„Neue Straßen - Alte Fehler“ Einige hundert dieser sogenannten Unfallschwerpunkte gibt es in Thüringen. Einige dieser Unfälle scheinen regelrecht vorprogrammiert zu sein, denn sie passieren immer wieder an den gleichen Stellen. Die Stellen werden dann Unfallschwerpunkte genannt. Viele davon gibt es auch in Thüringen, und sie befinden sich sogar auf neuen Straßen oder solchen, die gerade mal ein paar Jahre alt sind. „Anerkannte Regeln der Sicherheitstechnik werden nicht berücksichtigt„ sagt der Kölner Unfallforscher Volker Meewes. „Schon bei der Planung kann man beeinflussen, wie sich Verkehrsteilnehmer verhalten und ob es zu Unfällen kommt und wie die Folgen sind“. Der Autofahrer ist oft der Dumme, denn er hat den Schaden. "Versicherern und Anwälten fehlt einfach der Mut solche Fälle vor Gericht zu bringen“, sagt der Regensburger Juraprofessor Gerrit Manssen. „Gibt es Maßnahmen, die der Straßenbaulastträger nicht ergriffen hat und schuldhaft nicht ergriffen hat“, sagt der Juraprofessor weiter, „dann ist er in einer Schadenshaftung." Straßen können keine Schuld an einem Unfall haben, doch Straßen können Unfälle begünstigen. Doch fast immer fehlt das Geld, um ausgemachte Unfallschwerpunkte baulich zu entschärfen. Auf einer Unfallsteckkarte registriert die Polizei die Art und die Schwere der Unfälle. Wird ein Unfallschwerpunkt erkannt, gibt sie der sogenannten Unfallkommission Empfehlungen über bauliche Veränderungen weiter. Die Unfallkommission besteht aus Vertretern der Polizei, der zuständigen Straßenverkehrsbehörde und des Straßenbauamtes, des sogenannten Baulastträgers. Dieser führt dann die baulichen Maßnahmen zur Entschärfung des Unfallschwerpunktes durch. Mehr als 200 solcher Unfallschwerpunkte gibt es allein in Thüringen, viele befinden sich an neuen oder ausgebauten Straßen. Ein Beispiel dafür ist eine Kreuzung auf der B 7 bei Weimar. Trotz einer inzwischen zurückgebauten Leitplanke passieren auf der gerade mal 4 Jahre alten Kreuzung immer wieder Unfälle. Dabei wurden 34 Menschen leicht, 5 schwer verletzt. Mehr als die Hälfte all dieser Unfälle wurde durch links abbiegende Autos verursacht. Doch obwohl die fehlgeplante Straße eine Mitschuld an diesen Unfällen trägt, scheuen auch hier die Versicherungen das Prozessrisiko gegen den Baulastträger, denn die Straßensicherheit ist gesetzlich nicht verankert. So müssen die Baulastträger niemals haften. Doch wie kann es zu solchen „geplanten“ Unfallschwerpunkten kommen? Die Planung einer neuen Straße geschieht in einem langwierigen bürokratischen Prozess. Der Baulastträger, also das Straßenbauamt der Kommune, des Landes oder des Bundes beauftragt ein Planungsbüro mit der Projektion einer neuen Straße. Grundlage der Planung sind u. a. Verkehrsdichte, Naturschutzaspekte und Kosten, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Die Straßensicherheit hingegen wird über Richtlinien nur empfohlen. Bei Alleen können Pufferzonen an den Straßen Leben retten. Fehlen sie, kann eine Alleenstraße zur tödlichen Falle werden. In den letzten acht Jahren starben mehr als 800 Menschen nach einem solchen Crash. Fast immer sind es junge Fahrer oder Fahranfänger. Jeder dritte Verkehrstote im Freistaat kollidierte laut Statistik mit einem Baum am Straßenrand. Tempolimits, Überholverbote und polizeiliche Präventionsarbeit sind lange ausgereizt. Ein Merkblatt der Bundesregierung empfiehlt einen Mindestabstand von vier Metern zwischen den Bäumen und der Straße. Das lässt sich allerdings nur bei neugebauten Straßen umsetzen. Doch oft sind nicht einmal zwei Meter Platz bis zum nächsten Baum. Zusätzliches Land müsste entlang der Straße gekauft werden, doch das kann sich keiner leisten, klagen die Baulastträger. Die Forderung nach einer Leitplanke wie von Volker Meewes vorgeschlagen, scheitert deshalb auch an den hohen Kosten. Außerdem trägt nicht der Baum, sondern der Fahrer die Schuld und jedes Fällen eines Baumes sei eine biologische Katastrophe, sagen Naturschutzverbände wie die Grüne Liga Thüringen. Straßen sollen ein Audit, eine Art Tüv bekommen. Nur die Bauhaus-Universität in Weimar bildet seit 2002 deutschlandweit Straßenplaner zu Straßensicherheitsexperten, sogenannten Auditoren aus. Die Teilnehmer lernen, Sicherheitsmängel und Richtlinienverstöße schon auf den Straßenplänen zu erkennen. Bei bestehenden Straßen werden Sicherheitsmängel dokumentiert und der Unfallkommission werden Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Die ersten Auditoren arbeiten bereits, allerdings nicht in Thüringen sondern in Brandenburg. Dort erkannte man schon früh in den Straßenverhältnissen eine mögliche Unfallursache. Viele Straßenbauprojekte in Brandenburg konnten so schon verbessert werden. Quelle: mdr; Thüringen Exklusiv, Sendung: 03.09.3003, 20:15 Uhr
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