Bereits 1876 schrieb Marian Graf v. Hutten

Bereits 1876 schrieb Marian Graf v. Hutten-Czapski in seinem Werk „Die Geschichte des
Pferdes“ zu den Eigenschaften eines Rennreiters: „Das Leben eines Jockeys ist ein Leben
voller Hingebung, Gefahren, Entbehrungen und Selbstbeherrschung … Er muß mächtig an
Kraft, schier eitel Sehnen und Muskeln sein … Er muß unerschrocken, gegen alle
Schmähungen taub, unermüdlich, seiner selbst Herr und gegen Schmerzen unempfindlich
sein.“ Erinnern wir folgend in Wort und Bild an den Dresdner Jockey vergangener
Jahrzehnte Gottfried Staude, der zweifelsohne diesen „Anforderungen“ genügte und mit
seinen Leistungen im Rennsattel etliche Kapitel Dresdner Turfgeschichte aktiv mitgestaltet
und damit maßgeblich zur Popularität des Galopprennsports beigetragen hat.
Gottfried Staude erblickte am 1. Juli 1943 in Weixdorf bei Dresden das Licht der Welt. Wie
viele Jungs seiner Zeit wollte er nach Abschluss der Grundschule Auto-Schlosser werden,
wurde aber aufgrund der zu kleinen Körpergröße mehrfach abgelehnt. So fand der Sohn des
Fleischermeisters Staude zunächst in der Landwirtschaft Beschäftigung, bis ihn sein Freund
Frank Giessmann eines Tages mit auf die Dresdner Rennbahn nahm. Dort zufällig ins Visier
von Trainerroutinier Erwin Streubel geraten, erkundigte sich dieser nach dessen Schuhgröße,
musterte die Hände und sagte: „Deine Hände sehr klein, aber schick Deine Eltern zu mir,
bekommst einen Lehrvertrag!“. Diese Botschaft freudestrahlend nach Hause getragen, setzte
es von der Mutter eine gewaltige Ohrfeige – denn Onkel Eduard, Schuhmacher von Beruf,
hatte durch leichtsinniges Wetten auf der Rennbahn „fast alles“ verloren. Nach vier Wochen
jedoch willigte die Mutter ein und am 1. August 1958 begann das 38 kg-Fliegengewicht am
Dresdner Rennstall von Erwin Streubel seine Ausbildung zum Berufsrennreiter.
Der erste Sieg des Lehrlings Gottfried Staude wurde am 25. September 1960 im Sattel des
Deichvogt-Sohnes First in einem Ausgleich IV über die 2400 m-Distanz auf der Heimatbahn
Ereignis.
Elm – der 100. Sieg für Jockey Gottfried Staude (re.),
zugleich der 150. Sieger für Trainer Werner Pietschmann (li.)
Gottfried Staude (re.) – 9 Jahre Stalljockey
bei Trainer Wolfgang Streubel (Rennstall Bergland)(li.)
Als lizenzierter Berufsrennreiter war er u. a. an den Rennställen der Trainer Heinz Zühlke
(1962), Ernst Gröschel (1963), Erwin Streubel (1966-69, [1967 2.Ruf]), Benno Domschke
(1967), Werner Pietschmann (1964-65, 1972-76), Wolfgang Streubel (1970-71, 1977-83),
Walter Genz (1984) und Walter Ringewald (1985) angestellt, wurde ob seiner Zuverlässigkeit
und stets ehrlichen Reitweise nicht selten auch von anderen Trainern engagiert.
Und wenn es ums Einspringen potentieller Hindernispferde ging, nahmen alle Dresdner
Trainer seine Dienste gern in Anspruch. Auch übernahm „Gottl“ so manchen Ritt auf
charakterlich schwierigen Pferden, wofür ihm seine Berufskollegen viel Anerkennung zollten.
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Allzu oft aber war der furchtlose Reitersmann vom Pech verfolgt. Einige unglückliche Stürze
unterbrachen mehrmals für längere Zeit seine Karriere. Den mit etlichen Knochenbrüchen,
einer Leberruptur und Nierenverletzung folgenschwersten Unfall erlitt Gottfried Staude 1975
in einem Dresdner Flachrennen, als sein Pferd Concertina kurz vor dem Ziel wegbrechend, in
eine das Geläuf begrenzende Hecke geriet und sich überschlug. Umso anerkennenswerter war
sein ungebrochener Wille, auch nach diesem Accident und der folgenden mehrmonatigen
Auszeit wieder in den Rennsattel zu steigen.
In der Saison 1981 war Gottfried
Staude mit 247 Ritten der
gefragteste Jockey unseres Landes.
Dabei erkämpfte er 32 Flach- und 7
Hindernissiege, belegte mit dieser
Bilanz in der Championatswertung
hinter Martin Rölke und Jürgen
Szydzik den dritten Platz! Allein 15
Siege gelangen auf der Heimatbahn,
wofür er – seit 1972 bereits zum
fünften Male – mit dem Silbernen
Hufeisen von Dresden geehrt
werden konnte.
Zum erfolgreichsten Jahr in seiner
25-jährigen Jockeylaufbahn gehören
Fallada (G. Staude) vor Cris (J. Etzdorf) –
vor allem die beiden Siege mit dem
leichter Sieg des späteren Derbysiegers in Dresden
von Harald Franke (Hoppegarten) trainierten Wildschütz-Sohn Fallada in der Dresdner
Derbyvorprüfung namens Preis der VE Gestüte (vormals Herold-Rennen) und dem
Internationalen Freundschaftspreis in Hoppegarten. Bereits mit dem zweijährigen Fallada
hatte Gottfried Staude einen Sieg auf der anspruchsvollen Hoppegartener geraden Bahn erzielt
– nur beim Derbysieg des Görlsdorfer Cracks saß er „auf dem falschen Pferd!“.
Gottfried Staude heute: „Die drei Siege mit Fallada bleiben für immer unvergessen, es war
das beste Pferd, das ich in Rennen reiten durfte!“
Die wertvollsten Siege Gottfried Staudes im Großen Sport haben wir in nebenstehender
Übersicht aufgeführt.
Jahr
1972
1973
1974
1981
1984
Rennen
Pferd
Abstammung
Züchter
Großer Preis von Dresden
Tannenhäher – Immortelle
Ch. Hartmann
Imker
Preis der VE Gestüte *)
Carolus – Isabella
K. Schölzel
Ingolf
Meridian – Crema
Gestüt Lehn
Gr. Stutenpreis d. Dreijährigen
Cressida
Preis der Vollblutzucht
Bernardus - Bycanz
Byrd
Dresdner Steher-Ausgleich
Bernardus – Pfalzmädel
Gestüt Graditz
Pfeil
Wildschütz - Forle
Gestüt Görlsdorf
Preis der VE Gestüte *)
Fallada
Internationaler Freundschaftspreis
Aveiro - Wiete
Gestüt Lehn
Preis des VE Gestütes Neustadt **)
Witold
33. Triumph
Preis der VE Gestüte *)
Wildschütz – Heroine
Gestüt Görlsdorf
Herodot
*)
**)
… Dresdner Preis der Dreijährigen / Herold-Rennen
… Oleander-Rennen
Trainer
W. Pietschmann
Fr. I. Rieke
W. Pietschmann
F. Borrack
H.Franke
H.-J. Gröschel
H. Franke
Und von den zahlreichen Siegen im Hindernissport seien jene mit Minneklang im Großen
Leipziger Hürdenrennen und mit Gambrinus im Jagdrennen der Dreijährigen genannt.
Viel Interessantes aus dem Reiterleben des sympathischen Sportsmannes Gottfried Staude
jenseits aller erkämpften Siegestrophäen gäbe es noch zu berichten, so von seinem
Lieblingspferd Crispin oder von dessen Halbbruder Colombo, der als Dresdner
Derbyhoffnung 1972 im Herold-Rennen kurz nach dem Start einen schweren Niederbruch
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erlitten hatte und nach tierärztlichem
Entscheid getötet werden musste.
Wir werden in einer
kleinen
Reminiszenz
„Dresdner
Turfgeschichten von einst und jetzt“
darauf zurückkommen.
Im Jahre 1985 wechselte Gottfried
Staude ins Trainermetier, übernahm
nach dem Tod des 81-jährigen
Altmeisters Walter Ringewald die
Leitung des Rennstalles Schorfheide
in Hoppegarten. Bis 1990 sattelte
der
Dresdner
in
seiner
„Wahlheimat“ 86 Sieger, von denen
Colombo (G. Staude) – Aufgalopp zum Herold-Rennen 1972
zuvorderst der 1983 in Görlsdorf
Das letzte Foto des famosen Lehner Hengstes, der nach einem in dieser
gezogene Travertin in Erinnerung
Derbyvorprüfung erlittenen Beinbruch aufgegeben werden musste
bleibt. Kaum verwunderlich, dass
Gottfried Staudes bestes Pferd im Hindernissport auftrumpfte! Als Vierjähriger sorgte der
leistungsstarke Aveiro-Sohn a. d. Traubenblüte vor allem mit den Siegen im Großen
Leipziger Hürdenrennen unter Thomas Dunkel und in der LIPSIA in der Hand von Jochen
Etzdorf für Furore.
Seine zahlreichen Dresdner Turffans
konnten “Gottl“ in 1987 und 1988 als
Teilnehmer der traditionellen Dresdner
Trainerrennen noch einmal im Rennsattel
erleben.
Als im Jahre 1990 im Rahmen der
Neuausrichtung
des
ostdeutschen
Rennsports unter dem Direktorium für
Vollblutzucht und Rennen e. V. (Köln) und
der damit verbundenen Privatisierung der
Rennställe die einstigen „volkseigenen“
Pferde verkauft und teils ausgemustert
wurden, sah Gottfried Staude beim
Trainer Gottfried Staude im Sattel von Marcello auf dem Weg zum Start des Dresdner Trainerrennens 1987
Anblick seines „fast leeren Stalles“ und
auch in Anbetracht seines Alters für sich keine Perspektive als Public-Trainer. Sein kurzes
Statement: „Da habe ich Schluss gemacht!“ Einige Jahre aber blieb der erfahrene
Pferdemann dem Turf noch treu, u. a. als Futtermeister und Arbeitsreiter am Rennstall von
Eckehart Gröschel.
Und so ganz ohne Pferde, die ja sein Leben von frühester Jugend an geprägt haben, geht es
einfach nicht! Heute arbeitet der mittlerweile einundsiebzigjährige Rentner „Gottl“ Staude
stundenweise in einem Sportpferdestall auf dem Gutshof Neuenhagen und wohnt in einem
kleinen Domizil über seinem ehemaligen Rennstall, der aktuell die Racer von Trainer Frank
Trobisch beherbergt.
Der Name Staude ist den älteren Rennbahnbesuchern auch in Erinnerung an Christina und
Jaqueline Staude bekannt. Gottfrieds einstige Ehepartnerin Christina begann ihre
rennsportliche Laufbahn unter ihrem Mädchennamen Ordnung als Amateurreiterin am
Lehner Filialstall Lausitz von Werner Pietschmann, qualifizierte sich zur Agrar-Ingenieurin
und wurde als Berufsreiterin und Futtermeisterin alsbald zu einer wichtigen Stütze des
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Trainers. Von 1990 bis 1996 arbeitete Christina Staude als selbständige Trainerin in
Dresden-Seidnitz. Die Saison 1993 war ihr erfolgreichstes Jahr, wofür vor allem die
Galopper Sabos, v. Nebos, Sterna Diana, v. Daun, beide im Besitz des Stalles Meridian, der
alte Kämpfer Alaskasturm, v. Intervall, Tarai, v. Authi und der noch aus Lehner Zucht
stammende Parole Board-Sohn Famur sorgten.
Und die gemeinsame Tochter Jaqueline war einige Jahre als Rennreiterin aktiv, erzielte von
1991 bis 1998 in summa 30 Siege. Der letzte Erfolg gelang am 20. Juni 1998 im Sattel von Le
Figaro im Hoppegartener Max Jentzsch-Memorial.
Witold (G. Staude) auf der Siegerparade nach dem Erfolg
im Dresdner Jahrgangsvergleich TRIUMPH 1981
Preis der VE Gestüte 1984 (vormals Herold-Rennen)
Aufgalopp des späteren Siegers Herodot (G. Staude)
Halali-Renntag 1981 in Dresden-Seidnitz
Ehrung der Champions Martin Rölke und Joachim Etzdorf
sowie der Gewinner des Silbernen Hufeisens von Dresden
Trainer Georg Matthias (Hoppegarten) und Jockey Gottfried
Staude im Kreise des in den Ruhestand verabschiedeten
Dresdner Trainers Fritz Borrack
Dresdner Trainerrennen 1987 –
Erinnerungsfoto nach der Überreichung der Andenken an die
teilnehmenden Trainer (im Bild v. l.) Georg Matthias, Hans
Lubenow, Hans-Jürgen Gröschel, Gottfried Staude, Hendrik
Uecker und Werner Bauermeister durch den Dresdner
Betriebsteilleiter Frank Richter (3. v. re.)
Text: K. D. Graage, Fotos: Hilde Hoppe-Archiv by F. Sorge (3), KDG-Archiv (6)
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