„Prinz Albert“ von Usedom kämpfte sich ins Leben

6 Dienstag,
17. November 2015
IN KÜRZE
Flüchtling geschlagen:
Tatverdächtiger gefasst
Stralsund. Vier Männer haben vor
einer Diskothek in Stralsund auf
einen syrischen Flüchtling eingeschlagen. Der 27-Jährige erlitt dabei in der Nacht zum Sonntag Prellungen und Schürfwunden, wie
ein Polizeisprecher mitteilte. Die
Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung und prüft
auch politische Motive für die Tat.
Kurz nach dem Vorfall sei ein Stralsunder (28) als Verdächtiger ermittelt worden, sagte eine Polizeisprecherin gestern.
83-Jähriger rammt
Familienwagen und flüchtet
Friedland. Ein Autofahrer hat bei
Friedland (Mecklenburgische
Seenplatte) einen Wagen mit drei
Kindern an Bord gerammt und
dann die Flucht ergriffen. Der
83-Jährige kam am Sonntagabend
aber nicht weit, da sein Auto einen
Kilometer weiter schadensbedingt
den Dienst aufgab, so die Polizei.
Der Mann muss sich wegen Unfallflucht verantworten. Die Insassen
des anderen Autos kamen mit
dem Schrecken davon. Der Schaden beträgt knapp 10 000 Euro.
Meteorologen warnen
vor orkanartigen Böen
Hamburg. Die Nord- und Ostseeküste müssen sich ab heute Abend
auf stürmisches Wetter einstellen.
Nach Angaben des Deutschen
Wetterdienstes in Hamburg wird
das Tief „Heini“ am Mittwoch den
Nordosten erreichen. „Höhepunkt
an Mecklenburg-Vorpommerns
Ostseeküste ist zwischen 9.00 und
12.00 Uhr.“ Dann könne der Sturm
in Böen Orkanstärke erreichen.
Am Nachmittag werde sich das
Wetter beruhigen.
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5 = 251,20; 6 = 56,10; 7 = 23,90;
8 = 12,10; 9 = 5,00
Spiel 77: 1 = 3 877 777,00 Euro
Ziehungsergebnis Keno
und plus5 vom 16. November
3, 6, 9, 18, 21, 22, 25, 26, 27, 31,
39, 40, 41, 44, 46, 48, 51, 53, 61,
67
Gewinnzahl plus5: 92283
(Angaben ohne Gewähr)
MECKLENBURG-VORPOMMERN
„Prinz Albert“ von Usedom
kämpfte sich ins Leben
Junge kam nach
24 Wochen
mit 650 Gramm
zur Welt / Team in
Greifswald kümmert
sich um Nachsorge
der Frühchen
Zentren für Frühchen
9000
Kinder
mit
einem
Gewicht
von weniger als 1500 Gramm werden
jedes Jahr bundesweit geboren.
Ein häufiger Grund dafür sind Frühgeburten. Diese Babys können in speziell
dafür ausgestatteten Krankenhäusern
medizinisch versorgt werden.
Über Perinatalzentren verfügen in
MV das Klinikum Südstadt in Rostock,
die Universitätsmedizin Greifswald,
das Dietrich-Bonhoeffer- Klinikum Neubrandenburg und die Helios Kliniken
Schwerin.
Von Cornelia Meerkatz
Greifswald. Eine Handvoll war
Albert Krüger aus Loddin auf Usedom bei seiner Geburt am 25. Juni
in der Universitätsfrauenklinik
Greifswald: 650 Gramm schwer
und 30 Zentimeter groß. „Er sah
aus wie ein Täubchen“, erinnert
sich seine Mutter Verena. Der
Winzling kam nach 24 Schwangerschaftswochen mit einem Notkaiserschnitt zur Welt und ist damit
eines der Extremfrühchen, die alljährlich im Greifswalder Uni-Klinikum aufgepäppelt werden.
Erheblichen Anteil daran, dass
es solche kleinen Wesen tatsächlich schaffen, hat das SchwesternTeam der Neonatologie. Seit wenigen Monaten gibt es außerdem die
sozialmedizinische Nachsorge. Dieses Team besteht aus Schwestern
der neonatologischen Intensivstation unter Leitung von Schwester
Petra Bondeur. Sie fungiert als
Cashmanagerin und leitet zugleich
den Greifswalder Frühgeborenenverein.
Am 1. März dieses Jahres wurde
das Nachsorgeteam auf Betreiben
von Prof. Mathias Heckmann, Chef
der Neonatologie, ins Leben gerufen. „Wir sind zwölf Schwestern
und eine Nachsorgeärztin, die sich
um die in Greifswald geborenen
Frühchen kümmern. Wir suchen
die Eltern regelmäßig auf, wenn sie
die Kleinen dann zu Hause haben.
Wir wollen mit unserer Arbeit dafür sorgen, dass sich alle – auch die
extrem winzigen Kinder wie Albert
– weiter gut entwickeln“, erklärt
Petra Bondeur.
Die 46-Jährige arbeitet seit
25 Jahren als Frühchenschwester
und weiß um die große Verantwortung, die sie und ihre Kolleginnen
hat. „Bei Frühchen treten oft Komplikationen auf, die Eltern sind verunsichert und lauschen auf jeden
Atemzug ihres Kindes. Sie sollen
spüren, dass sie sich jederzeit, auch
nachts, an uns wenden können und
dass wir ihnen helfen“, so Bondeur.
Das Feedback der Eltern sei sehr
positiv. „Die Entscheidung, dass
immer die gleiche Schwester das
Kind in der Nachsorge betreut,
schafft großes Vertrauen. Das wird
schon während des stationären Aufenthaltes aufgebaut.“
Etwa 50 Frühchen wurden und
werden seit März vom Nachsorgeteam betreut. Albert Krüger gehört
dazu. „Prinz Albert“ hat ihn das
Team während seiner Zeit auf der
Frühchenstation immer genannt.
Frieda wurde 2010 in Fulda als Europas jüngstes Frühchen geboren – nach
21 Wochen und fünf Tagen. Sie wog
bei 26 Zentimetern nur 460 Gramm.
Paulina Emily kam 2011 in Greifswald
in der vollendeten 22. Woche mit 490
Gramm und 27 Zentimetern zur Welt.
In Rostock wurde im selben Jahr ein
Mädchen in der 23. Woche mit 33 Zentimetern und 650 Gramm geboren.
Am 17. November wird jährlich der
Welt-Frühgeborenentag begannen.
Verena Krüger aus Loddin auf Usedom mit ihrem Sohn Albert, der mittFoto: Cornelia Meerkatz
lerweile schon mehr als 4000 Gramm wiegt.
Frühchen Albert in der Uni-FrauFoto: privat
enklinik Greifswald.
Am 8. Oktober, eine Woche, bevor
er eigentlich geboren werden
sollte, durfte ihn Verena Krüger mit
nach Hause nehmen. Da war der
Kleine dreieinhalb Monate alt.
„Heute wiegt unser Albert schon
Kleine musste drei Operationen
über sich ergehen lassen. „Ohne
die Hilfe und Zuwendung von
Schwester Conny Kutz aus dem
Nachsorgeteam wären wir wohl
verzweifelt“, gesteht die Mutter.
Die 40-Jährige arbeitet als Krankenschwester im Kinder-Rehazentrum in Kölpinsee, doch „dieser riesige Erfahrungsschatz im Umgang
mit Frühchen ist ein Segen. Die
Arbeit des Teams kann man nicht
hoch genug würdigen“, lobt die
Loddinerin.
20 Stunden hat ihr die DAK für
die Nachsorge bewilligt, auch die
Fahrtkosten trägt sie. Schwester
Conny kommt alle 14 Tage auf die
Insel Usedom. „Sie schaut sich
dann nicht nur Albert genau an,
sondern beantwortet auch alle Fragen. Das ganze Team der Neonatologie in Greifswald ist toll“, sagt
Verena Krüger. Ihr kleiner Prinz
lächelt dazu – ganz so, als würde er
seine Zustimmung damit kundtun.
4050 Gramm und misst 49 Zentimeter. Er ist ein Kämpfer“, berichtet
sie voller Stolz.
Dabei sah es zwischenzeitlich
nicht gut aus: Sepsis, Darmverschluss und Leistenbruch – der
Das Nachsorgeteam des Greifswalder Uni-Klinikums, das auf Betreiben
von Prof. Mathias Heckmann (l.) ins Leben greufen wurde. Foto: Peter Binder
Achtköpfiges Team
ermittelt nach
Brandanschlag
Trassenheide. Nach dem mutmaßlichen Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in
Trassenheide auf der Insel Usedom
(die OZ berichtete) hat die Polizei
eine achtköpfige Ermittlergruppe
gebildet. Geprüft werde, ob es
einen Zusammenhang zwischen
dem Angriff vor einem Monat und
der mutmaßlichen Brandstiftung
vom Wochenende gebe, sagte eine
Polizeisprecherin gestern in Neubrandenburg. Zudem würden Zeugen gesucht, die in der Nacht zum
Sonntag auffällige Beobachtungen
gemacht hätten.
Der Landkreis VorpommernGreifswald will sich bei der Suche
nach weiteren Flüchtlingsunterkünften nicht durch die Brandanschläge beeindrucken lassen. „Es
wird keine weißen Flecken geben.
Die Immobilienlage lässt das nicht
zu“, sagte ein Kreis-Sprecher.
Lohmeyers
erhalten Göttinger
Friedenspreis
Wismar/Göttingen. Der Göttinger
Friedenspreis 2016 geht zu
gleichen Teilen an das Festival-Projekt „Rockmusik für Demokratie
und Toleranz“ der Eheleute Birgit
und Horst Lohmeyer aus Jamel bei
Wismar und an das Freie Theater
„Boat People Projekt“ aus Göttingen. Die Stiftung Dr. Roland Röhl
vergibt den mit 3000 Euro dotierten Preis jährlich seit 1999, wie die
Stiftung gestern mitteilte.
Das Ehepaar Lohmeyer erhalte
den Friedenspreis für seinen unerschrockenen Einsatz und seine
Zivilcourage im Kampf gegen Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern, so die Stiftung. Seit 2007 veranstalteten die Lohmeyers in
jedem Jahr ein Open-Air-Festival
gegen Rechts.
Amnestie zum
Weihnachtsfest
für 19 Häftlinge
Schwerin. Voraussichtlich 19 der
rund 1100 Gefangenen in Mecklenburg-Vorpommern verlassen demnächst vorzeitig die Haftanstalten.
Ihnen wurde von den Staatsanwaltschaften die Weihnachtsbegnadigung bewilligt, wie ein Sprecher
des Justizministeriums in Schwerin
sagte. Offen ist, ob noch weitere Anträge gestellt werden. Die Entlassungen beginnen am 27. November. Die vorzeitige Entlassung zum
Fest ist eine besondere Art der Begnadigung in der Justiz. Von ihr
können in MV Häftlinge profitieren, die zu einer Freiheitsstrafe von
weniger als zwei Jahren verurteilt
wurden und die sich während der
Haftzeit nichts zuschulden kommen ließen. Außerdem muss ihr
regulärer Entlassungstermin spätestens Anfang 2016 liegen.
Mit Dutt und Durchschlagskraft
Schulbücher für Flüchtlinge
Rosemarie Wilcken wird heute Ehrenbürgerin „ihrer“ Stadt Wismar
Handelskette Coop stellt Material für Deutschkurse zur Verfügung
Wismar. Rosemarie Wilcken traute
sich, als keiner sich traute: 1990,
wenige Wochen nach der für die
SPD verlorenen Bundestagswahl,
stellte sie sich als Bürgermeisterkandidatin in der Hansestadt Wismar zur Verfügung. „Es fand sich
kein anderer Kandidat für eine zu
erwartende Niederlage“, sagt die
Sozialdemokratin heute lakonisch.
Ihr gelang am 6. Mai 1990 eine
Überraschung. „Rosi“ Wilcken,
Pastorentochter und Ärztin, wurde
gewählt. Zwei Jahrzehnte sollte sie „ihre“ Stadt souverän
führen, bis sie 2010 nicht
mehr antrat. Danach begann sie eine neue Karriere. In der AufbruchstimEx-Bürgermeisterin
Rosemarie Wilcken
Foto: Jens Büttner/dpa
mung nach der Wende war Wilcken, der ein ausgeprägter Gestaltungswillen eigen ist, in ihrem Element. Bis nach Österreich fuhr sie,
um die ersten holzverarbeitenden
Firmen zur Ansiedlung an der Ostsee zu bewegen. Heute ist die Branche ein wichtiger Teil des wirtschaftlichen Fundaments der Hansestadt, in der auch eine immer wieder von Krisen geschüttelte Werft
beheimatet ist. Mit 9,3 Prozent Arbeitslosigkeit im Oktober 2015
steht Wismar besser da als Rostock (9,4) und Schwerin (9,9).
Wilcken habe einen Entwicklungsschub ausgelöst,
der einmalig in der Geschichte der Stadt sein dürfte, sagen sie in Wismar.
Auf die wirtschaftliche
Entwicklung ist Wilcken
ebenso stolz wie auf
die Sanierung der Altstadt. Wismar
schaffte es – ebenfalls maßgeblich
auf Betreiben der umtriebigen Rosemarie Wilcken – 2002 auf die
Unesco-Welterbeliste, zusammen
mit Stralsund. Den langjährigen
Vorstands-Chef der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Gottfried Kiesow (1931-2011), hatte sie in den
ersten Nachwendejahren von der
Vordringlichkeit der Rettung der
Wismarer Georgenkirche überzeugt. Nach Kiesows Tod wurde
Wilcken seine Nachfolgerin. Da
hatte sie schon Erfahrungen für
eine derartige Spitzenposition gesammelt: Seit 2005 und noch bis
nächstes Jahr ist die Frau mit dem
Dutt, der sich stets in Auflösung zu
befinden scheint, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsches Hilfswerk. Heute wird sie Ehrenbürgerin „ihrer“ Stadt.
Iris Leithold
Güstrow. „Kinder haben es auf der
Flucht besonders schwer“, weiß
Thorsten Tygges, Chef der Handelskette Coop (Kiel). Als im September das Bild des kleinen syrischen Jungen die Welt erschütterte, der vor der griechischen
Küste ertrank, fasste der Vorstand
des Lebensmittelunternehmens
den Entschluss: „Wir tun etwas für
Flüchtlingskinder.“ 60 000 Euro
stellte die Firma zur Verfügung – je
zur Hälfte in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein,
wo Coop insgesamt 200 Einkaufsmärkte betreibt.
„Im Schweriner Sozialministerium erfuhren wir, dass vielen ehrenamtlichen Helfern Lehrmaterial für
Deutschunterricht mit den Flüchtlingen fehlt“, berichtet Tygges.
Rund 750 der Broschüren „Deutsch
für Asylbewerber“, Lehr-CDs und
Bilderbücher, die bei der Verständigung helfen sollen, beschaffte die
Handelskette. Bei der Wiedereröffnung eines Sky-Einkaufsmarktes
in Güstrow übergab der Firmenchef gestern das Lernmaterial an
Sozialministerin Birgit Hesse (SPD)
– symbolisch. Rein praktisch dürften die Bücher bereits dort sein, wo
sie gebraucht werden. „Das Material wurde an Landkreise und
Städte verteilt, alle haben etwas abbekommen“, versichert die Ministerin.
„Material für Deutschkurse
wird dringend gebraucht“, bestätigte Karen Larisch, die
sich in Güstrow mit ihrem Projekt „Villa Kunterbündnis“
für ein weltoffenes Güstrow einsetzt. Hilfreich für viele Ehrenamtler seien auch
Lehrbücher, „die Schulen nicht
mehr benötigen“.
„Sprache und Arbeit“, so Ministerin Hesse, seien die „Schlüssel
zur Integration“. Deshalb setze sie
sich dafür ein, Asylbewerbern den
Zugang zum Arbeitsmarkt zu öffnen – und „rechtliche Hürden ausräumen, die das noch verhindern“.
Hesse begrüßte, dass Unternehmer im Land bereits Bereitschaft
signalisieren, Flüchtlinge einzustellen. So laden in Rostock IHK,
Handwerkskammer und Arbeitsagentur am 24. November zum Forum „Gemeinsam
Integration unternehmen“
ein.
Elke Ehlers
Thorsten Tygges,
Chef der
Handelskette Coop
Foto: Elke Ehlers