Test & Technik Standlautsprecher Hoch hinaus Bei einem Paarpreis von 9000 Euro von günstig zu sprechen, mag ein wenig irre wirken. Auf die B&W 804 D3 trifft das aber zu: Sie ist die günstigste Standbox mit Diamanthochtöner – und zwar nicht nur in diesem Testfeld. W er eine klassische Standbox mit Diamanthochtöner sucht und keine fünfstellige Summe bezahlen möchte oder kann, der landet eher früh als spät bei der 804 D3. Von ihren größeren Geschwistern in der 800erReihe hebt sie sich auch optisch ab. Sie ist die einzige 800erStandbox, deren Mitteltöner kein eigenes Gehäuse hat. Damit hat sie einen eher traditionellen Look, der Fans klassischer Standboxen aber gerade deshalb zusagen dürfte. Der Diamant-Hochtöner bekommt jedoch auch in der (zumindest preislich) kleinsten Standbox der 800er-Reihe sein aufgesetztes Extragehäuse. Bei diesem hat sich nicht nur die Form leicht verändert, es ist nun auch aus einem Stück Aluminium gegossen und bedämpft. Beide Maßnahmen reduzieren Resonanzen effektiv. Die Behausung des Hochtöners ist zudem nicht fest mit dem Gehäuse verbunden, sondern per Gummidämpfer abgekoppelt. Im Inneren findet die Diamantkalotte hinter sich eine konisch zulaufende Linie, die lang 44 04/16 stereoplay.de genug ist, um bei den dort herrschenden Wellenlängen zuverlässig dafür zu sorgen, dass sich der nach hinten abgestrahlte Schall schön „totläuft“. Vom entkoppelten Extragehäuse verspricht sich der Hersteller außerdem eine Verminderung der Kantenbeugung, die zwangsläufig entsteht, wenn eine Kalotte in eine Schallwand eingebaut ist. Die Schallwellen wandern dann an der Schallwand entlang und bilden an den Kanten neue Schallquellen, da sie dort eine andere Luftdichte vorfinden und somit einen anderen Strahlungswiderstand. Betroffen sind nicht nur, aber vorwiegend Hochtöner, da sie Schall mit Wellenlängen abstrahlen, die kürzer sind als der Abstand zu den Kanten der Schallwand. Trio mit vier Fäusten In der B&W 804 D3 kommen jeweils vier Treiber zum Einsatz, die sich drei Wege untereinander aufteilen. Um die Bässe kümmern sich je zwei 16,5-cm-Aero foil-Membranen, die Steifigkeit und geringes Gewicht kombinieren. Darüber hinaus variiert die Das Schutzgitter vor dem Hochtöner ist akustisch einberechnet. Es sollte also schon aus klanglichen Gründen nicht abmontiert werden – was darüber hinaus den Verlust der Garantie bedeuten würde. Continuum, so nennen die Entwickler bei B&W die neue Membran, die in allen Boxen der 800er-Reihe für den Mittelton (und in der 805 D3 zusätzlich für den Tiefton) zuständig ist. Anstelle einer Sicke schließt hier eine dünne Schaumstoffschicht die Membran ab. 70 Varianten wurden in acht Jahren Entwicklungszeit entworfen. Stärke der Membran über den Querschnitt, was laut Hersteller der Präzision zuträglich ist. 40 Jahre lang setzte B&W auf Kevlar. Die gelben Membranen waren ein optisches Alleinstellungsmerkmal. Wenn nun neue, silberne Membranen zum Einsatz kommen, dann müssen die Entwickler schon ziemlich überzeugt von deren Meriten sein. Dabei sind die als Continuum bezeichneten Mitteltöner dem Kevlar gar nicht so unähnlich: In beiden Fällen handelt es sich um ein Geflecht aus Polyaramid-Fasern. Insbesondere die innere Dämpfung der Continuum-Membran wurde jedoch weiterentwickelt, sodass Partialschwingungen, bei denen sich Abschnitte der Membran gleichzeitig in entgegengesetzte Richtungen bewegen, verhindert werden. Der Vorteil zeigt sich im Zusammenspiel der Treiber. Da B&W keine steilflankigen Filter einsetzt, spielt der Mitteltöner – wenn auch mit geringerer Am plitude – bis in den Hochtonbereich von etwa 8 kHz parallel mit dem Hochtöner. Dies kann der Mitteltöner am besten, wenn nur die inneren Bereiche der Membran schwingen, nicht auch die Ränder. Die Continuum- und die Aero foil-Treiber nehmen in einem im Inneren großzügig verstrebten und an der Front mit Metall versteiften Gehäuse Platz. Diamant auf dem Dach Die dicke Gummisicke verrät es schon: Diese Membran ist auf Hub ausgelegt und folgerichtig für die Wiedergabe der Bässe verantwortlich. Die Dicke der Membran variiert über den Querschnitt, worauf auch der Name der Tieftöner anspielt: B&W nennt die Basstreiber Aerofoil: ein Begriff aus der Luftfahrt, der die Form von Flügeln beschreibt. Der 25-cm-Diamant-Hochtöner, der sich nicht nur um die Hochton-Wiedergabe kümmert, sondern auch ein entscheidendes Verkaufsargument sein dürfte, verfügt laut Hersteller über eine Aufbrechfrequenz – mit anderen Worten: eine Materialresonanz, die bei 79 kHz liegt. Sie ist damit mehr als doppelt so hoch wie beispielsweise bei Metallkalotten, und damit weit außerhalb der menschlichen Hörfähigkeit. Die teure Edelkalotte allein macht nicht die gesamte abstrahlende Fläche aus. Hier spielt auch die Sicke eine gewichtige Rolle bei der Wiedergabe des Hochtöners, weshalb auch sie im Laufe der Jahre immer wieder optimiert wurde. Derzeit kommt eine halbrunde Kunststoffsicke zum Einsatz. In Stellung, bitte! Auch wenn Lautsprecher (nicht nur von B&W) im Katalog gerne direkt vor einer Wand (und in teressanterweise immer ohne Verkabelung) abgebildet werden: Tun Sie das bloß nicht! Beim Hörtest zeigte sich schnell, dass die 804 mindestens 60 Zentimeter Abstand zur Rückwand haben sollte. Sonst kommt es dazu, dass sich Anteile des Tiefbasses auslöschen und sich die Wellen im Oberbass addieren, sodass es unterhalb von 150 Hz unausgewogen und bauchig tönt. Da wir gerade bei der Aufstellung sind: Der zweite wichtige Parameter ist der Hörabstand. Er darf nicht zu groß sein und sollte drei Meter nicht überschreiten, da sonst Abbildung und Geschlossenheit leiden. Lass knacken! Im Hörraum wurde es dann ernst für die B&W 804 3D. Auf dem Spielplan stand zunächst anspruchsvolle Popmusik: „Boys For Pele“, das dritte Album von Tori Amos, eignet sich wunderbar dazu, abzuklopfen, ob ein Lautsprecher allzu analytisch daherkommt. Zudem klingt die CD für eine Pop-Produktion hervorragend: Die Aufnahme ist sehr dynamisch und räumlich, was unter anderem daran liegt, dass Tori Amos Klavier, Cembalo, Schlagzeug etc. in eine irische Kirche stellte. Bei der B&W stimm04/16 stereoplay.de 45 Test & Technik Standlautsprecher te alles: Egal, ob es sich um eher ruhige, gefühlvolle Stücke (wie „Beauty Queen“) handelte oder um dynamische (wie „Horses“ oder „Professional Widow“): Die Performance der 804 D3 war absolut mitreißend! Mittel- und Hochton zeichnen sich durch eine enorme Detailfülle aus, ohne dabei anstrengend oder gar scharf zu werden. Der Hochton hat bei Einwinkelung auf den Hörplatz eine Extraportion Energie (siehe die rote Linie im FrequenzgangDiagramm), die je nach Musik viel Spaß macht. Bei Katie Meluas „Lucy In The Sky With Diamonds“ von der stereoplay-CD „Ultimate Tunes 3“ jedoch war dies des Guten zu viel. Die 804 D3 vermittelte die Artikulation der georgischen Sängerin ein wenig zu überdeutlich. Ein bisschen weniger einwinkeln, und die Welt ist wieder in Ordnung. Je nach Geschmack und Raum kann man auf diese Art schnell die richtige Dosis Hochton einstellen. Die B&W kann sich optimal auf Stimmen fokussieren. Dabei bildet sie einen etwas kompakteren Raum ab als die Vorgängerin, platziert die Instrumente aber herrlich stimmig und bleibt immer schön durchsichtig. Hier geht Realismus klar vor Show. Insbe- sondere mit Rock, Pop und Jazz führt sie den Hörer in fast himmlische Gefilde: Bei Peter Gabriels „Intruder“ von der neu aufgelegten 45er-Doppel-LP seines dritten Albums warf die 33-Kilo-Box mit Details nur so um sich und zündete ein Effekt-Feuerwerk, dass es eine Freude war. Abschließend durften noch die Presidents of the USA ran. „Kudos To You“ bewies endgültig, dass dieser Lautsprecher Rock- und Pop-Fans in einen echten Rausch versetzen kann. Die B&W 804 D3 macht selbst Zimmerlautstärke-Fans zu LautHörern! Alexander Rose ■ Weniger als ein Hauch Letztlich ist ein Diamant nichts anderes als reiner Kohlenstoff. Auf natürliche Weise entsteht er tief unter der Erdoberfläche in rund 150 km Tiefe, wo ein enormer Druck von ca. 70.000 kg pro Quadratzentimeter herrscht und die Temperatur etwa 1200 °C beträgt. Es ist schon lange möglich, Diamanten synthetisch herzustellen. Eine Firma, die sich darauf spezialisiert hat, und die die Diamant hochtöner für B&W liefert, ist Element Six. Diesen Diamant-Hochtöner setzt B&W seit mittlerweile elf Jahren in ihren Top-Modellen ein. Dennoch lohnt es sich, noch mal einen Blick auf die Herstellung und ein paar Details zu werfen. Ein Trägermaterial (etwa Wolfram, Molybdän oder Silikon), das dem Hochtöner die Form verleiht, wird mithilfe der chemischen Gasphasenabscheidung (CVD, Chemical Vapour Deposition) mit Diamant beschichtet. Dazu gibt man ein Gasgemisch aus Wasserstoff, einem kleinen Anteil Alkan (als Kohlenstoff-Quelle) und weiteren Gasen (wie Argon und Sauerstoff) in einen Vakuumbe- B&W 804 D3 9000 Euro (Herstellerangabe) Vertrieb: B&W Group Germany Telefon: 0521 / 87 17 0 www.bowers-wilkins.de Maße: B: 23,8 x H: 109 x T: 34,0 cm Gewicht: 33 kg Messwerte Frequenzgang & Impedanzverlauf Sehr tief, leichte Interferenzen, 30 Grad seitlich vorbildlich ausgewogen Pegel- & Klirrverlauf 85-100 dB SPL Durchgehend geringer Klirr, auch im Bass sehr hohe Reserven Untere Grenzfreq. -3/-6 dB 27/23 Hz Maximalpegel107dB Praxis und Kompatibilität Verstärker-Kompatibilitätsdiagramm Spannung 10,7 V Impedanz-∆ 2,6 - 18 Ω Strombedarf 4,1 A Mittlerer Leistungsbedarf, aber stromstabil und sehr impedanzresistent sollte der Verstärker sein. Raumakustik und Aufstellung Hörabstand 1 m ■ ■ ■ ■ ■ 5 m Wandabstand 0 m ■ ■ ■ ■ ■ 1,5 m Nachhallzeit 0,2 s ■ ■ ■ ■ ■ 0,8 s hälter. Mithilfe von Mikrowellen wird dieses Gemisch auf 700 bis 1200 °C erhitzt. Es entsteht ein Plasma, das Alkyl-Radikale, Wasserstoffatome und Elektronen mit hoher Energie enthält. Im Plasma lagert sich auf dem Trägermaterial Diamant ab. Diese Diamantschicht kann hinterher problemlos vom Trägerobjekt abgelöst werden – übrig bleibt eine freistehende Diamantschicht von 40 μm Dicke (ein Mikrometer entspricht einem Millionstel Meter). Eine Aluminiumkalotte ist im Gegensatz dazu 50 μm dick, die geringere Dicke der Diamantkalotte resultiert aus ihrer höheren Dichte. Die Aufbrechfrequenz, also die Frequenz, bei der Teile der Kalotte sich gegenphasig zur ansteuernden Spule bewegen, was Verzerrungen verursacht, liegt bei etwa 79 kHz, also deutlich höher als bei Alukalotten. Der Raum sollte bedämpft sein, mit der Einwinkelung kann man den Hochton gut dosieren. Bewertung Natürlichkeit12 ■■■■■■■■■■ Feinauflösung15 ■■■■■■■■■■ Grenzdynamik12 ■■■■■■■■■■ Bassqualität13 ■■■■■■■■■■ Abbildung11 ■■■■■■■■■■ Formschöner, edler Lautsprecher, der sehr dynamisch-offen spielt und mit tief-konturiertem Bass punktet. Sehr sehr klar, detaillierte und dennoch sanft in den Mitten, fasziniert auch nach Stunden, Tagen, Wochen... Messwerte 8 Praxis Wertigkeit 5 10 stereoplay Testurteil Klang absolute Spitzenklasse 63 0 10 203040506070 Gesamturteil 86 Punkte Preis/Leistungüberragend 46 04/16 stereoplay.de
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