«Das ganze Leben besteht aus Geschichten» - Scheidegger

«Das ganze Leben besteht aus
Geschichten»
Amalia und Werner van Gent Gäste zum Thema: «Rund um den Ararat» in der Buchhandlung Scheidegger
Normalerweise sieht man
Werner van Gent räumlich
begrenzt – Bildschirmgrösse des
Fernsehers. Normalerweise hört
man Werner van Gent zeitlich
begrenzt – wenige Minuten Sendezeit. Nicht so am vergangenen
Dienstag in der Buchhandlung
Scheidegger.
Abschied von der
Kriegsberichterstattung
Werner van Gent, der in Zürich studiert hat, war viele Jahre lang als Auslandskorrespondent vornehmlich im
Nahen Osten und im ehemaligen Jugoslawien unterwegs. «Man wusste nie,
wo man abends schlafen würde», erzählte er über die strapaziösen Jahre.
Auch seine griechische Frau Amalia ist
eine engagierte Journalistin. Sie und
ihr Mann entschieden nach einem lebensbedrohlichen Zwischenfall mit
Banditen in der Wüste, dass er nicht
mehr als Journalist in Krisengebiete
reisen würde.
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von regula zellweger
Selten haben sich so viele Interessierte
im Lager der Buchhandlung Scheidegger die letzten Stühle strittig gemacht. Rund 120 Personen wollten
den bekannten Journalisten Werner
van Gent live erleben. Er ist heute unbestritten einer der begehrtesten, auf
den Nahen Osten spezialisierten Auslandkorrespondenten und Kommentatoren der Schweiz.
Das Schönste an dieser Veranstaltung aber war die Tatsache, dass sich
der Anlass nicht ausschliesslich auf
seine Person und Tätigkeit beschränkte. Man erfuhr auch mehr über den
Menschen, über ihn als den respektund liebevollen Ehepartner, den Reiseorganisator und Verleger. Im Fokus
stand nämlich das Buch «Den Ararat
vor Augen», geschrieben von Amalia
van Gent und Christina Leumann.
Spontan und beeindruckend war
Hasmik Tadevosian, eine engagierte,
eben angereiste Armenierin, die Dritte
im Bunde der starken, engagierten
Frauen. Die Buchhandlung Scheidegger versteht es immer wieder, den
Rahmen einer klassischen Lesung zu
Konzentration auf das Positive
Werner van Gent, wie man ihn kennt: Sehr kompetent bringt er komplexe
Zusammenhänge auf den Punkt. (Bild Regula Zellweger)
sprengen, sei es mit Musik oder kulinarischen Köstlichkeiten. Am letzten
Dienstag aber war es der professionelle Mix der Präsentationsformen: Es begann mit einem Referat mit Powerpoint und Musik, dann folgten Lesungen aus dem Buch, Kurzinterviews mit
den beiden Autorinnen und Erzählungen – in einem anregenden Rhythmus
wechselnd. Und immer wieder integrierten der Moderator und die beiden
Autorinnen Hasmik Tadevosian in die
Gespräche. Die Armenierin fing die
ihr verbal zugespielten Bälle virtuos
auf, wechselte von Armenisch ins Englisch und fesselte das Publikum mit ihrem profunden Wissen und ihrem
Charme.
Werner van Gent beschrieb eindrücklich den Wunsch, sich nach so vielen
Jahren Krisen- und Kriegsberichterstattung auf die positiven Seiten des Lebens konzentrieren zu wollen. Heute
verdient er sein Geld mit viel Herzblut
als freischaffender Korrespondent und
Kommentator, als Organisator und Begleiter von Spezial- und Studienreisen
seiner eigenen Firma Treffpunkt Orient GmbH, sowie als Verleger, Referent und Buchautor – gemeinsam mit
seiner Frau Amalia.
Kinderspital mit Schule
Konzentration auf das Positive, damit
kann man das Gemeinschaftswerk der
Spitallehrerin Christina Leumann und
Amalia
van
Gent
bezeichnen.
Christina Leumann versteht es, in
wunderschönen Bildern Momente zu
beschreiben und Geschichten zu erzählen, die sie zusammen mit ihrem
Mann, dem Arzt Ernst Leumann, bei
der Entwicklung eines einfachen armenischen Kinderspitals in das landesweit einzige Kompetenzzentrum für
Pädiatrie mit einer bespielhaften Spitalschule zu entwickeln. Partner des
heutigen Kinderspitals Arabkir in Jerewan ist das Kinderspital Zürich. Christina Leumann hat als Gründerin der
«Armenienhilfe Direkt» über 70 Mal
das Land bereist, ein Viertel Jahrhundert in Begleitung ihrer armenischen
Freundin Hasmik Tadevosian.
Emotional und informativ
Während die Texte von Christina
Leumann stark emotional ansprechen,
kann man sich dank den kompetenten, sachlichen Erklärungen von Amalia van Gent zur Geschichte und zur
aktuellen politischen Lage Armeniens
ein differenzierteres Bild zu Land, Kultur und der wechselhaften Geschichte
machen. Die meisten Zuhörerinnen
und Zuhörer mussten jedoch zugeben,
dass sie zwar vom durch die Türken
nach hundert Jahren noch immer verleugneten Genozid gehört hatten –
aber eigentlich wenig über Armenien
und seine mit Russland und der Türkei
dicht verwobene Geschichte wussten.
Viele Fragen werden im Buch «Den
Ararat vor Augen» beantwortet. Nachhaltig wirksam ist aber bestimmt das
Interesse für Armenien, das der Abend
bei den vielen Besuchenden geweckt
hat.
www.treffpunktorient.ch, www.kolchisverlag.ch