Muss ich den Betrieb übernehmen?

Land & Leben | 20. August 2015 | Salzburger Bauer
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Foto: Schiddrigkeit/fotolia.com
lebensfragen
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fragen
THEMA HOFÜBERNAHME
BAUERNTOCHTER, 28 JAHRE, AUS DEM TENNENGAU
Wir sind zwei Kinder – mein jüngerer Bruder und ich. Beide haben wir seit unserer Kindheit immer viel zu Hause mitgeholfen, aber irgendwie kann sich weder mein Bruder noch ich, mit
dem Leben und Arbeiten am Hof identifizieren. Mein Bruder ist
nach seinem Studium ins Ausland gegangen. Er kommt für eine
Hofübernahme sowieso nicht mehr in Frage. Und ich will auch
Einen Hof übernehmen „müssen“ wäre wahrscheinlich keine gute Voraussetzung für die
eigene Zukunft. All das, was
ein „Muss“ im Leben darstellt,
kann zur Last und Bürde werden – und das ist auf Dauer
krankmachend. Dass es der
Übergebergeneration ein Anliegen ist, dass der Betrieb einmal durch eines ihrer Kinder
weiter geführt wird, ist verständlich. Damit das gut gelingen kann, spielen mehrere
Faktoren eine Rolle. Eine sehr
wesentliche wäre, dass genau
das, was Sie als „Jammerei“
nicht. Meine Eltern haben nie Freizeit, kein Wochenende, keinen Urlaub, nicht einmal krank sein darf man. Immer gibt es irgendeine Arbeit zu tun. Auch die Jammerei meiner Eltern (hohe
Auflagen, immer mehr Regeln und Regulierungen, komplizierte
Bürokratie, steigende Kosten, niedriges Einkommen ...) kann ich
schon nicht mehr hören und das zeigt mir, dass ich so ein Leben
nicht führen will. Aber wie sag ich das meinen Eltern?
ERIKA TRAMPITSCH
Akademische Supervisorin
[email protected]
beschreiben – nicht passieren
sollte. Es bräuchte von den Eltern das Vorleben eines lebenswerten Lebens am Hof. Und
dazu gehört auch, dass man
als Mensch etwas gilt, und
dass nicht immer nur die Arbeit im Vordergrund steht. Ich
vermute aber, dass das Ihren
Eltern nicht bewusst ist und
sie wohl „so“ wie sie es in ihrer aktiven Bewirtschaftungsphase sinnvoll erachten, den
Betrieb führen. Und im Grunde haben meiner Meinung
nach die Jungen nach einer
Übernahme ja auch die Möglichkeit, einmal „anders“ zu
tun und ihre eigenen Werte zu
leben – natürlich mit der entsprechenden Wertschätzung
den Eltern gegenüber. Ich bin
der Meinung, dass Sie fairerweise offen mit Ihren Eltern
über Ihre Bedenken sprechen
sollten – gerne unterstütze ich
Sie dabei, wenn Sie möchten.
Dem Leben mehr Qualität geben
D
ie Arbeit geht auf einem
Hof nie aus. Stallarbeit,
Feldarbeit, Waldarbeit –
vielleicht noch ein zusätzliches
Standbein, landwirtschaftliche
Nebentätigkeiten, Zu- oder Nebenerwerb. Vor lauter Arbeit
soll aber auch nicht ganz auf
die schönen Seiten des Lebens
vergessen werden. Und diese schönen Seiten gilt es auch
unseren Kindern und der Ju-
gend zu vermitteln. Eine gute
Mischung aus Arbeit und Freizeit, aus Familie und als Einzelperson – diese gilt es zu finden und diese sollte auch unseren Kindern vermittelt werden. Ein landwirtschaftlicher
Betrieb hat eigentlich sehr gute
Rahmenbedingungen hierfür –
es gibt keine so starren Arbeitszeiten wie in anderen Berufsgruppen, es gibt auch keine Ur-
laubssperren und ich brauche
auch keine Ansuchen auf Zeitausgleich stellen. Was spricht
gegen einen Ausflug mit der
Familie? Was spricht gegen
einen spontanen freien Tag
z. B. in der Therme bei schlechtem Wetter? Was spricht dagegen, den Sonntag für die Familie und meinen Partner/meine
Partnerin zu reservieren?
ELISABETH NEUREITER
Symbolfoto
„Muss ich den Betrieb
übernehmen?“
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Erika Trampitsch beantwortet Ihre
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Lebensqualität Bauernhof
Kennwort „Lebensfragen“
Ing.-Ludwig-Pech-Straße 14,
5600 St. Johann; Tel. 0664/4105065
E-Mail: lebensfragen-bauernhof@
lk-salzburg.at
Diese Form der Beratung ersetzt
in keinster Weise ein persönliches
Gespräch mit der Beraterin.
Wir bitten um Verständnis, dass Erika
Trampitsch nicht alle Briefe persönlich
beantworten kann.
LEBENSFREUDE
Für die Zukunft
unserer Höfe
Arbeit und vorallem ein Tagwerk
kann schön und sinnstiftend sein.
Am Ende des Tages zu sehen, was
die Hände geleistet haben und
den Sinn und Wert im Getanen
zu erkennen, Selbstbestimmtheit
und Selbstwirksamkeit zu erleben – das ist in vielen Berufen
nicht mehr selbstverständlich.
Als Bäuerin und Bauern können
wir dies aber noch. Das Beste
was wir für die Zukunft unserer
Höfe tun können, ist der nächsten Generation zu zeigen, dass
Lebensfreude, Lebensqualität,
eine gelungene und wertschätzende Partnerschaft (auch außerhalb der Arbeit) und ein
gutes Familienleben nicht im
Widerspruch mit der Arbeit als
Bäuerin oder Bauer stehen.