Jetzt ist es also fertig, das »Davor«, das Heft auch, aber

Jetzt ist es also fertig, das »Davor«, das Heft auch, aber vor allem
der Tag, der vor der nächsten Nacht, muss ja auch immer wieder
passieren, beides, weil was wäre denn ohne Anfang der Nacht
dann danach? Sie könnte nie zu Ende gehen und so auch wieder
kein neuer Tag beginnen. Dann wäre es ja immer dunkel, oder
hell, das weiß jetzt niemand, hell oder dunkel, Henne oder Ei,
was war zuerst? Auf alle Fälle – das ist sicher – es wäre immer
gleich und das ist schlecht, weil fad, weil keine Bewegung und
weil zumindest ein Rückschritt schon eine Bewegung sein kann.
Dieses Vorwärtsgehen wäre allerdings ein reaktionäres, aber das
ist Politik, eine Facette davon zumindest, die scheinbar nur wenige verstehen, aber die immer mehr Menschen so erklärt wird,
und die wiederum wollen das auch immer mehr so erklärt haben.
Wie ist der Text jetzt aber hierher abgerutscht, wo er doch eigentlich auf die Nacht, die Luft und die Menschen zugehen soll?
Schwarz! Genau, das war es, das Problem, das sich stellt, für diesen Text, den Tag, die Welt. Immer ist es schwarz, die Inspiration, die Nacht, die Aufklärung, aber sogar die heißt eigentlich
erkennende Erleuchtung, kommt also auch wieder aus der Finsternis, führt aber ins Licht. Das stammt zwar auch aus der Politik,
aber sicherlich nicht aus einer schwarzen.
KOLUMNE
Maximilian Brustbauer
Dokumentarist und Lehrer
Schwarze Luft - jetzt aber! –, da könnten ja einige und eigentlich wir alle, noch etwas lernen. Ich geh erst raus, wenn die Luft
schwarz ist! Wie bitte? Ja, sagt man so, halt in der Nacht. Da passe
ich rein, in das Gleiche, kann ich mich verstecken, in der Vielfalt,
muss ich nicht untertauchen, sondern wir tauchen uns in sie rein,
das ist menschlich! Weil eigentlich, wir brauchen sie doch auch,
die Stadt bei Nacht, weil, da sehen wir besser, sag ich dir, sogar
klarer. Wir spazieren durch die Stadt bei Nacht, sehen den Typen
dort auf der Brücke, er trägt ’ne Tasche um die Schulter und seine
Beine ihn nur noch schwer. Er kann beides sein, der Hipster bei
Hitze nach vier, fünf Bier, oder der, der den öffentlichen Raum
noch stärker bewohnt als wir.
Wir gehen weiter, sie kommt uns entgegen, die sportliche Frau
joggt heute in der Nacht. Was arbeitet sie? Du siehst es ihr nicht
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an, warum sie jetzt noch läuft –Ist sie Pilotin, Kellnerin, arbeitslos? – oder was weißt denn du schon und was geht es uns eigentlich an? Nichts stört uns, in der Nacht, sind wir uns alle gleich.
Seien wir ehrlich, wir denken gar nicht daran, in der Nacht, zu
denken, was es uns angeht, wir gehen einfach dahin, immer mit
ein wenig weniger der Sorgen des Tages, weil die werden durch
die schwarze Luft nicht beleuchtet. Die Unterschiede verschwinden, wir sind da immer alle mehr ein wir, als wir es tagsüber zugeben würden. Sie uniformiert uns zu gleichen Menschen, und
das ist es doch, was wir eigentlich brauchen, nur noch Mensch
sein Der Nachtarbeiter und seine Frau, die Flaneurin und ihr Begleiter. Die brauchen sich alle gegenseitig, weil wir nur mit uns
am besten wir selbst sein können, wir Menschen. Am Schluss der
Chance, es dämmert mir, wenn die Nacht am dunkelsten ist, legen wir die erlebte Erkenntnis wieder ab. Leider! Wenn die Dämmerung die Wahnsinnigen in Erregung versetzt, dann spielen die
Illusionisten mit uns Zauberei und nutzen ihre Chance in diesen
Übergangsminuten. Damit machen wir Schluss! Wir lassen uns
nicht mehr verblenden. »Klappe zu, Affe tot, endlich lacht das
Morgenrot« – über diesen Kahlauer hinaus sollen wir ihn mitnehmen, den Geist der schwarzen Luft, die Stadt bei Nacht soll
leuchten am Tag und sich die neue Form geben.
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