Presseinformation Februar 2016 Partly Preminger Filme von Otto

Presseinformation
Februar 2016
Das Österreichische Filmmuseum präsentiert im Februar eine Schau rund um Otto Preminger.
Gleichzeitig freuen wir uns, in prominentem Rahmen ein anderes Großprojekt des Hauses vorstellen
zu dürfen: Robert Beavers‘ frühes Meisterwerk From the Notebook of… (1971) wird im Forum
Expanded der kommenden Berlinale (11. bis 21. Februar) erstmals in der vom Filmmuseum
erarbeiteten restaurierten Fassung zu sehen sein – in glorious 35mm. Die Restaurierung von From
the Notebook of... wurde mit Hilfe einer Filmpatenschaft von Markus Schleinzer realisiert.
Partly Preminger
Filme von Otto Preminger und anderen
„Zwei Dinge sind hier großartig: die einzigartige Schönheit dieses Landes und die unvorstellbare
Organisation der Filmfabrikation. Es ist ein unvorstellbar lautloses Ineinandergreifen von tausenden
kleinen Rädern, eine technische Vollendung bis ins kleinste Detail, dabei alles ohne Geschrei, ohne
Pathos. Die künstlerische Seite ist schon fragwürdiger. Nur sehr wenige können hier wirklich das
machen, was sie wollen. Ob ich zu diesen gehören werde, ist bis jetzt noch nicht entschieden.“
(Otto Preminger an Ferdinand Bruckner, 23. April 1936)
Unter den zahlreichen altösterreichischen Emigranten, die in Hollywood Filmgeschichte schrieben,
wurde Otto Preminger (1905–1986) einer der bekanntesten – eine Art Trademark. Beginnend mit
dem Film-Noir-Klassiker Laura (1944) etablierte er sich bei 20th Century Fox als Regisseur
komplexer Krimis (Fallen Angel, Whirlpool) und avancierter Melodramen wie dem bis heute ob
seiner Modernität verblüffenden Joan-Crawford-Vehikel Daisy Kenyon, bevor er 1953 seine eigene,
unabhängige Produktionsgesellschaft gründete. Dieser Schritt leitete eine zweite fruchtbare
Werkphase ein. Premingers offene, publikumswirksame Opposition zum production code
Hollywoods gab die Stoßrichtung für „relevante“, Aufsehen erregende und zeitgemäße Stoffe vor: „I
believe strongly that people must have the courage to live in their own period.“
An Otto Preminger Production versprach in den 1950er und 60er Jahren epische Ambitionen, oft
auf der Grundlage dicker Bestseller. Mit bestechender Detailfülle und der vielzitierten
Preminger'schen „Objektivität“ lotete etwa Anatomy of a Murder einen sensationellen, verzwickten
Vergewaltigungs-Gerichtsprozess aus (und fragte dahinter prinzipiell nach dem Wesen von Wahrheit
und Gerechtigkeit), Exodus die Gründung des Staates Israel oder Advise & Consent das intrigante
Innenleben der US-Politik.
Der Produzent-Regisseur dieser Filme trat als imagebewusster Impresario auf und setzte sich,
medienwirksam wie Alfred Hitchcock, als populäre (Kunst-)Figur in Szene: Beide waren so berühmt,
dass sie persönlich durch Trailer ihrer Filme führten. Der 1935 emigrierte Jude und Nazi-Feind
Preminger stilisierte sich allerdings eher nach dem Stroheim-Modell des teutonischen „man you love
to hate“ – mit markanter Glatze und berüchtigt für seine tyrannischen Züge. Als versierter showman
schnürte er mithilfe der genialen Vorspänne und Filmplakate von Saul Bass exakt durchkonzipierte
Produktions- und Publicity-Pakete. Und als selbsterklärte Galionsfigur eines Aufbruchs in die
künstlerische Autonomie geriet er zeitgleich zum Idealfall für die in Frankreich Furore machende
politique des auteurs. Die Pariser MacMahonisten z.B. erklärten ihn neben Raoul Walsh, Fritz Lang
und Joseph Losey zu einem der „vier Asse“ des Kinos.
Mit der Schau „Partly Preminger“ macht das Filmmuseum den Vorschlag, Premingers Werk aus
einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Nicht im Sinne des mythischen Künstlerbegriffs vom KinoAutor, der jedem „seiner“ Industrieprodukte einen unverwechselbaren Stempel aufdrückt – partly
truth and partly fiction, wie alle Mythen –, sondern eher wie den Rundgang durch ein Haus in
Hollywood: Dessen Zimmer verraten mal mehr, mal weniger über den Bauherrn (manchmal
buchstäblich: die Gemälde in seinen Filmen belegen das Auge des Kunstsammlers Preminger), sind
aber ebenso geprägt von anderen Faktoren und anderen Gestaltern. 15 ausgewählte
Regiearbeiten Premingers decken zu gleichen Teilen seine Zeit als Studio-Angestellter und
selbständiger Filmemacher ab, dazwischen River of No Return (1954) als Scharnier: eine letzte
Fox-Auftragsarbeit nach der Gründung seiner Produktionsfirma – und ein Western in Technicolor und
CinemaScope, der vor allem als Marilyn-Monroe-Film berühmt ist.
Bestimmte Schauspieler (die premingerianischsten: Dana Andrews und Gene Tierney) durchwirken
die Filme ebenso wie popkulturelle Kontexte, Studiostile, aktuelle Genre-Motive und wiederkehrende
Mitarbeiter. Premingers Vorliebe für komplizierte, lange takes und ausgewogene Komposition der
Figuren im Raum (in Anatomy of a Murder fast programmatisch zusammenlaufend) wird oft als
essentieller Ausdruck sowohl der distanziert-objektiven Weltsicht des ausgebildeten Juristen als auch
der Ensembleführungskunst des erfolgreichen Theaterregisseurs und Ex-Josefstadt-Direktors
gesehen. Aber es war auch ein im Noir-Kontext erarbeiteter Verdienst von Kameramann Joseph
LaShelle, Premingers wichtigem Wegbegleiter bei 20th Century Fox; in seiner postklassischen
Epoche lieferten Sam Leavitt an der (Breitwand-)Kamera oder Wendell Mayes als Drehbuchautor
ebenso entscheidende Beiträge.
Als würde man durch die Fenster des Preminger-Hauses Blicke auf benachbarte Wohnungen
werfen, bietet die Schau einen „Partnerfilm“ zu jedem der 15 Werke des Regisseurs – und lädt dazu
ein, ihre jeweiligen Qualitäten nicht nur entlang des Prinzips „Autorenschaft“ zu überprüfen, sondern
auch über andere Verwandtschaftsverhältnisse. Vom schlichten Fall des Remakes (The 13th Letter
nach Le Corbeau) über Produktionszusammenhänge (RKO-Noir im Jahr 1952: Angel Face und
Richard Fleischers The Narrow Margin) bis hin zu Fragen der Zeitgeschichtsschreibung (Exodus und
Israels Pionier-Produktion Hill 24 Doesn't Answer). Von erzählerischen Motiven (der „homme fatal“ in
Fallen Angel und Anthony Manns Raw Deal) über die Signatur einer Schauspielerin (Joan Crawford,
die „starke Frau“ von 1945, in Mildred Pierce und Daisy Kenyon, oder Jean Seberg, die
aufbrechende Jugend von 1960, in Bonjour Tristesse und À bout de souffle vom frühen PremingerBewunderer Jean-Luc Godard) bis hin zur stupenden Selbst-Neuerfindung alternder
Monumentalfilmgrößen mit kleinen, wendigen Produktionen im England der Swinging Sixties (Bunny
Lake Is Missing und William Wylers The Collector). Dreißig Triumphe, ihre Urheberschaft: Partly
Preminger.
12. Februar bis 3. März 2016
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Liste der ausgewählten Werke
Laura 1944, Otto Preminger
Fallen Angel 1945, Otto Preminger
Daisy Kenyon 1947, Otto Preminger
Whirlpool 1949, Otto Preminger
Where the Sidewalk Ends 1950, Otto Preminger
The 13th Letter 1951, Otto Preminger
Angel Face 1952, Otto Preminger
River of No Return 1954, Otto Preminger
Bonjour Tristesse 1958, Otto Preminger
Anatomy of a Murder 1959, Otto Preminger
Exodus 1960, Otto Preminger
Advise & Consent 1962, Otto Preminger
In Harm's Way 1965, Otto Preminger
Bunny Lake Is Missing 1965, Otto Preminger
Hurry Sundown 1967, Otto Preminger
Portrait of Jeannie 1948, William Dieterle
Raw Deal 1948, Anthony Mann
Mildred Pierce 1945, Michael Curtiz
La paura 1954, Roberto Rossellini
The Offence 1973, Sidney Lumet
Le Corbeau 1943, Henri-Georges Clouzot
The Narrow Margin 1952, Richard Fleischer
Way of a Gaucho 1952, Jacques Tourneur
À bout de souffle 1960, Jean-Luc Godard
Compulsion 1959, Richard Fleischer
Hill 24 Doesn't Answer 1955, Thorold Dickinson
The Manchurian Candidate 1962, John Frankenheimer
From Here to Eternity 1953, Fred Zinnemann
The Collector 1965, William Wyler
The Chase 1966, Arthur Penn
Weitere Informationen und Fotos finden Sie auf www.filmmuseum.at oder Sie wenden sich direkt an:
Alessandra Thiele, [email protected], T: + 43/1/533 70 54 DW 22
Eszter Kondor, [email protected], T +43/1/533 70 54 DW 12
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