Was Flüchtlinge für den Wohnmarkt bedeuten

Samstag/Sonntag, 23./24. Januar 2016
Uckermark Kurier am Wochenende
Seite 19
Bezahlbare
Wohnungen sind
keine Rarität
Von Benjamin Vorhölter
Der Bedarf an
Sozialwohnungen in
Prenzlau hat eher weniger
mit Zuwanderung zu tun.
Andere Gründe fallen mehr
ins Gewicht.
Rebecca Mehlberg übersetzt für die Syrer Adnan Aljundi (links) und Aseem
Kakoura die Wohnungsangebote im Anzeigenkurier. FOTO: BENJAMIN VORHÖLTER
Was Flüchtlinge für den
Wohnmarkt bedeuten
Von Benjamin Vorhölter
Nein, Immigranten mit
Aufenthaltsstatus auf
Wohnungssuche stellen
keine Herausforderung
dar, sagt beispielsweise
die Geschäftsführerin
der Wohnungsbaugenossenschaft Templin.
Dafür könnte es an anderer
Stelle problematisch werden.
Adnan Aljundi und
Aseem Kakoura möchten
Templin nicht verlassen. Die
beiden Syrer wollen bleiben,
um die deutsche Sprache zu
lernen. Sie gehören zu denjenigen Flüchtlingen, die bereits ihren Aufenthaltsstatus
bekommen haben. Die Zahl
der anerkannten Flüchtlinge
wird in diesen Wochen und
Monaten zunehmen. Was bedeutet das für den Templiner
Wohnungsmarkt?
Kurzfristig rechnet Anke
Junker-Füchsel, Geschäftsführerin Wohnungsbaugenossenschaft „Uckermark“
Templin, nicht damit, dass
Flüchtlinge mit Aufenthaltsstatus zu einer großen Herausforderung für Templin
werden. In Templin ist kein
großer Leerstand zu verzeichnen. Flüchtlingsbewegungen
TEMPLIN.
zeigen jedoch, dass Orte mit
Arbeitsangeboten und bereits
größerem Zuzug von Landsleuten bevorzugt werden.
Die Uckermärkische Gewo-GmbH Wohnungsgesellschaft hat dagegen einen
hohen Leerstand von 16 bis
20 Prozent. Die Zuwanderung
sei daher eine günstige Entwicklung, sagt Eckhard Gaude. In Boitzenburg sind zehn
Asylbewerber, in Mittenwalde
ein anerkannter Flüchtling
aus Syrien, in Ringenwalde
sind zwei Wohnungen belegt, die dritte ist in Vorbereitung. Außerdem werden
in Gerswalde und Steglitz
Wohnungen für Flüchtlinge geschaffen, sagt Eckhard
Gaude. Ob sie, sofern sie
ihren Aufenthaltsstatus haben, auf dem Land bleiben,
bezweifelt der Gewo-GmbHGeschäftsführer. Schlechte
Verkehrsverbindungen und
fehlende Arbeitsplätze seien
nicht gerade gute Argumente, um aufs Land zu ziehen.
Bezahlbarer Wohnraum
für Flüchtlinge im ländlichen Raum wird dennoch ein
Thema bleiben. Nicht zuletzt
weil die Bundesregierung
über eine Residenzpf licht für
anerkannte Flüchtlinge nachdenkt. Eine solche Wohn-
sitzauf lage würde bedeuten,
dass geduldete Flüchtlinge
auf einen engen Wohnungsmarkt drängen. „Wir wollen
sehen, ob die Residenzpf licht
kommt“, sagt Anke JunkerFüchsel zu Überlegungen
der Wohnsitzauf lagen für
anerkannte Flüchtlinge.
Der Vermieter muss
sozialen Frieden wahren
Ihrer Ansicht nach könne die
Vermietung an anerkannte
Flüchtlinge im Einzelfall unkompliziert sein. Zwischen
ihnen und einheimischen
Mietern gebe es keine Unterschiede. Allerdings seien
anerkannte Immigranten
häufig nicht der deutschen
Sprache mächtig. Aus diesem
Grund können Missverständnisse entstehen, weil allgemeine Regeln unbekannt
sind und Vertragsinhalte
nicht verstanden werden,
sagt Anke Junker-Füchsel.
Es müssen Möglichkeiten
zur Betreuung und Unterstützung gefunden werden.
Das sei wichtig, denn als Vermieter besteht die Pf licht,
den sozialen Frieden in den
Häusern zu bewahren.
Damit diese schwierige
Aufgabe gelingt, arbeitet die
WBG „Uckermark“ Templin
stärker mit dem Verein „würdevoll leben“ zusammen. Der
Verein will Flüchtlingen als
Ansprechpartner und Mittler bei der Nutzung von
Wohnungen behilf lich sein.
„Wir setzen uns für den Verständigungsprozess zwischen
Flüchtlingen und Vermieter
ein und sind auch Mediator für andere Bewohner in
einem Haus“, sagt Torsten
Finger vom Verein „würdevoll
leben“. Jeder habe verschiedene Interessen. Der Vermieter möchte möglichst seine
Wohnungen sicher vermieten
und Mieter sowie Flüchtlinge
wollen schön wohnen. „Wir
versuchen für jede Situation
eine individuelle Lösung zu
finden“, sagt Finger. Dabei
können gute Kooperationen
zwischen Flüchtlingen und
anderen Mietern entstehen –
zum Beispiel Kaffee trinken
mit dem Nachbar und dabei
die deutsche Sprache lernen.
Aseem Kakoura hat inzwischen eine Wohnung gefunden. In einer kleinen Stadt
wie Templin sei es für ihn
leichter als in der Großstadt,
Kontakte zu knüpfen, um
deutsch zu lernen.
PRENZLAU. Die Zahl der Asylbewerber, die nach Abschluss
ihres Asylverfahrens im
Land bleiben können, steigt
an. Durch die Zuwanderung
wächst vor allem in den größeren Städten der Bedarf an
bezahlbarem Wohnraum. In
Prenzlau dagegen sei die Situation anders, berichtet René
Stüpmann, Geschäftsführer
der Wohnbau GmbH Prenzlau. Der Bedarf an Sozialwohnungen in der Kreisstadt
habe nichts mit der gegenwärtigen Flüchtlingssituation
zu tun. Die Stadt Prenzlau besitze in Brandenburg eine der
höchsten Quoten an sozialem
Wohnraum mit Mietpreisbindung, erläutert Stüpmann.
Als einen Grund dafür nennt
er die niedrige Kauf kraft im
Vergleich zu anderen Regionen, die sich auch im Mietpreisniveau widerspiegele.
Die Wohnungen der
Wohnbau Prenzlau besitzen
einen durchschnittlichen
Mietpreis, knapp unter der
vorgeschriebenen Sozialmiete von 4,80 Euro pro Quadratmeter liege. Frei vermietbaren Wohnungen würden zum
größten Teil diesem Niveau
entsprechen, sagt René Stüpmann. Er rechnet nicht damit,
dass die Zuwanderung eine
Herausforderung für den
Prenzlauer Wohnungsmarkt
wird. Diese liege angesichts
des demografischen Wandels
eher in der Schaffung von altersgerechten Wohnungen,
da die Nachfrage hier in den
kommenden Jahren weiter
steigen werde. Die Wohnbau
Prenzlau arbeite darüber hinaus bereits seit mehreren
Jahren eng mit dem Landkreis Uckermark zusammen, wenn es um den Übergang von Asylunterkünften
in eigenen Wohnraum geht,
sagt Stüpmann. Bei der Vermietung von Wohnungen
an Flüchtlinge werde der
Integrationsfaktor berücksichtigt. Zudem habe die
Leerstandsquote in den vergangenen Jahren zwar stets
unter drei Prozent gelegen.
Dennoch stelle die Wohnbau
Prenzlau monatlich fünf bis
zehn Sozialwohnungen mit
Mietpreisbindung zur Vermietung. „Hier gibt es häufig
Probleme, Mieter zu finden,
die den geforderten Kriterien hinsichtlich Einkommen und Wohnraumgröße
entsprechen“, berichtet der
Geschäftsführer der Wohnbau Prenzlau.
Die Wohnbau Prenzlau hat
in den vergangenen Jahren
in die Instandsetzung und
Modernisierung von Wohnungen, zum Beispiel in der
Schwedter Straße, investiert.
Dabei entstanden auch neu
geförderte Sozialwohnungen.
Die Zahl der Sozialwohnungen der Wohnbau Prenzlau
ist nach Stüpmanns Angaben
allein in den vergangenen
sechs Jahren von 555 auf
567 Wohnungen gestiegen.
Das entspricht einem Anteil
von 15 Prozent.
René Stüpmann, Geschäftsführer der Wohnbau GmbH Prenzlau,
hat dafür gesorgt, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der
Sozialwohnungen seines Unternehmens stieg.
FOTO: M. STREHLOW
Kontakt zum Autor
b.vorhö[email protected]
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