Die drei besten Videos der TyphoonCinemaGründer: 18 | MM45, 2.11.2015 | MENSCHEN Migrosmagazin.ch Porträt Dick im Geschäft dank Youtube Niemand in der Schweiz hat derzeit mehr Erfolg auf Youtube als die beiden Gymnasiasten Nicola Petersen und Ken Rotaris. Sie lassen Animations-Clips zu populären Videogames herstellen und verdienen damit richtig viel Geld. Text: Ralf Kaminski T yphoon Cinema heisst ihr YoutubeKanal. Er generiert täglich 1,5 Millionen Klicks und monatlich einen fünfstelligen Betrag an Werbeeinnahmen. Wer kein Teenager mehr ist und sich die verspielten, teils düsteren Animations-Clips anschaut, kratzt sich verwirrt am Kopf: Mit so was erreicht man über 840 000 Abonnenten? Doch wer so denkt, unterschätzt die Videogame-Leidenschaft der 13- bis 16-Jährigen. Sie sind die Zielgruppe von Ken Rotaris (20) aus Magden AG und Nicola Petersen (20) aus Muttenz BL. «Wir haben uns sehr genau angeschaut, was auf Youtube die meisten Clicks generiert», sagt Rotaris. Es steht also mehr geschäftliches Kalkül als persönliche Leidenschaft für die Inhalte hinter ihrer Geschäftsidee, wie er offen zugibt. «Gaming hat enorm zugenommen in den letzten Jahren, und auch Animationen sind sehr gefragt.» Mit ihrem Typhoon Cinema führen sie beides zusammen, indem sie Zusatzmaterial rund um populäre Videogames herstellen: animierte Clips, die mit den Figuren und der Handlung der Games spielen. Jeden Tag zwei neue Clips online «Youtube-Kanäle, die als Plattformen für Videos verschiedenster Leute dienen, gibt es schon lange», sagt Petersen. «Wir haben dieses Konzept übernommen und bieten freien Animationsdesignern einen Kanal für ihre Clips.» Als sie im April 2014 damit anfingen, fokussierten sie auf das extrem erfolgreiche Videogame «Minecraft»; mittlerweile sind sie umgestiegen auf «Five Nights at Freddy’s», ein Survival-Horrorgame, in dem man die Rolle eines Nachtwächters in einer Pizzeria übernimmt, der von diversen Robotern attackiert wird. Das Ziel ist zu überleben. Pro Tag stellen die beiden zu diesem Game zwei neue Clips online, immer um 20 Uhr und um 1.30 Uhr nachts. Bilder: Mirko Ries Ihre Geschäftsidee schlug ein wie eine Bombe. «Wir sind extrem schnell gewachsen», sagt Petersen, «und inzwischen gibt es einige, die uns zu kopieren versuchen, aber wir sind mit Abstand die grössten – weltweit.» Niemand in der Schweiz hat derzeit mehr Clicks auf Youtube als ihr Typhoon Cinema. Inzwischen haben die beiden sogar einen festen Angestellten. Das alles funktioniert nur dank der internationalen Vernetzung: Die Abonnenten kommen aus der ganzen Welt. «Zu Beginn hatten wir vor allem Zugriffe aus den USA, mittlerweile aber auch viele aus Russland und der spanischsprachigen Welt.» Genauso international wie ihr Publikum sind auch ihre bis zu 20 Animatoren. Die stammen aus Schweden, Norwegen, Serbien, England und anderen europäischen Ländern. Gefunden haben sie ihre Designer online, der Kontakt läuft über Skype und auf Englisch. «Die jüngsten sind 13 Jahre alt, und das sind die besten von allen», so Petersen. «Die sind extrem motiviert und kreativ.» Die ältesten sind Mitte 30. Das Honorar ist Verhandlungssache und hängt von Alter und Erfahrung des Animators ab, aber auch von der Grösse des Auftrags. Die Bandbreite liegt zwischen zwei- und vierstelligen Beträgen. Ideen für die Clips entwickeln sie selbst, schreiben kleine Drehbücher und komponieren Songs. «Manche Animatoren sind nicht so kreativ, die arbeiten gern mit Vorgaben», erklärt Rotaris. Andere sind sehr selbständig. Der kreative Teil ist das, was ihnen am meisten Spass macht. Es kann aber auch vorkommen, dass Videos nicht ihren Qualitätskriterien entsprechen, dann müssen die Designer nochmals ran. «Manchmal ist es nicht so leicht, den Jüngeren das beizubringen und sie zu motivieren, nochmals einen Anlauf zu nehmen.» Kennengelernt haben sich die beiden vor zweieinhalb Jahren im Fitnesscenter. Dort kamen sie ins Gespräch, entdeckten gemeinsame Interessen. Mittlerweile sind sie Geschäftspartner. Aber die Freundschaft gehe vor, versichern beide. Sie sind gemeinsam im Ausgang, gehen ins Kino, treffen Freunde. Aber sie haben deutlich weniger Zeit als früher, nicht mal für Freundinnen. «Das Business hat Vorrang», erklärt Petersen das Singledasein der attraktiven Jungs. Erst die Matura, dann ein neues Projekt Ihr Umfeld hat von ihrem Unternehmen lange gar nichts mitbekommen. Ein Artikel in «20 Minuten» hat dann allerdings viele Reaktionen ausgelöst. «Die meisten waren sehr positiv, aber ab und zu bekamen wir auch ein bisschen Neid zu spüren», sagt Rotaris. Zudem würden sie im Ausgang jetzt gern aufgefordert, eine Runde zu bezahlen; aber nur im Scherz, ergänzt Petersen. Das meiste Geld legen sie ohnehin auf die hohe Kante, denn wenn die Schule nächstes Jahr abgeschlossen ist, wollen sie ein noch professionelleres und grösseres Unternehmen gründen. Derzeit denken sie darüber nach, ihren Kanal zu verkaufen, um so Startkapital für eine weitere Idee zu generieren, zu der sie sich aber noch bedeckt halten. Vorerst müssen sie beide noch die Matura hinter sich bringen. Bei Rotaris stehen jetzt im Herbst die Prüfungen an, bei Petersen im Frühling. Ein Ziel wollen sie mit ihrem YoutubeKanal aber auf jeden Fall noch erreichen: die Millionenmarke knacken. Als sie Anfang April 100 000 Abonnenten erreichten, bekamen sie von Youtube eine Gratulationsplakette. Die nächste gibt es bei einer Million Abonnenten, die sei dann grösser und wertvoller, erklärt Petersen. «Wenn wir in diesem Tempo weiterwachsen, ist es spätestens im Laufe des Novembers so weit.» MM http://typhooncinema.com www.youtube.com/user/TyphoonCinema MENSCHEN | MM45, 2.11.2015 | 19 Gerade mal 20 und bereits global erfolgreich: Ken Rotaris (links) und Nicola Petersen mit ihrem wichtigsten Arbeitsinstrument. 30 | MM45, 2.11.2015 | MENSCHEN Liebe auf den ersten Blick: Auf seinem Monorad fühlt sich der Sissacher Pascal Häring am wohlsten. MENSCHEN | MM45, 2.11.2015 | 31 Pascal Häring und sein Monorad – die Videos: Migrosmagazin.ch Porträt Nach der Kündigung liefs plötzlich rund Mit 31 gab Pascal Häring seinen gut bezahlten Managerjob auf und erfüllte sich einen Kindheitstraum: Er wurde Zirkusartist. Seither tourt er mit seinem Roue Cyr um die Welt. Text: Andreas Bättig Bilder: Dan Cermak E in Reifen, 15 Kilogramm schwer, 181 Zentimeter Durchmesser, aus Metall, mit PVC überzogen: ein sogenanntes Roue Cyr – mehr braucht Pascal Häring (37) nicht, um los zulegen. Der 1, 72 Meter grosse Artist klam mert sich mit Händen und Füssen am Ring fest und dreht sich rasend schnell um die eigene Achse. Er hebt zwischendurch eine Hand hoch, geht in die Hocke oder stemmt sich spektakulär über den Reifen. Im Licht glitzern die SwarovskiSteine seines Kos tüms. Häring lässt die akrobatischen Kunst stücke lässig und elegant aussehen. Doch wenn er eine Pause macht, schnappt er nach Luft – das Ganze kostet Kraft. Pascal Häring ist professioneller Zirkus artist. Im Gegensatz zu vielen anderen Akro baten trainiert er nicht seit seiner Kindheit, sondern erst seit sechs Jahren. Vor dieser Zeit beschäftigte er sich vor allem mit sei nem Kopf: Er studierte Physik und Mathe matik und arbeitete nach dem Studium als Key Account Manager in einer international tätigen Firma. Mit 31 Jahren wurde ihm klar, dass er sein Leben komplett verändern möchte. Er kün digte seinen Job. «Ich jonglierte bereits als Kind zum Spass. Später traf ich mich regelmässig mit Leuten aus der Jonglier szene», sagt Häring. Auch sonst ist er ein be geisterter Sportler: Er arbeitete als Skilehrer und spielte Unihockey. Roue-Cyr-Training übers Internet Häring fand kurze Zeit später in der Zirkus schule CircoArts in Christchurch in Neusee land Unterschlupf. «Es war nicht einfach, eine Schule zu finden. Vielen war ich schlicht zu alt, eine Ausbildung kam nicht mehr in Frage.» Doch am anderen Ende der Welt fand er genau das, wonach er so lange gesucht hatte. «Es war das schönste Jahr meines Lebens. Ich konnte tun, was ich liebte, mit Leuten, die alle gleich tickten wie ich, die offen und kreativ waren.» mehr trainiert werden. Man hatte Angst um das Gebäude.» Zum Glück nahm das National Institute of Circus Arts im australischen Melbourne die Artisten aus Neuseeland auf. «Die hatten sogar ein höheres technisches Level.» Ein Jahr blieb er in Australien und konnte die Zirkusschule mit einer eigenen Nummer, einem australischen und einem neuseelän dischen Diplom in der Tasche abschliessen. Kunststücke auf hoher See Vielseitig begabt: Das Jonglieren ist eine von Pascal Härings Spezialdisziplinen. Pascal Häring trainierte von früh bis spät, übte Kunststücke ein, arbeitete an seinem Programm. Hier entdeckte er auch das Roue Cyr. «Es stand in einer Ecke. Als ich das erste Mal damit übte, hat es mich gleich begeistert.» In der kleinen Zirkusschule gab es jedoch keinen RoueCyrExperten, der Häring hätte trainieren können. Also suchte sich der Sissacher einen Trainer übers Inter net und wurde in Los Angeles fündig. «Er war bereit, mich zu coachen. Ich schickte ihm jede Woche Videoaufnahmen meines Trainings. Er gab mir, ebenfalls per Video oder in langen Mails, Feedback, wie ich mich verbessern konnte.» So war Häring auf dem besten Weg, die Zirkusschule mit Diplom und einer eigenen Nummer abzuschliessen. Zwei schwere Erd beben machten ihm 2011 jedoch einen Strich durch die Rechnung. «In unserem Haus kollabierten zwei Hauptmauern. In der Zir kusschule konnte wegen der Schäden nicht Seither ist er auf das Roue Cyr, Jonglage und Partnerakrobatik spezialisiert und führt ein für Zirkusartisten typisches Nomadenleben. So war Häring mit dem Circus Aotearoa auf Neuseelandtournee, spielte in den Weih nachtsshows «Swiss Christmas» in Zürich und «Noël en Cirque» in Valence d’Agen sowie auf einem Kreuzfahrtschiff, das zwi schen Kiel und Oslo verkehrt. «Ich war Teil einer Tanz und Musicalshow. Bei hohem Wellengang war es manchmal schwierig, die Nummer durchzuführen.» Häring hat kein Problem damit, ständig un terwegs zu sein. «Unter den Artisten bildet sich an jedem Ort eine kleine Familie. Ausserdem habe ich zu Hause in Basel ja noch meine Freunde.» Im Moment hat er sich in Bristol niedergelassen. Bis vor Kurzem tourte Häring durch Grossbritannien mit dem Musical «Barnum», einer erfolgreichen Show des weltbekannten Produzenten Sir Cameron Mackintosh, der Musicalhits wie «Cats», «Das Phantom der Oper» und «Les Misérables» produziert hat. Sollte er im fortgeschrittenen Alter nicht mehr in der Lage sein aufzutreten, möchte Häring eine ZirkusCompagnie oder schule managen. Denn ein Leben ausserhalb der Manege kann er sich kaum vorstellen. «In der Zirkuswelt kann man das neugierige Kind in sich bewahren. Das möchte ich bis zu meinem Lebensende tun.» MM Nächster Auftritt am 14. 11., «Art on Stage» in Biel BE.
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