Hypnose bei Krebs - Ein Interview mit Frau Dr. Berthold

Hypnose bei Krebs - Ein Interview mit Frau Dr. Berthold
Frau Dr. Berthold, wieso Hypnose bei Krebs?
Dr. Berthold: In Krisensituationen sind Menschen besonders suggestibel. Leider werden sie zuerst mit
ärztlichen negativen Suggestionen konfrontiert, was den psychischen Zustand der Patienten eher
verschlechtert. Gerade dann kann Hypnose durch positive, lebensbejahende Suggestionen die Menschen
wieder aufbauen und ermutigen, was absolut wichtig für die Stärkung der Selbstheilungskräfte und des
Immunsystems ist. Als Betroffene weiss ich, wie wichtig es ist, auch in solchen Momenten mentale
Stärke zu bewahren und ausschliesslich auf ermutigende Stimmen zu hören.
Was ist Hypnose?
Dr. Berthold: Hypnose ist das Verfahren zum Erreichen eines Trancezustands. Der Trancezustand ist
etwas ganz Natürliches, den jeder aus dem Alltag kennt: eine tiefe Entspannung mit einer gleichzeitigen
hohen Konzentration auf etwas Bestimmtes, während alles drum rum ignoriert wird. In einem solchen
Zustand können Veränderungen doppelt so schnell stattfinden als im bewussten Zustand. Gerade die tiefe
Entspannung kommt den Krebspatienten zugute. Laut Le Shan geht meist einer Krebsdiagnose eine
chronische Erschöpfung voraus. Die Patienten profitieren ganz besonders von der tiefen Entspannung
sowie von der therapeutischen Wirkung der Hypnose. Durch bestimmte Bilder können die
Selbstheilungskräfte aktiviert werden. Heilung geschieht von innen.
Was meinen Sie mit der Aussage „Heilung geschieht von innen“?
Dr. Berthold: Die innere Getriebenheit, das rastlose Suchen nach mehr, die Unfähigkeit loszulassen, die
innere Unruhe und Anspannung führen zum Stau im Energiefluss und schliesslich zu Krankheit, d.h. zum
Un-Heil-sein. Heil bzw. ganz werden kann nur im hier und jetzt geschehen, durch das Loslassen vom
Alten. Die Energie löst sich dadurch vom Vergangenen und kann wieder frei fliessen. Hypnose kann
durch die besondere Sprache, die Heilungsbilder und die tiefe Entspannung, die Rahmenbedingungen für
die Heilung schaffen. Der Patient erlebt eine tiefe Verbundenheit mit sich selbst und seiner inneren
Weisheit, die klug auf Heilung und Weiterentwicklung eingestellt ist.
Sie sagten, "Heilung geschieht". Kann man denn Heilung nicht machen?
Dr. Berthold: Nein, Heilung kann man nicht machen, Heilung geschieht. Viele Menschen lassen sich von
der Schulmedizin verunsichern und machen alles, was Ärzte sagen, obwohl sie nicht daran glauben. Sie
fühlen sich während der Behandlungszeit fremd bestimmt, im Hamsterrad und wissen am Ende selbst
nicht, was sie tun sollen und was nicht. Sie verlieren immer mehr den Kontakt zu ihrer inneren Stimme
und geraten in einen übertriebenen Aktionismus. Das ist Stress für den ganzen Organismus und
kontraproduktiv.
Sie erwähnten den Begriff der inneren Weisheit. Was versteht man darunter?
Dr. Berthold: Die innere Weisheit ist laut Erikson jener Ort in uns selbst, an dem unerschöpfliche
Ressourcen zur kreativen Selbstheilung gespeichert sind, der Hort von kaum genutzten Weisheiten und
Erfahrungen von Menschen. Es ist der Ort des tiefen Vertrauens und der Speicher für Heilungsbilder. Das
Wissen um die Möglichkeit einer Heilung selbst in aussichtslosen Situationen, die Gewissheit, dass
nichts unmöglich ist, sind dort gespeichert, ein Ort tiefen Vertrauens. Durch Hypnose wird die innere
Weisheit wach gerüttelt und der Heilungsprozess von innen heraus aktiviert. Der Kontakt des Menschen
zu seiner inneren Weisheit wird gestärkt und er beginnt dann, die wertvollen Informationen aus seinem
Inneren wahrzunehmen und ernst zu nehmen. Geleitet von seiner inneren Weisheit weiss der Mensch
plötzlich was gut für ihn ist, ohne sich rational zu erklären und ist bereit seinen individuellen Weg zu
gehen. Er glaubt an sich und seinen Weg, es entsteht eine Ausgewogenheit zwischen Tun und Lassen.
Das fördert die Heilung erheblich.
Wieso ist der Glaube an seinen Heilungsweg so wichtig?
Dr. Berthold: Eine Studie konnte zeigen, dass nicht die Therapieart für die Heilung entscheidend ist,
sondern der Glaube daran, dass die gewählte Therapie wirkt. Dabei ist es unwichtig, um welche Art der
Therapie es sich handelt. Wenn man nicht hinter einer Behandlung steht, kann man mit Nebenwirkungen
rechnen und sie wirkt anscheinend auch nicht. Der Glaube versetzt Berge. Die Bibel sagt: „Nach deinem
Glaube soll dir geschehen.“ (Matthäus 8:13) oder „Dein Glaube hat dich gerettet!“ (Markus 5:34)
Wie genau wirkt Hypnose?
Dr. Berthold: Zum einen die Hypnosesprache, zum anderen die speziellen Bilder bringen den Verstand,
der den Worten folgen und die Bedeutung der Bilder und Geschichten verstehen will, in einen Konflikt.
Immer wenn der Verstand glaubt, den Faden der Logik in den Händen zu halten, verliert er im nächsten
Satz den Zusammenhang, weil er keinen Sinn mehr erkennt. Er schaltet dann an der Oberfläche nach und
nach ab. Der Geist bleibt wach, aber er gibt den Wunsch auf, jeden Schritt seiner Kontrolle zu
unterwerfen und alle Bewegungen der Seele steuern zu wollen. Das Bewusstsein wagt in tiefere
Schichten zu sinken, in denen heilsame Bilder zu wirken beginnen und Veränderungen in Gang zu
setzen. Der Prozess der Heilung, Reifung und inneren Wachstums beginnt.
Sie sagten “Hypnose arbeitet mit Bildern, Metaphern und Geschichten“. Was könnte so eine spezielle
Geschichte sein die bei Krebsbetroffenen im Unbewussten wirkt?
Dr. Berthold: Meine Lieblingsgeschichte ist „Der Grashalm in der Wüste“. Ein Mann durchquert eine
Wüste und wird langsam müde und setzt sich hin um sich auszuruhen. Wie er dabei ist, sich ein
Ruheplätzchen zu suchen, sieht er plötzlich ganz unscheinbar und versteckt einen Grashalm. Er scharrt
das Pflänzchen aus dem Sand und gräbt es an eine andere Stelle um, wo die Erde etwas feuchter ist. Nach
seiner Rast geht er weiter. Einige Jahre später durchquert ein Freund des Mannes dieselbe Wüste. Der
Mann ist neugierig und bittet seinen Freund danach zu schauen, was aus seinem Grashalm geworden ist.
Der Freund berichtet: Aus dem Grashalm ist ein Grasbüschel geworden und aus dem Grasbüschel ein
kleines Stück Wiese. Einer der vielen Reisenden hat dort einen Brunnen gegraben. Neben dem Brunnen
wächst ein schöner Feigenbaum, in seinen Blättern zirpte eine Grille.“
Sind immer die Bilder und die Geschichten vorgegeben oder entstehen sie auch neu?
Dr. Berthold: Nicht immer sind die Bilder vorgegeben. Die innere Weisheit sucht sich aus den
vorgegeben Bildern die Weisheiten, die gerade für diesen Patienten und seine Lage hilfreich ist und
schafft auch neue dazu. Die Bilder, die im Trancezustand aus dem Inneren entstehen, sind besonders
hilfreich für den Heilungsprozess.
Sie sind selbst Betroffene. Was ist die wichtigste Lektion, die Sie aus Ihrer Erkrankung gelernt haben?
Dr. Berthold: Jeder Heilungsweg ist einzigartig, wie der Mensch selbst. Niemand kann weder
Vorhersagen noch Versprechen zur Heilung machen. Es ist immer alles möglich. Hör auf deine innere
Stimme und glaube an deinen Weg! Übernimm Verantwortung für deine Heilung!
Was können Sie Ermutigendes an Krebspatienten weitergeben?
Dr. Berthold: Niemals die Hoffnung verlieren, seine mentale Stärke bewahren und sie noch mehr stärken,
ermutigende Menschen suchen, angstmachende Menschen meiden und fest daran glauben, dass Wunder
geschehen können.
Sie haben zwei CDs herausgegeben. Können Sie uns etwas dazu erzählen?
Dr. Berthold: Die CD „Hypnose als Chance bei Krebs“ hat vier Trancen: 1.„Krise als Chance“ hilft, die
schwierige Situation anzunehmen und sie als Wachstumschance zu sehen. 2. „Immunsystem-Stärkung“
dient der Aktivierung der Selbstheilungskräfte und stärkt das Immunsystem. 3. „Präoperative
Vorbereitung“ stärkt das Vertrauen in das medizinische Personal und unterstützt die Wundheilung. 4.
„Dem Leben dienen“ hilft, eine positive Einstellung der Behandlung gegenüber zu entwickeln, was die
Nebenwirkungen verringern kann.
Die zweite CD „Hypnose als Chance bei Stress und burnout“ kann ich auch sehr empfehlen
Können Sie den Betroffenen hilfreiche Literatur empfehlen?
Dr. Berthold:
1. Thomas Hartl – „Geheilt. Wie Menschen den Krebs besiegen“
2. Anselm Grün – „Die heilsame Kraft der inneren Bilder“
3. Joachim Faulstich – „Das heilende Bewusstsein“
4. Le Shan – „Krebs – Wendepunkt und Neubeginn“
5. Anselm Grün – „Quellen innerer Kraft“
Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Berthold!