Kurier, 17. Oktober 2015 Danny Leder TU-Architekten glänzen in Frankreich Foto: /Michael Zimmermann Die berühmte Klosterinsel Mont-Saint-Michel im Atlantik ist über den von Dietmar Feichtinger entworfenen Lauf- und Fahrsteg erreichbar Gegenseitige Inspiration führt zu austro-französischer Symbiose. Vorarlberger Holzbauweise Vorbild. Man könnte von der großen "Softpower" eines kleinen Landes sprechen. Ausgerechnet in Frankreich, einem Kernland der sowohl historischen als auch aktuellen europäischen Architektur (man denke nur an Stars wie Le Corbusier oder Jean Nouvel), wird einem dieser Tage bewusst, dass Österreich zu einer Art Großmacht der zeitgenössischen und nachhaltigen Architektur avanciert ist. Der Zufall will es, dass gerade jetzt zwei diesbezügliche Ereignisse Schlag auf Schlag aufeinander folgten. Am Freitag geriet der aus Bruck/Mur stammende und in Paris etablierte Architekt Dietmar Feichtinger, Schöpfer der auffälligsten Wasserquerungen Frankreichs der letzten Jahrzehnte, wieder einmal ins Rampenlicht. Bei einem Festakt wurde der Abschluss der Ausbuchtungsarbeiten des Mont-Saint-Michel begangen: Die Klosterburg-Insel im Atlantik ist wieder allumfassend von Wasser umgeben, wobei der Zugang über einen von Feichtinger geplanten, unglaublich geschmeidigen Lauf- und Fahr-Steg erfolgt. Einen Tag zuvor, am Donnerstag, hatte Österreichs Botschafterin Ursula Plassnik zu einem Kolloquium über "Architektur für das Klima" geladen – eine Vorleistung für den Pariser Weltklima-Gipfel Ende November. Es ist nicht das erste Mal, dass die einfallsreiche und passionierte Gesandte mit Veranstaltungen zu angesagten Themen auftrumpft. Aber mit dem Kolloquium über innovative Bau- und Beheizungsarten ist ihr ein Volltreffer gelungen. Eine Wienerin in Paris Foto: /Danny Leder Der Karriereverlauf der Mit-Initiatorin des Kolloquiums, der Wienerin Renée FloretScheide, die seit 1990 ein Architektur-Büro für Renovierungen in Paris leitet, illustriert das Erfolgsrezept talentierter Österreicher in Frankreichs Bau-Szene. Die Absolventin der Wiener TU hatte sich im Zuge ihrer Heirat mit einem Franzosen in Paris etabliert. 1991, obwohl damals noch unbekannt, erhielt sie unter 70 Mitbewerbern den Zuschlag für eine Sozialbau-Renovierung. Knapp gefolgt von Renovierungsaufträgen des französischen Außenministeriums für Frankreichs Botschaften in Riga und Belgrad. Chance für Junge "Zumindest damals wären derartige Erfolge für mich als Frau und eher jung in Österreich nicht so leicht gewesen", vermutet Floret-Scheide und bestätigt damit, was auch Dietmar Feichtinger gelegentlich über seinen Karrierestart in Frankreich berichtet, nämlich dass bei französischen Ausschreibungen die eingebrachten Bauprojekte ohne Vorbehalte gegen Jung-sein oder Ausländisch-sein beurteilt wurden. Gleichzeitig hatten die Österreicher einen Vorteil: "An der TU in Wien beschäftigten wir uns schon zu meiner Studienzeit mit energetischen Studien. Bauphysik war hingegen an Frankreichs ArchitekturHochschulen lange Zeit kein Thema. Es gab auch kaum Brücken zur Ingenieursausbildung." Bei der thermischen Isolierung würde Frankreichs Bauindustrie gegenüber Ländern wie Österreich oder Deutschland einen "20-jährigen Rückstand" aufweisen, bedauert Floret-Scheide. Aber seit rund sechs Jahren sei ein "ungeheurer Aufschwung" im Gange. Vorgaben der EU und der französischen Regierungen würden Frankreich im Neubau und bei der Altbestand-Sanierung "auf höchstes europäisches Niveau" treiben. In diesem nationalen Kraftakt hätten österreichische Erfahrungswerte eine Spitzenrolle. Dabei würden sich "französische Experimentierfreude und österreichisches Savoir-faire ideal kombinieren". Nicht nur kopieren Foto: /Philippe Ruault Diese gegenseitige Befruchtung zeitigte ihren spektakulärsten Erfolg im Wiederanstieg der Holzbau-Architektur in Frankreich, nachdem dieser in den 1980erJahren nach ersten originellen Anläufen im Nachkriegsfrankreich weggebrochen war. "Der Auslöser war Vorarlberg", sagt Dominique Gauzin-Müller, Professorin für Öko-Architektur. Gemeinsam mit Floret-Scheide organisiert sie seit Jahren Erkundungsfahrten aus Frankreich zur europäischen Avantgarde des Holz- und Passivbaus in Westösterreich. Bisher wurden 20.000 französische Architekten, Handwerker, Ingenieure, Bauträger und Kommunalpolitiker im Ländle empfangen. Es gab auch wichtige Nebeneffekte: Auf den langen Busfahrten nach Vorarlberg (Bregenz liegt auf halber Strecke zwischen Paris und Wien) kam es zur Überwindung der in Frankreich noch ziemlich tiefen Gräben zwischen diesen jeweiligen Fachgruppen. Einige Architekten beschränkten sich zwar aufs Kopieren und errichteten ihrerseits bloß "Vorarlberger Schachteln, von denen es inzwischen schon zu viele gibt", wie Gauzin-Müller bedauert. Aber andere wurden von der Grundeinstellung der der Vorarlberger Avantgarde beflügelt, dem Mut zum Tabubruch. Die Pariser Architektin Emmanuele Patte berichtet von Schlüsselerlebnissen in Vorarlberg: "Wir fragten uns ständig, wie konnten die das tun, etwa eine Holzdecke einziehen. In Frankreich würde das gegen die Bauordnung verstoßen. Und dann fiel bei uns der Groschen. Die Vorarlberger haben sich einfach gesagt, wir halten uns nicht mehr starr an Vorschriften und überdenken alles neu." Mut zum Risiko Resultat: Frankreichs aktuelle Holzarchitektur nützt in unkonventioneller Weise Bäume und Pflanzen (Frankreich hat einen der artenreichsten Waldbestände Europas) – Arten, die als Baumaterialien entweder in Vergessenheit geraten oder nie dafür in Betracht gezogen worden waren. Das löst inzwischen auch in Vorarlberger Fachkreisen Interesse und Bewunderung aus. "In Frankreich", meint Gauzin-Müller, "ist man manchmal weniger gründlich. Das hat aber den Vorteil, dass man enthemmter, risikofreudiger vorgeht." Gemeinsam mit der Kunstuniversität Linz konzipierte Gauzin-Müller eine Wanderausstellung über die Vielseitigkeit und Eigenständigkeit der französischen Holzarchitektur ("Die Leichtigkeit des Seins – aktuelle Bauten aus Frankreich"), die im Frühjahr in Dornbirn Halt machte – "da, wo alles begann". Dietmar Feichtinger "Architekt der auffälligen Diskretion" Der Mann aus Bruck/Mur ist ein Weltstar. Es gibt sonst kaum Architekten, die 13 Brücken in Europa und davon gleich zwei in Paris über der Seine errichtet haben. Trotzdem will der 54 jährige Dietmar Feichtinger, der aus Bruck an der Mur stammt, die TU in Graz absolvierte und seit 1989 von Paris aus wirkt, nicht ewig als „BrückenArchitekt“ abgestempelt werden. Tatsächlich hat Feichtinger etliche andere Objekte, darunter in Österreich etwa die DonauUniversität Krems und das Klinikum Klagenfurt erbaut. Aber die 2006 eröffnete „Passerelle Simone-deBeauvoir“ war wohl das Meisterwerk, das ihm zu Weltruhm verhalf. Die mit Holz verkleidete, mehrfach auf und ab-geschwungene Fußgängerbrücke trägt alle Merkmale, die auch wieder den gewundenen Steg zum Mont-Saint-Michel prägen. Nicht das Bauwerk selber, sondern dessen Eingliederung in das Umfeld sowie das Begehungserlebnis des Brückenbenützers und seine Sicht auf die monumentale Umgebung (der Pariser Gebäudehorizont beziehungsweise die Klosterburg im Fall des aus dem Watt aufragenden Mont Saint Michel) werden zelebriert. Allein diesem Zweck dienen die extrem ausgefeilten, nachhaltigen Materialmischungen und die Schwingungen und Windungen des Konstruktionsverlaufs. Das machte Feichtinger zum idealen Partner für die ökologische und einwohnernahe Wende, weg vom autoritären Pompbau, die die rotgrüne Pariser Stadtverwaltung einleitete. (kurier) Erstellt am 17.10.2015, 06:00 "Kleine Zeitung" vom 29.10.2015 Seite: 28 Ressort: Bundesland Kärnten Kärntner Wissen ließ Franzosen staunen Im Vorfeld der Weltklimakonferenz leisteten vier Personen aus Kärnten einen kleinen, aber wichtigen Beitrag. PARIS. „Das muss man ändern“, dachte Frankreich-Botschafterin Ursula Plassnik – und überlegte, wie man den „unterverkauften Innovationsgeist“ Kärntner Firmen in Frankreich bekannter machen könnte. Die Klagenfurterin organisierte das Kolloquium „Architektur für den Klimaschutz“ und lud auch drei „Zulieferer“ aus Kärnten ein: die System-Holzbaufirma „Weissenseer“, Holzenergie-Pionier und Unternehmens-Chef Walter Kohlbach aus Unterkärnten und die Wahlkärntnerin, Architektin und Unesco-Delegierte Jana Revedin. Kohlbach war die Aufmerksamkeit sicher: „Wir liefern auch eine Anlage nach Fukushima. Das ist indirekt eine Folge der Atomkatastrophe, weil Japan seine Energieversorgung erneuert.“ Seine kundenorientierten Lösungen, seine Pläne zum Abdecken von menschlicher Komfortund produktionsbedingter Prozessenergie „sind gut angekommen und wirtschaftliche Kontakte sind immer eine Option bei diesem Sehen und Gesehenwerden“. Revedin lobte Plassniks „klugen Aufbau“ des Kolloquiums. Als Schlussrednerin überführte sie die Beiträge über nachhaltige österreichische Industrie und Produktion in die globale Verantwortung – und freute sich: „Kärnten war sehr präsent, weil ein Großteil der Innovationsbeiträge von dort kam.“ Und legte diplomatisch nach: „Vielleicht hat Kärnten jetzt etwas mehr Raum gegenüber der bisher existierenden Vorarlberg-Lastigkeit.“ 80 Baubranche-Investoren, Architekten, Planer und Klimakonferenz-Verantwortliche folgten den Ausführungen interessiert. Botschafterin Plassnik war über den Auftritt ihrer Bundeslandsleute „geradezu gluckenartig stolz“: „Frankreich hat Nachholbedarf bei thermischer Sanierung und der Nutzung von Holz als Energieträger. Da können sie noch viel von uns lernen.“ Und weil die Veranstaltung als „Fahrplan für Lösungen“ anerkannt wurde, fließen die Kärntner Ideen sicher in den Klimagipfel ein. JOCHEN BENDELE NÖN, 30. 10. 2015 Green Jobs“ sind eine große Chance Horner Architekt Kislinger Vertreter Österreichs bei Vorbereitung der Klimakonferenz. 30.10. 2015 Architekt Johannes Kislinger (im Bild mit dem aktuellen Projekt des Umbaus der Volksschule Ziersdorf) aus Horn war einer der Vertreter Österreichs bei der Vorbereitung der Klimakonferenz in Paris. Foto: Martin Kalchhauser © Martin Kalchhauser In knapp fünf Wochen beginnt die 21. UNO-Klimakonferenz (Conference Of The Partners, kurz COP21) in Paris. Im Vorfeld organisierte Österreichs Botschafterin in Frankreich Ursula Plassnik ein Kolloquium, in dem Architekten und Unternehmer aus Österreich und Frankreich über Beiträge der Baubranche zum Umweltschutz berieten. Mit dabei war einer der Pioniere des „grünen Bauens“, der Horner Architekt Johannes Kislinger (AH3-Architekten). Architektur kann zum Klimaschutz beitragen Der von Plassnik persönlich eingeladene Horner Fachmann hielt in Paris ein Referat unter dem Titel „Architecture pour le climat“ („Klimafreundliche Architektur“). Dabei präsentierte er verschiedene Projekte und zeigte Fördermöglichkeiten auf. „Strenge Richtlinien in Bezug auf die Ökologie sind eine große Chance, um Jobs, vor allem sogenannte ,Green Jobs‘ (Arbeitsplätze im Umwelt-Technologiebereich, Anm.), zu schaffen“, lautet für Kislinger die Botschaft, die von dieser Veranstaltung ausging. „Erfreulich ist, dass unsere Leistungen noch immer herzeigbar sind, wenn wir auch in Bezug auf die Klimaziele viel an Terrain verloren haben.“ „Innovative Buildings of Austria“ hätten die Tagungsteilnehmer aus Frankreich beeindruckt, die Leistungen der rot-weiß-roten Architekten eine gute Figur gemacht. Auch ein AH3-Projekt war unter jenen, die im Vorfeld der COP21 präsentiert wurde. Kislinger: „Wie sich gezeigt hat, gibt es in Österreich erfreulich viele Förderungen für innovatives Bauen. Kurios ist, dass sie oft nicht abgeholt werden, weil die Auftraggeber bürokratische Mühen fürchten.“ Von Martin Kalchhauser
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