Wenn Regen fehlt - Schweizerisches Rotes Kreuz

Humanité
4 | 2015
Äthiopien
Das SRK für Menschen auf der Flucht
Gemeinsam gegen die Not
Patientengeschichte
Brennen für Gerechtigkeit
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Sport spricht alle Sprachen
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Für Jugendliche in Not
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Wenn Regen fehlt
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Impressum
Humanité 4/2015
Dezember 2015
ISSN 1664-1159
Titelbild und Rückseite: Remo Nägeli
Herausgeber: Schweizerisches Rotes Kreuz,
Rainmattstrasse 10, Postfach, 3001 Bern
Telefon 031 387 71 11, [email protected],
www.redcross.ch
12
ZUR SACHE – Das SRK für Menschen auf der Flucht
Gemeinsam gegen die Not
14
ENGAGIERT – Für Jugendliche in Not
Sport spricht alle Sprachen
16
VOR ORT – Ausstellung im Verkehrshaus
Das SRK lädt Sie zu einer Weltreise ein
18
PERSÖNLICH – Bruno Parent, Samariter
Der Mann der Tat
22
FÜR SIE DA – chili-Konflikttraining
Mit Lächeln statt Gewalt
25
ERLEBT – Ecuador
Fischerin von Rocafuerte
26
ERLEBT – Patientengeschichte
Brennen für Gerechtigkeit
29
KREUZ & QUER
Ein grosser Teller für die Gemeinschaft
Rätsel/Cartoon
Spenden: Postkonto 30-9700-0
Beratung für Legate: Telefon 031 387 72 83
Adressänderungen: E-Mail an [email protected]
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Redaktionsadresse: Schweizerisches
Rotes Kreuz, Redaktion Humanité,
Postfach, 3001 Bern,
[email protected], www.magazin-humanite.ch
Redaktion: Tanja Reusser (Redaktionsleitung), Célia Francillon
(Gesundheit und Integration), Annette Frommer (Gesundheit
und Integration), Andreas Häner (Public Fundraising), Daniela
Mathis (Internationale Zusammenarbeit), Isabelle Roos (Corporate Partnerships), Isabel Rutschmann (Kommunikation),
Katharina Schindler (Internationale Zusammenarbeit), Regula
Zellweger (Internationale Kommunikation)
Mitarbeitende dieser Ausgabe: Annette Godinez, Farah
Hakimi, Markus Mader, Marco Ratschiller, Karl Schuler, Julia
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Abo-Kosten: Das Abonnement kostet CHF 6.–
pro Jahr und ist für SRK-Gönnerinnen und
SRK-Gönner im Beitrag enthalten.
Erscheinungsweise: vier Mal jährlich
Sprachen: deutsch, französisch und italienisch
Gesamtauflage: 121 968
Bildrechte aller Fotos ohne Hinweis:
Schweizerisches Rotes Kreuz
Übersetzungen: Übersetzungsdienst SRK
Layout, Lektorat und Druck: Vogt-Schild Druck AG,
Derendingen
Nächste Ausgabe: Februar 2016
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Drucksache
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© myclimate – The Climate Protection Partnership
Für Humanité wird ausschliesslich Recyclingpapier
verwendet, das aus 100 % Altpapier hergestellt wurde. Dies schont Ressourcen und somit die Umwelt.
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Humanité 4/2015
REPORT – Äthiopien
Wenn Regen fehlt
Aus Krisen lernen
Frühzeitig reagieren
© Roland Blattner
EDITORIAL
Mehr als jemals zuvor
Liebe Leserin, lieber Leser
Die grosse Zahl von Flüchtlingen, die seit Monaten nach Europa strömen, führt uns
eindringlich vor Augen, dass die Lebensbedingungen für Menschen weltweit extrem unterschiedlich sind. Wir mögen argumentieren, dass es noch nie Gerechtigkeit gab in der
Geschichte der Menschheit. Das kann sein. Doch nie zuvor gab es Texte und Bilder, die
sich sekundenschnell über den Globus verbreiten und so viele Menschen, die sich dank
Flugreisen selbst ein Bild anderer Länder machen können. Dadurch sind wir rascher und
besser informiert als jemals zuvor. Auch über das Leid von Menschen, die weit weg von
uns leben. Ich sehe es als Chance, dass die Welt durch die neuen Kommunikationstechnologien näher zusammengerückt ist. Das muss uns mehr als jemals zuvor motivieren,
mehr zu tun für die Notleidenden anderswo. Resignieren angesichts der Not wäre falsch
und menschenunwürdig. Es ist unsere Pflicht dort zu helfen, wo die Not am grössten
ist. Denn so fern sind sie gar nicht, die Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen
leben müssen. Das halten uns die Bilder aus Griechenland oder Serbien und dem nahen
Deutschland, wo täglich tausende Flüchtlinge neu eintreffen, deutlich vor Augen.
Das SRK engagiert sich in rund 30 der ärmsten Länder unserer Welt, um vor Ort das Überleben sicherzustellen, die Menschenwürde zu stärken und hoffnungsvolle Perspektiven zu
schaffen. Für Menschen auf der Flucht stellt das SRK aktuell mehr Mittel zur Verfügung als
zuvor. Tragen Sie dazu bei, dass wir noch mehr tun können vor Ort! In dieser Ausgabe lesen
Sie, warum und wo wir helfen, Not zu lindern. Danke, dass Sie hinschauen und mitfühlen.
Ich wünsche Ihnen für die Weihnachtstage schöne Momente und viel Glück im 2016.
Es grüsst Sie herzlich
Markus Mader
Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes
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REPORT
Äthiopien
Wenn Regen fehlt
Ein Wasserfilter des SRK macht ungeniessbares Wasser trinkbar. Das ist jedoch
nur der letzte Schritt nach harter Vorarbeit, um in der ausgetrockneten Region
rund um Moyale überhaupt noch an Wasser zu gelangen. Dank Auffangbecken
für Regenwasser gibt es auch gegen Ende der Trockenzeit noch eine Wasserreserve,
die aber in mühsamer Arbeit aus dem tiefen Boden gewonnen werden muss.
TEXT: ISABEL RUTSCHMANN
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Humanité 4/2015
BILDER: REMO NÄGELI
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REPORT
I
n Äthiopien ticken die Uhren anders.
Das ist nicht nur im übertragenen Sinn
so, sondern auch im wahrsten Sinne des
Wortes: Bei Sonnenaufgang ist es null
Uhr, bei Sonnenuntergang zwölf Uhr.
Der äthiopische Kalender hat dreizehn
Monate. Die Jahreszählung läuft unserem Kalender sieben Jahre und neun
Monate hinterher.
Auch sonst ist in Äthiopien nichts so, wie
wir es uns gewohnt sind: Die Wolken hängen so tief am stahlblauen Himmel, dass
man glaubt, sie wie Wattebausche berühren zu können. Die vulkanartigen Berge
erheben sich nach unendlich weiten, kargen Ebenen wie in einer Filmkulisse am
dunstigen Horizont. Die Strassen – falls
denn vorhanden – sind so holprig und
schlecht befahrbar, dass man für 80 Kilometer mit dem Auto bis zu drei Stunden
benötigt. Es scheint kaum Verkehrsregeln
In Äthiopien ist kaum etwas so,
wie wir es uns gewohnt sind.
zu geben: ob Fussgänger, spielende Kinder, Fahrzeuge aller Art oder Tierherden –
jeder nutzt die Strasse in seinem Tempo
und in seiner Richtung. Mal gibt es Stromversorgung, mal nicht, das ist Glückssache. Bei Sonnenschein kann es bis zu
45 Grad heiss werden, wenn es regnet,
stürzt das Wasser von einer Minute auf die
andere wie ein Wasserfall vom Himmel.
Wasser bewahren
Regen ist im Süden des Landes nur ein
sehr seltener Gast. An der Grenze zu Kenia ist eine der Regionen, in denen sich
das SRK in Äthiopien engagiert. Was-
ser ist rund um die Grenzstadt Moyale
permanent Mangelware. Darum freuen
sich die Kinder nicht wie anderorts auf
der Welt über Spielwaren oder Süssigkeiten, sondern auch über Wasserflaschen. «Highland, Highland», rufen die
Mädchen und Buben, wenn sich das
Rotkreuz-Fahrzeug nähert. «Highland»,
ist der Name eines Mineralwassers, das
im Hochland im Norden von Äthiopien
abgefüllt wird. Die Kinder strahlen freudig, wenn sie eine Flasche erhalten.
Dürreperioden bedrohen hier Menschen und ihre Nutztiere im Jahresrhythmus. Gegen Ende der Trockenzeit sind
die Wasservorräte aufgebraucht. Infolge
ist auch die Nahrungsversorgung chronisch knapp. Um die Menschen vor Ort
besser auf Katastrophen vorzubereiten,
engagiert sich das SRK gemeinsam mit
der lokalen Rotkreuzgesellschaft und
mit Unterstützung der Glückskette in
der nachhaltigen Verbesserung der
Lebensbedingungen der Menschen in
dieser Region (s. Seite 8). Insgesamt erhalten so rund 25 000 Menschen besseren Zugang zu Wasser. Aber auch
Gesundheits- und Hygienemassnahmen
gehören in dieses Paket: Speziell geschulte Freiwillige gehen in die Dörfer
und klären die Bevölkerung auf, wie sie
gesund bleiben können. So motivierten
sie unter anderem Familien zum Bau von
Latrinen.
Latrinen für Sicherheit
Mawo Eya, die mit ihren Kindern in einem abgelegenen Dorf nördlich von
Moyale lebt, liess sich von den RotkreuzFreiwilligen davon überzeugen, neben
ihrem Haus eine Latrine zu bauen. Das
hat nicht nur positive Auswirkungen auf
die Hygiene: Konnte sie früher nur bei
«Dank der Latrine fühle ich
mich allgemein besser und auch
sicherer.»
Die Latrine ist mit
einem Sichtschutz
aus Holz und Reisig
umgeben
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Dunkelheit einen stillen Ort irgendwo im
Freien aufsuchen, kann sie nun zu jeder
Tageszeit ihre Notdurft verrichten. Auch
das Händewaschen mit Seife setzt sie
seit der Beratung durch die Freiwilligen
bei sich und ihren Kindern konsequent
durch. «Seither sind wir alle viel seltener
krank. Und dank der Latrine fühle ich
REPORT
Mawo Eya mit
ihrem Sohn Bato
und der Tochter
Aroba beim
Händewaschen
gehen, um Wasser für die Familie, die
Tiere und den Gemüseanbau nach Hause zu transportieren. Das Becken beim
Damm in ihrer Nähe speichert in normalen Trockenzeiten genügend Wasser,
um die Bevölkerung und die Tiere in den
Dörfern der Umgebung durchgehend zu
versorgen. «Das ist ein gutes Gefühl. Ich
brauche mir nicht mehr ständig Sorgen
zu machen, woher ich in Dürrezeiten
Wasser bekommen kann. Das Leben ist
dadurch für mich einfacher geworden»,
sagt die Mutter der drei Kinder Aroba (8), Bato (6) und Shoba (6 Monate).
«Kommt mit, ich will euch mein Kamel
zeigen», drängt Mawo Eya. Nicht weit
entfernt vom Haus steht das mächtige
Tier, das nun, gegen Ende der Trockenzeit, etwas abgemagert ist. Die Tiere
Wo jetzt links die trockene Ebene ist, bildet sich in Regenzeiten dank dem Staudamm,
von dem der Mann herunterschreitet, ein künstlicher See
mich allgemein besser und auch sicherer», sagt die 35-Jährige. Mawo Eya ist
nicht die einzige, die so denkt. Frauen
haben weniger Angst vor Vergewaltigungen, Demütigungen und wilden
Tieren, wenn sie eine Latrine nahe beim
Haus haben.
Hart erarbeitetes Wasser
Die grösste Entlastung in der Bewältigung ihres Alltags stellt aber der neue
Damm dar, der in zwei Kilometern Entfernung von ihrem Haus nun ihre Wasserversorgung sichert. Bevor es diesen
gab, musste sie täglich noch viel weiter
finden jetzt kaum noch Futter, der Boden ist staubtrocken, alle Pflanzen sind
verdorrt. Dieses Kamel habe sie 2011,
nach der Dürrekatastrophe, vom SRK erhalten, sagt sie. «Ich möchte, dass ihr ein
Foto macht, denn dieses Kamel verhilft
den Kindern und mir bis heute zu einem
besseren Leben und dafür bin ich sehr
dankbar.» Mawo Eya kann mit dem Verkauf eines Teils der Milch ein wenig Geld
verdienen, um Lebensmittel zu kaufen.
Gut 80 Kilometer östlich von Moyale
liegt das Dorf Boji. Der Ort ist mit Fahrzeugen nur in der Trockenzeit erreichbar. Hier hat das SRK die Sanierung des
defekten Staudamms übernommen.
Nach einer guten, ausgiebigen Regenzeit stauen sich in der Ebene um die
300 Millionen Liter Wasser. Das entspricht etwa der Menge, die in rund 140
50-Meter-Schwimmbecken Platz hat.
Zu Hause muss das Wasser
vor dem Kochen mit Filtern
gereinigt werden.
Diese Reserve sichert die Wasserversorgung für Mensch und Tier in der Umgebung für ein ganzes Jahr. Bei unserem
Besuch zum Ende der Trockenzeit, neigt
sich das Wasser dem Ende zu. Die Männer des Dorfes haben tiefe Löcher in den
Boden gegraben, um zum Restwasser
zu gelangen. Sie befördern die braune,
Das Kamel vom SRK gibt Milch für die Kinder
brackige Brühe von Hand kübelweise an
die Oberfläche. Kamele, Ziegen, Rinder
und Esel in Herden warten durstig an
den Tränken. Frauen ziehen das Wasser,
in Kanistern nach Hause. Dort reinigen
sie die braune Brühe mit Filtern des SRK,
bevor sie damit kochen oder es trinken
können. Für uns, die zu Hause alle endlos
viel frisches, klares, sauberes Trinkwasser
aus dem Wasserhahn beziehen können,
ist der Umgang mit dem kostbaren Gut
sehr eindrücklich. Und es zeigt sich einmal mehr: In Äthiopien ticken die Uhren
anders als bei uns.
➔
redcross.ch/wasser
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7
REPORT
Äthiopien
Aus Krisen lernen
In Äthiopien unterstützt das SRK 40 000 Menschen bei der Verbesserung ihrer prekären Lebensbedingungen. In einem Flüchtlingslager verbesserte es die Hygienebedingungen und
stellte die Ambulanzdienste für die Flüchtlinge sicher.
TEXT: ISABEL RUTSCHMANN
D
BILD: REMO NÄGELI
as kulturell reiche Äthiopien gehört zu den wirtschaftlich ärmsten Ländern der Welt. Innenpolitische
Spannungen, Konflikte mit den Nachbarstaaten, Flüchtlingsströme aus Nachbarstaaten und grosse Dürreperioden
prägten die Geschichte der letzten Jahrzehnte. In mehreren Teilen des Landes
ist die Nahrungsversorgung chronisch
knapp. Nach schlechten Regenzeiten
droht rasch eine Hungerkrise. So auch
2010/2011, als die Niederschläge im
Süden zwei Jahre fast vollständig ausblieben. Das SRK unterstützte mehrere
Dörfer von Hirten und Viehzüchtern im
Grenzgebiet zu Kenia bei der Bewältigung dieser Krise. Nachfolgend an die
Nothilfeaktion engagiert sich das SRK
seither zusammen mit dem Äthiopischen Roten Kreuz und der Regierung
bei der Verbesserung der Lebensbedingungen in dieser klimatisch fragilen
Region.
Nach schlechten Regenzeiten
droht in Äthiopien rasch eine
Hungersnot.
In Gambella, dem Grenzgebiet zu
Südsudan im Westen des Landes, stärkt
das SRK die Resilienz von Gemeinschaften. Resilienz ist die Fähigkeit, Krisen
zu bewältigen und diese Erfahrung für
die Entwicklung zu nutzen. Dazu gehören Katastrophenvorsorge und Verbesserung der Gesundheitsversorgung
für die Einwohner von vier Siedlungen.
Im Dezember 2013 musste das SRK
diesen Teil der Hilfe vorübergehend
zurückstellen: Damals eskalierte die
politische Situation in Südsudan und
zog einen Strom von mehr als 200 000
neuen Flüchtlingen nach Gambella mit
sich (zusätzlich zu den 60 000 bereits in
Gambella lebenden Flüchtlingen und
bei einer Bevölkerung von rund 400 000
Menschen). Aufgrund der grossen Not
der Flüchtlinge wurde deren Unterstützung mit der grössten Priorität behandelt. Im Flüchtlingslager von Leitchor
mit rund 47 000 Menschen sorgte das
Rote Kreuz für die Verbesserung der Hygiene sowie die Sicherstellung von Ambulanzdiensten für die Flüchtlinge.
Das Programm in den Regionen
Moyale und Gambella
Es gibt kein Gras mehr Ende der Trockenzeit – diese Frau hat deshalb für ihre Ziegen einen
Strauch geholt, der noch grüne Blätter trägt
8
Humanité 4/2015
– Wasserspeicherung und -gewinnung:
Bau von grossen Wasserauffangbecken, einem Damm, Wasserstellen und
Zisternen sowie eine Dammsanierung.
– Wasserkomitees: Diese tragen Verantwortung für den Unterhalt.
– Ausbildung: Gesundheitspromotoren
ausbilden und Frauengruppen initiieren, die sich für bessere Hygiene und
die Vorbeugung von Krankheiten einsetzen.
– Hygiene und Aufklärung: Wissen vermitteln und die Menschen motivieren,
Latrinen zu bauen.
– Katastrophenbereitschaft: Aufbau von
Frühwarnsystemen.
– Landwirtschaftlicher Erfahrungsaustausch: Bauern lernen, Felder gewinnbringender zu bewirtschaften und
Nutztiere besser zu pflegen. Erfahrungen tauschen sie in ihren Gemeinschaften aus.
REPORT
Gegen Dürrekatastrophen und Konflikte
Frühzeitig reagieren
Werden drohende Dürren frühzeitig erkannt, können verschiedene Massnahmen die
schlimmsten Folgen vermeiden. Auch für eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit
braucht es Weitsicht und Ideen aus der Bevölkerung. Fabio Molinari ist Programmverantwortlicher für Äthiopien beim SRK und kennt die heiklen Punkte.
INTERVIEW: ISABEL RUTSCHMANN
BILD: REMO NÄGELI
dass die Wasserversorgung ausgeglichen verbessert wird. Dieses sogenannt
«konfliktsensitive Management» ist sehr
anspruchsvoll. Das Rote Kreuz hat den
grossen Vorteil, neutral zu sein und auch
so wahrgenommen zu werden. Die vielen Freiwilligen, die auch in gemischten
Gruppen miteinander für das Rote Kreuz
arbeiten, haben einen positiven Einfluss
auf das friedliche Zusammenleben.
In Äthiopien droht wieder eine Hungerkatastrophe – wie geht es den
Menschen?
Es gibt Regionen, in denen der Notstand
ausgerufen wurde. In Moyale haben die
Wasserkomitees die Rationierung des
Wassers auf 20 Liter alle zwei Tage pro
Haushalt angeordnet. Falls die nächste
Regenzeit wieder schlecht ausfällt, wird
das gravierende Folgen haben. Mangelernährte Kinder und schwangere Frauen erhalten zum Teil über die Regierung
bereits jetzt Nothilfe in Form von Nahrungsmittelzusätzen.
Wie stark bindet das SRK die Bevölkerung ein?
Was tut das SRK zur Katastrophenvorsorge?
Das Rote Kreuz stärkt die Vernetzung der
Dorfgemeinschaften mit der Regierung.
Es bildet die Dorfbevölkerung darin aus,
die Zeichen einer drohenden Dürrekatastrophe zu erkennen und frühzeitig
Massnahmen zu ergreifen, wie zum
Beispiel die erwähnte Rationierung des
Wassers. Je früher die Betroffenen reagieren, desto besser können gravierende Folgen verhindert werden. Falls sich
die Dürresituation dennoch verschlimmern sollte, wird das SRK die nationale
Rotkreuzgesellschaft mit Nothilfemassnahmen unterstützen, unter anderem
Nahrungsmittel verteilen.
Fast kein Tropfen mehr – oft muss der Wasserverbrauch streng rationiert werden
Verständigungsproblemen führt. Für uns
heisst das, dass wir im Team vor Ort Vertreter beider Gruppierungen haben, damit
die verschiedenen Bedürfnisse angebracht
werden können und durch Übersetzer die
Verständigung gewährleistet ist. Das Konfliktpotenzial in diesem Gebiet ist hoch
und es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Gruppen.
Trägt das SRK dazu bei, Konflikte zu
In Äthiopien haben verschiedene
vermeiden?
Volksgruppen unterschiedliche Bedürf-
Transparenz und ein stetiges Aushandeln sind wichtig. Das Rote Kreuz in
Moyale hat beispielsweise für beide ansässigen Volksgruppen eine Ambulanz,
damit gewährleistet ist, dass im Notfall
gleichzeitig Menschen gerettet werden können. Wir achten auch darauf,
nisse. Was heisst das für die Arbeit?
Wir müssen die Projekte anpassen, wenn
wir etwas erreichen wollen. Sesshafte
Bauern haben andere Bedürfnisse als
Nomaden. Die Gruppen sprechen unterschiedliche Sprachen, was nicht selten zu
Im Vordergrund steht der Ansatz, dass
die Betroffenen mit ihrem Wissen und ihren Traditionen selber Lösungen finden.
Wir unterstützen sie dabei. Ziel ist es,
dass die Menschen selber auf drohende
Katastrophen reagieren und die Auswirkungen darum weniger schlimm werden. In Gambella werden beispielsweise
mit der Bevölkerung Gefahrenzonen definiert. Auch wenn wir zu etwas Neuem
motivieren, sollen die Lösungen von der
Bevölkerung selber kommen. Veränderungen werden umgesetzt, wenn es den
Menschen spürbar besser geht, und nicht
weil jemand von aussen diese Idee eingebracht hat. Die Menschen sollen keine
passiven Objekte der Hilfe sein, sondern
aktive Subjekte in der Entwicklungszusammenarbeit.
➔
redcross.ch/aethiopien
FABIO MOLINARI
Der 42-Jährige ist seit 2013
verantwortlich für die Internationale Zusammenarbeit
des SRK in Äthiopien.
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Ihre Patenschaft für Augenlicht.
Werden Sie SRK-Pate.
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© SRK, Hilde Eberhard
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einem M
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Rainmattstrasse 10, Postfach, 3001 Bern
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redcross.ch/paymit
Charity-Partnerschaft mit Radio Energy
■ Das SRK durfte auch dieses Jahr Charity-Partner sein für die Anlässe Energy Air
und Energy Stars for free. Die Musikevents
und Radio Energy bieten dem SRK die
Gelegenheit ein jüngeres Publikum über
seine humanitäre Arbeit zu informieren.
An der Openair-Veranstaltung Energy Air
berichtete SRK-Botschafterin Dominique
Gisin vor 40000 Zuschauern wie das SRK
in Bolivien tätig ist. Sie nahm für das SRK
den Spendenscheck entgegen. Radio
Energy hat mit dem SMS-Gewinnspiel zur
Ticketverlosung pro Event über 50000
Franken für das SRK gesammelt.
Neue Pflegelinie spendet für Augenlicht
Weihnachtsaktion für
bedürftige Familien
■ Wer jetzt im Coop einen Grittibänz
oder eine 5dl-Flasche Coca-Cola Life kauft,
unterstützt bedürftige Familien in der
Schweiz. Das SRK erhält für jeden Grittibänz 10 Rappen und für jede Flasche
Coca-Cola Life 30 Rappen. Damit wird das
SRK Menschen unter die Arme greifen, die
in eine finanzielle Notlage geraten sind
und keine anderweitige Unterstützung erhalten. Das SRK stellt sicher, dass die Hilfe
gerechtfertigt ist und kann dank den Partnern Coop und Coca-Cola künftig noch
mehr Menschen helfen.
Mehr Entlastung
■ Das SRK will zusätzliche 67500 Entlastungsstunden für Angehörige von Demenzkranken anbieten und wird dafür im
Rahmen einer dreijährigen Partnerschaft
von den Johnson & Johnson Gesellschaften in der Schweiz unterstützt. Entlastungs- und Beratungsangebote finden
pflegende Angehörige hier:
➔
pflege-entlastung.ch
■ Die Miss Earth Schweiz Organisation
engagiert sich seit 2009 für Augenlicht
schenken und hat seither über 1500 GraueStar-Operationen ermöglicht. Nun haben
die beiden Gründer des Schönheitswettbewerbs, Tanja Marcic und Tommaso Longo de Tommaso, eine Pflegelinie auf den
Markt gebracht. «Wir möchten zu einem
achtsamen, gesunden Umgang inspirieren», so Tanja Marcic. «Es liegt uns am Herzen, dass wir mit einem Teil der Einnahmen
das Augenlichtprojekt des SRK unterstützen können.» Bezug der Pflegeprodukte:
➔
vitalworld.ch/goldcosmetic-meso
TEXAID – ökologisch und sozial
■ Wer Kleider und Schuhe in einem der
bekannten rot-weissen Container deponiert, trägt zum Umweltschutz bei und unterstützt indirekt benachteiligte Menschen
in der Schweiz. TEXAID sammelt, sortiert
und verwertet gebrauchte Kleider, Schuhe
und Haushaltstextilien und bekennt sich
zu ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Als europaweit erstes Unternehmen
aus dem Bereich Textilrecycling wurde
TEXAID mit dem «CO2-Neutral»-Gütesiegel von Swiss Climate ausgezeichnet. Die
TEXAID Textilverwertungs-AG wurde 1978
vom SRK gemeinsam mit fünf weiteren
Schweizer Hilfswerken und einem privaten
Partner gegründet. 2014 erwirtschaftete
TEXAID einen Erlös von rund 6.5 Millionen Franken. Der Grossteil davon fliesst an
das SRK und die fünf weiteren beteiligten
Schweizer Hilfswerke. Das SRK wiederum
setzt den Beitrag von TEXAID für benachteiligte Menschen in der Schweiz ein.
➔
texaid.ch
Humanité 4/2015
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Z UR SAC HE
Das Griechische Rote Kreuz ist besonders gefordert, das SRK unterstützt seine Schwesterorganisation
Das SRK für Menschen auf der Flucht
Gemeinsam gegen die Not
Weltweit sind fast 60 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele wie seit dem Zweiten
Weltkrieg nicht mehr. Darunter viele, die aus den akuten Krisenregionen des Nahen Ostens
fliehen. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) engagiert sich verstärkt für die Flüchtlinge –
sowohl in den Ursprungsländern als auch entlang den Transitrouten.
TEXT: REGULA ZELLWEGER
S
BILDER: IFRC
eit bald fünf Jahren herrscht in Syrien Krieg. Sind zu Beginn noch der
Grossteil der Menschen in die Nachbarländer Libanon, Jordanien, Türkei
und Irak geflohen, so sehen sich seit
einigen Monaten immer mehr Flüchtlinge gezwungen, die gefährliche Reise nach Europa zu wagen. Dies, weil
sie in den Flüchtlingslagern auch nach
Jahren kein richtiges Zuhause haben
oder in prekären Wohnverhältnissen
leben müssen. Der Arbeitsmarkt bleibt
ihnen oft verschlossen, Kinder gehen
12
Humanité 4/2015
kaum zur Schule. Eine Rückkehr nach Syrien scheint immer unwahrscheinlicher.
Doch der Weg nach Europa ist be-
weitere Gefahren. Ohne Unterkunft drohen Krankheiten und Erfrierungen.
Die kalten Wintermonate
bringen weitere Gefahren für
Menschen auf der Flucht.
Für Menschen auf der Flucht hat das SRK in
den letzten drei Jahren mit Unterstützung
von Glückskette und Bund rund sieben
Millionen Franken eingesetzt und in den
letzten Monaten die Hilfe für Flüchtlinge
ausgeweitet. Im Libanon, in den Transitländern, aber auch bei uns in der Schweiz.
Das SRK beteiligt sich am Aktionsplan der
Internationalen Rotkreuz- und Rothalb-
Das SRK weitet seine Hilfe aus
schwerlich und mit tödlichen Gefahren
verbunden. Allein dieses Jahr sind bereits mehr als 3000 Menschen im Mittelmeer ertrunken oder gelten als vermisst.
Und die kalten Wintermonate bringen
Z U R SAC H E
mondbewegung, der Massnahmen in
24 Ländern vorsieht. In besonders stark
vom Flüchtlingszustrom betroffenen Ländern unterstützt das SRK die lokalen Organisationen des Roten Kreuzes und des
Roten Halbmondes. Dabei stellt es auch eigenes Personal zur Verfügung. Eine Übersicht über die wichtigsten Massnahmen:
In Serbien verteilen die Freiwilligen
vom Roten Kreuz an den meist frequentierten Grenzübergängen Hilfsgüter wie
Nahrungsmittel, Hygieneartikel, warme
Kleider und Regenkleidung. Die Rotkreuz-Bäckerei in Bujanovac liefert täglich Brot für die Hilfspakete. Das SRK unterstützt die Hilfeleistungen finanziell.
In Griechenland kümmern sich Rotkreuz-Freiwillige um die bis zu 6000
Menschen, die täglich an den Küsten der
Inseln stranden. Auch an den Grenzen
zu Mazedonien, Albanien und Bulgarien
trägt das Rote Kreuz dazu bei, die Situation zu bewältigen. Ein SRK-Logistiker
sowie eine SRK-Ärztin sind vor Ort.
In Deutschland wurden 15000 Freiwillige und Rotkreuz-Mitarbeitende mobilisiert, um die Flüchtlinge medizinisch
und psychosozial zu betreuen, Familien
zusammenzuführen und bei den Asylanträgen zu unterstützen. Zwei SRKLogistiker unterstützen den Aufbau und
die Einrichtung von Notunterkünften.
KURZ BEFRAGT
ISABELLE GÜSS
Die Kinderärztin, 44,
ist im Nothilfe-Pool
des SRK und war
kürzlich in Griechenland im Einsatz, um
die am dringendsten
benötigten Hilfeleistungen abzuklären.
WIE HABEN SIE DIE SITUATION
ERLEBT?
Auf der Insel Lesbos habe ich gesehen, wie ein Flüchtlingsboot nach
dem anderen eintraf. Viele Familien
mit Kindern schlafen ungeschützt
am Strassenrand und unter Bäumen.
Überall, auch in der Hauptstadt Athen.
Viele wirkten erleichtert, nach einer
beschwerlichen Reise endlich in Sicherheit zu sein. Tief beeindruckt hat mich
die Solidarität der lokalen Bevölkerung. Laufend bringen Anwohnerinnen Spenden wie Nahrung, Kleider,
Spielsachen oder Medikamente.
WELCHES SIND DIE
DRINGENDSTEN BEDÜRFNISSE
DER FLÜCHTLINGE?
Das Wichtigste ist sicher ein Dach
über dem Kopf sowie Essen, trockene
Kleider und medizinische Versorgung.
Aber sie brauchen auch Informationen.
Oft wissen sie kaum, wo sie sind und
erst recht nicht, wie es weitergehen
soll. Viele Menschen haben auf der
Flucht einen Teil der Familie verloren.
Die Kinderärztin
des SRK, Dr. Isabelle
Güss mit Flüchtlingskindern in
Lesbos
Im Libanon weitet das SRK die Hilfe für
syrische Flüchtlinge aus. Zur Nahrungsmittelhilfe für monatlich 1000 Familien
kommt neu eine Bargeldunterstützung
hinzu. Besonders verletzliche Familien
können damit ihre Miet-, Heiz- und andere Lebenskosten bezahlen. Gleichzeitig trägt das Projekt zur Stärkung der
lokalen Wirtschaft bei.
Auch zusätzliche Sanitäranlagen stellt das
Rote Kreuz bereit
In der Schweiz setzt das SRK seine Beratung und Unterstützung von Menschen aus Syrien, die im Rahmen der
Familienzusammenführung einreisen
dürfen, fort. Die Rotkreuz-Kantonalverbände der Kantone Tessin, St. Gallen
und Zürich halten sich bereit, im Fall
der Ankunft grösserer Gruppen die
Erstversorgung zu unterstützen. Das
Tessiner Rote Kreuz betreut unbegleitete minderjährige Jugendliche und
setzt Massnahmen zur Integration um.
➔
redcross.ch/fluechtlinge
WAS HAT SIE BESONDERS
BERÜHRT?
Das Schicksal einer Frau, die ihr Kind
am Strand von Lesbos geboren hat.
Sie hatte es gerade noch aus dem
Boot ans Land geschafft. Aber auch
die Begegnung mit einer Gruppe
von 15 Flüchtlingen ging mir nahe,
einige davon noch Kinder. Sie waren
nach dem Kentern ihres Bootes vier
Stunden lang geschwommen, bevor
sie von der Küstenwache gerettet
wurden. Ich lernte sie in der Notfallstation des Roten Kreuzes kennen, wo
sie aufgewärmt und mit trockenen
Kleidern und Essen versorgt wurden.
Glücklicherweise haben alle überlebt.
SO KÖNNEN SIE HELFEN:
Das SRK bittet um Spenden für Menschen auf der
Flucht. Verwenden Sie den Einzahlungsschein
zum Magazin oder spenden Sie per SMS: Senden
Sie «Flüchtlinge [Betrag]» an die Nummer 464
(z. B. «Flüchtlinge 50»). SMS-Spenden sind nur bis
99 Franken möglich und funktionieren mit allen
Anbietern ausser Swisscom-Prepaid (Abo-Kunden
können immer spenden).
Humanité 4/2015
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ENGAGIERT
Das Jugendrotkreuz bietet verschiedene Sportarten an, hier Basketball
Für Jugendliche in Not
Sport spricht alle Sprachen
Freiwillige vom Jugendrotkreuz Aargau organisieren und leiten selbstständig Sportnachmittage für junge Asylsuchende. Diese schätzen die Abwechslung im eintönigen Alltag. Nebenbei
trägt der Sport zur Integration bei und motiviert, die neue Sprache zu verstehen.
TEXT: JULIA ZURFLUH
E
BILDER: ROLAND BLATTNER
in junger Mann im Dress von Real
Madrid flitzt durch die Turnhalle.
Geschickt dribbelt er seine Gegenspielerin im Rotkreuz-Shirt aus, zieht auf und
knallt den Ball ins Goal. Tor! Zabiollah
wirft die Hände in die Höhe, jubelt und
schlägt übermütig ein Rad. Seine Teamkollegen rennen zu ihm und umarmen
ihn stürmisch – Torjubel wie bei den
Profis. Doch in den Turnhallen trainieren
nicht etwa Profis vom FC Baden, sondern
Teams aus jungen Asylsuchenden, gemischt mit Freiwilligen aus dem Jugendrotkreuz Aargau.
14
Humanité 4/2015
Jugendliche handeln
Zweimal im Monat organisiert das Jugendrotkreuz Aargau selbstständig solche Sportnachmittage für junge Asylsu-
«Die Teilnehmenden haben
verlangt, dass wir konsequent
deutsch sprechen. Mit uns getrauen sie sich, die Sprache zu üben.»
chende. Über 80 junge Männer aus den
Asylunterkünften der Region Baden sind
dem Aufruf gefolgt. «So viele Teilnehmende hatten wir noch nie», freut sich Pascal
Fehlmann, Leiter des heutigen Sportnachmittages und «geistiger Vater» des Projekts. «Offensichtlich kommen die Sportnachmittage gut an. Das bestätigen uns
auch die Asylzentren. Sie sind froh, dass
wir die Bewohnerinnen und Bewohner
für einige Stunden beschäftigen können.»
Es werden aber nicht nur Fussballturniere
organisiert, sondern auch spezielle Sportarten ausprobiert. «Wir waren auch schon
Schlittschuhlaufen», erzählt Mohamed
aufgeregt. Der junge Afghane nimmt jedes Mal an den Sportnachmittagen teil
und stand dank dem Jugendrotkreuz
ENGAGIERT
Selbstverständlich werden die Mitspielerinnen
gleich behandelt wie ihre männlichen Kollegen
Pascal Fehlmann ist
der Initiant der Sportnachmittage
Immer dabei ist
Mohamed, ursprünglich
aus Afghanistan
Aargau das erste Mal auf Kufen. «Das
war eine ziemlich rutschige Angelegenheit. Mir gefallen besonders die Wanderausflüge. Da bleibt viel Zeit zum deutsch
Reden. Leider ist das selten. Ich komme
sonst kaum in Kontakt mit Gleichaltrigen
aus der Schweiz». Mohamed mag es, Verantwortung zu übernehmen. «Ich helfe
gerne anderen Menschen. Mein grösster
Traum ist es, eine Lehrstelle als Fachmann
Gesundheit zu finden», kann er gerade
noch berichten, bevor er das Goal pfeifen
darf. Nun muss Mohamed wieder aufs
Spielfeld. Er ist heute Schiedsrichter und
das nächste Tor zeichnet sich ab. Grosses
Jubelgeschrei erfüllt plötzlich die Turnhalle. So stark, dass sogar das zweite laufende Spiel ins Stocken gerät und die Spieler
nachschauen, wer das Tor geschossen hat.
Sport, Sprache und Spass
Der Glückstreffer gelang Stefanie vom Jugendrotkreuz. Geschickt hat sie alle Männer ausgespielt und den Torhüter überlisten können. Die jungen Asylsuchenden
beglückwünschen sie und klopfen ihr kollegial auf die Schulter. Da in den Asylzen-
Die Teilnehmenden geben alles, denn gewinnen ist Ehrensache
tren in Baden mehrheitlich junge Männer
wohnen, kommen kaum junge Frauen zu
den Sportnachmittagen. «Unsere Hauptzielgruppe sind die jungen isolierten
Männer. Mit unserem Programm wollen
wir ihnen Abwechslung bieten und ihnen
helfen, ein Netzwerk aufzubauen. Nebenbei trägt das Projekt zur Gesundheitsförderung bei», beschreibt Pascal Fehlmann
die Ziele der Sportnachmittage, die schon
vor fünf Jahren ins Leben gerufen wurden. «Die verschiedenen Kulturen der
Asylsuchenden sind hier kein Thema und
sie kommen mit gleichaltrigen Schweizerinnen und Schweizern in Kontakt.» Stefanie, die vorgängige Torschützin, ergänzt:
«Wir sprechen konsequent deutsch. Das
wurde von den Teilnehmenden ausdrücklich verlangt. Mit uns können sie die Sprache üben und getrauen es sich auch.»
Nach dem Fussballspiel sind die Asylsuchenden und jungen Freiwilligen ausgepowert, aber überglücklich. Sie bilden einen
Kreis. Mit typischen Schweizer Pfadfinderund Blauringspielen schliessen sie den
Nachmittag ab. Alle sind mit Spass dabei.
➔
APROPOS
Für Jugendliche in Not
Wer kennt die Bedürfnisse und Sorgen bedürftiger Jugendlicher besser,
als Jugendliche selbst? Das Jugendrotkreuz hat die Initiative ergriffen und
verschiedene Ideen umgesetzt. Neben den Sportnachmittagen für junge
Asylsuchende gibt es das weiterführende Mentoring-Projekt. Jugendliche vom Roten Kreuz übernehmen
die Rolle einer Mentorin oder eines
Mentors. Sie unterstützen ihre Mentees beim Erlernen der Sprache und
entdecken mit ihnen das Gastland.
Im Gegenzug erhalten die jungen
Freiwilligen einen Einblick in die ihnen
fremde Kultur ihres Mentees. Ähnlich
aufgebaut ist das Nachhilfeprojekt für
benachteiligte, schulpflichtige Kinder.
Beim Integrationsprojekt für Menschen mit Behinderungen ermöglichen junge Freiwillige Gleichaltrigen
mit einer körperlichen Behinderung
Freizeitaktivitäten.
Jugendrotkreuz-Organisationen gibt
es in den Kantonen Aargau, Basel,
Freiburg, Genf, Luzern, St. Gallen,
Thurgau und Zürich. Rund 880 junge
Freiwillige setzen sich dafür ein.
redcross.ch/jugendrotkreuz
Humanité 4/2015
15
VO R ORT
Zu Beginn zeigt ein Ticket, in welches Land die Reise führen soll
Ausstellung im Verkehrshaus der Schweiz
Das SRK lädt Sie zu einer
Weltreise ein
Im Verkehrshaus in Luzern lädt das SRK dazu ein, seine Arbeit im Bereich der Katastrophenvorsorge im Ausland näher kennenzulernen. Begeben Sie sich auf die Weltreise Rotes
Kreuz. Sie erleben eine interaktive Ausstellung. Sie führt durch sechs Länder, in denen sich
das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) derzeit engagiert.
TEXT: KATHARINA SCHINDLER
W
BILDER: ROLAND BLATTNER
er sich unter einer Ausstellung
spärlich bebilderte Informationstafeln vorstellt mit einer Flut ermüdender Erklärungen, liegt hier völlig falsch.
Die Ausstellung Weltreise Rotes Kreuz,
die im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern gezeigt wird, lädt Sie auf eine interaktive Reise ein. Diese führt durch
sechs Länder, die immer wieder von Ka-
16
Humanité 4/2015
Unterwegs erfahren Sie
Spannendes über den Alltag der
Menschen vor Ort.
tastrophen betroffen sind. Unterwegs
erfahren Sie Spannendes über den Lebensalltag der Menschen vor Ort und
über die Arbeit des SRK im Bereich der
Katastrophenvorsorge.
Das Besondere daran: Sie bestimmen
den Verlauf Ihrer Reise selber. Ob in
Äthiopien, Ghana, Haiti, Honduras,
Nepal oder den Philippinen, immer
wieder sind Sie aufgefordert, sich zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu
entscheiden. Genau wie auf einer richtigen Reise – manchmal bestimmt eine
kleine, fast zufällige Entscheidung da-
VO R ORT
Vom Führerstand
der Lokomotive aus
können die Besucherinnen Äthiopien
entdecken.
Am Schluss bleiben
eindrückliche,
aber auch positive
Erinnerungen
Wie auf einer richtigen Reise gibt es viel zu sehen und zu erfahren
APROPOS
Fakten zur Ausstellung
Weltreise Rotes Kreuz wurde von der Agentur Expoforum konzipiert und in enger Zusammenarbeit mit dem SRK umgesetzt. Unterstützt wird die Ausstellung des SRK von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und vom Verkehrshaus in
Luzern als Ausstellungspartner. Weltreise Rotes Kreuz eignet sich
gut für Kinder ab dem Schulalter. Der Eintritt ist im regulären Eintrittspreis ins Verkehrshaus der Schweiz inbegriffen. Das Verkehrshaus ist täglich offen und die Ausstellung dauert bis am 17. Januar
2017. Sie finden Weltreise Rotes Kreuz im Bereich «Wondercave»
im Untergeschoss der Flughalle des Verkehrshauses.
ändern? Wie kann das Rote Kreuz gefährdete Menschen unterstützen, sich
besser vor Katastrophen zu schützen?
Diese Fragen begleiten uns hinaus
in die Welt – auf die Weltreise Rotes
Kreuz durch sechs Länder.
Am Automaten beziehen Sie Ihr Flugbillett. Der Zufall entscheidet über Ihre
erste Destination. Mit dem Strichcode
auf dem Ticket loggen Sie sich in der
entsprechenden Reisestation ein. Ihr
Abenteuer beginnt!
Katastrophen hier und dort
Noch nie in Ghana gewesen und kaum Wissen über dieses Land? Die Reise ändert das.
BON
Ausgangspunkt der Reise ist das heimische Wohnzimmer. Neben Sofa und
Büchergestell darf der Fernseher nicht
fehlen – unser Fenster zur Welt. An der
Wand hängen Bilder. Beim näheren
Hinsehen entdecken Sie, dass da nicht
harmlose Ferienfotos gerahmt wurden,
sondern Zerstörungsbilder vergangener Katastrophen. Ob das Erdbeben
in Haiti, Überschwemmungen im Emmental, ein Taifun auf den Philippinen
oder ein Steinschlag im Urnerland –
offensichtlich gibt es Parallelen zwischen hier und dort. Und zugleich auch
Unterschiede, was die Verletzlichkeit
der Menschen betrifft. Warum haben
die Katastrophen in armen Ländern
oft viel dramatischere Folgen als bei
uns? Was können wir tun, um dies zu
➔
verkehrshaus.ch
✃
rüber, ob wir jemanden kennenlernen,
der vielleicht zum Freund fürs Leben
wird, oder ob wir in eine brenzlige Situation geraten, von der wir dereinst
noch den Enkelkindern erzählen werden.
Bon für 20%-Ermässigung auf einen
Museumseintritt ins Verkehrshaus der Schweiz
bis zum 17.01.2017
Zum Beispiel:
1 Eintritt für Erwachsene für CHF 24.– (statt 30.–) oder
1 Eintritt für Jugendliche für CHF 12.– (statt 15.–) oder
1 Eintritt für eine Familie für CHF 52.– (statt 65.–)
Einlösbar an der Kasse im Verkehrshaus, nicht kumulierbar mit anderen
Vergünstigungen
P E RSÖ NLICH
Beim Postendienst an Grossveranstaltungen haben die freiwilligen Samariter ihre ganze Ausrüstung dabei
Bruno Parent, Samariter
Der Mann der Tat
Seit über drei Jahren bekennen sich Menschen auf Plakaten und in TV-Spots als Fans des
SRK. Sie posieren mit dem Roten Kreuz auf der Wange, weil sie dankbar sind für die geleistete Hilfe oder weil sie sich selber von Herzen für das SRK engagieren. Bruno Parent, Samariter aus Genf, ist einer von ihnen.
TEXT: TANJA REUSSER UND SSB
S
BILDER (NACHGESTELLTE SZENEN): REMO NÄGELI
ein Gesicht sieht man landauf, landab. Bruno Parent schmunzelt uns zu
in Überlebensgrösse von Plakaten in der
ganzen Schweiz oder von der Lokomotive namens Humanité (siehe Seite 21). Er
ist ein Mann der Tat, der schnell handelt,
aber mit Herz und Verstand. Sozusagen
der Bilderbuch-Samariter, der schon
mit 17 Jahren Erste Hilfe beim Französischen Roten Kreuz (FRK) gelernt hat.
Als Freiwilliger hat er als junger Mann
wochenweise in Burundi, Togo und dem
Libanon mitgebaut an Projekten des
18
Humanité 4/2015
FRK. Als er vor 15 Jahren in die Schweiz
zog, hat er sich sofort beim Roten Kreuz
als Freiwilliger für Erste Hilfe gemeldet.
weile bei der Samariter-Sektion Vernier
«Formateur ASS avec brevet Fédéral
(BFFA)». Versteht sich wie von selbst für
den Mann der Tat, dass dies eine nebenberufliche, freiwillige Tätigkeit ist.
«Durch die Plakatkampagne
erhielt ich viele Gelegenheiten
zu erzählen, was mir als
Samariter am Herzen liegt.»
Freizeit für die Samariter?
Und festgestellt: Anders als in Frankreich
haben die Samariter hier eine eigene
Organisation, die aber auch zum Roten
Kreuz gehört. Bruno Parent ist mittler-
Seit 30 Jahren bin ich Freiwilliger innerhalb der Rotkreuz-Bewegung. Zuerst
engagierte ich mich beim Französischen Roten Kreuz und seit 15 Jahren,
seit ich in der Schweiz lebe, bei den
Warum engagieren Sie sich in Ihrer
PE R S Ö N LI C H
Unterzuckert und deshalb ohnmächtig geworden? Ein Blutstropfen gibt Gewissheit
Reanimation bis die Ambulanz eintrifft
Samaritern. Anderen zu helfen, gibt
meinem Leben einen Sinn. Es tut nicht
nur den anderen gut, sondern auch
mir selber. Gleichzeitig habe ich so
die Möglichkeit, Menschen mit ähnlichen Interessen in den verschiedensten
Situationen zu treffen und damit auch
die eigene Herkunft besser zu verstehen.
Helfen Ihnen die Erste-Hilfe-Kenntnisse auch im Berufsleben?
Als Spezialist für Gesundheits- und Sicherheitsfragen analysiere ich Unfälle
und evaluiere Risiken. Mögliche Konsequenzen abschätzen zu können und
die Erste-Hilfe-Massnahmen zu kennen,
sind für meinen Beruf ein grosses Plus.
Umgekehrt hilft es mir, dass ich es gewohnt bin, gefährliche Umstände zu erkennen und den Ablauf von Unfallsituationen analysieren zu können. Dadurch
kann ich tagtäglich meine eigenen Fähigkeiten verbessern. Dadurch bin ich
gut gerüstet für Postendiensteinsätze
oder die Ausbildung der Bevölkerung
in Erster Hilfe.
«Geht es so besser?» Freundliche Worte und Kompetenz geben der Patientin Sicherheit
Erkennt man Ihr Gesicht?
Ja, gerade kürzlich hat mich im Bus eine
Frau gefragt, ob ich prominent sei. Ich
käme ihr irgendwie bekannt vor. Mehrheitlich bekomme ich aber Rückmeldungen aus meinem Bekanntenkreis.
Es waren Personen der Gemeinde oder
Vereinigungen von Vernier dabei, wo
ich als Samariter tätig bin. Dies hat es
mir erlaubt, die Aktivitäten der Samariter aufzuzeigen, welche Strategie der
Samariterbund verfolgt, was wir für die
Jugend und die Schulen alles tun, die
OACP-Kurse, aber auch die Erste-HilfeKurse mit eLearning vorzustellen. Zwei
mir unbekannte Personen sprachen
mich direkt an und fragten, ob ich die
Person auf dem Plakat sei. Dies gab mir
die Gelegenheit für einen unverbindlichen Informationsaustausch und ihnen
zu erklären, dass die Samariterorganisation für jedermann offen ist. Durch die
Plakatkampagne erhielt ich viele Gelegenheiten zu erzählen, was mir als Samariter am Herzen liegt.
➔
samariter.ch
APROPOS
Wissen fürs Leben
Wüssten Sie, was zu tun ist, wenn
jemand reanimiert werden muss?
Je mehr Menschen wissen, wie sie
erste Hilfe leisten können, umso
besser stehen die Chancen für
Verunfallte oder Schwererkrankte.
Vielleicht sind Sie auch in einer
neuen Lebenssituation und möchten Sicherheit in der Pflege von
Angehörigen. Das Schweizerische
Rote Kreuz (SRK) hat alle seine
Kursangebote schweizweit auf
einer Website zusammengefasst.
Lassen Sie sich inspirieren von den
Kursen und Ausbildungen des
SRK in den Bereichen Gesundheit,
Rettung und Pflege. Ganz gleich
ob Sie Samariterin, Babysitter oder
Rettungsschwimmerin werden
wollen – die praktische Suchfunktion zeigt Ihnen, wo der nächste
Kurs angeboten wird. Sie finden
zudem umfassende Lehrgänge für
angehende Pflegehelfer SRK, für die
Langzeitpflege oder für Palliative
Care. Hier finden Sie die Übersicht
und können sich direkt anmelden:
➔
redcross-edu.ch
Humanité 4/2015
19
Patientenverfügung SRK
Damit Ihr Wille zählt
Wünschen Sie eine Beratung?
Rufen Sie uns an!
Gratisnummer 0800 99 88 44
Montag bis Freitag (8–12 Uhr)
Wir unterstützen Sie gerne beim Erstellen
der kurzen oder ausführlichen Version Ihrer
Patientenverfügung SRK.
www.patientenverfuegung-srk.ch
WISSEN FÜRS LEBEN
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ICH KANN HANDELN
DANK DEN KURSEN VON REDCROSS-EDU.CH
© Bourbaki Panorama
KU RZ & BÜNDIG
Geschichte interaktiv
■ Historische Unterhaltungskunst trifft
auf modernes Kommunikationsmittel:
Das über 120-jährige Rundbild im Bourbaki Panorama in Luzern können Sie seit
Kurzem mit einer Bildungsapp der neusten Generation erforschen. Sie stehen
mitten drin, wenn das Schweizerische
Rote Kreuz im Winter 1871 seinen ersten grossen Einsatz leistet. Mit dem Tabletcomputer lernen Sie die Menschen
dieser Zeit kennen. Als Erinnerung mailen Sie sich Ihre persönlichen Erlebnisse nach Hause. Die Tablets werden zur
Verfügung gestellt. Öffnungszeiten und
Anfahrt:
➔ bourbakipanorama.ch
«2 ✕ Weihnachten hilft uns zu Winterende»
■ «Die Lebensmittel von 2 ✕ Weihnachten haben uns geholfen, als der Wintervorrat aufgebraucht war. In dieser Zeit bin
ich so dankbar für Grundnahrungsmittel
und Gemüse in Konservendosen.» Mariana Pucacescu ist alleinerziehend und
lebt mit den Söhnen Valentin und Sorin
sowie ihrer Mutter Elena in Moldawien, einem der ärmsten Länder Europas.
Josef Reinhardt, Verantwortlicher für
2 ✕ Weihnachten bestätigt: «Diese Familie ist ein typisches Beispiel. Sie lebt weit
unter dem Existenzminimum. Grund-
nahrungsmittel dienen diesen Menschen
weitaus am besten.» Wichtig sei zudem,
dass Lebensmittel mindestens bis im
September 2016 haltbar sind. Die Waren
werden je zur Hälfte in der Schweiz und in
südosteuropäischen Ländern verteilt.
Vom 24. Dezember 2015 bis am 9. Januar
2016 können an jedem Postschalter Warenpakete kostenlos aufgegeben werden. Die Post und die SRG sowie Coop
als Hauptwarenspender ermöglichen
2 ✕ Weihnachten. Für Online-Pakete:
➔
2xweihnachten.ch
© Remo Nägeli
Prominente auf dem Eis für das SRK
Für echte Fans
■ Samariter Bruno Parent ist überlebensgross als Fan des SRK auf der Lokomotive der SBB zu sehen, die noch
mindestens bis Ende 2016 im Einsatz ist.
Jetzt sieht er sich auch in Miniature. HAG
Modellbahnen GmbH hat die Lokomotive Humanité detailgetreu als Modelllok
(kleiner als auf dem Bild) mit viel Schweizer Handarbeit nachgebaut. Ein echtes
Sammlerstück für Liebhaber. Modelleisenbahnfans können die Fan-Lokomotive jetzt bei allen HAG Fachhändlern in
der Schweiz bestellen. Je nach Modell
für 700 oder 750 Franken.
➔ hag.ch
■ Eishockeyprofi Mark Streit hilft
Schwinger Christian Stucki in die Schlittschuhe: Für das Eishockey-Plauschturnier,
das SRK-Botschafter Mark Streit initiierte, standen ein Dutzend Prominente auf
dem Eis. Unter ihnen die SRK-Botschafterinnen Sarah Meier und Dominique Gisin.
Es kamen rund 20 000 Franken zusammen für das SRK-Konflikttraining.
Spendable Gäste an der Rotkreuzgala 2015
■ Bei der Prominenz und High Society von Zürich hat sich die Rotkreuzgala
alle zwei Jahre als Benefizanlass etabliert. Eine rekordverdächtig schnell
ausverkaufte Tombola und erfolgreiche
Auktionen sorgten zusammen mit den
Eintrittskarten für einen Reinerlös von
über einer halben Million Franken. Ein
musikalisches Highlight setzte an der
Rotkreuzgala 2015 die Band Pegasus.
Das SRK investiert den Erlös für bessere
Lebensbedingungen von Menschen in
abgelegenen Regionen Boliviens und
dankt allen herzlich, die zum Erfolg beigetragen haben, insbesondere dem Organisationskomitee (Bild).
Humanité 4/2015
21
F ÜR SIE DA
Das chili-Konflikttraining für die YB-Junioren bietet lehrreiche Spiele mit viel Bewegung
chili-Konflikttraining
Mit Lächeln statt Gewalt
Diesen Sommer hat das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) das erste chili-Konflikttraining für die
jüngsten Spieler des Berner Fussballclubs Young Boys organisiert. Die Fussballtalente festigten
ihre Persönlichkeit und lernten, ihren Spielpartnern mit Respekt zu begegnen. Um zu gewinnen, braucht es einen starken Teamgeist und einen gesunden Umgang mit Konflikten.
TEXT: CÉLIA FRANCILLON
D
BILDER: ROLAND BLATTNER
urch die Gänge des Sportzentrums im Emmentaler Dorf Sumiswald hallen Geschrei und Gelächter.
Im Laufschritt sausen Kinder in schwarzen Fussballtrikots die Treppen hinunter. Trotz der Gluthitze strotzen sie
vor Energie. Sie werden wohl später
keine Probleme haben, zwei Halbzeiten auf dem Spielfeld durchzustehen.
Es ist August, kurz vor Ende der Sommerferien. Der BSC Young Boys (YB)
führt sein traditionelles Lager für talentierten Nachwuchs durch. Jeden
22
Humanité 4/2015
Sommer organisiert der Club für sorgfältig ausgewählte 12- bis 15-Jährige
eine Intensivwoche. Die ehrgeizigen
«Natürlich will jeder Spieler
der Beste sein und es herrscht
starke Konkurrenz.»
jungen Talente möchten eines Tages
in ihr Lieblingsteam aufrücken und das
bekannte gelbschwarze Trikot tragen.
Führt diese geballte Energie nicht auch
zu Spannungen?
Konkurrenz ohne Kampf
«Natürlich möchten die Spieler immer die
Besten sein, unter ihnen herrscht starke
Konkurrenz. Im Training und in den Lagern
verbringen sie viel Zeit miteinander. Da
können Konflikte auftreten, die es zu lösen
gilt», räumt Christian Franke ein, der als Leiter Préformation von YB für die Ausbildung
der 12- bis 15-Jährigen zuständig ist. Deshalb haben das SRK und YB eine Zusammenarbeit vereinbart. Mit seinen chili-Trainings setzt das SRK seit 1999 Massstäbe in
der konstruktiven Konfliktbearbeitung bei
FÜ R S IE DA
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.
Nun wurde erstmals ein Konflikttraining
speziell für das Team FE12 ausgearbeitet.
Ihm gehören die jüngsten Nachwuchsspieler an, die erst zwölf Jahre alt sind:
16 aufstrebende Fussballer, darunter ein
Mädchen, aus der Stadt Bern, bei denen
die Verantwortlichen von YB ein besonderes Potenzial erkannt haben.
An zwei Nachmittagen setzen sich die
Jugendlichen spielerisch auseinander mit
Zu den sozialen Kompetenzen
zählen Selbstbewusstsein, Eigenverantwortung, Konzentration,
Fairplay und Aufrichtigkeit.
schwierigen Themen wie Konflikten, Respekt und Grenzen der anderen. chili-Trainer Alex Michel setzt verschiedene Spiele
ein, um soziale Kompetenzen zu fördern.
Dazu zählen das Selbstbewusstsein,
die Eigenverantwortung, Konzentration,
Umgang mit Risiken, Fairplay sowie Aufrichtigkeit. Nach jeder Partie ruft er die
Kinder zu einer Auswertung zusammen:
Was ist passiert? Weshalb habe ich mich
genervt? «So lernen die Kinder, sich bewusster wahrzunehmen und auf andere
Rücksicht zu nehmen», erklärt der Trainer.
chili-Konflikttrainer Alex Michel: «Konflikte
sind die Würze des Lebens. Sie müssen
nicht nur scharf sein.»
Gruppenarbeiten sorgen für eigene Erkenntnisse und ruhige Minuten
Training fürs Leben
Zu Beginn des Trainings müssen die Jugendlichen mehrmals ihren Namen rufen, während sie in den Kreis treten, der
vom Team gebildet wird. «Wir möchten
den Spielern auch helfen, ihre Persönlichkeit zu festigen. Das ist wichtig, für
das Leben als Profi und für den Alltag»,
erklärt Christian Franke. Dann geht es
um Zusammenarbeit und Freundschaft:
Die Kinder spielen Fangen und üben
sich im Zuspielen des Balls. Vier Stunden lang bleiben sie konzentriert und
diszipliniert bei der Sache. Wie schafft
Alex Michel das? «Wenn ich die Kinder im Kreis zusammenrufe und sie auf
den Boden klopfen lasse, habe ich ihre
Aufmerksamkeit im Handumdrehen
gewonnen», erklärt er. Gegenseitiges
Händeklatschen ist ein weiteres Ritual,
das der Trainer nutzt, um die Energie
der Jugendlichen zu bündeln. Auch der
Wechsel zwischen Spielen und Diskussionsrunden sorgt dafür, dass das Team
begeistert mitmacht. «Die Kinder werden sich bewusst, dass eine Meinungsverschiedenheit nicht immer Ärger oder
Schwierigkeiten bedeutet. Es kann auch
Spass machen, einen Konflikt zu lösen»,
fügt er hinzu.
Am Schluss sind sich die Kinder einig:«Es
war mega cool.» Und obwohl sie noch
etwas jung sind, um die erworbenen
Kompetenzen detailliert zu analysieren,
ist ihnen zumindest ein wichtiger Wert
geblieben: «Freundschaft!» Christian
Franke bestätigt: «Ich bin sehr zufrieden.
Die Jugendlichen lernen sich besser kennen und werden sich bewusst, wie wichtig der zwischenmenschliche Kontakt,
Regeln und gegenseitiger Respekt sind.
Und sie haben Spass dabei.» Kommt die
Partnerschaft zustande, werden künftig
alle 12- bis 15-jährigen YB-Spieler im
Sommerlager ein chili-Training besuchen.
➔
redcross.ch/chili
APROPOS
KONFLIKTTRAINING FÜR ALLE
Mit seinen chili-Trainings setzt das
SRK seit 1999 Massstäbe in der
konstruktiven Konfliktbearbeitung
bei Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen. Das Angebot richtet
sich insbesondere an Schulklassen
jeglichen Alters und kann auf Anfrage gebucht werden. Alle Informationen gibt es auf der Website:
➔
chili-srk.ch
Humanité 4/2015
23
chili – Gemeinsam an Schulen
Konflikte bearbeiten, Sozialkompetenz
stärken und Mobbing vorbeugen
Novartis unterstützt als offizieller Partner des Schweizerischen
Roten Kreuzes die Konflikttrainings chili. In diesen Trainings
lernen Kinder und Jugendliche an Schulen, wie man Gewalt
verhindern kann und Konflikte konstruktiv löst. Gleichzeitig wird
die Sozialkompetenz der einzelnen Teilnehmenden gestärkt
und so zur Gewaltprävention beigetragen.
Novartis ist offizieller Partner von
ERLEBT
Ecuador
Fischerin von Rocafuerte
Die Minderheit der Afro-Ecuadorianer lebt mehrheitlich an der Pazifikküste und ist wirtschaftlich besonders benachteiligt. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) unterstützt ein
Frauennetzwerk. Diesem gehört auch die couragierte Fischerin Diana Vité an.
TEXT UND BILD: KARL SCHULER
I
m kleinen Fischerdorf Rocafuerte an
der nördlichen Küste des Pazifischen
Ozeans sind die frühen Stunden die
betriebsamsten des Tages. Die farbigen
Fischkutter legen hier, wo der Rio Mate
ins Meer mündet, fast im Minutentakt
an. Im roten Pullover und blauen Rock
ist Diana Vité von Weitem zu erkennen.
Sie steuert sicher das mit einem Aussenbordmotor ausgerüstete Kanuboot. Die
Fischhändler warten auf die nächtliche
Ausbeute des Meeres. Diana Vités Fang
besteht an diesem Morgen aus 50 Kilo
Barsch und Langusten. Damit erzielt sie
einen Preis von 30 Franken, von dem
sie die Hälfte an den Besitzer des Bootes abliefern muss. «Bei abnehmendem
Mond fangen wir fast die Hälfte weniger
als bei Vollmond», erklärt die Fischerin.
Die 29-jährige Mutter von vier Kindern
ist die einzige Frau im Dorf, die diesen
beschwerlichen Beruf ausübt. Rocafuerte hat rund 3000 Einwohner und liegt
in der Provinz Esmeraldas, was «Smaragde» bedeutet. Der Edelstein hat der
Provinz im Nordwesten Ecuadors ihren
Namen gegeben. Der funkelnde Name
kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in dieser tropisch-feuchten
Ecke die Lebensbedingungen besonders beschwerlich sind. Die Abholzung
ist weit fortgeschritten, von den Exporthäfen für Erdöl und der Raffinerie
profitiert die lokale Bevölkerung herzlich wenig. Sie lebt neben dem Fischfang vom Anbau tropischer Produkte
wie Kakao, Bananen und Palmöl. In
Esmeraldas lebt die Mehrheit der AfroEcuadorianer, die etwa 5 % der Bevölkerung des südamerikanischen Landes
ausmacht. Ihre Vorfahren wurden von
der Kolonialmacht Spanien als Sklaven
hierher verschleppt.
Diana Vité trägt mit
Fischfang zum Familieneinkommen
bei und engagiert
sich in einem Frauennetzwerk
Das Netz der Frauen
Es sind die Armutsbedingungen, die
RIOS – die Partnerorganisation des
Schweizerischen Roten Kreuzes – zu
ihrem Engagement in Esmeraldas bewegte. Die Zusammenarbeit mit dem
Frauennetzwerk Red de Mujeres eignet
sich besonders gut für eine wirksame
Gesundheitsprävention und Armutsbekämpfung. Neben dem Fischnetz spielt
im Leben von Diana Vité noch ein an-
«Die aktive Mitarbeit in der
Frauengruppe gibt mir das
gute Gefühl, für die anderen
nützlich zu sein.»
deres Netz eine wichtige Rolle: Red de
Mujeres, das Frauennetz, ist mit seinen
1000 Mitgliedern in 30 Gruppen organisiert. Wie die meisten Frauen erhielt
auch Diana Vité ursprünglich einen
Kleinkredit, den sie für neue Netze verwendete und inzwischen zurückbezahlte. Unterdessen engagieren sich die
Frauen vom Netzwerk, unterstützt vom
SRK, auch für eine bessere Gesundheit.
Nach einem Grundkurs begleiten sie als
Freiwillige die Gesundheitsbrigaden.
Diese besuchen sowohl die Küstendörfer wie auch abgelegene Gebiete im
Inneren, die zuvor kaum Zugang zum
Gesundheitssystem hatten. Dort führen
sie Impfkampagnen durch, beraten die
Mütter in Gesundheitsfragen und klären
sie über HIV/Aids und Tuberkulose auf.
«Die aktive Mitarbeit in der Frauengruppe erweitert meinen Horizont und gibt
mir das gute Gefühl, für die anderen
nützlich zu sein», kommentiert Diana
Vité. Dank der Gesundheitsaufklärung
haben sie und ihr Mann beschlossen,
keine weiteren Kinder mehr zu haben.
«Eines meiner vier Kinder wird hoffentlich die Familientradition der Fischerei
fortführen», meint sie mit einem Lachen. Trotz der Gefahren und obwohl
die Fischbestände in den letzten Jahren
ständig abgenommen haben, hofft sie
auf die Zukunft ihres ebenso anstrengenden wie schönen Berufes.
➔
redcross.ch/ecuador
Humanité 4/2015
25
© fotolia
ERLEBT
Zu sich selber gefunden und mit der Vergangenheit abgeschlossen – jetzt hat Cennet Güneș wieder Lebensmut
Patientengeschichte
Brennen für Gerechtigkeit
Eine junge Kurdin hat teuer bezahlt für ein selbstbestimmtes Leben. Schwer traumatisiert leidet sie seit ihrem 18. Lebensjahr körperlich und seelisch. Erst Jahre später findet sie Hilfe im
Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer SRK.
TEXT: TANJA REUSSER
W
enn *Cennet Güneș Kölnisch Wasser riecht, fühlt sie sich ohnmächtig. Dann kann sie nicht mehr denken.
Seit dem 24. Oktober 1998 erträgt sie
den Duft nicht mehr. Das ist der Tag, an
dem sie ein endgültiges Zeichen setzen
wollte gegen die Ungerechtigkeit. Fast
die Hälfte ihres Lebens lebt sie seither
mit den Narben der versuchten Selbstverbrennung. Alles hat sich verändert
in ihrem Leben, nur ihr Traum nicht: Die
Kurdin Cennet Güneș will ein selbstbestimmtes Leben führen und glücklich
werden mit ihren eigenen Entscheidun26
Humanité 4/2015
gen. Ob diese nun richtig oder falsch
sind. Es sind die eigenen, freien Entscheidungen. Dafür hat sie gebrannt. Schon
als Mädchen.
Sie will ein selbstbestimmtes
Leben führen und glücklich werden mit eigenen Entscheidungen.
Aus der Kindheit gerissen
Sie war ein mutiges, aufgewecktes Kind
und ging gerne zur Schule. Als Cennet
12 Jahre alt wurde, endete ihre Schulzeit. In der Osttürkei der 1990er-Jahre
waren fünf Schuljahre üblich. Bildung
hatte keine Priorität im Leben einer Frau.
Cennet war ein hübsches Mädchen und
begehrt. Es war so gut wie beschlossen,
dass sie jung heiratet und Hausfrau wird.
So will es die Tradition der kurdischen
Bauernfamilie von Cennet. Man will das
Beste für sie. Ein junges Mädchen – was
will das schon wissen von seinem Leben?
Cennets Vorstellungen vom Leben als
Frau waren jedoch weitaus konkreter
als ein Teenagertraum. Doch niemand
nahm sie ernst. Bis sie sich als 13-Jährige einer Protestgruppierung anschloss
ERLEBT
und ihre Familie verliess, um für die
Freiheit und Frauenrechte zu kämpfen.
Mit 14 wurde sie in einem Gefecht angeschossen. Sie gibt dennoch nicht auf.
Ein Jahr später wird sie verhaftet. Sechs
Jahre und vier Monate Gefängnis lautet
das Urteil. Zu viel für eine Jugendliche
ohne Hoffnung. Kölnisch Wasser – ein
Parfum – niemand schöpft Verdacht. An
ein Feuerzeug zu gelangen ist auch kein
Ding der Unmöglichkeit im Gefängnis.
Es soll ein letzter Protest werden, ihre
Verzweiflungstat soll ein Zeichen setzen.
Obschon sie sich im WC einschliesst, gelingt es Mitgefangenen, die Tür aufzubrechen und die Flammen zu ersticken. Man
legt der schwerverletzten Frau Handschellen und Fussfesseln an. Fünf Stunden
dauert die Fahrt zum ersten Spital, wo sie
abgewiesen wird. Im zweiten Spital wird
sie auf der Bahre in einem Kellerraum abgestellt und während drei Tagen weder
gepflegt noch mit Nahrung versorgt. Ob
man sie vergessen hat oder absichtlich
bestrafen wollte, wird sie nie erfahren.
Es folgen qualvolle Behandlungen, Folterungen mit einem Schlauch. Die Wunden
entzünden sich, stinken grauenhaft und
schmerzen unbeschreiblich. Schwer gezeichnet überlebt Cennet. Sie ist 18 Jahre
alt und fortan stigmatisiert.
APROPOS
20 JAHRE FÜR MEHR
LEBENSMUT
Cennet Güneș ist ehemalige
Patientin des Ambulatoriums SRK.
Nebst ihr fanden drei weitere
Patienten den Mut, mit Hilfe der
Kunsttherapeutin Olgu Cevik ihre
Erlebnisse und Gefühle in je zwei
Bildern darzustellen. Die Bilder
wurden im November in der
Heiliggeistkirche Bern ausgestellt,
anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Ambulatoriums («20 Jahre
für mehr Lebensmut»). Jede vierte
Person, die in der Schweiz als
Flüchtling anerkannt ist, muss mit
den Folgen systematischer Gewalt
leben. Traumatisierte Menschen
leiden unterschiedlich stark an
verschiedenen Symptomen wie
körperlichen Schmerzen, Panikattacken oder Depressionen. Damit
verbunden ist häufig eine soziale
Isolation. Im Ambulatorium SRK
erhalten diese Menschen eine Therapie, die verschiedene Behandlungsmöglichkeiten und Sozialarbeit kombiniert. Angehörige
– auch betroffene Kinder – werden
in die Therapie einbezogen und
wenn nötig individuell behandelt.
Oftmals gelingt es, dass traumatisierte Menschen dadurch wieder
unabhängig leben können.
Flucht vor der Vergangenheit
Die sichtbaren Narben verändern ihr Leben, sie wird ausgegrenzt. Es gibt keinen
Platz für jemanden wie sie im Heimatland. Hilfe erst recht nicht. Als 25-Jährige
gelangt sie in die Schweiz und entscheidet sich für eine Therapie im Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer SRK.
Ein Entscheid, den sie nie bereut hat
und ihr Leben positiv verändert. Cennet Güneș lernt hier Menschen kennen,
die ihr helfen wollen, sie aber nicht bedrängen. Mit diesem Gefühl der Sicherheit nimmt sie ihr Leben wieder selbst
in die Hand. Sie lernt mit Rückschlägen
umzugehen, indem sie in Gesprächen
mit ihrer Therapeutin nach Lösungen
sucht. Die Narben an ihrem Körper ak-
Das Bild erzählt von
prägenden, traumatischen Begebenheiten im Leben der
jungen Kurdin
zeptiert sie als Teil ihrer Geschichte. Sie
trägt sie mit Selbstverständlichkeit und
pariert neugierige Blicke mit würdevoller Gleichgültigkeit. Die alte Cennet,
das mutige Mädchen mit dem Traum
von Gerechtigkeit, findet im Laufe der
Therapie immer mehr zurück zu sich
selbst. Cennet Güneș will arbeiten und
unabhängig sein. Sie findet Arbeit in der
Buchbinderei. Die Gesprächstherapie im
Ambulatorium braucht sie heute nicht
mehr. Aber sie sagt zu, ihre Geschichte
in einem Kunstprojekt aufzuarbeiten.
Für Cennet Güneș ist es ein stummer,
gemalter Protest. Ihr Körper, ihr Alltag –
alles hat sich verändert. Ihr Kampf für
ein selbstbestimmtes Leben ist geblieben. Cennet Güneș brennt noch immer
für ihren Traum, lebt ihn fort und ergänzt ihn mit dem Wunsch nach einer
eigenen Familie.
➔
redcross.ch/ambulatorium
sprich «Tschennet» – Es wurde ein symbolisches Foto verwendet.
*
Humanité 4/2015
27
Taten statt Worte Nr. 280
Starke Sache:
Wir sorgen beim Roten Kreuz
für volle Pakete.
Seit bald 20 Jahren pflegen wir eine enge und intensive Partnerschaft mit dem
Schweizerischen Roten Kreuz (SRK). Das SRK bringt unsere Spenden zur richtigen Zeit an den
richtigen Ort. So erreichen wir Menschen in Not auf der ganzen Welt – auch in der Schweiz:
Für die Aktion «2 x Weihnachten» spenden wir jährlich Waren im Wert von 500 000 Franken.
Alles über das Nachhaltigkeits-Engagement
von Coop auf: taten-statt-worte.ch
KREUZ & QUER
Äthiopien
Ein grosser Teller für die
Gemeinschaft
Genügend Nahrung zu haben ist in Äthiopien nicht in allen Regionen eine Selbstverständlichkeit. Umso wichtiger ist die gemeinsame Mahlzeit. Familien und Freunde essen traditionsgemäss von einem grossen, runden Tablett.
TEXT: ISABEL RUTSCHMANN
BILDER: REMO NÄGELI
Lokale RotkreuzMitarbeiter essen,
wie es sich gehört,
Injera ohne Besteck
REZEPT
LINSEN-ZWIEBELN-BERBERE
Beilage für vier Personen
Zutaten
100 g rote Linsen
1 EL Berbere*
4 EL Olivenöl
2 Knoblauchzehen und
1 cm Ingwer gerieben
3 mittelgrosse Zwiebeln
E
s ist eine Augenweide, wenn in
Äthiopien nach einem langen, arbeitsreichen Tag das Essen auf den Tisch
kommt: Auf einem grossen, silbernen Tablett, oftmals in einem handgefertigten
Korb mit Deckel serviert, liegt das luftige
Sauerteig-Fladenbrot Injera. Darauf verteilt sind wie Farbkleckse die verschiedenen Gemüse- und Fleischgerichte. Die
Farbpalette geht von Gelberbsen über
sattgrünen Spinat bis zu roten Linsen.
Es bleibt aber nicht nur beim Augenschmaus: Für den Gaumen sind die würzigen Speisen ein Geschmackserlebnis.
Vor allem das typische Gewürz Berbere,
eine Mischung, die unter anderem aus
Chilipfeffer, Ingwer, Zimt, Knoblauch
und Gewürznelke besteht, verleiht den
Gerichten eine spezielle Schärfe. Als traditionelle Getränke passen der süsse Honigwein Tej oder Gewürztee.
Gegessen wird mit den Fingern der rechten Hand, das Fladenbrot ersetzt nicht
nur den Teller, sondern dient auch als
Besteck. Sich gegenseitig hin und wieder eine Portion direkt in den Mund zu
stecken, gilt in Äthiopien als besonders
freundschaftlich. Bevor das Essen serviert
wird, wäscht man sich am Tisch die Hände. So auch im äthiopischen Restaurant
Injera in Bern. Dort kann man die äthiopische Esskultur erleben. Der Geschäftsführer und gebürtige Äthiopier Awrawris
Girma, der mit 19 Jahren in die Schweiz
kam, kennt sich mit der Esskultur seiner
Heimat bestens aus und lässt seine Gäste an dieser Tradition teilhaben. Von
ihm stammt das nebenstehende LinsenRezept. Am Sonntagabend kann man
im Injera jeweils an der traditionellen
Kaffeezeremonie teilnehmen. Bei der Zeremonie wird frisch gerösteter Kaffee in
einer besonderen Kanne ausgeschenkt –
auch dies ein Erlebnis für die Sinne. Äthiopien gilt als die Heimat des Kaffees.
➔
Zubereitung:
Zwiebeln klein schneiden, mit etwas
Öl bei mittlerer Hitze anbraten.
Hitze zurücknehmen, Berbere beigeben, rühren, mit wenig Wasser
ablöschen. Knoblauch-Ingwer-Mix
zugeben, zehn Minuten köcheln
lassen, wenn nötig Wasser nachgiessen. Linsen waschen, zugeben,
gut umrühren, fünf Minuten ziehen
lassen. 7dl Wasser beigeben, ca.
30 Minuten köcheln lassen, wenn
nötig wenig Wasser nachgiessen.
Gelegentlich umrühren, mit Salz
abschmecken. Dazu serviert man
Injera* (erhältlich im Spezialhandel/
Restaurant), Reis oder Brot.
*
im Spezialhandel/äthiopischem
Restaurant erhältlich oder Rezept aus
dem Internet
magazin-humanite.ch/rezepte
Humanité 4/2015
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KREUZ & QUER
HUMANITÉ 3/2015
Lösungswort des letzten
Kreuzworträtsels:
SOLIDARITAET
Wir gratulieren
den Gewinnerinnen und
Gewinnern:
Liliane Begert, Ostermundigen
Luigi Mandelli, Vacallo
Brunhilde Walter, Rüti
Paul Widler, Gossau
Christiane Zufferey, Epalinges
Übrige Lösungen der letzten
Ausgabe:
Für Humanité zeichnet «Karma» alias Marco Ratschiller. Er ist Cartoonist und Chefredaktor des
Satire-Magazins Nebelspalter.
Labyrinth
Vom Start bis ans Ziel wird der Weg mit feinen Linien markiert.
Den gefundenen Weg ausfüllen – und schon erscheint das Bild.
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Die Lösung zum Sudoku, zum Bilderrätsel und zum Labyrinth finden
Sie jeweils in der nächsten Ausgabe
oder im Internet.
➔ magazin-humanite.ch
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Humanité 4/2015
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Kreuzworträtsel
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GEWINNEN
Teilnahmebedingungen für den Wettbewerb: Die Gewinner
werden schriftlich benachrichtigt. Über den Wettbewerb wird
keine Korrespondenz geführt. Die Barauszahlung und der
Rechtsweg sind ausgeschlossen.
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Füllen Sie die leeren Felder mit den
Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede
Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und
in jedem der neun 3 x 3-Blöcke nur
einmal vorkommen.
© Remo Nägeli
Bilderrätsel
Finden Sie 10 Fehler im
unteren Bild!
«Weltreise Rotes Kreuz» – bis zum
17.1.2017 im Verkehrshaus der Schweiz
➔ verkehrshaus.ch
Wettbewerb
Unter allen korrekt eingeschickten
Lösungswörtern des Kreuzworträtsels verlosen wir fünf Mal zwei
Museumseintritte ins Verkehrshaus
der Schweiz in Luzern.
Senden Sie das Lösungswort und
Ihre Adresse in einem E-Mail an
[email protected] oder auf
einer Postkarte an:
Schweizerisches Rotes Kreuz
Magazin «Humanité»
Postfach
3001 Bern
Einsendeschluss: 4. Januar 2016
Humanité 4/2015
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Moyale, Äthiopien
Überleben am Ende der Trockenzeit: Die Männer holen die
letzten Wasserreserven aus der
Tiefe. Das SRK finanziert Filter,
um das Wasser zu reinigen.
Unsere Hilfe braucht Ihre Spende.
Postkonto 30-9700-0