PROMOS – Stipendium Erfahrungsbericht über den Auslandsaufenthalt Wintersemester 14/15 an der Shanghai Jiao Tong University (SJTU) VR China Studiengang und Universität Das Wintersemester 2014/2015 habe ich an der Jiao Tong University in Shanghai verbracht. Die Universität gehört zu den fünf renommiertesten Universitäten Chinas. Dies macht sich insbesondere in der Infrastruktur wie Gebäuden, Räumlichkeiten und Parkanlagen bemerkbar. Besonders der im Stadtkern gelegene Xuhui Campus ist ein Kleinod im chaotischen Häuserdschungel Schanghais. Studierende geisteswissenschaftlicher Fächer haben in der Regel das Glück alle ihre Veranstaltungen dort besuchen zu können. Ingenieurswissenschaften sind allerdings auf dem 1,5 Stunden außerhalb des Stadtzentrums gelegenen Minhang Campus zentriert. Minhang ist eine kleine Stadt mit weitflächigen Parkanlagen, Sportanlagen und sogar einem eigenem Stadion. Im Rahmen der School of International and Public Affairs (SIPA) habe ich Kurse des internationalen Masterstudiengangs Chinese Politics end Economy besucht. Der Studiengang befindet sich erst in seinem dritten Jahrgang und ist ausschließlich an internationale Studierende gerichtet. Kontakt zu Chinesen im Rahmen der Kurse hat man daher nicht. Die Studierendenschafft ist extrem breit gefächert. In meinem Jahrgang haben 22 Studierende aus 16 verschiedenen Nationalitäten studiert. Der Erfahrungsgewinn allein durch kulturelle und Mentalitätsunterschiede ist daher enorm bereichernd. Inhaltlich hat der Studiengang einen Fokus auf die politische Ökonomie der Entwicklung Chinas. Das Kursangebot ist recht vielfältig und bedient daher viele Interessen. Das Niveau und den Arbeitsaufwand würde ich als durchschnittlich aber intensiv bezeichnen. Es hängt aber sehr stark von den Kursen ab, da sowohl der Anspruch als auch die Englischkenntnisse von Dozenten und Studenten stark variieren. Ich befinde mich am Ende meines Masterstudiums und habe daher gezielt Kurse besucht, die mich auf meine Abschlussarbeit vorbereitet haben. Das Niveau der Diskussionen in den Sitzungen als auch die Anforderungen an das abschließende Research Paper war in meinem Fall wirklich hoch und fordernd. Es ist aber auch genauso möglich gewesen, Kurse zu belegen, die eher Bachelor Niveau entsprachen. Ich kann niemandem empfehlen mehr als drei Kurse zu besuchen, da alle Kurse in der Regel mit einer 20 seitigen Hausarbeit abschlossen werden müssen. Überraschend kritisch und reflektiert konnte in den Kursen die chinesische Politik diskutiert werden. Einige Dozenten üben sogar selbst Kritik. Dies ist jedoch auf die Dozenten beschränkt, die ihre Ausbildung im Ausland genossen haben. Viele rein in China ausgebildete Dozenten haben einen wesentlich konservativeren, patriotischen Stil zu unterrichten. Daran muss man sich gewöhnen oder einfach andere Kurse besuchen. Viel Zeit und manchmal Nerven kosten wird in jedem Fall alles Administrative rund um das Universitätsleben. Wohnangelegenheiten, Visaangelegenheiten, Prüfungsan- oder Abmeldungen oder auch generelle Auskünfte. Man sollte sich darauf einstellen, dass man von drei verschiedenen Personen drei verschiede Auskünfte bekommt. Selbst für Kleinigkeiten benötigt es oftmals mehrere verschiedene Formulare, ausgestellt von verschiedenen Instanzen. Regularien ändern sich schnell und können in der Regel auch nicht auf englischer Sprache nachgelesen werden. Es empfiehlt sich daher frühzeitig mit einem to Do zu beginnen, da es eigentlich fast die Regel ist, dass man im ersten Anlauf eine nicht korrekte Auskunft, ein falsches Formular oder einen falschen Stempel bekommt. Glücklicherweise hatte unser Studiengang eine Studiengangskoordinatorin, die mit viel Mühe und Zeitaufwand jedes Problem versucht hat zu lösen. Leben in Shanghai Das Leben in Shanghai ist eine tägliche Herausforderung und ein tolles Abenteuer. Mit 24 Millionen Einwohnern ist Shanghai die größte Stadt Chinas. Shanghai symbolisiert in vielerlei Hinsicht die Dynamik, die Geschwindigkeit und das Aufstreben, das China in den letzten 15 Jahren auszeichnet. Die Geschwindigkeit, mit der hier Gebäude und Infrastruktur begonnen und fertig gestellt werden, Geschäfte eröffnen und wieder schließen und Menschen kommen und gehen ist atemberaubend. Seit meinem letzten Besuch in Shanghai 2010 hat sich das Stadtbild noch einmal grundlegend gewandelt und gleicht nun in einigen Teilen Manhattans. Dies gilt auch für die Preise. Peking ist die Stadt der Macht, Shanghai die Stadt des Geldes. In Shanghai sitzt ein Großteil der chinesischen Wirtschaftselite, was die Stadt zur mit Abstand teuersten Stadt Chinas macht. Falls man sich entscheidet außerhalb des Campus in einer WG zu leben (siehe unten) sollte man daher mit etwa 400 Euro für ein Zimmer in attraktiver Lage rechnen. Der Reichtum Schanghais prägt auch ansonsten das Stadtbild. Kommerz und Konsum spielen hier noch einmal eine ganz andere Rolle als in Deutschland. Prägende Pfeiler der Shanghaier Wirtschaft sind neben der Finanz- und Handelsbranche inzwischen auch die Mode- und Luxusgüter Industrie. All das macht Shanghai zu einer internationalen Metropole, in der inzwischen auch mehrere Hundertausend ausländische Expats leben und arbeiten. Die innstädtischen Quartiere sind daher sehr westlich geprägt. Dies schlägt sich natürlich auch aufs Freizeitangebot und das Nachtleben nieder. Die schier unendliche Restaurant- und Cafélandschaft sucht wirklich seines Gleichen (übrigens ist es oft günstiger [chinesisch] essen zu gehen, als selber zu kochen) und macht wirklich Spaß. Die Clubscene ist ähnlich ausufernd, muss man jedoch mögen. Auch hier gilt Protz und Dekadenz haben Vorrang. Entspannte Bremer Studentenbars oder Berliner Kreativkultur sollte man eher nicht erwarten. Packt auf jeden Fall einen Blazer/Jackett und ein paar gute Schuhe ein. Oder lasst es eher auf einem der Shanghaier Fabric Markets kostengünstig maßschneidern. Is man kein Fan von diesem Lebensstil, muss man ein wenig suchen, findet jedoch auch Alternativen. Tradition und Moderne sind in Shanghai nach wie vor eng beisammen und so findet man gegenüber von Cucci immer noch köstliche Straßenküchen oder uralte Gassen neben totschicken Shoppingmalls. Jedem empfehlen kann ich ein Fahrrad. Trotz des teilweise chaotischen Verkehrs haben fast alle Straßen einen breiten Fahrrastreifen. Ich habe mich in meinen fünf Monaten fast nur mit dem Rad bewegt und die Stadt so sehr gut kennen gelernt. Auch weil es oftmals schneller geht, als mit Öffentlichen. Das brandneue Metro Netz lässt zwar wirklich keine Wünsche übrig, aber das Umsteigen dauert aufgrund der Größe der Stationen oft sehr lange. Wie überall hängt auch in Shanghai das Wohlgefühl am Wetter. Grundsätzlich würde ich zu einem Austausch im Wintersemester raten! Der Herbst ist in Shanghai ein trockener Spätsommer mit Temperaturen um die 25 Grad. Es ist großartig durch das schöne French Concession zu spazieren oder Nachmittage in den zahllosen Parks zu verbringen. Mitte November wechselt das Wetter allerdings innerhalb von Tagen zu einem unangenehmen Winter mit Temperaturen von um die 5 Grad. Da Gebäude keine Zentralheizungen haben, sondern nur mit Klimaanlagen ausgestattet sind, ist das Wohnzimmer am Morgen oft mit der Außentemperatur vergleichbar. Ich habe Shanghai daher als harten Winter wahrgenommen. Regnen tut es jedoch zwischen September und Januar fast überhaupt nicht. Im kurzen Frühling dafür umso mehr, der dann schnell zu einen heißen und feuchten Sommer wechselt. Allgemeine Erfahrungen und Tipps - Unterkunft: Die Uni stellt je nach Studiengang Dormzimmer auf beiden Campus zur Verfügung. Die Kosten für Einzel- oder Doppelzimmer liegen jedoch auf selben Niveau wie WG Zimmer außerhalb des Campus. Der Vorteil des Campuslebens ist sicher ein schnellerer Kontaktaufbau mit den Kommilitonen, günstigere Essenpreise durch die Mensa und Zeitersparnisse durch den Wegfall des Pendelns. Ich persönlich habe mich für ein WG Zimmer entschieden und konnte so viele nicht univerwandte Kontakte knüpfen. Zudem hat man den Vorteil einer eigenen Küche, eines Kühlschranks und einer persönlichen Note des Zimmers. Die Wohnheimszimmer habe ich als sehr ungemütlich und funktional wahrgenommen. Infos zum Bewerbungsverfahren für Dormzimmer erteilt die Gastuniversität nach Erhalt der Annahmebescheinigung. WG Zimmer Suche läuft fast ausschließlich über folgendes Stadtportal: http://www.smartshanghai.com/housing/shared-apartments/ - Finanzielles: - Mit 800 Euro (inklusive Unterkunft und Lebenskosten) kann man in Shanghai im Monat über die Runden kommen. Für die volle Zeit des Semesters)fünf Monate) würde ich nichts desto trotz mit 5000 Euro kalkulieren. Die Eröffnung eines Bankkontos ist möglich, ist jedoch nicht nötig. Die deutsche DKB bietet Studenten kostenlose VISA Karten, mit denen man bargeldlos weltweit Geld abheben kann. Damit hatte ich nie Probleme. - WeChat: Ladet Euch die Chat-App WeChat auf Euer Smart Phone. Hierüber läuft in der Regel alle Kommunikation. Auch die Studiengangsadministration hat über WeChat mit uns kommuniziert - Visaangelegenheiten: Studentenvisa (X2) werden seit kurzem nur noch mit einmaliger Einreise gewährt. Es ist jedoch ohne weiteres möglich, bei der Shanghaier Einwanderungsbehörde (in Pudong) einen zusätzlichen Eintritt zu beantragen. Benötigt werden hierfür mehrere Dokumente des Visabüros der Uni, ein Mietvertrag und eine Bestätigung des Wohnstatus von der Polizei. Der ganze Vorgang sollte etwa zwei Wochen dauern und kostet eine Bearbeitungsgebühr. Danach: Happy Travels! - Reisen innerhalb der Semesterzeit: Sind möglich. Man darf in der Regel zwei Veranstaltungen fehlen. Einige Dozenten haben uns sogar animiert, die Zeit auch zu nutzen, um China außerhalb Schanghais zu entdecken. Neben dem Dozenten muss man auch der Studiengangskoordination Bescheid geben. - Shanghai Library: Unser Studiengang bot zwar einen eigenen Lern- und Arbeitsraum, mein Tipp zum konzentrierten Arbeiten ist jedoch die Shanghai Library, die nur eine Station mit der Line 10 vom Xuhui Campus entfernt liegt. Der vierte Stock bietet eine große Auswahl ausländischer Fachliteratur, Copy- - - Center und gemütliche Arbeitsplätze. Der Leseausweis ist kostenlos und erfordert nur das Mitbringen des Reisepass. Internetzugang: Internetzensur erlebt man in Shanghai hautnah. Richtet Euch dringend vor Anreise den VPN Client der Uni Bremen ein, mit dem ihr (auf Kosten der Geschwindigkeit) die meisten Internetsperren umgehen könnt. Ohne VPN sind google, Facebook und co. gesperrt. Essen: Schanghais Küchen lassen eigentlich keine Wünsche offen. Wenn man sich jedoch ab und an mal nach frischem deutschem Brot sehnt, ist die Bäckerskette „Abendbrot“ die mit Abstand beste Wahl. Es schmeckt wirklich wie zu Hause! Fazit China ist ein Abenteuer das einen zuweilen inspiriert, zuweilen verwirrt und zu weilen auch überfordert. Aufgrund meines Schwerpunkts im Studium auf aufstrebende Volkswirtschaften war mein Semester eine tägliche Inspirationsquelle. Die sprachlichen, kulturellen und nicht zuletzt kulinarischen Unterschiede zu Deutschland sind enorm, machen das Land aber auch gerade deshalb zu einem faszinierenden Ort. Einige Tage werden einen frustrieren, andere Tage hingehen sehr beglücken. Auch deshalb ist China ein Land der Extreme. Ich möchte die Erfahrungen daher unter keinen Umständen missen und kann mir im Nachhinein eine professionelle Verbindung zu China im Berufsleben sehr gut vorstellen.
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