Die St. Martinskirche von Eschen und das Gerichtsgebäude zu Rofenberg von Eugen Schafhaueer Die St. ^Inrtinskirche von Eschen und «las Werichtsjrebäude zu Rofenberg von Eugen Scliafhauser Millen im ausgeweiteten Talkessel des Oberrheins, am sonnigen Südlianp: des schon Jahrtausende zuvor von Menschen besiedelten Inselberg-K iickens. allda wo dann auch die Kelten und Alemannen hausten, hesassen die Pfäferser Benediktiner-Mönche schon im .lalire H.'il eine zu Ehren des hl. Martinus geweilite Kirche. Eschen, das seinen Namen von Wasser. See (Escan), herleitet, mochte bereits zur genannten Zeit dichter besiedelt gewesen sein, sonst wäre es damals kaum schon Pfarrei gewesen. Das Kloster Pfäfers genoss dahier den Zehnten und nannte einen halben Hof — den ganzen erhielt es lange/lange nachher, im Jahre 1276 vom Kloster St. Gallen— zu eigen'). Noch bis 1660 bestand in der Pfarrgemeindc Eschen ein besonderer Brauch'-). Sie gab dein Kloster Pfäfers den Zehnten von Korn und Wein: zwei Drittel davon sollten der Abtei und ein Drittel dem Pfarrer zufallen. Dagegen verpflichtete sich das Kloster, jährlich den sogenannten «Bratiszehnten» zu geben, nämlich 30 Viertel Wein, 6 Pfund Schmalz, 100 Pfund Fleisch, ein Mässle Salz und 30 Pfund Käse. Kloster und Pfarrer bereiteten daraus für die Eschner eine besondere Mahlzeit. Das mag mehr ein Volks- oder Erntefest gewesen sein, bei dein es wohl gar lustig und fröhlich zuund herging. Vermutlich gaben guthaushälterische Gründe im Jahre 1660 den Anstoss für die Auflassung des Bratis- und Kleinzehnten. Erst als St. Gallen die Abtei aufhob (1838), löste sich .im Gefolge einiger wechselseitiger Aussprachen das Verhältnis zu Pfäfers. Bis dahin betreuten die dortigen Patres unsere Pfarrei. Fundierte Namensangaben zählen erst ab 1243 (P. Burkard). In einer Urkunde aus dem Jahre 858 wird zwar ein Valerius von Eschen, der in Grabs Zeiige war, erwähnt. Oh dieser Pfarrer der genannten Pfarrei oder ein Edler von Eschen war, ist nicht feststellbar'). Als letzter Pater amtete noch Hochwi.H. Benedikt Styger bis 1843. Die erste bekannte Renovation an der Eschner Martinskirche geht auf das Jahr 1438 zurück ). Das Turmdach hielt bis 1760 durch, wo es überholt und neu beschindelt werden musste, während die Turmuhr erst zu Anfang des folgenden Jahrhunderts geeigneter Hilfe kundiger Hände bedurfte. Das Vorzeichen "), das auf dem Bilde erkennbar ist, baute man erst zu Ende des 18. Jahrhunderts dazu ). Anno 1861 bekam die gewichtigste, 11 Zentner schwere und 145 Jahre früher aus der Ciessereiwerketätte Fr. Jos. Felix in Feldkirch für 120 Gulden erstandene Glocke einen Riss. Infolgedessen wurden 3 neue Glocken zu einem harmonischen Geläute angeschafft. Die grösste wog 18 Zentner, die mittlere 719 Pfund umd die dritte 411 ). 4 4 46 5 Den schönen und überaus wertvollen, zu Ehren der Gottesmutter, des hl. Martinus, des Apostels Jakobus und des hl. Stephanie geweihten Barokaltar erhielt dieses Gotteshaus im Jahre 1640. Die Chorfenster stammten aus 1793, während über den Ursprung der Glasmalerei des runden Fensters ), das über dem linken Seiteneingang lag, keinerlei Anhaltspunkte vorliegen. Gleich neben der erwähnten Türe führte eine schmale Treppe zu der an der Wand ruhenden Kanzel ). Hinter den von den St. Katharina- und Dreikönigsaltären flankierten Chorplätzen stand das Beichtgestühl ), auf der einen Seite neben der Sakristei, die im Jahre 1815 geräumiger und lichter gestaltet wurde. Schon P. Gyr fand die alte arg eng, klein und dunkel ). Was Wunder, dass sich dann Pfarrer Basilius Helbling ebenfalls um ihr« Neugestaltung kümmerte, welche nach etlichen Jahren den unerbetenen Besuch eines übermächtigen Eindringlings bekam. Es war Weisser Sonntag zwischen drei und vier Uhr nachmittags — also einige Zeit nach dem Gottesdienst — da schlug der Blitz ) während eines aus dem Westen kommenden Unwetters in den Turm der Kirche, schleuderte Kreuz und Knopf desselben herunter, zerschmetterte den ganzen oberen Teil des Turmes, fuhr durch den Uhrenperpendikel, sprang von diesem quer durch die Turmmauer und vor dem St. Katharinaaltar in den Boden. In der Kirche wurden alle Fenster zersprengt, der St. Katharinaaltar heinahe über den Haufen geworfen und noch verschiedenes anderes zertrümmert. Ein Blitzstrahl fuhr bei dem gleichen Altar durch die Mauer in die Sakristei hinein, sprang an die eiserne vergoldete Spitze einer Militärfahne und zerfetzte dieselbe so, dass 6 7 8 9 10 Das Gerichtsgebäude zu Rodenberg - 73 — man von ihr auch nicht das kleinste Stücklein mehr hätte verwenden können. Knapp entgingen die Kirchenbesucher — sie waren ja kurz zuvor dort —- einer Katastrophe, verweilten doch die Kinder seinerzeit zufolge des herrschenden Platzmangels oben im Chor ), also 11 im Gefahrenbereich der Blitzbahn. Wie angespannt übrigens die Platzfrage war, das geht schon daraus hervor, dass ein eigens angebrachtes Männergestühl die ganze rechte Hälfte der Empore beanspruchte ). Das legte natürlich den Bau eines neuen Gotteshauses 12 nahe, weshalb man sich im Jahre 1850 noch mit dem Zukauf einer alten Orgel begnügte. Eschen, das drei Jahrhunderte früher (1531) nur 58 Feuerstätten mit 341 Seelen über 15 Jahre zählte, war eben zu einer grösseren Ortschaft herangewachsen. Die Martinskirche soll als die «Kirche der Herren von Schellenberg» benannt worden sein und deren Wappen getragen haben ). 13 Mehr wird aus der Tatsache, weil in Eschen der Sitz des Gerichtes lag, gefolgert, dass das dortige Gotteshaus die Hauptkirche der Herrschaft Schellenberg war ). Stand in Eschen sohon die Hauptkirche, 14 so musste ihr Patron, der hl. Martinus, auch der Schutzpatron der Herrschaft Schellenberg gewesen sein. Werfen wir einen Blick zurück, in eine Vergangenheit von Jahrhunderten. Da liegen so viele und .schwere Sorgen vor der Schwelle der Martinskirche, die sowohl den kirchlichen als auch den um das Seelenheil bekümmerten weltlichen Würdenträgern auf dem Herzen lagen. Da waren es einmal die durch die GlaubensSpaltung heraufbeschworenen Religionskämpfe, .sodass selbst der Graf von Sulz die Bauern beschwichtigen musste ), dann der ab13 scheuliche Hexenwahn, wo selbst ein Weib zu Nendeln darauf verzeigt wurde, einen «grossen Föhn» angerichtet zu haben ) und un16 ter anderem die feindlichen Heereszüge, welche ausser Not - und Elend verwilderte Sitten zurückliessen. Die Richter kämpften annodazumal noch gegen Unsitten, für die uns heute jeder Maßstab abgeht. Galt es Missetäter zu massregeln, so musste man sie notfalls auf Urfehde schwören, d. h. versprechen lassen, sich wegen der erlittenen Strafe auf keine Weise an der Herrschaft zu rächen. Im Jahre 1529 kam ein Hans Degen, genannt Rolldegen, von Eschen ins Gefängnis. Er schwor Urfehde und versprach, nur an Feiertagen 6 — 74 - nnd' bei'Hochzeiten ins Wirtshaus zu gehen, wenn er nach Feldkirch gehe, • nicht ^mehr als eine Mass zu trinken ). 17 " Was die Gesetze oder das Recht betrifft, so galt im allgemeinen das schwäbische Landrecht, doch hatte sich ein besonderes Gewohnheitsrecht («Landesbrauch») herausgebildet. Die Gemeinden bezeichnete man mit «Nachbarschaften» und die Einwohner als «Gen*dissame». Ihre' Vorsteher hiessen Geschworene (Richter). Die Uebertretungen der Genossordnung wurde bei einem Genossgericht gebüsst. Den Vorsitz bei Gericht führte der Ammann oder Landammann: wie man ihn 6päter nannte. Das Gericht wurde zu Rofenberg gehalten ), wo das Amtsgebäude stand (Siehe Bild). Darin amteten die Landammänner und die Zolleinnehmer; 'dort war das Riclvtschwert samt der Landesfahne der Herrschaft verwahrt; daselbst, /tagten.unter der 'breitästigen Eiche vor der Kapelle die öffentlichen Gerichtsverhandlungen im Frühling und Herbst, wo der Landammann, inmitten seiner 12,Richter, öffentlich zu Gerichte sass und über, den .fernen Sünder den' Stab brach; und dorthin marschierten auch alle drei Jahre, die wehrfähigen Bürger vom Eschnerberg, um den Landammann zu wählen ). : 18 ; 19 Leider fiel jenes historische Bauwerk, um das sich vormals die Geschicke der, ganzen hiesigen Landschaft drehten, einejn Brande zum Opfer. Die Strassenfrqnt jenes Objektes besass eine Länge von 15 Metern. Sowohl der Haus- als auch der vordere Kellereingang war -— im romanischen Stil — überrundet. Der Würde des Hauses entsprechend bestand die Eingangspforte aus Eichenholz. Schweren Herzens mochten da manche biedere Landsleute wie fahrendes Gesindel, beherzte Wehrmänner wie verängstigte und zaghafte Frauen, 'hohe. Herrschaften wie •höchstuntertäniges Gevölk ein- und durch die Steintreppen in die Gerichts- (Landammanns-) Stube hinaufgetreten sein. Die dicken Mauern haben jedenfalls nicht nur die Reueträrieh der hinter den wuchtigen Eisenstäben während neun Mondetf' gesessenen goldenen Boos ), sondern auch die Weh- und Klägerufe''der in den Folterrahrricri' eingepferchten Strafverzeigt'eri gehört: Zu Fluchen ge'traute' man sich annodaZumal — vor allem in Gehöf sweite der Gefängnisweibel — nicht, weil die Polizeivorschriffen sö'lclfe straffällig gemacht'-haften: Ini übrigen dürften seinerzeit die Menschen mehr Gottesfurcht an den Tag gelegt haben, ansonst es 20 1 - 75 - bei den strengen Anordnungen mehr als zweier Gefängniszeilen bedürft hätte. •Die zur Landsgemeinde aufgerufenen Wehrmänner brauchten weder zu hungern noch zu dursten. Das Gastzimmer und der Saal bot dafür zulänglich Raum. ; Welches musste wohl die Amtsstube gewesen sein? War es das «Herrenstiible» (Siehe Skizze) oder die «Neue Stube»? Möglicherweise waren beides Amtsräume. Das Nebenstüble (Nebenzimmer) war es kaum, denn die Verbindungstür gegen die Küche dürfte auf einen anderen Zweck (Speise- oder' Privatzimmer) 'verweisen. Vielleicht wurde in der «Neuen Stube» mit dem grossen Ofen rechte der Türe, der Zoll abgefertigt. Jedenfalls geschah es in diesem Hause, da hier die Strasse -Feldkirch-Toggenburg- vorbeiführte ). Daselbst schaltete und waltete noch Zollerbascha ) seines Amtes als Zolleinnehmer. Er wurde später Besitzer (als «Baptist Fehr, Zoller, Rofenberg» im Grundbuch eingetragen) dieses Objektes. 21 22 Das Herrenstüble hat vermutlich dem Landammann als Arbeitszimmer gedient. Das geht schon daraus hervor, weil letzteres keine Türe zum Korridor besass und die Leute so im Gastzimmer darauf warten konnten, bis ihr Ländammanri wiederum frei wunde. Im genannten Stüble'habe man, wie gesagt wird,' zu Kriegszeiten unterhandelt. Es fanden hier in Eschen, als dem Hauptort des Eschnerberges, auf der Schießsitätte die Wehrübungen statt ). Jeder Bürger, der das 16. Lebensjahr erreicht hatte, musste mit Wehr und Waffen zu den jährlichen Musterungen vortreten'und dürfte nicht heiraten, wenn er nicht nach der Milizordnung' gehörig bewaffnet war. Erging der Aufruf (z. B. das Lärmzeichen aus einer mannhaften Büchse), so musste sich jeder-Waffenfähige rrtit-Gewehr und Harnisch versehen. Das Gericht zu Rofenberg hatte die Hauptleute zu bestellen. Dort wurden die Hauptmusterungen gehalten und Gewehr und Waffen auf den wehrfähigen Stan'd^geprüft ). Etwelches Kriegsgerät, wie z. B. Säbel und Gewehre^ auch ein kompliziertes ScWessgerät^ lag noch in der Dunkelkaromer (links im 1. Stock), in welcher auch das Archiv und die Landesfahne aufbewahrt war. Sei es, dass etwa vorhandene Fensterläden- den 'Lichteintritt behinderten oder die kleinen bleigefassten rundgläsigen Fenster verstaubt und beschmutzt waren, die genannte Kammer war (in der Zeit vor 23 24 - 76 - dem Brande) immer dunkel. Die vorhandenen Gitter waren daran kaum Schuld. Noch weniger anziehend dürfte der Aufenthalt in der anliegenden Folterkammer gewesen sein. Trotzdem dieser Raum, gleich der Dunkelkammer, bleigefasste Wabenfenster trug, war er doch lichter als ersterer. Der einzige etwas freundlichere Gegenstand war eine Pritsche. Sichtlich unheimlich war der Anblick der Folter. Die erwähnten Gegenstände sahen wie zusammenlegbare, scharnierte Bilderrahmen aus. Zwischen dem rückwärtigen und forderen Rahmen lag dann der Körper eingezwängt. Ob und wie diese Geständnispressen, so möchte man sie bezeichnen, wirklich angewandt wurden, dafür fehlt jede Ueberlieferung. An der Südseite des Gebäudes, in der Blickrichtung zur Kreuzkapelle, ruhte in einer zierlichen Mauernische, gleichsam um anzudeuten, dass man hier — also in den beherbergten Aemtern — Religion nicht als Privatsache behandelt, eine Madonnastatue "). 2 Am 30. Nov. 1402 ) kam zwischen dem Grafen Bischof Hartmann und dem Grafen Albrecht v. Bludenz ein Vertrag zustande, in dem es in Pkt. 2 heisst: «Der Graf von Vaduz soll alljährlich, wie es bisher geschah, zwei Zivilgerichtstage halten am Eschnerberg und zwar im Mai und Herbst». Es muss sohin zu den Tagen, da auch «Amtmann und Landleute allgemeiniglich am Eschnerberg» zum «Bunde ob dem See» geschworen hatten ) — an welche Zeit des Burgensturmes, der Flammenzeichen entfesselten Freiheitsdranges, uns die jährlichen Höhenfeuer erinnern — das Gericht zu Rofenberg bereits bestanden haben. 27 26 Zwischen dieser Epoche und jener, da der Landammann und das Gericht am Eschnerberg die Leute aller Gemeinden nach Rofenberg berief, um wegen der vom Grafen von Hohenenis verübten Gewalttätigkeiten Schritte zu unternehmen, lagen Jahrhunderte, die reichlich belastet waren mit Not und Elend, mit Klag und Plag, mit Zerwürf- und Bedrängnissen. Die zentrale Lage und die herrschaftlichen Höfe brachten es mit sich, dass Eschen seinerzeit als Hauptort des Eschnerberges (Siehe Bapt. Büchel H . J. 1926 S. 12) betrachtet wurde, weshalb es Ort des Gerichtes und der Landsgemeinde war. m m f f i. f f f l f Quellenangaben Jahrbuch des Historischen im folgenden 1 Vereins kurz für das Fürstentum Histor. Jahrbuch Joh. Baptist B ü c h e l , Histor. Jahrbuch 1926/9 2 » » » J> » 1926/8 3 » » » » » 1926/12 » » » » » 1926/77 4 4a Mündl. Angabe E d . Batliner, Eschen 4h Joh. Baptist B ü c h e l , Histor. Jahrbuch 1926/80 5 6 Liechtenstein genannt » 7 » 8 11 » 12 »> » 1926/84-85 Mündl. Angaben Magd. Meier, Eschen 45. Auch jene für die zeichnerische Darstellung der Kirche stammen von ihr. 9 10 Joh. Baptist Büchel, Histor. Jahrbuch 1926/80 » » » »' » 1926/81 13, Joh. Baptist B ü c h e l , Histor. Jahrbuch 1926/15 14' » 15 Peter » » Kaiser, Ceschichte » » des 1926/9 Fürstentums Fussnote Liechtenstein. 2. Auflage, Liechtenstein, 2. Auflage, Liechtenstein, 2. Auflage, Liechtenstein, 2. Auflage, bearb. von Joh. B. B ü c h e l , . S. 361 16 17 18 Peter Kaiser, Geschichte des Fürstentums bearb. von Joh. B. B ü c h e l , S. 399 Peter des Kaiser, Geschichte Fürstentums bearb. von Joh. B . B ü c h e l , S. 369 Peter des Kaiser, Geschichte hearb. von Joh. B. B ü c h e l , ;-i=3*- Fürstentums S. 256 19 Joh. Baptist Büchel, Histor. Jahrbuch 1926/12 20 Chronik Heibert 21 Peter Kaiser, 2. Aufl. S. 332 22 Herrn. Kehr, mündl. Angabe 23 Peter Kaiser, 2. Aufl. S. 409 24 25 » » » S. 367 Die Angaben f ü r die Darstellung Frau des Gerichtsgebäudes verdanken wir Wwe. Wilhelmine Jenny-Hasler (im Zeitpunkte vor dem Brande wohnte sie in unmittelbarer N ä h e dieses G e b ä u d e s ) . 26 Peter Kaiser, 2. Aufl. S. 238 27 Joh. Baptist B ü c h e l , Histor. Jahrbuch 1920/19.
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