Kolumne zur Woche des BE - Freiwilligenagentur Münster

Freiwillige hautnah: Gesichter und Geschichten zum Engagement in Münster
zur Woche des bürgerschaftlichen Engagements
„Hallo! Mein Name ist Anja Westbeld. Ich bin
Soziologiestudentin und soziales Engagement ist für mich
selbstverständlich. Ich selbst bin in der FreiwilligenAgentur
Münster ehrenamtlich aktiv. Dort engagiere ich mich nun
schon seit zwei Jahren. In meinem Ehrenamt besuche ich
zwar keine alten Menschen oder helfe Kindern bei den
Hausaufgaben, aber ich helfe zu helfen. Denn in der
FreiwilligenAgentur werden Angebote für Freiwillige
gesammelt. 500 Möglichkeiten, wo man sich in Münster
engagieren kann, gibt es immer aktuell in der Datenbank der
Agentur. Hier werden außerdem Weiterbildungen für
Ehrenamtliche angeboten und hier sind Initiativen und
Einrichtungen vernetzt zum Beispiel beim Runden Tisch der
Patenprojekte mit dem Titel „Münster gewinnt eins zu eins. Besonders viel Spaß habe ich an
der Öffentlichkeitsarbeit. Ich helfe mit bei Infoständen, um auf die vielen Möglichkeiten
aufmerksam zu machen, anzupacken und Gutes zu tun. Und ich finde es gut, dass
Freiwillige oft in der Zeitung und überhaupt in der Öffentlichkeit stehen. Das ist schön für die
Anerkennung und die Wertschätzung. Und das macht anderen Lust, sich auch zu
engagieren. Zur Woche des bürgerschaftlichen Engagements habe ich – sozusagen
querbeet - Ehrenamtliche aus ganz unterschiedlichen Engagementfeldern besucht. Sie
engagieren sich für Kinder, für alte Menschen, für Menschen ohne Obdach, für Flüchtlinge
oder in der Bücherei. Ich habe viel gelernt über die Vielfalt des Engagements in Münster,
über die Motivation der Ehrenamtlichen und über die Freude an ihrem Tun. Danke an alle,
die sich haben fotografieren lassen und deren Geschichten ich erzählen darf. Fünf
Geschichten sind es. Das ist die erste, die über die Schachoma namens Gisela.
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Turm schlägt Königin auf dem Basteltisch
Schachoma Gisela bringt Kindergartenkindern das Schachspielen bei
„Wenn die Kinder merken, dass man sie freiwillig gewinnen lässt, macht ihnen das keinen
Spaß“ erklärt Gisela Hoischen mit einem Schmunzeln, „da muss man schon vorsichtig sein!“
Seit fünf Jahren sitzt sie jeden Donnerstag im Emilien-Kindergarten im Süden von Münster
und versucht auf einem Kinderhocker den Großen und Kleinen die Kunst des
Schachspielens beizubringen. Am Anfang steht natürlich erst das Figuren aufstellen im
Mittelpunkt, allein das finden die Lehrlinge schon toll. Für zwei Stunden steht Schachoma
Gisela, wie sie hier von allen genannt wird, den Kindern jede Woche zur Verfügung – egal ob
es draußen regnet oder die Sonne
scheint. „Bei schönem Wetter spielen
die Kinder natürlich lieber draußen,
aber das ist auch gut so“ findet die
Freiwillige. Die lockere Atmosphäre
wird von der Ehrenamtlichen
besonders geschätzt: von Anfang an
hatte sie alle Freiheiten und keine
Pflichten. Das ist nicht zuletzt der
Kindergartenleiterin Ilona Rakowski
zu verdanken: zufällig hörte sie die
Rentnerin auf einer Veranstaltung des
Südviertelbüros über Schach reden
und sprach sie direkt an. Gemeinsam
entstand die Idee, den Kindern das
Spiel ganz zwanglos näherzubringen.
Und so steht Gisela Hoischen immer
donnerstags im Kindergarten auf der
Schachoma Gisela Hoischen spielt mit den Kids im Kindergarten.
Matte, mit dem hölzernen Kasten
unter dem Arm und einer Menge Geduld im Gepäck. Einige Kinder finden Schach langweilig
und stehen schlicht und einfach auf, andere bleiben sitzen und lernen zwei bis drei Jahre
lang regelmäßig. Heute spielt Schachoma Gisela mit zwei kleinen Mädchen, die sich gerade
sehr freuen, weil sie ihrer Gegnerin schon allerhand Figuren abgeluchst haben. „Die
Lernfortschritte sind für mich das Schönste“ freut sich die ehemalige Verwaltungsangestellte.
Bei einigen muss sie mittlerweile richtig aufpassen. Auch die Ehrlichkeit der Kleinen
verschafft ihr immer wieder unterhaltsame Momente, zum Beispiel merken sie jede
Veränderung an ihrem Aussehen. „Da kommt es schon mal vor, dass ich nach meiner
schrumpligen Haut gefragt werde“ amüsiert sich Gisela Hoischen. Sie genießt die Zeit im
Emilien-Kindergarten und möchte auch in Zukunft noch vielen Kids das Schachspielen
beibringen. „Ich kann das jedem empfehlen, gerade wenn man keine Enkel in der Nähe hat!“
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Sich mit der Welt verbinden
Andrea Bergmann engagiert sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe
„Das ist schon eine Herzensangelegenheit“ erklärt Andrea Bergmann, frühere
Grundschullehrerin aus Münster. Nach langjähriger Berufserfahrung entschied sie sich für
ein Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe, denn andere Kulturen haben sie immer schon fasziniert.
Und so sitzt sie an einem Mittwochnachmittag mit Fidan, einer Aserbaidschanerin, in der
Stadtbücherei, um mit ihr die nächsten Schritte bei den Behörden zu besprechen.
„Manchmal geht es nicht vorwärts, da muss man schon viel Geduld mitbringen“ schildert sie
ganz offen. „Da ist neben
der praktischen Hilfe die
emotionale Unterstützung
fast genauso wichtig.“ Die
beiden treffen sich meist
einmal pro Woche, je
nachdem was gerade
ansteht. Fidan ist seit 15
Monaten in Münster und
durch Andrea Bergmann
bekommt sie die nötige
Hilfe, sich in der Stadt
zurechtzufinden. Momentan
steht die Wohnungssuche
an. Fidan spricht fließend
Englisch und belegt seit
Juni einen Deutschkurs.
Vorher haben die beiden
Fidan aus Aserbaidschan mit der Ehrenamtlichen Andrea Bergmann
auch oft zusammen
Deutsch gelernt. „Meine Motivation sind die kleinen Fortschritte und Erfolgserlebnisse: hier
ein Möbelstück organisiert, dort einen Kontakt vermittelt.“ Von den Flüchtlingen und
Asylsuchenden bekommt Andrea Bergmann auch viel zurück: „Es ist ein schönes Gefühl,
sich mit einem Stück Welt zu verbinden.“ Andrea Bergmanns Ehrenamt ist an die GGUA,
die Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender, angebunden. Dorthin hat sie auch immer
Kontakt zu einer hauptamtlichen Mitarbeiterin, an die sich Andrea Bergmann stets wenden
kann. Um sich für die Flüchtlingsberatung zu qualifizieren, hat Andrea Bergmann
Fortbildungen und Schulungen gemacht, so dass sie jetzt sehr eigenständig handeln kann.
„Das Schwere ist oft, die Frustration aufzufangen und weiter zu motivieren“ erklärt sie. Dabei
sei es wichtig, immer am Ball zu bleiben. Seit drei Jahren schon ist sie ehrenamtlich in der
Organisation aktiv. In der Zeit hat Andrea Bergmann bereits vier Flüchtlinge begleitet. Oft ist
daraus eine Freundschaft geworden, die bis heute andauert. Andrea Bergmann möchte sich
auch weiterhin ehrenamtlich engagieren. Dass sie dabei immer wieder vor neuen
Herausforderungen steht, stört sie nicht: "Es gibt immer eine Lösung!“
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Mehr als nur Bücher
Gisela Wessels ist Ehrenamtliche im Reich der Geschichten und Abenteuer
Ein rotes Sofa lädt die Besucher direkt zum Schmökern ein, denn in jedem Regal wartet ein
neues Abenteuer. Die Bücherei im Aaseemarkt ist ein Ort voller Geschichten, Spiele und
Fantasie. Seit zweieinhalb Jahren ist Gisela
Wessel hier einmal pro Woche freiwillig aktiv
und verbindet so ihr Ehrenamt mit ihrer
persönlichen Vorliebe für Bücher. Zu ihren
Aufgaben gehört neben Ausleihe und
Rückgabe vor allem die Beratung von
Bücherfreunden. „Von Kindern bis zu
Rentnern ist hier jede Altersgruppe vertreten“
freut sich Gisela Wessel. „Das macht die
Arbeit hier so spannend.“ Oft kommt sie mit
den Bücherfreunden ins Gespräch und
tauscht sich über verschiedenste Themen
rund um die Leserwelt aus. Natürlich gehören
auch die Vorbestellung von Büchern oder das
Einsortieren in die Regale zu ihren Pflichten.
Und alles das macht Gisela Wessels mit
Leidenschaft. Die Bücherei sollte übrigens vor
fast 10 Jahren geschlossen werden, aber
engagierte Bürgerinnen und Bürger haben
sich für den Erhalt eingesetzt. Und so wurde
die Bücherei im Aaseemarkt mit einer
hauptamtlichen Stelle und der Unterstützung
von rund 36 ehrenamtlichen Kräften
weitergeführt. Nach einer anfänglichen
Einarbeitungszeit können die Freiwilligen
Gisela Wessels in der Welt der Fantasie
zwischen dem Präsenz- oder Serviceteam
wählen. Frau Wessel hat sich für das Serviceteam entschieden, da sie hier zusätzlich für
Recherchen und interne Vorgänge am PC geschult wird. „Man lernt immer was dazu“ betont
die frühere Sozialarbeiterin, vor allem technische Neuerungen wie die Selbstverbuchung und
der Rückgabekasten halten sie immer auf Trab. Dass sich Gisela Wessel in der Bücherei so
gut aufgehoben fühlt ist zum Großteil der hauptamtlichen Kraft zu verdanken: „Die
professionelle Unterstützung und Wertschätzung der ehrenamtlichen Tätigkeit muss mal
gelobt werden“, betont Gisela Wessels. Eine gute Arbeitsatmosphäre gibt es auch unter den
Ehrenamtlichen: Sie lernen sich alle schnell kennen, sei es durch gemeinsames
Kaffeetrinken oder Boule spielen. Zusätzlich können sich die Freiwilligen über einen internen
Blog im Internet immer auf den neusten Stand bringen und gegenseitig Hinweise geben. Und
zahlreiche Veranstaltungen wie Sommerfeste, abendliche Lesungen oder weihnachtliches
Basteln garantieren bestimmt keine Langeweile. Durch das Engagement der vielen
Ehrenamtlichen ist die Bücherei ein beliebter Treffpunkt, ein Lernort und ein
Veranstaltungsraum geworden. Hier ist eben immer etwas los und Gisela Wessels freut sich
auf die nächsten aufregenden Jahre!
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Männerwirtschaft nicht nur am Tablet PC
Bernd Becker-Jostes begleitet einen 95Jährigen schon seit elf Jahren
„Ein wunderschönes Erlebnis!“ erinnert sich Franz Gausepohl, der im Haus Simeon wohnt.
Vor ein paar Tagen war er noch auf dem Wochenmarkt, bestaunte die bunte Blumenpracht
und besichtigte den Dom. Das war sein Ausflug in das Herz von Münster. Ermöglicht hat ihm
das Bernd Becker-Jostes, der den 95jährigen begleitet – und das schon seit elf Jahren. Mal
sehen sich die beiden wöchentlich, mal etwas seltener, aber telefoniert wird zwischendurch
immer. Meistens werden die Köpfe
zusammengesteckt und Bernd
Becker-Jostes lauscht gespannt den
alten Geschichten und Erlebnissen
von Franz Gausepohl. Doch auch
alltägliche Dinge wie Einkaufen
gehen oder einen Bankbesuch
erledigen sie gemeinsam. Besonders
schön sind aber natürlich die Touren
mit dem Rollstuhl in die Stadt.
Bernd Becker-Jostes ist in der
Initiative “Von Mensch zu Mensch”
aktiv. „Wir Ehrenamtlichen sind an
der Seite von älteren und
hilfebedürftigen Menschen“, betont
er. „Uns geht es um soziale Kontakte
und unkomplizierte Hilfe, wenn sie
gebraucht wird.“ So ist Bernd
Bernd Becker-Jostes und Franz Gausepohl sind am Tablet PC
unterwegs.
Becker-Jostes für Franz Gausepohl
eine wichtige Bezugsperson geworden, die immer ein offenes Ohr für seine Sorgen und
Bedürfnisse hat. Der Ehrenamtliche trifft sich außerdem regelmäßig mit anderen Freiwilligen
zum Erfahrungsaustausch. Auch Fortbildungen sind für ihn wichtig. So wird Bernd BeckerJostes sich demnächst für einen Erste-Hilfe-Kurs für Senioren in der FreiwilligenAkademie
anmelden, um sein Wissen aufzufrischen. Das wichtigste aber sind für ihn seine
regelmäßigen Treffen mit den alten Menschen wie mit seinem langjährigen Schützling Franz
Gausepohl. „Ob wir nun am Tablet PC oder draußen unterwegs sind, wir beide haben Freude
daran“, sagt Becker-Jostes.
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Ein Treffpunkt zum Wohlfühlen
Heinrich Klockenkämper und Rodrigo Alcántara helfen Menschen ohne Obdach
Was sie motiviert? Darin sind sich Heinrich Klockenkämper und Bruder Rodrigo Alcántara
einig. Es ist die Begegnung auf Augenhöhe. Die Gespräche an einem Tisch – egal wer dort
sitzt und was er draußen macht. Die beiden Ehrenamtlichen engagieren sich im Treffpunkt
an der Clemenskirche. Seit anderthalb Jahren sind sie ein fester Bestandteil des Treffpunkts,
der mitten in der Stadt Obdachlosen und anderen Menschen in Not die Möglichkeit bietet,
sich dort hinzusetzen, zu reden und etwas zu essen und zu trinken. So bereiten Heinrich
Klockenkämper und Rodrigo Alcántara Frühstück und Mittagessen vor und reichen es den
Menschen, die in den Treffpunkt kommen. Aber es ist nicht nur das, was die beiden
Ehrenamtlichen tun. Auch ihre soziale Kompetenz ist gefordert. Sie sind Ansprechpartner für
die unterschiedlichsten Anliegen und
verstehen sich selbst als Freund und Bruder
der Gäste. Natürlich werden sie auch mit
deren Problemen konfrontiert, aber die
müssen sie nicht alleine lösen: „Keiner muss
mehr tun als er kann, das ist das Tolle am
Ehrenamt“, betont Heinrich Klockenkämper.
Wenn es eine Situation gibt, mit der die
Ehrenamtlichen überfordert sind, helfen die
beiden Hauptamtlichen aus dem Treffpunkt
weiter. Denn Fachkräfte für die Belastungen
und Nöte in schwierigen Lebenssituationen
sind die Ehrenamtlichen nicht, sondern sie
sind dazu da, ein offenes Ohr haben und
Aufmerksamkeit zu zeigen. „Die
Wertschätzung ist besonders wichtig“ erklärt
Heinrich Klockenkämper, „Wir nehmen die
jeden Gast als individuelle Persönlichkeit
wahr und stellen uns auf seine Befindlichkeit
ein.“ Generell ist es das A und O, für ein
Wohlbefinden der Gruppe zu sorgen, dann
wird auch mal beim Frühstück ausgelassen
gelacht. Auch das Team begegnet sich auf
Augenhöhe: so findet einmal pro Woche eine
kleine Teamsitzung statt, wo besondere Vorkommnisse oder organisatorische Dinge
besprochen werden. Den Freiwilligen wird außerdem regelmäßig die Teilnahme an
Fortbildungen angeboten, etwa zum Thema Drogenbreratung. Zusätzlich wird einmal im
Monat eine große Runde aller Beteiligten einberufen.
Beiden Ehrenamtlichen gleichermaßen wichtig ist der christliche Grundgedanke, für alle da
zu sein – insbesondere für Menschen in Notlagen. Sie wollen ihnen etwas geben, sie
inspirieren und motivieren. „Wie versuchen hier mit unseren Gästen ein würdevolles Leben
und bessere Lebensumstände aufzubauen, sie sollen wachsen“ verdeutlicht Bruder Rodrigo
Alcántara. Einmal pro Woche gehen er und Heinrich Klockenkämper vormittags die Treppe
herunter in den Treffpunkt, der im Souterrain liegt. Nach einem anfänglichen Schnuppertag
sind sie mit Freude dort geblieben und unterstützen seither das zwölfköpfige Team. Ein Ende
ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit ist noch nicht in Sicht, beide wollen noch vielen Menschen dort
im Souterrain helfen – aber eben nicht von oben herab.