Forschungsmethode
4.2 Das Leitfadeninterview
4.3 Forschungsprozess und Forschungsverfahren
4.3.1 Forschungsablauf
4.3.2 Der Interviewleitfaden
4.4 Erhebung der Daten
4.4.1 Die Interviewsituation
4.4.2 Die Interviewdurchführung
4.4.3 Aufbereitung der Daten
4.5 Auswertung der Daten
4.5.1 Vorgehen bei der Auswertung
4.5.2 Kategoriensystem
4.6 Herausforderungen
4.7 Fehlerquellen
17
18
19
20
22
24
27
28
30
30
30
31
32
32
33
34
35
36
37
37
37
38
38
38
38
44
45
I
INHALTSVERZEICHNIS
5.1.1 Kategorie: Schulkarriere allgemein
5.1.2 Kategorie: Verhältnis zu Lehrpersonen
5.1.3 Kategorie: Peergroup
5.1.4 Kategorie: Freizeit/ausserschulische Aktivitäten
5.1.5 Kategorie: Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss
5.1.6 Kategorie: Ausschlaggebender Faktor für den Drop-Out
5.1.7. Kategorie: Umgang und Reaktion der Eltern und Freunde
5.1.8 Kategorie: Situation nach dem Schulausschluss
5.1.9 Kategorie: Situation heute
5.1.10 Kategorie: Bedingungsfaktoren für ein positives Gelingen
5.2.1 Kategorie: Schulkarriere allgemein
5.2.2 Kategorie: Verhältnis zu Lehrpersonen
5.2.3 Kategorie: Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss
5.2.4 Kategorie: Ausschlaggebender Faktor für den Drop-Out
5.2.5 Kategorie: Umgang und Reaktion der Eltern
5.2.6 Kategorie: Situation heute
5.2.7 Kategorie: Bedingungsfaktoren für ein positives Gelingen
6. Beantwortung der Forschungsfragen
46
48
49
51
51
53
54
54
55
56
57
57
59
60
61
62
62
62
64
6.1 Forschungsfrage 1
6.2 Forschungsfrage 2
6.3 Forschungsfrage 3
64
66
68
7.1 Ursachenzuschreibung
7.2 Drop-Out-Typologien
72
74
8. Schlussbetrachtung
76
9. Literaturverzeichnis
78
10. Anhang
80
II
ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1:
Abbildung 2:
Abbildung 3:
Abbildung 4:
Gründe für das Schwänzen
Entwicklungsmodell bei Drop-Out
Phasen des Forschungsablaufs
Ablaufmodell deduktiver Kategorienanwendung
12
23
34
38
Tabelle 1:
Tabelle 2:
Tabelle 3:
Tabelle 4:
Tabelle 5:
Tabelle 6:
Tabelle 7:
Tabelle 8:
Tabelle 9:
Tabelle 10:
Schulabsentismusformen nach Ricking (1997)
Wo wurde die Zeit während des Schwänzens verbracht?
Formen des Schulschwänzens
Übersicht über die Stichproben der Jugendlichen
Übersicht über die Stichproben der Lehrpersonen
Auszug aus dem Interviewleitfaden für Jugendliche
Ausschlaggebender Faktor für den Drop-Out
Übereinstimmung Typologien J1_m_1
Übereinstimmung Typologien J2_m_2
Übereinstimmung Typologien J3_m_2
11
13
14
36
36
37
61
68
69
70
III
Abstract
Im Kanton Zürich beträgt die obligatorische Schulzeit für Schülerinnen und Schüler rund neun Jahre, ohne
Einbezug der zwei Jahre Kindergarten. Der tägliche Schulbesuch wird von den Jugendlichen, den Eltern,
den Lehrpersonen sowie von Freunden und Bekannten als selbstverständlich angesehen. Eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Schülerinnen und Schüler bleibt jedoch dem Unterricht stunden- oder tageweise
fern. In diesem Fall spricht man von Schulabsentismus. Erschreckender ist aber, dass hierzulande rund 5%
der Jugendlichen die Schule nicht nur schwänzen, sondern ganz abbrechen und somit über keinen Schulabschluss verfügen (vgl. Stamm, 2012, S. 25). Nicht nur für den betroffenen Schüler oder die betroffene
Schülerin ist dies ein einschneidendes Erlebnis, sondern auch die Lehrperson ist davon tangiert. Diese Arbeit befasst sich einerseits mit den Gründen für einen solchen Schulabbruch und untersucht, welche Motive
zu einem Schulabbruch führen können. Andererseits diskutiert sie, ob und inwiefern sich das Erleben eines
Drop-Outs von Jugendlichen und deren Lehrpersonen unterscheidet. Im Sinne der qualitativen Forschung
wurden Leitfadeninterviews mit drei Jugendlichen sowie einer ehemaligen Lehrpersonen durchgeführt. Die
Auswertung und Analyse der erhobenen Daten bestätigt teilweise die Erkenntnisse der Forschungsliteratur,
dass sowohl individuelle als auch institutionelle Faktoren einen Schulabbruch bedingen. Die Umfrage führt
zum Schluss, dass die Beziehungsfähigkeit zwischen den Jugendlichen und den Lehrpersonen grundlegend
für eine erfolgreiche schulische Laufbahn ist.
IV
EINLEITUNG
1. Einleitung
«Jedes Jahr brechen in der Schweiz mehrere tausend Jugendliche die Schule ab. Das kostet das Land mehrere hundert Millionen Franken», berichtet die Berner Zeitung im Februar 2010. Die Bewältigung der schulischen Aufgaben wird für Schülerinnen und Schüler immer anspruchsvoller und endet nicht selten in einem
Abbruch. Eine Schweizerische Nationalfonds-Studie spricht von rund 4% Schulabbrechern (vgl. Stamm
et al., 2009). Doch schulaversives Verhalten ist nicht ein Kind unserer Zeit, denn seit der Einführung der
obligatorischen Schulzeit gibt es immer wieder Jugendliche, die durch das Raster des Schulsystems fallen.
Schulabsentismus und Drop-Out sind sehr komplexe Phänomene, die sich nicht einfach durch eine einzelne
Ursache erklären lassen. Die Gründe für dieses Problemverhalten liegen in erster Linie bei den Schülerinnen und Schülern selbst, aber, wie die neuste Forschung zeigt, auch bei der Institution Schule (Schulklima,
Schüler-Lehrer-Beziehung, pädagogische Leitgedanken einer Schule etc.). Weiterhin haben die familiäschlimmsten Fall in einem Schulausschluss enden kann, verbauen sich die Jugendlichen Berufschancen
und nicht selten sogar auch ihre Zukunft, doch oftmals sind sie sich dessen zu diesem Zeitpunkt noch nicht
bewusst und erfahren die Tragweite ihres Handelns erst später.
Zur Erforschung der Thematik bieten sich folglich eine Vielzahl von Fragen an:
•
Was versteht man in der Forschung unter Schulabsentismus,
schulaversivem Verhalten und Drop-Out?
•
Wie kommt es zu einem Schulausschluss?
•
Wie erleben Schülerinnen und Schüler einen Schulabbruch?
•
Wie erleben Lehrpersonen einen Schulabbruch eines/einer Jugendlichen?
•
Was sind die Bedingungsfaktoren für Drop-Out?
•
Wie sieht die aktuelle Situation in der Schweiz aus?
Diese und viele weitere Fragen stellen sich im Zusammenhang mit der Untersuchung von Schulabsentismus
und Drop-Out. Im theoretischen Teil dieser Arbeit wird auf einige dieser Fragen eingegangen und nach
Antworten gesucht. Sie sind wichtig, da sie helfen, einen allgemeinen Überblick über die Thematik zu erhalten. Die Hauptfragestellung dieser Arbeit ist folgende:
«Wie wird ein Schulabbruch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen erlebt?»
Im Rahmen dieser Arbeit soll herausgefunden werden, wie Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen
legt und exemplarisch betrachtet. Hierbei werden auch Bedingungsfaktoren für einen Schulausschluss eruiert und diese zwei in der aktuellen Forschung vertretenen Perspektiven zugeordnet: der individuellen und
der institutionellen Perspektive. Während sich die individuelle Perspektive mit Merkmalen des Individuums
befasst (Alter, Intelligenz, Leistung, familiäres Umfeld, Peers), stehen bei der institutionellen Perspektive
Faktoren innerhalb der Institution Schule im Zentrum.
EINLEITUNG
Relevanz und Bezug zum Berufsfeld
Jede Lehrperson der Oberstufe wird sehr wahrscheinlich früher oder später mit dem Thema Drop-Out in
Berührung kommen. Sei es durch eine Schülerin oder einen Schüler der eigenen Klasse oder innerhalb des
Schulhauses und sollte deshalb für diese Thematik sensibilisiert sein. Das Thema Schulabsentismus lässt
sich mehreren Ausbildungsstandards der Pädagogischen Hochschule Zürich zuordnen: V. Soziales Umfeld,
VI. Kommunikation, VII. Sicherung der Qualität und professionelle Weiterentwicklung. Um betroffene
Jugendliche aufzufangen und die Situation frühzeitig zu erkennen, ist eine gute und professionelle Zusammenarbeit im Team unabdingbar.
Ziele und Vorgehensweise
Anhand aktueller Forschungsliteratur zu den Themen Schulabsentismus, schulaversives Verhalten sowie
Drop-Out verschaffte ich mir einen ersten Überblick über die allgemeine Situation. Der weitere Verlauf der
Arbeit orientiert sich an meinem persönlichen Forschungsinteresse, dem auch die Hauptfragestellung «Wie
wird ein Schulabbruch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen erlebt?» entspringt. Anhand
eines Leidfadeninterviews, welches Teil der qualitativen Forschung ist, wurden Gespräche mit drei Jugendlichen sowie drei Lehrpersonen geführt und anschliessend transkribiert. Im Sinne der qualitativen Inhaltsanalyse wurden diese in einem weiteren Schritt anhand eines Kategoriensystems ausgewertet, interpretiert
und unter Einbezug der Theorie diskutiert.
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Der theoretische
Teil befasst sich mit den Themen des Schulabsentismus sowie des schulischen Drop-Out. Zu Beginn werdie aktuelle Situation in der Schweiz Bezug genommen. Die aktuelle Forschung von Stamm (2009/2012)
gibt Ausschluss über Bedingungsfaktoren für schulabsentes Verhalten und Schulabbrüche. Im Kapitel zum
Drop-Out wird näher auf die Drop-Out-Typologie von Stamm (2012) eingegangen. Als Überleitung in den
empirischen Teil dieser Arbeit werden die Forschungsfragen sowie die daraus entstandenen Hypothesen
erklärt. Der empirische Teil befasst sich als erstes mit der Einführung der qualitativen Forschungsmethode.
Darauf folgen die Erläuterung des Forschungsablaufes, die Auswertung der Daten sowie die Diskussion der
Fehlerquellen. Anschliessend werden die gewonnenen Ergebnisse präsentiert und in einem weiteren Schritt
diskutiert, worauf auf die aktuelle Forschungstheorie Bezug genommen wird.
THEORETISCHER TEIL
2. Theoretischer Teil
Im theoretischen Teil dieser Arbeit werden zwei Begriffe geklärt: Schulabsentismus und Drop-Out. Es wird
auf deren Ursprung, die Bedeutung, die jeweiligen Bedingungsfaktoren sowie die Folgen eingegangen. Da
der Begriff Schulabsentismus in der Forschung unterschiedlich verwendet wird, ist eine Erläuterung der
verschiedenen Bedeutungen notwendig, denn er wird oftmals mit dem bekannten Schulschwänzen gleichgestellt. Unter schulabsentem Verhalten wird jedoch viel mehr verstanden, als nur das Schwänzen an sich.
So werden verschiedene Formen des schulabsenten Verhaltens dargestellt und deren Ursachen aufgezeigt.
Anschliessend folgt eine Erläuterung der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Schulabsentismus und
Drop-Out. Unter Drop-Outs fasst man Schülerinnen und Schüler zusammen, welche die Schule abgebrochen haben oder von ihr ausgeschlossen wurden. Hier wird vor allem auf die Längsschnittstudie «Die Zukunft verlieren?» von Stamm (2012) Bezug genommen.
Der Abschluss des theoretischen Teils dient der Zusammenfassung und Überleitung im Hinblick auf den
methodischen Teil dieser Arbeit.
Der Begriff Schulabsentismus wird in der Forschung unterschiedlich ausgelegt und auch verwendet. Deshalb ist eine eingehende Betrachtung und Eingrenzung des Begriffs unabdingbar und gilt als Grundlage
für die weitere Arbeit.
2.1.1 Historische Entstehungsgeschichte
Dass Schülerinnen und Schüler dem Unterricht fernbleiben und schwänzen ist ein Phänomen, das seit der
es wohl auch kaum wegzudenken sein.
Im Mittelalter war der Schulbesuch nur einem kleinen Teil der Bevölkerung gestattet. Bildung wurde daS. 27). Dies änderte sich durch die Reformation und die Aufklärung. Während der Reformation war es ein
wichtiges Anliegen, die Inhalte der Bibel möglichst der ganzen Bevölkerung zugänglich zu machen und galt
nach Luther als «essentielle Voraussetzung für ein christliches Leben» (Ricking, 2003, S. 28). Erst in der
Neuzeit, während der Aufklärung, wich man von diesem Denken ab und änderte die Einstellung zur Schulbildung. Man war der Meinung, «das Mittel, sich dem Ideal zu nähern und damit eine bessere Gesellschaft
umsetzbar schien» (Ricking, 2003, S. 28). Ohne ein Mindestmass an Bildung wäre die Gesellschaft nicht den
neuen Herausforderungen gewachsen und früher oder später zum Scheitern verurteilt.
1619 entstand die erste, von Kirchen unabhängige Schulordnung (Weimarsche Schulordnung von 1619), in
mindestens am Vormittag zum Schulunterricht zu schicken und sie somit von der Feldarbeit, dem Bergbau
Gunsten des Schulbesuchs nahm jedoch noch einige Zeit in Anspruch. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam
man zum Schluss, dass sich zwölf Stunden tägliche Arbeit in Fabriken oder der Landwirtschaft nicht mit
dem nötigen Mass an Bildung vereinbaren liess. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden staatliche Stellen zur
Vernetzung der Schulen und Erfassung der Schülerzahlen. Erst 1920 wurde durch die Reichsgrundgesetze
Schulzeit neun Jahre, wovon sechs in der Primarschule und drei in der Sekundarschule absolviert werden
(vgl. hierzu Ricking, 2006, S. 14ff.).
THEORETISCHER TEIL
Wer sich mit dem Thema Schulabsentismus befasst, wird schnell mit ähnlichen Begriffen wie Schulverweigerung, Schulschwänzen, Schulmüdigkeit und Schulphobie in Berührung kommen. Dies kommt daher,
dass international keine Kategorisierung dieser Begriffe besteht und dass die Bezeichnungen zu Beginn
von Untersuchungen sowie Forschungsprojekten jeweils individuell erläutert und eingegrenzt werden.
Mit dem Begriff Schulabsentismus ist im Allgemeinen durchaus das gemeint, was man im Volksmund
unter «Schulschwänzen» versteht (vgl. Stamm et al., 2009, S. 15). Den Ausdruck des Schulschwänzens gibt
die mit Schwänzen das Versäumen einer Vorlesung bezeichneten. Bis ins 20. Jahrhundert hinein galt das
Schulschwänzen «als Ausdruck kindlichen Ungehorsams oder eines ausgeprägten, instinktgeleiteten Wandertriebs der Kinder und Jugendlichen» (Stier 1913 in Ricking, 2003, S. 17). Heutzutage umfasst Schulabsentismus «alle vielfältigen Formen unerlaubten Fernbleibens von der Schule» (Stamm et al., 2009, S. 15).
Stamm et al. (2009) verwenden den Begriff Schulabsentismus in ihrem Projekt als «Oberbegriff für das
Fernbleiben vom Unterricht aus einem gesetzlich nicht vorgesehenen Grund [verwendet], unabhängig davon, ob die Eltern informiert sind und dies durch Entschuldigungen legitimieren».
Schulabsentismus als Oberbegriff bezeichnet in diesem Fall in neutraler Art und Weise das Fernbleiben
können noch keine Aussagen zu den Bedingungsfaktoren, dem Aufenthaltsort oder der Abwesenheitsdauer
gemacht werden. Ebenfalls ist nicht geklärt, ob und wer für das Verhalten der/des Lernenden verantwortlich
ist und ob diese Person/en allenfalls zur Rechenschaft gezogen werden können.
Schüler, die sich während der Unterrichtszeit weder im Klassenraum noch in der
Schule aufhalten, sondern gleichzeitig alternative Räume bevorzugen. Sie ist klar
charakterisiert durch die physische Abwesenheit aus dem Wirkbereich Schule.»
Neben dem physischen Fernbleiben der Kinder und Jugendlichen wird hier auf die Räume eingegangen. Es
wird klar zum Ausdruck gebracht, dass alternative Räume bevorzugt werden und dass sich Schulschwänzerinnen und Schulschwänzer fern von Schulgebäuden aufhalten.
Im nachfolgenden Kapitel wird anhand der Forschungsliteratur auf die unterschiedlichen Formen des schulabsenten Verhaltens eingegangen.
2.1.3 Formen schulabsenten Verhaltens
Wie im letzten Kapitel beschrieben, wird der Begriff «Schulabsentismus» als Sammel- sowie Oberbegriff
für verschiedene Phänomene schulabsenten Verhaltens von Kindern und Jugendlichen verwendet. Deshalb
werden in der Forschung unterschiedliche Formen und Ausprägungen beschrieben.
Der Grund, weshalb es verschiedene Formen des Schulabsentismus gibt, liegt darin, dass die Motive der
Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlich sind. Aus welchen Gründen bleiben die Jugendlichen dem
Unterricht fern? Wo halten sie sich stattdessen auf? Hat ihr Verhalten Konsequenzen? Wenn ja, welche?
THEORETISCHER TEIL
Ricking (2003) verwendet den Terminus «Schulabsentimus» als allgemeinen Oberbegriff für Schwänzen
und Schulverweigerung (Ricking, 2003, S. 17). Die Motive, welche zu diesen Verhaltensweisen führen, sind
vom Individuum und seiner Umgebung abhängig und dementsprechend von Fall zu Fall verschieden.
Stamm (2009) fasst unter Schulabsentismus «all die vielfältige Formen unerlaubten Fernbleibens von der
Schule» (Stamm et al. 2009, S. 15). Sie versteht ihn, wie Ricking (2003), als Oberbegriff für das Fernbleiben vom Schulunterricht aus einem gesetzlich nicht vorgesehenen Grund. Weiter unterscheidet sie zwischen
«Schulschwänzen» und «Schulverweigerung». Während Schulschwänzen ein «bewusstes, aber verdecktes
und möglicherweise genüssliches Aufbegehren gegen die Autoritäten, welche diese Regeln aufgesetzt haben»,
bezeichnet Schulverweigerung das Verhalten von «Kindern und Jugendlichen mit enormen emotionalen Verhaltensproblemen, die – mit Wissen der Eltern – nicht mehr imstande sind, zur Schule zu gehen und in diesem
Zusammenhang auffällige psychogene oder psychosomatische Veränderungen zeigen» (Stamm et al., 2009, S. 17).
Stamm et al. (2009) fassen zusammen, dass international nur ein minimaler Konsens über einerseits die
ätiologische Kategorisierung als auch andererseits über die Schulabsentismus konstituierenden Faktoren
bestehe (vgl. Stamm et al., 2009, S. 25). Inzwischen hat sich jedoch der Begriff Schulabsentismus als
Oberbegriff eingebürgert. Es wird dabei zwischen Schulschwänzen (engl. truancy) und Schulverweigerung
(engl. school refusal, school phobia) unterschieden. Einigkeit besteht in dem Punkt, dass es gewisse Überschneidungsbereiche zwischen diesen zwei Polen gibt. Während Stamm et al. (2009) unter Schulabsentismus das unentschuldigte und bewusste Fehlen eines Schülers oder einer Schülerin aus einem gesetzlich
unvorhergesehenem Grund, unabhängig davon, ob dies einzelne Fehlstunden betrifft oder ganze Schultage,
verstehen, umfasst Schulverweigerung hingegen nicht zwingend die physische Abwesenheit, sondern eher
den Boykott im Unterricht, durchaus auch den Aufenthalt auf dem Schulgelände, nicht aber im Unterricht.
Schulschwänzen und Schulverweigern wird also unter dem Begriff «Schulabsentismus» zusammengefasst.
(2003) und Stamm et al. (2009), so erkennt man gewisse Parallelen. Gleichzeitig wird einem aber bewusst,
wie fein die Unterschiede und wie gross die Überschneidungsbereiche sind.
Die folgende Tabelle nach Ricking (1997) fasst die Phänomene schulabsenten Verhaltens übersichtlich zusammen:
Schulverweigerung
Initiative des Schülers
Initiative des Schülers
Initiative der Eltern oder der Eltern
und des Schülers
Eltern wissen in der Regel
nichts vom Fehlen
Eltern wissen um die Schulverweigerung, aber missbilligen sie
Oft Einverständnis zwischen Eltern
und Schüler
Aufenthalts ausserhäuslich
Aufenthalt zu Hause
Aufenthalt in der Regel zu Hause
Tendenz: vernachlässigen
Tendenz: Überprotektion
Uneinheitlich
Kontext: dissoziale Störung (Disziplinprobleme, Delinquenz, Aggression)
Kontext:
a) Trennungsangst
b) Angst vor der Schule, vor der
Lehrperson, vor den Mitschülern
Uneinheitlich
Schulversagen
Kein Schulversagen
Uneinheitlich
Uneinheitlich
Keine ausgeprägte Schulangst
somatischen Beschwerden maskiert;
schwere Angstsymptome vor dem
Schulbesuch
Tendenz: niedriger sozio-ökonomischer
Status
Tendenz: mittlerer sozio-ökonomischer Status
Tabelle 1: Schulabsentismusformen nach Ricking (1997) in Ricking 2006, S. 28
Uneinheitlich
THEORETISCHER TEIL
Man darf beim Betrachten der obigen Übersicht nicht vergessen, dass die Übergänge zwischen den unterSchulschwänzer oder Schulschwänzerinnen geboren, sondern können während der Schulzeit über Phasen
des Schulschwänzens oder der Schulverweigerung verfügen, dieses Verhalten aber auch wieder ablegen.
Ebenso ist eine Verstärkung des Absentismus nicht ausgeschlossen. So kann beispielsweise aus einem
gelegentlichen Schulschwänzen ein massives Schulschwänzen werden und umgekehrt, oder zu einer Schulverweigerung und allenfalls bis zu einem Drop-Out (Schulausschluss) führen.
In Bereichen der Terminologie scheint laut Ricking (2006) zumindest bezüglich des Schulschwänzens Einigkeit zu bestehen:
«Von Schulschwänzen wird gesprochen, wenn Kinder und Jugendliche zeitweilig
oder anhaltend – in der Regel – ohne Wissen der Eltern die Schule nicht besuchen
und während der Unterrichtszeit einer für sie angenehmeren Beschäftigung meist im
ausserhäuslichen Bereich nachgehen.» (Preuss, 1978, zit. nach Ricking, 2006, S. 37)
Beim Schulschwänzen geht es nicht alleine um das Fehlen im Unterricht, sondern darum, dass man diese
Zeit, in der man eigentlich in der Schule wäre, «besser» nutzen kann und die Jugendlichen ihren Interessen nachgehen und sich anderweitig beschäftigen. Es ist also nicht einfach nur eine Vermeidungshaltung.
Die Gründe für das Schulschwänzen sind sehr unterschiedlich und variieren von Fall zu Fall. Stamm et
al. (2009) fanden heraus, dass die Schülerinnen und Schüler verschiedene Motive hatten. Am meisten
genannt wurde der Grund «keine Lust auf Schule» (knapp 60%), gefolgt von «ausschlafen wollen» (ca.
42%), «Langweile im Unterricht» (ca. 36%) und «eine Prüfung nicht schreiben wollen» (ca. 28%). Weitere genannte Gründe waren «Probleme mit einer Lehrperson», «schwänzende Freunde», «nicht gemachte
Hausaufgaben» oder Hänseleien unter Mitschülern (vgl. Stamm et al., 2009, S. 74). Eine detaillierte Auf-
weil ich Geld verdienen wollte/musste
Eltern wollten das so
wurde bedroht oder gehänselt
für eine Prüfung lernen
Hausaufgaben nicht gemacht
weil ein/e Freund/in dies auch machte
Probleme mit einer Lehrperson
wollte eine Prüfung nicht schreiben
Unterricht langweilig
wollte ausschlafen
keine Lust auf Schule
0%
10%
20%
Abbildung 1: Gründe für das Schwänzen, N=1840, missing=8.9% (164) in: Stamm et al. 2009, S. 74
30%
40%
50%
60%
grundlegendes Niveau
erweitertes Niveau
THEORETISCHER TEIL
Wie folgende Abbildung zeigt, bleibt der mit Abstand grösste Teil der Schülerinnen und Schüler während
halten sich die meisten Jugendlichen im ausserhäuslichen Bereich auf (vgl. Preuss, 1978, zit. nach Ricking,
2006, S. 37). Jeweils rund ein Drittel gab an, irgendwo draussen auf öffentlichen Strassen, auf Plätzen oder
in Parks «rumzuhängen». Nur ein sehr kleiner Teil der Jugendlichen hielt sich während dem Schwänzen
auf dem Schulareal auf.
Niveau
weiblich
E
G
K
78,0%
76,2%
60,9%
72,8%
75,0%
64,2%
E
G
K
27,2%
30,9%
39,1%
33,3%
32,5%
32,8%
Total
Ich bin einfach zu Hause geblieben.
75,3%
75,7%
62,3%
Ich bin irgendwo draußen herumgehangen.
30,4%
31,7%
36,5%
Ich war auf dem Schulgelände.
E
G
K
3,7%
4,9%
4,3%
4,0%
1,2%
10,4%
E
G
K
6,4%
11,1%
9,8%
3,8%
3,6%
1,5%
3,8%
3,2%
6,9%
Ich habe in der Zeit etwas Verbotenes gemacht.
5,0%
7,7%
6,3%
Darstellung der Zustimmung (<trifft zu>) zu den Antwortmöglichkeiten, unterteilt nach Schulniveau
und Geschlecht. N = 1801, missing = 3,9% (70). Niveau E: n männlich = 482, n weiblich = 530;
Niveau G: n männlich = 307, n weiblich = 252; Niveau K: n männlich 92, n weiblich = 67
Tabelle 2: Wo wurde die Zeit während des Schwänzens verbracht? In: Stamm et al., 2009, S.76
Ricking (2006) beschreibt, dass Schulschwänzen mit ansteigendem Alter zunimmt und in der Sekundarstufe die höchsten Werte erreicht. Viele Schülerinnen und Schüler haben zwischen der 4. und 6. Klasse zum
ersten Mal geschwänzt: Knapp 35% des erweiterten Niveaus, fast 40% des grundlegenden Niveaus und
gut 31% der Schülerinnen und Schüler aus Kleinklassen. Nur sehr wenige Jugendliche fangen in den letzmehr Jungen als Mädchen zwischen der 4. und 6. Klasse mit dem Schwänzen anfangen (vgl. hierzu Stamm
et al. 2009, S. 74 f.).
Zu beachten ist, dass beim Schulschwänzen zwischen gelegentlichem Schwänzen (Stunden, Halbtage oder
ein Schüler oder eine Schülerin schwänzt, kann unterschiedliche Gründe haben. Klauer (1963) erklärt dies
mit einem Teufelskreis. Anfangs schwänzt ein Kind beispielsweise, weil es die Hausaufgaben nicht gemacht
somit nehmen auch das Schwänzverhalten sowie die Gründe für das Fernbleiben des betreffenden Kindes
stetig zu (vgl. Klauer, 1963, zit. nach Ricking, 2006, S. 39).
THEORETISCHER TEIL
•
(Eck)Stundenschwänzen als sporadisches, ggf. kalkuliertes Schwänzen besonders von Einzelstunden bei
ungeliebten Lehrkräften bzw. in ungeliebten Fächern
•
Gelegentliches Tagesschwänzen
•
•
Regelmässiges Schwänzen von Fächern
•
•
Intervallschwänzen (Schülerinnen und Schüler fehlen mit einer gewissen Regelmässigkeit einige Tage)
•
Reversible Schulverweigerung (Durch die sozialen Kontakte in der Schule halten sich die
Jugendlichen im schulnahen Umfeld auf und wägen ab, ob ein gelegentlicher Schulbesuch nicht
doch als lohnenswert erachtet wird)
•
Tendenziell irreversible Schulverweigerung (Abbruch)
Kurzzeitschwänzen von mehreren Tagen (Schülerinnen und Schüler fehlen in einer einmaligen
Absentismusperiode während einer bis zwei Wochen)
Gelegentliches Langzeitschwänzen (Schülerinnen und Schüler besuchen während längerer Zeit
regelmässig die Schule, weisen anschliessend aber einmalige oder periodische Fehlzeiten von einigen
Tabelle 3: Formen des Schulschwänzens, vgl. Thimm, 2000, S. 162
Schulverweigerung
Als «längerfristiges und wiederholtes Fernbleiben vom Unterricht ohne ausreichende Begründung» versteht
Bührmann (2009) den Begriff Schulverweigerung (Bührmann, 2009, S. 7). Auch er betont, dass dies mit
Wissen oder Einverständnis der Eltern geschehen kann, aber die Begründung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Schulverweigerung meint in seinen Augen jedoch mehr, als «nur» die physische Abwesenheit der
Schülerinnen und Schüler, sondern auch das Verweigern von Unterricht und Aufgaben bei gleichzeitiger
nach Preuss wie folgt:
«Als Schulverweigerer sollten diejenigen beschrieben werden, deren Schulabwesenheit den Eltern bekannt ist und deren Verhaltensprobleme sich im emotionalen Bereich
so verdichten, dass das Nicht-zur-Schule-gehen-können mit auffälligen psychogenen
und/oder psychosomatischen Veränderungen einhergeht.» (Ricking, 2006, S. 50)
Die beinahe zwanghafte Unfähigkeit zum Unterrichtsbesuch und das an die Stelle des Unterrichtbesuchs
tretende Verbleiben zu Hause sowie emotionale Ausbrüche beim anstehenden Schulbesuch können als zentrale Kennzeichen der Schulverweigerung, oftmals auch Schulphobie genannt, gesehen werden (vgl. Ricking, 2006, S. 50). Für schulverweigernde Jugendliche stellt vor allem die Angst vor der Schule das grösste
Problem dar. Die Gründe für diese Angst mögen verschiedene Ursachen haben. Einige fürchten von ihren
Mitschülerinnen und Mitschülern gehänselt zu werden, andere haben Versagensängste und wieder andere
kommen mit der Lehrperson nicht zurecht. Diese Ängste führen somit zu einem Vermeiden von Situationen, Orten und Handlungen (vgl. Ricking, 2006, S. 50). Was aber allen Schulverweigerern gemein ist, ist,
dass sie immense Schwierigkeiten haben, den Unterricht zu besuchen oder sich der Schule zu nähern.
THEORETISCHER TEIL
Ergänzend hierzu unterscheidet Bührmann (2009) zwei Formen der Schulverweigerung: Die aktive sowie
die passive Schulverweigerung. Unter aktiven Schulverweigerer fasst Bührmann Kinder und Jugendliche,
kommen. Hierzu gehören ebenfalls die massive Störung des Unterrichts sowie Regelübertretungen, Leistungsverweigerungen und aggressive Verhaltensweisen gegenüber Lehrpersonen (vgl. Bührmann, 2009, S.
8). Der Ausdruck der passiven Schulverweigerung beschreibt also einerseits die physische Abwesenheit von
Schülerinnen und Schüler, bezieht aber gleichzeitig physisch anwesende Kinder und Jugendliche ein, die
aber eine aktive Teilnahme am Schulbetrieb verweigern.
Die passive Schulverweigerung hingegen bezieht sich auf Schülerinnen und Schüler, die zwar physisch im
Unterricht anwesend, jedoch sehr ruhig und zurückgezogen sind und allenfalls durch ihre mentale Abwesenheit, ihre «Träumerei», auffallen. «Des Weiteren handelt es sich um SchülerInnen, die formal entschul-
Das Zurückhalten von Jugendlichen durch deren Eltern ist ebenfalls eine Form schulabsenten Verhaltens.
bringen es um essentielle Bildungschancen (vgl. Ricking, 2006, S. 62). Dieses Verhalten der Eltern und ihre
Einstellung gegenüber der Schule können die Kinder und Jugendlichen zu verstärkt schulabsentem Verhalten animieren. Oftmals werden sie von den Eltern zu Hause behalten, damit sie beispielsweise Hausarbeiten
erledigen. Eine leichte, weniger gravierende Form des Zurückhaltens wäre beispielsweise das zu frühe in
die Ferien gehen oder das Verlängern der Ferientage. «Schwerwiegend sind jedoch die Fälle, in denen die
Eltern der Schule gleichgültig gestimmt sind oder diese gar ablehnen oder auch offen feindlich gegenüber
stehen» (Ricking, 2006, S. 63).
Ein weiterer Grund für das Zurückhalten eines Kindes können kulturelle Werte oder Traditionen sein.
Stammen Eltern aus einem anderen Kulturkreis, in welchem die Schule nicht den gleichen Stellenwert hat
wie bei uns oder der Schulbesuch allenfalls den Knaben vorbehalten wird, kann es dazu führen, dass sie
die Institution Schule «nicht als einen geeigneten Lern-, Sozialisations- und Aufenthaltsort für ihre Kinder
erachten» und sie von der Schule fern halten (Ricking, 2006, S. 63). Hiervon sind nicht nur Kinder ausländischer Familien betroffen, sondern auch Kinder, deren Eltern beispielsweise speziellen Sekten angehören.
2.1.4 Folgen von Schulabsentismus
Hört man Erzählungen über Schulschwänzen oder denkt man an seine eigenen Erfahrungen aus der Schulzeit zurück, neigt man oft dazu, schulabsentes Verhalten zu verharmlosen und als «normal» einzustufen.
Die Teilnahme am Schulunterricht ist jedoch die Voraussetzung für ein integriertes Leben in der heutigen
nicht mehr am Unterricht teilnehmen, begeben sich laut Ricking (2006) in pädagogisch äusserst negativ
einzuschätzende Entwicklungskreisläufe. Für viele schwänzende Jugendliche wird der Übergang in die
Berufswelt äusserst schwierig, da man mit einer hohen Zahl Absenzen, vielleicht sogar einigen unentschuleventuell ein Leben in Randständigkeit zu führen (vgl. Ricking, 2006, S. 9).
Ein weiterer Punkt besteht darin, dass das Schwänzen den Jugendlichen oftmals nicht den erwünschten
Effekt bringt. Aus Unlust, weil Hausaufgaben nicht gemacht wurden oder weil man eine Prüfung nicht
schreiben möchte, bleiben Schülerinnen und Schüler dem Unterricht fern. Während der neu ergatterten
Freizeit werden sie aber teilweise von ihrem schlechten Gewissen eingeholt und merken früher oder später,
dass die nicht gemachten Hausaufgaben oder die verpasste Prüfung dennoch nachgeholt werden müssen.
THEORETISCHER TEIL
Die versäumte Zeit bringt somit nicht den erwünschten Effekt. Durch das Fehlen wird der schulische Druck
nur erhöht. Ebenfalls werden achtsame Lehrpersonen in gut organisierten Schulen auf das Vermeidungsverhalten der Jugendlichen aufmerksam und benachrichtigen das Elternhaus, was zu weiteren Spannungen
führen kann. Es liegt auf der Hand, dass Schülerinnen und Schüler mit stark schulabsentem Verhalten
ihre Zukunft gefährden und langfristige Risiken eingehen, deren sie sich zum aktuellen Zeitpunkt oftmals
noch nicht bewusst sind. Hinzu kommt, dass dieses Verhalten nicht von einem Tag auf den anderen wieder
abgelegt werden kann. Auch verfügen diese Jugendlichen oftmals über ein schwächeres Selbstkonzept und
weniger Selbstbewusstsein als Schülerinnen und Schüler, die eine problemlose Schulkarriere durchlaufen.
Weiter kann es vorkommen, dass Probleme im sozialen Bereich auftreten, da sich diese Jugendlichen an
ihr Vermeidungsverhalten gewöhnt haben und sich gewohnt sind, unangenehmen Situationen aus dem Weg
zu gehen. Ebenfalls besteht eine grössere Tendenz zu Aggression, Delinquenz oder Drogenkonsum/-missbrauch (vgl. Herz, 2004, S. 49).
Des Weiteren schätzen Tyrer & Tyrer (1974), dass Absentismus in der Schule «als Wegbereiter sozialer
Negativkarrieren mit kumulierenden und interagierenden Lebensproblemen, überschattet von psychischen,
psychiatrischen und familiären Schwierigkeiten» agiert (zit. nach Ricking, 2006, S. 50). Schulische Desintegration ist somit nicht nur ein Problem der Schule, sondern ein Problem der ganzen Gesellschaft. Sie
geht oftmals mit einer sozialen Desintegration einher, da diese Schülerinnen und Schüler in ihrer Zukunft
vermehrt von Arbeitslosigkeit bedroht sind, oder vorwiegend eine Beschäftigung als Hilfsarbeiter oder in
2.1.5 Schulabsentismus in der Schweiz
Auch an Schweizer Schulen sind Schulabsentismus und schulabsentes Verhalten ein Thema. Stamm et
al. (2009) fanden im Rahmen ihres Forschungsprojektes «Schulabsentismus in der Schweiz – ein Phänomen und seine Folgen» heraus, dass fast jeder zweite Schüler und jede zweite Schülerin im Verlaufe ihrer
Schulzeit schon die Schule geschwänzt hat. Zwischen Herbst 2005 bis Anfang 2008 führte Margrit Stamm,
Professorin für Erziehungswissenschaften an der Universität Fribourg, verschiedene Untersuchungen zu
Schulabsentismus in der Schweiz durch. Für diese Studie wurden insgesamt 4‘000 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen und Schulleitungen befragt (vgl. Stamm et al., 2009, S, 14).
Zu den massiven Schulschwänzern, das heisst, dass mehr als fünf mal ein halber Tag innerhalb der letzten
sechs Monate geschwänzt wurde, gehören rund 4.7% der befragten Jugendlichen (vgl. Stamm et al., 2009,
S. 18). Interessant ist, dass diese Gruppe von massiven Schulschwänzern vor allem in den Schulformen mit
Anstieg des Schwänzens mit zunehmendem Alter» hingegen in allen Schulformen anzutreffen sei (Stamm
et al., 2009, S. 18).
sehr gering ist. Anders sieht jedoch das Resultat bei den massiven Schulschwänzern aus. Hier liegt der Knabenanteil mit durchschnittlich 6.6% höher als bei den Mädchen (3.8%) (vgl. Stamm et al., 2009, S. 18).
Betrachtet man die Motive, aus welchen die Jugendlichen der Schule fern bleiben, lässt sich eine grosse
chern und das Vermeiden von Prüfungen (10% bis 40%). Ablehnung der Schule als solche (33% bis 36%),
(1% bis 19%) zählen ebenfalls zu den genannten Motiven (vgl. Stamm et al., 2009, S. 18).
THEORETISCHER TEIL
In der Forschung wird das Phänomen Schulabsentismus anhand verschiedener theoretischer Erklärungsansätze untersucht. Es gibt verschiedene Perspektiven, aus denen das Thema betrachtet wird, unter anderem
sozialpädagogischer, sozialwissenschaftlicher, lernpsychologischer, psychologischer oder medizinischer
Natur. Bei den Fragen: Wie entsteht Schulabsentismus? Welches sind die ursächlichen Komponenten?
wird davon ausgegangen, dass es sich dabei um einen Bedingungskomplex handelt, der aus vielen Komponenten zusammengesetzt ist. Zu diesem Bedingungsgefüge gehören die allgemeine schulische Sozialisation, die Beziehungsstruktur sowie individuelle Schüler- und Familienmerkmale (vgl. Stamm et al., 2009, S.
19 f). In der Literatur wird in diesem Zusammenhang von so genannten «Multiproblemlagen» gesprochen
(vgl. Bührmann, 2006, S. 16). Die einzelnen Faktoren liegen in verschiedenen Systemen verortet und stehen
in stetiger Wechselwirkung zueinander. Sie sind vor allem in der Persönlichkeit des/der Jugendlichen, im
sozialen Umfeld wie der Familie oder dem Freundeskreis, aber auch im System Schule begründet. Ricking
(2003) betont in diesem Zusammenhang, dass es so etwas wie den typischen Schulschwänzer oder die
typische Schulschwänzerin nicht gibt, da die Jugendlichen trotz Risikobelastungen Spielräume für Verhaltensalternativen zum Schulabsentismus haben (vgl. Ricking, 2003, S. 123).
Im Folgenden werden nun die einzelnen Systeme genauer betrachtet. Zuerst wird auf die individuellen Variablen wie Alter, Geschlecht und Intelligenz eingegangen, anschliessend werden die Bedingungsfaktoren
in den Systemen Familie, Peer-Group und Schule erläutert.
Alter
Über den Zusammenhang zwischen Alter und Schulschwänzen ist man sich in der Forschung nicht ganz
einig. Besonders englischsprachige Untersuchungen zeigen, dass mit steigendem Alter auch die Zahl der
Absenzen zunimmt (vgl. Stamm et al., 2009, S. 36f). Jedoch liegen auch Forschungsresultate vor, die das
Gegenteil aufzeigen (vgl. Ricking, 2006, S. 70f). Klauers (1963) beispielsweise ermittelte für damalige
Hilfsschülerinnen und Hilfsschüler in der Vorpubertät zwischen 10 und 11 Jahren einen Absentismusgipfel
von 15.7%. Die jüngeren Schülerinnen und Schüler (8-9 Jahre) sowie ältere (12-13 Jahren) schwänzten mit
12.1% und 10.6% deutlich weniger (zit. nach Ricking, 2006, S. 70). Vergleicht man aber die Resultate der
internationalen Absentismusforschung, kommt man zum Schluss, dass «unerlaubtes Fernbleiben mit dem
Alter ansteigt und in den letzten Schuljahren höher ist als zu früheren Schulzeiten» (Galloway, 1967, 1982,
Prichard et al., 1992, Jardine, 1987, Zieman & Benson, 1980, Levanto, 1975, Eder, 1981 zit. nach Ricking,
2006, S. 124).
Schwierigkeiten in der Schule machen dementsprechend vor allem die älteren Schülerinnen und Schüler. Je
älter sie werden, desto schwieriger wird es, das schulabsente Verhalten zu verhindern und die Eltern für das
Verhalten ihrer Kinder verantwortlich zu machen.
Geschlecht
Weder in der deutschen noch in der angloamerikanischen Forschung kann eine eindeutige Aussage darüber
gemacht werden, ob Schulabsentismus eher eine Domäne weiblicher oder männlicher Schüler ist (Fogelman et al., 1980, Levanto, 1975, Blagg, 1987, zit. nach Ricking, 2006, S.71 und Ricking, 2003, S. 125). Dennoch wird in der Literatur den Jungen eine tendenziell höhere Bereitschaft zum Schwänzen zugewiesen.
ten werden, während Jungen hingegen mehr aus Eigeninitiative schwänzen (vgl. Berg u.a., 1988, Sommer,
1985a, Collins, 1990 zit. nach Ricking, 2003, S. 125).
THEORETISCHER TEIL
Unter dem Selbstkonzept versteht man das Bild einer Person von sich selbst, bestehend aus Ideen, Gefühlen, Erlebnissen, Einstellungen und Erwartungen. Es ist Teil der persönlichen Identität jedes Menschen und
handlungsleitende Grösse in unserem Alltag (vgl. Woolfolk, 2008, S. 760).
In der Schule treffen die Schülerinnen und Schüler jeden Tag neue Wettbewerbssituationen an. Sie müssen
sich unter ihren Mitschülerinnen und Mitschülern behaupten, wollen möglichst gut dastehen, buhlen um
soziale und schulische Anerkennung und müssen dem Leistungsdruck genügen. Der ständige Wettbewerb
bringt eine latente Gefahr des Versagens mit sich. Dieser Druck ist besonders für leistungsschwache Jugendliche anstrengend und kann zur Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls führen. Ricking (2006) weist
onsmuster erleben und daher die […] als die eigenen Identität nicht förderlich empfundene Schule meiden»
(Ricking, 2006, S. 74). Reid (1982) ging der Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Selbstkonzept
der Jugendlichen und deren Selbstkonzept nach und fand heraus, dass die Mehrheit der chronischen Schulschwänzer im Gegensatz zu den Schülerinnen und Schülern, welche regelmässig den Unterricht besuchen,
zwischen den Geschlechtern konnte aber nicht gemacht werden.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Forschung zum Ergebnis gekommen ist, dass Jugendliche
mit schulabsentem Verhalten ein geringeres akademisches Selbstkonzept und weniger Selbstbewusstsein
haben, grössere Probleme im Kontakt mit anderen Menschen aufweisen und in höherem Ausmass dissoziale Verhaltensformen aufweisen als Schülerinnen und Schüler ohne markantem Absentismus (vgl. Ricking,
2003, S. 129 und Ricking, 2006, S. 75).
Ein grosser Teil im Leben einer/eines Jugendlichen nimmt neben dem Schulalltag und den Freunden die
Je nach dem, in welchem sozioökonomischen Kontext ein Kind aufwächst, ist es mit anderen Problemen
konfrontiert. Desolate Familienverhältnisse, die sich meist in sozial schwachen und benachteiligten Familien
(vgl. Bührmann, 2009, S. 17). Bedingungsfaktoren im System Familie sind laut Bührmann (2009) folgende:
•
der sozioökonomische Status: Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen usw.
•
die (sehr hohe) Anzahl Kinder
Wohnungen in Stadtteilen mit hoher Delinquenzbelastung
•
Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch
•
familiäre Zerrüttung, andauernder Ehestress, Trennung oder Scheidung
Erklärungsansätze werden in der Einstellung der Eltern und in deren Wertesystem gesucht. Manche Eltern
betrachten das Schulschwänzen ihrer Kinder als kein grosses Problem, da die Schule in ihrem Leben keine
herausragende Bedeutung hat und nicht zur erfolgreichen Bewältigung des Alltags sowie zur Existenzsicherung gehört. Diese ablehnende oder gleichgültige Haltung der Eltern kann das schulabsente Verhalten
der Jugendlichen verstärken (vgl. Ricking, 2003, S. 46). Nielsen & Gerber (1979) berichten von Familien,
in denen Schulschwänzen über mehrere Generationen aufgetreten ist (zit. nach Ricking, 2003, S. 143). In
solchen Familien ist dieses Verhalten somit in deren Wertesystem fest integriert. Folglich zeigen die Eltern
Verständnis für das Schwänzen der Kinder.
THEORETISCHER TEIL
Die Unterstützung und das Interesse der Eltern am Leben der Kinder sind für die Jugendlichen sehr wichtig. Elterliches Desinteresse am Alltag der Kinder sowie an schulischen Lernfortschritten ist somit ein weiterer Risikofaktor. Warum die Eltern nicht am Leben ihrer Kinder teilhaben wollen oder können, mag aus
um einige Beispiele zu nennen (vgl. Bührmann, 2009, S. 19). Eng damit zusammen hängen auch die Struktur sowie die elterliche Kontrolle, welche Kinder und Jugendliche in diesem Alter brauchen. Zu strenge
Regeln werden genau so negativ erlebt wie inkonsequentes bzw. willkürliches Verhalten der Eltern. Immer
wieder werden Grenzen ausgetestet und geschaut, zu welchen Reaktionen oder Konsequenzen das jeweilige
bar und bestehen keine verlässlichen Grenzen für das soziale Zusammenleben, führt das zu einer starken
Verunsicherung bei den Kindern (vgl. Bührmann, 2009, S. 19f).
Ricking (2003) spricht in diesem Zusammenhang einen weiteren, interessanten Punkt an: «So wie häusli-
miert, führt dies zu neuen Spannungsfeldern, was die Situation weiter verschärfen kann. Es wird deutlich,
wie komplex und wechselseitig dieses Gefüge ist.
Während in der Sozialisationsforschung die Peers schon seit langem als eine der klassischen Bezugsgruppen der Jugendlichen gelten, wird die Rolle der Peers im Kontext der Schulverweigerung erst seit kurzem
in Betracht gezogen (vgl. Bührmann, 2009, S.77). Die Peers sind aus mehreren Gründen sehr wichtig für
die Jugendlichen. Einerseits werden sie oft zu einer zweiten Familie, wenn die Eltern abwesend sind, andererseits erlernen sie in diesem Umfeld wichtige soziale Regeln.
Unter dem Begriff «Peers» werden nicht einfach nur Gleichaltrige gefasst, sondern diejenigen, die von den
Jugendlichen als ein «[…] als Interaktionspartner akzeptierter Gleichaltriger» bezeichnet werden (Krappmann, 1998, S. 364 zit. nach Bührmann, 2009, S. 77). Die Peer-Gruppen entstehen somit aufgrund von
gemeinsamen Interessen, Vorstellungen sowie Sympathien und Vergleichbarkeiten. Solche Gruppen entwickeln eigene Normen und Verhaltensregeln, welche es den Jugendlichen ermöglichen, sich aneinander
zu orientieren und bestenfalls Bestätigung Gleichaltriger zu erhalten. Zudem können die Peer-Groups ganz
verschiedene Qualitäten aufweisen.
nen sich die Jugendlichen nicht öffnen und die überwiegend durch gemeinsame Aktivitäten zusammengehalten werden, bis hin zu intimen Freundschaften, in denen
sind und zudem von verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise dem Alter und der
Persönlichkeit der Jugendlichen abhängen.» (Samjeske in Wagner, 2007, S. 178).
haben. Vor allem die Cliquenzugehörigkeit spielt eine wichtige Rolle, denn oftmals wird schulabsentes
Verhalten als statusfördernd angesehen und gilt als Mutbeweis (vgl. Stamm 2008, S. 92). So können sich die
Jugendlichen beispielsweise auch gegenseitig zum Fernbleiben des Unterrichts motivieren. Nach Stamm
(2008) haben gerade schulfeindlich eingestellte Jugendliche eine verstärkende Wirkung auf schulabsentes Verhalten, weil sie die eher zufällig schwänzenden Kinder in ihre Kreise aufnehmen und gezielt ein-
THEORETISCHER TEIL
schliessen. So werden diese Gruppen immer mächtiger und die Gruppendynamik wächst. Auch Bührmann
(2009) bekräftigt diese Aussage, denn es «[…] ist zu vermuten, dass sich (gelegentliches) individuelles
Schulschwänzen durch Gruppenkontakte verstärkt und schliesslich in Schulverweigerung übergehen kann»
(Bührmann 2009, S. 78). «In einer schulaversiven Gruppe Gleichgesinnter kann ihr Verhalten eine identitätssteigernde und selbstwertstabilisierende Wirkung entfalten» (Dölle, 2010, S. 90).
Die Studie von Schreiber-Kittl/Schröpfer (2002) zeigt auf, dass die befragten Jugendlichen das Schulschwänzen zu Beginn eher ein Spiel gewesen sei, zu welchem man sich gegenseitig ermutigt habe. Somit
können (zit. nach Bührmann, 2009, S. 79).
Ein weiterer Grund, weshalb Jugendliche der Schule fern bleiben, ist die Angst vor andern Mitschülerinnen
und Mitschülern. Schülerinnen und Schülern verweigern teilweise die Schule, weil sie beispielsweise von
anderen bedroht, erpresst oder geschlagen werden (Schreiber-Kittl/Schröpfer, 2002, S. 141). Die Opfer sehen irgendwann oftmals keinen anderen Ausweg aus dieser Situation mehr, als der Schule fern zu bleiben.
Nur in seltenen Fällen wenden sich die Betroffenen an ihre Lehrperson oder an die Eltern, denn die Angst,
als Verräter dazustehen und weiter gehänselt zu werden, ist grösser als die Annahme, dass ihnen in ihrer
Situation geholfen werden könnte. In solchen Fällen wird von «Bullying» und «Mobbing» gesprochen (vgl.
Schreiber-Kittl/Schröpfer, 2002 und Stamm, 2008).
Jugendliche, die der Schule fern bleiben, schaffen sich neue, zusätzliche Freizeit, die sie füllen und gestalten
müssen. Hier kommen die Peers wieder zum Tragen, denn nur selten wird die gewonnene Zeit alleine zu
Hause verbracht. Des Öfteren müssen auch die Eltern getäuscht werden, damit das Schulschwänzen erst
möglich wird. Somit sind die Jugendlichen auf ausserschulische und ausserhäusliche Aktivitäten angewieSchule (vgl. Bührmann, 2009), um dennoch mit den anderen Schülerinnen und Schülern in Kontakt bleiben
zu können. Schreiber-Kittl/Schröpfer (2002) zeigen auf, dass rund 69% bzw. 65% der befragten Schülerinnen und Schüler angaben, «Freunde besucht» zu haben oder «mit dem Freund/der Freundin zusammen»
gewesen zu sein (Schreiber-Kittl/Schröpfer, 2002, S. 177). Die Jugendlichen nutzen die Zeit, um sich mit
Gleichgesinnten zu treffen, die Zeit positiv zu nutzen und Spass zu haben.
Welche Rolle die Peers im Bezug auf Schulschwänzen nun genau einnehmen, ist schliesslich schwierig zu
sagen und sehr individuell. Unbestritten ist jedoch, dass sich die Jugendlichen in ihrem Verhalten gegensei-
in der Forschung immer wieder. In diesem Abschnitt wird auf diese Frage eingegangen und versucht, einige
Antworten darauf zu geben.
den Umgang mit Regeln, die Lehrpläne sowie die Einstellung und das Verhalten der Lehrperson sowie die
Schüler-Lehrer-Beziehung.
Grundsätzlich kommt Schulabsentismus in allen Schulformen vor (vgl. Ricking, 2006). Bührmann (2009)
weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass «die aktive Verweigerungsquote umso geringer ist,
je höher das Bildungsniveau und damit die Ausbildungs- und Beschäftigungsperspektiven der Jugendlichen
weigerung» (Bührmann, 2009, S. 37). Auch Stamm (2008) unterstreicht diese Aussage. Schulen, die «ein
THEORETISCHER TEIL
Ein Hauptgrund des Schulschwänzens ist oft ein negatives Schulklima. Fühlen sich Jugendliche bedroht
und haben Angst vor dem Schulbesuch, liegt ein früher oder später eintretendes Vermeidungsverhalten
darauf, ob sich die Jugendlichen in der Schule wohl fühlen und ob sie diese gerne besuchen. Folglich macht
es für die Schülerinnen und Schüler einen grossen Unterschied,
•
•
•
ob sie sich in der Schule wohl fühlen, oder ob sie diese lieber meiden würden.
ob sie aktiv und entspannt am Unterrichtsgeschehen teilnehmen können oder
ständig auf der Hut sein müssen.
ob sie «mit der Sicherung ihrer sozialen Existenz beschäftigt sind oder
Aufmerksamkeit für andere Themen frei haben» (Bührmann, 2009, S. 39).
Weiter spricht Stamm (2008) davon, dass eine klare Präsenzordnung der Schulen sehr wichtig sei. Die
Schulen haben oftmals unterschiedliche Präsenzsysteme. Weniger geschwänzt wird, wenn «die Präsenz
verbindlich, systematisch und umfassend festgehalten und überprüft wird und Absenzen unmittelbar geahndet werden» (Stamm, 2008, S. 101). Wie streng die Absenzenregelung eines Schulhauses gehandhabt
wird, hängt auch stark von den einzelnen Lehrpersonen ab. Ein Präsenzsystem kann sehr strikt vorgegeben
sein, wenn die Lehrkraft jedoch dazu neigt, die Augen zu verschliessen und dem Schwänzen nicht nachzugehen, haben die Jugendlichen gute Möglichkeiten, sich diesem System zu entziehen.
Ebenfalls eine wichtige Rolle spielt die Lehrer-Schüler-Beziehung. Jugendliche schwänzen seltener, wenn
die Beziehung zur Lehrperson stimmt, sie sich ernst genommen fühlen und die Beziehung auf gegenseitiger
Wertschätzung basiert (vgl. Stamm, 2008, S. 100f und Schreiber-Kittl/Schröpfer, 2002, S. 144f). Auch hinsichtlich des Umgangs mit den Schulverweigerern nimmt die Lehrperson eine zentrale Rolle ein. Wird das
schulabsente Verhalten eines Schülers oder einer Schülerin einfach akzeptiert, kann dies zu einer Verstärkung dieser Handlung führen. Erfahren Jugendliche keine Konsequenzen, werden sie ihr Verhalten kaum
ändern, denn «Wenn Jugendliche einen Schlupfwinkel entdecken, die Schule zu schwänzen, dann tun sie
dies eben auch» (Bührmann, 2009, S. 42). Laut Berichten von einigen Schulverweigerern wurde als positiv
erlebt, wenn sie von der Lehrperson das Gefühl vermittelt bekamen, eine ehrlich gemeinte, zweite Chance zu
bekommen und ihnen gleichzeitig Unterstützungsangebote gemacht wurden (vgl. Bührmann, 2009, S. 42f).
Überleitung
Wie in diesem Kapitel dargelegt wurde, ist Schulabsentismus ein sehr komplexes Phänomen, welches aus
unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und betrachtet werden muss. Ursächlich für schulabsentes Verhalten von Schülerinnen und Schüler sind nicht einfach nur das Kind, die Eltern, die Peers oder die Schule
an sich, sondern das Zusammenspiel dieser Faktoren. In diesem Zusammenhang ist es von zentraler Bedeutung, das Bewusstsein dafür zu erlangen, dass schulabsentes Verhalten multikausal bedingt ist und oftmals
eine Vielzahl von Gründen für das Schwänzen vorhanden ist.
Durch die genaue Betrachtung des Terminus Schulabsentismus wurde deutlich, dass sich hinter dem Begriff Schulabsentismus weit mehr als nur das Fehlen im Unterricht verbergen. Schulversäumnisse und
schulabsentes Verhalten gelten nach Ehmann/Rademacker (2003) als Hinweise auf ein erheblich erhöhtes
Risiko schulischen Scheiterns (in Herz/Puhr/Ricking, 2004, S. 185). Im nächsten Kapitel steht der DropOut, das frühzeitige Verlassen der Schule, im Zentrum.
THEORETISCHER TEIL
2.3 Drop-Out
und Phänomene erläutert sowie auf theoretische Erklärungsmuster eingegangen. Anschliessend wird auf
die Drop-Out-Typologien von Stamm Bezug genommen, da diese Teil der Grundlagen für den zweiten,
praktischen Teil der Arbeit sind.
Während in den vorhergehenden Abschnitten vor allem der Schulabsentismus im Zentrum stand, wird nun
der Augenmerk auf ein weiteres Phänomen gelegt: der vorzeitige Abbruch des Schulbesuchs (Drop-Out). In
Europa sind es jährlich durchschnittlich 18.5% der Jugendlichen, welche die Schule trotz der bestehenden
zer Studie von Eckmann-Saillant et al. (1994) geht man hierzulande von 5% aus (Stamm, 2012, S. 25). Die
Reduktion dieser Schulabbrüche stellt eine Herausforderung für das Schweizer Bildungssystem dar, denn
es gilt einerseits die Qualität der Schulen sowie die Zukunft der Jugendlichen zu sichern.
anschliessend, aufbauend auf den theoretischen Grundlagen, das Phänomen erläutert. Im weiteren Verlauf
sollen Erklärungsmuster aufgezeigt werden. Weiter wird der Frage nachgegangen, was denn mit den so
genannten Drop-Outs, den Schülerinnen und Schülern, welche die Schule frühzeitig abgebrochen haben,
passiert. Abschliessend werden aktuelle empirische Erkenntnisse von Stamm (2012) zusammengefasst und
in Zusammenhang mit dem empirischen Teil dieser Arbeit gebracht.
Unter Drop-Out versteht man grundsätzlich den vorzeitigen Abbruch des obligatorischen Schulbesuchs
(vgl. Stamm, 2012, S. 25, Ricking/Schulze/Wittrock, 2009 S. 24). Der Drop-Out stellt somit ein «desintegratives Verhalten dar, das in der letzten Phase der Schulzeit zumeist nach einer längeren Phase der Distanzierung auftritt» (Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S. 24). In der aktuellen Forschung werden zwei Formen
des Drop-Outs unterschieden (vgl. Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S. 24):
ohne Abschluss die Schule verlassen» (Stamm, 2012, S. 31).
Viele Jugendliche, die die Schule vorzeitig verlassen, sind durch Schulversagenserlebnisse belastet und
zeigen Merkmale von Schulaversion und Schuldistanz auf (vgl. Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S. 24f).
somit das Risiko ein, ohne Schulabschluss da zu stehen und auf dem Arbeitsmarkt auf erschwerte Bedingungen zu stossen. Diese Schülerinnen und Schüler weisen meist deutliche Probleme auf, den schulischen
Anforderungen, sei es sozial oder im Bereich der schulischen Leistungen, zu genügen. Der Schulabbruch ist
also eine Folge des Zusammenspiels zwischen persönlichen Eigenschaften und Umweltbedingungen (vgl.
Ricking/Schulze, 2012, S. 15).
In der Entwicklung vom anfänglich schulmeidenden Verhalten bis hin zum Schulabbruch sind diverse
rin wie beispielsweise Schulversagen, Lernbeeinträchtigungen, Schwierigkeiten, sich sozial zu integrieren,
familialer Interaktions- und Lebensbedingungen (instabile Familienverhätlnise, wenig Unterstützung und
THEORETISCHER TEIL
Aufsicht, Armut), schulischer Rahmen und Einbindung (negatives Schulklima, kaum oder ungenügende
Unterstützungs- und Förderangebote) und Wirkungszusammenhänge, die von Gleichaltrigen ausgehen (vgl.
Hammod et al., 2007; Beekhoven/Dekkers, 2005, in Ricking/Schulze, 2012, S. 15f). Durch den Eintritt in
die Schule werden die Kinder mit neuen Herausforderungen konfrontiert und es werden zunehmend Erwartungen an sie gestellt: Hausaufgaben machen, gute schulischen Leistungen bringen, dem Leistungsdruck
genügen und sich sozial eingliedern. Mit zunehmendem Alter und höherer Schulstufe steigt auch der Druck
auf die Schülerinnen und Schüler. Insbesondere Kinder, die aus bildungsfernen Familien stammen, haben
Mühe, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen und den Anforderungen zu genügen. Nicht selten äussern
sich diese Adaptionsschwierigkeiten in einer «zunehmenden Distanzierung vom Unterricht und der Schule
weg ggf. hin zu subjektiv interessanteren Situationen» (Ricking/Schulze, 2012, S. 16).
Viele Jugendliche, die die Schule vorzeitig verlassen, sind durch Schulversagenserlebnisse belastet und
zeigen Merkmale von Schulaversion und Schuldistanz (vgl. Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S. 24f). DropOut ist somit nicht als ein «situatives Ergebnis», sondern als ein «Entwicklungsergebnis, das in eine Lebensperspektive zu setzen ist», zu sehen (Ricking/Schulze, 2012, S. 16).
Die untenstehende Abbildung zeigt eine modellhafte Entwicklung, wie es zu einem Drop-Out kommen
könnte. Wichtig ist hierbei zu berücksichtigen, dass es eine Häufung und ein Zusammenspiel verschiedener
Aspekte braucht, bis ein Schulabbruch eintritt. Oftmals ist ein Abbruch dadurch gekennzeichnet, dass «die
entstehen und Leistungsprobleme kumulieren» (Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S. 25).
Geringe
soziale
Kompetenz
(Macht-)
Lehrern
Schulabsentismus
Familie: wenig
Aufsicht und
Schulischer
Misserfolg,
Schulaversive
Haltung
Schule
Reintegration
Bildungsfernes
Milieu
außerschulische
Situation
Dropout
Emotionale
Entlastung «Befreiung» von
Schule
Option Arbeit und
Verdienst
Wenig
Unterrichtsinteresse
und -motivation
Abbildung 2: Entwicklungsmodell bei Drop-Out, in: Ricking/Schulze/Wittrock, 2009, S.26
Oftmals wird den Kindern schon von zu Hause eine Grundhaltung gegenüber der Schule und dem Bildungssystem mitgegeben. Von dieser Haltung geprägt starten die Kinder ihre Schulkarriere mit bereits
teilweise negativen Gefühlen. Vor allem Familien aus einem bildungsfernen Milieu sind der Schule kritisch
ihren Familien kaum Unterstützung, führt dies zu einem Frustrationserlebnis und das Interesse gegenüber
der Schule und die Motivation nehmen stetig ab. Der Lernrückstand wird immer grösser und eine aversive
Haltung gegenüber der Schule beginnt sich zu verstärken. Auch eine geringe Sozialkompetenz kann zu
einen Fluchtdruck, denn sie möchten die negativen Erlebnisse meiden und sehnen sich nach Anerkennung
Kreislauf, der nur schwer zu durchbrechen ist. Ricking/Schulze (2012) sprechen von einer «Abwärtsspirale
aus Leistungsversagen, geringer Selbstwirksamkeitserwartung und Demotivation» (Ricking/Schulze, 2012,
THEORETISCHER TEIL
S. 16). Neben den individuellen Faktoren der Jugendlichen können auch die Schule sowie die Lehrpersonen
aktiv an einem Schulabbruch mitwirken. Ignorieren oder missachten Lehrkräfte bewusst die Bedürfnisse
dieser Risikoschüler, führt dies zu einer Bestärkung ihres schulabsenten und schulaversiven Verhaltens. In
der Literatur wird dabei vom so genannten «push-effect» gesprochen (Ricking/Schulze, 2012, S. 16). Neben
dem push-effect gibt es auch den pull-effect. Hierunter zählt man die Bedingungen ausserhalb der Schule,
welche die Jugendlichen von der Schule fernhalten. «Für Schüler mit Lern- und Verhaltensbeeinträchtigungen steigt das Risiko für Schulabsentismus und Schulabbruch deutlich an» (vgl. Stearns et al., 2007, zit.
nach Ricking/Schulze, 2012, S.16). Ebenfalls in diese Risikogruppe fallen Schülerinnen und Schüler mit
gesundheitlichen Problemen wie chronischen Erkrankungen, Suchtproblematiken oder mit Eltern, welche
übernehmen müssen. Drop-Out kann für diese Jugendliche und ihre Zukunft schwerwiegende Folgen haben, denn der Weg ins soziale Abseits und in die Delinquenz ist naheliegend. Ricking/Schulze (2012) fassen
die Zukunftsaussichten dieser Jugendlichen folgendermassen zusammen (Ricking/Schulze, 2012, S. 16):
«Für den Einzelnen ergibt sich durch den Bildungsnachteil im Rahmen sozialer
Ausgrenzung ein Leben mit geringer wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Teilhabe. Der sich oft schon früh anbahnende Weg der Desintegration zieht gesundRandständigkeit und Abhängigkeit vom sozialen Netz des Staates.»
Drop-Outs unterscheiden sich nicht nur in den Gründen, aus denen es zu einem Schulabbruch kam, sondern auch in der Art und Weise des Ausstieges. Stamm hat in ihrer Langzeitstudie «Die Zukunft verlieren?
Schulabbrecher in unserem Bildungssystem» folgendes herausgefunden: In rund 45% der Drop-Outs handelt es sich um einen klassischen Schulabbruch, 21.8% der Jugendlichen wurden von der Seite der Schule
her ausgeschlossen, in 25% um einen als «Schulwechsel» und in 8.2% der Fälle als einen «Wechsel in eine
Privatschule» kaschierten Abbruch (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S.99f). Dieser Ergebnisse lassen
erkennen, dass es auch bezüglich der Art und Weise eines Ausstieges grosse Unterschiede gibt. Es scheint,
als gäbe es den einen Grund für einen Schulabbruch ebenso wenig wie die eine Art und Weise, wie die
Schule verlassen wird.
Wie kann man sich in der Theorie erklären, dass Jugendliche die Schule verfrüht und ohne Abschluss
verlassen? Diese Frage wird im folgenden Kapitel unter Einbezug theoretischer Erklärungsmuster zu beantworten versucht.
Abbrüche, Ausstiege und Ausschlüsse werden als Formen abweichenden Verhaltens bezeichnet, was gegen
die sozialen Normen verstösst (vgl. Stamm, 2012, S.47). Um sich ein solches Verhalten zu erklären, bedarf
es verschiedener Theorien. Stamm (2012) verweist im Zusammenhang mit der Problematik des Drop-Out
auf die soziale Kontrolltheorie, die Anomietheorie sowie die Etikettierungstheorie als grundlegende Erklärungsansätze.
Soziale Kontrolltheorie
Der Ansatz der sozialen Kontrolltheorie geht auf Hirschi (1969) zurück. Abweichendes Verhalten wird
damit begründet, dass ein Mensch wenig Bindung an die Gesellschaft sowie Familie, Freunde und Schule
hat, welche eigentlich dazu da wären, ihm Werte zu vermitteln und eine soziale Kontrolle auf ihn auszuüben (zit. nach Stamm, 2012, S. 47). Durch verschiedene Kontrollmechanismen wie beispielsweise soziale
Werte versucht die Gesellschaft, die Einhaltung der sozialen Normen zu gewährleisten. Fehlt aber einem
Individuum diese Bindung, verspürt dieser Mensch die ständige Motivation zu abweichendem Verhalten
und verfügt über keine Mechanismen, die ihn von diesem abhalten würden (vgl. Stamm, 2012). In der
THEORETISCHER TEIL
sozialen Kontrolltheorie von Hirschi (1969) werden vier Bindungstypen an die gesellschaftliche Struktur
unterschieden (Stamm, 2012, S.47):
•
•
•
•
die emotionale Bindung an Bezugspersonen (Attachement)
die Investition in Lebensziele und Laufbahn (Commitment)
die Integration in institutionalisierte Aktivitäten (Involvement)
das Ausmass der Internalisierung von Werthaltungen (Beliefs)
Laut der sozialen Kontrolltheorie tendieren also sozial gut eingebundene, interessierte und engagierte
Jugendliche weniger zu sozial abweichendem Verhalten als kaum oder schlecht in ihr gesellschaftliches
die Beziehung der Kinder zur Schule und auf die soziale Einbindung jener im schulischen Umfeld. Das
Verhältnis zum schulischen Kontext ist wiederum entscheidend dafür, wie intensiv sich ein Kind mit der
auszusteigen.
Anomietheorie
Eine weitere Theorie, die nach Erklärungen für abweichendes Verhalten sucht, ist die Anomietheorie. Im
Gegensatz zur sozialen Kontrolltheorie sucht die Anomietheorie nach gesellschaftlichen Gründen, die bei
einem Individuum ein abweichendes Verhalten hervorrufen können (vgl. Stamm, 2012). Merton (1968)
erklärt dieses Verhalten «als Folge der Differenz von kulturellen Zielen (wie Wohlstand und soziale Anerkennung) und den Mitteln, wie diese Ziele erreicht werden können (wie etwas Bildungschancen oder
Schulabschlüsse)» (zit. nach Stamm, 2012, S. 48). Merton (1968) geht davon aus, dass die gesellschaftliche
Position, welche eine Person einnimmt, der Schlüssel ist und diese Zugänge reguliert. Wird ein bestimmtes
Ziel angestrebt, ohne dass die betreffende Person über die dazu benötigten Mittel verfügt, wird sie früher
oder später nach anderen Wegen suchen, um die gewünschte gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung zu erlangen. In der Anomietheorie werden von Merton fünf verschiedene Reaktionsformen von
Menschen auf anomische Zustände unterschieden: Konformität, Innovation, Rituale, sozialer Rückzug und
Rebellion (Stamm, 2012, S. 48). Betrachtet man einem Schulabbruch aus dem Standpunkt der Anomietheorie, so kann gesagt werden, dass Drop-Out so etwas wie eine «sozio-ökonomische Mangelerscheinung»
ist (Stamm, 2012, S. 48). Jeder/jede Jugendliche hat Ziele in seinem/ihrem Leben, die erreicht werden
ökonomischer Wohlstand. Einigen Jugendlichen gelingt es nicht, diese Ziele auf legale Art und Weise zu
erreichen und versuchen deshalb, die gewünschte Bestätigung im ausserschulischen Umfeld zu erreichen.
Ansehen wird oftmals durch den Zeitvertreib mit den Peers angestrebt und ökonomischer Wohlstand kann
über kleinere, nicht selten illegale Tätigkeiten erreicht werden. Der dadurch zunehmende Rückzug aus dem
schulischen Umfeld bewirkt auch, dass sich die betroffenen Jugendlichen sozial wie auch emotional von
der Schule distanzieren, was die Wahrscheinlichkeit eines Schulausstiegs erhöhen kann (vgl. Stamm, 2012).
Die Etikettierungstheorie ist in der Wissenschaft auch unter dem Begriff Labeling Approach bekannt und
prozesse (Stamm, 2012, S. 49). Dadurch, dass gesellschaftliche Normen bestehen, wird deviantes Verhalten
überhaut erst erzeugt. Devianz ist also das Resultat unserer Normvorstellungen.
Stamm (2012) erklärt, dass in der Etikettierungstheorie zwischen primärer und sekundärer Devianz unterschieden wird. Unter primärer Devianz wird abweichendes Verhalten zusammengefasst, das zum ersten Mal
auftritt. Sekundäre Devianz entsteht «aus der Reaktion und den Etikettierungen seitens der sozialen Umwelt» (Stamm, 2012, S. 49). Die Etikettierungstheorie befasst sich vorwiegend mit der sekundären Devianz.
THEORETISCHER TEIL
Im Zusammenhang mit schulabsentem Verhalten und Drop-Out würde Schulschwänzen somit in den Bereich der primären Devianz fallen. Durch die Stigmatisierung als Schulschwänzer oder Problemschüler
wird der/die betroffene Jugendliche nun dazu gedrängt, sein/ihr abweichendes Verhalten zu verstärken,
sich vermehrt aus der Schule zurück zu ziehen und eventuell zu einem Schulabbruch animiert werden (vgl.
Stamm, 2012).
ben und dass kaum ein Schüler oder eine Schülerin als Schulschwänzer/Schulschwänzerin oder als Schulabbrecher/Schulabbrecherin geboren wird, sondern sich schleichend, durch positive Verstärkung seitens der
Gesellschaft, zu solchen entwickelt.
Diese drei Theorieansätze unterstreichen, wie komplex das Ursachen-Wirkungsgefüge ist und wie vielseitig
die Gründe für einen Schulabbruch sind.
In der Forschung werden neben den oben genannten Theorieansätzen auch Erklärungsansätze aus der institutionellen sowie der individuellen Perspektive beigezogen. Im folgenden Abschnitt wird auf die Ursachen
und Hintergründe dieser zwei Perspektiven eingegangen und versucht, die Frage nach den Motiven für
Schulabbrüche zu beantworten.
In der sozialwissenschaftlichen Drop-Out-Forschung sind zwei Ansätze zur Erklärung von Schulabbrüchen verbreitet: die individuelle sowie die institutionelle Perspektive (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012,
S. 107). Das Augenmerk wird jedoch vorwiegend auf die individuelle Perspektive gelegt. Dieser Ansatz
vertritt die Ansicht, dass die Verantwortung in der Entscheidung zum Schulabbruch vorwiegend bei den
betroffenen Jugendlichen sowie der Familie liegt. Drop-Out wird als ein «weitgehend freiwilligen Akt indisätzlich lassen sich die Ursachen fünf Kategorien zuordnen (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 106):
•
sozialer Hintergrund: sozioökonomische Herkunft, Migrationsstatus,
•
Familienmerkmale: zerrüttete Familienverhältnisse, fehlender oder nachlässiger Bezug
der Eltern zur Schule sowie ein autoritärer oder permissiver Erziehungsstil
Schulleistungen: kognitive Fähigkeiten, Schulnoten
Persönliche und soziale Anpassungsschwierigkeiten: geringe Leistungsmotivation,
Disziplin- und Delinquenzprobleme, Schulschwänzen
Peers: ähnlich gesinnte Gleichaltrige, Aussenseiter
•
•
•
jedoch darin, dass es sich bei Drop-Out um einen «multifaktoriellen Zusammenhangskomplex» handelt
ten sowie die kognitiven Fähigkeiten. Unter den Schülerinnen und Schüler, welche die Schule abgebrochen
haben, sind mehr Jugendliche mit schlechten als mit guten Schulleistungen vertreten (vgl. Traag & van der
Velden, 2006, zit. nach Stamm, 2012, S. 37). Auch Jugendliche, welche eine diskontinuierliche Schullaufbahn durchlaufen haben (Versetzung, Wiederholung einer Klasse), gehören zur Risikogruppe der potentiellen Schulabbrecher. Rumberger (1995) stellt fest, dass solche Kinder und Jugendliche im Vergleich zu
nicht versetzten Schülerinnen und Schülern ein viermal höheres Risiko zum Schulabbruch aufweisen als
diejenigen, welche eine normale, geregelte Schullaufbahn absolviert haben (vgl. Stamm, 2012).
THEORETISCHER TEIL
Grundsätzlich kann man sagen, dass Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher die Schule negativer wahrnehmen als die anderen Jugendlichen, welche ihre Schulzeit normal durchlaufen. Vor diesem Hintergrund
ist es also nicht erstaunlich, dass Drop-Outs vor ihrem Schulabgang immer wieder die Schule geschwänzt
haben (vgl. Stamm, 2012). Schulschwänzen kann als ein deviantes Verhalten angesehen werden. Zu diesem
von der Norm abweichenden Verhalten werden im Bezug auf Drop-Outs grundsätzlich schulaversives, asoziales, selbstverletzendes und delinquentes Verhalten gezählt. Jugendlichen mit einem devianten Verhalten
weisen ein bis zu 17-fach erhöhtes Drop-Out-Risiko auf (vgl. Glueck zit. nach Stamm, 2012, S. 38).
Weitere wichtige Faktoren sind der sozio-ökonomische Hintergrund sowie die Familie der Jugendlichen.
Vor allem in ihrer sozialen Herkunft unterscheiden sich Drop-Outs von den Gleichaltrigen. Stamm (2012)
fasst die Erkenntnisse aus der Forschung wie folgt zusammen: «Wenngleich Schulabbrecher aus allen
Schichten stammen, sind Jugendliche, deren Eltern dem Arbeitermilieu angehören, tiefere Schulbildung
Im Gegensatz zur individuellen Perspektive geht die institutionelle Perspektive davon aus, dass verschiedene Faktoren im direkten schulischen Umfeld und der Schule selbst ein Drop-Out-Verhalten bei Schülerinnen und Schülern hervorrufen, verstärken oder im Optimalfall auch mindern können (vgl. Stamm
in Ricking/Schulze, 2012). Die Ursachen sind somit nicht primär bei den Jugendlichen selbst zu suchen,
sondern bei Institutionen. Strukturelle Merkmale von Schulen, schulische Normen, Werte und Regeln, die
grössen der institutionellen Perspektive (vgl. Stamm, 2012). Die Forschungsergebnisse zur institutionellen
Perspektive belegen, dass sich Schulen einerseits in ihrer Struktur unterscheiden und dadurch einen SchulSchülerinnen und Schülern umgehen. So werden Regeln, Standards und Vorgehensweisen im Prozess der
und gehandhabt. Die Institution Schule ist an sich nicht grundlegend für das Scheitern einer Schülerin oder
Schule bleiben oder sie verlassen, als auch, ob sie Abbrüche geschehen lassen wollen oder nicht.» (Stamm,
2012, S. 46).
Auch aus der Langzeitstudie von Stamm resultiert, dass sich ein Schulabbruch als «multifaktorieller Komplex aus individuellen und institutionellen Merkmalen» erweist (Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S.110).
So werden wohl bei einigen Jugendlichen die institutionellen Merkmale einen wesentlich grösseren EinPeers oder familiäres Umfeld mehr zum Tragen kam. Alle schulabbrechenden Jugendlichen haben ihre
eigene Entwicklungsgeschichte, die sich in gewissen Bereichen überschneiden können, deren Motive aber
unterschiedlich zu gewichten sind.
2.3.3 Drop-outs: Was wird aus ihnen?
Dieser Abschnitt befasst sich mit der Zukunft der Jugendlichen, welche die Schule abgebrochen habe. Es
wird auf aktuelle Studien Bezug genommen und einige Resultate aufgezeigt.
Ein Schulabbruch bringt eine grosse Veränderung in das Leben eines/einer Jugendlichen und seiner/ihrer Familie. Die bisher bekannte Tagesstruktur fehlt, niemand nimmt ihn/sie in die Verantwortung, kein
Lehrer fordert etwas von den Jugendlichen und sie werden aus dem ihnen bisher bekannten, vertrauten
Rahmen herausgenommen. Doch ein Schulabbruch muss nicht immer in sozialer Abschottung oder in der
Arbeitslosigkeit enden. Es gibt Jugendliche, die nach einem Drop-Out in die Schule zurückkehren, um
den Schulabschluss nachzuholen oder direkt in eine Berufsausbildung einsteigen (vgl. Chib/Jacobi, 2011,
zit. nach Stamm, 2012, S.51). Man schätzt, dass rund 60% der Drop-Outs den Schulabschluss nachholen
(vgl. Stamm, 2012). In der Forschung ist dieses Themenfeld jedoch leider noch sehr wenig erforscht und
THEORETISCHER TEIL
es gibt kaum Studien darüber, wie viele Schulabbrecher oder Schulabbrecherinnen einen Schulabschluss
nachgeholt, welche direkt eine Ausbildungsstelle gefunden oder welche den Wiedereinstieg nicht geschafft
haben. Stamm (2012) erklärt sich diese Tatsache damit, dass viele Länder über eine ungenügende Datenbasis bezüglich Drop-Outs verfügen, da diese nur schwer zu erreichen sind. In den USA sind jedoch
einige Studien im Gang, welche die Anzahl der Wiedereinsteiger und Wiedereinsteigerinnen untersuchen.
Im deutschsprachigen Raum existiert lediglich eine Studie von Stamm/Holzinger/Suter/Stroezel (2011) die
eine Rückkehrrate von 66% ermittelte (Stamm, 2012, S. 51).
2.3.4 Drop-Outs: eine Typologie
Stamm hat in ihrer Langzeitstudie «Die Zukunft verlieren? Schulabbrecher in unserem Bildungssystem» eine
Drop-Out-Typologie entwickelt. Es entstanden insgesamt fünf Typen von Schulabbrechern und Schulabbrecherinnen, welche im folgenden Abschnitt erläutert werden (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S.110f).
Schulmüde Drop-Outs charakterisieren sich durch eine ausgeprägte Schulmüdigkeit. In den meisten Fällen
resultiert diese aus einer negativen Schüler-Lehrer-Beziehung und aus hohen Erwartungen seitens der Eltern. Für die Jugendlichen ist die Situation sehr belastend, da einerseits der Umgang in der Schule mit den
Lehrpersonen als negativ erlebt wird und andererseits der Druck der Eltern auf ihnen lastet. Nicht selten
zeigen diese Jugendlichen ein schulaversives Verhalten, da sie die Schule als sehr belastend erleben. Ein
statt (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 110). In der Studie von Stamm gehörten rund 30% der befragten Jugendlichen diesem Typus an.
Gemobbte
«Dieser
2012, S. 110). Oftmals beginnt das schuldistanzierte Verhalten dieser Jugendlichen in der Primarschule,
wenn sie von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern gehänselt werden. Dies zieht sich meist durch die ganze Schulzeit. Das dadurch entstehende schlechte Schulklima, die belastete Zusammenarbeit mit den Klassenkameradinnen und -kameraden, die Ausgrenzung aus der Klassengemeinschaft, Angstzustände sowie
persönliche Motivationsprobleme sind die Hauptgründe für einen Schulabbruch. Weil sie sich als Mobbingopfer fühlen, brechen sie, meist eigeninitiiert, aber mit Unterstützung der Eltern, die Schule ab. Rund 16%
der befragten Jugendlichen gehörten zu den Gemobbten (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 110f).
Ausgeprägte familiäre Probleme, die starke psychische Auswirkungen auf die Jugendlichen haben, gehören
zu den Kennzeichen dieses Typus, welchem rund 18% angehören. Nicht selten verunmöglicht diese psychische Belastung einen Schulerfolg und das Genügen an die schulischen Anforderungen. Die «Zergliederung
der Familie» stellt das eigentliche Problem dieser Jugendlichen dar (Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S.
111). Die Trennung oder Scheidung der Eltern, der Verlust eines Familienmitgliedes oder auch häusliche Gewalt können Gründe für die familiäre Zergliederung sein. In der Schule fühlen sich Jugendliche des Typus
familiär Belastete zu Beginn meist wohl. Doch durch die schulischen Misserfolge und das Nicht-Genügen an
die gestellten Anforderungen und dadurch entstehende Überforderungsgefühle entstehen negative Gefühle
gegenüber der Schule. Der Schulabbruch, meist in Form einer Fremdplatzierung, wird oftmals durch eine
Fachperson aufgrund der belastenden Situation initiiert (vgl. Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 110).
THEORETISCHER TEIL
Delinquente
Zu den Delinquenten zählen Jugendliche mit abweichendem Verhalten sowie hohem Aggressionspotential.
«Der Konsum sowie der Verkauf illegaler Drogen, Körperverletzung und Diebstähle, insbesondere auch in der Schule, sind keine Seltenheit. Die problematische Vorgeschichte beginnt in der Regel bereits in der frühen Kindheit in Form aggressiven
und rebellischen Verhaltens, das sind dann in der Schule als Unterrichtsstörungen,
Disziplinprobleme, Schulschwänzen und Schlägereien aber auch Respektlosigkeit
gegenüber Erwachsenen fortsetzt.» (Stamm in Ricking/Schulze, 2012, S. 111).
Die Abneigung und auch das schuldistanzierte Verhalten dieser Jugendliche nimmt von Jahr zu Jahr zu.
Der Schulabbruch ist somit der letzte Akt in einer langen Abwärtsspirale negativer Verhaltensweisen seitens des Jugendlichen. Stamm zählt rund 16% der Drop-Outs zu den Delinquenten (vgl. Stamm in Ricking/
Schulze, 2012, S. 111).
20% der Drop-Outs können zu den Hängern gezählt werden. Diese Jugendlichen zeichnen sich dadurch
aus, dass sie ihre Zeit lieber ausserhalb der Schule verbringen. Oftmals «hängen» sie in der neu gewonnenen Freizeit mit ihren Freunden herum und konsumieren Alkohol sowie Cannabis. Bei ihren Peers sind sie
beliebt und nicht selten Anführer einer Clique. In der Schule fallen sie durch Disziplinarprobleme negativ
auf. Ihr schulaversives Verhalten zeigt sich vor allem im Schulschwänzen. In ihrem Fall ist es meist die
Schule, welche die Abbruchentscheidung trifft und die Jugendlichem einem Time-Out zuweist (vgl. Stamm
in Ricking/Schulze, 2012, S. 111).
FORSCHUNGSFRAGEN
3. Forschungsfragen
Zu Beginn dieser Arbeit wurden Fragestellungen erarbeitet, welche grundlegend für den theoretischen
sowie den empirischen Teil sind. Nachfolgend werden ebendiese Forschungsfragen präsentiert und kurz
erläutert.
3.1 Forschungsfrage 1
Die Forschungsfrage 1 gilt als die übergeordnete Fragestellung dieser Arbeit.
An einem Schulabbruch sind zwei Hauptakteure beteiligt: zum einen die betroffenen Schülerinnen und
Schüler und zum anderen die Lehrperson. Beide Akteure sollen in der übergeordneten Fragestellung berücksichtig werden:
Wie wird ein Schulabbruch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen erlebt?
Ein Schulabbruch wird von den Lehrpersonen und den Jugendlichen unterschiedlich erlebt. Das subjektive
Zusammenhang wurde folgende Hypothese formuliert:
Lehrpersonen nehmen einen Schulabbruch negativer wahr als die betroffenen Jugendlichen.
Nebst der übergeordneten Fragestellung wird im empirischen Teil dieser Arbeit auch noch zwei weiteren
Fragestellungen nachgegangen. Während die erste Fragestellung vorwiegend das Erleben eines Schulabbruchs dokumentiert, geht die zweite Fragestellung den Ursachen eines Schulabbruchs auf den Grund. Die
dritte Fragestellung befasst sich mit den von Stamm (2012) erstellten Drop-Out-Typologien und vergleicht
diese mit den erhobenen Stichproben.
3.2 Forschungsfrage 2
Wie erklären sich Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen einen Schulabbruch?
Stamm (2012) beschreibt, dass einem Schulabbruch unterschiedliche Ursachen zu Grunde liegen (vgl. Kapitel 2.3.2). Da verschiedene Bedingungsfaktoren ursächlich für einen Drop-Out sind, entstand entsprechende Hypothese:
Der ausschlaggebende Faktor für einen Schulabbruch ist die Beziehung
zwischen dem/der Jugendlichen und der Lehrperson.
FORSCHUNGSFRAGEN
3.3 Forschungsfrage 3
Die dritte Forschungsfrage befasst sich mit den Drop-Out-Typologien von Stamm (2012). Stamm hat im
Rahmen ihrer Langzeitstudie «Die Zukunft verlieren? Schulabbrecher in unseren Bildungssystem» Typologien von Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher entwickelt (vgl. Kapitel 2.3.4).
Entsprechen die Jugendlichen den Drop-Out-Typologien von Stamm?
Wenn ja, wo liegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
Im Sinne der dritten Forschungsfrage gilt dementsprechend folgende Hypothese:
Die drei Jugendlichen sind eindeutig den von Stamm festgelegten Typologien zuzuordnen.
4. Empirischer Teil
In diesem Teil der Arbeit wird der forschungsmethodische Ansatz erläutert. Es wird hierbei auf die Grundlagen der qualitativen Forschung eingegangen, das Leitfadeninterview als Datenerhebungsinstrument und
das wissenschaftliche Vorgehen erklärt.
4.1. Qualitative Forschungsmethode
quantitative und die qualitative
Inhaltsanalyse. Während die quantitative Forschungsmethode auf ein hohes Mass an Standardisierung der
Datenerhebung angewiesen ist (vgl. Flick et al., 2000, S. 25) und den Anspruch erhebt, vorangestellte Theorien und Hypothesen zu prüfen (vgl. Atteslander, 2010, S. 76), hat sich die qualitative Forschung zum Ziel
gesetzt, «Lebenswelten ‹von innen heraus› aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben» (Flick
et al., 2000, S. 14). Zentral in der qualitativen Forschung ist die Annahme, dass soziale Akteure handelnde
Akteure sind. Sie geben bestimmten Objekten eine Bedeutung, handeln nicht immer nach den vorgegebenen Normen und Regeln, sondern interpretieren ihre soziale Umgebung und konstruieren sich eine eigene
Wirklichkeit (vgl. Atteslander, 2010, S. 77).
Folgende Forschungsprinzipien gelten als gemeinsame Basis der qualitativen Forschungsmethoden
(vgl. Atteslander, 2010, S. 77f):
I.
II.
Offenheit
Prozesscharakter von Gegenstand und Forschung
IV.
V.
VI.
Explikation des Vorgehens
Forschung ist Kommunikation
Problemorientierung
Das Prinzip der (I) Offenheit garantiert, dass der Untersuchungsgegenstand und nicht zuvor entwickelte
Theorien oder Hypothesen die Forschung bestimmen. Er ist ausschlaggebend für den Forschungsablauf,
(vgl. Atteslander, 2010, S. 77).
Soziale Akteure interpretieren ihre Umwelt ständig und gestalten daraus ihre persönliche Wirklichkeit.
Um das Ziel der qualitativen Sozialforschung, eben diese Prozesse zu erfassen, zu gewährleisten, gilt das
Prinzip (II) des Prozesscharakters von Gegenstand und Forschung. «Empirische Sozialforschung bildet
[…] nicht einfach objektive Realität ab, sondern rekonstruiert Konstitutionsprozesse sozialer Realität»
(Atteslander, 2010, S. 77).
Hypothesen und Theorien werden während des laufenden Forschungsprozesses gebildet. Die Wahl der Methode, der Untersuchungspersonen und auch die Formulierung von Thesen werden ständig (III)
und verläuft parallel.
Durch die (IV) Explikation des Vorgehens werden theoretisches Vorwissen offen gelegt, die einzelnen Forschungsschritte dokumentiert sowie die Interpretationen der Daten ermöglicht.
Interviews sind Kommunikationssituationen, die nach bestimmtem Regeln ablaufen. (V) Forschung ist
Kommunikation meint, dass in der qualitativen Sozialforschung ein Zusammenspiel zwischen den Alltagstheorien und wissenschaftlichen Aussagen unterstellt wird (vgl. Atteslander, 2010, S. 78).
Durch die (VI) Problemorientierung
formuliert und das Forschungsfeld abgegrenzt. Der Forscher oder die Forscherin greift dabei auf von ihm
wahrgenommene Probleme der Gesellschaft zurück und verbindet diese mit aktueller Theorie. Wichtig
dabei ist das Verfolgen eines kritischen und praktischen Erkenntnisziels und nicht die Theorieüberprüfung
(vgl. Atteslander, 2010, S. 78).
Ein Schwerpunkt der qualitativen Sozialforschung ist die Inhaltsanalyse. Ziel der Inhaltanalyse ist es, aus
Kommunikationssituationen gewonnenes Material zu analysieren (vgl. Mayring, 2010, S. 11). Hierbei wird
dem Kategoriensystem eine zentrale Bedeutung zugeschrieben. Zur Auswertung des erhobenen Materials
werden Kategorien entwickelt, denen die Aussagen der Interviewpartner zugeordnet und anschliessend
interpretiert werden. Es werden zwei Ansätze unterschieden: die deduktive und die induktive Kategori-
dem gewonnenen Datenmaterial ab, ohne sich auf Theoriekonzepte zu stützen (vgl. Mayring, 2010, S. 83).
In Anbetracht der vorhandenen Forschungsliteratur wurde in dieser Arbeit deduktiv vorgegangen.
Folgende Kriterien muss ein Kategoriensystem erfüllen (vgl. Mayring, 2010, S. 104):
•
•
•
•
•
Das Kategoriensystem muss aus den Untersuchungshypothesen theoretisch abgeleitet sein.
Die Kategorien eines Kategoriensystems müssen voneinander unabhängig sein.
Die Ausprägungen jeder Kategorie müssen vollständig sein.
Die Ausprägungen jeder Kategorie müssen wechselseitig exklusiv sein, sie dürfen
sich nicht überschneiden und müssen trennscharf sein.
Die Ausprägungen jeder Kategorie müssen nach einer Dimension ausgerichtet sein.
Die Festlegung der Kategorien dient als Selektionskriterium für den weiteren Verlauf der Interpretation. So
kann Unwichtiges, Ausschmückendes und vom Thema Abweichendes bereits aussortiert werden. Durch die
Technik der Strukturierung kann eine gewisse Struktur an das Material herangetragen werden (vgl. Mayring, 2010, S. 92). Passende Textbestandteile aus dem Datenmaterial werden aus dem Material systematisch
extrahiert und den Kategorien zugeteilt. Wurden die Kriterien festgelegt, gilt es, das gewonnene Material
Zeile für Zeile durch zu arbeiten. Anhand eines Probedurchlaufes wird geprüft, ob die bestehenden Kategorien greifen, ob eindeutige Zuteilungen möglich sind. Dies ist auch bei der deduktiven Vorgehensweise
sinnvoll.
Zur Erhebung von Daten stehen dem Forscher oder der Forscherin verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: die Beobachtung, die Befragung und das Experiment, um hier einige Beispiele zu nennen (vgl.
Atteslander, 2010).
4.2 Das Leitfadeninterview
Bei einem Leitfadeninterview werden die Personen anhand von Leitfaden befragt (vgl. Atteslander, 2010).
Die befragte Person hat dadurch die Möglichkeit, offen und in eigenen Worten auf die Fragen zu antworten
(vgl. Kleemann et al., 2009, S. 208). Ein Leitfadeninterview kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn es
darum geht, besondere «individuelle Erfahrungen zu eruieren», setzt jedoch eine hohe Bereitschaft des
Befragten voraus (Atteslander, 2010, S. 142).
Der Leitfaden bringt die Vorteile mit sich, dass durch ihn einerseits die Vergleichbarkeit der Daten erhöht
wird und andererseits das Gespräch an Struktur gewinnt (vgl. Mayer, 2008, S. 37). Die Rolle der interview-
ten Person ist bei dieser Art von Interview nicht zu unterschätzen. Atteslander (2010) (zit. nach Friedrichs,
1973, S. 227) unterstreicht, wie wesentlich die Fähigkeit des Forschers/der Forscherin ist, zentrale Fragen
im geeigneten Moment zu stellen und die Diskussion auszuweiten. Wichtig ist dabei, in allen Gesprächen bestimmte, zuvor festgelegte Schlüsselfragen zu stellen. Es liegt demzufolge bei der befragten Person
durch Nachfragen weitere Informationen einzufordern oder aber zum ursprünglichen Leitfaden mithilfe
der Schlüsselfragen zurück zu kehren (vgl. Mayer, 2008, S.37).
«Diese Einzelentscheidungen, die nur in der Interviewsituation selbst getroffen
werden können, verlangen vom Interviewer ein grosses Mass an Sensibilität in den
konkreten Interviewverlauf und für den Interviewten. Darüber hinaus verlangen sie
ein grosses Mass an Überblick über das bereits Gesagte und seine Relevanz für die
Fragestellung der Untersuchung. Dabei ist eine permanente Vermittlung zwischen
dem Interviewverlauf und dem Leitfaden notwendig.»
(Flick et al. zit. nach Mayer, 2008, S. 37)
Um einen sinnvollen Leitfaden zu entwerfen, muss dieser einigen Anforderungen entsprechen. Hierbei
kann man sich an folgenden Punkten von Helfferich (2011) orientieren (vgl. Helfferich, 2011, S. 180):
•
•
•
•
•
•
Ein Leitfaden muss Offenheit ermöglichen und den Grundprinzipien
der qualitativen Forschung gerecht werden.
Seine Struktur soll übersichtlich und gut zu handhaben sein, um den Blick
des Interviewers nicht ständig an den Leitfaden zu heften.
Er darf nicht zu viele Fragen enthalten.
Am Anfang sollen Fragen gestellt werden, welche ausführlichere Antworten
erwarten; er soll nicht zu abrupten Sprüngen und Themenwechseln zwingen.
Es dürfen keine Fragen abgelesen werden.
Er soll den Interviewer nicht daran hindern, nachzufragen oder Fragen zu
stellen, welche über den Leitfaden hinausgehen, abzublocken.
Oftmals eignen sich offene Fragen für ein Leitfadeninterview, da die Antworten des/der Befragten nicht in
ein vorgegebenes Schema eingeordnet werden müssen sondern vielmehr «in der vom Befragten gebrauchten
Formulierung und mit den von ihm erwähnten Fakten […] aber auch seine Bedeutungsstrukturierungen, aufmöglich, so strukturiert wie aufgrund des Forschungsinteresses notwendig» sein (Helfferich, 2011, S. 181).
4.3 Forschungsprozess und Forschungsverfahren
In der empirischen Sozialforschung gelten generell die gleichen Regeln. Der Forschungsablauf lässt sich in
fünf Phasen gliedern: Problembenennung, Gegenstandsbenennung, Durchführung, Analyse und Verwendung. (vgl. Atteslander, 2010, S. 21ff). Folgende Abbildung zeigt die Phasen des Forschungsablaufs:
I
II
Problembenennung
IV
III
Gegenstandsbenennung
V
Analyse
Auswertungsverfahren
Abbildung 3: Phasen des Forschungsablaufs (in: Atteslander, 2010, S. 21)
Verwendung
von Ergebnissen
Durchführung Anwendung
von Forschungsmethoden
Unter der Problembenennung wird die «Formulierung sozialer Probleme in Form wissenschaftlicher Fragestellungen» verstanden (Atteslander, 2010, S. 22). Die weiteren, einzelnen Phasen sind gekennzeichnet
durch vorgegebene Strukturen und Methoden. In den folgenden Abschnitten wird der Forschungsablauf
dieser Arbeit erläutert.
4.3.1 Forschungsablauf
Folgende Schritte wurden im Rahmen dieser Untersuchung durchlaufen:
1)
2)
3)
4)
5)
6)
7)
8)
9)
Problem- und Gegenstandsbenennung
Formulierung des Forschungsinteresses
Erarbeitung der Theorie mit Hilfe bestehender Forschungsliteratur
Entwicklung eines Interviewleitfadens mit Einbezug der Theorie
sowie Entwicklung eines Kategoriensystems
Suche und Anfrage von geeigneten Jugendlichen und deren Lehrpersonen
Durchführung der Interviews
Transkription der durchgeführten Interviews
Codierung des erhobenen Materials mittels MAXQDA
Auswertung und Diskussion der durchgeführten Interviews in Bezug
auf die Forschungsfragen
Im Rahmen dieser Arbeit wurden drei Jugendliche sowie eine ihrer damaligen Lehrpersonen interviewt.
Eine grössere Stichprobe wäre auf jeden Fall interessant und sinnvoll, jedoch war dies im Anbetracht der
Rahmenbedingungen nicht möglich.
Die Stichprobe
Schulzeit abgebrochen haben, sowie eine ihrer Lehrpersonen, interviewt. Zwei der Jugendlichen wurden
ziellen Schuljahr ausgeschlossen wurden. Der dritte wurde aus der Regelschule ausgeschlossen, nachdem
das schulische Time-Out fehlgeschlagen war. Bei den befragten Lehrpersonen handelte es sich einerseits
um eine ehemalige Klassenlehrperson und in den beiden anderen Fächern und die Schulleitung, welche die
betroffenen Schüler aber in mehreren Fächern unterrichtet hatte.
Folgende Kriterien dienten zur Auswahl der Jugendlichen:
•
Die Lernenden besuchten eine Volksschule im Kanton Zürich.
•
aus der Schule ausgeschlossen.
Die Jugendlichen nehmen freiwillig am Interview teil und sind
bereit, ihre Geschichte zu erzählen.
Folgende Kriterien dienten zur Auswahl der Lehrpersonen:
•
•
•
Die Lehrperson unterrichtet an einer Volksschule im Kanton Zürich.
Es handelt sich entweder um die ehemalige Klassenlehrperson oder um eine Fachlehrperson, die den Jugendlichen in mindestens einem Fach unterrichtete.
Die Lehrpersonen nehmen freiwillig am Interview teil und sind bereit, ihre Geschichte zu erzählen.
Um an die Jugendlichen zu kommen richtete ich mich an die Schulleitung zweier Schulen, mit welchen ich
bereits im Voraus Kontakt hatte. Sie informierten die Jugendlichen über mein Vorhaben und gaben mit ihrem Einverständnis die Kontaktdaten an mich weiter. Anschliessend setzte ich mich mit den Jugendlichen
in Verbindung, erklärte ihnen meine Situation und wir vereinbarten einen Interviewtermin an einem ihnen
günstigen Ort. Im Rahmen des Interviews erfuhr ich die Namen der ehemaligen Lehrpersonen. Darauf
meldete ich mich bei der Schulleitung und bat um die Kontaktdaten der jeweiligen Lehrperson, damit ich
mich mit ihnen in Verbindung setzen konnte. In zwei Fällen war es so, dass die Jugendlichen in zwei Fächern von der Schulleitung unterrichtet wurden, was mir mein Vorhaben sehr erleichterte und einen weiteren Schritt der Kontaktaufnahme erliess.
Die Jugendlichen sowie die Lehrpersonen werden nachfolgend tabellarisch vorgestellt. Bei den Jugendlichen werden die Kategorien Geschlecht (m/w), das Schulhaus (1/2), die Klasse sowie der Zeitpunkt des
Schulausschlusses in Betracht gezogen.
Interview
Jugendlicher, Schulhaus (1/2)
Klasse
1
J1_m_1
Sek B
Dezember/Januar der 3. Sek
2
J2_m_2
Kleinklasse
im Verlauf der 3. Sek
3
J3_m_2
Kleinklasse
Zwei Wochen vor Ende der 3. Sek
Tabelle 4: Übersicht über die Stichproben der Jugendlichen
Bei den Lehrpersonen werden folgende Kategorien betrachtet: das Geschlecht (m/w), das Schulhaus (1/2),
sowie die Funktion/Rolle.
Interview
Lehrperson, Schulhaus (1/2)
1
LP1_w_1
Klassenlehrperson
2
LP2_m_2
Fachlehrperson/Schulleitung
3
LP3_m_2
Fachlehrperson/Schulleitung
Tabelle 5: Übersicht über die Stichprobe der Lehrpersonen
4.3.2 Der Interviewleitfaden
Die Befragung der Jugendlichen sowie der Lehrpersonen wurde anhand eines Interviewleitfadens durchgeführt. In der qualitativen Forschung werden Interviewleitfäden verwendet, wenn es darum geht, besondere
«individuelle Erfahrungen zu eruieren» (Atteslander, 2010, S. 142) und sobald «subjektive Theorien und
Formen des Alltagswissens zu rekonstruieren und so maximale Offenheit gewährleistet werden soll» (Helfferich, 2011, S.179).
Aufgrund der bereits genannten Kriterien für Interviewleitfäden (vgl. Kapitel 4.2) erschien es sinnvoll, eine
geeignete Mischung aus offenen Fragen, die es den Interviewten ermöglichen, frei und offen zu antworten,
sowie auch Schlüsselfragen, welche es der fragenden Person erleichtern, wieder zum Leitfaden zurück zu
Die Einstiegsfrage war bewusst sehr offen formuliert («Versuche einmal, deine Schulkarriere zusammenzufassen. Was ist alles passiert?»), um den Befragten die Möglichkeit zu lassen, ihre Geschichte zu erzählen
und frei zu entscheiden, was sie als erstes preisgeben möchten. Ziel diese Frage war, dass möglichst viel erzählt und damit schon grosse Bereiche zur Beantwortung der Leitfragen abgedeckt werden. Die anschliessenden, meist geschlossenen Fragen dienten mehr zum «Füllen der Lücken» («Wie war dein Verhältnis zu
Lehrpersonen?»). Allgemein wurde bei den Fragen jedoch darauf geachtet, ein möglichst breites Spektrum
an Antwortmöglichkeiten offen zu lassen. Dies führte dazu, dass Kategorien entstanden sind, die nicht zur
Beantwortung der Leitfragen hinzugezogen wurden. Zentral war auch, allen die selbe Abschlussfrage zu
stellen und ihnen die Chance zu geben, über das Geschehene nachzudenken und allenfalls zu sagen, was
sie im Nachhinein verändern oder sich wünschen würden.
Während dem Gespräch war es wichtig, dass die wesentlichen Punkte für die anschliessende Auswertung
erfragt werden. Die genaue Reihenfolge dieser Fragen spielte jedoch keine Rolle. Zwischenfragen sowie
Nachfragen waren während den Gesprächen immer möglich.
Mögliche Formulierungen
Einstiegsfrage
Abschliessende Frage
•
Versuche einmal, deine Schulkarriere zusammenzufassen.
•
Was verbindest du mit der Schule? Wie war die Schule für dich?
•
Wie war dein Verhältnis zu den Lehrpersonen?
•
Wie kam es schlussendlich dazu, dass du die Schule verlassen hast?
•
Hast du noch Kontakt zu SuS/Freunden/LPs?
•
Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, würdest du etwas anders machen?
Tabelle 6: Auszug aus dem Interviewleitfaden für Jugendliche
4.4 Erhebung der Daten
In diesem Kapitel werden die Interviewsituation sowie die Durchführung der Interviews beschrieben.
4.4.1 Die Interviewsituation
Interviews mit Jugendlichen
Die Interviews mit den Jugendlichen wurden zu einer Zeit und an einem Ort durchgeführt, die für sie günstig waren. Ungefähr ein bis zwei Wochen im Voraus wurde der Termin festgelegt. Zwei Interviews fanden
bei den Jugendlichen zu Hause statt, eines in einem Café in der Stadt Zürich. Dadurch, dass die Jugendlichen sich Ort und Zeit aussuchen konnten, wurde der Aufwand für sie so gering wie möglich gehalten.
Dennoch wurde versucht, eine möglichst ruhige Örtlichkeit zu suchen, um allfällige Nebengeräusche sowie
Ablenkungen zu vermeiden. Zwei der drei Interviews konnten problemlos durchgeführt werden. Das Interview mit J3_m_2 gestaltete sich etwas schwieriger, da er anfangs kam zu erreichen war und anschliessend
den ersten Interviewtermin vergass. Dank eines Erinnerungs-SMS am Morgen des Interviewtages konnte
Interviews mit Lehrpersonen
Die Interviews mit den Lehrpersonen gestalteten sich wesentlich einfacher. Telefonisch wurden Zeit und
Ort vereinbart. Die Interviews wurden in den jeweiligen Schulhäusern der befragten Lehrpersonen durchgeführt. Es wurde stets nach einer ruhigen Örtlichkeit im Schulhaus gesucht (freistehender Klassenraum,
Sitzungszimmer).
Die insgesamt sechs Gespräche fanden in den Monaten Ende August bis Ende September statt. Die Jugendlichen wurden zuerst von einer Kontaktperson (Schulleiter, Schulsekretärin) und anschliessend von
mir angefragt, ob sie zu einem persönlichen Interview bereit wären. Die Lehrpersonen wurden über die
Schulleitung sowie von mir persönlich kontaktiert. Die Interviewfragen wurden zu Beginn nicht bekannt
gegeben. Dies sollte zu möglichst spontanen, ehrlichen und offenen Antworten führen. Das Interview folgte
nachgefragt.
Die einzelnen Interviews dauerten in der Regel zwischen fünfunddreissig und fünfzig Minuten. Die Gesprächsteilnehmer zeigten sich sehr offen und gesprächsfreudig. Es wurde viel erzählt und keine Frage
unbeantwortet gelassen. Die Jugendlichen erzählten viel von ihren Erfahrungen, wodurch interessante, vorwiegend themenbezogene Gespräche entstanden. Die Konversationen mit den Lehrpersonen gestalteten
sich etwas schwieriger, da sie nicht selten dazu neigten, Erlebnisse zu vermischen und vom Thema abzuschweifen.
4.4.3 Aufbereitung der Daten
Die Interviews wurden mittels Laptop und dem QuickTime Player aufgenommen. Anschliessend wurden
die Gespräche transkribiert. Der Dialekt wurde dabei beibehalten, um allfällige inhaltliche Abweichungen bestmöglich zu verhindern. Dies geschah ohne Rücksicht auf Zwischenlaute, lediglich Pausen sowie
Lachen wurden festgehalten. Alle Interviews sind anonymisiert. Für die Ankerbeispiele zu den einzelnen
Kategorien sowie für Zitate für die Diskussion wurden die Aussagen der Jugendlichen sowie der Lehrpersonen in die Standardsprache übersetzt.
4.5 Auswertung der Daten
In diesem Kapitel wird auf die Auswertung der Daten im Sinne der qualitativen Forschungsmethoden eingegangen. Einerseits soll aufgezeigt werden, wie die erhobenen Daten ausgewertet wurden und andererseits
das Kategoriensystem vorgestellt wird.
4.5.1 Vorgehen bei der Auswertung
Nach der Durchführung wurden die Interviews transkribiert und anonymisiert. Anschliessend wurden die Aussagen den im Voraus gebildeten Kategorien mit Hilfe des Programmes MAXQDA zugeordnet. Nach einem
ersten Durchgang wurden die Kategorien überarbeitet, die Zuteilung der Aussagen überprüft und allenfalls
neu codiert. Dies geschah einerseits mit den Interviews der Jugendlichen sowie auch denen der Lehrpersonen.
4.5.2 Kategoriensystem
Das Kategoriensystem wurde wie in Kapitel 4.1 beschrieben gemäss der deduktiven Vorgehensweise formuliert. Bei einem deduktiven Vorgehen wird das Kategoriensystem wie folgt entwickelt:
Theoriegeleitete
Festlegung der
Fragestellung
Theoriegeleitete
Formulierung von
dimensionen (Hauptund Kodierregeln
Abbildung 4: Ablaufmodell deduktiver Kategorienanwendung (vgl. Mayring, 2000)
Zusammenstellung eines
Kodierleitfadens
formative Relia-
summative Relia-
Überarbeitung
der Kategorien
und des
Kodierleitfadens
Materialdurchgang
Auswertung
Kategoriensystem Jugendliche
Die Kategorien wurden während der Formulierung des Interviewleitfadens unter Einbezug der aktuellen
Theorie gebildet. Als das erste Interview durchgeführt war, wurde das ursprüngliche Kategoriensystem
überprüft und überarbeitet. Nachstehend ist das Kategoriensystem mit einem Ankerbeispiel, übersetzt in
Dieser Kategorie werden Aussagen der Jugendlichen bezüglich ihrer allgemeinen Schulkarriere sowie
Mittelstufe, Oberstufe), Schulhauswechseln sowie Aussagen dazu, ob sie die Schule gerne besucht haben
oder nicht, zusammengefasst.
Ankerbeispiele:
«Ähm erste Klasse Primar bis ja, hm, ja bou, am Anfang war ich so der Streber
(lacht). Äh vierte Klasse, also erste bis dritte, war ich irgendwie so bisschen der
Beliebte wegen meinem Bruder, weil er schon in der dritten Klasse war, während
ich in der ersten war. In der vierten Klasse bin ich wiederum gemobbt worden.
Dann in der fünften Klasse schon wieder nicht mehr, weil ich dann quasi den
Mitläufer gespielt habe. Ähm in der sechsten Klasse habe ich nicht mehr den Mitläufer gespielt. In der sechsten Klasse wurde ich auch nicht mehr gemobbt. In der
sechsten Klasse war ich schon älter, immer noch ein Kind aber schon älter. Also
man checkt schon mehr und nachher habe ich mein eigenes Ding durchgezogen,
war immer noch beliebt.» (J1_m_1)
«Oke also erste bis sechste Klasse war ich im ähm Schanzengraben, dann bin ich
-
In diese Kategorie fallen Äusserungen, die ausschlaggebend für das Verhältnis der Jugendlichen zu ihren
ehemaligen Lehrpersonen sind. Dies bezieht sich einerseits auf die Klassenlehrperson, aber auch auf die
einzelnen Fachlehrpersonen oder den Schulleiter.
Ankerbeispiele:
«Ja und eben dann (Pause) haben mich die Lehrpersonen nicht respektiert und
dann habe ich sie auch nicht respektiert.» (J1_m_1)
Die Kategorie Peergroup beinhaltet alle Aussagen der Jugendlichen, welche Hinweise über ihre Peergroup
enthalten. Dies umfasst sowohl Mitschülerinnen und Mitschüler, welche die gleiche Klasse besucht haben,
als auch Freunde, die nicht zu ihrem schulischen Umfeld gehören. Ebenfalls gehören Aktivtäten, die gemeinsam mit den Peers unternommen wurden, in diese Kategorie.
Ankerbeispiele:
«Also meistens war ich der Chef in der Klasse (lacht). Also eigentlich immer.»
«Ja aber ich habe auch viele arbeitslose Freunde. Also ich habe Freunde, die sind
in der Lehre, die arbeitslos sind, die so reich sind, dass sie nicht arbeiten müssen.»
(J1_m_1)
In dieser Kategorie werden die Freizeitaktivitäten sowie allgemeine ausserschulische Aktivitäten der Jugendlichen zusammengefasst. Es kann zu Überschneidungen kommen zwischen der Periode kurz vor dem
Schulausschluss sowie nach dem eigentlichen Drop-Out. Ebenfalls besteht ein starker Bezug zur Kategorie:
Peergroup, da vermutlich viele Aktivitäten in der Freizeit zusammen mit Freunden unternommen werden.
Ankerbeispiele:
Die Kategorie Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss beinhaltet alle Aussagen der Jugendlichen,
welche Hinweise über die Ursachen ihres Drop-Outs geben. Ebenfalls werden Äusserungen gesammelt, die
etwas über die Entstehung des Verhaltens aussagen und ursächlich für den schulischen Misserfolg sind. Die
einzelnen Bedingungsfaktoren können sowohl individueller, schulischer, als auch institutioneller Art sein.
Ankerbeispiele:
«Sie haben schon gemerkt, dass ich mehr zu sagen hatte als sie, aber sie haben
«Ich habe immer wieder verschlafen am Morgen, Hausaufgaben und so vergessen.
Sozialverhalten war nie schlimm bei mir, das einzige, was ich gemacht habe, war
Schlafen während dem Unterricht.» (J1_m_1)
Hier wird nach dem ausschlaggebenden Faktor für den Schulausschluss gesucht. Dies ist im Optimalfall ein
Ereignis, welches das Fass zum überlaufen gebracht hat.
Ankerbeispiel:
In dieser Kategorie liegt der Augenmerk auf dem Umgang und den Reaktionen der Eltern sowie der Freund
der befragten Jugendlichen. Es wird festgehalten, wie diese auf den Schulausschluss reagiert haben und wie
sie damit umgegangen sind.
Ankerbeispiele:
«Es war zwei Wochen vor Schulende, ich habe das niemandem gesagt. Den Eltern
«Meine Eltern waren wirklich ziemlich enttäuscht von mir, muss ich sagen. Meine
VIII. Kategorie: Situation nach dem Schulausschluss
Innerhalb der Kategorie Situation nach dem Schulausschluss werden Aussagen zusammengefasst, die Aufschluss über die Situation der einzelnen Jugendlichen nach dem schulischen Drop-Out geben. Es kann sich
einerseits auf private Aktivitäten, als auch auf weiteführende Angebote beziehen.
Ankerbeispiele:
«Als ich einen Monat arbeitslos war (Pause) dann habe ich ein bisschen Scheiss
«... dann war ich drei Jahre arbeitslos (Pause). Habe äh Drogen konsumiert, also
Cannabis, nichts Schlimmes und das war auch genau der Grund, warum ich
so lange arbeitslos war, weil ich alles auf den nächsten Tag verschoben habe.»
IX. Kategorie: Situation heute
Äusserungen bezüglich der aktuellen Situation fallen in diese Kategorie. Hier wird zusammengefasst, was
die einzelnen Jugendlichen heute machen, welchen Weg sie nach ihrem Schulausschluss eingeschlagen
haben und wo sie heute in ihrem Leben stehen. Zu dieser Kategorie gehört, ob sie noch Kontakt mit ehemaligen Schulkameraden oder Lehrpersonen haben.
Ankerbeispiele:
«... ich bin jetzt beim RAV angemeldet, Motivationssemster. So für den Abschluss.»
(J1_m_1)
Zuletzt werden Formulierungen gesammelt, welche Informationen darüber geben, was die Jugendlichen gebraucht hätten oder hätten machen können, um den Schulausschluss zu verhindern. Die einzelnen Faktoren
können sowohl individueller, schulischer, als auch institutioneller Art sein.
Ankerbeispiele:
«Also ich wäre nicht mehr so frech. Wenn die Lehrpersonen mir nicht sagen, wenn
ich frech bin, dann ja tschau, dann sind sie selber Schuld, wenn ihre Schüler ma-
«Phu das ist schwierig zu sagen. Ja was hätte man machen können (Pause). Alle
Kategoriensystem Lehrpersonen
Die Kategorien wurden während der Formulierung des Interviewleitfadens unter Einbezug der aktuellen
Theorie gebildet. Als das erste Interview durchgeführt war, wurde das ursprüngliche Kategoriensystem
Dieser Kategorie werden Aussagen der Lehrpersonen bezüglich der allgemeinen Schulkarriere des Jugendlichen zugeordnet. Es werden Äusserungen zur Entwicklung des Schülers sowie Zwischenfällen oder
Massnahmen festgehalten.
Ankerbeispiele:
«Marco hatte eine ganz schwierige Vergangenheit hinter sich (Pause). Ich tippe
darauf, dass, wenn die Schwierigkeiten zu gross geworden sind, hat seine Mutter
einen Ortswechsel vollzogen. […] zuerst waren sie in Luzern oder in Bern und
dann sind sie nach Zürich gekommen und dann sind sie einfach (Pause). Sie hat
sich entzogen, sie war eine alleinerziehende Mutter und der Vater starb schon früh
und Marco war natürlich das ein und alles und wurde verwöhnt und dann kam er
«Er kam nach der Zweiten zu uns, oder in der Zweiten. Ja, ich würde sagen in der
In diese Kategorie fallen Äusserungen, die ausschlaggebend für das Verhältnis der Schüler-Lehrer-Beziehung sind. Dies bezieht sich einerseits auf die Klassenlehrperson, aber auch auf die einzelnen Fachlehrpersonen oder Schulleiter.
Ankerbeispiele:
«Ich konnte ihn gar nicht greifen, das war richtig schwierig.» (LP1_w_1)
«Es war eine Einzelmaske, die Person von mir und der Rest hat versucht, mit ihm
in Beziehung zu kommen (Pause). Seine Bezugsperson, der schulische Heilpädagoge, ja, der hat es nicht wirklich geschafft. Ich war, glaube ich, der einzige, auf
Die Kategorie Peergroup beinhaltet Aussagen der Lehrpersonen, welche Hinweise über das Verhalten sowie die Rolle des Jugendlichen innerhalb und ausserhalb der Klasse sowie das Verhältnis zu den Klassenkameraden enthalten.
Ankerbeispiele:
«Jaja, jaja und die sind also verhaftet worden, also aufgezeichnet worden und alles.
Die Kategorie Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss beinhaltet alle Aussagen der Lehrperson, welche Hinweise aus ihrer Sicht über die Ursachen des Drop-Outs des betreffenden Schülers geben. Ebenfalls
werden Äusserungen erfasst, die etwas über die Entstehung des Verhaltens aussagen und ursächlich für den
schulischen Misserfolg sind. Die einzelnen Bedingungsfaktoren können sowohl individueller, schulischer,
als auch institutioneller Art sein.
Ankerbeispiele:
«Nichts auf dem Tisch gehabt und immer ähm (Pause). Er hat, es ging immer nur
um ihn (Pause). Er war zwar nicht laut, das nicht, aber ich meine, der hat dann
so, wenn du dann gesagt hast ‚hol dein Zeug raus’, hat er wirklich (stöhnt), also
wirklich laut rumgestöhnt. Bis der mal sein Zeig draussen hatte. Der hat nie was
gemacht, wirklich nichts, einfach nichts.» (LP1_w_1)
«Aber er ist immer extrem ausfällig geworden bei Leuten, bei denen er, bei denen er
(Pause) den Respekt nicht hatte. Nicht ein bisschen, sondern einfach verweigert.»
Hier wird nach dem ausschlaggebenden Faktor für den Schulausschluss gesucht. Dies ist im Optimalfall ein
Ereignis, welches das Fass zum überlaufen gebracht hat.
Ankerbeispiele:
«Da mussten wir gar nicht viel dazu beitragen (Pause). Wenn einer von der Polizei
abgeführt wird und eine Woche in U-Haft ist, dann ist das natürlich für uns, da
«Irgendwann ging es dann wirklich nicht mehr. Dann wurde auch der Druck des
In dieser Kategorie liegt der Augenmerk auf dem Umgang und den Reaktionen der Eltern sowie der Freund
der befragten Jugendlichen. Es wird festgehalten, wie diese auf den Schulausschluss reagiert haben und wie
sie damit umgegangen sind. Auch wird auf den allgemeinen Kontakt zwischen der Schule und den Eltern
des Betroffenen Bezug genommen.
Ankerbeispiel:
«Sie ist sehr nett. Wir haben auch oft telefoniert, sie war einfach völlig überfordert.» (LP1_w_1)
VII. Kategorie: Situation heute
Äusserungen bezüglich der aktuellen Situation fallen in diese Kategorie. Hier wird zusammengefasst, ob
die ehemaligen Lehrpersonen wissen, was aus den Jugendlichen geworden ist. Auch in diese Kategorie
fällt, ob sie noch Kontakt mit ihnen haben.
Ankerbeispiele:
«Er kam dann trotzdem nochmal (Pause). Und auch später stand er öfters vor der
Schule mit einer Zigi und so und einmal ist er mit uns zum Bahnhof gelaufen und hat
die ganze Zeit gepafft.» (LP1_w_1)
«Beim Jugendhaus […] dann habe ich Luca gesehen und Luca mich und dann haben
wir uns gefreut, uns wieder zu sehen und er war stolz, dass er nicht mehr im Elend ist,
arbeitet und dass er Gas gibt.»
Abschliessend werden Aussagen gesammelt, welche Informationen darüber geben, was nach Meinung der
Lehrperson der betroffene Schüler gebraucht hätte, um den Schulausschluss zu verhindern. Die einzelnen
Faktoren können sowohl individueller, schulischer, als auch institutioneller Art sein.
Ankerbeispiele:
Ziel ist. Du kannst nicht einfach einen Schüler bekommen und dann heisst es,
mal schauen (Pause). Ja, mit der Idee ‚es läuft eh nicht’, das ist echt ein bisschen
schwierig.» (LP1_w_1)
«Sie wollen ganz klar wissen, wo sind meine Grenzen. Aber irgendwo wollen sie
auch spüren, dass du ihnen, dass du sie schon respektierst und dass du ihnen helfen möchtest, dass das ein gewisses Grundmotiv ist. Verachtung, wenn du einen
jungen Menschen verachtest, dann, dann wird er dir eines Tages das Leben auch
«Also ich denke, mit dem Team, das wir jetzt haben (Pause), wäre Marco, hätte
er es geschafft. Also mit den Lehrpersonen, mit denen ich jetzt zusammenarbeite
4.6 Herausforderungen
Die erste und grösste Herausforderung stellte sich im Finden von Jugendlichen, welche die Schule abgebrochen haben und bereit waren, ein Interview zu geben und über ihre Erfahrungen zu sprechen. Es war
schwierig, da man diese Jugendliche ja nicht in Schulhäusern antrifft. Einige sind in Heimen, Institutionen
oder Projekten untergebracht, andere «hängen herum» oder sind anderweitig beschäftigt. Anfangs wurden
Institutionen, die Brückenangebote für Jugendliche in schwierigen Situationen anbieten, wie beispielsweise
die Jugendvilla in Regensdorf, das Vertigo oder das Casemanagement Netz2 angefragt. Viele dieser Institutionen zeigten kein Interesse, da sie entweder schon ausgelastet waren oder weil die Jugendlichen dort
nicht für ein Gespräch bereit waren. Erst das Anfragen von Schulleitern, zu denen bereits ein Kontakt bestand, zeigte sich erfolgreich. Um zu vermeiden, dass die Jugendlichen mit einer negativen Haltung an das
Gespräch kommen, war ein sensibler Umgang mit der Thematik unabdingbar. Auch mussten ihnen viele
Freiheiten betreffen Zeit und Ort gegeben werden sowie der vertrauliche Umgang mit dem Datenmaterial
versichert werden. Viel Geduld war vor allem in einem Fall gefragt, da der Jugendliche anfangs kaum zu
erreichen war, da er entweder arbeitete oder mit Freunden unterwegs war, was ein seriöses Telefonat unmöglich machte. Ebenfalls vergass er den ersten Interviewtermin und wollte anschliessend mit einem «Erinnerungs-SMS» am Morgen des neuen Termins erinnert werden. Andernfalls sei es ihm nur schwer möglich, Verabredungen einzuhalten. Die Interviews mit den Lehrpersonen gestalteten sich deutlich einfacher.
Das erste Gespräch zeigte, welche Herausforderungen eine professionelle Interviewleitung mit sich bringt.
Einerseits mussten die im Voraus formulierten Fragen des Leitfadens beantwortet werden, andererseits
sollte das Interview möglichst offen, einem natürlichen Gespräch ähnlich, und für die Befragten angenehm
gestaltet werden. Dies erfordert viel Einfühlungsvermögen, Aufmerksamkeit und Flexibilität seitens der
Interviewerin. Im Gegensatz zu den Jugendlichen neigten die Lehrpersonen dazu, vom Fall abzuschweifen
und sich in Grundsatzdiskussionen zu verstricken.
4.7 Fehlerquellen
Bei einer Stichprobe von jeweils drei Jugendlichen und drei Lehrpersonen sind grosse Einschränkungen
bezüglich der Generalisierbarkeit vorhanden. Einerseits wurden nur männliche Jugendliche befragt, andererseits ist die Stichprobe sehr klein. Somit können keine Aussagen bezüglich Schülerinnen gemacht werden, die die Schule abgebrochen haben. Auch sind die Äusserungen der Jugendlich nicht allgemein gültig,
sondern beziehen sich ausschliesslich auf ihre Person.
Des Weiteren kann der Wahrheitsgehalt der Interviews in Frage gestellt werden. Bei den Erzählungen der
Jugendlichen wurde nicht immer deutlich, ob sie ihre Erlebnisse etwas überspitzt erzählten, verharmlosten
oder wirklich wahrheitsgetreu wiedergaben. Einige dieser Unklarheiten konnten durch die Gespräche mit
den Lehrpersonen geläutert werden, da eine Übereinstimmung erkennbar war, aber andere Fragen blieben
offen. Nicht selten neigten die Interviewten zu einer gewissen «Beschönigungstendenz», da es sich bei
Schulabbruch und Drop-Out doch um ein negativ behaftetes und von der Gesellschaft missachtetes Thema
handelt.
Weiter ist es denkbar, dass beim Transkribieren der Interviews der Aussagegehalt leicht verändert wurde, da
Tonlagen nur schwer festzuhalten sind. Mimik und Gestik wurde ganz ausser Acht gelassen. Auch könnte
es beim Übersetzen vom Dialekt in die Standardsprache zu inhaltlichen Abweichungen gekommen sein.
Zusätzlich kann es beim Codieren des gewonnenen Interviewmaterials zu Verzerrungen kommen, welche
anschliessend Auswirkungen auf die Ergebnisse haben. Um dies zu verhindern, wäre es sinnvoll, die gleichen Interviews von mehreren Personen auswerten und codieren zu lassen.
DOKUMENTATION
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der durchgeführten Interviews präsentiert. Dies geschieht anhand
der gebildeten Kategorien. Innerhalb der Kategorien werden die Aussagen der Jugendlichen sowie der
Lehrpersonen deskriptiv zusammengefasst und mit einzelnen Beispielen dokumentiert.
Im ersten Teil wird auf die Interviews mit den drei Jugendlichen eingegangen, im zweiten Teil auf die Gespräche mit den Lehrpersonen.
Die Ergebnisse der Interviews mit den Jugendlichen werden in diesem Kapitel in deskriptiver Form erläutert und zusammengefasst.
a) Schulwechsel
Alle drei Jugendlichen hatten mehrere Schulwechsel hinter sich. Das Schulhaus wurde in allen Fällen
mindestens einmal gewechselt und dies nicht aufgrund eines Stufenüberganges (Unterstufe – Mittelstufe,
Mittelstufe – Oberstufe) sondern wegen einer Versetzung, wie folgendes Beispiel zeigt: «Oke, also erste
Auch besuchten die Jugendlichen schulische Time-Outs sowie Schlaufenschulen: «Dann haben sie mich vom Ruggenacher aus
Hochwald.» (J1_m_1)
Die Schulwechsel wurden sehr unterschiedlich erlebt. Während ein Jugendlicher sie positiv in Erinnerung
hat
, war es für einen anderen negativ:
«Ich habe dort die Schule angefangen und eigentlich ging immer alles tiptop. Dort ging es mir gut, auch
von den Schulnoten her. Dann bin ich nach Regensdorf gezogen. Dort war ich so wie ein Einzelgänger, war
auf dem Pausenplatz und ich bin... ich habe mich immer alleine gefühlt. Ich kannte niemanden. Ich war
Während der Sekundarstufe nahmen alle drei Knaben an einem schulischen Time-Out teil. Die Gründe für
die Schulwechsel liegen einerseits im Wohnortwechsel der Familie, aber auch darin, dass die Jugendlichen
als Schüler in den einzelnen Klassen aufgrund ihres Verhaltens oder ihrer ungenügenden Leistungen nicht
mehr tragbar waren. Dies soll im nächsten Kapitel detailliert erläutert werden.
Die Jugendlichen nannten unterschiedliche Gründe für die Schulwechsel. Grundsätzlich waren die meisten
aber disziplinarischer Natur, oder weil sie die Mitarbeit im Unterricht verweigerten und ihre Leistungen
«Hauptgrund
). Auch ein weiterer Jugendlicher
nahm das Thema Hausaufgabe und das Lernen nicht sonderlich ernst: «Ja, das war bisschen ein Thema.
Das ist, also, ich weiss auch nicht. Ich war nicht so der Typ, der gerne Hausaufgaben gemacht hat. Ich
DOKUMENTATION
Des Weitern zeigten sich disziplinarische Probleme als Grund für einen Schulhauswechsel. Einerseits beziehen sich die disziplinarischen Schwierigkeiten auf den respektlosen Umgang mit den Lehrpersonen («Ja,
ich in der fünften Klasse, da war ich immer das Arschloch, das wirklich andere Schüler geschlagen hat
und den Lehrern Probleme gemacht hat.» (J1_m_1)), andererseits auch auf Ausfälligkeiten und Zwischenfälle unter den Schülerinnen und Schülern. «Also einerseits Schlägereien. Nachher so Aktivitäten auf dem
WC, aber das nur einmal (Pause) […] Geschlechtsverkehr mit einer Frau aus der Klasse. Das war nicht
Hier ist klar zu sehen, dass Regeln des schulischen Zusammenlebens missachtet und
Grenzen überschritten wurden.
lerinnen und Schüler hat: «In der Oberstufe war unsere Klasse eine Katastrophenklasse. Die musste sogar
zweigeteilt werden, weil sie so eine Katastrophe war (Pause). Und ja, man hat sich einfach dieser Klasse
angepasst und ja (Pause). Was soll ich erzählen (Pause). Dann hat der Scheissdreck gemacht und du hast
Scheissdreck gemacht, der andere hat Scheissdreck gemacht und ja. Ich kam immer am meisten dran, ich
Bezüglich des Schwänzens und Fernbleibens der Schule kann keine einheitliche Aussage gemacht werden.
Während ein Jugendlicher kaum gefehlt und auch nie geschwänzt hat («Ja, mal gab es Tage, an denen war
ich krank, aber dann war ich auch wirklich krank. Geschwänzt habe ich nie, wirklich nie. Das frage ich
mich sogar heute noch, warum ich nie geschwänzt habe. Nein, geschwänzt habe ich nie, ich ging immer
, blieben die anderen beiden regelmässig dem Unterricht fern: «... der andere Grund
«Dann habe ich dort ab und zu geschwänzt, um nicht in die Schule zu gehen. Ich habe Ausreden gefunden,
damit ich nach Hause gehen kann.» (J1_m_1).
Ein weiterer Grund für Schulhaus- und Umgebungswechsel waren kriminelle Aktivitäten. Dies betrifft
hauptsächlich einen der drei Interviewten, der regelmässig Auseinandersetzungen mit der Polizei hatte und
auch von der Polizei in der Schule aufgesucht wurde: «Und dann ja, ich war ein ziemliches Problemkind,
also wirklich (Pause). Im Monat wurde ich vielleicht zwei oder drei Mal verhaftet, aber wegen sinnlosen
Er musste unter anderem aufgrund seiner delinquenten Handlungen in eine Kleinklasse
wechseln. Ein weiterer Jugendlicher machte Andeutungen, dass sie gelegentlich kifften und bewegte Wochenenden hatten. Hieraus konnte jedoch kein direkter Bezug zum Schulhauswechsel hergestellt werden,
da dies vor allem die unterrichtsfreie Zeit betraf.
Gemein ist den drei Jugendlichen, dass ihre schulische Entwicklung von Hochs und Tiefs sowie Rollenwechseln innerhalb der verschiedenen Klassen und Stufen geprägt war: «Ähm erste Klasse Primar bis ja,
hm, ja bou, am Anfang war ich so der Streber (lacht). Äh vierte Klasse, also erste bis dritte war ich irgendwie so bisschen der Beliebte wegen meinem Bruder, weil er schon in der dritten Klasse war, während ich
in der ersten war. In der vierten Klasse bin ich wiederum gemobbt worden. Dann in der fünften Klasse
schon wieder nicht mehr, weil ich dann quasi den Mitläufer gespielt habe. Ähm in der sechsten Klasse
habe ich nicht mehr den Mitläufer gespielt. In der sechsten Klasse wurde ich auch nicht mehr gemobbt.
In der sechsten Klasse war ich schon älter, immer noch ein Kind aber schon älter. Also man checkt schon
mehr und nachher habe ich mein eigenes Ding durchgezogen, war immer noch beliebt.» (J1_m_1)
Die meisten erlebten die Unterstufe positiv, was sich auch in ihren Leistungen widerspiegelte. Durch den
Ortswechsel und den dadurch bedingten Schulwechsel kam es in einem Fall zu einer drastischen Verschlechterung («Weil als ich das Zeugnis in Dielsdorf bekam und nachher das Zeugnis von Regensdorf, da
sieht man den Unterschied extrem (Pause). Ich weiss jetzt nicht, was passiert wäre, wäre ich dort geblieben
DOKUMENTATION
während es bei einem anderen Jugendlichen aufwärts
ging: «In der sechsten Klasse wurde ich auch nicht mehr gemobbt. […] schulmässig ok. Also eigentlich
wäre ich in die Sek B eingeteilt worden, dann kam ich aber in die Privatschule. Zürich, Lernstudio. Äh,
dort ging es dann wieder bergauf.» (J1_m_1). Die schulische Entwicklung wurde aber in allen drei Fällen
Weiter hing die schulische Entwicklung in einem Fall auch von der familiären Situation ab: «Und äh
nachher kam ich nach Wallisellen zu meinem Vater. In Wallisellen gewohnt, in Wallisellen in die Schule.
Ungefähr ein Monat. Dann ging es nicht in der Schule nicht mehr, sondern zu Hause. Und dann hatte das
natürlich auch Ausmacht auf die Schule, ich konnte mich nicht mehr richtig konzentrieren und nichts.»
(J1_m_1). Aufgrund der schwierigen familiären Situation verschlechterten sich auch die schulischen Leistungen sowie die allgemeine Lage in der Schule.
Die Primarschulzeit wurde von den drei Jugendlichen unterschiedlich erlebt. Gemeinsam ist ihnen jedoch,
dass sie alle früher oder später, wenn auch in unterschiedlicher Form, aufgefallen sind. Keiner von ihnen
war ein unauffälliger, sorgenloser Schüler, der seine ersten Schuljahre problemlos durchlaufen hatte. Ein
Jugendlicher beschreibt seine Erlebnisse in der Primarschule wie folgt: «In der Primarschule wurde ich
immer geärgert. Dann haben sie mich, haben sie mich immer so hinten am Ohr geschlagen und ich habe
ihnen gesagt, sie sollen aufhören und sie wollten einfach nicht aufhören. Und dann war irgendwann der
Kessel auch voll, wie man so schön sagt (lacht). Dann habe ich mir nichts mehr gefallen lassen und dann
Für ihn waren der Wohnortwechsel und
die dadurch entstandenen Probleme mit den Peers während der Primarschulzeit ursächlich für seine gescheiterte Schullaufbahn. Er nimmt an, dass vieles anders verlaufen wäre, wenn er weiterhin in der ersten
Schule, die er besucht hatte, hätte beschult werden können: «Ja es ist einfach, ich weiss es nicht. Vielleicht
sind die Regeln dort so komisch, oder ich weiss es nicht. Weil als ich das Zeugnis in Dielsdorf bekam und
nachher das Zeugnis von Regensdorf , da sieht man den Unterschied extrem (Pause). Ich weiss jetzt nicht,
Während dieser Knabe zu Beginn eher eine Opferrolle einnahm, bezeichnete sich ein anderer von Beginn weg als Täter:
«In der Primarschule habe ich viel Scheiss gemacht. Habe gegen die Wand gepinkelt, kletterte auf Dächer
und habe mich ausgezogen, also nicht ganz nackt (lacht). Ich habe immer wieder so behinderte Spässe
gemacht, Kreiden geworfen. Mit Schülern hatte ich an einem Tag drei Schlägereien und ähm (Pause). Auf
dem Pausenplatz, wirklich, die kleinen Kinder haben auf den Boden geschaut, wenn sie mich gesehen
haben.» (J1_m_1)
Auf die Frage, ob Schule allgemein für ihn etwas Negatives sei, antwortete ein Jugendlicher wie folgt: «Das
Eine weitere Äusserung war jene: «KGS-Zeiten, das sind gute Zeiten. Ja, da denke ich gerne daran zurück (lacht). Aber ich
Wie folgende Aussagen zeigen, haben die Jugendlichen,
trotz ihrer abgebrochenen Schulkarriere, nicht zwingend negative Gefühle gegenüber der Institution Schule.
Kategorie Verhältnis zu den Lehrpersonen zeigen wird.
Die Verhältnisse der Jugendlichen zu ihren ehemaligen Lehrpersonen waren sehr unterschiedlich. Einerseits gab es Lehrpersonen, vor denen sie Respekt hatten, von denen sie sich ernst genommen fühlten und
bei denen sie sich dementsprechend anständig verhielten: «Zu Spori sehr gut, aber der Rest, das sind kleine
DOKUMENTATION
Andererseits war das Verhältnis zu Lehrpersonen, die sie aus verschiedenen Gründen nicht respektierten, schlecht
Das liessen sie die betroffenen Lehrkraft auch
spüren. Ihr Sozial- und Arbeitsverhalten war dementsprechend ungenügend und sie wurden des Öfteren
ausfällig und frech. Respekt und Ansehen verschaffte sich in ihren Augen eine Lehrperson, die sie ernst
nahm
sich für sie interessiere («Aber ich meine,
sie haben mich nichts gefragt, wie es mir geht, was los ist zu Hause, wieso ich so bin. Sie fanden nur ‚Du
bist so.’ (J1_m_1)), ihnen Grenzen setzte, aber dennoch gut gewillt war.
Auf die Frage, wovon es denn abhänge, ob er einen Lehrer ernst nähme oder nicht, antwortete einer der
Jugendlichen Folgendes: «Wenn er mir sagt, wenn ich aufhören soll. Wenn ich, wenn ich das Gefühl habe
in der Klasse, dass ich nicht der Chef bin. Dann arbeite ich. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass ich der
War dies
nicht der Fall, konnte keine konstruktive Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler entstehen und die
Situation eskalierte nicht selten: «Haben mich die Lehrpersonen nicht respektiert, dann habe ich sie auch
Die Jugendlichen fühlten sich oft unfair behandelt, da sie in den betreffenden Schulhäusern schon nach
folgende Aussage zeigt: «Dann sagt er mir einfach gnadenlos: ‚Wissen Sie was, mir ist egal, wer Sie sind,
was Sie machen, was Sie sagen. Ich werde Ihnen kein Wort glauben, Sie sind ein verdammter Lügner für
mich.’ Gnadenlos. Der kannte mich ja nicht mal. Also er kannte mich vom Hören und dann ist klar, dass
ich mich nachher erniedrigt fühlte und dann habe ich gesagt: ‚Wissen Sie was, wenn Sie mir nicht glauben,
dann, wie Sie die Treppe runter gekommen sind, können Sie sie auch wieder hinaufgehen, weil wir müssen
Desinteresse der Lehrpersonen gegenüber ihrer Schülerinnen und Schüler schürten Frustration und Aggression, was das negative Verhältnis verstärkte: «Also sie haben sich wirklich einen Scheiss darum gekümmert, was bei mir los ist. Kurz gesagt, also meine Lehrerin hat sich nicht interessiert, meine Klassenlehrerin. Niemand. Niemand. Niemand. Und ich meine, wenn sie sich nicht interessieren, dann ist das nicht
mein Problem, dass erzähl ich denen das auch nicht, dann mach ich so weiter, wie ich weitermachen will
und dann interessiert es mich auch nicht, was sie dann sagen.» (J1_m_1).
Wichtig sei es auch, dass die Lehrperson ihr Gesicht wahre. Eine Lehrerin hätte des Öfteren geweint, weil
die Schülerinnen und Schüler der Klasse sie an ihre Grenzen gebracht hätten: «Sie hat jede Stunde geheult
Daraufhin haben die Jugendlichen gemacht, was sie wollten:
«Wenn die Lehrpersonen mir nicht sagen, wenn ich frech bin, ja dann Tschau, dann sind sie selber Schuld,
wenn ihre Schüler machen, was sie wollen. Wenn ich während der Stunde schlafe und sie mir nichts sagen,
a) Rolle innerhalb der Klasse
Die Rolle der drei Jugendlichen innerhalb ihrer Klassen war unterschiedlich. Während sich einer eher als
beliebter Schüler bezeichnete («Ich meine, ich war immer ein beliebter Schüler, aber das ist wie wenn du,
also nicht aus Eingebildetheit, weisst du, aber ich war nicht nur beliebt in Regensdorf, ich war beliebt in
Wallisellen, ich war beliebt in Zürich und ich habe meine Kollegen überall.» (J1_m_1)), haben sich die
anderen beiden ihren Status mit Gewalt erarbeitet: «Ich habe irgendwann, ja, also irgendwann hat es dann
halt gereicht und wenn ich die ganze Zeit, wenn ich das immer mitgemacht hätte, hätten die das ausge-
DOKUMENTATION
nützt und dann wär das weitergegangen und weiter und ich bin (Pause). Ich bin halt nicht, äh, ich wollte
halt nicht das Opfer sein, wollte eigentlich ganz normal in die Schule gehen und machen und tun, aber
die Leute haben das nicht verstanden und haben das und mussten mich auf die Probe stellen und irgendwann reichte es mir und dann kam es so weit, dass alle Schüler Angst vor mir hatten. Aber so weit wollte
Im Gegensatz zum oben dargestellten Beispiel wollte sich ein andere
Jugendlicher aktiv seine «Chef-Rolle» erarbeiten und hat dies auch bewusst durchgesetzt: «Also ich war
meistens der Chef in der Klasse (lacht). Also eigentlich immer. Ja, und wenn ich es nicht von Anfang an
Keiner der drei Interviewten war ein unscheinbarer, untergeordneter Schüler, sondern sie nahmen alle starke Positionen im Klassenverband ein.
Es ist anzunehmen, dass der Jugendliche, welcher aufgrund seiner kriminellen Aktivitäten in U-Haft kam
und somit von der Schule gewiesen wurde, die Tat nicht alleine begangen hat. Einer der Jugendlichen hatte
«viele arbeitslose Kollegen» (J1_m_1). Inwiefern sie ihn in seiner schulaversiven Haltung bestärkt hatten,
ist unklar.
Freunde hatten alle in der Schule. Das Gefühl der Klassengemeinschaft schien wichtig zu sein, denn man
verbrachte sehr viel Zeit in der Schule:
Auch wurden teilweise Freundschaften fürs Leben geschlossen, wie folgender Jugendlicher beschreibt: «Ja, also, als
gelernt, er heisst R????? und ich bin gerade raufgelaufen, also wirklich ziemlich nervös, weisst du, erster
Schultag, keiner kennt mich, bin ich raufgelaufen und dann sagte er mir: ‚Hey, bist du der Neue?’ und ich
so ‚Ja, voll’ und er ‚Bei wem gehst du in die Schule?’ und ich habe ihm dann gesagt bei dem und dem Lehrer und er so ‚Boah das ist ein strenger Siech und so viel Glück’ und ich so ‚Danke’ und nachher (Pause).
Nachher ist das weiter gegangen, sind Jahre vergangen, haben wir uns kennen gelernt, gemacht und getan
. Mit anderen wurde der Kontakt aber auch wieder abgebrochen («Mit sehr vielen Herrschaften haben wir den Kontakt abgebrochen.»
Schulabbruch hatten, ist unklar.
Der Kontakt zu Jugendlichen aus dem ausserschulischen Umfeld bestand bei allen drei Probanden. Oftmals
handelte es sich hierbei um ältere («Ja sicher, ich war immer mit älteren Leuten draussen, ich war nie
, teilweise auch arbeitslose («Ja aber ich habe auch viele arbeitslose
Kollegen.» (J1_m_1)) oder drogenabhängige Personen. Der Kontakt zu diesen Personen entstand meistens
durch den Konsum von Cannabis: «Ja was soll ich sagen, das kommt von alleine, der Kontakt. Wenn du
kiffst und der andere auch kifft, dann habt ihr schon mal zusammen einen Joint geraucht und dann das
nächste Mal rufst du ihn an und dann ist er mit Älteren und dann gehe ich dort hin und dann bin ich schon
. Ob und inwiefern diese Personen die Jugendlichen in ihrer Entwicklung
Tagesablauf und Leuten, die Drogen konsumierten, bestand.
DOKUMENTATION
Ihre Freizeit haben alle drei oft mit «Herumhängen» und «Chillen» verbracht («Ja mit Kollegen chillen»
. Die Freizeitaktivitäten des einen Jugendlichen haben sich mit dem Umzug und dem damit verbundenen Standortwechsel stark verändert: «Ich
hatte schon relativ grosse Freiheiten, aber ich habe sie, früher hatte ich sie nicht gross, früher habe ich sie
auch respektiert, früher war es ‚Du bist um zehn zu Hause’. Ich war um zehn zu Hause. Ich meine, in der
zweiten Sek, da bin ich, keine Ahnung, gegen acht Uhr kam ich schon nach Hause, eben, ich war immer um
diese Zeit zu Hause und nachher, seit ich bei meinem Vater zu Hause war, weil, ich habe es wirklich nicht
ausgehalten zu Hause bei meinem Vater, bin ich immer gegen zehn, elf nach Hause gekommen, sogar unter
der Woche und seit ich dort war, bin ich, war ich nur so daran gewöhnt, um diese Uhrzeit nach draussen
zu gehen, dass ich auch hier um diese Zeit rausgegangen bin.» (J1_m_1).
Kriminelle Aktivitäten haben zumindest zwei der drei Probanden zugegeben. Folgendes war die Antwort
auf die Frage, ob er schon einmal Kontakt mit der Polizei gehabt habe: «Ein bisschen […] Also richtige
Wie schwer die jeweiligen Vergehen waren, ist zumindest bei einem Jugendlichen unklar, da die Verhaftung durch die Polizei und die anschliessende Untersuchungshaft beim anderen
Nur einer der drei Jugendlichen gab an, keine Drogen konsumiert zu haben. Anscheinend hatte er aber
Freunde in seinem Umfeld, die sowohl Drogen konsumierten als auch in Geschäfte mit Drogen involviert
waren: «Drogen und solche Sachen?» – «Nein, das nicht.» – «Gedealt und kleine Geschäfte gemacht,
gekifft?» – «Nein, das nicht, nein. Ich nicht.» – «Du nicht, aber andere?» . Nein, also (Pause). Da war
Die anderen beiden haben regelmässig gekifft («Ich habe gekifft, gemacht
Einer der Jugendlichen gab an, regelmässig Alkohol zu sich genommen zu haben,
was teilweise auch ausartete: «Äh ein bisschen zu viel getrunken und nachher gab es einen Unfall (Pause).
Während der Gespräche konnten eine Vielzahl von individuellen Ursachen für den Drop-Out herauskristallisiert werden. Zur Übersicht werden diese einzeln aufgezeigt und mit Äusserungen dokumentiert.
Fernbleiben des Unterrichts
•
•
konnte nicht mehr schlafen und äh, ich habe immer wieder verschlafen am Morgen.»
(J1_m_1)
«Ich bin wirklich eingeschlafen, weil ich zu Hause den Schlaf nicht gefunden habe.»
(J1_m_1)
«Keine Ahnung, also, ich hatte ein Arztzeugnis, dann ging ich logischerweise nicht in die
Schule. […] Ja, ich habe das Arztzeugnis schon ausgenutzt. Also das fand ich natürlich
schon bequem. Natürlich ging ich dann nur, wenn ich nichts Besseres zu tun hatte und
DOKUMENTATION
Sozialverhalten
•
«... war ich immer das Arschloch, das wirklich andere Schüler geschlagen
hat und Lehrern Probleme gemacht hat.» (J1_m_1)
•
«... irgendwann hat es gereicht und dann kam es so weit, dass alle Schüler
Arbeitsverhalten
•
«Ja einfach eingeschlafen. Das war eben wegen dem Schlafrhythmus irgendwas.
Keine Ahnung, was war.» (J1_m_1)
•
«Ja, das war bisschen ein Thema, das ist, eh, also, ich weiss auch nicht.
Ich war nicht so ein Typ, der gerne Aufgaben gemacht hat. Ich sag’s auch ehrlich.
•
«Äh der andere Grund war die Noten, weil ich nie etwas an Hausaufgaben
•
«Und halt Hausaufgaben nicht gemacht und Einträge […] ich hatte rund
•
«Ja wenn ich gearbeitet habe, haben die anderen auch gearbeitet.
•
«Eben und wenn sie mir nichts sagen, wenn ich am Telefonieren bin,
Bedingungsfaktoren im System Familie äussern sich vor allem als Probleme innerhalb der Familie.
•
«Ja genau (Pause). Ich habe es gehasst, weil ich bin früher sehr viel von meinem Vater
geschlagen worden, also wirklich sehr viel und auch brutal, aber darum hatte ich es
nicht gern, wenn mich jemand anfasst und darum bin ich auch immer, hatte ich immer
•
«... dann war ich zwei Wochen nicht zu Hause, aber dann hat sich das auch geklärt.»
•
«Und ich meine, das ist nicht so schlimm, also es kann schon schlimm sein körperlich
und es belastet einem auch, dass man nicht nach draussen gehen kann, dass man
keinen Sport machen kann und so, das verstehe ich, aber es ist noch lange nicht
so schlimm, wie wenn man, keine Ahnung, psychisch etwas hat wie zu Hause,
wegen den Eltern oder sonst etwas.» (J1_m_1)
«... seitdem ich bei meinem Vater zu Hause war, weil ich habe es wirklich zu Hause
nicht ausgehalten bei meinem Vater...» (J1_m_1)
«Ja, boh, ich wollte eigentlich einen Neustart machen dort, weil ich kannte niemanden,
nichts und so, aber ich konnte keinen Neustart machen wegen dem Vater und der
Stiefmutter. Fünf Minuten zu spät zu Hause, haben sie mich wieder zusammengeschissen
und ja, hab auch mal eine Ohrfeige kassiert (seufzt).» (J1_m_1)
•
•
DOKUMENTATION
Nebst den individuellen Bedingungsfaktoren wurden auch viele institutionelle Ursachen für den schulischen Misserfolg genannt. Folgende Gründe konnten eruiert werden:
•
•
•
«Also vor
«Also sie haben sich wirklich einen Scheiss darum gekümmert, was bei mir los ist.
Kurz gesagt, also meine Lehrerin hat sich nicht interessiert, meine Klassenlehrerin.
Niemand. Niemand. Niemand. Und ich meine, wenn sie sich nicht interessieren, dann ist
das nicht mein Problem, dann erzähl ich denen das auch nicht, dann mach ich so weiter,
wie ich weitermachen will und dann interessiert es mich auch nicht, was sie dann sagen.»
(J1_m_1).
«Haben mich die Lehrpersonen nicht respektiert, dann habe ich sie auch
•
«Nein, ich war am Telefon, niemand hat etwas gesagt. Ich habe geschrieben,
•
•
«Sie hat
«Das weiss ich auch nicht. Ich glaube, wegen meinem Betreuer dort in der Schule.
Ja, und den habe ich nie ernst genommen und ich glaub, das hat ihn gestresst (Pause).
Regelverstösse
•
«Ja, also ich
•
«Ja ich durfte gar nicht mehr, weil ich ja, sie haben mich einfach weg geschickt, weil das
Time-Out ja eigentlich schon nicht funktioniert hat, ‚dann nehmen wir dich nicht mehr’.»
•
«Und dann ja, ich war ziemlich ein Problemkind. Also, ich bin wirklich (Pause) im Monat
Entscheide der Schulleitung
•
«Sie haben nur gesagt, ‚für uns ist alles erledigt’. Also wir hatten schon eine Sitzung mit
auch versucht zu erklären, dass ich als Mensch mich entwickelt habe und Fortschritte
gemacht habe und so, aber ich glaube, sie haben schon vorher entschieden, dass sie mich
nicht mehr wollen, so als Störfaktor. Aber ich verstehe nicht, warum. Ich meine, ich habe
niemanden in der Schule abgeschlagen.» (J1_m_1)
Jeder der drei Jugendlichen weist einen anderen ausschlaggebenden Grund für den Schulausschluss auf.
Während der erste interviewte Jugendliche aufgrund des Scheiterns des schulischen Time-Outs nicht wieder in seine ehemalige Klasse zurückkehren konnte und somit ausgeschlossen wurde («Ja nachher hat es
wollten sie mich dann auch nicht mehr. Und dann wurde ich ausgeschult.» (J1_m_1)), waren beim zweiten
Jugendlichen die Verhaftung durch die Polizei und die anschliessende Unterbringung in Untersuchungshaft
der Grund: «Ja also ich muss sagen, ich hatte viel zu tun mit der Polizei.» – «Also ab dann, als du schon
DOKUMENTATION
draussen warst oder schon vorher?» – «Nein, schon vorher und das war auch der Grund, wieso ich raus-
Beim letzten Jugendlichen führte eine Anhäufung verschiedener Ursachen zum Drop-Out. Einerseits verhielt er sich respektlos gegenüber gewissen Lehrpersonen, verweigerte bei diesen die Mitarbeit im Unterricht und nützte gleichzeitig sein Arztzeugnis aus
Diese Kategorie fasst die Reaktionen der Eltern und Freunde auf den Schulausschluss zusammen.
•
«Ich habe mit meiner Mutter geredet und dann hat sie gesagt ‚Ja, das kann passieren,
•
•
«... aber sonst, als ich r
«Nein, also ich habe das damals halt gemacht. Ich war der Junge von früher,
aber wichtig im Leben ist, dass man aus Fehlern lernt und ehm ja (Pause) irgendwann
habe ich dann mal gesagt, es kann ja nicht sein, dass sie mich immer verhaften
•
«Meine Eltern waren wirklich ziemlich enttäuscht von mir, muss ich sagen.
Meine Eltern hatten mich gar nicht mehr gern. Also gern haben sie das Kind ja immer,
•
«Ja Kollegen waren enttäuscht, aber sie haben mich auch verstanden, weil ich meine,
ich habe ihnen dann alles erklärt, so wie es war, so wie ich es jetzt da erklärt habe
und sie fanden auch, das sei so unfair und sie verstehen mich.» (J1_m_1)
«Es war zwei Wochen
•
5.1.8 Kategorie: Situation nach dem Schulausschluss
a) Freizeit
Die erste Zeit nach ihrem Schulausschluss haben die Jugendlichen sehr ähnlich verbracht: Sie hingen herum, waren arbeitslos, machten nichts, trafen Kollegen und kifften. Seine Situation nach dem Drop-Out
beschreibt einer der jungen Männer folgendermassen: «Dann bin ich, ja, (Pause) drei Jahre arbeitslos
gewesen (Pause) habe, äh, Drogen konsumiert, also Cannabis, nichts Schlimmes und das war auch genau
das, warum ich so lange arbeitslos war, weil ich alles auf den nächsten Tag verschoben habe. […] Ja, also
Anschliessend
nahm er Gelegenheitsjobs an, bis er eine feste Anstellung als Gipser auf dem Bau bekam, wo er auch heute
noch arbeitet. Ähnlich erging es einem anderen Jugendlichen: «Also als ich dann einen Monat arbeitslos
war (Pause), dann habe ich ein bisschen Scheiss gemacht, aber ich habe nachher schnell daraus gelernt.»
Er arbeitete ein Jahr temporär, bis er eine Lehre als Heizungsmonteur begann («Ja, also, ein Jahr bin ich so,
Der jüngste der drei Jugendlichen beschreibt einen seiner typischen Tagesabläufe wie folgt: «Mmmh, ich,
also, mein Tagesablauf. Also dafür müsste ich am Abend vorher schon anfangen, ungefähr so um elf. Also,
DOKUMENTATION
vielleicht gegen eins, zwei am Morgen schlafen gehen, dann am eins, zwei mittags wieder aufstehen. Ab
und zu elf, ab und zu sogar um drei Mittags, kommt drauf an. Ähm (Pause) dann bin ich am Abend raus,
also parat machen, dann bin ich einfach raus nach Zürich. Ähm (Pause) dann habe ich mich mit Kollegen
getroffen (Pause) und äh in dieser Zeit habe ich auch viel mehr gekifft. Nachher, weil ich eben arbeitslos
war und nichts zu tun hatte, habe ich einfach viel mehr als früher. Früher war es wirklich nur am Wochenende, nachher also auch unter der Woche ein bisschen gekifft (Pause) unter der Woche läuft ja auch ab
und zu Ausgang oder sonst was und dann sind wir vielleicht einmal in den Ausgang gegangen oder so und
einmal auch nicht. Sonst bei Kollegen geschlafen, die am nächsten Tag frei hatten oder so. Und ja, es gab
viele Varianten.» (J1_m_1)
Nach dem Schulabbruch hat sich der Freundeskreis der Jugendlichen verändert, wie dieses Beispiel zeigt:
«Freundeskreis verändert sich auch relativ krass, also ja. Kollegen die arbeiten sind hier und die anderen
Kollegen, die nicht arbeiten, sind dort und dann hängt man eben mit denen von dort statt mit denen von
hier.» (J1_m_1)
5.1.9 Kategorie: Situation heute
Zwei der drei Jugendlichen haben eine Anschlussmöglichkeit gefunden. Während einer eine Lehre als Heizungsinstallateur
absolviert, hat auch der andere eine Anstellung gefunden: «Und jetzt bin ich auf dem Bau als Gipser (Pause) und ehm ja, so wie ich es sehe (Pause),
meine Fortschritte sehe. Ich habe sehr grosse Fortschritte gemacht. Ich arbeite, ich arbeite, ich habe auch
Der dritte Jugendliche hat sich für ein Motivationssemester
beim RAV angemeldet und möchte dort seinen Schulabschluss nachholen: «Ich bin jetzt im RAV angemeldet. Motivationssemester. So für den Abschluss. Eh und dann fange ich einfach mal an dort zu arbeiten,
Schule und schaue für eine Lehrstelle und gut ist.» (J1_m_1).
Nach dem Schulabbruch hat sich der Freundeskreis der Jugendlichen verändert. Es kam zu Brüchen, wie
folgende Aussagen zeigen:
•
•
«Ja wir haben
«Ich habe auch den Kontakt abgebrochen. Also von einem Tag auf den anderen
nichts mehr miteinander zu tun gehabt (Pause) weil ich kann nicht mit ihm zusammen
sein und zuschauen, wie er sich kaputt macht. Das kann ich nicht und ihm das einreden
In zwei Fällen besteht noch Kontakt zur ehemaligen Lehrperson, wenn auch sehr eingeschränkt («Ja, ich
habe ihn letztens getroffen und dann haben wir ein bisschen geredet, aber so grossen Kontakt haben
Da die Lehrkraft dem einen der Jungen nachträglich zu einer Lehrstelle
verholfen hat, scheint der Kontakt gut zu sein, wie folgende Aussage zeigt: «Ja mit ihm ist es gut, habe
noch Kontakt (Pause). Mit ihm habe ich schon noch ein bisschen Kontakt, auch wegen der Lehre und so.
Lediglich ein Jugendlicher ist negativ auf
DOKUMENTATION
einzelne Lehrkräfte, wie auch auf die Schulleitung, zu sprechen: «Herrn Zappia kann ich auch nicht mehr
ernst nehmen. Wenn ich ihn irgendwo auf der Strasse sehe und er sagt ,Hallo Kilian’ (Pause), dann bin
ich schon weg. Ich schaue ihm nicht mal mehr in die Augen. Wenn er ‚Hoi’ sagt, sage ich ihm so ‚Hoi’
[kaum hörbar] und dann verpiss ich mich (Pause). Dann fühl ich mich arrogant zu meinen alten Lehrern,
arrogant.» (J1_m_1).
Aus den Gesprächen war herauszuhören, dass sich die Jugendlichen mehr Lehrpersonen wünschten, die
ihnen zuhörten und mit ihnen das Gespräch gesucht hätten. Auch sinnvolle Konsequenzen wären an und
für sich wichtig. Einstimmig war zu vernehmen, dass eine funktionierende Schüler-Lehrer-Beziehung der
Schlüssel zum Erfolg sei. Die unterschiedlichen Aussagen der Jugendlichen wurden in die Unterkategorien
Schüler-Lehrer-Beziehung, individuelle Faktoren, Familiäre Situation und institutionelle Faktoren unterteilt
und mit Beispielen illustriert.
•
•
•
•
•
•
•
•
•
«Von einem Lehrer erwarte ich, also ich meine, die sind wirklich auf Abstand geblieben
und ich war überall. Ziemlich oft war ich in Schulen. Zuerst Ruggi 1, dort waren Frau B???
und Frau B??? und die hatten einen ziemlich guten Kontakt zu Schülern und äh, wenn
etwas nicht stimmte und sie gesehen haben, dass einer ein bisschen traurig ist oder
sonst etwas, dann haben sie gefragt, was los ist und so und das war bis jetzt wirklich
überall in der Schule so.» (J1_m_1)
«Dort konnte man schauen, wem es Scheisse geht. Es gab immer wieder so Gespräche,
vereinzelte Schüler an einem Freitag zum Fragen, was los ist.» (J1_m_1)
«Phu, das ist schwierig zu sagen. Ja, das ist, was hätte man machen können (Pause)
«Sie müssen sich einfach mal ein bisschen mehr mit den Leuten befassen, mit den
Jugendlichen befassen, einfach ein bisschen mehr auf sie zugehen.» (J1_m_1)
«Er hat mit uns
«Also wenn es die gleichen Lehrpersonen wären, ich hätte mich glaub nicht gross verändert, weil wenn die Lehrpersonen mir nichts sagen, was ich machen soll, dann mache ich
«Also was ich bei mir bemeckern kann, ist, dass ich das Gefühlt hatte, dass ich, als ich in
der Sek angekommen bin, dass ich mir nicht mehr so viel Mühe geben muss. Das war
auch der Grund, warum es in der zweiten Sek überhaupt bergab gegangen ist.» (J1_m_1)
«Nein, das kam von mir aus (Pause). Leute können dir so viel einreden, wie du willst. Wenn
ich etwas machen will, dann mach ich das. Die Person kann mir sagen, dass das schlecht
ist, es interessiert mich nicht, Ich mach’s, weil ich es machen will, aber auch, wenn es
schlecht ist. Aber irgendwann macht es da oben selber ‚Hey, irgendetwas stimmt nicht’.»
«Im Militär ist es ja genau so bei so Spezialtruppen, dass, wenn bei einem von zu Hause
etwas nicht gut ist, dann belastet das die Mannschaft, dann lenkt das ab, dann kann er sich
DOKUMENTATION
•
•
•
•
nicht auf das Eigentliche konzentrieren. Darum ist es wichtig, dass zu Hause
alles gut ist.» (J1_m_1)
«Was ich von der Seite der anderen bemeckern kann, ist eben nur das, dass ich halt vom
Lernstudio raus und zum Vater gekommen bin. Beim Vater hat sich alles selber aufgebaut,
gemacht und nachher ist wirklich alles, das nachher gekommen ist, ist bergab gegangen.»
(J1_m_1)
«Vor allem im Lernstudio war das so. Im Lernstudio waren wir ja nur fünf Schüler
in der Klasse und ähm (Pause) dort konnten sie wirklich am besten auf einen schauen,
das ist ja klar, fünf Schüler.» (J1_m_1)
«Es war alles eine andere Atmosphäre. Also alles. So viel liebere Leute, alles so,
keine Ahnung, besser erzogen, so, ja.» (J1_m_1)
«Ja wären die Lehrer besser gewesen, wäre ich auch besser gewesen. Aber wenn die
•
«Er hat gezeigt
Konsequenzen, wenn man irgendwie Scheiss gebaut hat. Ja, da hat es Konsequenzen
•
«... ja (lacht) die haben mich jeden Tag nach Hause geschickt, die anderen Lehrer.
Und er so ‚Du bleibst jetzt länger da, bis das fertig ist und das nach der Schule.’ (Pause)
Die anderen wollten nicht nach der Schule dort bleiben (Pause). So Sachen halt. Strafen,
In diesem Kapitel sollen die Ergebnisse der Interviews mit den Lehrpersonen anhand der gebildeten Kategorien präsentiert und die Codes der einzelnen Kategorien zusammengefasst werden.
Die Schulkarrieren der drei Jugendlichen verliefen verschieden. Der Übersicht halber und weil die Lehrpersonen unterschiedlich viele und aussagekräftige Äusserungen zu den Themen Schulwechsel/Gründe für die
Schulwechsel und schulische Entwicklung gemacht haben, werden die Aussagen der Lehrpersonen jeweils
zum betreffenden Schüler der Reihe nach dokumentiert.
Laut Beschreibung der Lehrperson kam der Schüler «nach den Herbstferien irgendwann, zweite, dritte
Woche nach den Ferien» (LP1_w_1) zu ihr in die Klasse. Wie folgt beschrieb sie den Schulwechsel: «Er
war in einer Privatschule und sie fanden, sie haben keinen Platz mehr für ihn und dann ist er zum Vater
nach Wallisellen […] also sie haben ihn nicht rausgeschmissen, sie haben nur gesagt, im nächsten Jahr
nicht mehr und dann ist er, fand er ‚Beim Vater ist es dann eh besser’ und ist freiwillig zum Vater nach
Wallisellen. Dann hat der Vater ihn ja von zu Hause rausgeworfen und nicht, weil’s nicht geklappt hat, und
dann ist er wieder zur Mutter und sie wohnt ja eben in Regensdorf.» (L1_w_1).
DOKUMENTATION
Das grundsätzliche Problem dieses Schülers war, dass er laut Aussagen der Lehrperson weder sein Material
dabei gehabt, noch während dem Unterricht mitgearbeitet hat («Er hatte halt nie sein Zeug. Er hat grundsätzlich nie etwas gemacht.» (LP1_w_1). Dennoch wunderte sie sich, dass seine schulischen Leistungen so
schlecht waren, da sie ihn eigentlich für einen intelligenten, kreativen Jungen hielt («Ich fand’s krass, dass
er in der Schule so schlecht ist, weil er ist glaub schon intelligent.», «Er ist extrem kreativ.»(LP1_w_1)).
Der Jugendliche J2_m2 kam in der zweiten Klasse der Oberstufe von einer öffentlichen Sekundarschule
in eine Kleingruppenschule
da er in der Volksschule
nicht mehr tragbar war. Gründe für diesen Schulwechsel waren folgende:
•
«Er hat sich sehr viele Respektlosigkeiten, du musstest ihm schon zeigen, wer da der
•
«Also der Heinz Köbeli war ja ein Master of Investigation, der hat da wie ein
Kriminalpolizist hat er da akribisch seine Dings (Pause), seine Netze ausgelegt und weiss
ich nicht was und Luca war halt einer, der ist vermutlich regelmässig dort reingetreten
Zur schulischen Entwicklung dieses Jugendlichen wurden während dem Interview kaum bis keine relevanten Aussagen gemacht. Aus den Erzählungen des Jugendlichen lässt sich jedoch erkennen, dass er seine
Hausaufgaben nicht gemacht hat und seine schulischen Leistungen dementsprechend ungenügend waren
(vgl. Kapitel 5.1.5).
Wie auch der Jugendliche J2_m2 kam J3_m_2 in der Oberstufe von einer öffentlichen Sekundarschule in
eine Kleingruppenschule, da er in der Volksschule nicht mehr tragbar war.
•
«Marco hatte ganz eine schwierige Vergangenheit hinter sich (Pause).
Ich tippe darauf, dass, wenn die Schwierigkeiten zu gross geworden sind, hat
seine Mutter einen Ortswechsel vollzogen. Also sie war immer ein bisschen umher,
zuerst waren sie in Luzern oder in Bern und dann sind sie nach Zürich gekommen
•
«Dann
Die schulische Entwicklung war sehr stark von der Lehrperson abhängig, die ihn in dem entsprechenden
Fach unterrichtete. Während er in den einen Fächern Fortschritte machte, verweigerte er in anderen Lektionen die Mitarbeit.
DOKUMENTATION
•
«Als kleines Beispiel: Er durfte sicher monatelang nicht mitturnen, musste immer
zuschauen. Er war ein bisschen, er ist ein bisschen, ist ein bisschen unkoordiniert
gewesen in seinen Bewegungen, aber durchaus motivierbar (Pause) und er hat
am Schluss sehr gerne Sport gemacht. In meinen Sportstunden ist er aufgeblüht und ich
meine, in einer Volksschule, in einer Primarschule, auch in einer Sek, einfach monatelang
nur zuschauen lassen im Sport, also wenn der dann ein bisschen komisch wird, das ist
•
«Ich habe eigentlich sein Talent immer erkannt und wollte ihn fördern, aber er wurde
immer extrem ausfällig bei Leuten, vor denen er einfach keinen Respekt hatte. Nicht ein
Die Lehrpersonen beschreiben das Verhältnis der Jugendlichen zu den Lehrpersonen unterschiedlich.
Während die Lehrpersonen LP2_m_2 und LP3_m_2 eine gute Beziehung zu den jeweiligen Jugendlichen
hatten, sagen sie auch offen, dass das Verhältnis zu anderen Lehrkräften im Team sehr schwierig war: «Ich
glaube, der einzige, auf den er wirklich gehört hat, war schon ich und ich konnte ihm auch irgendwo eine
Auch war sich das Kollegium im Falle des Schülers J3_m_2 uneinig, wie
man aufgrund seines Verhaltens mit ihm verfahren musste. Auch die Meinungen über den Schüler an sich
gingen auseinander, wie folgende Aussage zeigt: «Meine Teamkollegen würden sagen ‚Ja schon viel früher
hätten wir ihn rausstellen müssen’, aber das ist nicht mein Credo. Ich versuche, bis zum letzten Atemzug
versuche ich meine Schüler irgendwo ans Ziel zu bringen. Aber leider gelingt es mir auch nicht immer.»
Die Abneigung des Schülers J3_m_2 gegenüber einer seiner Lehrpersonen konnte von seiner ehemaligen
Lehrkraft ein Stück weit nachvollzogen werden. Laut ihrer Aussagen hatte sie auch im Kollegium nicht sehr
viel Rückhalt: «Weisst du, die, die wir jetzt hatten, von der Marco erzählt hat, weisst du, schon am Morgen
früh mimimimimimi [genervte Tonlage] (lacht). Das war wirklich so eine, oder. So eine, die mir, allen auf
Heute arbeitet sie nicht mehr an dieser Schule.
Eine andere Lehrperson beschreibt, dass der Jugendliche J2_m_2 grosse Aversionen gegenüber der Lehrkraft hatte, die veranlasste, dass er von der Volksschule in die Kleingruppenschule versetzt wurde. Er
erzählt bezüglich dieser Situation: «Der hat sich verbissen. Sagen wir in seiner Idee, einerseits den Köbeli
auf den Mond zu schicken und andererseits (Pause) dem Ruggenacher Böses zu tun und die haben, die
sind dann da eingestiegen und haben dann da Zeug geklaut und also, das waren schon ziemlich schwere
Anscheinend war er aber nicht der einzige Jugendliche in diesem Umfeld, der einen
Groll gegen diese Lehrperson hegte («Also ich habe mehr als einen müssen oder dürfen beruhigen, dass er
«Wie gesagt, ich bin an ihn gar nicht rangekommen (Pause).» (LP1_w_1), sagte die Lehrperson im Falle
des Knaben J1_m_1 über ihn. Sie beschreibt ihn als einen Jugendlichen, der sehr schwer zu greifen gewesen
sei, was das Aufbauen einer Beziehung zu ihm erschwerte («Ich konnte ihn gar nicht greifen. Das war richtig schwierig.» (LP1_w_1)). Weil der Schüler schwer zu fassen war, keine Hausaufgaben machte und sich
auch nicht am Unterrichtsgeschehen beteiligte, neigte seine Klassenlehrperson dazu, ihn zu ignorieren: «Ich
hab ihn halt viel ignoriert im Unterricht, weil wenn er dann da rumgestöhnt hat, dann, dann hab ich ihn
am besten einfach ignoriert und dann irgendwann war’s mir dann egal, ob er seine Hausaufgaben hat oder
nicht, dann habe ich ihn halt heimlich leise aufgeschrieben und gefunden ‚du, nichts gemacht’ (Pause)»
(LP1_w_1). Mit der Zeit begann sie zu resignieren, da er auf ihr Verhalten ebenfalls keine Regung zeigte
und sie nicht wusste, was man noch machen könnte oder welche Reaktionen in seinem Fall sinnvoll gewesen
wären («Okay ich habe ihn nicht jedes Mal zusammengeschissen, vielleicht hätte er das gebraucht, dass
DOKUMENTATION
ich ihn anschreie, wieso er seine Hausaufgaben nicht hat, aber ich habe nur gefunden, ja. Und irgendwann
fängt man dann halt an zu sagen, ‚Ja macht er halt wieder nicht mit, kuckt wieder aus dem Fenster, hat er
halt sein Zeug nicht dabei, hat er seine Hausaufgaben nicht gemacht, okay’.» (LP1_w_1)).
Während der Gespräche konnten eine Vielzahl von Ursachen für den Drop-Out herauskristallisiert werden.
Zur Übersicht werden diese einzeln aufgezeigt und mit Äusserungen dokumentiert.
Fernbleiben des Unterrichts
Nur eine der interviewten Lehrpersonen hat erwähnt, dass der Schüler den Unterricht aktiv geschwänzt hat:
«Er hat geschwänzt. Er hat, das hat sich alles kumuliert.» (LP1_w_1)
Sozialverhalten
Zum Sozialverhalten der Jugendlichen in den jeweiligen Klassen im Bezug auf ihre Mitschülerinnen und
Mitschüler wurden seitens der Lehrkräfte keine Aussagen gemacht.
Arbeitsverhalten
Während der Schüler J3_m_2 je nach Lehrperson gut oder schlecht mitarbeitete, verweigerte der Jugendliche J1_m_1 eigentlich so gut wie jegliche Beteiligung am Unterrichtsgeschehen («Der, der hat einfach
nichts gemacht.» (LP1_w_1)). Zum Schüler J2_m_2 liegen keine konkreten Informationen vor.
Es wurden lediglich über zwei Familien Aussagen gemacht. In beiden Fällen (J1_m_1, J3_m_2) handelte es
sich um sehr nette, zuvorkommende, alleinerziehende Mütter, die mit der Situation ihrer Jungen überfordert
waren
niert. Sie ist einfach völlig überfordert.» (LP1_w_1)
Nebst den individuellen Bedingungsfaktoren wurden auch viele institutionelle Ursachen für den schulischen Misserfolg genannt. Folgende Gründe konnten eruiert werden:
•
«Aber er ist immer extrem ausfällig geworden bei Leuten, vor denen er einfach den (Pause)
Regelverstösse
•
«Jaja, jaja und die, die sind also verhaftet worden, also aufgezeichnet worden und alles.
•
«Wir waren noch im Skilager mit ihm und dann kam er in U-Haft und dann haben wir
ihn nie mehr gesehen (Pause). Wenn einer in U-Haft kommt, dann äh, dann hat er keine
•
«Wir wussten, und das war ganz klar, er schwänzt und das, das, das ist halt auch
ausschlaggebend, wenn jemand immer nicht in die Schule kommt und wenn er kommt,
dann ist er nicht äh vorbereitet und ich denke, das, das reicht dann wahrscheinlich
schon.» (LP1_w_1)
DOKUMENTATION
Entscheide der Schulleitung
•
«Es war von
ja und eben, ich hab das dann gar nicht gecheckt, dann hiess es auf einmal, ‚Der kommt am
Montag nicht mehr’ und ich war wirklich gespannt, kommt er noch oder kommt er nicht.
Ich war gar nicht richtig informiert. Ich wusste das nicht (Pause) ja wirklich, ich
bin am Montag in die Schule ‚Ist er jetzt da oder nicht da?’» – «Auf jeden Fall mit der
nicht eingeladen, das ist gar nicht mit mir gelaufen.» (LP1_w_1)
schluss:
Zitat
«Das ging extrem schnell. Das ging selbst für mich ein
bisschen schnell. Da ist ehm (Pause) glaub nichts passiert. Er hat geschwänzt, er hat, das hat sich alles kumuliert (Pause)» (LP1_w_1)
J1_m_1
Nichteinhalten der Regeln
im schulischen Time-Out
«Das schulische Time-Out, das ging extrem schnell. Das
haben sie mir, ich war nur die Person, die noch schnell
etwas dazu gesagt hat (Pause) aber ich war gar nicht in
die Entscheidung involviert.» (LP1_w_1)
«Ich hab das gar nicht gecheckt, was das für eine Schule
genau ist und ‚aha, das ist ein Time-Out, aber kommt
der wieder?’ – ‚Ne, der kommt nicht mehr’, das war von
Anfang an klar, der kommt nicht mehr.» (LP1_w_1)
J2_m_2
J3_m_2
Verhaftung durch die Polizei
und anschliessende Inhaftierung
in Untersuchungshaft
Schutz der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter
Tabelle 7: Ausschlaggebender Faktor für den Drop-Out
«Wir waren noch im Skilager mit ihm und dann kam er
in U-Haft und dann haben wir ihn nie mehr gesehen
(Pause). Wenn einer in U-Haft kommt, dann äh, dann
hat er keine Berechtigung mehr heute bei uns weiter ei-
«Wenn einer von der Polizei abgeführt wird und eine
Woche in U-Haft ist, dann ist das natürlich für uns, da
haben wir keine weitere Grundlage mehr, ihn weiter zu
«Es ist auch die Schwierigkeit in so einer Schule, wenn
ich Schulleiter bin und ich (Pause) ich will die Schüler ja alle irgendwo ans Ziel führen. Wenn die mir einfach am Schluss die Situation verunmöglichen (Pause),
dann muss ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
schützen und muss dann halt die Leute, auch wie jetzt
bei Marco, kurz vor vor vor Schulschluss, einen Monat
vor Schulschluss, musste ich ihn dann von der Schule
DOKUMENTATION
Zwei der drei Lehrpersonen machten keine konkreten Aussagen betreffend des Umgangs und der Reaktioleitung. Einzig die Lehrperson LP1_w_1 gab an, auch nach dem Drop-Out noch telefonischen Kontakt mit
der Mutter des Schülers gehabt zu haben: «Ich habe später nochmals mit ihr telefoniert. Ich weiss gar
nicht mehr, ich glaube, ich habe mich verwählt, irgendwie so und dann haben wir lange gesprochen und
sie so, sie konnte sich gar nicht mehr bei mir bedanken, ich habe mich ja eingesetzt. Das war auch so.»
(LP1_w_1)
5.2.6 Kategorie: Situation heute
Die Situationen der Lehrkräfte heute sehen sehr unterschiedlich aus. Was allen gemein ist, dass es auch
nach dem Schulausschluss wieder Zusammentreffen der Jugendlichen mit den Lehrpersonen gab. Während
LP2_m_2 und LP3_m_2 ihre ehemaligen Schüler in der Freizeit trafen («Ich habe ihn dann irgendwann
, suchte der Knabe J1_m_1 das Schulhaus auf.
Das Verhältnis zu dieser Lehrperson schien angespannt, wie ihre Erzählungen annehmen lassen: «Er war
ein paar Mal da und dann, wann war das, in der letzten Schulwoche sind wir (Pause) war es der letzte
Schultag? (Pause) Oder am vorletzten Schultag sind wir zum Bowlen nach Dielsdorf , da ist er mit uns
zum Bahnhof und hat dort gewartet, bis wir gehen. Er hat halt eine nach der anderen geraucht. Der kam
eigentlich gar nicht zu mir und ich bin dann zu ihm hin, hab ihm die Hand gegeben ‚Wie geht’s dir?’ und
er wollte eigentlich nicht mit mir reden.» (LP1_w_1). Im Gegensatz zum obigen Beispiel war in den ersten
beiden Fällen das Zusammentreffen positiv. Man freute sich, sich zu sehen.
Ein Knabe war sehr stolz darauf, dem Lehrer erzählen zu können, dass er eine Anstellung gefunden habe
und nun seinen eigenen Weg gehe: «Dann sehe ich den Luca und dann hatten wir Freude, uns wieder zu
sehen und er war stolz darauf, dass er nicht mehr im Elend ist und dass er krampft und dass er Gas gibt.»
Im Gegensatz zu ihm konnte dem Jugendlichen J3_m_2 die Lehrperson im Nachhinein sogar
eine Lehrstelle vermitteln: «Und jetzt auch später noch, als ich ihn wieder einmal gesehen habe, irgendwo
in der Stadt herumbambeln, konnte ich ihm den Steilpass geben für sein Vorpraktikum für die Lehre, in
«Eine Beziehung. Es geht ja eben immer wieder um die Beziehungsfähigkeit.»
Grundlegend für einen schulischen Erfolg und eine positive Zusammenarbeit sei die Beziehungsfähigkeit.
Dadurch wird erreicht, dass die Jugendlichen die Lehrperson respektieren. Somit kann eine Grundlage geschaffen werden, auf der man aufbauen kann: «Das sage ich jetzt einfach mal aus dem Bauch heraus. Auf
der Basis, dass du mit ihm in eine Beziehung gekommen bist und dass er einen gewissen Respekt vor dir
hat und gegenseitig und gespürt hat, dass du ihn, gewisse Sachen respektierst. Und das ist der Schlüssel,
der Boden, dass du mit diesen jungen Menschen arbeiten kannst und wenn sie das Gefühl haben, dass du
Wichtig sei ebenfalls, dass eine Lehrperson ihre Schülerinnen und Schüler fair behandle («Ja weil sie sich
. Andernfalls führt dies zu negativen
Gefühlen und Frustrationen seitens der Jugendlichen, wodurch eine fruchtbare Zusammenarbeit verunmöglicht wird. Auch dürfe man diese jungen Leute auf keinen Fall verachten: «Verachtung. Wenn du einen
jungen Menschen verachtest, dann, dann wird er dir eines Tages das Leben auch schwer machen (Pause).
DOKUMENTATION
Diese Lehrperson berichtete davon, dass einem ehemaligen Kollegen mehrehemaligen Schüler unfair behandelt gefühlt hatten und sehr frustriert waren.
Des Weiteren ist es unabdingbar, den Schülerinnen und Schülern klare Grenzen zu setzen, die Rollenverteilung innerhalb der Klasse zu klären und sinnvolle Konsequenzen für Widerhandlungen oder Regelverstösse
aufzuzeigen. LP2_m_2 beschreibt dies wie folgt: «Ja, absolut, absolut. Sie wollen ganz klar wissen, wo
sind meine Grenzen. Aber irgendwo wollen sie auch spüren, dass du, dass du ihnen, dass du sie schon
respektierst und dass du ihnen helfen willst, eigentlich. Dass das ein gewisses Grundmotiv ist.»
Zwei Lehrpersonen gaben an, dass auch die Zusammenarbeit im Team ausschlaggebend sei: «Also ich
denke, mit dem Team, was wir jetzt haben (Pause) wäre der Marco, hätte er, hätte er es geschafft. Also
Auch die
krete Angaben, wie mit den einzelnen Schülern, besonders im Falle eines Schulwechsels, zu verfahren sei:
einfach einen Schüler bekommen und dann heisst’s ‚Mal schauen’ (Pause). Ja, mit der Idee, es läuft eh
nicht, ist das echt ein bisschen schwierig.» (LP1_w_1).
Auch würde sie als Lehrperson an ihrem Verhalten zwei Dinge in Zukunft ändern:
•
«Was die Schulleitung sagt, war für mich damals ‚Okay, Finger weg, das ist nicht
deine Aufgabe’. Und heute würde ich, glaube ich, mehr auf den Tisch hauen
‚Hey, was lauft? Was ist das Ziel? Was ist meine Aufgabe?(Pause) Und was passiert?’
(Pause) Weil ich einfach inzwischen nicht mehr alles glaub, was die sagen.» (LP1_w_1)
•
«Heutzutage würde ich jetzt sagen, würde er halt nochmals eine Extrastunde mit dem IF,
mit dem Heilpädagogen bekommen, oder keine Ahnung, wo er wirklich betreut wird,
von der Sozialarbeit, weil ich war damals alleine. Ich hatte niemanden.» (LP1_w_1)
BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN
6. Beantwortung der Forschungsfragen
In diesem Kapitel werden die Forschungsfragen anhand der gewonnenen Ergebnisse beantwortet.
6.1 Forschungsfrage 1
Wie wird ein Schulabbruch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen erlebt?
Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage werden vor allem die Ergebnisse aus den Kapiteln 5.1.1
bis 5.1.7 für die Jugendlichen sowie 5.2.1 bis 5.2.5 im Bezug auf die Lehrpersonen zusammengefasst. Die
Dokumentation umfasst das Erleben der allgemeinen schulischen Laufbahn bis zum Moment des Schulausschlusses und bezieht auch Reaktionen von Eltern und Freuden mit ein. Zudem wird berücksichtig, was als
ausschlaggebenden Faktor genannt wurde, da dies oftmals auch zusammenhängend mit dem subjektiven
Erleben und der Wahrnehmung des Drop-Outs ist.
Die Berichte der Lehrpersonen sowie der Jugendlichen werden der Übersicht halber getrennt ausgewertet
und aufgeführt.
Abschliessend wird auf die anfangs gestellte Hypothese eingegangen:
Lehrpersonen nehmen einen Schulabbruch negativer wahr als die betroffenen Jugendlichen.
a) Berichte der Jugendlichen
Keiner der drei Jugendlichen berichtete, dass seine Schulzeit ausschliesslich positiv oder negativ war. Bei
allen gab es Abschnitte, die sie durchaus positiv in Erinnerung haben und sie gerne zur Schule gingen. Dieernst genommen, war der Schulbesuch keine Qual. Anders ging es ihnen, wenn sie sich von Lehrpersonen
unfair behandelt gefühlt oder den Eindruck hatte, dass man sie nicht respektiere. Diese negativen Gefühle
fanden auch ihn ihrem Verhalten Ausdruck. Einerseits wurde die Mitarbeit im Unterricht verweigert, andererseits wurden sie ausfällig gegenüber der Lehrkraft.
Die Phase kurz vor dem Schulausschluss wurde von den drei Jugendlichen sehr unterschiedlich erlebt.
Ein Knabe (J1_m_1) fühlte sich unfair behandelt. Er hatte den Eindruck, man wolle ihn möglichst schnell
abfertigen und loswerden. Für ihn war das Durchlaufen dieser Phase schlimm. Er war der Meinung, dass
man ihn nicht ernst nahm, nicht auf seine persönliche Situation einging und dass sich die Lehrpersonen
inklusive Schulleitung schon von Beginn an vorgenommen hatten, ihn möglichst schnell auszuschulen.
Auch den Besuch eines schulischen Time-Outs empfand er als kontraproduktiv. Er fühlte sich übergangen.
Die Mutter bestätigte, dass alle Entscheidungen in seinem Fall sehr schnell getroffen wurden und für sie
che keine Anschlusslösung hat und zur Zeit zu Hause ist, hat der Schulabbruch für ihn nur negative Seiten.
Die anderen beiden Jugendlichen berichten anderes. Während ein Knabe (J2_m_2) für alle Betroffenen
ziemlich unerwartet ausgeschult wurde, da er aufgrund eines Deliktes von der Polizei aufgegriffen und in
Untersuchungshaft genommen wurde, war der Schulausschluss beim Jugendlichen J3_m_2 absehbar. Beide
empfanden den Schulabbruch nicht als ausschliesslich negativ. Sie sagten, er war für sie wichtig, damit sie
BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN
den Ernst der Lage erkennen und aus diesem Fehler lernen konnten. Dass der Drop-Out in ihren Augen
nicht grundsätzlich schlecht ist, könnte auch damit zusammenhängen, dass beide Jugendlichen heute eine
Anschlusslösung gefunden haben (J3_m_2 absolviert eine Lehre als Heizungsinstallateur, J2_m_2 arbeitet
auf dem Bau als Gipser).
Den Interviews ist zu entnehmen, dass vor allem die Familien der betroffenen Jugendlichen diesen Einschnitt als negativ erlebten.
b) Berichte der Lehrpersonen
Wie auch die Jugendlichen erlebten die Lehrpersonen den Schulabbruch ihres damaligen Schülers unterschiedlich. Die Lehrkraft LP1_w_1 hat den Drop-Out als schlechte Erfahrung in Erinnerung. Dies kommt
daher, dass sie einerseits kaum in das Verfahren sowie die Entscheidung miteinbezogen wurde und andeden Eindruck hatte, den Schüler erreichen und im Zeichnen fördern zu können. Der Informationsaustausch
sowie die betroffene Klassenlehrperson kam der Entschluss überraschend und sie fühlten sich überrumpelt.
Im Nachhinein würde sie gerne einiges ändern, mehr für ihren Schüler einstehen und konkrete Informationen einfordern.
Die Lehrperson LP2_m_2 hingegen machte keine konkrete Aussage darüber, ob sie den Schulabbruch
das Recht verlieren, weiter in der öffentlichen Schule beschult zu werden. Schade sei es trotzdem, dass der
betroffene Jugendliche die Schule verlassen musste.
einen guten Draht zu diesem Schüler und förderte ihn, soweit es ihm möglich war. Auch stand er immer
letzte Phase auch noch mit ihm durchzustehen. Letztendlich musste er jedoch dem Druck des Teams nachgeben und den Entschluss, dass der Junge nicht mehr tragbar sei, akzeptieren.
Die Hypothese, dass Lehrpersonen einen Schulabbruch negativer wahrnehmen als die betroffenen Jugendlichen, kann nicht eindeutig bestätigt werden. Das Erleben und die Gefühle, die mit einem Schulabbruch
zusammenhängen, sind sehr individuell und von verschiedenen Faktoren abhängig. Man kann sagen, dass
nehmen können. Des Weiteren fällt es schwer, einen Schüler oder eine Schülerin gehen zu lassen, zu dem/
der man eine gute Beziehung hat oder sich erste Erfolgserlebnisse erkennen lassen.
BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN
6.2 Forschungsfrage 2
Wie erklären sich Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen einen Schulabbruch?
Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage sind vor allem die Kapitel 5.1.5 und 5.1.6 sowie 5.2.3 und 5.2.4
von Bedeutung. Die Hypothese zur oben genannten Fragestellung lautet:
Der ausschlaggebende Faktor für einen Schulabbruch ist die Beziehung
zwischen dem/der Jugendlichen und der Lehrperson.
Meist handelt es sich um eine Akkumulation von verschiedenen Ereignissen, die dazu führt, dass ein Schüler oder eine Schülerin von der Schule ausgeschlossen wird. Ein Tropfen also, der das Fass zum Überlaufen
bringt. Nur in seltenen Fällen lässt sich der Drop-Out auf ein einzelnes Ereignis zurückführen.
Bezüglich der Gründe, wieso es zum Ausschluss kam, konnte durch die Gespräche eine Vielzahl von
Erkenntnissen gewonnen werden. Den Interviews war zu entnehmen, dass es in allen Fällen zu einer Anhäufung verschiedener Faktoren kam, die sich negativ auf die Schullaufbahn der Jugendlichen auswirkten.
Zum einen waren dies individuelle Bedingungsfaktoren wie beispielsweise das Arbeits- und das Sozialverhalten der Jugendlichen in der Schule, Probleme im System Familie, aber auch institutionelle Faktoren wie
Probleme mit den Lehrpersonen oder Regelverstösse.
Zur übersichtlichen Darstellung werden die individuellen, die familiären sowie die institutionellen Bedingungsfaktoren getrennt ausgewertet.
Bei den individuellen Bedingungsfaktoren spielen vor allem das Sozial- sowie das Arbeitsverhalten eine
wichtige Rolle.
Sozialverhalten
Aufgrund der Aussagen kann festgehalten werden, dass die Jugendlichen sozial auffällig waren. Die Jugendlichen hatten einen wichtigen Status in der Klasse und waren sich ihrer Machtposition bewusst. Nicht
selten strebten sie aktiv danach, das Alphatier in der Klasse zu sein. Es wurde auch teilweise Gewalt
angewendet, um diese Rolle zu erlangen. Gegenüber den Lehrpersonen verhielten sie sich respektlos und
wurden ausfällig, sofern sie das Gefühl bekamen, man würde sie nicht ernst nehmen oder man behandle
sie unfair. Gegenseitige Achtung und Respekt sind die Grundlagen für eine funktionierende Beziehung
zwischen den Jugendlichen und den Lehrkräften. Das Sozialverhalten sowie die Umgangsformen hingen
stark von den einzelnen Lehrpersonen ab. Während sie sich bei einer Lehrperson, von der sie sich ernst
genommen und respektiert gefühlt haben, anständig verhielten, wurden sie bei Lehrkräften, die sie nicht
mochten, frech und provozierten stark. Alle drei Jugendlichen waren sich bewusst, dass sie sich teilweise
unangebracht verhielten und nannten dies als einen Grund, weshalb sie ausgeschult wurden. Aktiv etwas
an ihrem Verhalten wollten sie jedoch nicht ändern, da sie den Eindruck hatten, dass die Lehrpersonen sich
auch nicht ändern würden. Somit fühlten sie sich im Recht.
Ebenfalls nannten die Lehrpersonen Ausfälligkeiten und respektloses Verhalten gegenüber Lehrpersonen
als Gründe für den Schulausschluss. Wie auch die Schüler gaben sie an, dass das Sozialverhalten der Ju-
BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN
gendlichen stark von den Bezugspersonen abhängig war. Konnte eine positive Beziehung zum Schüler
aufgebaut werden, hielten sich auch die disziplinarischen Schwierigkeiten im Rahmen. Entstand keine oder
eine negativ geprägte Beziehung, eskalierte die Situation des Öfteren.
Arbeitsverhalten
Alle drei Jugendlichen gaben an, kaum Hausaufgaben zu machen und teilweise die Mitarbeit im Unterricht
verweigert zu haben. Einer der Jungen gab an, er sei nicht so der Typ gewesen, der Hausaufgaben gemacht
hätte (J2_m_2). Die Aussagen der Schüler stimmen auch mit den Berichten der Lehrpersonen überein.
Während der Schüler J3_m_2 je nach Lehrperson bewusst jegliche Mitarbeit verweigerte oder sich aktiv
beteiligte, verweigerte der Jugendliche J1_m_1 eigentlich jegliche Beteiligung am Unterrichtsgeschehen.
Das Arbeitsverhalten ist also genau wie das Sozialverhalten von der Beziehung zwischen der Lehrkraft und
den Schülerinnen und Schülern abhängig.
das Verhalten in der Schule, die Schulleistungen sowie den allgemeinen Schulerfolg hatte. Der betroffene
Jugendliche empfand seine familiäre Situation als so belastend, dass er an Schlafproblemen litt und sich
während dem Unterricht nicht konzentrieren konnte.
Auch im Bereich der institutionellen Bedingungsfaktoren sind verschiedene Faktoren für das Verhalten der
Jugendlichen und deren Lehrpersonen von Bedeutung. Hierzu gehören vor allem Probleme mit den Lehrpersonen sowie diverse Regelverstösse. Probleme mit den Lehrpersonen basierten auf mangelndem Respekt. Somit besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Beziehungsstruktur zwischen den Jugendlichen
und den Lehrpersonen und den Regelverstössen. Eine gute Beziehung vermindert also das regelwidrige
Verhalten der Schülerinnen und Schüler. Nebst Regelverstössen in der Schule kamen bei einem der Jugendlichen auch Auseinandersetzungen mit dem Gesetz dazu. Er wurde vermehrt von der Polizei aufgegriffen
und verhaftet. Auch die anderen beiden gaben an, schon Kontakt mit der Polizei gehabt zu haben. Wie
intensiv dieser Kontakt jedoch war, wurde aus ihren Angaben nicht ersichtlich. Zwei der drei Jugendlichen
blieben dem Unterricht fern. Teilweise haben sie am Morgen verschlafen oder schwänzten aktiv. Nur einer
der Knaben gab an, die Schule lückenlos besucht zu haben, ausser im Krankheitsfall.
Die Hypothese, der ausschlaggebende Faktor für einen Schulabbruch sei die Beziehung zwischen dem/der
Jugendlichen und der Lehrperson, kann insofern bestätigt werden, als dass sie ursächlich für das Verhalten
der Jugendlichen gegenüber ihrer Lehrkraft ist. Besteht eine gute Schüler-Lehrer-Beziehung, verhält sich
der Schüler angemessen und arbeitet mit. Ist die Beziehung schlecht, verweigert er die Mitarbeit, wird
ausfällig und provoziert. Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen betonten die Wichtigkeit dieser
funktionierenden Beziehung.
BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN
6.3 Forschungsfrage 3
Entsprechen die Jugendlichen den Drop-Out-Typologien von Stamm?
Wenn ja, wo liegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
Zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage muss auf alle Interviews Bezug genommen werden. Nur so
kann ein differenziertes Bild des betreffenden Jugendlichen entstehen. Anschliessend wird dieses Bild mit
den Drop-Out-Typologien von Stamm (2012) verglichen und die daraus folgenden Ergebnisse dokumentiert.
Folgende Hypothese ist dabei leitend:
Die drei Jugendlichen sind eindeutig den von Stamm festgelegten Typologien zuzuordnen.
Stamm (2012) entwickelte aufgrund ihrer Ergebnisse fünf Typen von Schulabbrechern: Schulmüde, Gemobbte, familiär Belastete, Delinquente und Hänger (vgl. Stamm in Ricking/Schulze 2012, S. 110f sowie
Theorieteil Kapitel 2.3.4). Der Übersicht halber werden die Übereinstimmungen der drei Probanden mit
den einzelnen Typologien aufgezeigt und anschliessend diskutiert.
a) Jugendlicher 1 (J1_m_1)
Im Folgenden wird in einer tabellarischen Übersicht dargestellt, ob und mit welchen der von Stamm entwickelten Typologien eine Übereinstimmung besteht.
Typologie
Schulmüde
Übereinstimmung
•
ausgeprägte Schulmüdigkeit
•
negative Schüler-Lehrer-Beziehung
•
schulaversives Verhalten aufgrund
hoher Belastung
•
Schulabbruch wird erwartet oder
Übereinstimmung vorhanden
•
Gemobbte
•
wird gehänselt, Mobbingopfer
•
Ausgrenzung, Angstzustände,
persönliche Motivationsprobleme
•
brechen Schule meist eigeninitiiert und
mit Unterstützung der Eltern ab
•
ausgeprägte familiäre Probleme haben
starke psychische Auswirkungen,
welche den Schulerfolg beeinträchtigen/
verunmöglichen
Familiär Belastete
•
Schulabbruch/Fremdplatzierung
geschieht durch Fachperson
Keine Übereinstimmung
Partielle Übereinstimmung
BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN
Fortsetzung
Typologie
Delinquente
Hänger
Übereinstimmung
•
abweichendes Verhalten
•
hohes Aggressionspotential
•
Konsum und Verkauf illegaler Drogen,
Körperverletzung und Diebstahl
•
Unterrichtsstörung, Disziplinprobleme,
Schulschwänzen, Schlägereien sowie Respektlosigkeiten gegenüber Erwachsenen
•
Schwänzen, verbringen Zeit lieber
ausserhalb der Schule
•
konsumieren Cannabis und Alkohol
•
beliebt bei den Peers, nicht selten
Anführer einer Clique
•
Abbruchsentscheidung/Time-Out
wird durch Schule initiiert
Kaum Übereinstimmung
Partielle Übereinstimmung
Tabelle 8: Übereinstimmung Typologien J1_m_1
Der Jugendliche J1_m_1 weist am meisten Gemeinsamkeiten mit dem Typus des Schulmüden auf. Ebenfalls sind partielle Übereinstimmungen mit den Kategorien familiär Belastete und Hänger festzustellen.
Eine eindeutige Zuteilung kann jedoch nicht gemacht werden.
b) Jugendlicher 2 (J2_m_2)
Nachfolgend wird in einer tabellarischen Übersicht dargestellt, ob und mit welchen Typologien eine Übereinstimmung besteht.
Typologie
Schulmüde
Übereinstimmung
•
ausgeprägte Schulmüdigkeit
•
negative Schüler-Lehrer-Beziehung
•
schulaversives Verhalten aufgrund
hoher Belastung
•
Schulabbruch wird erwartet oder
Keine Übereinstimmung
•
Gemobbte
•
wird gehänselt, Mobbingopfer
•
Ausgrenzung, Angstzustände,
persönliche Motivationsprobleme
•
brechen Schule meist eigeninitiiert und
mit Unterstützung der Eltern ab
•
ausgeprägte familiäre Probleme haben
starke psychische Auswirkungen, welche
den Schulerfolg beeinträchtigen/verunmöglichen
Familiär Belastete
•
Schulabbruch/Fremdplatzierung
geschieht durch Fachperson
Keine Übereinstimmung
Keine Übereinstimmung
BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN
Fortsetzung
Typologie
Delinquente
Hänger
Übereinstimmung
•
abweichendes Verhalten
•
hohes Aggressionspotential
•
Konsum und Verkauf illegaler Drogen,
Körperverletzung und Diebstahl
•
Unterrichtsstörung, Disziplinprobleme,
Schulschwänzen, Schlägereien und Respektlosigkeiten gegenüber Erwachsenen
•
Schwänzen, verbringen Zeit lieber
ausserhalb der Schule
•
konsumieren Cannabis und Alkohol
•
beliebt bei den Peers, nicht selten
Anführer einer Clique
•
Abbruchsentscheidung/Time-Out
wird durch Schule initiiert
Übereinstimmung vorhanden
Keine Übereinstimmung
Tabelle 9: Übereinstimmung Typologien J2_m_2
Der Jugendliche J2_m_2 kann dem Typus des Delinquenten zugeteilt werden. Hier sind eindeutig am meisten Gemeinsamkeiten zu erkennen.
c) Jugendlicher 3 (J3_m_2)
Die Gemeinsamkeiten mit den Typen der Drop-Out-Typologie von Stamm (2012) werden anhand der untenstehenden Tabelle aufgezeigt.
Typologie
Schulmüde
Übereinstimmung
•
ausgeprägte Schulmüdigkeit
•
negative Schüler-Lehrer-Beziehung
•
schulaversives Verhalten aufgrund
hoher Belastung
•
Schulabbruch wird erwartet oder
Übereinstimmung vorhanden
•
Gemobbte
•
wird gehänselt, Mobbingopfer
•
Ausgrenzung, Angstzustände,
persönliche Motivationsprobleme
•
brechen Schule meist eigeninitiiert und
mit Unterstützung der Eltern ab
•
ausgeprägte familiäre Probleme haben
starke psychische Auswirkungen, welche
den Schulerfolg beeinträchtigen/verunmöglichen
Familiär Belastete
•
Schulabbruch/Fremdplatzierung
geschieht durch Fachperson
Keine Übereinstimmung
Keine Übereinstimmung
BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN
Fortsetzung
Typologie
Delinquente
Hänger
Übereinstimmung
•
abweichendes Verhalten
•
hohes Aggressionspotential
•
Konsum und Verkauf illegaler Drogen,
Körperverletzung und Diebstahl
•
Unterrichtsstörung, Disziplinprobleme,
Schulschwänzen, Schlägereien und Respektlosigkeiten gegenüber Erwachsenen
•
Schwänzen, verbringen Zeit lieber
ausserhalb der Schule
•
konsumieren Cannabis und Alkohol
•
beliebt bei den Peers, nicht selten
Anführer einer Clique
•
Abbruchsentscheidung/Time-Out
wird durch Schule initiiert
partielle Übereinstimmung
partielle Übereinstimmung
Tabelle 10: Übereinstimmung Typologien J3_m_2
Auf den Jugendlichen J3_m_2 trifft der Typus des Schulmüden am ehesten zu. Jedoch sind auch Parallelen zu den Delinquenten und den Hängern erkennbar. Eine eindeutige Zuteilung kann in diesem Fall nicht
vorgenommen werden.
Wie oben ersichtlich kann die Hypothese, dass drei Probanden eindeutig den von Stamm festgelegten Typologien zuzuordnen sind, nicht bestätigt werden. Während zwar in einem Fall eine eindeutige Zuordnung
möglich war, bestehen bei den beiden anderen Probanden Parallelen zu mehreren Typen, was eine eindeutige Einteilung unmöglich macht.
DISKUSSION
Innerhalb dieses Kapitels werden die Ergebnisse der Forschung mit der Theorie verknüpft und interpretiert.
Anschliessend soll ein Ausblick auf die Weiterführung dieser Arbeit gegeben werden.
7.1 Ursachenzuschreibung
Sucht man nach den Gründen für schulabsentes Verhalten und Drop-Out, muss man von einem Bedingungskomplex ausgehen, der aus vielen verschiedenen Komponenten zusammengesetzt ist. Nach Stamm et
al. (2009) gehören die allgemeine schulische Sozialisation, die Beziehungsstruktur sowie die individuellen
Schüler- und Familienmerkmale zu diesem Bedingungsgefüge. Weiter muss man beachten, dass es so etwas
wie den typischen Schulschwänzer/die typische Schulschwänzerin oder den typischen Schulabbrecher/die
typische Schulabbrecherin nicht gibt (vgl. Ricking, 2003). Die folgenden Ergebnisse sind also nicht absolut
geltend, sondern Resultate einer qualitativen Vorgehensweise und basieren auf Interviews mit drei Jugendlichen sowie drei Lehrpersonen.
In Bezug auf die individuellen Bedingungsfaktoren hat sich gezeigt, dass die einzelnen Faktoren wie das
Verhalten der Jugendlichen haben. Während bei einem der Jugendlichen instabile Familienverhältnisse ein
wichtiger Grund für seine schulischen Misserfolge waren, spielte diese Variable bei den anderen beiden
kaum eine Rolle oder wurde von ihnen zumindest nicht als ursächlich für ihr Verhalten erachtet. In seinem
Fall empfand der eine Jugendliche die Probleme innerhalb der Familie als so belastend, dass er sich nicht
mehr auf seine schulischen Aufgaben konzentrieren konnte. Durch die psychische Belastung verbrachte er
kaum mehr Zeit zu Hause, was dazu führte, dass er immer erst sehr spät ins Bett ging. Dieses Verhalten
ten aufzustehen und pünktlich in der Schule zu erscheinen. Als Folge seiner Übermüdung war er schnell
reizbar und konnte sich kaum bis gar nicht konzentrieren. Auch schlief er immer wieder während dem
Die Lehrpersonen hingegen waren in zwei von drei Fällen der Ansicht, dass die familiäre Situation ebenDie Mütter der beiden Jugendlichen sind beide alleinerziehend und schienen laut Aussagen der Lehrpersonen mit der Situation ihrer pubertierenden Söhne überfordert zu sein. Die Annahme, dass schwierige
oder inkonstante Familienverhältnisse ursächlich für ein schulverweigerndes oder schulaversives Verhalten
sind, bejaht auch Bührmann (2009). Unter den von ihm genannten Bedingungsfaktoren spielen besonders
die unsteten Wohnverhältnisse sowie die familiäre Zerrüttung eine wichtige Rolle. Lediglich einer der drei
Probanden hat eine intakte Familie.
Als einen weiteren wichtigen Faktor für Drop-Out sieht Stamm (2012) den sozio-ökonomischen Hintergrund der Familien. Vor allem in ihrer sozialen Herkunft würden sich Drop-Outs von den Gleichaltrigen
unterscheiden: Schulabbrecher sind zwar in allen sozialen Schichten vertreten, so stammen jedoch die
meisten schulabbrechenden Jugendlichen aus Elternhäusern, die dem Arbeitermilieu angehören, über eine
tiefe Schulbildung verfügen oder deren Eltern arbeitslos sind (vgl. Stamm, 2012, S. 39). Dieses Forschungsergebnis von Stamm (20012) stimmt mehrheitlich mit den drei Probanden überein, welche im Rahmen
dieser Arbeit befragt wurden. Zwei der drei Familien sind Familien, in denen die Eltern über eine tiefe
Schulbildung verfügen. Lediglich in einem Fall hat die Mutter ein Studium absolviert und arbeitet als Italienischlehrerin.
DISKUSSION
Gemeinsam ist ihnen, dass alle Probanden eine schulische Laufbahn aufweisen, die von Schulversagenserlebnissen geprägt ist. Diese Charakteristik zeigen auch Ricking et al. (2009) auf. Sie besagen, dass viele
der Jugendlichen, welche die Schule vorzeitig verlassen, Merkmale von Schulaversion und Schuldistanz
haben. Weiter haben alle drei Jugendlichen mindestens einmal während der Oberstufe das Schulhaus gewechselt. Während zwei von ihnen von einer Regelschule in eine Kleinklasse wechseln mussten (J2_m_2,
J3_m_2), erfolgte beim anderen Schüler der Übertritt aus einer Privatschule in eine Regelschule (J1_m_1).
Weiter waren allen drei Fällen die schlecht ausfallenden schulischen Leistungen gemein. Auch hatten sie
viele Einträge aufgrund der nicht gemachten oder vergessenen Hausaufgaben. Die Jugendlichen gaben alle
an, kaum Hausaufgaben gemacht oder auf Prüfungen gelernt zu haben. Wieso sie dies so machten, haben
sie nicht erklärt. Lediglich einer sagte, dass er einfach nicht so der Typ dazu gewesen wäre. Heute würde
ihn aber interessieren, zu welchen schulischen Leistungen er fähig gewesen wäre, hätte er etwas gelernt.
Es ist anzunehmen, dass das Selbstkonzept der Jugendlichen nicht auf dem Schulerfolg basiert, sondern
anhand von anderen Kriterien gebildet wird.
Nicht bestätigt werden kann, dass die Peers in den drei Fällen verstärkend auf das schulabsente Verhalten
der Jugendlichen gewirkt haben, wie dies Stamm (2008) aufzeigt. Nach Stamm (2008) haben schulfeindlich
eingestellte Schülerinnen und Schüler eine verstärkende Wirkung auf schulabsentes Verhalten und sie können sich gegenseitig zu Fehlverhalten motivieren. In den Interviews jedoch gaben die Jugendlichen an, dass
sich ihr Freundeskreis erst nach dem Schulausschluss stark verändert habe. Während die Freunde aus der
ehemaligen Klasse weiter täglich die Schule besuchten, verbrachten sie hingegen die Zeit mit arbeitslosen
Bekannten. So verschob sich der Freundeskreis und man passte sich dem Alltag sowie der Lebensweise der
«neuen Freunde» an. Die «alten Freunde» besuchten weiterhin die Schule und waren somit nicht verfügbar.
Demzufolge musste die neue Freizeit anderweitig und mit anderen Personen gefüllt werden. Die Aussage
von Stamm (2008), es sei schwierig zu sagen und sehr individuell, welche Rolle die Peers im Bezug auf
schulaversives Verhalten genau einnehmen, kann bestätigt werden. Je nach dem, im welchen Kreisen sie
sich bewegen und welches Selbstkonzept sie haben, verhalten sich die Jugendlichen anders.
In keinem der Fälle war die Angst vor Mitschülerinnen und Mitschülern ein Grund für ihr ablehnendes
Verhalten. Sie alle hatten einen angesehenen Status in der Klasse, waren sich ihrer Machtposition bewusst
und nutzten diese gezielt aus.
So
gang mit Regeln, die Lehrpläne, das Verhalten der Lehrperson sowie die Schüler-Lehrer-Beziehung wichtige Grössen dafür sind (zit. nach Ricking, 2006, S.77). Da Jugendliche, welche aus der Schule ausgeschlossen wurden, oft auch schulabsente Verhaltensweisen aufweisen, kann angenommen werden, dass die von
Sommer eruierten Faktoren im Bereich des Drop-Outs ebenfalls zum Tragen kommen.
Probleme mit schulaversiven Schülerinnen und Schülern haben als Schulen mit weniger anspruchsvollen
ben überein. Alle drei Knaben besuchten eine Klasse des Niveau B, was im Kanton Zürich dem weniger
In der Forschung wird vermehrt darauf hingewiesen, dass Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher anSchulze, 2012). Diese Aussage kann anhand der durchgeführten Untersuchung nur teilweise bestätigt werden. Einer der drei Jungen gab an, die Schule bewusst geschwänzt zu haben, um Spass in der Freizeit zu
haben und die Zeit mit seinen Freunden zu verbringen (J3_m_2). Auch nutzte er sein Arztzeugnis aus, um
DISKUSSION
dem Unterricht fern bleiben zu können, obwohl er eigentlich gesundheitlich im Stande gewesen wäre, die
Schule zu besuchen. Ein anderer Jugendlicher schwänzte laut Angaben der Lehrperson. Sie sagte, es wäre
bekannt gewesen, dass er schwänze. Er selber machte jedoch keine eindeutige Aussage zu diesem Thema.
Er sagte lediglich, dass er morgens oft zu müde gewesen sei, um pünktlich zum Unterricht zu erscheinen.
Nur einer der drei gab an, nie geschwänzt zu haben. Er sei nur zu Hause geblieben, wenn er auch ernsthaft
krank gewesen sei. Gründe für seinen regelmässigen Schulbesuch könnte die gute Beziehung zu seiner
Klasse und seinen Freunden gewesen sein.
Stamm et al. (2009) weisen darauf hin, dass die Zahl der schulabsenten Schülerinnen und Schüler an Schulen, in denen eine enge Beziehung zwischen den Lehrpersonen und den Jugendlichen besteht, tendenziell
tiefer ausfällt. Wenn sich die Schülerinnen und Schüler von ihren Lehrkräften ernst genommen fühlen und
die Beziehung auf gegenseitiger Wertschätzung basiert, gehen sie lieber zur Schule und schwänzen weniger
(vgl. Stamm, 2008, S.100f und Schreiber-Kittl/Schröpfer, 2002, S. 144f). Dies bestätigten auch die interviewten Jugendlichen. Sie gaben an, sich im Unterricht angemessen verhalten und mitgearbeitet zu haben,
sofern die Beziehung zur Lehrperson positiv war und sie sich ernst genommen fühlten. Hatte die Lehrkraft
keinen Respekt vor ihnen, brachten sie ihr auch keinen Respekt entgegen und die Situation eskalierte des
Öfteren. Dies trifft auch auf die generelle Mitarbeit im Unterricht zu.
Auch die Lehrpersonen gaben an, dass eine funktionierende Schüler-Lehrer-Beziehung grundlegend für den
schulischen Erfolg sei. Man müsse den Jugendlichen grundsätzlich wohlwollend gegenüber treten und sie
unterstützen, ihnen aber auch klare Grenzen aufzeigen und sie angemessene Konsequenzen für Fehlverhalten spüren lassen. Tut man dies nicht, ist eine produktive Zusammenarbeit nur schwer möglich. Besonders
hinderlich sei, wenn man den Jugendlichen mit Verachtung gegenüber trete. Fühlen sich die Jugendlichen
tendieren in einzelnen Fällen auch zu einem Meidungsverhalten. Die Schüler-Lehrer-Beziehung hat also
positive Verhalten der Jugendlichen verstärkt werden soll, damit dadurch die Motivation gesteigert werden
kann. In einem guten Klima ist es für die Jugendlicher einfacher, die von ihnen erwarteten Leistungen zu
erbringen, sei es im schulischen oder im sozialen Bereich.
Fazit
Anhand der Untersuchung konnte aufgezeigt werden, dass sowohl individuelle als auch institutionelle Faktoren ausschlaggebend für einen Schulausschluss sind. Zu beachten gilt, dass die Bedeutung der einzelnen
Grössen je nach Individuum sehr variieren. Während beispielsweise die familiäre Situation bei einem der
eine Rolle. Weiter ist es wichtig zu beachten, dass Drop-Out ein Phänomen ist, dem unterschiedliche Ursachen zu Grunde liegen und deshalb eine differenzierte Betrachtungsweise unabdingbar ist. Die Beziehung
zwischen den Jugendlichen und den Lehrkräften ist ausschlaggebend für den Schulerfolg.
7.2 Drop-Out-Typologien
Mit Hilfe der Langzeitstudie «Die Zukunft verlieren? Schulabbrecher in unserem Bildungssystem» hat
Stamm (2012) eine Drop-Out-Typologie entwickelt, der Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher zugeteilt
werden können. Es entstanden fünf Typen von Drop-Outs: Schulmüde, Gemobbte, familiär Belastete, DeJugendlichen innerhalb eines Typus sind.
Aus den Ergebnissen von Stamm scheint ableitbar zu sein, dass sich Schulabbrecherinnen und Schulabder Untersuchung hat sich jedoch herausgestellt, dass sich die Jugendlichen kaum eindeutig einem solchen
DISKUSSION
Typus zuschreiben lassen. Sie weisen oftmals verschiedene Merkmale auf, was zu Überschneidungen innerhalb der verschiedenen Kategorien führt. Der Jugendliche J1_m_1 beispielsweise weist am meisten
Übereinstimmungen mit dem Typus des Schulmüden auf, denn es lässt sich in seinem Fall eine ausgeprägte
Schulmüdigkeit erkennen. Auch hat er eine negative Beziehung zur Lehrperson. Die entstehende hohe
Belastung führt bei ihm zu einem schulaversiven Verhalten. Gleichzeitig sind aber auch Merkmale des familiär Belasteten sowie des Hängers erkennbar, da er einerseits ausgeprägte familiäre Probleme hat, welche
starke psychische Auswirkungen auf seinen Schulerfolg haben, und andererseits aktiv die Schule schwänzt.
Das Time-Out sowie die Abbruchsentscheidung wurden durch die Schule initiiert.
Auch im Falle des Jugendlichen J3_m_2 kommt es zu Mehrfachnennungen. Er weist partielle Übereinstimmungen mit den Typen der Delinquenten sowie der Hänger auf. Zum einen legt er ein abweichendes
Verhalten an den Tag, verfügt über ein hohes Aggressionspotential und ist in Unterrichtsstörungen, Disziplinprobleme, Schlägereien sowie Respektlosigkeiten gegenüber Erwachsenen verwickelt. Auch kommt es
zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, wie seine Äusserungen vermuten lassen. Ebenfalls schwänzt er
die Schule, konsumiert Cannabis und Alkohol. Zudem ist er bei den Peers beliebt und gilt in ihren Augen
als Anführer. Weitere Gemeinsamkeiten weist er zudem mit dem Typus der Schulmüden auf. In seinem Fall
wurden die Schulwechsel sowie der Abbruchsentscheid durch die Schule eingeleitet.
Am eindeutigsten scheint die Zuteilung im Falle des Jugendlichen J2_m_2. Er kann ziemlich deutlich
dem Typus der Delinquenten zugewiesen werden. Er zeigt ein hohes Aggressionspotential, Disziplinprobleme, stört den Unterricht, ist in Schlägereien verwickelt und verhält sich respektlos gegenüber gewissen
beschriebenen Typologie ist, dass er den Unterricht nicht schwänzt, sondern ihn nach seinen Angaben
regelmässig besucht hat. Er gab an, nie die Schule geschwänzt zu haben. Der Abbruchsentscheid wurde
Untersuchungshaft genommen wurde.
Diese drei Beispiele zeigen auf, dass Drop-Out ein Phänomen ist, dem unterschiedliche Ursachen zu Grunde liegen und diese sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Deshalb ist eine differenzierte Betrachtungsweise notwendig. Jeder einzelne Fall muss folglich genau betrachtet werden. Eine qualitative Betrachtungsweise ist in diesem Zusammenhang von Nöten.
Fazit
Die von Stamm (2012) entwickelten Typologien sind zutreffend und auf die Stichproben anwendbar. Jedoch
lassen sich die Jugendlichen nicht eindeutig den Beschreibungen zuordnen und es kommt zu Überschneidungen mit mehreren Typen. Dies verdeutlicht die Vielschichtigkeit des Phänomens Drop-Out sowie die
Individualität der Erzählungen der einzelnen Jugendlichen. Multiproblemlagen auf Seiten der Jugendlichen
Probleme nicht gelöst werden können. Weiter wird bestätigt, dass individuelle sowie institutionelle Fakto-
SCHLUSSBETRACHTUNG
8. Schlussbetrachtung
formulierten Ziele erreicht worden sind, welche Erkenntnisse daraus gewonnen wurden und welche Bedeutung diese für die Tätigkeit als Lehrperson haben. Im letzten Abschnitt werden die Grenzen der Arbeit
aufgezeigt und ein Ausblick auf eine mögliche Weiterführung gegeben.
Ziel der Arbeit
Ziel dieser Arbeit war es, zu erfahren, wie Jugendliche und Lehrpersonen einen Schulabbruch erleben. Der
Fokus lag dabei auf der subjektiven Wahrnehmung der einzelnen Personen. In diesem Zusammenhang kam
auch die Frage auf, worin sie die Bedingungsfaktoren für den Schulausschluss sehen. Um Antworten auf diese
anderen anhand der qualitativen Inhaltsanalyse weitere Erkenntnisse gewonnen. Durch offene Gespräche mit
drei Jugendlichen sowie drei Lehrpersonen konnten viele Informationen gewonnen werden. Diese konnten
anschliessend mit der aktuellen Theorie verknüpft und diskutiert werden. Die Bedingungsfaktoren für einen
Schulausschluss wurden in individuelle und institutionelle Faktoren unterteilt. Somit wurde deutlich, dass es
sich um einen multikausalen Bedingungskomplex handelt. Das Ziel, durch qualitative Interviews Informationen über das Erleben eines Drop-Outs sowie Erklärungen zu erhalten, ist somit erfüllt.
Während dem Verfassen des Theorieteils stiess ich auf die Drop-Out-Typologien von Stamm. In diesem
Zusammenhang wurde die Forschungsfrage ausgeweitet. In einem weiteren Schritt sollte nun analysiert werden, ob die drei Probanden mit den Typologien übereinstimmen oder ob sich Unterschiede erkennen lassen.
Zu Beginn der Arbeit wurde davon ausgegangen, dass die Gründe für einen Schulausschluss einerseits bei
den Schülerinnen und Schülern selbst, aber andererseits auch bei der Institution Schule liegen. Jugendliche
Schulabbrecher begründen ihr Verhalten anhand verschiedener Faktoren. In den meisten Fällen stimmen
diese mit den Ansichten der jeweiligen Lehrperson überein. Teilweise waren aber auch Abweichungen erkennbar oder die Gründe wurden unterschiedlich gewichtet. Durch die Interviews wurde ersichtlich, wie
unterschiedlich ein Schulabbruch erlebt und erklärt werden kann. Dies verdeutlicht, dass das Phänomen des
schulischen Drop-Outs aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden muss. Nebst den individuellen und den institutionellen Faktoren spielen auch die familiäre Situation eine Rolle.
Des Weitern wurde deutlich, wie wichtig eine funktionierende Schüler-Lehrer-Beziehung ist. Sie ist die
Basis für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Vor allem gegenseitiger Respekt und Achtung sind
grundlegend. Fühlen sich die Jugendlichen unfair behandelt, nicht respektiert oder missachtet, verweigern
sie die Mitarbeit im Unterricht und verlieren ebenfalls den Respekt gegenüber der betreffenden Lehrkraft.
Innerhalb der Arbeit konnte aufgezeigt werden, wie unterschiedlich ein Schulausschluss ablaufen kann,
wenngleich die Ausgangslagen sehr ähnlich sind. Anfangs wurde angenommen, dass einem Schulabbruch
eine klare Abfolge von Vorfällen zu Grunde liegen muss, bis ein Schüler oder eine Schülerin von der Schule
ausgeschlossen wird. Die Interviews belegen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Bei jedem der drei Jugendlichen wurde unterschiedlich vorgegangen.
Für die zukünftige Tätigkeit als Lehrperson ist es wichtig, für die Problematik des Drop-Outs sensibilisiert
zu sein. Man sollte sich bewusst sein, dass ein Schulausschluss ein sehr einschneidendes und wegweisendes
Erlebnis für einen/eine Jugendlichen sein kann. Zudem hat man als Lehrperson eine Verantwortung gegenüber den Schülerinnen und Schülern. Man sollte fähig sein, den Jugendlichen mit Respekt und Achtung
gegenüber zu treten und eine wohlwollende Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Die Beziehungsfähigkeit ist
grundlegend für den schulischen Erfolg. Wichtig ist auch, den Jugendlichen klare Grenzen aufzuzeigen und
sie angemessene Konsequenzen bei Fehlverhalten spüren zu lassen.
SCHLUSSBETRACHTUNG
Grenzen der Arbeit
Die Grenzen dieser Arbeit sind deutlich erkennbar. Zum einen ist die Stichprobe von drei Jugendlichen
sowie drei Lehrpersonen relativ klein, was die Aussagekraft erheblich einschränkt. Zum anderen wurde die
Arbeit alleine verfasst, weshalb die Interpretation und die Analyse der Aussagen subjektiv geprägt sind. Die
Ergebnisse sind somit nicht repräsentativ. Weiter wurden nur Knaben befragt. Der Grund dafür ist, dass es
einem Interview über ihre Erlebnisse zu berichten. Weiter wurden aus den Aussagen der Probanden allgemeingültige Schlüsse gezogen, welche aufgrund der Subjektivität verfälscht sein könnten. Es wäre demnach
wichtig, in einem weitern Schritt die Umfrage auf beide Geschlechter auszuweiten und in einem Team zu
diskutieren.
Das Thema des schulischen Drop-Outs würde sich für weitere Forschung sehr gut eignen. Die zur Verfügung stehende Literatur ist beschränkt, obwohl es ein Thema ist, das für das Bildungssystem von zentraler
Bedeutung sein sollte. Demzufolge wäre es sinnvoll und erwünscht, diesen Gegenstand weiter zu verfolgen, um wichtige Erkenntnisse zu gewinnen. Es sollte ein zentrales Anliegen der Schule sein, die Zahl der
schulabbrechenden Jugendlichen so weit möglich zu reduzieren. Um dies zu gewährleisten, sind weitere
Informationen bezüglich der Bedingungsfaktoren des Drop-Outs sowie Gelingensfaktoren für den Schulerfolg nötig. In einer weiteren Arbeit könnte der Fokus auf die Elemente gelegt werden, die es aus Sicht
grössen der Institution Schule sowie von Lehrkräften betrachtet werden, da auf individuelle Faktoren sowie
QUELLEN
9. Literaturverzeichnis
Buchquellen
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Dölle, Monika: Der Weg zurück zur Schule. Schulverweigerung als Herausforderung für Berufsbildende
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Flick, Uwe, Von Karderoff, Ernst & Steinke, Ines: Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei
Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2000
Gentner, Corina: Null Bock auf Schule?: Schulmüdigkeit und Schulverweigerung aus Sicht der Wissenschaft und Praxis. Münster : Waxmann 2006
Helfferich, Cornelia: Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Inter-
Herz, Birgit, Puhr, Kirsten, Ricking, Heinrich: Problem Schulabsentismus : Wege zurück in die Schule.
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Barth, Gernot: Jugendliche in Krisen: über den pädagogischen Umgang mit Schulverweigerern. Baltmannsweiler : Schneider Verlag Hohengehren 2005
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Lamnek, Siegfried:
2010
Bührmann, Thorsten: Erfolgreicher Umgang mit schulmüden Jugendlichen und Schulverweigerern : Forschungsergebnisse und Empfehlungen für die schulische und sozialpädagogische Praxis. Paderborn : InVia-Verlag 2009
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Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 11. aktualisierte und überarbei-
Mayring, Philipp:
scher Studien Verlag 2000
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Stamm, Margrit: Schulabbrecher in unserem Bildungssystem. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2012
Stamm, Margrit: Die Psychologie des Schulschwänzens: Rat für Eltern, Lehrer und Bildungspolitiker.
Bern: Verlag Hans Huber 2008
Stamm, Margrit, Ruckdäschl, Christine, Templer, Franziska, Niederhauser, Michael: Schulabsentismus. Ein Phänomen, seine Bedingungen und Folgen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009
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Internetquelle:
Berner Zeitung: http://www.bernerzeitung.ch/28759449/print.html, zuletzt eingesehen: 22.11.2014
-
ANHANG
10. Anhang
Schulkarriere allgemein
Verhältnis zu Lehrpersonen
Peergroup
Freizeit/ausserschulische Aktivitäten
Bedingungsfaktoren für den
Schulausschluss
Ausschlaggebender Faktor
für den Dropout
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
Kategorien
Rolle in der Klasse
Freunde/Aktivitäten der Freunde
Alter/Umfeld
Drogen
Kriminalität
Drogen
Schwänzen
Hausaufgaben
Arbeitsverhalten allgemein
Sozialverhalten
-
Wie war dein Verhältnis zu den
Mitschülern?
Wie kam es schlussendlich dazu,
dass du die Schule verlassen
musstest?
Was machst du in deiner Freizeit?
Was hast du damals in deiner
Freizeit gemacht?
Was hat dazu geführt, dass du von
der Schule ausgeschlossen wurdest?
Wie war dein Verhältnis zu den
Lehrpersonen?
-
Versuche deine Schulkarriere zusammenzufassen? Was ist bis jetzt
alles passiert?
Primarschulzeit
Mittelschulzeit
Übergang Sek Schulwechsel
Zwischenfälle
Time-Out
Verschiedene Lehrpersonen
KLP/FLP
Kernpunkte
Konkrete Fragen
Leitfadeninterview Jugendliche
A Leitfadeninterview Jugendliche
-
-
-
-
-
-
-
-
Hast du geschwänzt?
Hast du Hausaufgaben gemacht?
Denkst du, jemand ist Schuld
daran, dass es soweit gekommen
ist?
Was war es, dass das Fass zum
überlaufen gebracht hat?
Kiffst du/Hast du gekifft/Drogen
genommen?
War dein Verhältnis zu allen
gleich?
Mochtest du gewisse LPs
mehr/weniger?
Beispiele nennen
Was machen deine Freunde?
Gehen sie noch zur Schule?
Wie war es damals in der Primarschule?
Gingst du gerne zur Schule?
Steuerungsfragen
ANHANG
Situation heute
Bedingungsfaktoren für ein
positives Gelingen
X.
Situation nach dem Schulausschluss
VIII.
IX.
Umgang und Reaktion der
Eltern und Freunde
VII.
MASTERARBEIT PHZH – DROP-OUT
-
Beschreibe deine derzeitige Situation
Wenn du die Zeit zurückdrehen
könntest, was würdest du anders
machen?
87
-
Was hast du nach dem Schulausschluss gemacht?
Was hättest du gebraucht, dass es
nicht soweit gekommen wäre?
-
Wie waren die Reaktionen?
Lehre/Arbeit/Anschlussmöglichkeit
Zwischenzeitlich
Tagesablauf
Familie
Freunde
JOHANNA JOHN
-
-
Was hast du den ganzen Tag
gemacht?
Beschreibe einen Tagesablauf
Was machst du heute?
ANHANG
Schulkarriere allgemein
Verhältnis zu Lehrpersonen
Peergroup
Bedingungsfaktoren für den
Schulausschluss
Ausschlaggebender Faktor
für den Dropout
Umgang und Reaktion der
Eltern
Situation heute
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
Kategorien
-
Wie war sein Verhältnis zu Ihnen?
Wie war sein Verhältnis zu den
anderen Lehrpersonen?
Wie war sein Verhältnis zu den
Mitschülern?
-
Wissen Sie etwas über die aktuelle
Situation von XY?
88
-
Wie waren die Reaktionen?
Wie kam es schlussendlich dazu,
dass XY die Schule verlassen
musste?
Was hat dazu geführt, dass XY
von der Schule ausgeschlossen
wurde?
-
Versuchen Sie die Schulkarriere
von XY zusammenzufassen
-
-
-
-
Besteht noch Kontakt?
Was war es, dass das Fass zum
überlaufen gebracht hat?
Hat er geschwänzt?
Hat er Hausaufgaben gemacht?
Hatte er sein Material etc. dabei?
Beispiele nennen
War sein Verhältnis zu allen
gleich?
Steuerungsfragen
Lehre/Arbeit/Anschlussmöglichkeit Kontakt
Kontakt zur Familie
Rolle in der Klasse
Alter/Umfeld
Drogen
Schwänzen
Hausaufgaben
Arbeitsverhalten allgemein
Sozialverhalten
Pünktlichkeit
Verschiedene Lehrpersonen
KLP/FLP
Schulwechsel
Zwischenfälle
Time-Out
Kernpunkte
Konkrete Fragen
Leitfadeninterview Lehrpersonen
B Leitfadeninterview Lehrpersonen
ANHANG
VIII.
Bedingungsfaktoren für ein
positives Gelingen
MASTERARBEIT PHZH – DROP-OUT
Wenn Sie die Zeit zurückdrehen
könnten, was würden Sie anders
machen?
Was hätte es gebraucht, dass es
nicht soweit gekommen wäre?
89
JOHANNA JOHN
ANHANG
Urheberschaftsbestätigung
Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass die vorliegende Arbeit von mir eigenständig verfasst wurde und
keine anderen als die von mir angegebenen Hilfsmittel verwendet wurden.
Alle Stellen der Arbeit, die aus anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach
übernommen wurden, sind mit Angaben der Quellen als Zitate bzw. Paraphrasen
gekennzeichnet.
Ich nehme zur Kenntnis,
- dass Arbeiten, die unter Beizug unerlaubter Hilfsmittel entstanden sind, und
insbesondere fremde Textteile ohne entsprechenden Herkunftsnachweis enthalten, als
„nicht bestanden“ bewertet und ungültig erklärt werden.
- dass unredliches Verhalten bei Leistungskontrollen und unredliche Verwendung
fremder Arbeitsergebnisse ohne Quellenangabe als Disziplinarverstoss gelten und zur
Anordnung einer Disziplinarmassnahme führen können (vgl. §§ 8 ff. Verordnung zum
Fachhochschulgesetz).
_______________________________________________________________
Name Vorname
_______________________________________________________________
Ort, Datum, Unterschrift
Überprüfung der Arbeit mit einer Plagiatssoftware
Einwilligung
Hiermit erkläre ich mich damit einverstanden, dass die vorliegende Arbeit mit einer
Plagiatserkennungssoftware überprüft werden darf.
_______________________________________________________________
Name Vorname
_______________________________________________________________
Ort, Datum, Unterschrift