Ist Klimaschutz den Kunden etwas Wert? Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Mauch Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., München www.ffe.de 1 • • • Gründung 1949 in Karlsruhe • Weiterbildung von 300 Mitarbeitern • Umzug nach München in 1969 • Etwa 30 Abschlussarbeiten pro Jahr • Tochtergesellschaft FfE GmbH seit 2001 Mitglieder • Mitglieder aus Energiewirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Verwaltung sowie Privatmitglieder Aktiver Erfahrungsaustausch, Einbindung in ein Wissensnetzwerk, direkter Kontakt zu den wissenschaftlichen Mitarbeitern • Über 30 erfolgreiche Promotionen • • Aktuelle Themen: Speicher und Netze, Elektromobilität, Energiemärkte, Energieeffizienz Methoden: Energiesystemanalysen und -simulationen, Data Mining, GIS-Modelle, Industrie Audits Forschung • 2 Unabhängige Institution, die sich mit den aktuellen Fragestellungen der Energiewirtschaft und -technik befasst Forschungsergebnisse werden – frei von politischen Richtungen und Vorgaben – auf Basis wissenschaftlich fundierter Analysemethoden generiert Eckdaten Entwicklung Hintergrund Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. Was ist uns eigentlich der Klimaschutz wert?* 3 * Ergebnisse einer kurzen Umfrage unter den Wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten der FfE Inhalt 1 Konsens über die großen Ziele und Maßnahmen 2 Energiewende Ja - ABER 3 Das Dilemma des Klimaschutzes 4 Werkzeuge und Konzepte zur Einbindung des Kunden 5 Fazit – Was tun? 4 1. Konsens über die großen Ziele und Maßnahmen 5 Die Ausgangssituation: Die Energiewende als Maßnahme zum Erreichen der Klimaschutzziele Die Politik verfolgt im Rahmen der Energiewende ambitionierte Klimaschutzziele Fundamentaler Umbau des Energiesektors: Zubau von erneuerbaren Erzeugungsanlagen und Netzen 6 Große Zustimmung in der Bevölkerung für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Energiewende im Allgemeinen Repräsentative Umfrage von TNS Emnid im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien, Stand 10/2014, n = 1.015 7 2. Energiewende Ja - ABER 8 Gesellschaftlicher Konsens über die großen Ziele - ABER Große Zustimmung zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, z.B. Windkraft, in der Bevölkerung ... Potenzielle Standorte für Windkraftanlagen Mit 10H-Regelung ABER: Nicht vor MEINER Haustür und wenn es MICH was kostet, find ich es eigentlich schon nicht mehr so gut (Floriani-Prinzip) 9 In der Praxis kollidiert die Umsetzung des Klimaschutzes oft mit den Interessen der Anwohner und Natur-/Artenschutz Konkrete Folgen für die Schutzgüter Mensch und Umwelt Grundsätzliche Auswirkungen der Energiewende • • • 10 Massiver Umbau des Energiesystems Höhere Sichtbarkeit der Energieinfrastruktur Zubau an Netzen und Erzeugungsanlagen notwendig (dezentral und flächendeckend) • Flächenverbrauch • Emissionen • Zerstörung von Biotopen / Lebensräumen (Biodiversität) • Veränderung des Wohnumfelds (Landschaftsbild, Wert von Immobilien, Ästhetikempfinden) Offene Fragen bei der Umsetzung der Energiewende • Einbeziehung von Artenund Naturschutz bei der Planung • „Partizipanz“ der Bevölkerung • Regionale Abwägung von Kosten und Nutzen zur Berücksichtigung gesellschaftlicher Gerechtigkeitsvorstellungen 3. Das Dilemma des Klimaschutzes 11 Klimaschutz als Beispiel für ein spieltheoretisches Gefangenendilemma (1/2) dicht halten dicht halten Gefangener 2 2 Jahre 2 Jahre singen 1 Jahr 5 Jahre Gefangener 1 singen 5 Jahre 1 Jahr 4 Jahre 4 Jahre Wenn beide Gefangenen kooperieren („dicht halten“) aus kollektiver Sicht bestes Ergebnis (4 Jahre Haft) Jeder Gefangene hat jedoch den Anreiz zu defektieren („singen“), da aus individueller Sicht bestes Ergebnis (1 Jahr Haft) Wenn aber beide Gefangenen „singen“ aus kollektiver Sicht schlechtestes Ergebnis (8 Jahre Haft) 12 Klimaschutz als Beispiel für ein spieltheoretisches Gefangenendilemma (2/2) Das Dilemma des Klimaschutzes: Bestmögliche Lösung ist die Kooperation aller Staaten bzw. Verbraucher Jedoch ist der Anreiz für jeden Staat/Verbraucher nicht zum Klimaschutz beizutragen, da dieser von den Maßnahmen der anderen Staaten/Verbraucher trotzdem profitiert Gefahr, dass eine Vielzahl an Staaten bzw. Verbrauchern nicht kooperieren und in Summe nicht ausreichend Klimaschutzmaßnahmen unternommen werden 13 Motivation Energiebilanz nach dem Verbrauchskonzept Berücksichtigung der Außenhandelsströme bei der Energiebilanz PEV nach dem Territorialprinzip Einheit PJ PEV im Ausland für die Herstellung der Importgüter Primärenergieverbrauch 13.745 Primärenergieverbrauch ? Nichtenergetischer Verbrauch 13.745 978 PEV im Inland + PEV für die Herstellung von Importgütern 3.181 Statistische Differenzen Umwandlungsverluste 44 544 Verbrauch in den Energiesektoren 8.998 ? PEV für die Herstellung der Exportgüter Endenergieverbrauch PEV nach dem Verbrauchskonzept ? 2.599 2.571 2.431 Industrie Verkehr Haushalte 1.397 Gewerbe, Handel, Dienstleistungen PEV = Primärenergieverbrauch Verbraucher Quelle: nach AG Energiebilanzen Berechnung nach der Methode des kumulierten Energieaufwands /VDI 4600/ 14 Masterarbeit – Jonas Lindner https://www.ffe.de/publikationen/veroeffentlichungen/516-energiebilanz-fuer-deutschland Primärenergieverbrauch des deutschen Außenhandels PEV nach dem Territorialprinzip PEV im Ausland für die Herstellung der Importgüter 10.156 PJ 13.745 PJ PEV im Inland + PEV für die Herstellung von Importgütern 9.640 PJ PEV für die Herstellung der Exportgüter PEV nach dem Verbrauchskonzept 14.261 PJ Deutschland ist Nettoimporteur von Primärenergie und CO2-Emissionen durch die Herstellung der Außenhandelsgüter PEV = Primärenergieverbrauch Berücksichtigung des Außenhandels für nationale Energiebilanzierung sinnvoll 15 Quelle: Masterarbeit Jonas Lindner Verbraucher Bilanz der CO2-Emissionen mit der Methode des Kumulierten Energieaufwands Auswahl nach Handelsmasse und -werten sowie der Höhe des Außenhandelssaldos Saldo KEMH [Mio. t CO2] NO 15 Mio.t mit ausgewählten Handelspartnern SE -3 Mio.t RU 15 Mio.t CN 24 Mio.t NL 12 Mio.t UK -10 Mio.t BE 8 Mio.t US -7 Mio.t PL -4 Mio.t CZ 11 Mio.t BR 6 Mio.t FR -7 Mio.t AT -8 Mio.t CH -17 Mio.t JP 1 Mio.t IT 3 Mio.t TR -3 Mio.t ES 1 Mio.t restl. Länder -8 Mio.t 16 Masterarbeit – Jonas Lindner 4. Werkzeuge und Konzepte zur Einbindung des Kunden 17 Freiwillige Ansätze: Beispiel CO2-Labeling Laut einer Umfrage sprechen sich 72 % der Verbraucher für eine verpflichtende Kennzeichnung aus… …beim Kauf ist jedoch Nachhaltigkeit nur für 0,9 % das entscheidende Kaufkriterium Preis Qualität Familie Finanzen Produktimage Ich selbst Freunde Marke Medien Nachhaltigkeit 0,0% 10,0% 15,0% 20,0% 25,0% 30,0% ©FfE BMWi-32 MONA-Massnahmen_eV_00022 Vgl. Bentley et al. 2004: Sustainable Consumption – Young Australians as Agents of Change Vgl. LessCO2 18 5,0% • Verbraucherverhalten spiegelt Erkenntnisse aus Psychologie wider: Wissen und Einstellungen führen nicht zwangsläufig zu Verhalten bzw. Handeln (= Einstellungs-Verhaltens-Inkonsistenz) • Freiwillige Maßnahmen (wie Labeling, aber auch Kompensationszahlungen) reichen zum Erreichen der Klimaschutzziele nicht aus, es besteht daher eine Notwendigkeit für politische Werkzeuge Aktuelles politisches Werkzeug: Handel mit Emissionszertifikaten – Beteiligte Branchen Quelle: Deutsche Emissionshandelstelle im Umweltbundesamt – Emissionshandel in Zahlen 2015 19 • Im derzeitigen Handelssystem geben die beteiligten Branchen die Mehrkosten für CO2 über die Preisgestaltung indirekt an den Kunden weiter • Es erfolgt keine direkte Einbindung des Kunden Einbindung der Kunden durch Steigerung der Transparenz: CO2-Zertifikatskosten als sichtbarer Bestandteil des Strompreises Idee Überschlägige Berechnung des Anteils der CO2-Zertifikatskosten am Strompreis Spez. CO2-Emission aus Stromerzeugung in Deutschland 2014: 569 g/kWh Quelle: UBA, 2015 CO2 CO2 CO2 CO2-Zertifikatspreis (Jan – Aug 2015): 7,26 €/t CO2 Quelle: EEX, 2015 Kalkulierter CO2-Preis zur Finanzierung des dt. Energie- und Klimafonds: 17 €/t CO2 Quelle: /DIHK-01 12/ € „CO2-Umlage“: 0,413 Ct/kWh Faktor 15 20 „CO2-Umlage“: 0,967 Ct/kWh Faktor 6 Vergleich: EEG-Umlage (2015) 6,17 Ct/kWh Personal Carbon Trading als Ansatz zur direkten Einbindung des Kunden in den Emissionshandel Personal Carbon Trading 2 Euro und 100 g CO2 Idee: Erfassung von Emissionen im Haushaltsbereich durch Einbezug von Individuen in den CO2-Handel Mit Karte, bitte! Ansatz: Kostenfreie Zertifikatszuteilung an Individuen, die beim Kauf an den Verkäufer abgegeben werden müssen Vorteile: Nachteile: • • • • • • • 21 Transparenz Schaffung einer Wissensbasis Ggf. Verhaltensänderung durch Bewusstseinsbildung Erfassung der gesamten Wertschöpfungskette durch Downstream-Ansatz Quelle: Umweltbundesamt – Personal Carbon Trading Systeme, 2014 • Administrativer Aufwand Zusätzliche Kosten Akzeptanz stark von Zuteilungsregeln abhängig Datenschutz bei Erfassung 5. Fazit – Was tun? 22 Zusammenfassung Fazit 23 1. Über freiwillige Anreize allein ist eine Änderung des Verbraucherverhaltens hin zu einer dauerhaften Reduktion der Treibhausgasemissionen unrealistisch 2. Durch die direkte Ausweisung von CO2-Emissionen kann die Sichtbarkeit der Klimawirksamkeit von Produkten und Dienstleistungen gesteigert werden 3. Diese gesteigerte Sichtbarkeit und Transparenz kann sich positiv auf die Akzeptanz für politische Instrumente und das Bewusstsein der Kunden auswirken Diskussion? Fragen? ? Umlage Diskussion Fragen? ! 24 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Ansprechpartner: Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Mauch +49 (89) 158121-0 [email protected] Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. Am Blütenanger 71 80995 München www.ffe.de 25
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