Wirtschaft Wer zahlt für sein eigenes Wissen? Museen – wenn das Kalkül gewisser Dienstleister aufgeht! Die Weiterbildung von Service- und Aufsichtspersonal ist vielen Museen ein wichtiges Anliegen. Bei manchen Programmen ist jedoch Achtsamkeit geboten, z.B. wegen des damit verbundenen organisatorischen und finanziellen Aufwandes. In loser Folge greift KulturBetrieb Aspekte zum Thema auf – auch, um über aktuelle Entwicklungen zu informieren. Vergabe gründlich geprüft werden. Das betrifft z.B. Vertragskonditionen, die darauf zielen, das Produkt exklusiv und längerfristig anzuwenden, es bei der Besetzung von Stellen zu fordern, in Haus- oder Besucherordnungen zu implementieren oder es zugunsten eines Unternehmens der Privatwirtschaft (!) aktiv zu bewerben.4 Neben solch rechtlichen Aspekten sind auch zentrale Kompetenzen zu hinterfragen, darunter Erste Hilfe. Wenn z.B. Trainer ohne die üblichen Befähigungsnachweise Während Ausstellungsetats schrumpfen, … lebenswichtige Maßnahmen im Schnelldurchgang vermitteln, Seit geraumer Zeit befassen sich viele Museen mit ihren eigenen kann das bei den Kursteilnehmern zu gefährlichem Halbwissen Sammlungen. Zu den positiven Gründen zählt ein gewachsenes führen. Museen sind gut beraten, solche Kurse von Fachleuten Interesse an der eigenen Geschichte und Identität. Schließlich aus dem Rettungs- und Sanitätswesen durchführen zu lassen.5 sind Alleinstellungsmerkmale von wachsender Bedeutung im Im Kontext der Einsparungsauflagen bei Museen sollte das Wettbewerb um die Gunst der Besucher. Dagegen leiden Modell Echocast aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht sehr Museen unter zunehmender Bürokratisierung, struktureller genau geprüft werden. Die bemerkenswert hohen Gebühren für Unterfinanzierung oder unzureichender Personalausstattung.1 diverse Zertifizierungen, die zu Trainerhonoraren und möglichen Zudem werden zentrale Bereiche des musealen Auftrags immer weiteren Kosten hinzukommen, wurden bereits in Ausgabe zwei stärker von wirtschaftlichen Belangen und rechtlichen Hürden 2015 dieses Magazins erläutert. Für Museen mit 100 und mehr (z.B. Ausschreibung und Vergabe) geprägt. „War schon immer Service- und Aufsichtskräften können sich allein diese Gebüh- so!“, mag man einwenden. Richtig, aber es wird fragwürdig, ren innerhalb von drei Jahren leicht auf über 20.000 Euro wenn Museen gleichzeitig kostenintensive Aufträge an externe summieren!6 Davon könnten einige Transporte, Vitrinen und Dienstleister vergeben, die in beachtlichem Umfang vom Kunstvermittler bezahlt werden. Damit aber nicht genug. hausinternen Fach- und Sachwissen der Institutionen selbst … die auf hausinternem Know-how basieren! profitieren! Der bis zu acht Tage umfassende Lehrplan von Echocast sieht … verdienen Externe an kostenintensiven Schulungen, … ein Modul „Hausspezifische Einführung“ vor: „TeilnehmerInnen Ein Beispiel sind Schulungen für das Service- und Aufsichtsper- lernen die Organisation kennen, für die sie arbeiten. Ihre Auf- sonal in Museen. Solche Maßnahmen empfehlen sich, um einen gaben und an sie gestellte Erwartungen werden ihnen freundlichen und kompetenten Service für das Wohlbefinden vermittelt.“7 Diese Inhalte sind für einen guten Besucherservice der Besucher und die Sicherheit der Exponate zu gewährleisten. hilfreich. Dennoch sollten potenzielle Auftraggeber sich darüber Wichtig ist zudem, die Kräfte an das Haus zu binden, denn im Klaren sein, woher das zu vermittelnde spezielle Wissen über aufgrund der aktuell guten Lage am Arbeitsmarkt fällt es öffent- „ihr“ Museum stammt. Will man dieser Aufgabe gerecht werden, lichen Einrichtungen und Unternehmen aus dem Bewachungs- sind alle Bereiche moderner Museumsarbeit einzubeziehen: und Sicherheitsgewerbe nicht leicht, Personal zu finden, das auf Darunter Organisation und Verwaltung, Technik und Sicherheit, Basis des gesetzlichen Mindestlohns arbeitet.2 Da die Angebote Sammlungs- und Ausstellungskonzept, Vermittlung und Öffent- an Schulungsmaßnahmen vielfältig und mitunter komplex sind, lichkeitsarbeit aber auch Restaurierung, Registrars und Depot. sind potenzielle Auftraggeber gut beraten, den konkreten Ein externer Dienstleister wird kaum in der Lage sein, sich Bedarf genau zu definieren und die einzukaufende Leistung selbstständig profunde Kenntnisse über eine ihm fremde darauf abzustimmen. Zu den wichtigsten Leitlinien der Ent- Einrichtung zu erarbeiten. Da dieses spezifische und gegebe- scheidungsfindung für öffentliche Einrichtungen zählen die nenfalls vertrauliche Wissen nur aus den verschiedenen Regeln des Ausschreibungs- und Vergabeverfahrens, die Abteilungen des Hauses selbst kommen kann, gibt es für die Qualität des Anbieters sowie das Gebot der Wirtschaftlichkeit Vermittlung der Inhalte nur zwei Optionen: Die mit dem Gegen- und Sparsamkeit.3 stand vertrauten Mitarbeiter des Museums referieren selbst, Unter den hierzulande offerierten Maßnahmen steht das Produkt oder sie vertrauen ihre Kenntnisse und Unterlagen einer exter- Echocast für einen zeitlich, organisatorisch und finanziell nen Kraft an, die das Material für eine ganztägige Schulungs- beachtlichen Aufwand. Inwieweit dieser mit den o.g. Kriterien einheit aufbereitet. Mit Blick auf die dünne Personaldecke vieler des öffentlichen Auftragswesens vereinbar ist, sollte vor einer Häuser dürfte es meist auf Letzteres hinauslaufen. Ergänzend 1 © KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven; Ausgabe vier (November 2015); www.kulturbetrieb-magazin.de zur Vermittlung der theoretischen Inhalte bleibt zu klären, wie 2 die zu schulenden Teilnehmer das Haus praktisch kennen in Museen. Worauf Museen bei Auswahl und Vergabe achten sollten, in: lernen. Wer organisiert und koordiniert das und wer begleitet KulturBetrieb, zwei 2014, S. 76-77; ders., Zunehmender Wettbewerb auf die Gruppen auf ihrem Rundgang? Diverse Mitarbeiter des dem hiesigen Arbeitsmarkt. Kulturbetriebe sollten mehr in Qualifizierung Vgl. Berthold Schmitt, Schulungen für Service- und Aufsichtspersonal Museums oder der externe Trainer, dem man zuvor das entspre- und Anerkennung des Service- und Aufsichtspersonals investieren, in: chende Know-how und die nötigen Schlüssel ausgehändigt hat? KulturBetrieb, Ausgabe vier 2013, S. 28. Während inhaltliche, organisatorische, praktische und (versiche- 3 rungs-) rechtliche Belange offen bleiben, errechnet sich das zu um jeden Preis, in: KulturBetrieb, drei 2014, S. 68-70. erwartende Honorar für den Trainer leicht: Bei 100 Personen 4 Vgl. ders., Schulungen für Besucherservice sind wichtig, aber nicht Zum Memorandum für potenzielle Mitglieder vgl. www.echocast.eu/ (einschl. Teilzeitkräfte), großzügig aufgeteilt in fünf Gruppen à museen-und-kulturelle-einrichtungen/wie-werde-ich-mitglied/; Abfrage: 20 Teilnehmer und einem Tagessatz von 1.000 Euro, beläuft sich 09.08.2015 das Honorar für fünf Tage auf ca. 5.000 Euro. Bei 300 Personen 5 Vgl. Berthold Schmitt, Im Notfall richtig handeln: Erste Hilfe in Kultur- werden die Beträge rasch fünfstellig, d.h. es gibt Häuser, die betrieben. Service- und Aufsichtspersonal nur von Fachleuten schulen einerseits an Strom, Wasser und Ausstellungsbetrieb sparen, lassen, in: KulturBetrieb, Ausgabe vier 2014, S. 66 f. und gleichzeitig bereit sind, 15.000 Euro und mehr für ureigenes 6 Fach- und Sachwissen auszugeben! Dies geschieht entweder der Qualifizierung von Service- und Aufsichtspersonal in relevante Vgl. ders., Deutschkurse statt Prüfungsgebühren! Museen sollten bei durch direkten Auftrag des Museums an Echocast oder indirekt Inhalte investieren, in: KulturBetrieb, zwei 2015, S. 63-66. über die Verrechnungssätze ihrer Dienstleister aus dem Wach- 7 www.echocast.eu/zertifizierung/echocast-lehrplan/; Abfrage: 09.08.2015 und Sicherheitsgewerbe, die ihr Personal nach besagtem 8 www.echocast.eu/museen-und-kulturelle-einrichtungen/; Abfrage: Programm schulen lassen. Um solche Ausgaben in Einklang mit 09.08.2015 dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu bringen, 9 sollten die beauftragenden Einrichtungen bei Nachfrage durch in: Kölner Stadt-Anzeiger, 11.11.2014; Quelle: www.ksta.de/koeln/-mu- Zum Museum Ludwig vgl. Andreas Damm, Regelmäßig droht die Pleite, Rechnungshöfe oder Rechnungsprüfungsämter auf gute Argu- seum-ludwig-regelmaessig-droht-die-pleite,15187530,29019568.html; mente verweisen können. Zu den Häusern, deren Personal nach Abfrage: 09.08.2015; zum Rautenstrauch-Joest-Museum vgl. Bettina diesem Programm geschult wird, zählen z.B. die Museen der Janecek, Die Mängelliste bleibt geheim, in: Kölner Stadt-Anzeiger, Stadt Köln. Echocast bezeichnet u.a. das Museum Ludwig und 08.02.2015; Quelle: www.ksta.de/koeln/rautenstrauch-joest-museum- 8 das Rautenstrauch-Joest-Museum als sog. „Mitgliedsbetriebe“. die-maengelliste-bleibt-geheim,15187530,29784020.html; Beide Häuser betrachten sich übrigens seit Jahren als unter- 09.08.2015; Jochen Hilgers, Das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum finanziert und sind auch aktuell mit außergewöhnlichen Belas- vermisst Kunstwerke: Wird das Depot schlampig geführt?, in: 9 tungen konfrontiert. Abfrage: www1.wdr.de/studio/koeln/themadestages/rautenstrauch114.html; Abfrage: 09.08.2015; vgl. dazu Berthold Schmitt, Depots und Archive „Sag mir, was Du weißt, und bezahl mich dafür!“ angemessen ausstatten, in: KulturBetrieb, Ausgabe drei 2015, S. 44 f. Kompetentes, engagiertes und freundliches Service- und Aufsichtspersonal hat eine Schlüsselrolle für den Erfolg der Museen. Mit Blick auf ihre begrenzten Budgets sollten poten- SchmittART. Beratung | Konzeption | Public Relations zielle Auftraggeber von Schulungen aber nicht nur darauf Dr. Berthold Schmitt, Inhaber (Kunsthistoriker, ehem. Museums- achten, welche Leistungen sie erhalten. Sie sollten sich zugleich und Ausstellungskurator, Trainer von Service- und Aufsichts- fragen, welchen personellen und technischen Aufwand sie personal in Museen) dabei selbst betreiben müssen und ob sie wirklich bereit sind, für ihr originäres Know-how zu zahlen?! Leistungen Unabhängig davon bleibt die grundsätzliche Frage: Weshalb • „QEM – Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal“ sollte eine Museumslandschaft, die sich durch lokale, regionale (Schulungsmaßnahme) und länderspezifische Vielfalt und Einzigartigkeit ihrer Institutio- • Ausschreibung und Vergabe sowie Schulung und Qualifi- nen auszeichnet, einen europaweit standardisierten Besucher- zierung von Service- und Aufsichtspersonal im Museum service einführen? (Informationsseminare) • Beratung zur Weiterbildung von Service- und Aufsichts- Berthold Schmitt kräften im Museum Wielandstraße 5, 04177 Leipzig 1 Vgl. Bernhard Graf und Volker Rodekamp, Bilanz und Perspektive, in: Tel 0049 | 341 | 5296524 Museen zwischen Qualität und Relevanz. Denkschrift zur Lage der Museen (Berliner Schriftenreihe zur Museumsforschung; Bd. 30), Berlin [email protected] 2012, S. 413 ff. www.schmitt-art.de 2
© Copyright 2025 ExpyDoc