Ein Batzen für das gute Gewissen

4 LEBEN & WISSEN
NORDWESTSCHWEIZ
DIENSTAG, 15. DEZEMBER 2015
Ein Batzen für das gute Gewissen
Spenden Vor Weihnachten unterstützen wir gerne andere mit Geld. Das sagt auch etwas über uns selbst aus
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Der praktische Spender
Vier Mal die Höhe des Zürcher Prime
Towers wäre der Dollar-Turm von
Mark Zuckerberg, wenn er seine
Spende in 100-Dollar-Scheinen aufeinanderstapeln würde. Die Summe:
45 Milliarden Dollar. Sie wirkt noch
eine Spur gigantischer, wenn man sie
ausschreibt: 45 000 000 000. So viel
– 99 Prozent seines Vermögens – will
der Facebook-Gründer über die
nächsten Jahre für wohltätige Zwecke
spenden.
Nicht nur Zuckerberg und andere
Prominente sind eifrige Spender,
auch wir Schweizerinnen und
Schweizer gehören zu den grosszügigsten Geldgebern, wenn es darum
geht, ein Zeichen der Solidarität zu
setzen und weniger Bemittelten zu
helfen. Das Spendenvolumen der
Schweizer wird auf 1,7 Milliarden
Franken jährlich geschätzt. In den
vergangenen zwölf Monaten sollen
laut einer Umfrage von Demoscope
im Auftrag der Stiftung Zewo in der
Schweiz 72 Prozent der 15- bis 75-Jährigen einem Hilfswerk Geld gespendet haben. Weitere neun Prozent
können sich vorstellen, in den nächsten zwölf Monaten zu spenden. Nur
15 Prozent spenden gar nicht. Einzig
die Irländer und Briten mit 74 Prozent sind noch spendabler.
Auch wenn das Geld bei ihm nicht
so locker sitzt, will er spenden. Deshalb gibt er lieber Sachspenden,
zum Beispiel Altkleider oder ausgediente Spielsachen oder Werkzeuge. Oder er hilft als Begleiter älteren
Menschen und stellt sich als Aufgabenhilfe für Kinder aus sozial
schwachen Familien zur Verfügung.
Der patriotische Spender
Für ihn gibt es allein schon in der
Schweiz genug Armut und Unterstützungsmöglichkeiten. Deshalb
konzentriert er sich bei der Spendenvergabe nur auf Schweizer Institutionen. Er hilft Behinderten, Jugendlichen und dem Tier- und Umweltschutz.
Der nachhaltige Spender
Er spendet nur dann, wenn seine
Spende in mehrfacher Hinsicht Sinn
macht. Sie soll nachhaltig sein und
für konkrete Projekte eingesetzt
werden. Deshalb verschenkt er
handwerklich gefertigte Produkte
oder solche aus fairem Handel von
gemeinnützigen Institutionen, weil
er damit gleichzeitig auch diese unterstützt. Oder er spendet für Patenschaften für ein Kind aus der Dritten
Welt oder ein Bauprojekt in den
Schweizer Bergen.
Glasbox-Happening
Der bequeme Spender
ILLUSTRATION: KATINKA REINKE
Wie könnte man sich auch in diesen Tagen dem Spenden entziehen,
flattern doch derzeit Dutzende von
Bettelbriefen ins Haus. Manche locken mit kleinen Geschenken wie Kalendern, Büchlein oder Karten. Andere appellieren direkt ans Gewissen,
wie etwa Caritas, die ihren Einzahlungsschein zwischen zwei PapierBrotscheiben steckt. Mit dem wie
echt aussehenden Sandwich wollen
sie Geld für arme Familien in der
Schweiz sammeln. Am ComputerBildschirm poppen Spenden-Fenster
auf, wenn man eine Website anklickt,
auf der Strasse versperren junge
Fundraiser, die zu humanitären
Spenden aufrufen, den Weg. Auch
die lieblichen Weihnachtsklänge am
Fernseher aus den Kehlen der
Schweizer Lieblingssänger im Migros-Werbespot lassen die Seele nicht
kalt – und vor allem wenn am Schluss
Francine Jordi, Luca Hänni und Jaël
zum Spenden auffordern. Und erst
recht die Aktion «Jeder Rappen
zählt», die inzwischen wie ein nationales Happening auf dem Bundeshausplatz rund um die Glasbox inszeniert wird.
Das ist alles kein Zufall: Die Vorweihnachtszeit ist die Erntezeit im Spendenbereich. Dann sitzt das Portemonnaie bei den Leuten besonders locker.
«Wir sind dann grundsätzlich in einer
Dankeshaltung, weil wir im Jahresrückblick sehen, dass es uns gut gegangen
ist», sagt Georg von Schnurbein. Er ist
Leiter des Center for Philanthropy Studies in Basel und beschäftigt sich intensiv mit diesem Thema.
Deshalb weiss er auch genau, weshalb wir spenden. Mit Altruismus hat
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DIE SPENDERTYPEN
VON SILVIA SCHAUB
das heute wenig zu tun. Wir geben
schliesslich von unserem Überfluss.
Aber: Geben gibt – und zwar ein gutes
Gefühl. Denn der Mensch kann Ungleichheiten nicht gut ertragen. Und
so ist beim Geben immer auch ein Gewinn dabei. Einerseits ist da zwar ein
materieller Verlust, weil man Geld
spendet, ohne unmittelbar etwas zurückzuerhalten. «Dem steht aber ein
sozialer und emotionaler Nutzen gegenüber.» Spenden beruhe genau auf
dieser Reziprozität: Ich helfe in der
Erwartung, dass mir auch geholfen
wird, wenn ich mal Hilfe brauche. Das
ist für von Schnurbein übrigens auch
ein wichtiges Indiz für eine gut funktionierende Gesellschaft.
Schneller Warm-glow-Effekt
Man könnte den Betroffenen freilich auch direkt helfen, spendet aber
doch meistens einfach Geld. «Es ist
eben einfacher», so von Schnurbein. Vor
allem aber: «Es setzt ein schneller Warmglow-Effekt ein.» Eine wohlige Wärme, ein
angenehmes Gefühl beim Zeitpunkt der
Überweisung. «Helper High» nennt er es
auch. Nur ein Drittel der Menschen engagiert sich direkt. «Zeit ist heute wertvoller
als das Geld.»
Ein wichtiger Grund, weshalb wir
spenden, ist die Wahlfreiheit, die wir dabei haben. Während wir als Steuerzahler
beim Staat oft wenig Einfluss haben, wie
unser Geld eingesetzt wird, können wir
hier selbst entscheiden, wer eine Spende
erhält und wie hoch diese sein soll. Dabei spielt übrigens das persönliche Budget weniger eine Rolle. Es spenden nicht
nur die Superreichen. Zwar hat eine Untersuchung ergeben, dass tendenziell
solche mit höherem Einkommen mehr
Geld ausgeben. Relativ gesehen, geben
aber ärmere Menschen mehr Spenden
im Vergleich zu ihrem Einkommen. Be-
sonders spendabel sind ältere Menschen
und Protestanten.
Spenden muss einfach und unkompliziert ablaufen und ihm so wenig
Aufwand wie möglich bescheren.
Deshalb findet er es am bequemsten, wenn seine Spende gleich
durch den Mobilnetzanbieter eingezogen und der Monatsrechnung belastet wird.
Der spontane Spender
Irgendwo auf der Welt gibt es immer
eine Katastrophe, die ihn betroffen
macht. Der aktuellste Spendenaufruf ist für ihn deshalb immer auch
der wichtigste. Dafür hat er immer
einen Batzen übrig.
Gezielt spenden
Deshalb ist es auch wichtig, dass man
richtig spendet. Wie man das macht, kann
man zum Beispiel bei der Stiftung Zewo
(www.zewo.ch) erfahren. Generell macht
es Sinn, zuerst den Themenbereich genau
auszusuchen, dann zwei bis drei Institutionen und deren Projekte anzuschauen und
als Letztes gezielt eine Institution auszuwählen, der man spenden will. Es ist nicht
sinnvoll, viele kleine Einzelspenden zu
machen, weil das für die Organisationen
teurer ist und man in der Folge immer als
aktiver Spender angeschrieben wird.
Lieber spendet man 100 Franken an eine
Organisation als je 20 Franken an fünf.
Letztlich zählen aber der Wille und der
Wunsch, anderen etwas Gutes zu tun –
egal, welcher Spendentyp man auch ist
und welches Budget man hat.
Der offensive Spender
Wenn er Gutes tut, will er, dass es
möglichst die ganze Welt mitbekommt. Deshalb ist er stets darauf
bedacht, dass seine (grosszügige)
Spende publizistisch begleitet wird
und irgendwo sein Name auftaucht.
Der egoistische Spender
Eigentlich ist ihm gar nicht so ums
Spenden. Lieber gibt er sein Geld
für anderes aus. Doch dann meldet
sich sein schlechtes Gewissen. Um
dieses zu beruhigen, spendet er
mal hier, mal dort – und wird deshalb von unzähligen Hilfsorganisationen angeschrieben.
Heureka! Ein Rätsel weniger im All
Universum Wasser gibt es
auf mehr Planeten als bisher
angenommen. Forscher lüften
ein Mysterium um die
«heissen Jupiter».
VON CLAUDIO DULIO
Seit Anfang der 1990er werden immer
mehr Exoplaneten entdeckt und bestätigt. Das sind Planeten, die sich ausserhalb unseres Sonnensystems befinden.
Planetenjäger jagen sie und sind auf die
Sensation aus: Hat die Erde irgendwo
einen Zwillingsplanet und gibt es ausserirdisches Leben? Schritt um Schritt,
Rätsel um Rätsel. Die Geheimnislüfter
unseres Universums haben bislang
rund 2000 Exoplaneten entdeckt.
«Heisse Jupiter» – wie bitte?
In ihrem jüngsten Projekt haben die
Astronomen mit dem «Hubble»- und
dem «Spitzer»-Weltraumteleskop die
Atmosphäre von zehn Exoplaneten genauer untersucht. Die Analyse liefert
den bisher grössten Atmosphären-Katalog von Exoplaneten, wie das internationale Forscherteam um David Sing
von der britischen Universität Exeter
im Fachblatt «Nature» gestern verkündete. Unter anderem löste man das Rätsel, warum manche «heisse Jupiter»
vermeintlich weniger Wasser besitzen
als erwartet. Der Übername «heisse Jupiter» kommt daher, da sie genau so
grosse Gasplaneten wie der Jupiter in
unserem Sonnensystem sind, jedoch
umkreisen sie ihren Stern in sehr geringer Entfernung und werden dadurch
von dessen Strahlung stark aufgeheizt.
Erstmals analysierten die Forscher
die Atmosphären von zehn heissen Jupiter systematisch – vom Ultraviolettbis Infrarotlicht. Dafür wählten die Wissenschafter solche Exoplaneten, die
von der Erde aus gesehen regelmässig
vor ihrem Stern vorbeiwandern. Da der
Stern die jeweilige Atmosphäre von
hinten durchleuchtet, hinterlässt sie
auf diese Weise ihren chemischen «Fingerabdruck» im Sternenlicht. «Wir haben festgestellt, dass die Planetenatmosphären deutlich vielfältiger sind als
wir erwartet haben», berichtet Sing in
der Stellungnahme.
Wolken vernebelten die Sicht
Anhand der chemischen «Fingerabdrücke» konnten die Forscher nicht
nur verschiedene chemische Elemente
und Moleküle in den Atmosphären
identifizieren, sondern auch wolkenverhangene und wolkenfreie Planeten
unterscheiden. Die Wolken bestehen
nicht aus Wasserdampf, sondern aus
anderen chemischen Verbindungen
wie etwa Silikaten.
Während sich bei den wolkenfreien
Planeten deutliche Zeichen von Wasser
fanden, erschienen wolkenverhangene
Planeten wasserarm. Die neue Erkenntnis: Da die nachgewiesenen Wolken
und Dunst das Signal von Wasser verschleierten, sei das Wasser bei diesen
Planeten lediglich schlechter zu sehen.
Das Rätsel des scheinbar fehlenden
Wassers sei damit gelöst. (SDA/DPA)