Prof. Manfred Güllner Politik contra Bürger Erreicht Politik noch den Bürger? 11. Januar 2016 P0090 Gü/Wi Was können denn die Leitmedien (wie dazu sagen? ) 2 Dort (im „SPIEGEL“) war zu lesen: „Die Rechten sind wieder wer“ weil sie „parteiverdrossene Demokraten“ mit rechtsextremen „Heimatlosen“ vereinen 3 Enttäuschte „ehemalige Unionswähler, alte Nationalliberale (und) Rotwähler aus den sozial gebeutelten Arbeitervierteln“ fordern: „raus mit Ausländern“ „raus aus der Europäischen Union“ „Stopp des Ausländerzustroms“ „Stopp des Missbrauchs des Asylrecht“ und sehnten sich „nach mehr nationalem Wohlgefühl“ 4 Diese weit verbreitete „Proteststimmung gegen die Volksparteien und neuer Nationalismus“ führt zu einer „Erfolgsserie der Rechtsparteien“. Dieser „Sog nach Rechts“ entwickle eine „gefährliche Eigendynamik“, so dass die rechte Bewegung „auf Dauer“ neben den etablierten Parteien „installiert“ sei. 5 Eine realistische Beschreibung des heutigen Geschehens? Das Problem ist nur, dass dies alles nicht heute, sondern im MAI 1989 (!) im „SPIEGEL“ zu lesen war 6 Doch die im „SPIEGEL“ 1989 als „auf Dauer installiert“ eingeschätzte „rechte Bewegung“ spielte bald darauf im politischen Leben der Republik keine entscheidende Rolle 7 Das aber hindert den „SPIEGEL“ nicht daran, aktuell (Nr. 51/2015) wieder - fast wortgleich wie 1989 - zu behaupten, „eine neue rechte Bewegung sei im Vormarsch“. In Deutschland paare sich „eine langsam wachsende Demokratieverachtung“ mit einer „rasant wachsenden Fremdenfeindlichkeit“. Und: Die „neue rechte Szene“ komme aus der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft 8 Die „neue rechte Szene“ umfasse: „wertkonservative Intellektuelle“ „viele sich wegen des Modernisierungskurses von Angela Merkel heimatlos fühlende Traditionswähler von CDU und CSU“ „fromme Christen und Wutbürger“ „sich sonst als Linke bezeichnende Menschen“ 9 Die „Anziehungskraft“ dieser „neuen rechten Bewegung“ sei „weit größer als die ihrer Vorgänger“ 10 Das Vertrauen in die „Leitmedien“, die ja für sich in Anspruch nehmen, die von ihnen eher abschätzig als „Folgemedien“ diskreditierten sonstigen Medien zu beeinflussen, kann schon erschüttert werden, wenn man sich vor Augen führt, wie falsch das im „SPIEGEL“ 2015 wie schon 1989 zu Lesende war 11 Die „neue rechte Bewegung“ ist nämlich keinesfalls wie vom SPIEGEL behauptet - „weit größer als die ihrer Vorgänger“ 12 Anteile rechtsradikaler Parteien in den alten Bundesländern (ohne Berlin) in % der Wahlberechtigten Landtagswahlen zwischen 1965 und 1969: NPD 5,7 Europawahl 1989: Republikaner und DVU 5,4 Bundestagswahl 2013: Republikaner, NPD und AfD 3,9 Europawahl 2014: Republikaner, NPD und AfD 3,7 13 Angaben in Prozent Stimmen der rechtsradikalen Parteien bei den Europawahlen 1989 und 2014 in den alten Bundesländern 1989 (Republikaner und DVU): 2.453.550 2014 (Republikaner, NPD und AfD): 1.800.767 Differenz 2014 - 1989: - 652.783 14 Anteile der rechtsradikalen Parteien bei den Landtagswahlen seit 2013 (AfD und NPD) in % der Wahlberechtigten Sachsen 2014 7,1 Brandenburg 2014 6,8 Thüringen 2014 7,4 Hamburg 2015 Bremen 2015 Baden-Württemberg 1992 3,5 2,8 8,2 15 Angaben in Prozent Umfragewerte der AfD im Laufe des Jahres 2015 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez 16 Angaben in Prozent Nach wie vor eher schwache Verankerung der AfD in der gesamten Wählerschaft! Bei einer derzeitigen Wahlbeteiligung von ca. 65 Prozent würden bundesweit nicht viel mehr als 5 Prozent aller Wahlberechtigten die AfD bei einer Bundestagswahl wählen 17 Große regionale Unterschiede der AfD-Sympathisanten neue Länder: ca. 9 Prozent aller Wahlberechtigten Bayern: ca. 7 Prozent aller Wahlberechtigten Rest der Republik: ca. 4 Prozent aller Wahlberechtigten 18 Die These von einer starken „neuen rechten Bewegung“ erweist sich so pauschal als falsch! 19 Stimmt denn die Behauptung, dass „Traditionswähler der CDU und CSU heimatlos“ geworden seien? 20 CDU- und CSU-Abwanderer 2015 Von 100 Abwanderern der CDU wollen 2015 wählen CSU wollen 2015 wählen FDP FDP 9 50 6 9 nicht wählen 15 nicht wählen SPD SPD 13 48 Grüne 6 Grüne 13 18 7 6 AfD Sonstige AfD Sonstige 21 Angaben in Prozent Politische Selbsteinschätzung *) der CDU- und CSU-Stammwähler sowie der CDU-Abwanderer Links 4,0 Wahlberechtigte insgesamt Rechts 4,5 5,0 5,5 6,0 4,8 CDU-Abwanderer **) Stammwähler der CDU ***) Stammwähler der CSU 5,2 5,6 5,7 *) Selbsteinschätzung auf einer Skala von 1 (links) bis 10 (rechts); dargestellt ist jeweils der Mittelwert **) CDU-Wähler von 2013, die derzeit nicht CDU wählen wollen ***) CDU- bzw. CSU-Wähler von 2013, die auch heute CDU oder CSU wählen wollen 22 Wählersubstanz der Union 1983 bis 2013 60 50 43,1 40 28,5 30 30,1 29,3 2002 2013 Stoiber mobilisiert 1 Million Stimmen aus Bayern Merkel mobilisiert ohne Sondereffekte in Bayern - mehr Wähler als Stoiber und Kohl 20 10 0 1983 1998 In 16 Jahren Kohl reduzierte sich die Wählersubstanz der Union um ein Drittel 23 Angaben in Prozent Mobilisierungsschwäche der CDU vor Ort CDU-Wähler in Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Hamburg, Bremen: - bei der Bundestagswahl 2013 2.336.871 - bei den Landtagswahl 2014/15 1.353.833 Wähler der AfD und NPD: 2013 2014/15 - 983.038 ! 526.737 575.096 + 48.359 24 Anteile der CDU/CSU und der SPD bei Bundestagsund Landtagswahlen seit 1949 (in % der Wahlberechtigten) 50 SPD + FDP Adenauer Kohl Merkel 40 30 20 CDU/CSU SPD 10 0 B 49 L B 53 L B 57 L B 61 L B 65 L B 69 L B 72 L B 76 L B 80 L B 83 L B 87 L B 90 L B 94 L B 98 L B 02 L B 05 L B 09 L B 13 L *) 25 *) Wahlen in Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Hamburg, Bremen Angaben in Prozent Unterschiede zwischen der „Merkel-CDU“ und der „CDU vor Ort“ Baden-Württemberg 43 Bundestagswahlabsicht 35 Landtagswahlabsicht Nordrhein-Westfalen 37 Bundestagswahlabsicht 32 Bundestagswahlabsicht Landtagswahlabsicht + 8 Prozentpunkte 29 Landtagswahlabsicht Brandenburg + 8 Prozentpunkte + 11 Prozentpunkte 21 26 Angaben in Prozent Von einer „Kanzlerinnen-Dämmerung“ - von der auch im Leitmedium „SPIEGEL“ permanent die Rede war ist derzeit also noch nicht allzu viel zu spüren, wie auch die Werte der Kanzlerpräferenz (die „härteste“ Währung zur Messung der Popularität) zeigen 27 Kanzlerpräferenzen - 2011 bis 2013 70 60 Angela Merkel 50 40 30 Peer Steinbrück 20 10 0 Jul Aug 2011 Sep Okt Nov Dez Jan Feb 2012 Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug 2013 28 Angaben in Prozent Kanzlerpräferenzen - 2013 bis 2015 70 60 Angela Merkel 50 40 30 20 Sigmar Gabriel 10 0 Okt Nov 2013 Dez Jan Feb 2014 Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez 2015 29 Angaben in Prozent Dass „heimatlose CDU-Traditionswähler“ scharenweise zu den „neuen Rechten“ abwandern, ist ebenfalls eine Mär, die von einigen Leitmedien und einigen davon beeinflussten politischen Akteuren verbreitet wird. Das Problem aber ist die nachlassende Bindekraft der Volksparteien - vor allem auch die der SPD. 30 SPD-Anteile bei Reichstags- und Bundestagswahlen (in % der Wahlberechtigten) noch nie seit 1949 eine so schwache Wählermobilisierung der SPD 50 wie 2009 und 2013! 40 30 20 10 0 1920 Mai Dez 1928 1930 Jun Nov 1933 1924 1924 1932 1932 1949 1953 1957 1961 1965 1969 1972 1976 1980 1983 1987 1990 1994 1998 2002 2005 2009 2013 Reichstagswahlen Bundestagswahlen 31 Angaben in Prozent Die schwache Wählersubstanz der SPD schwächt im Übrigen auch das „linke Wählerlager“ ! keine Mehrheit an Wählern „links von der Union“ 32 Entwicklung des „linken“ Wählerlagers bei den Bundestagswahlen seit 1990 (in % der Wahlberechtigten) Bundestagswahl 1990 31,5 42,7 1998 39,9 2002 39,1 2005 2009 2013 31,9 30,3 33 Angaben in Prozent Die nachlassende Bindekraft der Volksparteien schwächt auch die Legitimität der „Großen Koalition“ 34 Legitimität der Großen Koalition 1966 bis 2013 (Anteil in % der Wahlberechtigten) CDU/CSU 1966 2005 2013 SPD 40,3 26,9 29,3 33,3 26,2 18,2 73,6 53,1 47,5 35 Angaben in Prozent Legitimität der Großen Koalition Mandate von CDU/CSU und SPD Stimmen von CDU/CSU und SPD (in % der Wahlberechtigten) 47,5 79,9 (504 Mandate von 631) 36 Angaben in Prozent Die CDU: Eine „Schrumpfgröße“ in den Großstädten? Wird die Union aber als kleiner Trost für die SPD wenigstens zur „Schrumpfgröße“ (Thomas Oppermann) in den urbanen Metropolen? leider (für die SPD) auch nur bedingt! 37 Entwicklung des Wahlverhaltens in den urbanen Metropolen *) seit Mitte der 1960er Jahre CDU- (CSU-) Wähler (in % der Wahlberechtigten) bei Kommunalwahlen zwischen - 1964 und 1968 - 2011 und 2015 23,4 - 43,6 13,2 SPD-Wähler (in % der Wahlberechtigten) bei Kommunalwahlen zwischen - 1964 und 1968 - 2011 und 2015 39,5 16,3 - 58,7 *) Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern in den alten Bundesländern (einschließlich Duisburg, wo die Einwohnerzahl 2014 unter die 500.000-Grenze gesunken ist) 38 Angaben in Prozent SPD- und CDU- (CSU-) Anteile in den urbanen Metropolen bei den Kommunalwahlen zwischen 2011 und 2015 Anteil (in % der Wahlberechtigten) der SPD Hamburg CDU/ CSU sonstige Parteien 8,7 21,2 25,0 Bremen (Stadt) 11,3 21,7 Nürnberg Berlin (West) 17,0 Dortmund 16,9 12,0 Duisburg 16,4 9,9 Hannover 16,3 11,1 Essen 15,2 14,1 Köln 14,5 Düsseldorf 14,2 München 12,7 Frankfurt am Main 8,6 Leipzig 7,6 Dresden 6,7 Stuttgart 6,6 16,6 14,4 13,0 54,5 59,0 14,7 17,8 16,4 22,3 17,8 10,2 37,0 28,0 13,4 12,3 41,2 56,8 11,4 18,0 13,4 45,1 25,8 12,7 19,1 Nichtwähler *) 17,8 16,7 23,7 23,3 54,8 54,3 49,8 50,2 57,2 55,4 58,9 31,2 27,9 47,7 52,5 39 *) einschließlich ungültige Stimmen Angaben in Prozent Entwicklung der CDU- (CSU-) Anteile in den urbanen Metropolen bei den Kommunalwahlen seit Mitte der 1960er Jahre Rückgang der CDU- (CSU-) Anteile bei den Kommunalwahlen 2011 bis 2015 im Vergleich zu den Kommunalwahlen zwischen 1964 und 1968 Duisburg - 58,9 Hamburg - 58,0 Essen - 54,9 Dortmund - 50,6 Bremen (Stadt) - 50,2 Hannover - 46,9 Köln - 45,3 Frankfurt am Main - 40,3 Düsseldorf - 39,7 Berlin (West) München Stuttgart - 35,5 - 16,8 - 9,7 40 Angaben in Prozent Entwicklung der SPD-Anteile in den urbanen Metropolen bei den Kommunalwahlen seit Mitte der 1960er Jahre Rückgang der SPD-Anteile bei den Kommunalwahlen 2011 bis 2015 im Vergleich zu den Kommunalwahlen zwischen 1964 und 1968 Frankfurt am Main Stuttgart - 75,7 - 70,5 Berlin (West) - 64,8 München - 64,7 Dortmund - 62,0 Essen - 60,9 Köln - 60,7 Düsseldorf - 58,6 Hannover - 58,4 Duisburg - 58,1 Hamburg - 38,4 Bremen (Stadt) - 38,2 41 Angaben in Prozent Das Hauptproblem heute ist nicht die behauptete „Anziehungskraft“ der „neuen rechten Bewegung“, sondern die zunehmende Zahl der Nichtwähler so auch bei den letzten Oberbürgermeisterwahlen hier in Nordrhein-Westfalen 42 Wähler und Nichtwähler bei OberbürgermeisterDirektwahlen im Herbst 2015 in Nordrhein-Westfalen Wähler Nichtwähler Bonn 45,1 54,9 Münster 44,9 55,1 Köln 40,3 59,7 Krefeld *) 36,7 63,3 Oberhausen 36,7 63,3 Mülheim an der Ruhr 36,6 63,4 Leverkusen 36,5 63,5 Wuppertal *) 33,5 66,5 Solingen *) 33,3 66,7 Bochum *) 32,9 67,1 Herne Essen *) 29,9 27,7 70,1 72,3 43 *) Ergebnis der Stichwahl am 27.9.2015 Angaben in Prozent Der übliche Blick auf das Wahlergebnis versetzt die Gewählten in z. T. euphorische Zufriedenheit 44 Ergebnisse der Oberbürgermeisterwahlen in Nordrhein-Westfalen 2014 (in % der abgegebenen gültigen Stimmen) Essen (Kufen, CDU) Wuppertal (Mucke, SPD) 62,6 59,7 Herne (Dudda, SPD) 55,9 Mülheim an der Ruhr (Scholten, SPD) 57,1 Solingen (Kurzbach, SPD) 55,6 Bochum (Eiskirch, SPD) 53,1 Krefeld (Meyer, SPD) 53,1 Köln (Reker) 52,7 Oberhausen (Schranz, CDU) 52,5 Leverkusen (Richrath, SPD) 51,2 Münster (Lewe, CDU) 50,6 Bonn (Sridharan, CDU) 50,1 45 Angaben in Prozent Doch in Wirklichkeit stützen sich alle Gewählten nur auf das Vertrauen einer kleinen Minderheit der Bürger 46 Vertrauensbasis bei Oberbürgermeister-Direktwahlen im Herbst 2015 in Nordrhein-Westfalen Krefeld *) Meyer (SPD) 23,2 Münster Lewe (CDU) 22,5 Bonn Sridharan (CDU) 22,3 Köln Reker (CDU, FDP, Grüne) 21,0 Mülheim an der Ruhr Scholten (SPD) 20,2 Wuppertal *) Mucke (SPD) 19,8 Oberhausen Schranz (CDU) 19,0 Leverkusen Richrath (SPD) 18,5 Solingen *) Kurzbach (SPD) 18,2 Essen *) Kufen (CDU) 16,9 Bochum *) Eiskirch (SPD) 16,9 Herne Dudda (SPD) 15,6 47 *) Ergebnis der Stichwahl am 27.9.2015 Angaben in Prozent „Entfremdung“ vor allem in sozial schwachen Vierteln (siehe Beispiel Köln) 48 Wahlbeteiligung Oberbürgermeister-Direktwahl Köln - ausgewählte Stadtteile Wähler Klettenberg Nichtwähler 55,8 44,2 Hahnwald 53,6 46,4 Lövenich 53,1 46,9 Finkenberg 22,9 77,1 Vingst 22,5 77,5 Chorweiler 14,6 85,4 49 Angaben in Prozent Geringe Wahlbeteiligung kein auf Nordrhein-Westfalen beschränktes Phänomen Beispiel Oberbürgermeisterwahl Frankfurt 50 Wahlbeteiligung bei Oberbürgermeisterwahlen in Frankfurt am Main Wähler Kommunalwahl 1977 Nichtwähler 71,8 (Walter Wallmann wurde Oberbürgermeister) OberbürgermeisterDirektwahl 55,8 1995 2001 28,2 46,1 44,2 53,9 2007 33,6 66,4 2012 *) 34,6 65,4 51 *) Stichwahl Angaben in Prozent Niedrige Wahlbeteiligung aber nicht nur bei OB-Direktwahlen, sondern auch bei Kommunalwahlen generell 52 Wähler und Nichtwähler bei den letzten Kommunalwahlen in den Bundesländern Flächenstaaten West Wähler Nichtwähler Rheinland-Pfalz 55,6 44,4 Bayern 54,7 45,3 Niedersachsen 52,5 47,5 Saarland 52,4 47,6 Nordthein-Westfalen 50,0 50,0 Baden-Württemberg 49,6 50,4 Hessen 47,7 52,3 Schleswig-Holstein 46,7 53,3 Flächenstaaten Ost Thüringen Sachsen 51,4 48,9 48,6 51,1 Mecklenburg-Vorpommern 46,3 53,7 Brandenburg 46,2 53,8 Sachsen-Anhalt 43,0 57,0 Stadtstaaten Berlin Hamburg Bremen 60,2 56,5 48,5 39,8 43,5 51,5 53 Angaben in Prozent Zunahme der Nichtwähler bedingt dramatische Vertrauensverluste der großen Parteien (CDU/CSU, SPD) 54 Wähler und Nichtwähler bei Kommunalwahlen in Hessen 1952 bis 2011 (in % der Wahlberechtigten) 100 80 Nichtwähler * (54,9 %) 60 40 sonstige Parteien (15,7 %) CDU (15,2 %) 20 SPD (14,2 %) 0 1952 1956 1960 1964 1968 1972 1977 1981 1985 1989 1993 1997 2001 2006 2011 55 *) einschließlich ungültige Stimmen Angaben in Prozent CDU- und SPD-Wähleranteile bei Kommunalwahlen in Frankfurt am Main 1956 bis 2011 (in % der Wahlberechtigten) 100 CDU = 12,3 % 80 60 Nichtwähler und sonstige Parteien = 79,1 % 40 20 0 1956 SPD = 8,6 % 1960 1964 1968 1972 1977 1981 1985 1989 1993 1997 2001 2006 2011 56 Angaben in Prozent Die geringe und tendenziell weiter sinkende Wahlbeteiligung bei lokalen Wahlen ist an sich verwunderlich, weil das Vertrauen zur lokalen Politikebene an sich größer ist als das zur „großen“ Politik auf Bundes- und Landesebene. 57 Vertrauen zu ausgewählten Institutionen 2015 Polizei 84 Universitäten 78 Ärzte 74 Bundespräsident 72 Bundeskanzlerin 65 Meinungsforschungsinstitute 60 Papst 60 Stadtverwaltung 55 Landesregierung 52 Bundesregierung 52 46 evangelische Kirche 42 Gewerkschaften 26 katholische Kirche 23 politische Parteien 13 Manager Werbeagenturen 9 58 Angaben in Prozent Qualität der Wahlvorhersagen 2013 Abweichungen der letzten Umfragen vom Wahlergebnis ARD ZDF RTL/STERN - 1,5 - 1,5 - 1,5 -3,5 SPD + 2,3 + 1,3 + 0,3 + 2,3 Grüne + 1,6 + 0,6 + 1,6 - 0,4 FDP + 0,2 + 0,7 + 0,2 + 1,2 Linke - 0,6 - 0,1 + 0,4 + 0,4 AfD - 2,2 - 0,7 - 0,7 + 0,3 + 0,3 - 0,2 - 0,2 - 0,2 8,7 5,1 4,9 8,3 CDU/CSU Sonstige Abweichungssumme „Dual Frame“ Abweichungssumme 2009 8,4 nur Festnetz 8,4 4,2 BILD online 59 Angaben in Prozent Qualität der Prognosen am Wahltag um 18.00 Uhr bei den Bundestagswahlen 2002 bis 2013 forsa. *) ARD ZDF 1,0 3,8 2,0 maximale Abweichung durchschnittliche Abweichung 0,5 0,2 1,5 0,6 0,5 0,3 2005: Summe Abweichung maximale Abweichung durchschnittliche Abweichung 2,9 0,8 0,6 2,9 1,2 0,6 4,6 1,8 0,9 2009: Summe Abweichung maximale Abweichung durchschnittliche Abweichung 1,2 0,5 0,2 2,0 0,6 0,3 3,2 1,1 0,5 2013: Summe Abweichung 1,6 2,0 3,8 0,5 0,2 0,5 0,3 1,1 0,5 Prognose 18 Uhr: 2002: Summe Abweichung maximale Abweichung durchschnittliche Abweichung 60 *) für RTL, n-tv, Sat.1, N24 Angaben in Prozent Vertrauen zur Stadtverwaltung in den einzelnen Bundesländern (2015) Es haben großes Vertrauen zu ihrer Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung 55 Deutschland insgesamt alte Bundesländer: 66 - Bayern 63 - Baden-Württemberg 45 - Nordrhein-Westfalen neue Bundesländer: 52 - Sachsen - Mecklenburg-Vorpommern 46 - Sachsen-Anhalt 46 Stadtstaaten: 53 - Hamburg 44 - Bremen - Berlin 38 61 Angaben in Prozent Bekanntheit politischer Akteure in bayerischen Gemeinden Es kennen den Bürgermeister ihrer Gemeinde 94 ein Mitglied des Stadt- bzw. Gemeinderates 83 ihren Landtagsabgeordneten ihren Bundestagsabgeordneten 53 41 62 Angaben in Prozent Warum aber nimmt die Entfremdung zwischen Politik und Bürgern trotz des relativ großen Vertrauens auch und gerade auf lokaler Ebene z. T. drastisch ab? 63 Verhältnisse wie in den kleineren Gemeinden Bayerns sind keinesfalls überall zu registrieren; so werden woanders Kommunalpolitiker in deutlich geringerem Maße wahrgenommen. 64 Bekanntheit von Kölner Oberbürgermeistern 1969 Theo Burauen 1978 John van Nes Ziegler 1995 Norbert Burger 2008 Fritz Schramma 2014 Jürgen Roters 96 87 61 84 56 65 Angaben in Prozent Bekanntheit Kölner Lokalpolitiker 1969 und 2014 Bürgermeister 1969: Lemmens 31 2014: Scho-Antwerpes Spizig SPD-Fraktionsvorsitzender 1969: van Nes Ziegler CDU-Fraktionsvorsitzender 1969: Conin 8 1 21 5 2014: Börschel 2014: Granitzka 12 1 66 Angaben in Prozent Weitere Gründe für die Entfremdung zwischen Politikern und Bürgern auf lokaler Ebene Experimente mit dem Wahlrecht (am Beispiel Hessens und Hamburgs) 67 Beispiel Hessen bis 1989 hohe Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen mit einem Verhältniswahlrecht seit 1993 vielfältige Änderungen des kommunalen Wahlrechts (zuletzt Einführung: Kummulieren und Panaschieren) Die Folge: Anstieg des Anteils der Nichtwähler und der ungültigen Stimmen 68 Wahlbeteiligung bei Landtags- und Kommunalwahlen in Hessen 1950 bis 2011 100 90 80 70 Landtagswahlen 60 Kommunalwahlen 50 40 30 20 10 0 L 50 K 52 L 54 K 56 L 58 K 60 L 62 K 64 L 66 K 68 L 70 K 72 L 74 K 77 L 78 K 81 L 82 L 83 K 85 L 87 K 89 L 91 K 93 L 95 K 97 L 99 K 01 L 03 K 06 L 08 K 11 69 Angaben in Prozent Einschätzung zum Wahlverfahren in Hessen (Befragte in Frankfurt am Main) Das Wahlverfahren finden zu kompliziert nein 38 58 ja ja 67 65 Hauptschule mittlerer Abschluss Abitur, Studium 54 70 Angaben in Prozent Anstieg der ungültigen Stimmen bei Kommunalwahlen in Hessen seit 1989 Anteil ungültige Stimmen Kommunalwahlen 1972 bis 1989 1,9 (Durchschnittswert) Kommunalwahl 2011 5,5 + 189 % 71 Angaben in Prozent Anstieg der ungültigen Stimmen bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg und Bremen nach Änderung des Wahlrechts stieg der Anteil der ungültigen Stimmen in Hamburg von 1,0 % (2008) auf 3,0 % (2011) ein Anstieg um 200 % ! in Bremen (Land) von 1,4 % (2007) auf 3,3 % (2011) ein Anstieg von 136 % ! 72 Die zwischen Politik und Bürgern eingetretene Entfremdung hat mit der aktuellen Diskussion über die Flüchtlinge nichts zu tun; dennoch: ein kurzes Wort zu dieser neuen „Herausforderung“ 73 Wer empfindet die Zuwanderung als großes Problem? insgesamt 81 Ost 81 West 81 14- bis 21-Jährige 76 über 60-Jährige 88 Anhänger der CDU/CSU 86 SPD Grünen Linke 83 79 77 FDP 84 AfD Nichtwähler 94 76 74 Angaben in Prozent Wahrnehmung von Flüchtlingen in der Wohngemeinde Es haben in ihrer Stadt bzw. Gemeinde schon etwas von den vielen Flüchtlingen bemerkt ja, und es haben sie als störend empfunden 6 nein 39 55 ja, aber es haben sie nicht als störend empfunden 75 Angaben in Prozent Einschätzung der Zahl der in der Wohngegend wohnenden Ausländer In der Wohngegend wohnen viele Ausländer Bundesbürger insgesamt 1995 37 2015 Ost 36 22 West 38 Haushalts-Nettoeinkommen - unter € 1.500 52 - € 1.500 bis € 3.000 37 - über € 3.000 33 Ortsgröße (Einwohner) - bis 5.000 - 5.000 bis 20.000 - 20.000 bis 100.000 - 100.000 und mehr 22 25 46 44 76 Angaben in Prozent Das Verhältnis zwischen Deutschen und Ausländern Deutsche und Ausländer kommen in der Wohngegend gut miteinander aus Deutschland insgesamt *) nein, es kommt häufig zu Reibereien ja 8 28 57 sie haben ein normales nachbarschaftliches Verhältnis Ost *) nein, es kommt häufig zu Reibereien West *) nein, es kommt häufig zu Reibereien ja ja 24 6 20 47 sie haben ein normales nachbarschaftliches Verhältnis sie haben ein normales nachbarschaftliches Verhältnis 31 61 77 *) an 100 Prozent fehlende Angaben = „weiß nicht“ Angaben in Prozent Meinungen zu einem Flüchtlingsheim in der Wohngegend Mit der Einrichtung eines Flüchtlingsheims in ihrer Wohngegend hätten … … große oder einige Probleme Deutschland insgesamt … wenig oder keine Probleme *) 30 Ost 69 43 West 56 27 71 Ausländer in der Wohngegend - viele 30 69 - wenige/keine 29 69 Anhänger der Grünen 13 87 19 FDP 70 23 SPD 75 CDU/CSU 31 69 Linke 31 69 AfD 81 15 78 *) an 100 Prozent fehlende Angaben = „weiß nicht“ Angaben in Prozent Verständnis für Angriffe auf Asylbewerberheime Für Angriffe auf Asylbewerberheime haben Verständnis ja 1992 insgesamt nein *) 18 2015 79 16 Ost 82 24 West 71 14 Anhänger der Grünen 85 2 98 SPD 12 88 CDU/CSU 12 87 Linke 18 FDP AfD 82 22 59 73 29 79 *) an 100 Prozent fehlende Angaben = „weiß nicht“ Angaben in Prozent Integration der Flüchtlinge? Die Flüchtlinge, die Asyl erhalten, werden sich mittelfristig gut in unsere Gesellschaft integrieren ja insgesamt nein *) 53 Ost 35 42 West 47 55 Anhänger der CDU/CSU 58 SPD Grünen 33 33 59 29 71 Linke AfD 14 52 38 10 89 80 *) an 100 Prozent fehlende Angaben = „weiß nicht“ Angaben in Prozent Kurzes Fazit: Flüchtlinge Der Flüchtlingszustrom wird generell als großes Problem gesehen Negative Erfahrungen mit Flüchtlingen vor Ort hat bislang nur eine Minderheit gemacht generelle Ambivalenz in Bezug auf Zuwanderung: mit dem „Kopf“ (rational) hält man Zuwanderung für erforderlich und nützlich mit dem „Bauch“ (emotional) möchte man möglichst wenige Ausländer und fürchtet negative Folgen der Zuwanderung 81 Unabhängig von der weiteren Diskussion über die Flüchtlingsfrage bleibt die generelle Entfremdung zwischen Bürgern und Politik ein Problem; deshalb zum Schluss noch ein kurzer Blick auf die erkennbaren Gründe für die steigende Zahl der Nichtwähler 82 Gründe für die steigende Zahl von Nichtwählern FALSCH: „Apathie aus Zufriedenheit“ Unmut über politische Akteure haben kein Ohr mehr für die Sorgen und Nöte der Menschen reden unverständlich streiten zu viel orientieren sich an Meinungen von Minoritäten Medien berichten zu wenig über die Befindlichkeiten der Mehrheit der Bürger Gefahr einer „Diktatur von Minoritäten“ 83 Beispiele für eine solche „Diktatur der Minoritäten“ 84 Persönliche Meinungen zum Ausbau der A 39 und die vermuteten Einstellungen der „anderen“ zum Ausbau der A 39 In den Medien überwiegen die Berichte über die Ausbaugegner und deren Gründe; doch die Bürger sehen das anders: Der Ausbau der A 39 bringt für die Region insgesamt eher Es sind für den Ausbau der A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg Nachteile weiß nicht Aufgrund der Berichterstattung in den Medien vermuten aber nur knapp die Hälfte der Bürger in der Region, dass eine Mehrheit in der Region den Ausbau der A 39 befürwortet nein, Ausbau wird nicht befürwortet nein 12 18 9 weiß nicht 32 46 12 ja, Ausbau wird befürwortet 70 79 22 ja Vorteile weiß nicht Quelle: forsa-Repräsentativbefragung in den Landkreisen Gifhorn, Lüneburg, Uelzen und der Stadt Wolfsburg im September 2015 Angaben in Prozent 85 Meinungen der Bundesbürger über die Kohle-Kritiker Die in der öffentlichen Diskussion geäußerten Vorbehalte gegen Kohlekraftwerke werden von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt Den Kritikern der Braunkohle geht es um die Interessen der Bürger insgesamt ja ja 28 26 66 66 nein, das sind nur bestimmte Bevölkerungs- und Wählergruppen nein, denen geht es um die Durchsetzung ihrer persönlichen ideologischen Ziele 86 Quelle: forsa-Repräsentativbefragung im Juni 2015 Angaben in Prozent In Baden-Württemberg: Wut gegen die „Wutbürger“ Bei der Volksabstimmung über „Stuttgart 21“ stimmte nur eine Minderheit gegen den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs im Land Baden-Württemberg in der Stadt Stuttgart 19,8 31,8 87 Angaben in Prozent Das Hamburger Wahlrecht: Von einer kleinen Minderheit durchgesetzt Beim Volksentscheid „Änderung des Hamburger Wahlrechts“ 2004 stimmten von den Wahlberechtigten mit nein mit ja 10,6 21,1 68,3 überhaupt nicht ab *) 88 *) einschließlich ungültige Stimmen Angaben in Prozent Nichtwähler *) und Zahl der AfD-Wähler Bundestagswahl 2013 AfD-Wähler 3,3 Nichtwähler 29,4 67,3 Wähler anderer Parteien Landtagswahlen 2014/2015 Europawahl 2014 Wähler anderer Parteien AfD-Wähler AfD-Wähler 3,3 4,8 44,0 52,7 Nichtwähler Wähler anderer Parteien 45,0 50,2 Nichtwähler 89 *) einschließlich ungültige Stimmen Angaben in Prozent Erkennbare Reaktionen der Politik auf Nichtwähler richtig? z. B. FES-Tagung „Wahlen und Demokratie“ im Mai 2015 Veränderungen des Wahlrechts, „um mehr Auswahlmöglichkeiten zu schaffen“ durch „offene Listen, Kumulieren und Panaschieren“, „Einführung von Nebenstimmen“ sowie „Etablierung anderer Orte oder Formen der Stimmabgabe“ 90 Völlig falsche Empfehlungen der FES Nichtwähler beklagen keinesfalls unzulängliche bisherige Möglichkeiten der Stimmabgabe bisherige Experimente (z. B. Hamburg, Bremen, Hessen) erhöhen die Zahl der Nichtwähler und der ungültigen Stimmen Hände weg vom Wahlrecht; besser orientieren an Vorbildern wie Dänemark oder Schweden! 91 Entwicklung der Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen in Deutschland, Folketing-Wahlen in Dänemark und Riksdag-Wahlen in Schweden 95 90 Dänemark 85 Schweden 80 75 Deutschland 70 65 60 Jahr 72 73 75 76 79 80 81 82 83 84 85 87 88 90 91 94 98 01 02 05 06 07 09 10 11 92 Angaben in Prozent In Dänemark stärkere Konsens-Orientierung, die den Erwartungen der Menschen entgegenkommt und - bei aller Kritik an der Politik - weniger „Häme“ in der Medienberichterstattung. Außerdem: Hoher Stellenwert des Wahltags! 93 Zum Schluss Die „neue Rechte“ in Deutschland ist nicht stärker, sondern (mit Ausnahme der neuen Länder) eher schwächer als in den 1960er und 1980er/1990er Jahren Das Problem ist die große Entfremdung zwischen Bürgern und Politik, weil viele Menschen das Gefühl haben, die Politik kümmere sich nicht mehr um ihre wirklichen Sorgen Politik und Medien wären gut beraten, nicht Modetorheiten zu folgen oder sich von einer Diktatur von Minderheiten beeinflussen zu lassen Merke: „Wer den Zeitgeist heiratet, wird schnell Witwer“ (Søren Kierkegaard) 94 Vielen Dank! Prof. Manfred Güllner forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH Schreiberhauer Straße 30 10317 Berlin Telefon: 030. 6 28 82-0 E-Mail: [email protected]
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