KStA_Weiche Knie und bebender Puls beim Angeln an den Kölner

Kölner Stadt-Anzeiger - Weiche Knie und bebender Puls bei...
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Köln - 26.07.2015
FERIEN ZU HAUSE
Weiche Knie und bebender Puls beim Angeln an den
Kölner Seen
Von Uli Kreikebaum
Felix Mayr verbringt Sommer- wie Winterurlaube
angelnd am Wasser. Manchmal zwei Wochen lang.
Einsam ist der Kölner dabei nicht.
Felix Mayr sitzt am Aachener Weiher und
fixiert seine Angelrute. Jederzeit könnte ein
Karpfen anbeißen.
Foto: Christoph Hennes
Felix Mayr verbringt seine Urlaube angelnd am Wasser. Im Mai
war er zwei Wochen am Heider Bergsee, angeln und zelten. Vor
ein paar Jahren war er im Januar zwei Wochen am Bleibtreusee,
angeln und zelten. Eines Morgens wurde er wach und es hatte
zehn Zentimeter geschneit. „Der See war gefroren, meine Füße
auch. Als die Eisschicht getaut war, bin ich mit dem
Schlauchboot auf die andere Seite gepaddelt. Da habe ich zwei
20 Kilo schwere Karpfen gefangen. Der Urlaub hatte sich also
gelohnt.“
Felix Mayr sitzt am Aachener Weiher und fixiert die Spitze seiner Angelrute; Jogger und Spaziergänger
laufen vorbei, hinter ihm knutschen Paare auf den Holzschaukeln vor dem Biergarten, Bahnen kreischen,
Blesshühner fiepen, Autoreifen quietschen, es riecht nach Sommer in der Stadt. Ein Vater kommt mit
seiner Tochter vorbei und fragt ungläubig: „Was fängt man hier?“ „Nur kleine Fische“, sagt Mayr.
„Karpfen und so.“ Eben hat er so einen Karpfen gefangen, ein Kilo schwer vielleicht, gold-gelb-grünlich
glänzend, „einmalig schön“.
Im Brühler Bleibtreusee hat er dieses Jahr schon Karpfen gefangen, die so groß waren wie kleine Ferkel,
über 25 Kilo, er bindet das aber keinem auf. „Kinder stellen die originelleren Fragen“, sagt er. Die fragten
nach Details: Sie erkundigen sich nach der Futterschleuder, mit der Mayr Mais oder Teigballen exakt
dorthin schießt, wo sein Köder liegt. Sie fragen nach Schwimmer, Blei, Kescher und Maden, die neben
ihm in einem Schälchen krabbeln. „Mädchen haben weniger Angst, Maden in die Hand zu nehmen als
Jungs“, sagt Mayr. „Ich sage den Kindern immer, sie sollen die Maden ihren Eltern zeigen. An einem
Schrei höre ich dann, dass sie angekommen sind.“ Es hat jetzt schon lange keiner mehr gebissen. Mayr
sagt: „Gleich geht es ab, ganz sicher.“
EINE WOHNUNG WIE EIN ANGELGESCHÄFT
Seine Wohnung sieht aus wie ein Angelgeschäft: Über dem Bett hängen Ruten, er hat über 50. In der
Küche stehen zwei Gefriertruhen mit Angelködern, die er selbst macht: Wenn er Teig zubereitet oder
spezielle Köder für Karpfen („Boilies“), kauft Mayr 100 Eier, die er mit Biskuitmehl, Fischsoße und
anderen Zutaten, die er natürlich nicht verrät, verarbeitet und einfriert. In der Küche riecht es für
Fremde komisch, wenn er Fischteig zubereitet, für Mayer riecht es dann verheißungsvoll. Der 31-jährige
Garten- und Landschaftsbauer angelt an jedem Kölner Gewässer: Am Adenauerweiher und Aachener
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Weiher, am Mediapark, im Volksgarten und im Blücherpark, am Fühlinger und am Escher See.
Felix Mayr sieht – wenn man sich den Klischeeangler vorstellt – nicht aus wie ein Angler. Er ist nicht
dick, er ist nicht starrköpfig (außer, wenn es ums Angeln geht: mit seiner letzten Freundin war er in vier
Jahren nie im Urlaub), er trinkt nicht literweise Bier (okay, nur ganz selten), er wirkt sehr offen (es sei
denn, es geht um seine Angelmethoden).
Warum er seine freie Zeit angelnd verbringt? „Weil ich angeln liebe, seit ich mit vier oder fünf das erste
Mal in Holland mit einer Bambusangel ein Rotauge gefangen habe“, sagt er. „Weil es überall
wunderschöne Fische gibt. Der Kick, wenn einer beißt, ist überall der gleiche. Ich kriege dann noch
immer weiche Knie, und mein Puls schlägt höher.“ Vielleicht sei es der Jagdtrieb, überlegt Mayr. „Mein
Opa war Jäger, aber ich esse die Fische, die ich fange, nie.“ Eher sei es „der Mythos eines Gewässers. Du
schmeißt den Köder aus, und weißt nicht, was in der Tiefe passiert. Und wenn du dann eine urige Schleie
oder einen glänzenden Spiegelkarpfen fängst, dann ist das immer wieder ein Wunder“.
Der Aachener Weiher liegt ruhig im Nieselregen, Dunst zieht auf, der Himmel klart gleich auf. „Perfektes
Wetter“, sagt Mayr, „gleich geht es ab.“ Ein Mann mit reichlich Dosenbier auf dem Fahrradkorb fragt, ob
er das Ungeheuer von Loch Ness gesehen habe. „Ich ruf dich an, wenn ich es sehe, ich hab ja deine
Nummer“, sagt Mayr. Er ist kein einsilbiger Angler, er redet gern mit den Leuten. Mit dem Junkie, der
ihm sein Leben erzählt, genauso wie mit dem Banker, der fragt, wie viel die Ausrüstung gekostet hat.
WIE EIN ASKETISCHER SPORTLER VOR DEM IRONMAN
Er spricht auch gern mit den Mädchen, die zu ihm kommen – Felix Mayr ist groß und drahtig, er hat
dunkle, warme Augen und kann gut erzählen. Fische zu fangen mögen viele Frauen nicht so sexy finden,
aber wenn da ein Angler sitzt, der sehr nett ist, kann sich das ändern. Am Mediapark habe er mal ein
Mädchen kennengelernt, mit dem er sich so gut verstanden habe, dass er die Angeln irgendwann
eingepackt habe. „Am Alberti-See in Gremberghoven war mal gegenüber meiner Nachtangelstelle eine
Party. Ich habe die Nacht durchgetanzt und dann mit einem Mädel vor dem Zelt den Sonnenaufgang
angeguckt.“ Er hat einige so romantische Geschichten erlebt, aber deswegen angelt er nicht. „Wobei die
Mädels, die hier joggen am Aachener Weiher, kein Nachteil sind, beim Angeln.“
Mayr will nicht viel Gewese ums Fische fangen machen. Irgendwann sagt er: „Ich hoffe, ich konnte dir
helfen. Ich kann mich beim Angeln nicht so gut aufs Reden konzentrieren.“ Man kann einem akribischen
Fischer wie ihm nicht gerecht werden, wenn man sich mal zwei, drei Stündchen mit ihm ans Wasser
setzt. Felix Mayr ist meist zwei Tage vor dem Angeln am Teich, um das Wasser zu beobachten. Er
bereitet sich auf jeden Fischzug vor wie ein asketischer Sportler auf einen Ironman.
Er zuckt mit den Schultern. Arbeiten, Angeln und Feiern, sagt er, das sei eben seine Art, seine Zeit auf
der Erde zu verbringen. „Wenn ich schnelle Bässe höre und tanzen kann, bin ich glücklich“, sagt Felix
Mayer, „und wenn ich Ruhe habe, beim Angeln, bin ich auch glücklich.“ Mehr ist es nicht.
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